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171,095 | bverwg-2019-01-08-1-c-1618 | {
"id": 5,
"name": "Bundesverwaltungsgericht",
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} | 1 C 16/18 | 2019-01-08T00:00:00 | 2019-01-29T12:48:53 | 2019-01-29T12:48:53 | Urteil | ECLI:DE:BVerwG:2019:080119U1C16.18.0 | <h2>Tatbestand</h2>
<div>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_1">1</a>
</dt>
<dd>
<p>Der Kläger, nach eigenen Angaben mauretanischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig, die Feststellung, dass nationale Abschiebungsverbote nicht vorliegen, die Anordnung der Abschiebung in die Republik Österreich und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 12 Monate.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_2">2</a>
</dt>
<dd>
<p>Der Kläger reiste nach eigenen Angaben am 21. März 2017 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 30. März 2017 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Ein Eurodac-Abgleich ergab, dass er zuvor bereits in der Republik Österreich einen Asylantrag gestellt hatte. Auf ein entsprechendes Ersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge der Beklagten (Bundesamt) erklärte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich mit Schreiben vom 6. April 2017 seine Bereitschaft zur Wiederaufnahme des Klägers. Daraufhin lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 9. Juni 2017 den Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass keine nationalen Abschiebungsverbote vorliegen (Ziffer 2), ordnete die Abschiebung in die Republik Österreich an (Ziffer 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 12 Monate (Ziffer 4).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_3">3</a>
</dt>
<dd>
<p>Das Verwaltungsgericht lehnte mit Beschluss vom 28. Juni 2017 einen fristgerecht gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_4">4</a>
</dt>
<dd>
<p>Gegen diesen Beschluss erhob der Kläger fristgerecht Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht und beantragte zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Zur Begründung trug er vor, der Erlass des Beschlusses vom 28. Juni 2017 durch einen Richter auf Zeit verletze seine Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Bundesverfassungsgericht bat das Bundesamt zu bestätigen, dass bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde oder den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keine Abschiebung des Klägers erfolgen werde. Das Bundesamt gab eine entsprechende Erklärung ab und setzte mit Bescheid vom 17. August 2017 die Vollziehung der Abschiebungsanordnung aus dem Bescheid vom 9. Juni 2017 bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde oder den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO aus.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_5">5</a>
</dt>
<dd>
<p>Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 6. Februar 2018 den Bescheid des Bundesamtes vom 9. Juni 2017 aufgehoben. Die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Asylantrag sei zwischenzeitlich auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil durch die behördliche Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO die Überstellungsfrist nicht erneut unterbrochen worden sei. Grundsätzlich könne zwar eine behördliche Aussetzungsentscheidung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO, Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO zur Unterbrechung der Überstellungsfristen führen. Dies erfordere aber Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung, welche nicht vorgelegen hätten. Die Überstellungsfrist sei damit im Zeitpunkt des Urteils abgelaufen gewesen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_6">6</a>
</dt>
<dd>
<p>Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision macht die Beklagte geltend, das Verwaltungsgericht habe die Anforderungen an eine behördliche Aussetzungsentscheidung fehlerhaft zu eng bestimmt. Für eine Beschränkung der Vollzugsaussetzung auf diejenigen Fälle, in denen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung bestünden, sei nichts Stichhaltiges erkennbar. Der Wortlaut von § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO lasse eine einengende Interpretation nicht zu. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO stelle ersichtlich einen Sonderfall dar. Nichts anderes folge aus dem Unionsrecht. Es sei nicht erkennbar, dass Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO allein dem Interesse des Drittstaatsangehörigen zu dienen bestimmt sei. Zwar verfolge das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren der Dublin III-VO auf der einen Seite das Ziel einer zügigen Bearbeitung von Asylanträgen. Auf der anderen Seite solle aber auch die Sekundärmigration verhindert werden. Der dem Dublin-System innewohnende Beschleunigungsgedanke verlange ebenfalls keine einengende Interpretation, weil die Verzögerung durch das rechtliche Vorgehen des Klägers verursacht worden sei.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_7">7</a>
</dt>
<dd>
<p>Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung. Behördliche Aussetzungsentscheidungen hätten auf den Ablauf der Überstellungsfrist keinen Einfluss, weil Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO auf eine aufschiebende Wirkung abstelle, die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebe oder durch ein Gericht angeordnet werde. Das Bundesamt sei kein Gericht im vorgenannten Sinne. Zudem schließe § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG als vorrangige Spezialregelung die Anwendbarkeit von § 80 Abs. 4 VwGO aus. § 34a Abs. 1 AsylG setze für den Erlass einer Abschiebungsanordnung voraus, dass die Abschiebung durchgeführt werden könne. Komme die Behörde zu der Überzeugung, dass die Abschiebungsanordnung nicht vollzogen werden könne, sei diese aufzuheben.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_8">8</a>
</dt>
<dd>
<p>Das Bundesverfassungsgericht hat am 26. Juni 2018 beschlossen, dass die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wird und sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung damit erledigt hat. Mit Bescheid vom 2. Juli 2018 hat das Bundesamt die Vollziehung der Abschiebungsanordnung aus dem Bescheid vom 9. Juni 2017 bis zur Beendigung des Revisionsverfahrens ausgesetzt.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_9">9</a>
</dt>
<dd>
<p>Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren nicht beteiligt.</p>
</dd>
</dl>
</div>
<h2>Entscheidungsgründe</h2>
<div>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_10">10</a>
</dt>
<dd>
<p>Die form- und fristgerecht eingelegte Sprungrevision der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Verfahrensbeteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_11">11</a>
</dt>
<dd>
<p>Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die behördliche Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides nach § 80 Abs. 4 VwGO habe die Überstellungsfrist nicht unterbrochen, sodass die Bundesrepublik Deutschland zuständiger Mitgliedstaat geworden sei, verstößt gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO); hinsichtlich der Unzulässigkeitsentscheidung erweist sich das Urteil auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO) (1.). Auch im Übrigen ist der angegriffene Bescheid rechtmäßig (2.).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_12">12</a>
</dt>
<dd>
<p>Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens sind das Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das am 12. Dezember 2018 in Kraft getretene Dritte Gesetz zur Änderung des Asylgesetzes vom 4. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2250), die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch das am 1. November 2018 in Kraft getretene Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage vom 12. Juli 2018 (BGBl. I S. 1151) sowie die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 S. 31) - Dublin III-VO -. Da es sich um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Tatsachengericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es diese nunmehr träfe, die während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Änderungen zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_13">13</a>
</dt>
<dd>
<p>1. Die Klage ist, soweit sie sich gegen die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamtes richtet, als Anfechtungsklage statthaft (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 - BVerwGE 153, 162 Rn. 13 f.) und auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet. Das Bundesamt hat insoweit seine Entscheidung zu Recht auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gestützt. Ein Asylantrag ist hiernach unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Dublin III-VO oder aufgrund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist (1.1). Diese Zuständigkeit ist hier auch in der Folgezeit nicht durch Ablauf der Überstellungsfrist (Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO) auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen (1.2). Die originäre Zuständigkeitsbestimmung steht auch nicht mit Blick auf Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO in Zweifel (1.3).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_14">14</a>
</dt>
<dd>
<p>1.1 Das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass - vorbehaltlich einer Prüfung nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO - für die Durchführung des Asylverfahrens die Republik Österreich originär zuständig war, weil sich eine anderweitige vorrangige Zuständigkeit nach Kapitel III der Dublin III-VO (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO) nicht bestimmen ließ und daher der Mitgliedstaat - hier die Republik Österreich - zuständig war, in dem der Kläger seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO). Die Beklagte hat die Republik Österreich fristgerecht um Wiederaufnahme des Klägers ersucht (Art. 23 Abs. 2, 3 Dublin III-VO), diese hat das Wiederaufnahmegesuch innerhalb der von Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO bestimmten Zweiwochenfrist angenommen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_15">15</a>
</dt>
<dd>
<p>1.2 Die Zuständigkeit ist auch nicht nachträglich auf die Beklagte übergegangen. Zu einem hier allein in Betracht kommenden Zuständigkeitsübergang durch Ablauf der Überstellungsfristen des Art. 29 Dublin III-VO (1.2.1) ist es nicht gekommen, weil die mit der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs in Lauf gesetzte Frist jeweils vor ihrem Ablauf wirksam unterbrochen worden ist (1.2.2), und zwar entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts auch durch die behördliche Aussetzung der Vollziehung (§ 80 Abs. 4 VwGO) durch das Bundesamt (1.2.3).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_16">16</a>
</dt>
<dd>
<p>1.2.1 In Fällen der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats als des Mitgliedstaats, in dem sich der Antragsteller aufhält, regelt Art. 29 Dublin III-VO die Modalitäten und Fristen der Überstellung. Nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO erfolgt die Überstellung, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Annahme des (Wieder-)Aufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat (Alt. 1) oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat (Alt. 2). Verzögert sich die Überstellung wegen eines Rechtsbehelfsverfahrens mit aufschiebender Wirkung, ist der zuständige Mitgliedstaat hierüber unverzüglich zu unterrichten (Art. 9 Abs. 1 der Verordnung <EG> Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung <EG> Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist <ABl. L 222 S. 3>). Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO nicht mehr zur (Wieder-)Aufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_17">17</a>
</dt>
<dd>
<p>1.2.2 Nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Alt. 1 Dublin III-VO ist hier die sechsmonatige Überstellungsfrist erstmals nach der Annahme des Wiederaufnahmeersuchens durch die österreichischen Behörden vom 6. April 2017 in Lauf gesetzt worden. Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die so in Lauf gesetzte Überstellungsfrist durch den fristgemäß gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung vom 16. Juni 2017 - welcher kraft Gesetzes ein Überstellungsverbot auslöst (vgl. § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG i.V.m. Art. 27 Abs. 3 Buchst. c Satz 2 Dublin III-VO) - unterbrochen worden ist (Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Alt. 2 Dublin III-VO), worüber das Bundesamt die österreichischen Behörden auch informiert hat. Mit Ergehen der ablehnenden gerichtlichen Eilentscheidung vom 28. Juni 2017 wurde die sechsmonatige Überstellungsfrist erneut in Gang gesetzt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2016 - 1 C 15.15 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 83 Rn. 11 und Beschluss vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 81 Rn. 18 ff.). Die Überstellungsfrist wird wegen des kraft Gesetzes damit verbundenen, verfahrenssichernden Überstellungsverbots (§ 34a Abs. 2 AsylG; s.a. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 [ECLI:EU:C:2018:465] -) auch in solchen Fällen unterbrochen, in denen ein gerichtlicher Eilantrag im Ergebnis ohne Erfolg bleibt oder nicht beschieden wird (a.A. wohl Österreichischer Verwaltungsgerichtshof, Entscheidung vom 14. Dezember 2017 - Ra 2015/20/0231-16 - und Schweizerisches Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19. November 2014 - E-3971/2013 -). Aus den Gründen seines Beschlusses vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 - (Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 81 Rn. 18 ff.) hält es der Senat in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union weiterhin für geklärt (s. nur EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 [ECLI:EU:C:2009:41], Petrosian - Rn. 40 ff., 44), dass auch in Fällen, in denen eine Überstellung kraft Gesetzes oder kraft wirksamer Einzelfallentscheidung lediglich zeitweise ausgeschlossen war, die Mitgliedstaaten über eine zusammenhängende Frist von sechs Monaten verfügen müssen, die sie in vollem Umfang zur Regelung der technischen Probleme für die Bewerkstelligung der Überstellung sollen nutzen dürfen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_18">18</a>
</dt>
<dd>
<p>1.2.3 Die Überstellungsfrist, die mit dem Beschluss, mit dem der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes abgelehnt worden ist, neu in Lauf gesetzt worden ist, ist vor ihrem Ablauf wirksam durch die Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO durch den Bescheid des Bundesamtes vom 17. August 2017 erneut unterbrochen worden. Diese Unterbrechung, die den österreichischen Behörden zudem auch mitgeteilt worden ist, dauerte im Zeitpunkt des Urteils des Verwaltungsgerichts an und hinderte den - vom Verwaltungsgericht zu Unrecht angenommenen - Übergang der Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_19">19</a>
</dt>
<dd>
<p>a) Die Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO durch die Behörde ist generell geeignet, die in Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO vorgesehene Überstellungsfrist zu unterbrechen (EuGH, Urteil vom 13. September 2017 - C-60/16 [ECLI:EU:C:2017:675], Khir Amayry - Rn. 71; BVerwG, Urteil vom 9. August 2016 - 1 C 6.16 - BVerwGE 156, 9 Rn. 18). Nach Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die zuständigen Behörden beschließen können, von Amts wegen tätig zu werden, um die Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung auszusetzen. Diese unionsrechtlich vorgesehene Möglichkeit wird im nationalen Recht durch § 80 Abs. 4 VwGO eröffnet.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_20">20</a>
</dt>
<dd>
<p>Nichts anderes folgt für die Unterbrechungswirkung daraus, dass Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO nicht auch auf Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO Bezug nimmt. Nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO ist allein entscheidend, dass ein Rechtsbehelf im Sinne des Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat und daher eine Überstellung nicht durchgeführt werden kann. Die in Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO den Mitgliedstaaten eröffnete Möglichkeit, dass auch die zuständigen Behörden die Durchführung der Überstellungsentscheidung aussetzen können, erweitert lediglich die Fallgruppen, in denen einem Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung im Sinne des Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO zukommt. Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO verlöre im Übrigen in weitem Maße seine praktische Wirksamkeit, wenn die Regelung nicht angewendet werden könnte, ohne dass die Gefahr bestünde, dass die Überstellungsfrist abläuft und ein Zuständigkeitsübergang die Folge wäre (EuGH, Urteil vom 13. September 2017 - C-60/16 - Rn. 71).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_21">21</a>
</dt>
<dd>
<p>b) Die Wirkung, die Überstellungsfrist neuerlich zu unterbrechen, entfällt bei der Aussetzungsentscheidung vom 17. August 2017 nicht deswegen, weil diese rechtswidrig wäre. Vielmehr hält sie sich in den Grenzen, die durch das nationale Recht und Unionsrecht vorgegeben sind.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_22">22</a>
</dt>
<dd>
<p>aa) Nach § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO haben die Behörden grundsätzlich die Befugnis, nach Ermessen die Vollziehung auszusetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_23">23</a>
</dt>
<dd>
<p>Regelungen des Asylgesetzes schließen eine behördliche Aussetzung nach § 80 Abs. 4 VwGO nicht aus. § 34a AsylG ordnet allerdings an, dass u.a. in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG die Abschiebung anzuordnen ist, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann (Abs. 1), und enthält Sonderregelungen zu der Frist, die bei einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu beachten ist, sowie zu einem Verbot der Abschiebung vor der gerichtlichen Entscheidung (Abs. 2). Damit ist aber die behördliche Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO weder ausdrücklich noch der Sache nach ausgeschlossen. Namentlich können auch bei einer im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG rechtlich und tatsächlich möglichen Abschiebung Gründe vorliegen, die es rechtfertigen, deren Vollziehung - etwa zur Sicherung der Effektivität gerichtlichen Rechtsschutzes - vorübergehend bis zu einer abschließenden gerichtlichen Klärung auszusetzen. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gebietet in solchen Fällen - entgegen der Auffassung der Klägerseite - nicht, die Abschiebungsanordnung aufzuheben, was die endgültige gerichtliche Klärung gerade verhinderte. Denn selbst bei nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftretenden Abschiebungsverboten oder Duldungsgründen ist das Bundesamt nicht verpflichtet, die Abschiebungsanordnung nach § 48 VwVfG aufzuheben; namentlich bei vorübergehenden Abschiebungshindernissen kann es deren Vollziehung auch (vorläufig) aussetzen (s.a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14 - Asylmagazin 2014, 341). Auch aus weiteren Regelungen des Asylgesetzes ergibt sich kein bundesgesetzlicher Ausschluss des § 80 Abs. 4 VwGO im Asylverfahren; § 36 Abs. 4 AsylG etwa regelt allein den Maßstab für die gerichtliche Anordnung der Aussetzung der Abschiebung und schließt weitergehende behördliche Aussetzungsentscheidungen nicht aus.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_24">24</a>
</dt>
<dd>
<p>§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO beschränkt das behördliche Aussetzungsermessen für das Asylverfahren ebenfalls nicht. Hiernach "soll" die Aussetzung bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Dieser auf die (qualifizierte) Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bezogene Maßstab ist auf die Vollziehbarkeit sonstiger Verwaltungsakte weder unmittelbar noch - entgegen im Schrifttum teilweise vertretener Ansicht (s. etwa Gersdorf, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 47. Edition, Stand 1. Juli 2018, § 80 Rn. 126) - entsprechend anzuwenden (s. nur BVerwG, Beschluss vom 17. September 2001 - 4 VR 19.01 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 66 S. 3 f.).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_25">25</a>
</dt>
<dd>
<p>bb) Unionsrecht setzt in Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO eine behördliche Aussetzung der Vollziehung voraus, steht also § 80 Abs. 4 VwGO gerade nicht entgegen. Es setzt aber dem nach nationalem Recht (§ 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO) eröffneten weiten Handlungsspielraum durch unionsrechtliche Vorgaben (vgl. insbesondere Art. 27 und 28 Dublin III-VO) gewisse Grenzen. Diese Beschränkungen ergeben sich daraus, dass die behördliche Aussetzungsentscheidung den Antragsteller nicht nur begünstigt, indem aufenthaltsbeendende Maßnahmen auf der Grundlage der Abschiebungsanordnung zunächst nicht mehr erfolgen können, sondern mittelbar auch belastet, weil sie die Überstellungsfrist unterbricht und so dazu führen kann, dass ein vom Antragsteller möglicherweise erstrebter Zuständigkeitsübergang nicht erfolgt; zu berücksichtigen sind auch die Belange des zuständigen Mitgliedstaats.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_26">26</a>
</dt>
<dd>
<p>Mindestvoraussetzung einer behördlichen Aussetzungsentscheidung nach § 80 Abs. 4 VwGO ist, dass der Antragsteller einen Rechtsbehelf gegen die Abschiebungsanordnung eingelegt hat (Art. 27 Abs. 4 und Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO). Weitere Grenzen folgen aus dem von Art. 27 Abs. 3 und 4 i.V.m. Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO angestrebten Ziel eines angemessenen Ausgleichs zwischen einerseits der Gewährung effektiven Rechtsschutzes und der Ermöglichung einer raschen Bestimmung des für die inhaltliche Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats (vgl. Erwägungsgrund 5 zur Dublin III-VO) und andererseits dem Ziel zu verhindern, dass sich Asylbewerber durch Weiterwanderung den für die Prüfung ihres Asylbegehrens zuständigen Mitgliedstaat aussuchen (Verhinderung von Sekundärmigration) (BVerwG, Urteil vom 27. April 2016 - 1 C 24.15 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 82 Rn. 13). Der Zuständigkeitsübergang nach Ablauf der Überstellungsfrist soll verhindern, dass Asylanträge monate- oder gar jahrelang nicht geprüft werden, zugleich soll das Ziel einer möglichst schnellen Prüfung nicht dazu führen, dass dem jeweiligen Mitgliedstaat keine zusammenhängende Überstellungsfrist von sechs Monaten zur Verfügung steht, in der nur noch die Überstellungsmodalitäten zu regeln sind (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 - Rn. 43 ff.) oder der Beschleunigungsgedanke zulasten eines effektiven Rechtsschutzes verwirklicht wird (vgl. § 27 Abs. 3 und 4 Dublin III-VO).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_27">27</a>
</dt>
<dd>
<p>Eine behördliche Aussetzungsentscheidung darf hiernach auch unionsrechtlich jedenfalls dann ergehen, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung bestehen (so bereits BVerwG, Urteil vom 9. August 2016 - 1 C 6.16 - BVerwGE 156, 9 Rn. 18); dann haben die Belange eines Antragstellers auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes offenkundig Vorrang vor dem Beschleunigungsgedanken. Die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes (s.a. Art. 46 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes <ABl. L 180 S. 60>) erlaubt eine behördliche Aussetzung aus sachlich vertretbaren Erwägungen, die nicht rechtlich zwingend sein müssen, auch unterhalb dieser Schwelle, wenn diese den Beschleunigungsgedanken und die Interessen des zuständigen Mitgliedstaats nicht willkürlich verkennen und auch sonst nicht missbräuchlich sind. Das vorliegende Verfahren gibt dabei keinen Anlass zur abschließenden Klärung dieser Willkür- oder Missbrauchsschwelle; sie wird aber dann überschritten sein, wenn bei klarer Rechtslage und offenkundig eröffneter Überstellungsmöglichkeit die behördliche Aussetzungsentscheidung allein dazu dient, die Überstellungsfrist zu unterbrechen, weil sie aufgrund behördlicher Versäumnisse ansonsten nicht (mehr) gewahrt werden könnte.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_28">28</a>
</dt>
<dd>
<p>cc) Die Aussetzungsentscheidung des Bundesamtes vom 17. August 2017 ist nach diesen Grundsätzen beachtlich und hat die Überstellungsfrist neuerlich unterbrochen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_29">29</a>
</dt>
<dd>
<p>(1) Dem unionsrechtlichen Mindesterfordernis, dass der Kläger einen Rechtsbehelf im Sinne des Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO eingelegt hat, ist mit der am 16. Juni 2017 erhobenen und zum Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung weiterhin anhängigen Klage, die sich auch gegen die Abschiebungsanordnung richtet, entsprochen. Keine andere Beurteilung ergibt sich daraus, dass der Kläger auch einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt hatte, der erfolglos geblieben ist. Unionsrecht verbietet den Mitgliedstaaten jedenfalls nicht, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen oder Überstellungsmaßnahmen auch dann abzusehen, wenn zwar eine erste gerichtliche Überprüfung der Überstellungsentscheidung nicht zur Gewährung aufschiebender Wirkung geführt hat, über den Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung aber noch nicht endgültig entschieden ist.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_30">30</a>
</dt>
<dd>
<p>(2) Die Aussetzungsentscheidung des Bundesamtes ist hier jedenfalls durch die von dem Kläger erhobene Verfassungsbeschwerde, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und die auf Bitte des Bundesverfassungsgerichts vom Bundesamt erteilte Stillhalteerklärung sachlich gerechtfertigt.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_31">31</a>
</dt>
<dd>
<p>Die Verfassungsbeschwerde entfaltet als außerordentlicher Rechtsbehelf selbst keine aufschiebende Wirkung. Diese wird auch nicht schon durch eine formlose Bitte des Bundesverfassungsgerichts bewirkt, zur Verfahrenssicherung bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde von Vollziehungsmaßnahmen abzusehen. Nicht zu vertiefen ist, welche Rechtsqualität einer solchen "Stillhaltebitte" des Bundesverfassungsgerichts und einer entsprechenden behördlichen Erklärung zukommt, namentlich dann, wenn sie dem Antragsteller (und Verfassungsbeschwerdeführer) nicht mitgeteilt wird. Diese - auf die Wahrung der Effektivität auch des nationalen Verfahrens der Verfassungsbeschwerde bezogenen - Vorgänge sind jedenfalls ein hinreichender, sachlich rechtfertigender Anlass für eine behördliche Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts, durch den der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt worden ist, entfaltet gegenüber einer behördlichen Aussetzungsanordnung nach § 80 Abs. 4 VwGO keine Sperrwirkung; dies gilt insbesondere dann, wenn diese gerichtliche Entscheidung ihrerseits Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde ist.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_32">32</a>
</dt>
<dd>
<p>Die behördliche Aussetzungsentscheidung war hier schon deswegen sachlich geboten, frei von Willkür und nicht rechtsmissbräuchlich, weil sie die Berücksichtigung der Effektivität verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes sicherstellte, ohne eine endgültige Veränderung der Rechtslage durch einen Zuständigkeitsübergang infolge Ablaufs der Überstellungsfrist zu bewirken. Bereits nach nationalem Recht führen die Erhebung der Verfassungsbeschwerde und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht nach Art. 27 Abs. 3 i.V.m. Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO zu einer Unterbrechung der Überstellungsfrist. Dazu bedurfte es der - hier auch erfolgten - behördlichen Aussetzungsentscheidung. Neben der Effektivierung des Rechtsschutzes des Klägers - erst mit der behördlichen Aussetzungsentscheidung stand für diesen fest, dass während des verfassungsgerichtlichen Verfahrens nicht mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu rechnen sei - dient die behördliche Aussetzungsanordnung auch der Klarstellung im Verhältnis zu dem zuständigen Mitgliedstaat, dass der Lauf der Überstellungsfrist (erneut) unterbrochen worden ist.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_33">33</a>
</dt>
<dd>
<p>Dem Interesse des Klägers an einer zeitnahen Klärung der internationalen Zuständigkeit für die Sachentscheidung über seinen Asylantrag kommt dabei hier kein ausschlaggebendes Gewicht zu. Mit der behördlichen Aussetzungsanordnung hat das Bundesamt der Sache nach (vorläufig) seinem Rechtsschutzbegehren, vor der endgültigen Klärung der internationalen Zuständigkeit nicht aus dem Bundesgebiet abgeschoben zu werden, entsprochen, welches er zunächst mit dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung und nachfolgend mit der mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundenen Verfassungsbeschwerde verfolgt hat. Das mögliche Ziel, damit auch einen Zuständigkeitsübergang zu erwirken, wäre weder nach nationalem noch nach Unionsrecht schutzwürdig.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_34">34</a>
</dt>
<dd>
<p>1.2.4 Nicht zu vertiefen ist, ob der Senat einen Ablauf der Überstellungsfrist während des Revisionsverfahrens berücksichtigen könnte, weil auch während des Revisionsverfahrens die Überstellungsfrist nicht abgelaufen ist. Das Bundesamt hatte die Überstellung lediglich bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde oder den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ausgesetzt. Diese Aussetzung ist mit der Rücknahme der Verfassungsbeschwerde durch den Kläger gegenstandslos geworden, weil sie erkennbar zur Sicherung des durch Rücknahme beendeten verfassungsgerichtlichen Verfahrens ergangen ist. Die damit neu in Lauf gesetzte Überstellungsfrist ist indes vor ihrem Ablauf zur Sicherung des Revisionsverfahrens durch eine erneute Aussetzungsentscheidung des Bundesamtes nach § 80 Abs. 4 VwGO unterbrochen worden. Auch diese Aussetzungsentscheidung genügt angesichts der im Revisionsverfahren zu klärenden Grundsatzfrage den nach nationalem und Unionsrecht zu stellenden Anforderungen. Dies gilt umso mehr, als durch das der Klage stattgebende erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts in der Hauptsache ungeachtet der von der Beklagten eingelegten Revision nunmehr selbst "ernstliche Zweifel" an der Abschiebungsanordnung begründet worden sind. Diese neue Verfahrenslage durfte das Bundesamt der Beklagten sachgerecht und willkürfrei zum Anlass der neuerlichen Aussetzung nehmen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_35">35</a>
</dt>
<dd>
<p>1.3 Das stattgebende Urteil zur Ablehnung des Asylantrags als unzulässig erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_36">36</a>
</dt>
<dd>
<p>1.3.1 Der Feststellung der anderweitigen internationalen Zuständigkeit der Republik Österreich stand hier nicht entgegen, dass die Zuständigkeit wegen sog. systemischer Mängel (vgl. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO und EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 [ECLI:EU:C:2011:865], N. S. u.a. -; EGMR <GK>, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M. S. S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen wäre.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_37">37</a>
</dt>
<dd>
<p>Der Senat kann dies ungeachtet dessen beurteilen, dass das Verwaltungsgericht zur abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Österreich keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen hat. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO verlangt eine weitergehende Prüfung der internationalen Zuständigkeit nur und erst dann, wenn sich die Überstellung in den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat als unmöglich erweist, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen. Nach dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 - Rn. 79 ff.) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylantragsteller in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Konvention für Menschenrechte und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entspricht (s.a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Dezember 2017 - 2 BvR 1872/17 - EuGRZ 2018, 69 Rn. 19). An die Widerlegung dieser Vermutung sind hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass diesem im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1039 <1040>). Für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles, der Feststellungen des Verwaltungsgerichts erfordert hätte, ist von den Beteiligten weder im Ausgangs- noch im Revisionsverfahren etwas vorgetragen worden noch hätten sich dem Verwaltungsgericht solche Erwägungen aufdrängen müssen. Umstände, welche die Vermutung für eine ordnungsgemäße Behandlung von Asylantragstellern in der Republik Österreich auch nur ansatzweise substantiell erschüttern könnten, sind dem Senat nicht bekannt und ergeben sich namentlich nicht aus der veröffentlichten Rechtsprechung.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_38">38</a>
</dt>
<dd>
<p>1.3.2 Die Bundesrepublik Deutschland war auch nicht verpflichtet, von ihrem gemäß Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 Dublin III-VO bestehenden Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. Offenbleiben kann dabei, ob ein Antragsteller sich im gerichtlichen Verfahren auf eine etwa fehlerhafte Betätigung des durch Art. 17 Dublin III-VO eingeräumten Ermessens berufen kann (nicht eindeutig insoweit EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 - C-578/16 PPU [ECLI:EU:C:2017:127] - Rn. 88). Jedenfalls sind vorliegend die Voraussetzungen für eine Reduktion des den nationalen Behörden in Art. 17 Dublin III-VO eingeräumten Ermessens zum Selbsteintritt wegen unangemessen langer Verfahrensdauer (vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013 - C-4/11 [ECLI:EU:C:2013:740], Puid - Rn. 35 <noch zu Art. 3 Abs. 2 der Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist - Dublin II-VO -) nicht erfüllt.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_39">39</a>
</dt>
<dd>
<p>2. Die Klage hat auch im Übrigen keinen Erfolg. Gründe für die Rechtswidrigkeit der Feststellung, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen (Ziffer 2 des Bescheides), der Abschiebungsanordnung (Ziffer 3 des Bescheides) und der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (Ziffer 4 des Bescheides) sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_40">40</a>
</dt>
<dd>
<p>3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.</p>
</dd>
</dl>
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161,444 | vg-dusseldorf-2019-01-08-22-l-225218a | {
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<p><strong>Die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 6332/18.A gegen Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2018 wird angeordnet.</strong></p>
<p><strong>Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.</strong></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Gründe:</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der am 9. Juli 2018 ursprünglich beim Verwaltungsgericht Köln gestellte und sodann an das erkennende Gericht verwiesene sinngemäße Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><strong>die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 6332/18.A gegen Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2018 anzuordnen,</strong></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Antrag ist nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG zulässig, insbesondere ist die dort bestimmte Antragsfrist von einer Woche nach Bekanntgabe des streitgegenständlichen Bescheides an die Antragsteller (hier nicht vor dem 3. Juli 2018) gewahrt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Antrag ist auch begründet. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das bezüglich der Abschiebungsanordnung durch § 75 AsylG gesetzlich angeordnete öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt. Die dabei vorzunehmende Interessenabwägung geht zu Gunsten der Antragsteller aus. Die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides begegnet bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Es bestehen erhebliche Zweifel, dass die hierfür erforderlichen Voraussetzungen im vorliegenden Fall derzeit erfüllt sind.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Verordnung findet gemäß ihres Art. 49 Unterabsatz 2 Satz 1 auf Schutzgesuche Anwendung, die nach dem 31. Dezember 2013 gestellt werden, mithin auch auf den von den Antragstellern im April 2018 gestellten Asyl(folge)antrag.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Ursprünglich ist die Zuständigkeit Frankreichs nach Art. 12 Abs. 2 1. Halbsatz der Dublin III‑VO für die Prüfung des Asylantrags der Antragsteller begründet worden. Nach dieser Vorschrift ist in den Fällen, in denen der Antragsteller ein gültiges Visum besitzt, der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig, der das Visum erteilt hat. Die Antragsteller waren zum maßgeblichen Zeitpunkt der erstmaligen Beantragung internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat (vgl. Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO) im Besitz eines gültigen Visums, das von der französischen Auslandsvertretung im Iran ausgestellt wurde. Das Visum war ausweislich des Auszuges aus dem Visainformationssystem (VIS) gültig vom 28. März 2017 bis zum 27 April 2017. Ihr erster Asylantrag in einem Mitgliedstaat (im Bundesgebiet) datiert vom 26. April 2017.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Auf der Grundlage dieser Zuständigkeit hatte das Bundesamt in der Vergangenheit ein Übernahmeersuchen an Frankreich auf der Grundlage von Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO gerichtet, welches Frankreich angenommen hatte. Sodann war ein früherer Ablehnungsbescheid vom 23. Mai 2017 mit Abschiebungsanordnung nach Frankreich gegenüber den Antragstellern ergangen. Die hiergegen gerichteten Eilverfahren und Klageverfahren beim Verwaltungsgericht Arnsberg (12 K 5616/17.A und 12 L 1729/17.A) blieben ohne Erfolg oder wurden zurückgenommen. Sodann überstellten die deutschen Behörden die Antragsteller am 6. Dezember 2017 nach Frankreich.Am 8. April 2018 sind die Antragsteller nach ihren Angaben wieder in das Bundesgebiet eingereist und es erfolgte eine erkennungsdienstliche Behandlung am 9. April 2018 durch Polizeibehörden in Bielefeld. Am 18. April 2018 erschienen sie bei der Außenstelle des Bundesamtes in Bonn und stellten einen Folgeantrag.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die frühere Zuständigkeit Frankreichs ist in der Folge dieser Abläufe auch nicht nach der Wiedereinreise auf die Antragsgegnerin übergegangen, weil sie nach dem Zeitpunkt der Kenntnis von der Wiedereinreise – frühestens am 9. April 2018, vgl. Beiakte 3, Bl. 20ff. – innerhalb der Frist für ein Übernahmeersuchen nach Wiedereinreise am 20. Juni 2018 ein erneutes Übernahmeersuchen an Frankreich auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO (hier drei Monate, weil es sich nicht auf EURODAC- Treffer sondern auf VIS-Treffer oder sonstiges stützte, vgl. 21 Abs. 1 UAbs. 1 bzw. Art. 23 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO) gerichtet hat. Frankreich hat dieses mit am 28. Juni 2018 beim Bundesamt eingegangenem Schreiben vom 27. Juni 2018 auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 1 lit. a Dublin III-VO angenommen. Frankreich ging mithin davon aus, dass es lediglich die im Bundesgebiet gestellten Asylanträge gibt und in Frankreich kein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist. Dies stimmt damit überein, dass EURODAC-Treffer aus Frankreich nicht ersichtlich sind. Das Abfrageprotokoll aus der EURODAC-Datenbank vom 18. April 2018 weist einen „Nulltreffer “ aus.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Diese Zuständigkeit ist auch nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen, weil die ab der Annahme des Aufnahmeersuchens durch Frankreich laufende Überstellungsfrist durch den beim Verwaltungsgericht Köln, auf welches die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides vom 2. Juli 2018 verwies, fristgerecht gestellten Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO unterbrochen worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die damit für Frankreich anzunehmende Zuständigkeit dürfte jedoch zwischenzeitlich dadurch entfallen sein, dass die Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für drei Monate (freiwillig) verlassen haben. Denn nach Art. 19 Abs. 2 Unterabsatz 1 Dublin III-VO erlöschen die Pflichten nach Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO, wenn der zuständige Mitgliedstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller oder eine andere Person im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Buchst. c) oder d) Dublin III-VO, um dessen/deren Aufnahme oder Wiederaufnahme er ersucht wurde, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, die betreffende Person ist im Besitz eines vom zuständigen Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels. Art. 19 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO bestimmt, dass ein nach der Periode der Abwesenheit im Sinne des Unterabsatzes 1 gestellter Antrag als neuer Antrag gilt, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Antragsteller können sich vorliegend auf diese Vorschrift berufen. Denn sie hat individualschützende Wirkung. Insbesondere steht dieser Annahme der Wortlaut des Unterabsatzes 1 der Vorschrift, wonach nur der zuständige Mitgliedstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, nicht entgegen. Die insoweit entgegenstehende Rechtsprechung, wonach ein Asylantragsteller der Überstellung in den für ihn zuständigen Mitgliedstaat nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten könne,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14. u.a. -, juris, Rdn. 4, vom. 6. Juni 2014 ‑ 10 B 35.14 -, juris, Rdn. 5, vom 21. Mai 2014 - 10 B 31.14 -, juris, Rdn. 4 und vom 19. März 2014 ‑ 10 B 6.14 -, juris, Rdn. 7; OVG Niedersachen, Beschluss vom 6. November 2014 - 13 LA 66/14 -, juris, Rdn. 10 ff.; VGH Hessen, Beschluss vom 25. August 2014 - 2 A 976/14.A ‑, juris, Rdn. 15; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 25. November 2014 - 6a 3817/14.A -, juris, Rdn. 26 und vom 25. November 2014 - 6a 3256/14.A -, juris, Rdn. 21,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">verweist sämtlich auf die noch zu der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II-VO) ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH),</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">und ist insofern nicht ohne Weiteres auf die im vorliegenden Verfahren maßgebliche Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) zu übertragen. Vielmehr ist nach den nunmehr zu der Dublin III-VO ergangenen Urteilen des EuGH davon auszugehen, dass auch die Vorschrift des Art. 19 Abs. 2 Unterabsatz 1 Dublin III-VO ein subjektives Recht eines Asylbewerbers begründet.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Vgl. EuGH Große Kammer, Urteil vom 7. Juni 2016 - Rs. C-155/15 (Karim) -, juris, Rdn. 26 und Urteil vom 7. Juni 2016 - Rs. 63/15 (Ghezelbash) -, juris (in Bezug auf Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO); VG München, Beschluss vom 29. September 2016 - M 24 S 16.50506 -, juris. Rdn. 25 ff.; VG Hannover, Beschluss vom 9. Januar 2017 - 13 B 6976/16 -, juris, Rdn. 21 ff. (entsprechend für Art. 19 Abs. 1 Dublin III-VO); offen gelassen: VG Arnsberg, Beschluss vom 29. Juli 2015 - AN 11 S 15.50223 -, juris, Rdn. 26 ff.; ohne weiteres wie hier: VG Köln, Beschluss vom 6. März 2017 – 14 L 36/17.A -, juris Rn. 7ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 21. März 2017 – 12 L 39/17.A -, juris Rn. 10 f.; VG Bayreuth, Beschluss vom 23. Mai 2017 – B 3 S 17.50616 -, juris Rn. 25; VG München, Beschluss vom 1. März 2018 – M 1 S 17.52262 -, juris Rn. 16; VG Aachen, Beschluss vom 7. September 2018 – 6 L 1087/18.A -, juris Rn. 14.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Denn Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO ist nach der zuvor zitierten Rechtsprechung des EuGH so auszulegen, dass diese Bestimmung, insbesondere ihr Unterabsatz 2, auf einen Drittstaatsangehörigen anwendbar ist, der nach der Stellung eines ersten Asylantrags in einem Mitgliedstaat den Nachweis erbringt, dass er das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate (freiwillig) verlassen hat, bevor er einen neuen Asylantrag in einem anderen Mitgliedstaat gestellt hat. Danach kann ein Asylbewerber, der unter die Regelung der Dublin III-VO fällt, im Rahmen eines Rechtsbehelfs die fehlerhafte Anwendung von Zuständigkeitskriterien geltend machen. Dies folgt aus dem neu eingeführten Erwägungsgrund 19 der Dublin III-VO, wonach im Einklang mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union Rechtsgarantien und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Überstellungsentscheidungen festgeschrieben werden sollen, um einen wirksamen Schutz der Rechte der Betroffenen zu gewährleisten. Ausgehend von dieser Prämisse muss das jeweils mit dem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung befasste Gericht, um sich zu vergewissern, dass die Entscheidung nach einer fehlerfreien Durchführung des in der Dublin III-VO vorgesehenen Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates ergangen ist, das Vorbringen eines Asylbewerbers prüfen können, mit dem ein Verstoß gegen die Regelung des Art. 19 Abs. 2 Unterabsatz 1 Dublin III-VO geltend gemacht wird.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Vgl. EuGH Große Kammer, Urteil vom 7. Juni 2016 - Rs. C-155/15 (Karim) -, juris, Rdn. 26 und Urteil vom 7. Juni 2016 - Rs. 63/15 (Ghezelbash) -, juris (in Bezug auf Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze spricht vorliegend Überwiegendes dafür, dass die Antragsteller, nachdem sie am 6. Dezember 2017 von den deutschen Behörden in Vollziehung der Abschiebungsanordnung im früheren Dublin-Bescheid vom 23. Mai 2017 (Az. 7109661-439) nach Frankreich überstellt worden sind, noch im Dezember 2017 – nach ihren Angaben im Zeitraum zwischen dem 16. und 20. Dezember 2017 – mithilfe eines Schleppers zurück in den Iran eingereist sind und das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten erst Anfang April 2018 – nach ihren Angaben am 8. April 2018, aufgrund von Erkenntnissen über ihre erkennungsdienstliche Behandlung jedenfalls spätestens am 9. April 2018 – wieder betreten haben. Dies folgt aus den von ihnen gegenüber dem Bundesamt gemachten Angaben, ihren Angaben im vorliegenden Verfahren und den schon im Verwaltungsverfahren beim Bundesamt vorgelegten Unterlagen im Hinblick auf diesen Aufenthalt im Iran sowie deren in diesem Eilverfahren erfolgten Übersetzungen sowohl durch das Bundesamt als auch auf Veranlassung der Antragsteller.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Fest steht insofern, dass die Antragsteller am 6. Dezember 2017 auf dem Luftweg von Frankfurt am Main mit einem Linienflug der Lufthansa nach Lyon in Südfrankreich überstellt wurden. Nach ihrem Vorbringen beim Bundesamt in der Niederschrift zur Folgeantragstellung vom 18. April 2018 haben sie sich vom 20. Dezember 2017 bis 6. April 2018 im Heimatland Iran – jedenfalls außerhalb des Gebietes der Europäischen Union – aufgehalten, haben den Iran dann auf dem Landweg in die Türkei verlassen und sind von Istanbul auf dem Luftweg nach Frankfurt am Main geflogen. Diese rudimentären Angaben, die sich bei der Folgeantragstellung kaum einordnen ließen, hat die Antragstellerin zu 1. in der informatorischen Anhörung zum Folgeantrag am 5. Juni 2018 bei der Außenstelle des Bundesamtes in Bonn konkretisiert:Sie hätten nach der Rückführung nach Frankreich durch die deutschen Behörden in Frankreich von der Polizei zwei Schreiben bekommen, dass sie sich an eine bestimmte Adresse wenden sollten. Sie hätten diese Adresse aufgesucht, das Gebäude sei aber geschlossen gewesen. Nachfolgend seien sie auf der Straße „geblieben“, wo es sehr kalt gewesen sei, etwa -2°C. Sie hätten dieses Schreiben der Polizei gezeigt, welche aber gesagt habe, dass es sie nichts angehe. Sie hätten nicht genug Geld für ein Hotel gehabt und hätten deshalb ihrer Familie im Iran mitgeteilt, dass sie auf der Straße leben würden. Am zweiten Tag sei dies ebenso gewesen; dort seien sie in der Nacht von zwei Betrunkenen überfallen worden; ein Kind habe Fieber gehabt. Daraufhin habe sie ihren Mann kontaktiert und ihn über ihre schwierige Lage informiert. Es seien auch noch weitere Leute wie sie auf der Straße gewesen. Ihr Mann habe ihr dann gesagt, sie solle in den Iran zurückkehren, und habe dies mit einem Schlepper organisiert. Am dritten Abend (nach der Überstellung) sei der Schlepper zu ihr gekommen und habe sie ein Haus gebracht. Dort seien sie eine Woche blieben, dann habe der Schlepper ihnen einen Reisepass gegeben. Am 16. Dezember hätten sie sich in Richtung Iran bewegt und seien vier Tage später dort angekommen, am 20. Dezember.Ihr Ehemann habe einen Platz in der Stadt T.     gemietet, wo sie bis zum 25. März geblieben seien. Ihr Mann habe sich dann wieder beim Nachrichtendienst für Straftaten vorstellen müssen, aufgrund einer Vorladung, weil man dort gewusst habe, dass sie wieder im Iran sei. Als sie dies am 25. März mitbekommen hätten, seien sie von T.     in eine Villa in der Stadt I.        gegangen. Sie hätten wieder den Schlepper kontaktiert, welcher sagte, innerhalb einer Woche würde er die Ausreise organisieren. Am 6. April seien sie in die Grenzstadt V.       gefahren, um von dort in die Türkei weiter zu reisen. Sie seien etwa 10-12 Stunden zu Fuß über die Grenze in die Türkei gegangen und dort am 8. April angekommen. Mit einem Auto seien sie weiter nach Istanbul gefahren und von dort nach „Frankreich“ geflogen. (Bei der Angabe des Flugziels Frankreich dürfte es sich um einen Übersetzungs- oder Diktatfehler handeln. Ansonsten haben Sie durchgängig „Frankfurt“ angegeben.)</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Im gerichtlichen Verfahren hat die Antragstellerin zu 1. ihre eidesstattliche Versicherung vom 19. September 2018 vorgelegt, in der sie in Bezug auf die erneute Ausreise aus dem Iran und die Einreise in das Bundesgebiet im Jahr 2018 angab: Sie sei am 7. April 2018 mit ihren Kindern aus Teheran nach V1.      mit einem PKW abgereist und von dort zu Fuß zur Grenze gegangen. Von dort seien sie mit einem PKW nach Istanbul gefahren. Auf der gesamten Strecke habe sie ein Schleuser begleitet. In Istanbul habe der Schleuser Flugtickets sowie falsche Pässe beschafft. Mit diesen Dokumenten seien sie mit dem Flugzeug von Istanbul nach Frankfurt am Main geflogen. Der Schleuser habe sie auch dabei begleitet. Sie seien am 00.00 2018 in Frankfurt am Main angekommen. Sie seien mit Turkish Airline geflogen und seien gegen 22:00 Uhr in Frankfurt am Main gelandet. Nach der Ankunft habe der Schleuser sie zu einer Freundin von ihr gebracht, habe die Dokumente behalten und sei gegangen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Zum Beleg für ihr Vorbringen haben die Antragsteller im Verwaltungsverfahren durch ihren Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 22. Juni 2018 eine Vielzahl von Unterlagen eingereicht, die im Verlauf dieses Gerichtsverfahrens sowohl durch die Antragsteller als auch durch das Bundesamt mit im Wesentlichen übereinstimmendem Inhalt übersetzt worden sind. Bei diesen Unterlagen handelt es sich – soweit hier relevant – um:</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">       Die Heiratsurkunde der Antragstellerin zu 1. über die Eheschließung in T.     am 00.00.2004 mit ihrem Ehemann N.       O.      , geboren 00.00.1974;</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">       ein Mietvertrag vom 16. Dezember 2017 zwischen einem Vermieter T1.     B.           I1.       und einem Mieter N. O., geb. 00.00.1974, über ein Wohnhaus in der Stadt T.     mit zwei Schlafzimmern und einer Fläche von 150 qm, Mietdauer ein Jahr vom 22. Dezember 2017 bis 22. Dezember 2018, Übergabe an den Mieter am 22. Dezember 2017, insgesamt vier Personen vorgesehen für die Unterkunft;</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">       Verkaufsquittung vom 26. Dezember 2017, ausgestellt „für die Dame: T2.      N1.        “ über Lebensmittel mit Einzelheiten (Reis, Öl, Nudeln, Zucker), eines Verkäufers mit Stempel „E.        42214431“ (alle Verkaufsquittungen mit Mengenangaben und Preisen);</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">       Verkaufsquittung vom 21. Januar 2018, ausgestellt „für die Dame: T2.      N1.        “ über Lebensmittel und Putzmittel mit Einzelheiten (Spülmittel, Thunfisch, Öl, Erbsen, Bohnen, eingelegtes Gemüse, schwarzer Pfeffer), eines Verkäufers mit Stempel „E.        42214431“;</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">       Verkaufsquittung vom 4. Februar 2018, ausgestellt „für die Dame: T2.      N1.        “ über zwei Packungen Shampoo, eines Verkäufers mit Stempel „E.        “;</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">       Verkaufsquittung vom 12. Februar 2018 (oder 14.3.2018 - insofern weichen die Übersetzungen vom Bundesamt und von den Antragstellern voneinander ab), ausgestellt „für die Dame: T2.      N1.        “, eines Geschäfts für „Geflügel und Fisch Mehdi“ (oder Mahdi) über Geflügel mit Einzelheiten (marinierte Hähnchen, Pute, Wachtel, Hähnchen);</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">       Arztrezept vom 26. Januar 2018 eines Arztes Dr. N2.     L.        L1.         aus T.     für Patient O1.    O.      (die Antragstellerin zu 3.), wohl Verschreibung eines Medikaments;</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">       Arztrezept vom 4. Februar 2018 desselben Arztes für Patient L2.     O.      (der Antragsteller zu 2.), wohl Verschreibung eines Medikaments;</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">       Arztrezept vom 24. März 2018 desselben Arztes für Patient T2.      N3.        (die Antragstellerin zu 1.), wohl Verschreibung eines Medikaments.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Insgesamt fügen sich die vorgelegten Unterlagen schlüssig und widerspruchsfrei in die von den Antragstellern geltend gemachte Schilderung ihres Aufenthalts im Iran zwischen dem 20. Dezember 2017 und Anfang April 2018 ein. Der Mietvertrag ist zu Beginn des Zeitraumes, den sie geltend machen, vom Ehemann der Antragstellerin in der Stadt T.     für vier Personen geschlossen worden; zu diesem Zeitpunkt war für die Antragstellerin zu 1. und ihren Ehemann die Dauer des Aufenthalts im Iran nicht absehbar. Der Abschluss des Vertrages durch den Ehemann dürfte den üblichen Rollenverteilungen im Iran entsprechen. Die Größe des Hauses und die Anzahl der Personen, die es nach der Angabe im Mietvertrag bewohnen sollten, passen zur Familie der Antragsteller mit dem Ehemann und Vater. Die Arztrezepte, die die Namen der Antragsteller enthalten, einerseits und die auf den Namen der Antragstellerin zu 1. ausgestellten Einkaufsquittungen über teilweise hohe Beträge bei umfangreichen Einkäufen sind insgesamt über den Zeitraum zwischen dem 26. Dezember 2017 und dem 24. März 2018 verteilt, liegen nicht ganz drei Monate auseinander, fallen jedoch in den von den Antragstellern geltend gemachten Zeitraum. Wenn es sich bei diesen Dokumenten nicht um Fälschungen handelt – was nicht auszuschließen ist – machen sie den Aufenthalt im Iran im geltend gemachten Zeitraum glaubhaft.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Insofern ist natürlich auch eine Fälschung dieser Unterlagen nicht auszuschließen. Besser für den Nachweis eines Aufenthalts außerhalb des Gebiets der Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Sinne von Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO sind Beweismittel für die Ausreise und die spätere Wiedereinreise aus dem bzw. in das EU-Gebiet,</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">vgl. VG Cottbus, Beschluss vom 19. September 2017 – 5 L 208/17.A –, juris Rn. 15,</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">die hier jedoch nicht vorliegen. Sind die Antragsteller, wie von ihnen angegeben, mit einem Schlepper sowohl von Frankreich zurück in den Iran zwischen dem 16. und 20. Dezember 2017 gereist, sowie ebenfalls mit Schlepper zwischen 6. und 8. April 2018 wieder in das Bundesgebiet gereist, so ist das Fehlen von Belegen hierfür nach der in diesem Gewerbe bekannten Lebenswirklichkeit nachvollziehbar, da die Schlepper ihren „Kunden“ diese Nachweise typischerweise abnehmen bzw. überhaupt nicht überlassen. Es müssen auch nicht zwingend „Beweismittel“ i. S. d. Dublin III-VO vorgelegt, werden, weil es nicht darum geht, einen positiven EURODAC-Treffer zu widerlegen, da ein solcher nicht vorlag. Für andere Umstände in Bezug auf die Feststellung der Zuständigkeitskriterien reichen Indizien und mithin andere Umstände, die hier mit den vorgelegten Dokumenten sowie dem Vorbringen der Antragsteller beigebracht sind.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Geschichte von der Ausreise mit Schlepper aus Frankreich als Reaktion auf die dortigen für sie als unzumutbar empfundenen Bedingungen zurück in den Iran ist auf den ersten Blick ungewöhnlich. Die von ihnen nach ihrem Vorbringen in Südfrankreich nach Flugüberstellung nach Lyon vorgefundenen Bedingungen sind nach der Erkenntnislage der Kammer über die Verhältnisse in Südfrankreich für Dublin-Rückkehrer oder andere Asylbewerber jedoch möglich. Die Reaktion hierauf mit einer Rückreise ins Herkunftsland Iran ist außergewöhnlich, da die meisten Schutzsuchenden in dieser Situation wieder nach Deutschland zurückkehren oder in andere Länder weiterreisen, die aus ihrer Sicht günstigere Bedingungen bieten.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Das Gericht kann hier weder feststellen, dass sicher ist, dass die Antragsteller zwischen dem 20. Dezember 2017 und dem 6. April 2018 im Iran oder allgemeinen außerhalb des Gebiets der Europäischen Union waren, noch steht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fest, dass dies nicht der Fall war. Mehr spricht für das Gericht bei den im Grundsatz nicht unglaubhaften Dokumenten mit vielfältigen lebensnahen Details und der mit dem durch diese Dokumente vorgegebenen zeitlichen Gerüst übereinstimmenden Schilderung der Antragsteller dafür, dass sie sich tatsächlich mehr als drei Monate außerhalb der Europäischen Union aufgehalten haben. Jedenfalls bedarf dies der Aufklärung im Hauptsacheverfahren und in der Situation einer alleinstehenden Frau mit zwei 13 und vier Jahre alten minderjährigen Kindern überwiegt bei der Interessenabwägung das Aussetzungsinteresse der Antragsteller, nicht vorläufig in die potentiell zumindest in der Anfangssituation herausfordernden Verhältnisse in Frankreich (insbesondere eventuell wie zuvor in Südfrankreich) überstellt zu werden und das Klageverfahren von dort aus fortzuführen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Es lässt sich gegenwärtig auch nicht feststellen, dass die Antragsteller das Hoheitsgebiet unfreiwillig verlassen haben, etwa weil sie bereits in einem sicheren Drittstaat erfolglos ein Asylverfahren abgeschlossen haben (vgl. § 71a AsylG) oder ein früherer Asylantrag in Deutschland unanfechtbar abgelehnt worden ist (vgl. § 71 AsylG) und die Antragsteller daraufhin in den Iran abgeschoben wurden. Weder der Verwaltungsakte des Bundesamtes noch dem Vorbringen der Antragsteller sind Anhaltspunkte dafür zu entnehmen. Über einen Aufenthaltstitel in Frankreich ist ebenfalls nichts bekannt.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die abschließende Klärung der Frage, ob, aus welchem Beweggrund und für welchen Zeitraum die Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten freiwillig verlassen haben und ob sie weitere Nachweise – insbesondere in Form von Ausweis- oder Reisedokumenten – dafür vorlegen können, bedarf der weiteren Aufklärung, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt. Es überwiegt zu diesem Zeitpunkt die Wahrscheinlichkeit für einen drei Monate überschreitenden Zeitraum der Abwesenheit vom Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).</p>
|
161,404 | vg-schleswig-holsteinisches-2019-01-08-12-b-7018 | {
"id": 1071,
"name": "Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht",
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} | 12 B 70/18 | 2019-01-08T00:00:00 | 2019-01-16T06:59:14 | 2019-01-21T11:45:03 | Beschluss | ECLI:DE:VGSH:2019:0108.12B70.18.00 | <div class="docLayoutText">
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tenor<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>1. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die mit Schreiben vom 12. Januar 2018 ausgeschriebenen zwei Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 14 SHBesO am ……-Stadt vor einer bestandskräftigen Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers vom 28. September 2018 endgültig zu besetzen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selber tragen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 33.360,36 € festgesetzt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Gründe<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p><strong>I.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Die Beteiligten streiten über die ordnungsgemäße Durchführung des Stellenbesetzungsverfahrens für zwei Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 14 SHBesO am .….in .-Stadt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Der Antragsteller steht als Studienrat (Besoldungsgruppe A 13 SHBesO) in Diensten des Landes Schleswig-Holstein. Er ist am  in -Stadt tätig.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Am 12. Januar 2018 schrieb der Antragsgegner zwei Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 14 SHBesO am  aus. Auf diese Stellen bewarben sich neben dem Antragsteller die Beigeladenen. Diese stehen ebenfalls als Studienräte (Besoldungsgruppe A 13 SHBesO) in Diensten des Landes Schleswig-Holstein und sind ebenfalls am  tätig.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Der Schulleiter des s erstellte für die Bewerber Anlassbeurteilungen. Dabei beurteilte er den Beigeladenen zu 2. mit „sehr gut“, die Beigeladene zu 1. mit „gut“ und den Antragsteller mit „befriedigend“.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Der Antragsteller legte eine „Gegenvorstellung“ gegen seine Beurteilung ein. Diese sei in neun Punkten fehlerhaft bzw. unzutreffend. Insgesamt sei seine Leistung mit „gut“ zu bewerten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Mit als „Bescheid“ bezeichnetem Schreiben vom 10. Juli 2018 teilte der Schulleiter dem Antragsteller mit, dass er zwar einzelne Änderungen bzw. Ergänzungen an der Beurteilung vorgenommen habe. Das Gesamturteil „befriedigend“ habe jedoch auch bei deren Berücksichtigung Bestand.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Ausweislich des Auswahlvermerks des Antragsgegners vom 23. Juli 2018 (Bl. 65 des Verwaltungsvorgangs) folgte der Antragsgegner dem Auswahlvorschlag des Schulleiters, die ausgeschriebenen Stellen mit den Beigeladenen zu besetzen. Es sei daher beabsichtigt, die Beigeladenen zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu befördern.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Am 10. August 2018 legte der Antragsteller Widerspruch gegen die geänderte Beurteilung ein. Das Urteil „befriedigend“ bedeute eine grobe Fehleinschätzung, eine Missachtung seiner Person und habe neben dem sachlich falschen Charakter den Beigeschmack einer bewussten Herabwürdigung seiner Person.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Mit Schreiben vom 31. August 2018 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass seiner Bewerbung nicht entsprochen werden könne. Gemäß dem Prinzip der Bestenauslese müsse die Bewerbung mit der besten Note zum Zuge kommen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Gegen diese Negativmitteilung legte der Antragsteller mit Schreiben vom 28. September 2018 Widerspruch ein. Der Antragsgegner hat den Widerspruch bislang nicht beschieden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Ebenfalls am 28. September 2018 hat der Antragsteller um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ersucht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>Die Anlassbeurteilungen der Beigeladenen seien fehlerhaft und verstießen gegen die Beurteilungsgrundsätze des Antragsgegners. Unter anderem fehle bei der Beurteilung der Beigeladenen ein zusammenfassendes Gesamturteil.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Auch seine eigene dienstliche Beurteilung sei fehlerhaft. Insoweit verweist er auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Er beantragt sinngemäß,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die mit Schreiben vom 12. Januar 2018 ausgeschriebenen zwei Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 14 SHBesO am  .-Stadt vor einer bestandskräftigen Entscheidung über seinen Widerspruch vom 28. September 2018 endgültig zu besetzen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Der Antragsgegner beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">den Antrag abzulehnen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>Er hat mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2018 überarbeitete Beurteilungen der Beigeladenen vorgelegt. Die Erfolgsaussichten des Antragstellers bei einer erneuten Auswahl seien nicht offen. Seine Auswahl erscheine nicht möglich.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>Das Gesamturteil der Beigeladenen habe entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht ausführlicher begründet werden müssen, weil sich bei der Beigeladenen zu 1. aus den einzelnen Ausführungen im Beurteilungstext schlüssig ein „gut“, beim Beigeladenen zu 2. aus den Ausführungen in seiner Beurteilung unter Berücksichtigung eines Beurteilungsbeitrags ein „sehr gut“ ergebe. Nur das Gesamturteil des Antragstellers habe näher begründet werden müssen, weil aufgrund seiner Vornote „gut“ und eines „sehr guten“ Beurteilungsbeitrags eine nähere Begründung des Gesamturteils „befriedigend“ erforderlich gewesen sei.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p>Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten sowie des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den Auswahlvorgang des Antragsgegners – dieser hat der Kammer als Beiakte vorgelegen – Bezug genommen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p><strong>II.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p>1. Der gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 VwGO statthafte Antrag ist zulässig und begründet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p>Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung dafür ist, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund, das heißt die Eilbedürftigkeit seines Rechtsschutzbegehrens, sowie einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen kann (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Das ist hier der Fall.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_24">24</a></dt>
<dd><p>a) Ein Anordnungsgrund gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist gegeben, weil es um die Vergabe von Beförderungsstellen geht (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 2. September 2016 – 2 MB 21/​16 –, juris, Rn. 9). Der Antragsgegner beabsichtigt, die Beigeladenen zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu befördern.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_25">25</a></dt>
<dd><p>b) Dem Antragsteller steht auch ein Anordnungsanspruch zu.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_26">26</a></dt>
<dd><p>Ein bei der Beförderungsauswahl unterlegener Bewerber muss seinen Anspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG durch vorläufigen Rechtsschutz wirksam sichern können. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert eine effektive gerichtliche Kontrolle. Einstweiliger Rechtsschutz ist deswegen unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Bewerbungsverfahrensanspruchs zu gewähren. Ein abgelehnter Bewerber, dessen subjektives Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt worden ist, kann eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen, wenn seine Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahl offen sind, seine Auswahl also möglich erscheint (OVG Schleswig, Beschluss vom 2. August 2016 – 2 MB 16/16 –, juris, Rn. 16 m. w. N.; VG Schleswig, Beschluss vom 4. September 2018 – 12 B 49/18 – juris, Rn. 26). Das ist vorliegend der Fall.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_27">27</a></dt>
<dd><p>aa) Der Antragsgegner hat den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletzt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_28">28</a></dt>
<dd><p>Ein Beamter hat zwar keinen Anspruch auf Übertragung eines Beförderungsamtes, er hat aber ein Recht darauf, dass der Dienstherr eine rechts-, insbesondere ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Vergabe des Beförderungsamtes trifft. Materiell-rechtlich hat der Dienstherr bei seiner Entscheidung darüber, wem er die Stelle übertragen will, das Prinzip der Bestenauslese zu beachten und Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Konkurrentinnen und Konkurrenten zu bewerten und zu vergleichen (Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG). Bei diesen Kriterien handelt es sich um Gesichtspunkte, die Aufschluss darüber geben, in welchem Maße der Beamte den Anforderungen seines Amtes genügt und sich in einem höheren Amt voraussichtlich bewähren wird. Diese inhaltlichen Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG für die Vergabe höherwertiger Ämter machen eine Bewerberauswahl notwendig. Der Dienstherr muss Bewerbungen von Beamten um das höherwertige Amt zulassen und darf das Amt nur demjenigen Bewerber verleihen, den er aufgrund eines den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechenden Qualifikationsvergleichs als den am besten geeigneten ausgewählt hat (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 25. November 2010 – 6 B 749/10 –, juris, Rn. 4; VG Schleswig, Beschluss vom 26. Juli 2018 – 12 B 49.17 –, juris, Rn. 22).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_29">29</a></dt>
<dd><p>Ausgehend von diesen Maßstäben hat der Antragsgegner den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletzt. Seine Auswahlentscheidung ist fehlerhaft, weil sie auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage beruht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 2 VR 1.16 –, juris, Rn. 20). Die dem Qualitätsvergleich zwischen den Bewerbern im Rahmen der Auswahlentscheidung des Antragsgegners zu Grunde gelegten dienstlichen Beurteilungen der Beigeladenen, auf die es hier alleine ankommt (hierzu <1>) sind rechtswidrig (hierzu <2>). Die Beurteilung des Antragstellers hingegen war rechtmäßig (hierzu <3>), sodass daraus keine weitere Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragsteller folgt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_30">30</a></dt>
<dd><p>(1) Für die Frage der Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung des Antragsgegners kommt es auf die dienstlichen Beurteilungen des Antragstellers und der Beigeladenen an, die dem Antragsgegner zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung – also am 23. Juli 2018 (Bl. 65 des Verwaltungsvorgangs) – vorlagen. Der maßgebliche Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung der Auswahlentscheidung ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Denn allein die Erwägungen, die der Dienstherr bei der Auswahlentscheidung angestellt hat, sind für die Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit relevant (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2010 – 1 WB 52.08 –, juris, Rn. 37; OVG Bremen, Urteil vom 17. Oktober 2018 – 2 LB 228/​17 –, juris, Rn. 45; OVG Münster, Beschluss vom 17. August 2011 – 6 B 600/11 – juris, Rn. 2 m. w. N.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_31">31</a></dt>
<dd><p>So wie eine erst im gerichtlichen Verfahren nachträglich gegebene Begründung der Auswahlentscheidung nicht berücksichtigt werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2017 – 1 WB 41.16 –, juris, Rn. 32; VG Schleswig, Beschluss vom 4. September 2018 – 12 B 49/18 –, juris, Rn. 53), können auch nach dem Zeitpunkt der Auswahlentscheidung erstellte oder überarbeitete Beurteilungen grundsätzlich nicht in die gerichtliche Überprüfung der Auswahlentscheidung einbezogen werden (zum möglichen Ausnahmefall einer nachträglichen Plausibilisierung von Einzelbewertungen in der dienstlichen Beurteilung vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 2 VR 1.16 –, juris, Rn. 41).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_32">32</a></dt>
<dd><p>(2) Die Beurteilungen der Beigeladenen zu 1. und des Beigeladenen zu 2. sind rechtswidrig.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_33">33</a></dt>
<dd><p>Dienstliche Beurteilungen sind von den Verwaltungsgerichten nur eingeschränkt überprüfbar. Denn die Entscheidung des Dienstherrn darüber, ob und in welchem Grad ein Beamter die für sein Amt und für seine Laufbahn erforderliche Befähigung und fachlichen Leistungen aufweist, ist ein dem Dienstherrn von der Rechtsordnung vorbehaltener Akt wertender Erkenntnis. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich deshalb darauf zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Hat der Dienstherr Richtlinien für die Abgabe dienstlicher Beurteilungen erlassen (wie hier die Beurteilungsgrundsätze für die Besetzung von Beförderungsstellen der Bes.Gr. A 14 SHBesO/​Eingruppierungen in die Entgeltgruppe 14 TV-L vom 11. Januar 2018 <Anlage AG 2>, im Folgenden: „Beurteilungsgrundsätze“), dann sind die Beurteilenden an diese Richtlinien hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrens und der einzuhaltenden Maßstäbe nach dem Gleichheitsgrundsatz gebunden; das Gericht kann insoweit nur prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen in Einklang stehen (BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2003 – 2 A 1.02 –, juris, Rn. 11; OVG Lüneburg, Beschluss vom 29. Juli 2015 – 5 ME 107/15 –, juris, Rn. 8; OVG Schleswig, Urteil vom 6. September 2000 – 3 L 221/98, juris, Rn. 54). Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche und persönliche Beurteilung des Beamten durch seinen Dienstvorgesetzten in vollem Umfang nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 1980 – 2 C 8.78 –, juris, Rn. 18; OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. April 2016 – 5 ME 14/16 –, juris, Rn. 20).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_34">34</a></dt>
<dd><p>Ausgehend von diesen Maßstäben ergibt sich die Rechtswidrigkeit der Beurteilungen der Beigeladenen aus Verstößen gegen die Beurteilungsgrundsätze (hierzu <a>) und aus einem Verstoß gegen die allgemeine Verpflichtung, das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung grundsätzlich zu begründen (hierzu <b>). Die Beurteilung der Beigeladenen zu 1. ist zudem rechtswidrig, weil sie einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde legt (hierzu <c>). Der Umstand, dass die Beurteilung des Beigeladenen zu 1. keinen konkreten Beurteilungszeitraum angibt, ist hingegen unschädlich (<hierzu d>).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_35">35</a></dt>
<dd><p>(a) Die Beurteilungen der Beigeladenen verstoßen gegen die Beurteilungsgrundsätze.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_36">36</a></dt>
<dd><p>(aa) Die Beurteilungen der Beigeladenen basieren zunächst nicht vollständig auf den in den Beurteilungsgrundsätzen genannten Beurteilungsmerkmalen (Allgemeine Befähigungsmerkmale, Unterrichtgestaltung, Fachkenntnisse, sonstige Arbeitsleistung, Dienstauffassung, Belastbarkeit, Soziales Verhalten, Kooperationsfähigkeit). Teilweise fehlen Ausführungen zu einzelnen Kriterien, teilweise werden Kriterien anders bezeichnet, teilweise finden sich Kriterien, die in den Beurteilungsgrundsätzen nicht vorgesehen sind. Die Beurteilung der Beigeladenen zu 1. ist in die Punkte „Fachkenntnisse“, „Soziales Verhalten, Kooperationsfähigkeit“, „Unterrichtliche Leistungen“, „Pädagogisches Handeln“, „Außerunterrichtliches Engagement“, „Dienstauffassung“ unterteilt, die Beurteilung des Beigeladenen zu 2. in die Punkte „Allgemeine Befähigungsmerkmale“, „Soziales Verhalten, Kooperationsfähigkeit“, „Unterrichtliche Leistungen“, „Pädagogisches Handeln“, „Außerunterrichtliches Engagement“, „Dienstauffassung“.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_37">37</a></dt>
<dd><p>Damit stellten die Anlassbeurteilungen schon keine ausreichende Vergleichsgrundlage für den Qualifikationsvergleich zwischen den Bewerbern dar (vgl. VG Schleswig, Beschluss vom 4. September 2018 – 12 B 49/18 –, juris, Rn. 34). Das hat auch der Antragsgegner erkannt und die überarbeiteten – hier jedoch irrelevanten – Beurteilungen der Beigeladenen entsprechend der Beurteilungsmerkmale der Beurteilungsgrundsätze gestaltet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_38">38</a></dt>
<dd><p>(bb) Darüber hinaus verstoßen die Beurteilungen der Beigeladenen (auch die nachgereichten) dadurch gegen die Beurteilungsgrundsätze, dass sie keine „abschließende Würdigung“ enthalten. Ausweislich Punkt 6. der Beurteilungsgrundsätze sind die Einzelwertungen der Beurteilung „in einer abschließenden Würdigung […] <span style="text-decoration:underline">und</span> einem Gesamturteil zusammenzufassen“ (Hervorhebung nur hier). Ausnahmen vom Erfordernis einer abschließenden Würdigung sehen die Beurteilungsgrundsätze nicht vor. Es reicht deshalb – unabhängig von der Frage, ob dies tatsächlich der Fall ist – nicht aus, wenn sich, wie der Antragsgegner meint, das Gesamturteil schlüssig aus dem Beurteilungstext ergibt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_39">39</a></dt>
<dd><p>Eine solche individuelle abschließende Würdigung enthalten die Beurteilungen der Beigeladenen nicht. Die Beurteilung der Beigeladenen zu 1. schließt mit dem Satz „Unter Einbeziehung der oben genannten Aspekte beurteile ich die dienstlichen Leistungen von […] mit gut“. Die Beurteilung des Beigeladenen zu 2. schließt mit dem Satz „Unter Einbeziehung des oben genannten Beurteilungsbeitrags beurteile [ich] die dienstlichen Leistungen von […] mit sehr gut“. Dabei handelt es sich nicht um die geforderte Würdigung, Gewichtung und Abwägung der Beurteilungsmerkmale der Beigeladenen. Die abgegebene formelhafte Begründung kommt einem Begründungsausfall gleich (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 8. Oktober 2018 – 3 K 3258/18 –, juris, Rn. 31).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_40">40</a></dt>
<dd><p>(b) Die Beurteilungen der Beigeladenen (auch die nachgereichten) verstoßen auch gegen die allgemeine Pflicht, das Gesamturteil einer dienstlichen Beurteilung grundsätzlich zu begründen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_41">41</a></dt>
<dd><p>Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, müssen Gesamturteil und Einzelbewertungen einer dienstlichen Beurteilung in dem Sinne miteinander übereinstimmen, dass sich das Gesamturteil nachvollziehbar und plausibel aus den Einzelbewertungen herleiten lässt. Dabei steht es im Ermessen des Dienstherrn, festzulegen, welches Gewicht er den einzelnen Merkmalen beimessen will (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 2 VR 1.16, juris, Rn. 39).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_42">42</a></dt>
<dd><p>Das abschließende Gesamturteil ist durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen bestenauswahlbezogenen Gesichtspunkte zu bilden (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 2 VR 1.16 –, juris, Rn. 39; Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 2 VR 4.11 –, juris, Rn. 15 m. w. N.). Diese Gewichtung bedarf schon deshalb einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet und das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 2 VR 1.16 –, juris, Rn. 39; Urteil vom 17. September 2015 – 2 C 27.14 –, juris, Rn. 32). Ein individuelles Begründungserfordernis für das Gesamturteil rechtfertigt sich auch aus dessen besonderer Bedeutung als primär maßgebliche Grundlage bei einem späteren Leistungsvergleich in einem an Art. 33 Abs. 2 GG zu messenden Auswahlverfahren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 2 VR 1.16, juris, Rn. 40; Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 –, juris, Rn. 21).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_43">43</a></dt>
<dd><p>Eine solche individuelle Begründung des Gesamturteils enthalten die Beurteilungen der Beigeladenen nicht (s. o. <b>). Eine Begründung des Gesamturteils war vorliegend entgegen der Auffassung des Antragsgegners auch nicht entbehrlich. Das kann ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn im konkreten Fall eine andere Note nicht in Betracht kommt, weil sich die vergebene Note – vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null – geradezu aufdrängt (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 2 VR 1.16, juris, Rn. 40; Urteil vom 17. September 2015 – 2 C 27.14 –, juris, Rn. 37). Das war vorliegend nicht der Fall.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_44">44</a></dt>
<dd><p>Die Beurteilungen der Beigeladenen enthalten – abgesehen von der Gesamtnote – ausschließlich „Fließtext“. Bei den einzelnen Beurteilungsmerkmalen findet – anders als dies etwa bei Beurteilungen im sogenannten Ankreuzverfahren (zu dessen Zulässigkeit vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 – 2 C 27.14 –, juris) der Fall ist – keine Würdigung anhand des Beurteilungsmaßstabes der Beurteilungsgrundsätze statt. Weder werden die einzelnen Beurteilungsmerkmale den Notenstufen des Beurteilungsmaßstabs („sehr gut“ bis „ungenügend“) zugeordnet, noch gehen sie auf die inhaltliche Bedeutung dieser Notenstufen ein, bewerten die jeweiligen Merkmale also nicht als etwa „die durchschnittlichen Anforderungen übertreffend“ oder „im Allgemeinen durchschnittlichen Anforderungen entsprechend“. Auch hinreichend klare andere Formulierungen, die die Einhaltung des von den Beurteilungsgrundsätzen vorgegebenen Beurteilungsmaßstabs gewährleisten würden, enthalten die Beurteilungen jedenfalls nicht durchgängig. Gerade in einem solchen Fall, in dem die textlichen Ausführungen zu den Beurteilungsmerkmalen keine ausreichend klaren Indizien für die Zuordnung zu einer Notenstufe enthalten, muss die geforderte Nachvollziehbarkeit und Plausibilität der Gesamtnote sich aus der Begründung des Gesamturteils ergeben. Selbst wenn sich die Gesamtnote „schlüssig“ aus den textlichen Ausführungen ergeben sollte, wäre das nicht mit der für den Verzicht auf eine Begründung erforderlichen Ermessensreduzierung auf Null gleichzusetzen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_45">45</a></dt>
<dd><p>(c) Die Beurteilung der Beigeladenen zu 1. ist zudem rechtswidrig, weil sie einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde legt. Die Beurteilung nennt als Beurteilungszeitraum ausdrücklich „Februar 2015 – Februar 2018“. In die Beurteilung wurde jedoch ein Unterrichtsbesuch am 16. März 2018 mit einbezogen. Weil dieser – wenn auch nur geringfügig – außerhalb des genannten Beurteilungszeitraums lag, stellte er keinen für die Beurteilung der Leistungen der Beigeladenen in der Zeit von Februar 2015 bis Februar 2018 berücksichtigungsfähigen Sachverhalt dar.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_46">46</a></dt>
<dd><p>(d) Der Umstand, dass die Beurteilung des Beigeladenen zu 2. keinen konkreten Beurteilungszeitraum angibt, ist hingegen unschädlich. Eine ausdrückliche Nennung des Beurteilungszeitraums ist solange unschädlich, wie dieser hinreichend sicher ermittelt werden kann (OVG Schleswig, Beschluss vom 19. Oktober 2018 – 2 MB 18/18 –, juris, Rn. 15 m. w. N.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_47">47</a></dt>
<dd><p>Das ist vorliegend der Fall. Die Beurteilung benennt in Übereinstimmung mit den Beurteilungsgrundsätzen und § 8 Abs. 2 der Landesverordnung über die Laufbahn der Laufbahngruppe 2 in der Fachrichtung Bildung (LVO-Bildung) einen „zu beurteilenden Zeitraum von drei Jahren“. Daraus kann geschlossen werden, dass sich die Beurteilung auf den unmittelbar vor ihrem Datum liegenden Dreijahreszeitraum beziehen soll (vgl. wiederum § 8 Abs. 2 Satz 1 LVO-Bildung: „Der Beurteilungszeitraum soll die letzten drei Jahre vor dem Beurteilungszeitpunkt umfassen.“). Dem entgegenstehende Indizien – etwa eine Bezugnahme auf diesem Zeitpunkt vorangehende Leistungen (so bei OVG Schleswig, Beschluss vom 19. Oktober 2018 – 2 MB 18/18 –, juris, Rn. 15 m. w. N.), vorangegangene Stellungnahmen (so bei OVG Hamburg, Beschluss vom 2. Juni 2014 – 3 Bs 36/14 –, juris, Rn. 15) oder ähnliches – enthält die Beurteilung nicht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_48">48</a></dt>
<dd><p>(3) Die Beurteilung des Antragstellers war hingegen rechtmäßig. Sie enthält ausdrücklich Ausführungen zu den in den Beurteilungsgrundsätzen genannten Beurteilungsmerkmalen und eine ausreichende abschließende Beurteilung.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_49">49</a></dt>
<dd><p>Eine Rechtswidrigkeit der Beurteilung des Antragstellers ergibt sich ausgehend von den unter (2) dargelegten Maßstäben auch nicht aus dem Vortrag des Antragstellers in seiner Gegendarstellung gegen seine ursprüngliche Beurteilung bzw. im Widerspruchverfahren gegen die erneute Beurteilung.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_50">50</a></dt>
<dd><p>Das gilt zunächst hinsichtlich des vom Antragsteller gerügten Fehlens eines Beurteilungsbeitrags des Leiters des Abendgymnasiums des s. Der Antragsteller hat in Ansehung der Ausführungen des Schulleiters auf Seite 3 des Schreibens vom 10. Juli 2018 (Bl. 60 des Verwaltungsvorgangs) und der Tatsache, dass dieser seine Unterrichtsbesuche beim Antragsteller am Abendgymnasium durchgeführt hat, nicht glaubhaft gemacht, dass eine Situation gegeben war, in der nach Ziffer 3 der Beurteilungsgrundsätze die Einholung eines Beurteilungsbeitrags erforderlich gewesen wäre (Vorgesetztenwechsel, Einsatz außerhalb der Schule).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_51">51</a></dt>
<dd><p>Soweit der Antragsteller rügt, dass seine Unterrichtstunden nicht sachgerecht bewertet worden seien, ist diese Rüge einer Prüfung durch das Gericht entzogen. Es handelt sich dabei um subjektive Wertungen des Dienstvorgesetzten des Antragstellers, die vom Gericht weder in vollem Umfang überprüft werden, geschweige denn durch eine eigene Beurteilung ersetzt werden können. Gleiches gilt für die nach Auffassung des Antragstellers zu schlechte Bewertung seines Fachwissens. Auch im Übrigen stellt der Antragsteller dem Inhalt der Beurteilung durch den Schulleiter lediglich seine eigenen – besseren – Einschätzungen der eigenen Leistung und Befähigung gegenüber.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_52">52</a></dt>
<dd><p>Sollte die Rüge des Antragstellers, dass die Gesamtnote „befriedigend“ eine „Herabwürdigung“ seiner Leistung darstelle bzw. „den Beigeschmack einer bewussten Herabwürdigung seiner Person“ darstelle, darauf zielen, dass die Beurteilung nach seiner Auffassung aufgrund einer Voreingenommenheit des Schulleiters (vgl. zum Maßstab für die Bejahung einer Voreingenommenheit nur BVerwG, Urteil vom 23. April 1998 – 2 C 16.97 –, juris, Rn. 16) auf sachfremden Erwägungen beruhte, dringt er mit dieser Rüge ebenfalls nicht durch. Eine tatsächliche Voreingenommenheit des Schulleiters hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Auch sonst sind Anzeichen dafür nicht ersichtlich.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_53">53</a></dt>
<dd><p>bb) Die Auswahl des Antragstellers im Rahmen einer erneuten Auswahlentscheidung erscheint zumindest möglich. Das gilt auch in Ansehung des Umstands, dass die Beurteilung des Antragstellers rechtmäßig war.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_54">54</a></dt>
<dd><p>Zwar spricht einiges dafür, dass nach dem bei dieser Prognose zu berücksichtigenden Beurteilungsbild zum Zeitpunkt der neuen Auswahlentscheidung (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 4. Dezember 2017 – 6 B 1135/17 –, juris Rn. 22) der Antragsteller erneut nicht ausgewählt werden würde. Ausgeschlossen (zu einem solchen Fall vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 2. August 2016 – 2 MB 16/16 –, juris, Rn. 17 ff) ist dies jedoch nicht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_55">55</a></dt>
<dd><p>Das ergibt sich daraus, dass auch die nachgereichten Beurteilungen der Beigeladenen keine den unter aa) (2) (a) (aa) und (b) dargestellten Maßstäben genügende plausible und nachvollziehbare Begründung des Gesamturteils der Beurteilungen enthalten. Das grundsätzliche Begründungserfordernis ist keine bloße Förmelei, sondern dient der Sicherstellung der materiellen Richtigkeit des Gesamturteils durch die Anwendung eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabs sowie der Vergleichbarkeit der dienstlichen Beurteilungen. Es legt dem Beurteiler gerade in Fällen von reinen Textbeurteilungen eine abschließende (Selbst-)​Kontrolle auf, ob die einzelnen Beurteilungsmerkmale tatsächlich die von ihm beabsichtigte Gesamtnote stützen. Es kann deshalb angesichts des Umstands, dass sich vorliegend keine bestimmten Gesamturteile „im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null geradezu aufdrängten“ nicht ausgeschlossen werden, dass der Beurteiler bei einer ordnungsgemäßen Begründung des Gesamturteils zu einem anderen Gesamturteil kommt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_56">56</a></dt>
<dd><p>2. Die Kostentragungspflicht des Antragsgegners folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO nicht erstattungsfähig, weil sie keine eigenen Anträge gestellt haben und damit auch kein eigenes Kostenrisiko auf sich genommen haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_57">57</a></dt>
<dd><p>3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG), § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. § 52 Abs. Abs. 6 Satz 4 GKG, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 und Sätze 2 und 3 GKG in Verbindung mit Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (https://​www.​bverwg.​de/​user/​data/​media/​streitwertkatalog.​pdf). Danach ist für den Antrag auf vorläufige Freihaltung der Beförderungsstelle ein Viertel der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge des angestrebten Amtes (hier Besoldungsgruppe A 14 SHBesO) in Ansatz zu bringen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_58">58</a></dt>
<dd><p>Weil das Begehren des Antragstellers auf die Freihaltung von zwei Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 14 SHBesO gerichtet ist, ist der sich so ergebende Betrag aber zu verdoppeln (OVG Schleswig, Beschluss vom 25. März 2011 – 3 O 5/11 –; VG Schleswig, Beschluss vom 23. November 2017 – 12 B 17/17 –, juris, Rn. 46; VG Hannover, Beschluss vom 21. Dezember 2009 – 13 B 6174/09 –, juris, Rn. 33). Auf Grundlage der genannten Vorschriften und Grundsätze ergibt sich somit ein Streitwert in Höhe von 33.360,36 € (5.560,06 x 12 : 2 : 2 = 16.680,18 x 2 = 33.360,36 €).</p></dd>
</dl>
</div></div>
<br>
</div>
|
180,259 | vg-koln-2019-01-07-4-l-205218 | {
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"city": 446,
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} | 4 L 2052/18 | 2019-01-07T00:00:00 | 2019-02-07T14:18:48 | 2019-02-12T13:33:29 | Beschluss | ECLI:DE:VGK:2019:0107.4L2052.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1.</p>
<p>Der Antrag wird abgelehnt.</p>
<p>Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.</p>
<p>2.</p>
<p>Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Gründe</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Antrag der Antragsteller,</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">im Wege der einstweiligen Anordnung anzuordnen, dass bis zur Entscheidung über ihre Klage gegen die Entscheidung des Antragsgegners, das Bürgerbegehren gegen den Aufstellungsbeschluss des BP 000 „P.       S.          “ für unzulässig zu erklären (Az. 4 K 6302/18), seitens des Antragsgegners keine Entscheidungen getroffen werden, die dem Begehren entgegenstehen oder die den Aufstellungsbeschluss vollziehen, insbesondere keine weiteren Verfahrensschritte wie ein Beschluss zur Offenlage oder frühzeitigen Bürgerbeteiligung im Bebauungsplanverfahren eingeleitet oder der Bebauungsplan BP 000 „P.       S.          “ als Satzung beschlossen wird,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit diesem Antrag und der korrespondierenden Antragsbegründung begehren die Antragsteller, zumindest bis zur Entscheidung über ihre Klage die Sperrwirkung des § 26 Abs. 6 Satz 6 GO NRW auszulösen. Diese Sperrwirkung, wonach eine dem Begehren eines Bürgerentscheids entgegenstehende Entscheidung der Gemeindeorgane nicht mehr getroffen oder mit dem Vollzug einer derartigen Entscheidung nicht mehr begonnen werden darf, tritt grundsätzlich ein, wenn die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens festgestellt wird. Hier hat der Antragsgegner das von den Antragstellern getragene Bürgerbegehren mit Beschluss vom 8. August 2018 für unzulässig erklärt. Entsprechend sind die Antragsteller unter dem 14. August 2018 beschieden worden.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Auch wenn der Antragsgegner in Ausübung seiner Kompetenz aus § 26 Abs. 6 Satz 1 GO NRW die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens festgestellt hat, sind (Verpflichtungs-)Klage und Antrag mit dem Ziel, die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festzustellen, nicht gegen ihn zu richten. Richtiger Antragsgegner im Streit um die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens ist vielmehr die Kommune als Rechtsträger des Antragsgegners. Ob das Gericht in entsprechender Anwendung des § 78 Abs. 1 Nr. 1, 2. Halbsatz VwGO zu einer Rubrumsberichtigung von Amts wegen in einem Fall berechtigt ist, in dem – wie hier – sich die Antragsteller bewusst gegen das Organ und nicht dessen Rechtsträger wenden, mag dahinstehen. Der Antrag bleibt jedenfalls aus den folgenden Gründen erfolglos.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Im Wege einer einstweiligen Anordnung spricht das Gericht die Verpflichtung zur Feststellung der Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens nur aus, wenn die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens überwiegend wahrscheinlich und eine gegenteilige Entscheidung im Hauptsacheverfahren praktisch ausgeschlossen ist.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 01.08.2013 – 15 B 584/13 –, juris, Rn. 1.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Nach diesen Maßstäben ist der Antrag unbegründet. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragsteller einen im Hauptsacheverfahren zu verfolgenden Anspruch darauf haben, dass der Antragsgegner gemäß § 26 Abs. 6 Satz 1 GO NRW die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens feststellt.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens stehen sowohl der Ausschlusstatbestand des § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 GO NRW (1) als auch des § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 GO NRW (2) entgegen. Zudem genügt die Frage des Bürgerbegehrens „Soll der Beschluss des Bau-, Planungs- und Umweltausschusses der Stadt P.       vom 00.03.2018 zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 000 ,P.       -S.          ‘ aufgehoben werden?“ nicht den Bestimmtheitsanforderungen aus § 26 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. § 26 Abs. 2 Satz 1 GO NRW (3). Zugunsten der Antragsteller eine hinreichend bestimmte Frage unterstellt, erweisen sich diese Frage und die Begründung des Bürgerbegehrens als inkongruent (4).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">1) Nach § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 GO NRW ist ein Bürgerbegehren u.a. unzulässig über Angelegenheiten, die im Rahmen eines förmlichen Verwaltungsverfahrens mit  Öffentlichkeitsbeteiligung zu entscheiden sind. Der Bau-, Planungs- und Umweltausschuss der Stadt P.       hat am 00. März 2018 nicht nur die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 000 beschlossen, sondern auch schon nächste Schritte, nämlich insbesondere den Entwurf dieses Bebauungsplans nebst Begründung gemäß § 3 Abs. 2 BauGB öffentlich auszulegen und gleichzeitig mit der Auslegung die Einholung der Stellungnahmen nach § 4 Abs. 2 BauGB durchzuführen. Dies übersehen die Antragsteller, wenn sie mit ihrem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vermeintlich noch anstehende Verfahrensschritte wie ausdrücklich den „Beschluss zur Offenlage“ unterbinden wollen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">2) Nach § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 GO NRW ist ein Bürgerbegehren unzulässig über die Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen mit Ausnahme der Entscheidung über die Einleitung des Bauleitplanverfahrens. Ob die Ausnahme der Entscheidung über die Einleitung des Bauleitplanverfahrens in § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 GO NRW ein – wie hier – auf Aufhebung eines bereits gefassten Einleitungsbeschlusses gerichtetes Bürgerbegehren zulässt oder nicht, kann die Kammer dahinstehen lassen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Einerseits deutet der Wille des Gesetzgebers auf die Zulässigkeit, wenn in der Begründung des Regierungsentwurfs im Lichte der beabsichtigten Stärkung der Bürgerbeteiligung als Sinn und Zweck der geänderten Vorschrift formuliert ist: „Ein Bürgerbegehren kann nach der Neuregelung auf die Aufhebung eines Aufstellungsbeschlusses zielen oder im Wege eines initiierenden Bürgerbegehrens eine Entscheidung über das „Ob“ eines Bauleitplanverfahrens herbeiführen.“ Der Aufstellungsbeschluss sei in der Regel „die das Bauleitplanverfahren einleitende Entscheidung“; sowohl sie selbst als auch deren Aufhebung sollten dem Bürgerbegehren zugänglich sein (vgl. die amtliche Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, LT-Drs. 15/2151, S. 16; ihr folgend auch Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch, GO NRW, 42. Erg., Juni 2015, § 26 S. 21). Gegen die Zulässigkeit spricht indes die bundesrechtlich im BauGB geregelte Konzeption, dass bei der Aufstellung von Bauleitplänen durch die Gemeinde von vornherein Belange abzuwägen seien, die nicht durch ein Bürgerbegehren mit seiner „Ja/Nein-Alternative“ berücksichtigt werden könnten. Deshalb handele es sich nach einem getroffenen Einleitungsbeschluss fortan um das Aufstellungsverfahren, das dem Zugriff von Bürgerbegehren auch nach der neuen Fassung der Gemeindeordnung entzogen bleibe (in diese Richtung wohl Wansleben in Held/Winkel/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht Nordrhein-Westfalen, Kommentare, Texte, Stand: August 2018, § 26 Rn. 3.1.5.).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Ungeachtet dieser Problematik können aber jedenfalls solche (planerischen) Entscheidungen, die über die bloße Einleitung eines Bauleitplanverfahrens hinausgehen, nach § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 GO NRW nicht tauglicher Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein. Sinn und Zweck der Regelung, Bauleitpläne umfassend dem Anwendungsbereich des Bürgerbegehrens zu entziehen, ist in der nahe liegenden Überlegung begründet, dass solche mit Öffentlichkeitsbeteiligung zu treffenden Entscheidungen eine Vielzahl öffentlicher und privater Interessen zu berücksichtigen und abzuwägen haben, die sich nicht in das Schema einer Abstimmung mit „Ja“ oder „Nein“ pressen lassen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.04.2002 – 15 A 5594/00 –, juris, Rn. 27; Beschlüsse vom 06.12.2007 – 15 B 1744/07 – juris, Rn. 9 (jeweils zu § 26 Abs. 5 Nr. 6 GO NRW a.F.), und vom 16.04.2018 – 15 A 1322/17 –, n.v.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Das vorliegende Bürgerbegehren hat eine solche vom Befassungsverbot betroffene Bauleitplanentscheidung zum Gegenstand. Es zielt nicht auf die Verhinderung der (bloßen) Entscheidung über die Einleitung des Bauleitplanverfahrens. Es zielt vielmehr auf die Verhinderung der Entscheidung für eine Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 000 „P.       -S.          “ im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Gegenstand eines Bürgerbegehrens ergibt sich aus seiner Zielrichtung. Bei der Ermittlung dieser Zielrichtung kommt es in erster Linie darauf an, wie die Unterzeichnenden den Text verstehen müssen, da sichergestellt sein muss, dass die Bürger bei der Leistung der Unterschrift wissen, was Gegenstand des Bürgerbegehrens ist. Daneben ist auch das Verständnis der Gemeindevertretung als Adressat des Begehrens auf Durchführung eines Bürgerentscheids für die Auslegung relevant. Es bedarf insoweit einer Kongruenz der Auslegung aus dem Empfängerhorizont sowohl der unterzeichnenden Bürger als auch der Gemeindevertretungen. Eine nachträgliche ergänzende oder ändernde Auslegung des Bürgerbegehrens ist dadurch ausgeschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">VG Köln, Urteil vom 18.09.2008 – 4 K 1670/08 –, juris, Rn. 33; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 28.10.1999 – 8 UE 3683/97 –, juris, Rn. 40; OVG für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 24.07.1996 – 1 M 43/96 –, juris, Rn. 36.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Ausgehend hiervon ergibt die Auslegung für den vorliegenden Fall, dass das Bürgerbegehren zentral darauf gerichtet ist, eine Verhinderung des beschleunigten Aufstellungsverfahrens unter Ausschluss insbesondere der Umweltprüfung herbeizuführen. Es spricht viel, wenn nicht alles dafür, dass die als einheitlicher Beschluss getroffene Entscheidung für die Aufstellung des Bebauungsplans im beschleunigten Verfahren Anlass für das Bürgerbegehren war und zugleich zu seinem Gegenstand gemacht wurde.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Von dieser Zielrichtung zeugt zum einen der eigentliche Text des Bürgerbegehrens. Auch wenn die Frage „Soll der Beschluss des Bau-, Planungs- und Umweltausschusses der Stadt P.       vom 00.03.2018 zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 000 ,P.       -S.          ‘ aufgehoben werden?“ für sich genommen einen eindeutigen Hinweis vermissen lässt, kann in der Gesamtbetrachtung kein Zweifel daran bestehen, dass mit einem „Ja“ dafür votiert wird, das beschleunigte Aufstellungsverfahren ohne Umweltprüfung zu verhindern. Denn unmittelbar nach der Fragestellung folgt noch vor der eigentlichen Begründung unter dem Begriff „Hintergrund“ das zentrale Motiv des Bürgerbegehrens: Die Stadt P.       soll nicht im beschleunigten Verfahren ohne Umweltprüfung in P.       -S.          28 Baugrundstücke planungsrechtlich absichern. Auch Punkt 2 der Begründung lässt diese Intention erkennen, wenn dort statuiert wird, dass eine Umweltprüfung bei einer Bebauung im Landschaftsschutzgebiet und in unmittelbarer Nähe zu einem Naturschutzgebiet sowie einem Naturdenkmal unverzichtbar sei. Darüber hinaus gibt die Historie zum angegriffenen Beschluss vom 00. März 2018 Aufschluss darüber, dass das Bürgerbegehren gerade nicht die Aufstellung des Bebauungsplans an sich verhindern möchte. Denn vor dem am 00. März 2018 gefassten Aufstellungsbeschluss gab es bereits einen ersten Aufstellungsbeschluss vom 00. November 2017. Dieser erste Beschluss, der noch keine Entscheidung für das beschleunigte Verfahren enthielt, wurde aber nicht durch ein Bürgerbegehren angegriffen. Seine Aufhebung in der Sitzung des Bau-, Planungs- und Umweltausschusses am 00. März 2018 durch einen formal eigenständigen Beschluss erfolgte ersichtlich allein aus parteipolitischen Gründen. Der streitige Beschluss für denselben Bebauungsplan, nun jedoch im beschleunigten Verfahren, folgte der Aufhebung auf dem Fuße. Entsprechend macht schon die Niederschrift der Sitzung vom 00. März 2018 deutlich, dass die Änderung, die Aufstellung des Bebauungsplans nunmehr im beschleunigten Verfahren durchzuführen, die dann auch vom Bürgerbegehren thematisierten Widerstände ausgelöst hat.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Mit dieser Zielrichtung ist das Bürgerbegehren nach § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 GO NRW unzulässig. Es enthält Elemente der Bauleitplanung, die die Vorschrift als untauglichen Gegenstand qualifiziert. Denn die Entscheidung für das beschleunigte Verfahren beinhaltet insbesondere den Verzicht auf die Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB, vgl. §§ 13b Satz 1, 13a Abs. 2 Nr. 1, 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Mit diesem Verzicht geht aber bereits die vorweggenommene Wertung einher, dass gewisse Umweltbelange nicht beeinträchtigt werden, da andernfalls die Aufstellung des Bebauungsplans im beschleunigten Verfahren gemäß §§ 13b Satz 1, 13a Abs. 1 Sätze 4 und 5 BauGB ausgeschlossen wäre. Hinzukommt, dass im beschleunigten Verfahren nach § 13b Satz 1, 13a Abs. 2 Nr. 4 BauGB Eingriffe, die auf Grund der Aufstellung des Bebauungsplans zu erwarten sind, als im Sinne des § 1a Abs. 3 Satz 6 BauGB vor der planerischen Entscheidung erfolgt oder zulässig gelten. Die im Rahmen der planerischen Abwägung zu beantwortende Frage, ob und in welchem Umfang für Eingriffe in Natur und Landschaft ein Ausgleich im Sinne des § 1a Abs. 3 Satz 2 BauGB in den Bebauungsplan aufzunehmen ist, wird mit der Entscheidung für das beschleunigte Verfahren dahingehend beantwortet, dass ein solcher Ausgleich nicht erforderlich ist.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">3) Die Frage des Bürgerbegehrens „Soll der Beschluss des Bau-, Planungs- und Umweltausschusses der Stadt P.       vom 00.03.2018 zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 000 ,P.       -S.          ‘ aufgehoben werden?“ genügt für sich genommen nicht den Bestimmtheitsanforderungen aus § 26 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. § 26 Abs. 2 Satz 1 GO NRW. Danach kann bei einem Bürgerbegehren über die gestellte Frage nur mit „Ja“ oder „Nein“ abgestimmt werden. Insoweit setzt § 26 Abs. 7 Satz 1 GO NRW voraus, dass die Frage eindeutig formuliert, also hinreichend bestimmt ist.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30.10.2008 – 15 A 2027/08 –, juris, Rn. 7.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die hinreichende Bestimmtheit der Fragestellung eines Bürgerbegehrens ist von überragender Bedeutung. Die Bürger müssen schon aus der Fragestellung erkennen können, für oder gegen was sie ihre Stimme abgeben. Die Fragestellung muss in sich widerspruchsfrei, in allen Teilen inhaltlich nachvollziehbar und aus sich heraus verständlich sein. Mit anderen Worten: Bei mehrdeutigen, unpräzisen und zu Missverständnissen Anlass bietenden Formulierungen ist eine hinreichende Bestimmtheit der Fragestellung zu verneinen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.06.2013 – 15 B 697/13 –, juris, Rn. 6.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die hier in Rede stehende Frage wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Sie ist aus Sicht des objektiven, mit dem Inhalt des Bürgerbegehrens nicht weiter vertrauten billig und gerecht denkenden Empfängers,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.06.2013 – 15 B 697/13 –, juris, Rn. 8,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">mehrdeutig. Die nicht näher eingegrenzte, pauschale Bezugnahme auf den „Beschluss des Bau-, Planungs- und Umweltausschusses der Stadt P.       vom 00. März 2018 zur Aufstellung des Bebauungsplans (…)“ enthält keine Bestimmung, in welchem Umfang der am 00. März 2018 gefasste Aufstellungsbeschluss aufgehoben werden soll. Der Beschluss, der im Bürgerbegehren nicht abgedruckt, aber über das Ratsinformationssystem der Stadt P.       für jedermann einsehbar ist, besteht allerdings aus zwei Sätzen: „Der Bau-, Planungs- und Umweltausschuss beschließt gem. § 2 Abs. 1 für das im Übersichtsplan, Auszug aus der Deutschen Grundkarte, schwarz umrandete Gebiet die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 000 ,P.       -S.          ‘. Die Aufstellung des Bebauungsplanes erfolgt im beschleunigten Verfahren zur Einbeziehung von Außenbereichsflächen gem. § 13b BauGB.“ Allein der erste Satz betrifft die Frage zur Aufstellung des Bebauungsplans. Der zweite Satz hingegen geht mit der Entscheidung für das beschleunigte Verfahren darüber hinaus.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die zur Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens führende Mehrdeutigkeit der Fragestellung kann auch nicht durch Rückgriff auf die Begründung des Bürgerbegehrens beseitigt werden. Zwar dient die nach § 26 Abs. 2 Satz 1 GO NRW zwingend erforderliche Begründung des Bürgerbegehrens dazu, über die zu entscheidende Frage näher aufzuklären. Die Begründung soll damit insbesondere Aufschluss über die Motive des Bürgerbegehrens geben, um dessen Sinn und Zweck (besser) nachvollziehen zu können. Dadurch wird aber nicht von der Verpflichtung entbunden, die Frage selbst hinreichend bestimmt zu formulieren. Gerade mit Blick auf die Funktion der Frage für einen etwaigen späteren Bürgerentscheid, der einen Ratsbeschluss ersetzt, muss die Frage selbst aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit so eindeutig formuliert sein, dass sie auch bei isolierter Betrachtung keinen Zweifel an ihrem Inhalt aufkommen lässt.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15.05.2014 – 15 B 499/14 –, juris, Rn. 14 ff.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Dies leistet die hier in Rede stehende Fragestellung aus den genannten Gründen nicht.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">4) Aber selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Frage des Bürgerbegehrens mit ihrer Bezugnahme auf den Beschluss vom 00. März 2018 zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 000 hinreichend bestimmt wäre, so wäre das Bürgerbegehren dennoch unzulässig.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Dies liegt nach den Ausführungen unter 1) und 2) auf der Hand, wenn die Frage des Bürgerbegehrens beide Sätze des zitierten Beschlusses vom 00. März 2018 umfasste. Denn wenn das Bürgerbegehren auch auf die Entscheidung des Bau-, Planungs- und Umweltausschusses für das beschleunigte Verfahren zielte, wäre von einem unzulässigen Entscheidungsgegenstand auszugehen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Dies ist jedoch auch der Fall, wenn die Kammer zugunsten der Antragsteller unterstellte, die Frage des Bürgerbegehrens umfasse eindeutig nur den ersten Satz des zitierten Beschlusses vom 00. März 2018 und § 26 Abs. 5 Nr. 5 GO NRW sei dahin auszulegen, dass ein zulässiger Entscheidungsgegenstand vorliege, selbst wenn der Einleitungsbeschluss bereits gefasst worden sei. Allerdings ergäbe sich bei einem solchen Verständnis die Unbestimmtheit des Bürgerbegehrens aus der fehlenden Kongruenz von Frage und Begründung.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Nach § 26 Abs. 2 Satz 1 GO NRW muss ein Bürgerbegehren die zur Entscheidung zu bringende Frage sowie eine Begründung enthalten. Die zur Entscheidung zu bringende Frage und die Begründung stehen dabei in einem inneren Zusammenhang: Die Begründung soll der Sache nach über die zu entscheidende Frage aufklären. Daraus ergibt sich, dass die zur Entscheidung zu bringende Frage und die Begründung thematisch deckungsgleich sein, sich also auf denselben Gegenstand beziehen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 08.11.2011 – 15 A 1668/11 –, juris, Rn. 17, m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Bezieht sich die Begründung nicht nur auf den Gegenstand der zur Entscheidung zu bringenden Frage, wird für den Bürger unklar, worüber er abstimmen soll.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 08.11.2011 – 15 A 1668/11 –, juris, Rn. 19, m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Diesen Anforderungen kann das Bürgerbegehren nicht genügen. Denn die begründenden Ausführungen im Bürgerbegehren haben nicht nur die zugunsten der Antragsteller angenommene isolierte Frage der Aufstellung zum Gegenstand.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Dieser Frage [„Soll der Beschluss des Bau-, Planungs- und Umweltausschusses der Stadt P.       vom 00.03.2018 zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 000 ,P.       -S.          ‘ (gedanklich ergänzt: beschränkt auf seinen Satz 1) aufgehoben werden?“] folgt eine weitergehende Begründung. Diese bezieht sich auf weitere Aspekte und verleiht dem Bürgerbegehren damit eine zusätzliche Zielrichtung im Sinne auch noch anderer Forderungen. Namentlich wird ausgeführt, dass zunächst ein zukunftsorientierter und nachhaltiger Stadtentwicklungsplan konzipiert werden müsse, welcher die aktuellen Infrastrukturprobleme und das Leitbild der Stadt P.       berücksichtige. Bei der Erstellung des Plans seien die Bürger demokratisch zu beteiligen. Zudem sei eine Umweltprüfung unverzichtbar. Schließlich werde gefordert, dass zunächst sämtliche vorhandenen Baulücken in einem „Baulückenkataster“ erfasst würden. Auf dieser Grundlage muss der Bürger den Eindruck gewinnen, er solle nicht nur über die Aufhebung des Einleitungsbeschlusses, sondern zusätzlich über seine Beteiligung an der Konzipierung eines Stadtentwicklungskonzepts und über das Erfordernis einer Umweltprüfung sowie eines Baulückenkatasters abstimmen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG. Von einer Reduzierung des angesetzten Auffangstreitwertes im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat die Kammer abgesehen, da das Begehren des Antragstellers auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinausläuft (vgl. Ziff. 1.5 Satz 2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. der am 31. Mai/1. Juni 2012 und 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen).</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung</strong></p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der  Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO  und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO  und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.</p>
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180,258 | olgd-2019-01-07-verg-3018 | {
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"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | Verg 30/18 | 2019-01-07T00:00:00 | 2019-02-07T14:18:46 | 2019-02-12T13:33:29 | Beschluss | ECLI:DE:OLGD:2019:0107.VERG30.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen, darunter den angerufenen Vergabesenat, ist zulässig</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit am 03.11.2017 abgesandter Bekanntmachung schrieb die Antragsgegnerin, eine gesetzliche Krankenkasse, die Vergabe „Versorgung mit Stomaartikeln der Produktartgruppe 29 und den ggf. in diesem Zusammenhang notwendigen Inkontinenzhilfen der Produktgruppe 15 gemäß § 127 Absatz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V)“ im offenen Verfahren in 20 Gebietslosen europaweit aus. Gegenstand der Vergabe war die Versorgung der Versicherten der Antragsgegnerin mit Stomaartikeln und Inkontinenzhilfen einschließlich Zubehör, notwendiger Reparaturen sowie der im Zusammenhang mit der Versorgung zu erbringenden Dienst- und Serviceleistungen. Die abzuschließenden Rahmenvereinbarungen sollten eine Laufzeit von 24 Monaten haben und mit einer zweimaligen Verlängerungsmöglichkeit von je einem Jahr versehen sein. Angebote konnten bis zum 26.01.2018 abgegeben werden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Unter Ziffer 2.2.4 war zu den Dienst- und Serviceleistungen in der Leistungsbeschreibung unter anderem Folgendes geregelt:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">„Zur fachgerechten und qualitätsorientierten Versorgung der Versicherten gehören auch alle damit im Zusammenhang stehenden Dienst- und Serviceleistungen, die sich an den gültigen Hygiene-, Pflege- und Versorgungsstandards orientieren. Hierzu zählen insbesondere die persönliche Beratung, die Lieferung, die Anpassung und eine umfassende Einweisung und Nachbetreuung der Versicherten bzw. der Bezugspersonen in den sachgerechten Gebrauch der Hilfsmittel.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Dazu setzt der Auftragnehmer fachlich qualifiziertes Personal und Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde in der für eine qualitätsorientierte Versorgung notwendigen Anzahl ein. […]</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde müssen erfolgreiche Weiterbildungen von mindestens 120 Unterrichtseinheiten (theoretischer Teil) und zusätzlich mindestens 40 praktische Unterrichtseinheiten bzw. gleichwertige Qualifikationen oder eine der nachstehenden, höherwertigen Qualifikationen nachweisen können:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">●              Weiterbildung als Enterostomatherapeut(in) […] oder</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">●              Weiterbildung als Pflegeexpertin/-experte Stoma, Kontinenz und Wunde mit einem von der Fachgesellschaft Stoma, Kontinenz und Wunde e.V. (FgSKW) anerkannten Abschluss oder</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">●              mindestens eine gleichwertige Weiterbildung und Qualifikation.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">U.a. müssen die Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde über Kenntnisse und Fähigkeiten in den Bereichen Stoma-Management, Ernährung, onkologische Pflege, Schmerzmanagement, Patientenedukation, Gesundheitssystem, Kommunikation und Recht verfügen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">[…]</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die neben den Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde für die Beratung der Versicherten eingesetzten Mitarbeiter(innen) des Auftragnehmers müssen mindestens folgende Voraussetzungen erfüllen: […]“</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Vergabeunterlagen sahen vor, das wirtschaftlichste Angebot je Los nach einer Formel zu ermitteln, die den Gesamtversorgungspreis zu 80 % und die Qualität zu 20 % berücksichtigte. Das Kriterium der Qualität war in 6 Unterkriterien untergliedert, von denen der Einsatz von Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde mit 3 % Gewichtung sowie der Einsatz von qualifiziertem Fachpersonal mit 2 % Gewichtung je eines war. Die Bieter sollten insoweit angeben, wie viel Pflegeexperten und qualifiziertes Fachpersonal je 1.000 Versicherten der Antragsgegnerin mit Stomaanlage sie einsetzen wollten. Die entsprechende Angabe sollte im Falle der Zuschlags Vertragsbestandteil werden, zuvor aber im Rahmen der Angebotsbewertung Berücksichtigung finden.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">In der Antwort auf die Bieteranfrage 257 teilte die Antragsgegnerin während der laufenden Angebotsfrist Folgendes mit:</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">„Der alleinige Einsatz von fachlich qualifiziertem Personal (keine Pflegeexperten) erfüllt nicht die Anforderung der Leistungsbeschreibung, so dass ein solches Angebot ausgeschlossen wird.“</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin, eine präqualifizierte Hilfsmittellieferantin, gab auf das Los 18 fristgerecht ein Angebot ab. Im Formblatt „Angaben zur Bewertung der qualitativen Zuschlagskriterien“ gab sie allerdings an, keine Pflegeexperten einzusetzen. Das Formblatt A3 „Eigenerklärung zur Anzahl der Erst- und Neuversorgungen“ fügte die Antragstellerin ihrem Angebot zwar bei, unterschrieb es jedoch nicht.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin rügte unter dem 22.01.2018 (Anlage Ast 2), dass das Vergabeverfahren aus mehreren vergabe- und sozialrechtlichen Gründen vergaberechtswidrig sei. Die Antragsgegnerin half den Rügen nicht ab, sondern wies sie mit Schreiben vom 31.01.2018 (Anlage Ast 1) zurück.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin hat am 15.02.2018 einen Nachprüfungsantrag bei der 1. Vergabekammer des Bundes gestellt. Mit diesem hat sie unter anderem geltend gemacht, dass die Ausschreibung wegen ihres hohen Dienstleistungsanteils gegen das Zweckmäßigkeitsgebot des § 127 Abs. 1 Satz 1 und 6 SGB V verstoße und deshalb gesetzlich verboten sei. Die Antragsgegnerin schließe sie, die Antragstellerin, zudem unzulässig von der Hilfsmittelversorgung aus, weil sie den Einsatz von Pflegeexperten fordere. Sie habe als präqualifizierte Leistungserbringerin im Sinne von § 126 SGB V einen gesetzlichen Anspruch darauf, Hilfsmittel abzugeben. Das Eignungskriterium, Pflegeexperten einsetzen zu müssen, sei vergaberechtswidrig. Das Kriterium sei unangemessen und stehe nicht mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung. Die ausgeschriebenen Leistungen könnten wie bisher auch von Personal erbracht werden, das sich nicht zu Pflegeexperten weitergebildet habe. Auch der Kriterienkatalog des GKV-Spitzenverbands sehe eine entsprechende Anforderung nicht vor. Die Antragsgegnerin dürfe das Eignungskriterium „Pflegeexperten“ nicht zum Zuschlagskriterium erheben. Schließlich sei es unzulässig, dass die Antragsgegnerin mit der Forderung des Einsatzes von Pflegeexperten unterschiedliche Leistungsbereiche, nämlich die Hilfsmittelversorgung und die häusliche Krankenpflege, miteinander kombiniere.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Nachdem das Bundesversicherungsamt der Antragsgegnerin mit – noch nicht bestandskräftigem – Bescheid vom 20.03.2018 aufgegeben hat, das Vergabeverfahren aufzuheben, hat die Antragstellerin geltend gemacht, dieser Bescheid entfalte Tatbestandswirkung und sei von der Vergabekammer zu beachten.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin hat – soweit hier von Interesse – beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Ausschreibung der Versorgung mit Stomaartikeln der Produktgruppe 29 „Stomaartikel“ und den ggf. in diesem Zusammenhang notwendigen Inkontinenzhilfen der Produktgruppe 15 gemäß § 127 Abs. 1 SGB V gemäß der Bekanntmachung der Antragsgegnerin vom 7. November 2017, EU-Bekanntmachung 2017/S213-4442130, aufzuheben,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">2. hilfsweise der Antragsgegnerin zu untersagen, das laufende Vergabeverfahren fortzusetzen und bei fortbestehendem Beschaffungsbedarf das Vergabeverfahren in den Stand vor der Versendung der Vergabeunterlagen zurückzusetzen, dieses unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer zu bearbeiten und den Bietern auf dieser Grundlage eine neue Möglichkeit zur Teilnahme zu geben.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin hat die Ansicht vertreten, dass der Nachprüfungsantrag teilweise schon unzulässig sei. So sei die Antragstellerin bezüglich der angeblichen Verletzung des § 127 Abs. 1 SGB V nicht antragsbefugt, weil die Vorschrift nicht bieterschützend sei. Jedenfalls sei der Nachprüfungsantrag aber insgesamt unbegründet. Der Bescheid des Bundesversicherungsamts entfalte keine Tatbestandswirkung für die Vergabekammer. Die Anforderung, Pflegeexperten einzusetzen, sei kein Eignungs-, sondern ein Zuschlags- und Musskriterium, weshalb es auf das Präqualifizierungsverfahren nach § 126 SGB V und die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den Eignungsanforderungen nach dieser Vorschrift nicht ankomme. Die Forderung nach dem Einsatz von Pflegeexperten bewege sich im Rahmen des weiten Ermessensspielraums des öffentlichen Auftraggebers. Es handele sich um eine sich unmittelbar auf die Versorgungsqualität auswirkende Vorgabe, die den Vorstellungen des HHVG in besonderem Maße Rechnung trage. Eine Vermischung verschiedener sozialrechtlicher Leistungsbereiche finde nicht statt. Die Ausschreibung enthalte keine Pflegeleistungen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Mit Beschluss vom 05.04.2018 hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie unter anderem ausgeführt, dass der nicht bestandskräftige Bescheid des Bundesversicherungsamts sie, die Vergabekammer, nicht binde. Die Ausschreibung verstoße nicht gegen das Zweckmäßigkeitsgebot des § 127 Abs. 1 Satz 6 SGB V. Der von der Antragsgegnerin geforderte Einsatz von Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde sei keine Anforderung an die Eignung. Diese Anforderung sei nicht unternehmensbezogen, sondern betreffe die angebotenen Leistungen. Da die Antragsgegnerin selbst bestimme, was sie beschaffe, komme es nicht darauf an, was für Anforderungen nach Auffassung der Antragstellerin oder des GKV-Spitzenverbands für die Versorgung von Stomapatienten erforderlich seien. Ob § 126 SGB V hinsichtlich der Aufstellung von Eignungsanforderungen abschließend sei, sei unerheblich, weil die Anforderung, Pflegeexperten einzusetzen, keine Eignungsanforderung sei. Die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die ausgeschriebene Leistung seien § 127 GWB, § 58 VgV und § 127 Abs. 1b SGB V. Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschlusses der Vergabekammer wird auf diesen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 05.04.2018 zugestellten Beschluss der Vergabekammer am 18.04.2018 sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass die Vergabekammer ihrer Entscheidung den vom Bundesversicherungsamt erlassenen Bescheid habe zugrunde legen müssen. Dieser entfalte unabhängig von seiner Bestandskraft Tatbestandswirkung und begründe ein Abweichungsverbot für alle später entscheidenden Stellen. Mit der Vorgabe, Pflegeexperten einzusetzen, verfolge die Antragsgegnerin nicht schwerpunktmäßig das Ziel, das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln, sondern die fachliche und persönliche Eignung des Bieters zu bestimmen und zu beurteilen. Damit sei § 122 Abs. 2 GWB angesprochen. Insoweit sei die Antragsgegnerin an das Ergebnis des Präqualifizierungsverfahrens nach § 126 SGB V gebunden. Die Voraussetzungen des § 58 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB V seien nicht erfüllt. Die Forderung nach Pflegeexperten sei, da es sich um eine pflegerische Leistung handele, nicht von der Vertragskompetenz der Krankenkassen bei der Beschaffung von Hilfsmitteln umfasst. Die Krankenkassen seien nicht befugt, ihr Leistungsrecht nach § 2 SGB V auf Pflegeexperten auszuweiten. Mit der Forderung des Einsatzes von Pflegeexperten verlange die Antragsgegnerin eine offensichtlich sozialrechtswidrige Leistung, weil nach § 12 SGB V nicht notwendige Leistungen von den Krankenkassen nicht erbracht werden dürften.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat mit Beschluss vom 03.08.2018 den Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu verlängern, abgelehnt. Wegen der Begründungseinzelheiten wird auf den Beschluss verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Mit Schriftsatz vom 21.08.2018 macht die Antragstellerin erstmals geltend, das Verfahren sei an das Sozialgericht München zu verweisen. Sie habe begründet, warum bereits die Vergabekammer die fehlende Zweckmäßigkeit der Ausschreibung mit der Folge habe berücksichtigen müssen, dass der Antragsgegnerin aufgegeben wird, die Ausschreibung aufzuheben. Treffe das nicht zu, sei eine Verweisung auszusprechen. Unterbleibe eine Verweisung an das Sozialgericht, komme dies einer Vereitelung der Rechtsschutzgarantie gleich.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin beantragt nunmehr,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">a) den Beschluss der Vergabekammer vom 05.04.2018 aufzuheben und, bezogen auf Los 18,</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Ausschreibung der Versorgung mit Stomaartikeln der Produktgruppe 29 „Stomaartikel“ und den gegebenenfalls in diesem Zusammenhang notwendigen Inkontinenzhilfen der Produktgruppe 15 gemäß § 127 Abs. 1 SGB V gemäß der Bekanntmachung der Antragsgegnerin vom 07.11.2017, EU-Bekanntmachung 2017/S 213-442130, aufzuheben,</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">2. hilfsweise der Antragsgegnerin zu untersagen, das laufende Vergabeverfahren fortzusetzen und bei fortbestehendem Beschaffungsbedarf das Vergabeverfahren in den Stand vor der Versendung der Vergabeunterlagen zurückzusetzen, dieses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bearbeiten und den Bietern auf dieser Grundlage eine neue Möglichkeit zur Teilnahme zu geben,</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">b) das Verfahren hilfsweise gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das Sozialgericht München zu verweisen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">1. die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 28.03.2018, zugestellt am 26.04.2018, zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">2. den Verweisungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens vor der Vergabekammer als zutreffend. Sie ist der Ansicht, dass der von ihr vor dem Landessozialgericht Hamburg angegriffene Bescheid des Bundesversicherungsamts keine Tatbestandswirkung entfalte. § 127 Abs. 1 Satz 1 und 6 SGB V sei hier nicht zu berücksichtigen, weil er durch das Unionsrecht und das Vergaberecht des Vierten Teils des GWB überlagert werde. Ziel des verlangten Einsatzes von Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde sei es, durch deren höhere Qualifikation eine bessere Betreuung der Versicherten zu erreichen. Hierbei handele es sich um keine Eignungsanforderung, sondern um eine Anforderung an die Leistung, die der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers unterfalle. Soweit die Anzahl der eingesetzten Pflegeexperten Zuschlagskriterium sei, seien die vergaberechtlichen Voraussetzungen des § 127 GWB und des § 58 VgV erfüllt. Die von ihr, der Antragsgegnerin, ausgeschriebene Versorgungsweise, sei auch nach § 70 SGB V wirtschaftlich.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Bezüglich der von der Antragstellerin beantragten Verweisung ist die Antragsgegnerin der Ansicht, dass diese nicht auszusprechen sei, weil die Vergabe-nachprüfungsinstanzen abschließend zuständig seien. Bei der verfahrensgegenständlichen Leistung handele es sich um einen in die Zuständigkeit der Vergabenachprüfungsinstanzen fallenden öffentlichen Auftrag im Sinne von § 103 Abs. 1 GWB. Sozialrechtliche Vorfragen würden durch das Kartellvergaberecht überlagert; dem Sozialrechtsweg seien sie nicht zugeordnet. Eine insoweit fehlende Antragsbefugnis der Antragstellerin lasse die Zuständigkeit der Vergabenachprüfungsinstanzen unberührt. Eine Teilverweisung scheide im Übrigen wegen des Beschleunigungsgrundsatzes aus.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Verfahrensakten der Vergabekammer verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Gemäß §§ 155, 156 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 98, 99, 103, 106 GWB ist vorliegend der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen eröffnet.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Der Senat spricht dies mit vorliegendem Beschluss gemäß § 17a Abs. 3 Satz 1 GVG vorab aus, um etwaige Zweifel auszuräumen (vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 17.01.2008 – VII-Verg 57/07, zitiert nach juris, Tz. 25, und vom 19.12.2007 – VII-Verg 51/07, zitiert nach juris, Tz. 22). Ob eine Vorabentscheidung wegen des Vorbringens der Antragstellerin im Anschluss an den Senatsbeschluss vom 03.08.2018 nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG ohnehin erforderlich ist, kann danach dahinstehen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Wie der Senat zuletzt wiederholt entschieden hat, ist er nicht gehindert, ein als Beschwerdeverfahren bei ihm anhängiges Vergabenachprüfungsverfahren an das örtlich und sachlich zuständige erstinstanzliche Gericht der Sozialgerichtsbarkeit zu verweisen, wenn der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen nicht eröffnet und der Rechtsweg zu den Sozialgerichten zulässig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 31.10.2018 – VII-Verg 37/18 – und vom 19.12.2018 – VII-Verg 40/18).</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Es entspricht inzwischen – auch in Abkehr von früheren Entscheidungen des Senats (vgl. Senatsbeschluss vom 30.01.2008 – VII-Verg 29/07, zitiert nach juris, Tz. 43) – der herrschenden Rechtsprechung, dass eine Verweisung an das Gericht des zulässigen Rechtswegs gemäß § 17a Abs. 2 GVG auszusprechen ist, wenn ein Unternehmen von einem Beschaffungsvorhaben eines öffentlichen Auftraggebers profitieren möchte und in diesem Zusammenhang die Verletzung eigener Rechte rügt, der zu vergebende Auftrag aber nicht den für die Statthaftigkeit eines Nachprüfungsantrags maßgeblichen Schwellenwert erreicht oder überschreitet (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 08.05.2012 – 11 Verg 2/12, zitiert nach juris, Tz. 74 f.) oder der öffentliche Auftraggeber nicht die Form eines öffentlichen Auftrags gewählt hat, sondern beispielsweise den Weg von Konzessionen nach § 149 GWB (vgl. in diesem Sinne BGH, Beschluss vom 23.01.2012 – X ZB 5/11, zitiert nach juris, Tz. 24; Senatsbeschlüsse vom 28.03.2012 – VII-Verg 37/11 – und vom 07.03.2012 – VII-Verg 78/11; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.02.2013 – 15 Verg 11/12; OLG Naumburg, Beschluss vom 17.06.2016 – 7 Verg 2/16) oder den Weg eines sogenannten Open-House-Modells (vgl. Senatsbeschluss vom 31.10.2018 – VII-Verg 37/18).</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Soweit die Antragstellerin meint, der Senat sei in seinem Beschluss vom 27.06.2018 – VII-Verg 59/17 – hiervon fehlerhaft abgewichen, unterliegt sie einem Fehlverständnis aufgrund einer Formulierung unter Gliederungspunkt II. 2. a) bb) (5) jenes Beschlusses, die auf die Rechtsprechung zur ausschließlichen Zuständigkeit des nach § 171 Abs. 3 GWB eingerichteten Vergabesenats für Entscheidungen über Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen der Vergabekammern zurückgeht (vgl. BGH, Beschluss vom 15.07.2008 – X ZB 17/08, zitiert nach juris, Tz. 12; Senatsbeschluss vom 19.12.2007 – VII-Verg 51/07, zitiert nach juris, Tz. 17 ff.). In dem Verfahren VII-Verg 59/17 stellte sich die Frage einer Verweisung des Beschwerdeverfahrens gemäß § 17a Abs. 2 GVG indes nicht, weshalb der Senat folgerichtig hierzu auch keine Ausführungen gemacht hat. Der eingeschlagene Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen war zulässig. Die Voraussetzungen der §§ 155, 156 Abs. 2 GWB lagen unzweifelhaft vor und waren von keinem der Verfahrensbeteiligten in Abrede gestellt worden.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen ist – auch hier – zulässig. Die Voraussetzungen der §§ 155, 156 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 98, 99, 103, 106 GWB liegen vor. Danach ist der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen eröffnet, wenn ein Unternehmen die Verletzung seiner subjektiven Rechte in einem förmlichen Vergabeverfahren rügt, das ein öffentlicher Auftraggeber zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags durchführt. Dabei muss der Auftragswert die nach dem Gesetz vorgesehenen Schwellenwerte erreichen oder überschreiten.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Das Vorliegen sämtlicher der vorgenannten Voraussetzungen hat bereits die Vergabekammer zutreffend bejaht. Die Antragsgegnerin ist als gesetzliche Krankenkasse öffentliche Auftraggeberin gemäß §§ 98, 99 Nr. 2 GWB (vgl. EuGH, Urteil vom 11.06.2009 – C-300/07 – <em>Oymanns</em> –, zitiert nach juris, Tz. 59). Bei der von der Antragsgegnerin ausgeschriebenen Leistung der Versorgung ihrer Versicherten mit Stomaartikeln und den ggf. in diesem Zusammenhang notwendigen Inkontinenzhilfen handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag gemäß § 103 Abs. 1 GWB. Dieser überschreitet auch den maßgeblichen Schwellenwert nach § 106 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB, Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU i.V.m. der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2170. Und schließlich beruft sich die Antragstellerin auf ihre Rechte aus § 97 Abs. 6 GWB. Das folgt hier – konkludent – schon daraus, und mehr ist im Rahmen der Statthaftigkeit auch nicht zu fordern, dass sie keine Klage erhoben, sondern einen den formellen Anforderungen der §§ 160 Abs. 1, 161 GWB genügenden Nachprüfungsantrag bei der zuständigen Vergabekammer gestellt hat, der auf die Rechtswirkungen des § 169 Abs. 1 GWB zielte.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Dass das Vergabeverfahren zwischenzeitlich durch Erteilung eines Zuschlags beendet oder von der Antragsgegnerin aufgehoben worden ist mit der Folge, dass ein Nachprüfungsantrag unter Umständen nicht mehr statthaft ist, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Vergabenachprüfungsinstanzen hängt nicht davon ab, ob die Antragsgegnerin die sozialrechtlichen Voraussetzungen einer Hilfsmittelausschreibung, die Zweckmäßigkeit gemäß § 127 Abs. 1 Satz 1 und 6 SGB V, zutreffend bejaht hat. Die Vergabenachprüfungsinstanzen sind hier gemäß §§ 155, 156 Abs. 2 GWB nach Art einer aufdrängenden Rechtswegzuweisung (vgl. Horn/Hofmann, in: Burgi/Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., § 155 GWB Rn. 4) zuständig, weil die Antragsgegnerin zur Realisierung ihres Beschaffungsvorhabens den Weg der Vergabe eines öffentlichen Auftrags gewählt hat und auch die übrigen Voraussetzungen einer Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Vergabenachprüfungsinstanzen – wie soeben dargestellt – gegeben sind.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Vergabenachprüfungsinstanzen wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass es sich bei § 127 Abs. 1 Satz 1 und 6 SGB V, dessen Verletzung die Antragstellerin unter dem Gesichtspunkt fehlender Zweckmäßigkeit als einen von mehreren Vergaberechtsverstößen rügt, nach der Rechtsprechung des Senats nicht um eine bieterschützende vergaberechtliche Vorschrift handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 27.06.2018 – VII-Verg 59/17, zitiert nach juris, Tz. 62). Ob es sich bei einer als verletzt gerügten Vorschrift um eine bieterschützende vergaberechtliche Vorschrift im Sinne von § 97 Abs. 6 GWB handelt, ist keine Frage der Statthaftigkeit des Nachprüfungsantrags, sondern eine der Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB (vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 11.05.2016 – VII-Verg 2/16, zitiert nach juris, Tz. 28 ff., und vom 28.06.2017 – VII-Verg 2/17 – <em>Erweiterungsbau Wallraf-Richartz-Museum</em> –, zitiert nach juris, Tz. 18 ff.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.07.2011 – 15 Verg 8/11, zitiert nach juris, Tz. 24; Dicks, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl., § 160 GWB Rn. 17). Die Möglichkeit einer Verletzung von subjektiven Rechten des Antragstellers nach § 97 Abs. 6 GWB, die § 160 Abs. 2 GWB dem § 42 Abs. 2 VwGO vergleichbar für die Antragsbefugnis voraussetzt, kommt nur in Betracht, wenn es sich bei den als verletzt gerügten Vorschriften um solche des Vergaberechts handelt oder um Rechtsvorschriften, für die es eine vergaberechtliche Anknüpfungsnorm gibt (vgl. Dicks, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl., § 160 GWB Rn. 17; Reidt, in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl., § 160 GWB Rn. 31). Da es sich beim Nachprüfungsverfahren nicht um ein objektives Beanstandungsverfahren handelt, ist für die Antragsbefugnis ferner Voraussetzung, dass die als verletzt gerügten Vorschriften bieterschützend sind.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Vergabenachprüfungsinstanzen wird auch nicht durch die von der Antragstellerin gestellten Anträge ganz oder teilweise in Frage gestellt. Zum einen kann – in Ausnahmefällen – in einem Vergabenachprüfungsverfahren auch die von der Antragstellerin mit ihrem Hauptantrag beantragte Aufhebung der Ausschreibung ausgesprochen werden (vgl. Steck, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl., § 168 Rn. 18; Vavra, in: Burgi/Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., § 178 GWB Rn. 8). Zum anderen kommt Haupt- und Hilfsanträgen im Vergabenachprüfungsverfahren keine Bedeutung zu, die es erlaubte, daraus in Anlehnung an den zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff des Zivilprozessrechts eine unterschiedliche Rechtswegzuständigkeit für verschiedene Streitgegenstände abzuleiten (vgl. Steck, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl., § 168 GWB Rn. 11; zur Bedeutung des zweigliedrigen Streitgegenstands des Zivilprozessrechts für die Rechtswegzuständigkeit Zimmermann, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl., § 17 GVG Rn. 13). Im Vergabenachprüfungsverfahren haben die Anträge keine den Streitgegenstand umgrenzende Funktion, weil die Vergabekammer nach § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB nicht an die Anträge gebunden ist (vgl. zur Prüfungskompetenz der Vergabekammer Dicks, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl., § 163 GWB Rn. 2). Nach der Rechtsprechung des Senats gilt die Vorschrift für den Vergabesenat im Rahmen des Beschwerdegegenstands entsprechend (vgl. Senatsbeschluss vom 13.06.2007 – VII-Verg 2/07, zitiert nach juris, Tz. 89 ff.; ebenso BayObLG, Beschluss vom 05.11.2002 – Verg 22/02, zitiert nach juris, Tz. 35; Steck, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl., § 178 GWB Rn. 7).</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die Rechtswegzuständigkeit der Vergabenachprüfungsinstanzen begegnet hier auch unter dem Blickwinkel des Streitgegenstands eines Vergabenachprüfungsverfahrens keinen Bedenken. Jener wird durch das Verhalten des öffentlichen Auftraggebers bestimmt, das – wirklich oder vermeintlich – bieterschützende Bestimmungen über das Vergabeverfahren verletzt (Senatsbeschluss vom 30.05.2001 – Verg 23/00, zitiert nach juris, Tz. 25; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 15.07.2008 – 11 Verg 4/08, zitiert nach juris, Tz. 65, und Beschluss vom 10.06.2008 – 11 Verg 3/08, zitiert nach juris, Tz. 65; Summa, in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 168 GWB Rn. 119). Danach handelt es sich hier um einen vergabenachprüfungsrechtlichen Streitgegenstand, auch soweit die Antragstellerin im Vergabenachprüfungsverfahren die Rüge fehlender sozialrechtlicher Zweckmäßigkeit nach § 127 Abs. 1 Satz 1 und 6 SGB V erhebt.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">e)</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Nach alledem kann dahinstehen, ob einer von der Antragsgegnerin thematisierten etwaigen Teilverweisung im Vergabenachprüfungsverfahren nicht ohnehin der Beschleunigungsgrundsatz entgegenstünde.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass seine Rechtswegzuständigkeit nach §§ 155, 156 GWB, weil es sich um eine eng umgrenzte aufdrängende Sonderzuweisung handelt (vgl. für eine in gewisser Weise verwandte Ausnahmeregelung in § 87 GWB zuletzt BAG, Urteil vom 29.06.2017 – 8 AZR 189/15, zitiert nach juris, Tz. 25 ff.), aus seiner Sicht nicht zur Folge hat, dass der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nach § 17a Abs. 1 Satz 2 GVG verschlossen ist, soweit, ggf. auch konkurrierende, sozialrechtliche Streitgegenstände betroffen sind (vgl. Senatsbeschluss vom 27.06.2018 – VII-Verg 59/17).</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Einer Zulassung der Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof bedarf es in der vorliegenden Sache nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG. Eine grundsätzliche Bedeutung ist zu bejahen, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage bisher höchstrichterlich nicht geklärt, klärungsbedürftig und klärungsfähig ist und sie das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, weil sie sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellt (BGH, NJW 2003, 1943, 1944).</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Hier fehlt es an der danach vorausgesetzten klärungsbedürftigen Rechtsfrage. Die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Vergabenachprüfungsinstanzen in Fällen der vorliegenden Art, in denen der Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts in sachlicher und personeller Hinsicht eröffnet ist und ein antragstellendes Unternehmen – wie hier – neben weiteren vermeintlichen Vergaberechtsverstößen auch die fehlende Zweckmäßigkeit nach § 127 Abs. 1 Satz 1 und 6 SGB V unter Hinweis auf § 97 Abs. 6 GWB rügt, ist bislang weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur streitig. Der Senat hat in diesen Fällen schon in der Vergangenheit den Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen eröffnet gesehen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24.09.2014 – VII-Verg 17/14 – und vom 21.12.2016 – VII-Verg 26/16). An dieser Sichtweise hat sich durch den Senatsbeschluss vom 27.06.2018 – VII-Verg 59/17 – nichts geändert.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Ob daneben für die Überprüfung der Frage sozialrechtlicher Zweckmäßigkeit nach § 127 Abs. 1 Satz 1 und 6 SGB V in Form eines sozialrechtlichen Streitgegenstands auch der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet sein könnte, ist aktuell zwar streitig (vgl. die im Senatsbeschluss vom 27.06.2018 – VII-Verg 59/17 zitierte sozialgerichtliche Rspr. und aus der Literatur z.B. Butzer/Lungstras, in: Becker/Kingreen, SGB V, 6. Aufl., § 127 Rn. 30; Luthe, SGb 2018, 206, 211; Knispel, NZS 2019, 6 ff.), wobei jüngste Entscheidungen und Literaturstimmen sich der im Senatsbeschluss vom 27.06.2018 – VII-Verg 59/17 – geäußerten Rechtsansicht anzuschließen scheinen (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 25.09.2018 – L 1 KR 34/18 KL ER, zitiert nach juris, Tz. 55; SG Hamburg, Beschluss vom 04.12.2018 – S 37 KR 1565/18 ER, zitiert nach juris; Knispel, in: jurisPR-SozR 25/2018 Anm. 2; ders., NZS 2009, 6 ff.). Etwaige sich aus diesem Meinungsstreit ergebende Rechtsfragen sind im vorliegenden Verfahren jedoch nicht klärungsfähig, sondern müssen von den Sozialgerichten beantwortet werden.</p>
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180,257 | lg-aachen-2019-01-07-33m-stvk-2219 | {
"id": 800,
"name": "Landgericht Aachen",
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"city": 380,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 33m StVK 22/19 | 2019-01-07T00:00:00 | 2019-02-07T14:18:46 | 2019-02-12T13:33:29 | Beschluss | ECLI:DE:LGAC:2019:0107.33M.STVK22.19.00 | <h2>Tenor</h2>
<p><strong>Der Antrag wird zurückgewiesen.</strong></p>
<p><strong>Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.</strong></p>
<p><strong>Der Streitwert wird auf 500 € festgesetzt.</strong></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Gründe:</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><strong>I.</strong></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner leidet unter einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen Persönlichkeitsströmen. Er steht unter gesetzlicher Betreuung und befindet sich im Rahmen der Vollstreckung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB in der Einrichtung des Antragstellers.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Am 26.12.2018 versuchte er sich mit seinem Pullover am Waschbecken zu strangulieren und wurde daraufhin zur Abwendung weiterer Selbstgefährdungen fixiert.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Antragsteller wandten sich daraufhin an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen mit der Bitte um Genehmigung der Fixierung.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks"><strong>II.</strong></p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Antrag auf richterliche Genehmigung der Fixierung ist weder zulässig noch begründet.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Antrag ist bereits unzulässig, weil die Gerichte nur im Rahmen gesetzlich zugewiesener Verfahren tätig werden dürfen und für einen Fixierungsantrag im Maßregelvollzug derzeit kein gerichtliches Verfahren vorgesehen ist – weder ein solches vor der Strafvollstreckungskammer noch ein solches vor einem anderen Gericht.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Insbesondere sind die Regelungen der § 121 Nr. 6 StVollzG NRW i.V.m. § 109 ff. StVollzG Bund nicht anwendbar.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Denn gemäß § 109 Abs. 2 StVollzG ist ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme [...] in seinen Rechten verletzt zu sein. Die §§ 138 Abs. 3, 109 bis 121 StVollzG regeln somit ausdrücklich nur den Fall, dass ein Betroffener sich nachträglich gegen eine Maßnahme wendet. Der Fall, dass sich die Vollzugsbehörde im Vorhinein eine ihrerseits beabsichtigte vollzugliche Maßnahme gerichtlich genehmigen lassen will, wird mithin von den §§ 109ff StVollzG ihrem eindeutigen Wortlaut nach nicht erfasst. Sie eröffnen lediglich eine Anfechtungs- und Überprüfungsmöglichkeit für den Betroffenen selbst (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 13.11.2018, Az.: 3 Ws 847/18, Rn 6).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Auch die §§ 415 ff FamFG sind nicht unmittelbar anwendbar, da die hier in Rede stehende Freiheitsentziehung in Form der Fixierung auf den Regelungen des Maßregelungsvollzugsgesetzes NRW und damit auf Landrecht und nicht wie die Unterbringung als solche auf Bundesrecht (§ 63 StGB) beruht. Die §§ 312 ff FamFG sind ihrem Wortlaut nach ebenfalls nicht einschlägig, da die hier in Rede stehende Fixierung keine freiheitsentziehende Maßnahme oder Zwangsmaßnahme auf der Grundlage von § 1906 BGB bzw. dem PsychKG NRW darstellt.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Auch aus dem unmittelbar geltenden Richtervorbehalt des Art. 104 Abs. 2 S. 1, 2, 4 GG folgt nichts anderes. Denn nach Art. 104 Abs. 2 S. 4 GG verlangt jede Freiheitsentziehung, dass der Gesetzgeber hierfür zuvor – über die Ermächtigungsgrundlage hinaus – ein entsprechendes Verfahren richterlicher Entscheidungsfindung schafft. Art. 104 Abs. 2 GG bietet damit keine Handhabe für richterliches Tätigwerden, sondern setzt sie voraus.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">In Ermangelung eines gesetzlich vorgesehenen Verfahrens kann vorliegend anstelle einer Entscheidung der Kammer über den Antrag auch keine Weiterverweisung nach § 17a Abs. 2 GVG oder nach § 17a Abs. 5 GVG erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Überdies könnte die Strafvollstreckungskammer selbst dann nicht über den vorliegenden Antrag entscheiden, wenn Gerichte trotz fehlender Verfahrensgrundlage im vorliegenden Fall tätig werden dürften. Denn es fehlt an einer Eröffnung des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten. Nach § 40 Abs. 1 S. 1, 2 VwGO ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art der Verwaltungsrechtsweg gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Gesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Eine abdrängende Sonderzuweisung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, insbesondere sind die §§ 109 ff. StVollzG Bund wie ausgeführt nicht einschlägig.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die fehlende gesetzliche Regelung eines Verfahrens zur Erfüllung des Richtervorbehaltes kann auch nicht im Wege einer Analogie geschlossen werden, da jede gesetzliche Ermächtigung zu einer Fixierung bis zur Flankierung durch eine entsprechende gesetzliche Verfahrensregelung verfassungswidrig ist.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Das Bedürfnis für eine entsprechende Verfahrensregelung folgt aus Art. 104 Abs. 2 GG, der anordnet, dass über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung nur der Richter zu entscheiden hat. Die Fixierung eines Patienten stellt einen Eingriff in dessen Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 GG) dar. Sowohl bei einer 5-Punkt- als auch bei einer 7-Punkt-Fixierung von nicht nur kurzfristiger Dauer handelt es sich um eine Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 GG. Das gilt auch dann, wenn dem Betroffenen im Rahmen der Unterbringung die Freiheit bereits entzogen worden ist (BVerfG, Urteil vom 24. Juli 2018 – 2 BvR 309/15 –, NJW 2018, 2619).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Das Landesrecht sieht den nach Art. 104 Abs. 2 GG für die Fixierung eines Maßregelpatienten damit geltenden Richtervorbehalt nicht vor, da das einschlägige Maßregelvollzugsgesetz NRW (MRVG NRW) weder in § 17 MRVG NRW noch in einer anderen Vorschrift eine entsprechende Regelung enthält. Zwar ist Art. 104 Abs. 2 GG unmittelbar geltendes und anzuwendendes Recht und erfordert die Anwendung seines Richtervorbehaltes auch dort, wo er nicht einfachgesetzlich ausgestaltet ist (BVerfG, Urteil vom 24. Juli 2018 – 2 BvR 309/15 –, NJW 2018, 2619). Bestimmungen zur gerichtlichen Zuständigkeit und dem einzuhaltenden Verfahren sind Art. 104 Abs. 2 GG jedoch nicht zu entnehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat entsprechend ausdrücklich entschieden, dass die Verpflichtung des Gesetzgebers zur Ausgestaltung des Richtervorbehalts nach Art. 104 II 4 GG durch dessen unmittelbare Geltung nicht obsolet wird. Nimmt der Gesetzgeber diesen verfassungsrechtlichen Auftrag nicht wahr mit der Folge, dass eine einfach-gesetzliche Rechtsgrundlage die von Verfassungs wegen erforderlichen Bestimmungen zur Ausgestaltung des Richtervorbehalts nicht vorsieht, so führt dies zur Verfassungswidrigkeit der Norm (BVerfG, Urteil vom 24. Juli 2018 – 2 BvR 309/15 –, NJW 2018, 2619, Rn. 95). Vor diesem Hintergrund scheidet eine richterliche Genehmigung der Fixierung durch die Strafvollstreckungskammer aus.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Kammer ist es auch verwehrt, die Fortgeltung einer verfassungswidrigen Regelung als lediglich unvereinbar mit der Verfassung anzuordnen oder an ihre Stelle im Wege richterlicher Rechtsfortbildung eine verfassungsmäßige zu setzen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Vielmehr obliegt es allein dem Gesetzgeber – bzw. für die Übergangszeit, bis der Gesetzgeber seinem Regelungsauftrag aus Art. 104 Abs. 2 GG nachgekommen ist, dem Bundesverfassungsgericht gemäß § 31 BVerfGG -, mit Gesetzeskraft den zuständigen, Richter zu bestimmen und ein Verfahren zu regeln, das auf die jeweils zur Entscheidung stehende Freiheitsentziehung abgestimmt ist, und sicherstellt, dass dem Betroffenen vor der Freiheitsentziehung alle diejenigen rechtsstaatlichen Sicherungen gewährt werden, die mit einem justizförmigen Verfahren verbunden sind (BVerfG, a.a.O., Rn 94). Diesbezüglich schließt sich die Kammer der Rechtsauffassung des OLG Frankfurt a.M. in seinem Beschluss vom 13.11.2018 an, wonach es den Gerichten verwehrt ist, eine mögliche Lücke hinsichtlich des gesetzlich nicht vorgesehenen Richtervorbehaltes bei der Anordnung oder Genehmigung von Fixierungen im Rahmen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB eigenmächtig zu schließen, weil damit die Grenzen zulässiger Auslegung überschritten werden würden. Dies obliegt allein dem Gesetzgeber (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 13.11.2018, Az.: 3 Ws 847/18, Rn 10; so auch LG Darmstadt, Beschluss vom 6.9.2018 – 33a StVK 1314/18).</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Auch das  Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 24.7.2018 (a.a.O.) keine gesetzesgleichen Regelungen für Fixierungen im Geltungsbereich des MRVG NRW getroffenen, da diese nicht Gegenstand der dortigen Entscheidung waren.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Anders als das Bundesverfassungsgericht ist die Kammer an die Rechtsfolge der Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung gebunden und kann nicht von sich aus eine fortdauernde Anwendbarkeit bei Unvereinbarkeit mit der Verfassung anordnen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">5.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Im Geltungsbereich des MRVG NRW verbietet sich überdies bereits deswegen, im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung eine Zuständigkeitsregelung zu schaffen, weil es nach der Entscheidung des Gesetzgebers bereits an einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage fehlt. Denn als Ermächtigungsgrundlage für den Eingriff der Fixierung kommt allenfalls § 17 Abs. 3 MRVG NRW in Betracht, der jedoch allein die Fesselung als Maßnahme vorsieht, die aus zwingenden Behandlungsgründen ärztlich angeordnet werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Fesselung als Begrenzung der Bewegungsfreiheit an Händen und Füßen ist nach der überkommenen Begriffsverwendung jedoch von der deutlich eingriffsintensiveren Fixierung des Körpers oder von Teilen davon zu unterscheiden. Auch in Gesetzen wird regelmäßig danach unterschieden, ob nur Fesselungen oder darüber hinaus auch Fixierungen zulässig sein sollen (vgl. etwa § 49 des Berliner Untersuchungshaftvollzugsgesetz, § 22 des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen und insbesondere § 69 Abs. 2 Nr. 6, Abs. 7 StVollzG NRW). Anders als die nicht nur kurzfristige Fixierung ist die vom nordrhein-westfälischen Gesetzgeber vorgesehen Fesselung auch nicht als eigenständige Freiheitsentziehung zu qualifizieren, die den Richtervorbehalt des Art. 104 II 1 GG abermals auslöst (ausdrücklich beschränkt auf 5-Punkt- oder 7-Punkt-Fixierungen, bei denen sämtliche Gliedmaßen des Betroffenen mit Gurten am Bett festgebunden werden, BVerfG, a.a.O., Rn. 68 f.). Aus diesem Grunde ist das MRVG NRW gerade nicht verfassungswidrig, da die dort allein vorgesehene Fesselung keines Richtervorbehaltes bedarf. Die Gerichte können bereits wegen der Gesetzesbindung der Rechtsprechung und des Gesetzesvorbehaltes des Freiheitsgrundrechts vor diesem Hintergrund nicht durch einer weitere Auslegung des Fesselungsbegriffs selbst eine Rechtsgrundlage auch für Fixierungen schaffen, die der Gesetzgeber gerade nicht vorgesehen hat. Darüber hinaus auch noch entsprechende Zuständigkeiten durch Analogie zu schaffen, verbietet sich zudem deshalb, weil nicht durch erweiternde Auslegung eine verfassungswidrige Regelung geschaffen werden darf, um diesem verfassungswidrigen Zustand daraufhin durch – selbst verfassungswidrige (s.o. unter Ziffer 4.) – Analogie abzuhelfen. Es ist umgekehrt geboten, eine gesetzliche Regelung verfassungskonform auszulegen (st. Rspr. des BVerfG, vgl. jüngst BVerfG, Beschluss vom 22.3.2018 – 2 BvR 780/16, NJW 2018, 1935).</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">6.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Es besteht zudem auch kein tatsächliches Bedürfnis für eine entsprechende Analogie, da auch im Maßregelvollzug regelmäßig ein einstweiliger Betreuer bestellt bzw. eine bestehende Betreuung einstweilig erweitert und die Fixierungsentscheidungen des Betreuers richterlich genehmigt werden können. Auch im vorliegenden Fall besteht eine Betreuung, die ausweislich der Angaben früherer Anträge vollumfänglich sein soll.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">7.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Überdies wäre die Strafvollstreckungskammer selbst dann nicht zuständig, wenn der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet, eine Ermächtigungsgrundlage vorhanden, diese verfassungsmäßig und die analoge Anwendung einer bestehenden Zuständigkeitsregelung zulässig und geboten wäre. Denn selbst in diesem Fall wären nicht die Regelungen des Strafvollzugsgesetzes, sondern in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes hinsichtlich der dort verfahrensgegenständlichen Regelungen die Bestimmungen des FamFG analog heranzuziehen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Anders als die Bestimmungen des FamFG ist das Verfahren nach § 109 ff StVollzG auf die grundsätzlich nachträgliche Überprüfung einer vollzuglichen Maßnahme, und gerade nicht auf eine eilige präventive Genehmigung einer bevorstehenden bzw. anhaltenden Fixierungsmaßnahme mit entsprechendem Rechtsschutz für den Betroffenen zugeschnitten. Insbesondere sehen die §§ 109 ff StVollzG weder eine persönliche Anhörung des Betroffenen noch die Bestellung eines Verfahrenspflegers vor (§§ 114 Abs. 2, 115 Abs. 1 S. 1 StVollzG).</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 24.7.2018 (a.a.O.) ausgeführt, das Verfahren müsse auf die jeweils zur Entscheidung stehende Freiheitsentziehung abgestimmt sein und sicherstellen, dass dem Betroffenen vor der Freiheitsentziehung alle diejenigen rechtsstaatlichen Sicherungen gewährt werden, die mit einem justizförmigen Verfahren verbunden sind (BVerfG, a.a.O., Rn 94). Ein solches Verfahren sieht das Bundesverfassungsgericht durch die entsprechende Anwendung der §§ 312ff FamFG und §§ 70 ff FamFG gewährleistet. Zu einem solchen Verfahren gehören – auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts – u.a. die persönliche Anhörung des Betroffenen (§ 319 FamFG) und grundsätzlich auch die Bestellung eines Verfahrenspflegers (§ 315 Abs. 2 FamFG). Daher kommt schon im Hinblick auf die verfassungsmäßigen Rechte des Betroffenen eine entsprechende Anwendung der § 109ff StVollzG (i.V.m. § 78a Abs. 1, Nr. 2, 78b Abs. I Nr. 2 GVG) nicht in Betracht, sondern allenfalls eine analoge Heranziehung des betreuungsgerichtlichen Verfahrens. Dieses hat im Hinblick auf die Ortsnähe der insoweit zuständigen Amtsgerichte den weiteren Vorzug einer zeitnäheren Entscheidung, die im Rahmen des verfassungsrechtlich gebotenen Eilrechtsschutzes geboten ist.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">8.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Soweit das OLG Hamm in seinem Beschluss vom 20.11.2018 (Az.: III - 1 Vollz (Ws) 391/18) <em>obiter dictum</em> die Auffassung geäußert hat, dass für die Genehmigungsentscheidungen bei Fixierungen gemäß § 78a Abs. 2 [gemeint Abs. 1 S. 2] Nr. 2, 78b Abs. I Nr. 2 GVG die kleinen Strafvollstreckungskammern bei den Landgerichten zuständig seien, betraf dies einen anderen Fall, der dem OLG keine Veranlassung gab, sich mit den obigen Rechtsfragen (1. – 7.) auseinanderzusetzen. Denn dort handelte es sich um eine Konstellation des nachträglichen, vom Betroffenen angestrengten Rechtsschutzes, auf den die §§ 109 ff. StVollzG Bund zugeschnitten sind.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">9.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Kammer weist vorsorglich darauf hin, dass auch in Ermangelung einer Ermächtigungsgrundlage und einer verfassungsrechtlich vorgesehenen Zuständigkeitsregelung zur richterlichen Genehmigung von Fixierungen unter den Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstands nach § 34 StGB die individuelle Veranlassung und Durchführung entsprechender Fixierungen gerechtfertigt ist.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">10.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">In Ermangelung einer verfassungswidrigen gesetzlichen Regelung und ihrer Entscheidungserheblichkeit ist schließlich keine Vorlage der gegebenen Sache nach Art 100 Abs. 1 GG möglich.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks"><strong>III.</strong></p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 S. 1 StVollzG.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung betreffend den Streitwert beruht auf den §§ 65 S. 1, 60 Hs. 1, 52 Abs. 1 GKG. Die Kammer bestimmt ihn nach der Bedeutung der Sache, wie sie sich aus dem Antrag des Antragstellers ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Gegen diese Entscheidung ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des beigefügten Formblatts statthaft.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><table class="absatzLinks" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td><p>Dr. R</p>
</td>
<td></td>
<td></td>
</tr>
<tr><td></td>
<td></td>
<td></td>
</tr>
</tbody>
</table>
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180,256 | lsgnrw-2019-01-07-l-15-u-61118-b | {
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} | L 15 U 611/18 B | 2019-01-07T00:00:00 | 2019-02-07T14:18:45 | 2019-02-12T13:33:29 | Beschluss | ECLI:DE:LSGNRW:2019:0107.L15U611.18B.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 08.11.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Gründe:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, die Kosten der Beweisaufnahme nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Landeskasse zu übernehmen. Der Senat verweist in entsprechender Anwendung des § 153 Abs. 2 SGG in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss, denen er sich anschließt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die im Berufungsverfahren veranlasste weitere Anfrage bei dem nach § 109 SGG herangezogenen Dr. L war lediglich deshalb erforderlich geworden, weil der Kläger im Vorfeld der mündlichen Verhandlung vom 10.07.2018 vorgetragen hatte, Dr. L habe- nunmehr als sein behandelnder Arzt- aufgrund neuer radiologischer sowie neurologischer Befunde weitergehende Unfallfolgen gesichert. Weitere Erkenntnisse im Rahmen der gebotenen Sachaufklärung bezogen auf sein für das Sozialgericht erstellte Gutachten vom 17.03.2017 lassen sich hieraus deshalb nicht ableiten.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Auflage , § 109 Rn 22).</p>
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} | 10 K 8099/16 | 2019-01-07T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:47 | 2019-02-12T13:44:37 | Urteil | ECLI:DE:VGD:2019:0107.10K8099.16.00 | <h2>Tenor</h2>
<p><strong>Der Gebührenbescheid des Standesamtes der Beklagten vom 7. April 2016 in der Gestalt des Bescheides vom 20. Juni 2016 wird aufgehoben.</strong></p>
<p><strong>Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.</strong></p>
<p><strong>Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</strong></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Tatbestand:</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger, der eine sog. Erbenermittlung betreibt, ließ mit Schreiben vom 16. Dezember 2015 durch sein C.        Büro bei der Beklagten die Ausstellung einer „beglaubigten Kopie des Familienbuchs von b.       h.      X.          und l.         v.      I.    geheiratet am 20.02.1960 in e.          “ beantragen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 18. März 2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine Eheschließung X.         / I.   trotz mehrfacher Suche im Standesamt E.          nicht habe ermittelt werden können und für diesen Aufwand eine Suchgebühr in Höhe von 17,- Euro anfalle.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 7. April 2016 erhob die Beklagte die vorgenannte Suchgebühr in Höhe von 17,- Euro. Diesem Bescheid war keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Nachdem der Kläger gegen diesen Bescheid Einwendungen erhoben hatte, setzte die Beklagte die Suchgebühr (nochmals) mit Bescheid vom 20. Juni 2016 unter Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung fest. Zur Begründung heißt es, weder unter den genannten Namen noch unter dem genannten Datum habe eine Eheschließung ermittelt werden können. 1960 habe es 9 Standesämter in E.          gegeben. In keinem davon sei am 20. Februar 1960 eine Ehe geschlossen worden. Es existiere auch kein Familienbuch mit dem Kennzeichen X.         /I.   oder I.   /X.         . Möglicherweise hätten die Betroffenen in einer anderen Stadt oder in einem Konsulat geheiratet oder das angegebene Heiratsdatum sei falsch. Der Gebührentatbestand ergebe sich aus dem Gebührengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (GebG NRW) in Verbindung mit der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung (AVwGebO NRW) sowie Tarifstelle 5b.4.9 des Allgemeinen Gebührentarifs (AGT; Anlage zur AVwGebO NRW). Da nur ein Jahrgang durchsucht worden sei, sei lediglich die Mindestgebühr in Höhe von 17,- Euro erhoben worden.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Gegen den Bescheid der Beklagten vom 7. April 2016 in der Gestalt des Bescheides vom 20. Juni 2016 hat der Kläger am 11. Juli 2016 Klage erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung seiner Klage verweist er auf das Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin vom 2. Oktober 2000 – 1 A 83.99 – und das nachgehende Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin vom 29. August 2003 – 2 B 4.01 –. Diese zu § 68 Abs. 1 Nr. 15 der Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes (PStV) alter Fassung (a.F.) ergangenen Entscheidungen seien auch auf das nordrhein-westfälische Landesrecht zu übertragen. Er habe zur Eheschließung genaue Angaben gemacht. Wenn mit diesen Angaben kein Eintrag zu ermitteln sei, sei ihm dies mitzuteilen. Er habe nie beantragt, weitere Suchvorgänge durchzuführen. Der Gebührentatbestand der Tarifstelle 5b.4.9 AGT setze einen Aufwand voraus, der durch das Fehlen von Angaben erforderlich werde, z.B. wenn das genaue Datum nicht angegeben werden könne, aber ein Zeitraum („von … bis…“), so dass in diesem Zeitraum gesucht werden muss. Ein solcher zusätzlicher Aufwand sei hier bei ordnungsgemäßer Behandlung der Anfrage nicht gegeben. Im Übrigen müsse für die Beantwortung jeder Anfrage im Personenstandswesen der betreffende Eintrag zunächst gesucht werden. Die Argumentation der Beklagten würde bedeuten, dass bei jeder Anfrage eine Suchgebühr berechnet werden müsste.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt sinngemäß,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"><strong>den Gebührenbescheid des Standesamtes der Beklagten vom 7. April 2016 in der Gestalt des Bescheides vom 20. Juni 2016 aufzuheben.</strong></p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><strong>die Klage abzuweisen.</strong></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Sie macht geltend: Von 1958 bis 2008 seien nach damaligem Recht für Eheschließungen in E.          Familienbücher geführt worden. Sie habe in der Familienbuchkartei weder zu X.         /I.   noch zu I.   /X.         ein Familienbuch gefunden. Sie habe auch in ihrer Abgabekartei keinen Eintrag darüber gefunden, dass das Familienbuch an ein anderes Standesamt abgegeben worden sei. Auch in den Namensverzeichnissen der damaligen 9 Standesämter habe sie erfolglos nach den genannten Familiennamen und dem Datum der Eheschließung gesucht. Hierbei habe sie auch alternative Namensschreibweisen wie z.B. „X1.           “ geprüft. Zuletzt habe sie durch eine Suche im Heiratsregister festgestellt, dass am genannten Datum in keinem der damaligen 9 Standesämter eine Eheschließung stattgefunden habe. Der Gebührenbescheid sei rechtmäßig. Zwar seien Angaben gemacht worden. Es sei aber auszuschließen, dass diese richtig seien, da sonst die Eheschließung zu ermitteln gewesen wäre. Wenn bereits fehlende Angaben den Gebührentatbestand der Tarifstelle 5b.4.9 AGT auslösen würden, müssten erst recht gänzlich falsche Angaben zu einer Gebühr führen. Dieses Ergebnis werde durch einen Umkehrschluss zu § 15 GebG NRW gestützt, denn hier habe eine Amtshandlung bereits begonnen und nur durch die Suche nach dem Familienbuch habe das Standesamt feststellen können, dass es für die Anfrage nicht zuständig sei. Die vom Kläger in Bezug genommenen Urteile seien auf den hiesigen Fall nicht übertragbar, da anders als hier die einzige fehlende Angabe die Nennung des damaligen Standesamtes gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Mit Schriftsätzen vom 12. und 18. September 2018 haben die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"><strong>Entscheidungsgründe:</strong></p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Klage hat Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Sie ist zulässig. Insbesondere ist sie am 11. Juli 2016 fristgemäß erhoben worden. Der Bescheid des Standesamts der Beklagten vom 7. April 2016 konnte nicht die Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO in Lauf setzen, sondern nur die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO, denn diesem Bescheid war keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt. Nach Bekanntgabe des mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheides vom 20. Juni 2016 ist die Klage binnen Monatsfrist erhoben worden.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist begründet. Der Gebührenbescheid des Standesamts der Beklagten vom 7. April 2016 in der Gestalt des Bescheides vom 20. Juni 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Als Rechtsgrundlage dieses Bescheides kommen nur §§ 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GebG NRW i.V.m. § 1 AVwGebO NRW sowie die – seit Beendigung der Amtshandlung (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 GebG NRW) im März 2016 nicht geänderte – Tarifstelle 5b.4.9 AGT in Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Tarifstelle 5b.4.9 AGT sind nicht erfüllt. Nach dieser Tarifstelle wird für das Suchen eines Eintrags oder Vorgangs, wenn hierfür zum Aufsuchen notwendige Angaben nicht gemacht werden können, je nach Aufwand eine Gebühr in Höhe von 17 bis 66 Euro erhoben. Ein Aufsuchen im Sinne dieser Tarifstelle, für das notwendige Angaben nicht gemacht werden können (bzw. konnten), ist nicht gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Dieses Tatbestandsmerkmal ist zunächst nicht unter dem Gesichtspunkt erfüllt, dass der Kläger das genaue Standesamt im Gebiet der Stadt E.          , vor dem im Jahr 1960 die betreffende Ehe geschlossen worden sein soll, nicht angegeben hat. Denn die Beklagte hat selbst vorgetragen, dass die Angabe des damaligen Standesamts für die Ermittlung des Familienbuchs nicht erforderlich gewesen sei (erster Absatz auf der zweiten Seite der Klageerwiderung vom 11. August 2016). Abgesehen davon folgt das Gericht der Rechtsprechung des</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">VG Berlin, Urteil vom 2. Oktober 2000 – 1 A 83.99 –, juris (Leitsätze), und des OVG Berlin, Urteil vom 29. August 2003 – 2 B 4.01 –, juris,</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">wonach die Benennung eines in dem jetzigen Standesamtsbezirk aufgegangenen früheren Standesamtsbezirks, in dessen räumlichen Zuständigkeitsbereich seinerzeit der Urkundeneintrag vorgenommen worden ist, nicht gefordert werden kann. Dass diese Rechtsprechung zu § 68 Abs. 1 Nr. 15 PStV a.F. ergangen ist, dessen Wortlaut zudem in gewissen Umfang von der Tarifstelle 5b.4.9 AGT abweicht, führt zu keiner anderen Einschätzung. Denn die für die vorgenannte Auslegung angeführten – überzeugenden – Argumente knüpfen nicht lediglich an den Wortlaut des § 68 Abs. 1 Nr. 15 PStV a.F.an. Dies gilt z.B. für das Argument, dass nur die vorgenannte Auslegung hinreichend die gebotene Unterscheidung zwischen dem Bereich der dem Staat übertragenen Organisationsgewalt auf der einen Seite und den dem auskunftssuchenden Bürger zugänglichen Erkenntnismöglichkeiten und zumutbaren Nachforschungsbemühungen auf der anderen Seite berücksichtige. Dem schließt sich auch das erkennende Gericht an.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Vgl. zum Vorstehenden insb. OVG Berlin, Urteil vom 29. August 2003 – 2 B 4.01 –, juris Rn. 14.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Ein Aufsuchen im Sinne der Tarifstelle 5b.4.9 AGT, für das notwendige Angaben nicht gemacht werden können, kann auch nicht deshalb bejaht werden, weil der Kläger zwar hinsichtlich Datum und Art (Eheschließung) des Personenstandsfalls, Name der beteiligten Personen und (heutigem) Standesamtsbezirk zwar präzise und vollständige, aber offenbar unzutreffende Angaben gemacht hat, die nicht zum Auffinden eines entsprechenden Eintrags geführt haben. Soweit die Beklagte die Tarifstelle 5b.4.9 AGT dahin auslegt, dass sie nicht nur bei gänzlich fehlenden (oder ggf. ungenauen,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">vgl. dazu auch VG Berlin, Urteil vom 2. Oktober 2000 – 1 A 83.99 –, Seite 7 des Urteilsabdrucks),</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">sondern erst recht auch bei falschen Angaben anwendbar sein müsse, folgt das Gericht ihr nicht.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Es ist bereits fraglich, ob der Wortlaut der Tarifstelle 5b.4.9 AGT Raum für eine solche Auslegung lässt. Diese Frage muss jedoch nicht abschließend beantwortet werden, denn gegen die von der Beklagten bevorzugte Auslegung, wonach der Tatbestand der Tarifstelle 5b.4.9 AGT auch bei vollständigen und präzisen, wenngleich falschen Angaben erfüllt sein kann, sprechen entscheidend jedenfalls gesetzessystematische Gründe und der Wille des Verordnungsgebers. Dies ergibt sich aus Folgendem: Für die Beantwortung jeder Anfrage im Personenstandswesen ist, worauf der Kläger zu Recht hinweist, ein gewisser Suchaufwand erforderlich. Der Wortlaut der Tarifstelle 5b.4.9 AGT lässt ohne Weiteres zu, von einem „Suchen eines Eintrags oder Vorgangs“ z.B. dann auszugehen, wenn sich ein Bürger mit der Bitte um Auskunft aus dem – spätestens seit dem 31. Dezember 2013 elektronisch zu führenden, §§ 3 Abs. 2 Satz 1, 75 Satz 1 PStG – Personenstandsregister an das Standesamt wendet (vgl. Tarifstelle 5b.4.7 AGT). Eine Auslegung der Tarifstelle 5b.4.9 AGT, wonach nicht nur fehlende (oder ggf. ungenaue), sondern auch falsche Angaben eine Gebührenpflicht begründen, würde zu einer Suchgebühr in Höhe von mindestens 17,- Euro auch dann führen, wenn sich der Suchaufwand des Standesamtes auf das bloße Eingeben vollständiger und präziser – wenngleich falscher – Daten in eine elektronische Suchmaske beschränkt. Trotz ihrer Dauer von nur wenigen Augenblicken hätte eine solche Suche eine höhere Gebühr (mindestens 17,- Euro) zur Folge als die aufgrund einer erfolgreichen Suche erteilte Registerauskunft (6,- Euro, Tarifstelle 5b.4.7 AGT) oder Erteilung einer Personenstandsurkunde (10,- Euro, Tarifstelle 6b.4.5 AGT). Ein solches Ergebnis kann nach dem Dafürhalten des Gerichts nicht dem Willen des Verordnungsgebers entsprechen. Dies wird z.B. auch durch § 15 Abs. 2 Halbs. 1 GebG NRW gestützt, wonach sich eine vorgesehene Gebühr unter anderem dann um ein Viertel reduziert, wenn ein Antrag aus anderen Gründen als wegen Unzuständigkeit abgelehnt wird. Zwar entsteht auch in diesen Fällen ein Verwaltungsaufwand, der durchaus mit demjenigen bei stattgebenden Entscheidungen vergleichbar sein kann, doch ist die Bedeutung, der wirtschaftliche Wert oder der sonstige Nutzen der Amtshandlung für den Antragsteller (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GebG NRW) – wenn überhaupt gegeben – erheblich geringer als bei positiven Entscheidungen und deshalb sogar nur eine niedrigere Gebühr als bei letzteren zu erheben.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Vgl. Weißauer/Lenders, GebG NRW, § 15, S. 126 (Stand: Mai 2011).</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Möglichkeit, dass eines der vorstehend beschriebenen Ergebnisse eintritt, lässt sich auch nicht durch eine teleologische Reduktion der Tarifstelle 5b.4.9 AGT ausschließen, etwa in dem Sinne, dass nicht jeder – ggf. auch nur elektronische – Suchvorgang, sondern nur ein solcher mit einem gewissen Aufwand eine Suchgebühr rechtfertigt. Denn der Verordnungsgeber hat sich bewusst gegen die Regelung eines entsprechenden, einschränkenden Tatbestandsmerkmals entschieden. Die Erhebung einer Suchgebühr war ursprünglich in § 68 Abs. 1 Nr. 14 der Personenstandsverordnung vom 25. Februar 1977 (BGBl. I, S. 377) geregelt. Nach dieser Bestimmung war eine Gebühr in Höhe von 5,- DM zu erheben „für das Suchen eines Eintrags oder Vorgangs, wenn hierfür entweder Datum oder Standesamtsbezirk oder sonstige zum Aufsuchen notwendige Angaben nicht gemacht werden können und damit ein besonderer Arbeitsaufwand verbunden ist.“ Durch Art. 1 Nr. 29 Buchstaben a) ee) und gg) der 15. Verordnung zur Änderung Personenstandsverordnung vom 25. Mai 1998 (BGBl. I, S. 1138) wurde die Suchgebühr in § 68 Abs. 1 Nr. 15 der Personenstandsverordnung geregelt und die Wendung „und damit ein besonderer Arbeitsaufwand verbunden ist 30,--“ durch „je nach Aufwand 30,-- bis 100,--“ ersetzt. Der Verordnungsgeber hatte damit entschieden, dass ein besonderer Arbeitsaufwand kein Tatbestandsmerkmal mehr ist, sondern der für die Bearbeitung eines Antrags erforderliche Aufwand erst auf der Rechtsfolgenseite für die Festsetzung innerhalb des vorgegebenen Gebührenrahmens Bedeutung hat.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Vgl. auch OVG Berlin, Urteil vom 29. August 2003 – 2 B 4.01 –, juris Rn. 13.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">An dieser Systematik des § 68 Abs. 1 Nr. 15 PStV a.F. hat sich bis zum 1. Januar 2009, als die Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes vom 22. November 2008 (BGBl. I, S. 2263) in Kraft trat (§ 75 Nr. 1), die keine Gebührenregelungen mehr enthielt, nichts geändert. Diese Systematik hat der nordrhein-westfälische Verordnungsgeber, als er die Tarifstelle 5.b.4.9 AGT mit der 12. Verordnung zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung vom 18. November 2008 (GVBl., S. 690) eingeführt hat, in das Landesrecht übernommen und sich damit der bewussten Entscheidung, den Aufwand des Standesamtes nicht auf der Tatbestands-, sondern erst auf der Rechtsfolgenseite des Suchgebührentatbestandes zu berücksichtigen, angeschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Das Vorbringen der Beklagten, ein Umkehrschluss zu § 15 GebG NRW stütze die von ihr bevorzugte Auslegung der Tarifstelle 5.b.4.9 AGT, bleibt ohne Erfolg. Zunächst gibt die Beklagte § 15 GebG NRW ungenau wieder, wenn sie vorträgt: „Danach fällt keine Gebühr an, wenn noch keine Amtshandlung begonnen wurde und wegen Unzuständigkeit verwiesen wird“ (Bl. 27 der Gerichtsakte). § 15 GebG NRW hat jedoch, soweit die Beklagte auf ihn abzielt, folgenden Wortlaut: „Wird ein Antrag ausschließlich wegen Unzuständigkeit der Behörde abgelehnt, so werden weder Gebühren noch Auslagen erhoben. Dasselbe gilt bei Rücknahme eines Antrages, wenn mit der sachlichen Bearbeitung noch nicht begonnen ist. Wird ein Antrag auf Vornahme einer Amtshandlung zurückgenommen, nachdem mit der sachlichen Bearbeitung begonnen, die Amtshandlung aber noch nicht beendet ist, oder wird ein Antrag aus anderen Gründen als wegen Unzuständigkeit abgelehnt …, so ermäßigt sich die vorgesehene Gebühr um ein Viertel“, § 15 Abs. 1, Abs. 2 Halbs. 1 GebG NRW. Soweit die Beklagte die Entstehung einer Suchgebühr damit zu begründen versucht, dass eine Amtshandlung hier schon begonnen habe, folgt das Gericht ihr nicht. Der vorgenannte Wortlaut des § 15 Abs. 1 und 2 GebG NRW gibt für einen entsprechenden Umkehrschluss nichts her. Die Absätze 1 und 2 des § 15 GebG NRW enthalten Regelungen für bestimmte Fälle dem Grunde nach bestehender Gebührenschulden.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Vgl. Weißauer/Lenders, GebG NRW, § 15, S. 126 (Stand: Juni 2010) und § 15 Abs. 2 Halbs. 1 GebG NRW („vorgesehene Gebühr“).</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Ergibt aber – wie hier – eine Auslegung des in Betracht kommenden Gebührentatbestandes, dass für die betreffende Amtshandlung eine Gebührenschuld von vornherein nicht entstanden ist, vermag auch § 15 GebG NRW daran nichts zu ändern.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Das Vorbringen der Beklagten, nur durch die Suche nach dem Familienbuch habe das Standesamt feststellen können, dass es für die Anfrage nicht zuständig sei, führt nicht zur Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Würde sie die Entscheidung des Standesamtes so verstehen, dass die Anfrage des Klägers mangels Zuständigkeit abgelehnt worden sei, so hätte § 15 Abs. 1 Satz 1 GebG NRW einer Gebührenerhebung entgegengestanden.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Ohne Erfolg wendet die Beklagte schließlich ein, die vom Kläger in Bezug genommenen Urteile seien auf den hiesigen Fall nicht übertragbar. Denn für die vorstehende Auslegung der Tarifstelle 5b.4.9 AGT im Hinblick auf die Rechtsfolgen falscher Angaben war diese Rechtsprechung von allenfalls untergeordneter Bedeutung. Darüber hinaus trifft es nicht zu, wenn die Beklagte vorträgt, im betreffenden Fall habe einzig die Angabe des früheren Standesamtsbezirks gefehlt und dem Standesamt sei es möglich gewesen, mit den vorhandenen Informationen den entsprechenden Eintrag zu finden. Das Standesamt Reinickendorf konnte den Eintrag, mit dessen Suche es die Festsetzung einer Suchgebühr begründet hatte, nicht finden.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung:</strong></p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist nur zuzulassen,</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">1.              wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">2.              wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">3.              wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">4.              wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">5.              wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –).</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks"><strong>Beschluss:</strong></p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks"><strong>Der Streitwert wird auf 17,-              Euro festgesetzt.</strong></p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks"><strong>Gründe:</strong></p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 3 GKG erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung:</strong></p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.</p>
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<dd><p>1. Der Antrag wird abgelehnt.</p></dd>
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<dd><p>2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.</p></dd>
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<dd><p>3. Der Streitwert wird auf 3.750.-€ festgesetzt.</p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Das nach § 123 Abs. 1 VwGO zu beurteilende Ersuchen der Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr eine Duldung zur Aufnahme eines Ausbildungsverhältnisses ab 1. April 2019 zu erteilen, mit welchem die Antragstellerin das Berufsziel der Altenpflegerin anstrebt, bleibt ohne Erfolg.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Die Antragstellerin, die nach der Ablehnung ihres Asylantrags als offensichtlich unbegründet auf der Grundlage des Bundesamtsbescheids vom [...] seit dem 9. Januar 2018 vollziehbar ausreisepflichtig ist, hat nicht der ihr obliegenden Last genügt, nach § 123 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO darzutun und glaubhaft zu machen, dass ihr ein sicherungsfähiger Anspruch auf Erteilung der beantragten Ausbildungsduldung oder einer Duldung aus anderen Gründen zusteht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG ist eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach § 60a Abs. 6 AufenthG nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen. Sinn und Zweck des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG ist es, ausreisepflichtige Ausländer bis zum Abschluss der Berufsausbildung zu dulden, wenn sie sich in einem qualifizierten Berufsausbildungsverhältnis befinden, oder sie eine entsprechende Ausbildung in Kürze beginnen werden, weil sie bereits einen Ausbildungsvertrag rechtswirksam abgeschlossen haben, der in das Verzeichnis der anerkannten Ausbildungsberufe eingetragen oder – bei fehlendem Eintragungserfordernis – sonst als qualifizierte Berufsausbildung anzuerkennen ist. Eine qualifizierte Berufsausbildung im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG liegt nach der entsprechend heranzuziehenden Legaldefinition des § 6 Abs.1 Satz 2 der Beschäftigungsverordnung – BeschV – vor, wenn die Ausbildungsdauer mindestens zwei Jahre beträgt (vgl. z.B. VGH BW, Beschluss vom 20. Dezember 2016 – 11 S 2516/16 –, juris). Die Ausbildung muss zudem darauf ausgerichtet sein, in einem geordneten Ausbildungsgang die für eine qualifizierte berufliche Tätigkeit notwendigen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) sowie die erforderlichen Berufserfahrungen zu vermitteln (vgl. OVG RP, Beschluss vom 31. Juli 2017 – 7 B 11276/17.OVG –, juris, Rnr. 8). Die Regelung des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG hat dabei die anerkannten Aus- und Fortbildungsabschlüsse nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) und der Handwerksordnung (HwO) sowie vergleichbare bundes- oder landesrechtlich geregelte Berufsabschlüsse mit entsprechenden Qualifikationen zum Ziel (vgl. OVG RP, Beschluss vom 12. Juli 2018 – 7 B 10610/18.OVG – in: ESOVGRP Rnr. 16).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Die Antragstellerin strebt die berufliche Qualifikation zur Altenpflegerin an. Die Ausbildung zur Altenpflegekraft ist eine dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) und der Handwerksordnung (HwO) vergleichbar geregelte qualifizierte Berufsausbildung, wenn sie den Vorgaben des Abschnitts 2 des Gesetzes über die Berufe in der Altenpflege – Altenpflegegesetz (– AltPflG – BGBl. I 2003, 1690 ff.) und den hierzu ergangenen landesrechtlichen Bestimmungen entspricht (vgl. insb. §§ 3-9 AltPflG). Für eine qualifizierte Berufsausbildung zur Altenpflegekraft ist danach eine mindestens dreijährige Ausbildung erforderlich (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AltPflG), die aus einem theoretischen und einem praktischen Teil besteht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 AltPflG). Die praktische Ausbildung wird in anerkannten Ausbildungseinrichtungen vermittelt (§ 4 Abs. 3 AltPflG, § 2 der Landesverordnung zur Ausführung des Altenpflegegesetzes (GVBl. 2004, 401 ff. – AltPflGAV – vom 22. Juli 2004). Der Unterricht wird an Pflegeschulen erteilt (§ 4 Abs. 2 AltPflG i.V.m. § 1 der Landesverordnung zur Ausführung des Altenpflegegesetzes – AltPflGAV – (GVBl. 2004, 401)).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Hiervon ausgehend setzt der Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG wegen der beabsichtigten Berufsausbildung als Altenpflegekraft in Fällen, in welchen das Ausbildungsverhältnis noch nicht begonnen ist, voraus, dass der Ausbildungsbewerber vor der Veranlassung konkreter aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber der Ausländerbehörde nachweist, in einer zugelassenen Pflegeeinrichtung den praktischen Teil der Ausbildung in Kürze antreten zu können, und er zudem belegt, über die Zusage einer anerkannten Pflegeschule zu verfügen, an dem Unterricht zur Ausbildung als Altenpfleger oder Altenpflegerin teilnehmen zu können. Denn den Pflegeschulen kommt für die Vermittlung der Berufsqualifikation eine zentrale Bedeutung zu. Sie bedürfen der staatlichen Anerkennung (§ 5 Abs. 1 Satz 1 AltPflG) und haben die ordnungsgemäße Durchführung der Ausbildung zu gewährleisten (§ 5 Abs. 1 Satz 2 AltPflG). Sie tragen vorbehaltlich abdrängender Zuweisungen die Gesamtverantwortung für die Ausbildung zur qualifizierten Pflegekraft (§ 4 Abs. 4 Satz 1 AltPflG). Die Abschnitte des Unterrichts und der praktischen Ausbildung sind inhaltlich und organisatorisch aufeinander abzustimmen, wobei der praktische Anteil überwiegt. Die Altenpflegeschule unterstützt und fördert die praktische Ausbildung durch Praxisbegleitung. Die Praxisanleitung ist durch die Pflegeeinrichtungen sicherzustellen (§ 4 Absatz 3 AltPflG).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Die Antragstellerin hat nicht belegt und nicht glaubhaft gemacht, dass die von ihr angestrebte Ausbildung den Erfordernissen, die an die qualifizierte Berufsausbildung zur Pflegekraft zu stellen sind, entspricht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Mit der Vorlage des Ausbildungsvertrags vom [...], wonach sie ab dem 1. April 2019 bei der Fa. „...-GmbH“ die praktische Ausbildung zur Altenpflegerin aufnehmen will, hat die Antragstellerin allein glaubhaft gemacht, dass ihr die Möglichkeit offensteht, bei der genannten Pflegeinrichtung in eine praktische betriebliche Ausbildung mit dem Berufsziel der Altenpflegerin einzutreten. Hingegen fehlt es an der verbindlichen Zusage einer Aufnahme der Antragstellerin in eine Pflegeschule mit dem Ziel der dreijährigen Ausbildung zur Altenpflegerin (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AltPflG). Denn die Altenpflegeschule „...“ hat in einer E-Mail vom [...] gegenüber der Ausländerbehörde klargestellt, der Antragstellerin im Rahmen eines Programms zur Ausbildung von Menschen mit Migrationshintergrund vorbehaltlich des noch ausstehenden Nachweises ausreichender Sprachkenntnisse (A2) einen Schulplatz ab dem 1. April 2019 (zunächst nur) für eine 2-jährige Ausbildung zur Altenpflegehelferin zugesagt zu haben (Blatt 351 der Behördenakte). Dies ist in Zusammenhang mit der Regelung in § 2 des Ausbildungsvertrags vom [...] zu sehen, wonach ein vertraglicher Anspruch auf Fortsetzung der vierjährigen Gesamtausbildung zur Altenpflegekraft nur besteht, wenn die „Abschlussprüfung“ nach zwei Jahren mit einem Notendurchschnitt von mindestens 2,5 bestanden wird (Bl. 55 ff, <span style="text-decoration:underline">56</span> der Gerichtsakte 2 L 1449/18.NW). Mithin ist Gegenstand des Ausbildungsvertrags zunächst der Erwerb einer zweijährigen beruflichen Vorqualifikation der Antragstellerin als Altenpflegehelferin, die mit einer Abschlussprüfung endet, und die erst hiernach in eine (gegebenenfalls nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 AltPflG auf zwei weitere Jahre verkürzte) berufsqualifizierende Ausbildung zur Altenpflegerin münden kann. Für die Ausbildung der Antragstellerin zur Altenpflegehelferin ist ihr aber eine Ausbildungsduldung nicht zu erteilen. Denn die Ausbildung zur Altenpflegehelferin ist keine qualifizierte Berufsausbildung im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 2 BeschV, weil die Ausbildung gemäß § 3 Abs. 2 der Fachschulverordnung – Altenpflegehilfe vom 31. August 2004 (GVBl. 2004, 41 ff. – AltenPflV –) in der Regel auf ein Jahr beschränkt ist. Die Tätigkeit als Altenpflegehelfer oder -helferin stellt einen selbständigen, in der der Fachschulverordnung – Altenpflegehilfe geregelten Beruf dar. Sie kann nicht nur als bloße Einstiegsqualifizierung für das Berufsziel der Altenpflegekraft begriffen werden. Für sie kann im Rahmen der auf das konkrete Berufsbild bezogenen Betrachtungsweise des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG eine Ausbildungsduldung oder eine Beschäftigungserlaubnis § 6 Abs. 1 Satz 2 BeschV auch dann nicht erteilt werden, wenn im Rahmen des hier vertraglich vereinbarten Blockmodells eine längere (hier: zweijährige) Ausbildungsdauer vereinbart ist mit der Folge, dass sich die Ausbildungszeit einer anschließenden berufsqualifizierenden Ausbildung zur Pflegekraft hierdurch möglicherweise verkürzt (so VGH BW, Beschluss vom 20. Dezember 2016 – 11 S 2516/16 –, juris; s. für Rheinland-Pfalz siehe auch das Schreiben der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier vom 24. September 2018 – Az. 1932/WO/1/18(24) – an die Ausländerbehörden).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Die weitere Frage, ob der Antragstellerin gemäß § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG eine Duldung für die Ausbildung zur Altenpflegehelferin nach Ermessen erteilt werden könnte, stellt sich hier nicht. Es fehlt bereits an dem Nachweis entsprechender Sprachkenntnisse des Niveaus A2, die die Pflegeschule selbst für eine Aufnahme der Antragstellerin zur Altenpflegehelferin notwendig – und der beruflichen Tätigkeit entsprechend in nachvollziehbarere Weise – voraussetzt. Zudem käme die Erteilung einer Ermessensduldung für eine Helferausbildung als Einstiegsqualifizierung nur in Betracht, wenn sich sicher absehen ließe, dass im Anschluss an die Helferausbildung eine qualifizierte Berufsausbildung der Antragstellerin zur Altenpflegerin erfolgt. Dies ist hier nicht der Fall. Denn der Vertrag vom 31. Oktober 2018 macht die weitere Ausbildung der Antragstellerin von dem Erreichen eines bestimmten Notendurchschnitts bei der Abschlussprüfung zur Altenpflegehelferin abhängig. Dabei ist es völlig ungewiss ist, ob die Antragstellerin dieses Ausbildungsziel erreichen wird.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Weitere Duldungsgründe sind nicht geltend gemacht und auch sonst nicht ersichtlich.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Soweit die Antragstellerin in dem (hier hinzuverbundenen) Verfahren 2 L 1430/18.NW am 30. Oktober 2018 beantragt hat, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Versagung der Ausbildungsduldung anzuordnen, hat sich dieses Verfahren mit dem Ergehen des Beschlusses im Verfahren 2 L 1449/18.NW erledigt. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass die dem Bescheid vom 23. Oktober 2018 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung unzutreffend war, weil gegen die Versagung der Duldung ein Widerspruch nicht statthaft ist, nachdem die Duldung eine Aussetzung der Abschiebung zum Gegenstand hat (§ 83 Abs.1 AufenthG).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5., Nr. 8.1. des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (LKRZ 2014, 169 ff.) auf 3.750,00 € festgesetzt (vgl. OVG RP, Beschluss vom 16. Juni 2017 – 7 B 10927/17.OVG –).</p></dd>
</dl>
</div></div>
</div>
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<a name="focuspoint"><!--BeginnDoc--></a><div id="bsentscheidung"><div>
<h4 class="doc">Tenor</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller im Zeitraum vom 17. August 2018 bis zum 12. September 2018 den Zugang zu einem Lese- und Schreibcomputer nur in der Zeit von montags bis donnerstags von 16:30 bis 19:30 Uhr sowie freitags und an Wochenenden von 8:00 bis 11:00 Uhr zu gewähren, rechtswidrig war.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Entscheidung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller ab dem 12. September 2018 den Zugang zu dem Lese- und Schreibraum täglich in der Zeit von 12:00 bis 18:00 Uhr zu gewähren, wird aufgehoben und die Sache an die Antragsgegnerin nach Maßgabe der nachfolgenden Gründe zurückgegeben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Kosten des Verfahrens sowie dem Antragsteller hieraus erwachsene notwendige Auslagen fallen der Landeskasse zur Last.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Streitwert wird auf bis zu 500 € festgesetzt.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<h4 class="doc">Gründe</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>I.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Der Antragsteller verbüßt derzeit wegen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe und befindet sich seit dem 17. August 2018 in der Sozialtherapeutischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt ... . Zuvor befand sich der Antragsteller in der Justizvollzugsanstalt ... . Dort - sowie in vorherigen Anstalten auch - war ihm infolge seiner erheblichen Einschränkung der Sehfähigkeit - dem Antragsteller wurde insoweit eine Schwerbehinderung von 100 % zuerkannt - während der Zeiten des Aufschlusses mit Ausnahme einer einstündigen Mittagspause grundsätzlich unbeschränkt der Zugang zu einem in einem gesonderten Haftraum befindlichen Lese- und Schreibcomputer gewährt, ohne welchen der Antragsteller nicht in der Lage ist, zu lesen oder Schriftstücke zu fertigen. Der Antragsteller nutzte diesen für eine ausgesprochen umfangreiche Korrespondenz sowie zum Fertigen zahlreicher Anträge auf gerichtliche Entscheidung sowie sonstiger Eingaben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Nach Verlegung in die Justizvollzugsanstalt ... wurde ihm dort der Zugang zu dem ebenfalls in einem gesonderten Haftraum befindlichen Lese- und Schreibcomputer zunächst ohne nähere Begründung in der Zeit von montags bis donnerstags von 16:30 bis 19:30 Uhr sowie freitags und an Wochenenden von 8:00 bis 11:00 Uhr gewährt. Auf seinen hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 21. August 2018 mit dem Ziel einer wie bislang während der Aufschlusszeiten uneingeschränkten Nutzung hat die Antragsgegnerin ab dem 12. September 2018 den Zugang zu dem Lese- und Schreibraum täglich in der Zeit von 12:00 bis 18:00 Uhr gewährt und erklärt, sie betrachte den Rechtsstreit hiernach für erledigt; gegen eine Kostenteilung würden keine Bedenken erhoben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>In der Sache selbst hat die Antragsgegnerin ausgeführt, das Nutzen des Lese- und Schreibcomputers in dem dem Antragsteller bislang gewährten Umfang stehe dem therapeutischen Konzept der integrativen Sozialtherapie in der sozialtherapeutischen Anstalt entgegen, in dessen Rahmen der Antragsteller, bei dem eine dissoziale und narzisstische Persönlichkeitsstörung sowie Merkmale einer Psychopathie festgestellt worden seien, sich neben Gruppen- und Einzelgesprächssitzungen im täglichen Kontakt mit anderen Therapieteilnehmern und dem Stationsdienst mit seiner Person auseinandersetzen müsse, um überhaupt erst einen Zugang zu seinen Persönlichkeitsstörungen erreichen zu können. Die vollständige Ablenkung des Antragstellers durch seine private Korrespondenz mit Zugangszeiten von 60 Stunden zum Lese- und Schreibraum lasse für die therapeutische Intervention und Auseinandersetzung mit seinen Persönlichkeitsstörungen keinen ausreichenden Raum mehr.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Der Antragsteller ist dem entgegengetreten und hat zunächst der Annahme einer Erledigung widersprochen; eine solche sei nicht eingetreten, er halte an seinen Anträgen fest. Er sei infolge seiner Sehbehinderung auf das Nutzen des Lese- und Schreibcomputers zwingend angewiesen und eine zeitliche Beschränkung verletze ihn in seinen Rechten aus Art. 3, 5, 19 und 20 GG; schließlich dürfe er infolge seiner Sehbehinderung anderen Strafgefangenen gegenüber nicht benachteiligt werden. Dies gelte umso mehr, als er - anders als andere Strafgefangene - außerhalb der Aufschlusszeiten nicht lesen und schreiben könne.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Hannover hat mit Beschluss vom 23. Oktober 2018 den Antrag auf gerichtliche Entscheidung, soweit er sich nicht erledigt habe, als unbegründet zurückgewiesen und hat die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller und der Antragsgegnerin jeweils zur Hälfte auferlegt; seine notwendigen Auslagen habe der Antragsteller selbst zu tragen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Für den Zeitraum bis zum 12. September 2018 sei durch die seither getroffene Vereinbarung Teilerledigung eingetreten. Unter Zugrundelegung des Meistbegünstigungsgrundsatzes sei das Schreiben des Antragstellers vom 27. September 2018 als Teilerledigung auszulegen, da für einen Feststellungsanspruch nach § 115 Abs. 3 StVollzG ein berechtigtes Feststellungsinteresse nicht bestehe. Insoweit hat die Kammer die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin auferlegt, weil der Antrag auf gerichtliche Entscheidung unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstand ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich zum Erfolg geführt hätte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Im Hinblick auf die seit dem 12. September 2018 geltende Regelung sei die weiterhin angefochtene Entscheidung der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Nutzungszeiten am Computer über ein tägliches Zeitfenster von 12:00 bis 18:00 Uhr hinaus; dem stünden als Belange des Vollzugs im Sinne von § 57 Abs. 2 Satz 2 NJVollzG das von der Antragsgegnerin dargelegte therapeutische Konzept und hiermit die Erreichung des Vollzugsziels im Sinne von § 67 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 NJVollzG entgegen. Bereits im eigenen Interesse solle der Antragsteller bestrebt sein, das Vollzugsziel zu erreichen, was bei einer Nutzung des Computers über täglich 6 Stunden hinaus gefährdet sei. Die dem Antragsteller nunmehr gewährten Nutzungszeiten trügen seinem grundrechtlich verbürgten Anspruch, sich zu informieren und journalistisch tätig zu werden, mit Dritten zu korrespondieren sowie effektiven Rechtsschutz geltend zu machen auch mit Blick auf seine Sehbehinderung hinreichend Rechnung.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Gegen diese Entscheidung wendet der Antragsteller sich mit seiner Rechtsbeschwerde mit der Rüge der Verletzung sachlichen und formellen Rechts. Die Antragsgegnerin verkenne die Bedeutung seiner Grundrechte. Der Antragsteller sei blind und könne ohne einen entsprechenden Rechner weder schreiben noch lesen, ein entsprechendes Hilfsmittel zum Ausgleich seiner Behinderung könne ihm nicht vorenthalten werden. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene zeitliche Beschränkung des Zugangs sei nicht hinnehmbar, zumal er in Zeiten des Einschlusses auf das Gerät nicht zugreifen könne. Vor der Verlegung in die Justizvollzugsanstalt ... sei ihm der Zugang zu dem Rechner zu den Aufschlusszeiten grundsätzlich unbeschränkt möglich gewesen. Schließlich habe die Kammer einen Feststellungsanspruch nach § 115 Abs. 3 StVollzG und hiermit ein Rechtsschutzbedürfnis für ein berechtigtes Feststellungsinteresse zu Unrecht verneint, schließlich gehe es offensichtlich um die Einschränkung von Grundrechten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Der Zentrale juristische Dienst für den niedersächsischen Justizvollzug wurde beteiligt; er hat beantragt, die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe von § 116 Abs. 1 StVollzG als unzulässig zu verwerfen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>II.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Die Rechtsbeschwerde ist nach Maßgabe von § 116 Abs. 1 StVollzG zulässig, denn es ist geboten, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung sowohl zur Fortbildung des Rechts als auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>III.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Der Rechtsbeschwerde konnte auch ein Erfolg in der Sache nicht versagt bleiben. Die angefochtene Entscheidung ist nicht frei von Rechtsfehlern.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>1. Soweit die Strafvollstreckungskammer im Hinblick auf die seit dem 12. September 2018 geltende Nutzungsregelung eine Teilerledigung des Rechtsstreits angenommen und nur noch über die Kosten des Verfahrens entschieden hat, hält dies rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar hat die Kammer grundsätzlich zutreffend die Regelung des § 115 Abs. 3 StVollzG herangezogen. Hiernach hat der Antragsteller bei Erledigung nach Stellen des Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrags bei Vorliegen eines Feststellungsinteresses die Wahl, ob er ein Fortsetzungsfeststellungsantrag stellt oder - nach entsprechendem Hinweis - den Rechtsstreit für erledigt erklärt und nur noch einen Kostenantrag nach § 121 Abs. 2 Satz 2 StVollzG stellt (vgl. zum Ganzen nur Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl., § 115 Rn. 10). Vorliegend hat der Antragsteller der Annahme einer Erledigung ausdrücklich widersprochen und erklärt, er verfolge seine Anträge weiter. Einen Kostenantrag im Sinne von § 121 Abs. 2 Satz 2 StVollzG hat der Antragsteller hiernach jedenfalls nicht gestellt. Nicht zu folgen war der Kammer nachfolgend, soweit sie ein berechtigtes Feststellungsinteresse des Antragstellers im Hinblick auf die für erledigt angesehene Maßnahme verneint hat. Vorliegend steht die Verletzung grundrechtlich geschützter Position des Antragstellers in Rede. Hierbei kann ein berechtigtes Interesse an Feststellung der Rechtswidrigkeit angefochtener Maßnahmen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts regelmäßig nicht verneint werden (BVerfG ZfStrVo 2002, 176; NStZ-RR 2004, 59). Es gilt vorliegend umso mehr, als die Strafvollstreckungskammer selbst letztlich davon ausgeht, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ohne Eintritt eines erledigenden Ereignisses erfolgreich gewesen wäre. Gerade unter Beachtung des Meistbegünstigungsprinzips war hiernach vielmehr die Annahme ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anzunehmen, welches der Antragsteller auch vor Erlass der angefochtenen Entscheidung zumindest konkludent bereits geltend gemacht hatte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Nach alledem konnte und hat der Senat im Verfahren der Rechtsbeschwerde selbst festzustellen, dass die bis zum 12. September 2018 geltende Nutzungsregelung rechtswidrig war und den Antragsteller in seinen Rechten verletzt hatte. Insoweit gelten die nachfolgenden Ausführungen erst recht:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>2. Auch in der Sache selbst hält die angefochtene Entscheidung der Strafvollstreckungskammer rechtlicher Überprüfung nicht stand.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>a) Die Strafvollstreckungskammer hat zunächst außer Acht gelassen, dass der Antragsgegnerin im Hinblick auf die Ausgestaltung des Zugangs des Antragstellers zum Lese- und Schreibcomputer nach Maßgabe von § 115 Abs. 5 StVollzG ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zusteht und das Gericht hiernach nur befugt ist zu prüfen, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Die gerichtliche Überprüfung erstreckt sich hiernach nur auf Ermessensfehler. Der Strafvollstreckungskammer steht hiernach lediglich ein eingeschränkter Überprüfungsmaßstab zur Verfügung im Hinblick auf das allein von der Antragsgegnerin auszuübende Ermessen. Eine eigene Sachentscheidung ist der Strafvollstreckungskammer in derartigen Fällen grundsätzlich versagt (vgl. zum Ganzen lediglich Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl., § 115 Rn. 15 f m.w.N.). Die vorliegende Entscheidung lässt nicht erkennen, dass die Strafvollstreckungskammer sich dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs bewusst war. Die Kammer hat vielmehr eine inhaltliche Prüfung der angefochtenen Entscheidung der Antragsgegnerin vorgenommen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>b) Auch die von der Antragsgegnerin seit dem 12. September 2018 angewandte Nutzungsregelung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Insoweit ist davon auszugehen, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin nicht frei von Rechts - und Ermessensfehlern ergangen ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>Dem Antragsteller stand vor seiner Verlegung in Justizvollzugsanstalt ..., zuletzt in Justizvollzugsanstalt ..., senatsbekannt und auch dem nicht widersprochenen Vorbringen des Antragstellers zufolge die Nutzung des Lese- und Schreibcomputers während der Zeiten des Aufschlusses grundsätzlich uneingeschränkt zur Verfügung. Bei dieser Nutzungsmöglichkeit handelt es sich um eine rechtmäßigende begünstigende Maßnahme, die nach Maßgabe von § 100 NJVollzG i.V.m. § 49 Abs. 2 VwVfG nur unter den dort benannten einschränkenden Voraussetzungen widerrufen werden kann. Dies gilt grundsätzlich auch im Falle einer Verlegung eines Strafgefangenen in eine andere Justizvollzugsanstalt, soweit dem nicht besondere Umstände innerhalb der neuen Anstalt entgegenstehen. Als derartige besondere Umstände kommen etwa ein anderer, strengerer Sicherheitsstandard in der neuen Anstalt oder die fehlende tatsächliche Möglichkeit, eine einmal gewährte Begünstigung weiterhin zu gewähren, in Betracht. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht ersichtlich. Zum einen handelt es sich bei Justizvollzugsanstalt ebenfalls senatsbekannt und dem Vollstreckungsplan zufolge um eine gegenüber der Justizvollzugsanstalt ... weniger sicherheitsrelevante Anstalt, und zum anderen ist weder vorgetragen noch aus dem gesamten, von der Strafvollstreckungskammer wirksam in Bezug genommenen Antragsvorbringen ersichtlich, dass dem Antragsteller aus rein organisatorischen Gründen der Zugang zu dem Lese- und Schreibcomputer in dem bislang bewilligten Umfang in der Justizvollzugsanstalt ... nicht bewilligt werden könnte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>Besondere Umstände in diesem Sinne können sich grundsätzlich ebenfalls ergeben, soweit einer (vorliegend fortgeltenden) Nutzungsmöglichkeit medizinisch erforderlicher Hilfsmittel im Sinne von § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 NJVollzG, worum es sich bei dem dem Antragsteller zur Verfügung gestellten Lese- und Schreibcomputer fraglos handelt, Belange des Vollzugs im Sinne von Satz 2 der genannten Vorschrift entgegenstehen. Auch solche sind vorliegend nicht ersichtlich.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>Als Belange des Vollzugs in diesem Sinn gelten neben den bereits benannten Sicherheitserwägungen etwa eine - im Hinblick auf die weitere Vollzugsdauer - lange Eingewöhnungsphase, eine grob fahrlässige oder vorsätzliche Zerstörung oder eine missbräuchliche Benutzung des Hilfsmittels (BeckOK Strafvollzug Bund/Knauss StVollzG § 59 Rn. 16 f; AK-Lesting/Stüber, StVollzG, 6. Aufl., § 59 Rn. 6; Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl., § 57 NJVollzG, Rn. 7). Auch hiervon ist vorliegend nicht auszugehen. Dies gilt auch im Hinblick auf eine etwaige Annahme einer missbräuchlichen Nutzung des Lese- und Schreibcomputers - jedenfalls soweit und solange der Antragsteller diesen nicht nachweislich zum Ausüben unzulässiger Rechtsberatung oder sonst dem Vollzug grundsätzlich widerstreitenden Arbeiten verwendet. Allein das Verfassen zahlreicher Eingaben und Anträge stellt noch keine in diesem Sinne unzulässige Nutzung eines erforderlichen medizinischen Hilfsmittels dar.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p>Soweit die Antragsgegnerin und ihr folgend die Strafvollstreckungskammer besondere Umstände im Sinne von § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 NJVollzG darin sehen, dass der Antragsteller sich nunmehr in einer sozialtherapeutischen Abteilung einer Justizvollzugsanstalt befindet und eine extensive Nutzung des Lese- und Schreibcomputers den verfolgten therapeutischen Zwecken entgegenstehe, kann auch hierauf eine Beschränkung der Zugangsmöglichkeiten zu dem aus allein medizinischen Gründen erforderlichen Hilfsmittel nicht gestützt werden. Das medizinische Hilfsmittel des Lese- und Schreibcomputers ist geeignet und notwendig, die grundsätzliche Beeinträchtigung des Antragstellers infolge seiner Sehbehinderung auszugleichen. Dem kann jedenfalls nicht mit therapeutischen Konzepten oder der Erwägung der Erfolgsaussichten einer sozialtherapeutischen Behandlung entgegengetreten werden. Insoweit ist die Entscheidung der Antragsgegnerin nicht frei von Ermessensfehlern. Vielmehr ist die Sache - salopp formuliert - nicht anders zu beurteilen, als wollte man einem Strafgefangenen mit einer Sehschwäche die Lesebrille entziehen, weil dieser in seiner Freizeit sich nicht den für erforderlich gehaltenen therapeutischen Bemühungen hingibt oder zahllose Schriftsätze fertigt. Die Frage, ob das Verhalten des Antragstellers mit extensiver Nutzung des medizinischen Hilfsmittels dem therapeutischen Ansatz oder dem Erfolg der Maßnahme insgesamt förderlich ist, kann jedenfalls nicht mit dem Erfordernis einer grundsätzlichen Nutzungsmöglichkeit vermengt werden. Letztlich wird allein der Antragsteller zu entscheiden haben, ob und in welchem Umfang er sich auf das therapeutische Angebot und die hiermit verbundenen Bemühungen einlässt oder anderenfalls den Erfolg seiner weiteren Unterbringung in der sozialtherapeutischen Abteilung selbst gefährdet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>Da nach alledem im Hinblick auf die Nutzung des Lese- und Schreibcomputers in dem in dem Antragsteller vor seiner Verlegung in die Justizvollzugsanstalt ... gewährten Umfang ein Ermessen der Antragsgegnerin schon nicht eröffnet, mithin eine sog. Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen ist, hat der Senat davon abgesehen, die Sache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zur erneuten Sachentscheidung unter Beachtung der Rechtsansicht des Senats zurückzuverweisen. Nach Aufhebung der angefochtenen Entscheidung auch in der seit dem 12. September 2018 geltenden Fassung gilt hiernach vielmehr der vor seiner Verlegung in die Justizvollzugsanstalt ...ür den Antragsteller geltende Zustand fort und wird die Antragsgegnerin gehalten sein, dem Antragsteller den Zugang zu dem Lese- und Schreibcomputer in dem bislang in der Justizvollzugsanstalt ... bewilligten Umfang zu gewähren.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p>IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 1 und 4 StVollzG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO in entsprechender Anwendung.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p>V. Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus §§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8, 52 Abs. 1, 60, 63 Abs. 3 Nr. 2, 65 GKG.</p></dd>
</dl>
</div></div>
</div></div>
<a name="DocInhaltEnde"><!--emptyTag--></a><div class="docLayoutText">
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<hr style="width:50%;text-align:center;height:1px;">
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171,194 | vg-greifswald-2019-01-07-3-a-119417-as-hgw | {
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<a name="focuspoint"><!--BeginnDoc--></a><div id="bsentscheidung"><div>
<h4 class="doc">Tenor</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">Der Kläger trägt die Verfahrenskosten. Gerichtskosten werden nicht erhoben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<h4 class="doc">Tatbestand</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Die Beteiligten streiten über die Gewährung subsidiären Schutzes.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Der Kläger, der afghanischer Herkunft und Zugehöriger zur Volksgruppe der Tadschiken ist, reiste am 14. November 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein, stellte am 5. Dezember 2014 seinen Asylantrag und ist am 3. August 2016 persönlich zu seinen Fluchtgründen angehört worden. Dort gab er im Wesentlichen an, in der Provinz Parwan gelebt und die Schule bis zur neunten Klasse besucht zu haben. Einen Beruf habe er nicht erlernt. Er habe Afghanistan verlassen, da er einem mächtigen Kommandanten, für den er auf sein Verlangen hin in Frauenkleidern getanzt habe, eine Vase an den Kopf geschlagen habe, sodass dieser ohnmächtig geworden sei und kräftig geblutet habe. Dies habe er getan, weil der Kommandant sich während seines Tanzes vollständig entkleidet, ihn überall angefasst und versucht habe ihn zu vergewaltigen. Kennengelernt habe er den Kommandanten auf der Hochzeit seines Cousins. Er - der Kläger - habe ihn - den Kommandanten - danach mehrfach getroffen und von ihm Geschenke erhalten, sodass er ihm vertraut habe. Nachdem er den Kommandanten geschlagen habe, sei er geflohen und zu seinen Eltern gegangen. Er habe ihnen alles erzählt. Später habe es an der Tür geklopft. Daraufhin sei er von seiner Mutter zur Nachbarin geschickt worden. Der Mann der Nachbarin sei schließlich nachsehen gegangen, was bei seinen Eltern geschehen sei und habe erfahren, dass sie zusammengeschlagen worden seien. Sein Vater habe im Koma liegend ins Krankenhaus gebracht werden müssen und seine Mutter sei ohnmächtig gewesen. Er habe daraufhin eine Nacht bei den Nachbarn verbracht, sei dann zu einer Freundin seiner Nachbarin nach Kabul gegangen, habe dort drei Tage verbracht und sei schließlich zusammen mit einer anderen Familie ausgereist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Mit Bescheid vom 16. Mai 2017, der dem Kläger am 18. Mai 2017 zugestellt wurde, versagte die Beklagte dem Kläger die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1), die Anerkennung als Asylberechtigten (Ziffer 2) und den subsidiären Schutz (Ziffer 3). Zudem stellte sie fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) vorliegen (Ziffer 4). Ebenfalls enthielt der Bescheid eine Ausreiseaufforderung und eine Abschiebungsandrohung (Ziffer 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG befristete die Beklagte auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6). Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, dass den Ausführungen des Klägers kein tauglicher Fluchtgrund zu entnehmen gewesen sei. Zudem sei nicht erkennbar, dass der Kommandant landesweiten Einfluss habe. Der Eintritt eines ernsthaften Schadens nach der Rückkehr des Klägers sei daher nicht hinreichend (beachtlich) wahrscheinlich.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Der Kläger hat am 1. Juni 2017 Klage erhoben. Er hat zunächst beantragt, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 16. Mai 2017 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Zur Begründung verweist er auf seinen bisherigen Vortrag und die allgemeine Lage in Afghanistan.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Der Kläger beantragt nach teilweiser Klagerücknahme,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt"><strong>die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 16. Mai 2017 (Az. ) zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zu gewähren;</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt"><strong>hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt"><strong>die Klage abzuweisen.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Sie bezieht sich auf ihre im Ablehnungsbescheid getätigten Ausführungen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>Im Übrigen wird hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und - genauso wie das dazugehörige Protokoll - der Entscheidung waren.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<h4 class="doc">Entscheidungsgründe</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:90pt">I.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Das Gericht konnte auch ohne Beteiligung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da sie gem. § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hierauf in der Ladung hingewiesen wurde.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:90pt">II.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Die zulässige Klage ist unbegründet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>Der Bescheid ist im angegriffenen Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt nicht in eigenen Rechten, vgl. § 113 Abs. 5 VwGO. Gem. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist auf die Sach- und Rechtslage in dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Dem Kläger ist kein subsidiärer Schutz zu gewähren. Ein Ausländer ist nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgetragen hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche Behandlung oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2 ) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). In Bezug auf den Eintritt eines ernsthaften Schadens gilt auch der Grad der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. Kluth in: Kluth/Heusch, Ausländerrecht, § 4 AsylG Rn. 32., beck-online). Dieser setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung bzw. dem Eintritt eines ernsthaften Schadens hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - Rn. 32, juris; VG Potsdam, Urt. v. 11.3.2016 - VG 4 K 1242/15.A - S. 8 d. Umdr.). Im Übrigen gilt, dass das Gericht sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden muss. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss, ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, Urt. v. 16.4.1985 - 9 C 109/84 -, BVerwGE 71, 180-183, Rn. 16). Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Gewährung subsidiären Schutzes oder der Feststellung eines Abschiebungsverbots führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (vgl. BVerwG, a.a.O.). In der Regel kommt deshalb dem persönlichen Vorbringen des Klägers, seiner Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit sowie der Art seiner Einlassung besondere Bedeutung zu (vgl. VGH München, Urt. v. 26.1.2012 - 20 B 11.30468 -, Rn. 19, juris; VG Augsburg, Urt. v. 1.2.2016 - Au 5 K 15.30408 -, Rn. 38, juris).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>Gem. § 4 Abs. 3 AsylG gelten die §§ 3c bis 3e entsprechend (Satz 1). An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz (Satz 2).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>Ausgehen kann die Verfolgung gemäß § 3c AsylG vom Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>Dabei greift zugunsten eines Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - Rn. 19, juris). Nach Art. 4 Abs. 4 der Neufassung der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Abl. Nr. L 337 S. 9, sog. „EU-Qualifikations-RL“) ist die Tatsache, dass der schutzsuchende Ausländer bereits verfolgt wurde oder er einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. er von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (vgl. VGH Kassel, Urt. v. 21.1.2008 - 3 UE 191/07.A - juris).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p>Nach Anwendung dieser Maßstäbe ist der Eintritt eines ernsthaften Schadens bei Rückkehr des Klägers nicht beachtlich wahrscheinlich. Er konnte nicht hinreichend glaubhaft machen i.S.d. Norm vorverfolgt aus Afghanistan ausgereist zu sein. Er hat zwar glaubhaft berichtet, mehrere Monate als sog. „Tanzknabe“ oder „Bacha Bazi“ fungiert zu haben. Bei einem Treffen mit seinem Peiniger hat er ihn dann mit einer Vase bewusstlos geschlagen oder sogar getötet, weil der ihn vergewaltigen wollte. Seine Bodyguards oder Familienangehörige haben dann seine Eltern auf der Suche nach ihm aufgesucht und zusammengeschlagen. Es ist jedoch nicht zu erkennen, dass der Kläger einer landesweiten Bedrohung ausgesetzt war bzw. bei Rückkehr ist. Gem. §§ 4 Abs. 3, 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer der subsidiäre Schutz nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2). Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Abs. 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen (Abs. 2 Satz 1).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>Der Kläger konnte nicht darlegen, dass sein Peiniger oder dessen Familie so großen Einfluss hat, dass ihm landesweite Verfolgung und nicht nur Verfolgung in seiner Heimatprovinz Parwan oder in den unmittelbar angrenzenden Provinzen droht. Z.B. Balch mit der Stadt Mazar-e Sharif kommt grundsätzlich als interne Fluchtalternative in Betracht (vgl. auch VG München, Urt. v. 21.8.2018 - M 26 K 17.37440 -, Rn. 19 f., juris; VG Würzburg, Urt. v. 23.4.2018 - W 1 K 18.30201 -, Rn. 24, juris; VG Aachen, 15.11.2017, 7 K 1746/17.A, unveröffentlicht). Die Stadt hat eine starke und relativ diversifizierte Volkswirtschaft, einschließlich eines robusten Bau-, Fertigungs- und Dienstleistungssektors. Es ist zudem ein Industriezentrum mit einer großen Anzahl von kleinen und mittleren Unternehmen und mehreren großen Produktionsunternehmen. Rückkehrer sind zwar i.d.R. auf Tätigkeiten als Taglöhner angewiesen, aber lediglich im Herbst und Winter sind diese als eher begrenzt vorhanden zu betrachten. In Mazar-e Sharif sind die Lebenshaltungskosten zwar relativ hoch, aber dafür ist die Armutsquote in der Provinz Balch im Allgemeinen niedrig. Auch die Gesundheitsversorgung erscheint als hinreichend, zumal in Mazar-e Sharif das Hauptkrankenhaus Nordafghanistans liegt. Dort haben die Menschen zudem Zugang zu Unterkünften, Trinkwasser und Strom (vgl. insbes. EASO Country of Origin Information Report - Key socio-economic indicators, 08/2017, S. 30 f., 42, 58, 64; aber auch ACCORD - Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018, 7.12.2018, 40 ff.). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus Österreich (BFA) zeichnet ein ähnlich Bild von der Region (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 29.6.2018, S. 84 f.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p>Auch die allgemeine Sicherheitslage stellt sich so dar, dass es dem Kläger zuzumuten ist, sich dort niederzulassen. Die Wahrscheinlichkeit durch einen sicherheitsrelevanten Vorfall verletzt oder getötet zu werden ist, bezogen auf die Provinz Balch, in der etwa 1.382.155 Menschen leben (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 29.6.2018, S. 84), gering. Aus dem Bericht von UNAMA (vgl. Afghanistan - Annual Report 2017, Stand 02/2018, Anlage III) ergeben sich Opferzahlen wieder provinzgenau. Für den Berichtszeitraum 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2017 wird für den gesamten Staat Afghanistan von 3.438 getöteten und 7.015 verletzten Personen berichtet (vgl. UNAMA, a.a.O., S. 1). Insgesamt gab es mithin 10.453 Opfer. Davon entfielen auf die Provinz Balch 129, was einem Rückgang der Opferzahl im Vergleich zu 2016 i.H.v. 68 % entspricht (vgl. UNAMA, a.a.O., Anlage III). Daraus ergibt sich eine Schadenswahrscheinlichkeit von 1:10.715 oder 0,009 %. Das ist weit von dem entfernt, was für die Annahme eines mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Schadenseintritts erforderlich ist. Selbst bei einer Verzehnfachung der Opferzahlen (1.290) ergäbe sich „lediglich“ eine Schadenswahrscheinlichkeit von 1:1.072 bzw. 0,093 %. Dass diese Einschätzung auf Grund von Ereignissen zwischen dem Ende des Berichtszeitraums (31. Dezember 2017) und dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr zutreffend ist, ist nicht ersichtlich. Auch dem Bericht von UNAMA vom 12. April 2018 (vgl. Afghanistan Protection of Civilians in Armed Conflict Quarterly Report: 1 January to 31 March 2018) ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Danach ist die Anzahl der Getöteten und Verletzten im ersten Halbjahr seit 2016 nahezu konstant (5.275 im Jahr 2016, 5.272 im Jahr 2017 und 5.122 im Jahr 2018).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p>Die Provinz befindet sich im Norden Afghanistans, wohingegen Parwan östlich gelegen ist. Wieso dem Kläger auch dort Gefahr drohen soll, ist nicht zu erkennen und von ihm auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden. Er konnte lediglich den Namen seines Peinigers und den seines Bruders wiedergeben, aber z.B. nicht sagen, wo sie ein Kommando ausüben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_24">24</a></dt>
<dd><p>Der Kläger kann sich zudem legal in Balch aufhalten und relativ sicher dorthin reisen. Den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln sind jedenfalls keine gegenteiligen Anhaltspunkte zu entnehmen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_25">25</a></dt>
<dd><p>Es kann auch vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich dort niederlässt. Dies ist dann der Fall, wenn er am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfindet, d.h. dort das Existenzminimum und ein darüber hinausgehender Standard gewährleistet ist. Im Falle einer fehlenden Existenzgrundlage ist eine interne Schutzmöglichkeit nicht gegeben. Für die Frage, ob der Antragsteller vor Verfolgung sicher ist und eine ausreichende Lebensgrundlage besteht, kommt es allein auf die allgemeinen Gegebenheiten im Zufluchtsgebiet und die persönlichen Umstände des Antragstellers an (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.5.2008 - 10 C 11/07 -, BVerwGE 131, 186-198, Rn. 32). Ein verfolgungssicherer Ort bietet erwerbsfähigen Personen das wirtschaftliche Existenzminimum grundsätzlich immer dann, wenn sie dort durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, auch soweit diese Arbeiten als Tätigkeiten im Bereich einer „Schatten- oder Nischenwirtschaft" bezeichnet werden. Kriminelle Arbeit, also eine Arbeit etwa im Sinne „mafiöser" Erwerbstätigkeit, die für eine kriminelle Organisation geleistet wird und - wie bei Mitgliedern der Mafia - in der fortgesetzten Begehung von oder der Teilnahme an Verbrechen besteht, ist hingegen unzumutbar (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.5.2006 - 1 B 100/05 -, Rn. 11, juris).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_26">26</a></dt>
<dd><p>In Anbetracht der wirtschaftlichen und infrastrukturellen Voraussetzungen in Balch und Mazar-e Sharif (s.o.) ist davon auszugehen, dass der Kläger ein Einkommen erzielen kann, das ihm ein Leben oberhalb des Existenzminimums ermöglicht. Der Kläger ist gerade einmal 20 Jahre alt, hat nach seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung eine achtjährige Schulbildung in Afghanistan genossen, spricht die Landessprache Dari und hat in Deutschland die 9. Klasse erfolgreich abgeschlossen. Er hat hier die Ausbildungsreife erlangt und befindet sich derzeit im 2. Lehrjahr einer Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe. Darüber hinaus ist er körperlich und geistig gesund, mithin nicht in seiner Erwerbsfähigkeit beschränkt. Soweit es ihm aufgrund seiner individuellen Voraussetzungen, insbesondere wegen seines geringen Alters und der geringen Bildung, zum Zeitpunkt seiner Flucht nicht möglich gewesen sein sollte, seine Existenz in einem anderen, primär in dem o.g. Landesteil zu sichern, streitet die gesetzliche Vermutung aus Art. 4 EU-Qualifikations-RL dennoch nicht mehr für ihn. Diese Umstände haben sich - wie dargelegt - bereits zum positiven verändert.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_27">27</a></dt>
<dd><p>Darüber hinaus führt die Rückkehr des Klägers aus einem westlichen Land nach Afghanistan nicht zu einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit bzgl. des Eintritts eines ernsthaften Schadens. Insoweit können die Grundsätze, die zur Prüfung einer möglichen Gruppenverfolgung hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entwickelt worden sind, herangezogen werden. Danach kann sich die Gefahr einer eigenen Verfolgung für einen Ausländer nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmales verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden Gruppen gerichteten Verfolgung setzt dabei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.7.2006 - 1 C 15/05 -, BVerwGE 126, 243-254, Rn. 24, juris; Urt. v. 21.4.2009 - 10 C 11/08 -, Rn. 17, juris) voraus, dass eine bestimmte Verfolgungsdichte vorliegt, die die Vermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr einer Betroffenheit besteht. Zudem gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, wenn also auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_28">28</a></dt>
<dd><p>Konkrete seine Person betreffende Umstände, die zu seiner Gefährdung im Falle der Rückkehr führen würden, hat der Kläger weder dargelegt, noch sind solche sonst ersichtlich. Hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Gruppenverfolgung mangelt es jedenfalls an der hierfür erforderlichen Verfolgungsdichte. Weder etwa dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Stand: 5/2018, S. 28 f.) oder dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan der BFA (Stand 3/2017, aktualisiert am 30.1.2018, S. 193 ff., 204 ff. und v. 29.6.2018, S. 309 ff., 327 ff.) noch dem Amnesty Report 2017 (Stand 2/2018) oder der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update Die aktuelle Sicherheitslage, Stand 9/2017, S. 31 ff.) ist hierzu etwas zu entnehmen. Zwar gehen aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender (Stand 4/2016, S. 46 f.) ein Fall im Jahr 2016, in dem einige aus einer Gruppe rückgeführter junger Männer einem beträchtlichen Risiko gewaltsamer Angriffe ausgesetzt gewesen seien, und ein Fall aus 2014, in dem die Taliban einen abgeschobenen afghanischen Asylsuchenden wegen Fotos aus Australien auf seinem Handy gefoltert hätten, hervor. Diese dokumentierten Fälle von Rechtsgutsbeeinträchtigungen weisen jedoch - auch unter Berücksichtigung einer Dunkelziffer - keine solche Häufigkeit auf, dass jeder einzelne Asylrückkehrer die begründete Furcht herleiten kann, selbst alsbald ein Opfer solcher Verfolgungsmaßnahmen zu werden, sich somit jeder von ihnen ständig der Gefährdung an Leib, Leben oder persönlicher Freiheit ausgesetzt sehen kann. Etwas anderes ergibt sich nach Ansicht des Gerichts auch nicht aus dem Gutachten von Frau S vom 28. März 2018 (Gutachten an das VG Würzburg zu dem Verfahren 7 K 1757/16.WI.A, S. 299 ff.). Auch sie weist auf die Sicherheitsrisiken dieser Gruppe hin, ohne dass die Annahme einer Gruppenverfolgung im Sinne des Gesetzes gerechtfertigt erscheint.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_29">29</a></dt>
<dd><p>Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG liegen nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss diesbzgl. ermittelt werden, ob die schutzsuchende Person als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt in dem Gebiet ausgesetzt ist, in dem der innerstaatliche bewaffnete Konflikt stattfindet. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs setzt dies eine Situation voraus, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die fragliche Person der von dem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ausgehenden Gefahren individuell ausgesetzt wäre. Allerdings kann der Grad willkürlicher Gewalt umso geringer sein, je mehr der Antragsteller zu belegen vermag, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation von dem Konflikt spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 17.2.2009 - C-465/07 -, Celex-Nr. 62007CJ0465, 35. Erwägungsgrund, juris). Erforderlich sind hiernach Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet, die eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung einerseits der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und andererseits der Akte willkürlicher Gewalt, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung verlangen. Soweit ein Antragsteller keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände verwirklicht, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.2010 - 10 C 4/09 -, BVerwGE 136, 360-377, Rn. 33). Die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr setzt voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Ein Schadensrisiko von 1:800 bzw. 0,125 % ist dabei weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, Rn. 22, juris).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_30">30</a></dt>
<dd><p>Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird. Denn für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Allerdings ist jedenfalls dann nicht (mehr) auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben. Durch eine solche freiwillige Ablösung verliert die Herkunftsregion ihre Bedeutung als Ordnungs- und Zurechnungsmerkmal und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose bei § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aus (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 17.1.2018 - A 11 S 241/17 -, Rn. 202, juris).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_31">31</a></dt>
<dd><p>Eine derart hohe Gefahrendichte liegt bezogen auf die Provinz Parwan, in der der Kläger aufgewachsen ist und in der etwa 660.000 Menschen leben (vgl. EASO, Country of Origin Information Report - Afghanistan Security Situation, 12/2017, S. 98), nicht vor. Auf die Provinz Parwan entfielen 77 getötete oder verletzte Personen, was einem Rückgang der Opferzahl im Vergleich zu 2016 i.H.v. 31 % entspricht (vgl. UNAMA, a.a.O., Anlage III). Daraus ergibt sich eine Schadenswahrscheinlichkeit von 1:8.571 oder 0,012 %. Das ist weit von dem entfernt, was für die Annahme eines mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Schadenseintritts erforderlich ist. Selbst bei einer Verzehnfachung der Opferzahlen (770) ergäbe sich „lediglich“ eine Schadenswahrscheinlichkeit von 1:857 bzw. 0,117 %. Dass diese Einschätzung auf Grund von Ereignissen zwischen dem Ende des Berichtszeitraums (31. Dezember 2017) und dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr zutreffend ist, ist nicht ersichtlich (s.o.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_32">32</a></dt>
<dd><p>Schließlich ist nicht zu erkennen, dass der Abschiebung Abschiebungshindernisse entgegenstehen. Gem. § 60 Abs. 5 AufenthG besteht ein Abschiebungsverbot immer dann, wenn sich aus der Anwendung der Konvention vom 4.11.1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig wäre. Die Abschiebung eines Ausländers in Nicht-Vertragsstaaten ist danach nicht nur unzulässig, wenn ihm dort unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK droht, sondern ein Abschiebungsverbot kommt auch dann in Betracht, wenn im Einzelfall andere in der EMRK verbürgte, von allen Vertragsstaaten als grundlegend anerkannte Menschenrechtsgarantien in ihrem Kern bedroht sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.5.2000 - 9 C 34/99 -, BVerwGE 111, 223-230, Rn. 11). Vorliegend ist jedoch lediglich eine Verletzung von Art. 3 EMRK naheliegend. Art. 3 EMRK schütz vor Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung. Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall der Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können eine Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 11.4.2018 - A 11 S 924/17 -, Rn. 119, juris). In der Rechtsprechung des EGMR gilt die ohnehin für Art. 3 EMRK bestehende hohe Schwelle in diesem Fall (keine Verantwortung des Staates) ganz besonders. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach der Rechtsprechung des EGMR nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (vgl. m.w.N. BVerwG, Urt. v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 -, BVerwGE 146, 12-31, Rn. 23). Zur Beantwortung der Frage, ob schlechte humanitäre Verhältnisse eine hinreichende Gefahrenlage begründen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führt, sind eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen. Darunter fallen etwa der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser, Nahrung, Gesundheitsversorgung sowie die Chance eine adäquate Unterkunft zu finden, der Zugang zu sanitären Einrichtungen und nicht zuletzt die finanziellen Mittel zur Befriedigung elementarer Bedürfnisse, auch unter Berücksichtigung von Rückkehrhilfen usw. (vgl. VGH Mannheim, a.a.O., Rn. 129).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_33">33</a></dt>
<dd><p>Art. 3 EMRK verpflichtet die Konventionsstaaten nicht, Unterschiede in der medizinischen Versorgung oder soziale und wirtschaftliche Unterschiede durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen, da die Konventionsstaaten hierdurch übermäßig belastet würden (vgl. EGMR, Urt. v. 27.5.2008 - 26565/05 -, Rn. 44). Im Rahmen des durch Asyl- und Aufenthaltsgesetz vermittelten Abschiebungsschutzes wird der vom EGMR insoweit über die Anwendung des Art. 3 EMRK auch ohne Verantwortung des Staates beziehungsweise ohne Handeln eines bestimmten Akteurs angenommene Schutz bereits - jedenfalls für Krankheiten - ausreichend durch § 60 Abs. 7 AufenthG vermittelt, zumal im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG die gleichen Anforderungen an die Substantiierungspflicht zu stellen sind. Dies gilt hingegen nicht bei den allgemeinen Lebensbedingungen, da dort - jedenfalls soweit diese als allgemeine Gefahr zu werten sind - wegen § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG bei Abs. 7 und Abs. 5 unterschiedliche (Prognose-) Maßstäbe gelten (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 -, BVerwGE 146, 12-31, Rn. 38). Nach beiden Absätzen ist ein Abschiebungsverbot allerdings nicht gegeben, wenn der Rückkehrer durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und sich damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren kann (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 39). Zunächst ist für die Prüfung von Abschiebungsverboten aufgrund einer möglichen Verletzung von Art. 3 EMRK auf die Umstände in dem Ort abzustellen, an dem die Abschiebung endet, hier also Kabul (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 -, BVerwGE 146, 12-31, Rn. 26; VGH Mannheim, Urt. v. 11.4.2018 - A 11 S 924/17 -, Rn. 152). Im Übrigen sind die Verhältnisse im Abschiebungszielstaat landesweit in den Blick zu nehmen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_34">34</a></dt>
<dd><p>Die allgemeine humanitäre Lage in Kabul und in Afghanistan im Allgemeinen begründet im Hinblick auf die individuellen Umstände des Klägers kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK (vgl. zur Lage insbesondere auch VGH Mannheim, Urt. v. 17.1.2018 - A 11 S 241/17 -, juris).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_35">35</a></dt>
<dd><p>Das Gericht geht unter Berücksichtigung der ihm zur Verfügung stehenden aktuellen Erkenntnismittel (vgl. etwa Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 5/2018, Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31.5.2017, 7/2017; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Afghanistan, Stand: 29.6.2018; UNHCR Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender, 8/2018; UNAMA, Afghanistan - Annual Report 2016, Stand 2/2017, Annual Report 2017, Stand 2/2018, midyear update vom 15.7.2018; Stellungnahme vom Amnesty International an das VG Wiesbaden v. 5.2.2018 und Bericht: Afghanistan 2018, 12/2017, etc.) davon aus, dass die Versorgungslage schwierig und die Sicherung des Lebensunterhaltes eine Herausforderung ist. Das Gericht verkennt nicht, dass Infrastruktur in vielen - vor allem ländlichen - Bereichen, nicht oder nur eingeschränkt vorhanden ist, was mitunter auch die Versorgung mit Trinkwasser betrifft. Zwar ist es für den afghanischen Staat nicht zuletzt aufgrund des anhaltenden Bevölkerungswachstums und der hohen Anzahl an (Binnen-) Flüchtlingen mit großen Herausforderungen verbunden, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen, etwa im Bildungsbereich, zur Verfügung zu stellen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 5/2018, S. 25). Allerdings ist sich die afghanische Regierung ihrer Schutzverantwortung für die Bevölkerung bewusst und bestrebt, diese wahrzunehmen (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Afghanistan, 2.3.2017, aktualisiert am 30.1.2018, S. 196 ff.). Der Zustand des Gesundheitssystems und die Gesundheitsversorgung haben sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Wobei die mitunter unzureichende Versorgung mit Medikamenten und ausreichend qualifiziertem Personal nach wie vor prägend sind. Die Sterberate von Kindern unter fünf Jahren konnte in der letzten Dekade von 257 auf 55 und die Säuglingssterblichkeitsrate von 165 auf 45 pro 1.000 Lebendgeburten gesenkt werden (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Afghanistan, Stand: 29.6.2018, S. 318 ff.). Das Gericht übersieht nicht, dass sich die Versorgungslage aufgrund der zunehmenden Anzahl von Binnenvertriebenen (nach Amnesty International, Bericht: Afghanistan 2018, 12/2017, S. 4 etwa 437.907 im Jahr 2017 und mehr als 2 Millionen insgesamt) und der hohen Anzahl der aus dem Ausland zurückkehrenden Personen (nach der Stellungnahme vom Amnesty International an das VG Wiesbaden vom 5.2.2018, S. 45 allein aus dem Iran und Pakistan etwa 620.000 im Jahr 2017) insgesamt verschärft hat. Die große Anzahl rückkehrender Personen und Binnenvertriebener führt zu einer Anspannung im Bereich der Versorgung mit Wohnungen und zu einer Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote beträgt etwa 39 %. Ein gleich großer Anteil der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Die Möglichkeiten, eine existenzsichernde Beschäftigung zu finden, sind mit Abzug der internationalen Streitkräfte als bedeutendem Wirtschaftsfaktor eingeschränkter. Auch auf dem Arbeitsmarkt verschärft sich die Konkurrenzsituation (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage, 14.9.2017, S. 28).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_36">36</a></dt>
<dd><p>Afghanistan und insbesondere Kabul sind gerade auch in jüngster Zeit mit der Rückkehr einer Vielzahl von Menschen aus dem benachbarten und westlichen Ausland konfrontiert. Dabei stellt sich deren Lage, obwohl die Situation für Rückkehrer schwierig ist, nicht für alle gleichermaßen problematisch dar. Berichte dahin, dass Rückkehrer generell oder aber jedenfalls in sehr großer Zahl und unabhängig von ihrer persönlichen Disposition ihr Existenzminimum nicht sichern könnten, gibt es nicht. Vielmehr sind bestimmte, vulnerable Gruppen wie etwa Familien mit jüngeren Kindern, alleinstehende Frauen, Kranke oder ältere Menschen in besonderem Maße gefährdet, ohne dass aber insgesamt festzustellen wäre, dass die Existenzsicherung oder gar das Überleben für sämtliche Rückkehrer nicht gewährleistet wäre (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 11.4.2018 - A 11 S 924/17 -, Rn. 338, juris). Nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln existiert in Kabul eine hinreichende Infrastruktur für Energie, Trinkwasser und Transport. Darüber hinaus werden Rückkehrer bis zu zwei Wochen bei der Wiedereingliederung unterstützt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 5/2018, S. 25 f.). Der Wohnungsmarkt in Kabul erweist sich als sehr angespannt und daher teuer, wobei Ermittlungen auch ergeben haben, dass sowohl in Kabul als auch im Umland eine Vielzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung stehen (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Afghanistan, 2.3.2017, aktualisiert am 30.1.2018, S. 209).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_37">37</a></dt>
<dd><p>Das Gericht geht weiterhin davon aus, dass es einem arbeitsfähigen Mann im Falle einer Rückkehr aus Europa in der Regel möglich ist, seinen Lebensunterhalt in ausreichendem Maße zu sichern, sodass er keiner existenziellen Gefahr ausgesetzt ist. Im Ergebnis ergibt sich auch nichts anderes aus dem Bericht „Überleben in Afghanistan“ (vgl. Asylmagazin 3/2017), der die im Zusammenhang mit einer Rückkehr nach Afghanistan verbundenen Schwierigkeiten darstellt. Angesichts der - sich auch aus anderen Berichten ergebenden - angespannten Arbeitsmarktsituation aufgrund der Vielzahl der Rückkehrer nach Afghanistan im Jahr 2016, wird darin die Sicherung des Überlebens aus eigener Kraft für junge gesunde Männer und kinderlose Paare zwar infrage gestellt, allerdings nicht gänzlich ausgeschlossen. Dasselbe ergibt sich aus der Stellungnahme von Amnesty International an das Verwaltungsgericht Leipzig (- 1 K 825/16.A -) vom 8. Januar 2018. Dort wird zwar von einer angespannten Wohnungs- und Versorgungssituation berichtet, wie sie sich auch aus den übrigen Erkenntnismitteln des Gerichts ablesen lässt. Allerdings ist nicht davon die Rede, dass jeder Rückkehrer mit einer § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung zu rechnen hat.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_38">38</a></dt>
<dd><p>Das Gericht hält es nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass der Kläger nach dem Eintreffen in Afghanistan in eine Lage gerät, in der er seine existenziellen (Grund-) Bedürfnisse nicht im für § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ausreichendem Maße befriedigen kann. Zu den individuellen Voraussetzungen des Klägers hinsichtlich seiner Erwerbsfähigkeiten und -chanzen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Er ist mit interkulturellen und den in Afghanistan vorherrschenden kulturellen Gepflogenheiten hinreichend vertraut. Dass er in irgendeiner Weise generell an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist, insbesondere, dass er gesundheitlich derart belastet ist, dass er keine Erwerbstätigkeit ausüben kann, hat er nicht einmal behauptet. Das Gericht geht aufgrund der vorstehenden Erwägungen davon aus, dass es ihm - auch auf sich allein gestellt - möglich sein wird, seine Existenz in Afghanistan zu sichern. Der Kläger muss seine Existenz mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit jedoch nicht ohne familiäre Unterstützung sichern, da noch seine Eltern, seine minderjährigen Geschwister, seine Tante und seine Cousins jeweils (mütterlicherseits) in Afghanistan leben. Dass der Kläger in Afghanistan zu seiner Familie keinen Kontakt wird aufbauen können, ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Der fehlende Kontakt von Deutschland aus begründet für sich genommen jedenfalls keine hinreichende Wahrscheinlichkeit.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_39">39</a></dt>
<dd><p>Dass der Kläger aufgrund seines Aufenthalts im Ausland oder seiner Volkszugehörigkeit, einer besonderen Gefährdung ausgesetzt wäre und deshalb in eine besondere Gefahrenlage geraten wird, hält das Gericht nicht für zutreffend. Aus den vorliegenden Erkenntnismitteln ergibt sich, dass in den vergangenen Jahren eine Großzahl von Personen aus dem Ausland nach Afghanistan zurückgekehrt ist. Die Situation des Klägers stellt sich also keinesfalls als Einzelfall dar. Er ist vielmehr Teil einer die afghanische Gesellschaft mitprägenden großen Gruppe von Menschen und dadurch wegen seines persönlichen Hintergrunds nicht isoliert. Auch nach Kabul sind viele Menschen und insbesondere auch seiner Volkszugehörigkeit gekommen, sodass sich auch in Bezug auf den Zielort der Abschiebung nichts anderes ergibt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_40">40</a></dt>
<dd><p>Schließlich ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger in Kabul, aufgrund von sicherheitsrelevanten Vorkommnissen, unmenschlich oder erniedrigend behandelt wird. Die Wahrscheinlichkeit in Kabul verletzt oder getötet zu werden, liegt nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln bei 1:2.403 oder 0,042 %. In Kabul leben etwa 4,4 Millionen Menschen (vgl. EASO, Country of Origin Information Report - Afghanistan Security Situation, 12/2017, S. 153). Für den Berichtszeitraum 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2017 wird für den gesamten Staat Afghanistan von 3.438 getöteten und 7.015 verletzten Personen berichtet (vgl. UNAMA, Afghanistan - Annual Report 2017, Stand 2/2018, S. 1). Insgesamt gab es mithin 10.453 Opfer. Davon entfielen auf die Provinz Kabul 1.831 (vgl. UNAMA, a.a.O., Anlage III). Selbst bei einer Verdreifachung der Opferzahlen (5.493) besteht rechnerisch eine Wahrscheinlichkeit von 1:801 bzw. 0,124 % verletzt oder getötet zu werden. Teilweise wird auch die Bevölkerungszahl allein für die Stadt Kabul auf mehr als sieben Millionen Menschen geschätzt (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 19.9.2016 - 9 LB 100/15 -, Rn. 64, juris), was die Wahrscheinlichkeit weiter reduzieren würde. Dass diese Einschätzung aufgrund von Ereignissen zwischen dem Ende des Berichtszeitraums (31. Dezember 2017) und dem Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr zutreffend ist, ist nicht ersichtlich. Auch dem Bericht von UNAMA vom 15. Juli 2018 (vgl. Midyear Update On The Protection Of Civilians In Armed Conflict: 1 January to 30 June 2018) ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Danach ist die Anzahl der Getöteten und Verletzten im ersten Halbjahr seit 2016 nahezu konstant (5.275 im Jahr 2016, 5.272 im Jahr 2017 und 5.122 im Jahr 2018). Gleiches ergibt sich bei einer Gesamtbetrachtung Afghanistans. Dabei liegt die Schadenswahrscheinlichkeit bei einer angenommenen Bevölkerung von 28 Millionen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 5/2018, S. 25) bei 1:2.679 oder 0,04 %.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_41">41</a></dt>
<dd><p>Andere Gründe, die den Kläger in eine besondere Gefahrenlage bringen können, sind nicht ersichtlich.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_42">42</a></dt>
<dd><p>Gründe für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind auch nicht zu erkennen. Es bestehen für das Gericht aufgrund des Vortrages des Klägers insbesondere keinerlei Anhaltspunkte für eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Nur eine solche ist jedoch im Stande, eine erhebliche konkrete Gefahr i.S.d. Abs. 1 aus gesundheitlichen Gründen zu begründen. Dem Kläger droht, wie den obigen Ausführungen zu entnehmen ist, auch nicht aufgrund der allgemeinen Versorgungslage in Afghanistan eine solche konkrete und individuelle Gefahr, die dazu führt, dass er gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 29.9.2011 - 10 C 24/10 -, Rn. 20, juris; VG Lüneburg, Urt. v. 6.2.2017 - 3 A 126/16 -, Rn. 58, juris).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_43">43</a></dt>
<dd><p>Ebenfalls ist die Abschiebungsandrohung rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 AsylG liegen vor, da der Kläger wie dargelegt nicht international Schutzberechtigt ist bzw. keinen Anspruch auf Asyl hat (Nr. 1 - 2a), Abschiebungsverbote nicht bestehen (Nr. 3) und er auch nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels ist (Nr. 4).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_44">44</a></dt>
<dd><p>Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylG.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_45">45</a></dt>
<dd><p>Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO).</p></dd>
</dl>
</div></div>
</div></div>
<a name="DocInhaltEnde"><!--emptyTag--></a>
</div>
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171,182 | ovgsn-2019-01-07-4-p-119 | {
"id": 982,
"name": "Sächsisches Oberverwaltungsgericht",
"slug": "ovgsn",
"city": null,
"state": 15,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 4 P 1/19 | 2019-01-07T00:00:00 | 2019-01-29T12:49:43 | 2019-02-12T13:44:17 | Beschluss | <div class="docLayoutText">
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Gründe<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Die von dem Antragsteller mit Schriftsatz vom 18. November 2018 gegen die Kostenrechnung vom 11. September 2018 - Kassenzeichen 1110-W18267-0 - eingelegte „Beschwerde“ ist als Erinnerung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG statthaft, hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil der Antragsteller schon keine Gründe aufzeigt, warum die Kostenrechnung fehlerhaft sein sollte. Solche Gründe sind auch nicht ersichtlich. Nach dem anzuwendenden Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz ist für die Beendigung des gesamten Verfahrens ausgehend von einem Streitwert von 5.000,00 Euro eine zweifache Gebühr fällig. Dies berücksichtigt die Kostenrechnung vom 11. September 2018. Auch ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich, dass die Festsetzung der Dokumentenpauschale zu beanstanden ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Soweit der Antragsteller vorträgt, er habe nicht als Privatperson, sondern als Organ der Stadt A. versucht, gegen die Verletzung seiner Rechte als Stadtrat vorzugehen, sodass die Forderungen nicht an ihn, sondern die Stadt A. zu richten seien, führt dies nicht zur Aufhebung oder Änderung der Kostenrechnung vom 11. September 2018. Denn der Antragsteller kann den aus seiner Sicht bestehenden (öffentlich-rechtlichen) Erstattungsanspruch (vgl. dazu SaarlOVG, Beschl. v. 05.10.1981 - 3 R 87/80 -, juris; BayVGH, Urt. v. 14.08.2006 - 4 B 05.939 -, juris; OVG NW. Urt. v. 24.04.2009 - 15 A 981/06 -, juris), also die Auszahlung des in der Kostenrechnung festgesetzten Betrags im Rahmen einer Kostenerstattung, ausschließlich gegenüber der Antragsgegnerin geltend machen. Soweit diese eine Kostenerstattung ablehnen sollte, ist er gehalten, den Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten (vgl. z. B. VG Frankfurt, Urt. v. 17.10.2018 - 7 K 9917/17.F -, juris; VG Bayreuth, Urt. v. 25.10.2016 - B 5 K 15.645 -, juris, m. w. N.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Für eine Geltendmachung der Kosten seitens des Gerichts unmittelbar gegenüber der Antragsgegnerin fehlt es hingegen an einer Rechtsgrundlage; denn der das Normenkontrollverfahren einstellende Beschluss vom 31. August 2018 (Az.: 4 K 158/18) erklärt ausdrücklich auf der Grundlage des § 155 Abs. 2 VwGO, dass „der Antragsteller“ die Kosten des Verfahrens trägt, nicht hingegen die Antragsgegnerin. Insoweit richtet sich die Kostenrechnung auch zu Recht an den Antragsteller.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 GKG.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).</p></dd>
</dl>
</div></div>
<br>
</div>
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161,498 | olgmuen-2019-01-07-34-ar-24518 | {
"id": 277,
"name": "Oberlandesgericht München",
"slug": "olgmuen",
"city": null,
"state": 4,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 34 AR 245/18 | 2019-01-07T00:00:00 | 2019-01-16T07:00:51 | 2019-02-12T13:44:09 | Beschluss | <h2>Tenor</h2>
<div>
<p>Die Bestimmung eines zuständigen Gerichts wird abgelehnt.</p>
</div>
<h2>Gründe</h2>
<div>
<p>I.</p>
<p><rd nr="1"/>Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke und streiten über das zulässige Ausmaß der auf dem Grundstück der Antragsgegner zur Grenze der Antragsteller hin vorgenommenen Anpflanzungen.</p>
<p><rd nr="2"/>Die Antragsteller und die Antragsgegnerin zu 1 wohnen in München, der Antragsgegner zu 2 wohnt im Bezirk des Amtsgerichts Landsberg am L1..</p>
<p><rd nr="3"/>Die Antragsteller haben Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts gestellt und angeregt, das Amtsgericht München als zuständig zu bestimmen.</p>
<p>II.</p>
<p><rd nr="4"/>Die Voraussetzungen für die Bestimmung eines zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor. Eine Bestimmung nach dieser Vorschrift kann grundsätzlich nicht erfolgen, wenn ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand besteht oder bis zur Klageerhebung bestanden hat (vgl. Zöller/Schultzky ZPO 32. Aufl. § 36 Rn. 23). Dies ist hier der Fall.</p>
<p><rd nr="5"/>Es besteht für beide Antragsgegner ein gemeinsamer ausschließlicher Gerichtsstand nach § 24 Abs. 1 ZPO bei dem Gericht, in dessen Bezirk die streitgegenständlichen Grundstücke belegen sind. Bei Beseitigungs- und Unterlassungsklagen aus § 1004 Abs. 1 BGB (Wieczorek/Schütze/Smid/Hartmann ZPO 4. Aufl. § 24 Rn. 31; Stein/Jonas/Roth ZPO 23. Aufl. § 24 Rn. 15; HK-ZPO/Bendtsen 7. Aufl. § 24 Rn. 3) oder entsprechenden nachbarrechtlichen Vorschriften des Landesrechts (z.B. Art. 47 Abs. 1 AGBGB; BayObLGZ 1996, 14; BeckOK ZPO/Toussaint ZPO 31. Edition § 24 Rn. 6) bildet das Eigentum den wesentlichen Klagegrund (Stein/Jonas/Roth ZPO 23. Aufl. § 24 Rn. 15). Daher richtet sich die örtliche Zuständigkeit insoweit nach § 24 Abs. 1 ZPO (BayObLGZ 1996, 14).</p>
<p>III.</p>
<p><rd nr="6"/>Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.</p>
<p><rd nr="7"/>Sollte das zuständige Prozessgericht der Rechtsmeinung des Senats nicht folgen können und eine gemeinsame Zuständigkeit verneinen, wird sich der Senat auf entsprechende Vorlage einer - wenn auch nur deklaratorischen - Gerichtsstandsbestimmung nicht verschließen.</p>
</div>
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161,494 | ovgsl-2019-01-07-1-b-31618nc | {
"id": 938,
"name": "Oberverwaltungsgericht des Saarlandes",
"slug": "ovgsl",
"city": null,
"state": 14,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 1 B 316/18.NC | 2019-01-07T00:00:00 | 2019-01-16T07:00:48 | 2019-02-12T13:44:08 | Beschluss | <h2>Tenor</h2>
<p/><p>Der Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 24. Oktober 2018 – 1 L 1844/18.NC – wird aufgehoben.</p><p>Die Sache wird an das Verwaltungsgericht zur erneuten Entscheidung über das Antragsbegehren zurückverwiesen.</p><p>Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.</p>
<h2>Gründe</h2>
<p/>
<p><strong>I.</strong></p>
<p><rd nr="1"/>Der Antragsteller hat unter dem 6.9.2018 bei der Antragsgegnerin beantragt, ihm außerhalb der festgesetzten Kapazität einen ungenutzten Studienplatz des Studiengangs Humanmedizin nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2018/2019 im 1. Fachsemester, hilfsweise beschränkt auf den vorklinischen Studienabschnitt oder bis zum kapazitätsbestimmenden Engpass, zuzuweisen.</p>
<p><rd nr="2"/>Am 22.10.2018 hat der Antragsteller einen korrespondierenden Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes bei dem Verwaltungsgericht eingereicht. Er sei deutscher Staatsangehöriger und besitze die allgemeine ausländische Hochschulzugangsberechtigung. Zur Glaubhaftmachung hat er ein auf seine persönlichen Daten ausgestelltes „General Certificate of Education“ nebst „Statement of Marks June 2018 (A-Level)“ in Fotokopie und eine eidesstattliche Versicherung vom 5.9.2018 vorgelegt.</p>
<p><rd nr="3"/>Auf die Aufforderung des Verwaltungsgerichts, bis zum 5.11.2018 die gemäß § 12 der Verordnung über die Qualifikation für ein Studium an der Universität des Saarlandes - QVOU - geforderte Anerkennung der zuständigen Stelle als Nachweis der Hochschulzugangsberechtigung nachzureichen, hat der Antragsteller unter dem 24.10.2018 unter Vorlage einer weiteren eidesstattlichen Erklärung vom 23.10.2018 ausgeführt, er habe im Sommer 2018 einen A-Level Abschluss am Kings College Taunton erworben. Die absolvierte Fächerkombination vermittele ihm die Hochschulzugangsberechtigung für das Medizinstudium in Deutschland. Voraussichtlich werde er sein Originalzeugnis per Post nach Ablauf der ersten Novemberwoche erhalten. Zwecks Beantragung des Bescheids über die Anerkennung der Hochschulzugangsberechtigung als gleichwertig werde um Verlängerung der ihm gesetzten Frist bis zum 17.12.2018 gebeten. Ausweislich des beigefügten Merkblatts für die Anerkennung der Gleichwertigkeit von Bildungsnachweisen aus dem britischen Schulsystem mit dem Zeugnis der deutschen Hochschulreife sei die Ausstellung des Bescheids der Zeugnisanerkennungsstelle reine Formsache; er werde die Anerkennung sofort nach Erhalt des Originalzeugnisses veranlassen.</p>
<p><rd nr="4"/>Das Verwaltungsgericht hat das einstweilige Rechtsschutzbegehren des Antragstellers durch Beschluss vom 24.10.2018 zurückgewiesen. Es bedürfe keines weiteren Zuwartens auf die Vorlage des Nachweises der Hochschulzugangsberechtigung. Vom Sinn und Zweck der Ausschlussfrist des § 23a - gemeint ist § 23 - VergabeVO Stiftung (für das Wintersemester: 15. Oktober) sei umfasst, dass der Antrag auf Zulassung außerhalb der festgesetzten Kapazität nur auf eine zum Zeitpunkt der Ausschlussfrist bereits vorliegende Hochschulzugangsberechtigung für den erstrebten Studienplatz gestützt werden könne. Die zur Gewährung effektiven Rechtschutzes eröffnete außerkapazitäre Vergabe von Studienplätzen kompensiere ein fehlerhaftes behördliches Handeln, rechtfertige es aber nicht, den Nachweis des Erwerbs der Hochschulzugangsberechtigung zur Aufnahme eines Studiums vom Beginn des angestrebten Semesters loszulösen. Anders als in den Fällen der Vorlage von Anrechnungsbescheiden für ein höheres Semester habe es der deutsche Studienbewerber mit der Wahl des ausländischen Abschlusses bzw. der Schule im Ausland in der Hand, den rechtzeitigen Nachweis der Hochschulzugangsberechtigung für ein anschließendes Studium an der Universität des Saarlandes sicherzustellen.</p>
<p><strong>II.</strong></p>
<p><rd nr="5"/>Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet.</p>
<p><rd nr="6"/>Das Beschwerdevorbringen im Schriftsatz vom 26.11.2018 gibt Veranlassung, die Sache - wie beantragt - in entsprechender Anwendung des § 130 Abs. 1 Nr. 2 VwGO(OVG des Saarlandes, u.a. Beschlüsse vom 12.6.2015 - 1 B 105/15.NC -, vom 29.2.2012 - 2 B 440/11.NC -, und vom 10.1.2008 - 3 B 488/07 -, jew. juris) unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.</p>
<p><rd nr="7"/>Der Antragsteller hat seinen im Schreiben vom 6.9.2018 formulierten Verwaltungsantrag auf Zulassung außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl nach Aktenlage fristgerecht bei der Antragsgegnerin eingereicht. Eine mangelnde Vollständigkeit der Antragsunterlagen mit der Folge der Versäumung der Antragsfrist kann ihm nicht entgegengehalten werden.</p>
<p><rd nr="8"/>Die Vergabe von Studienplätzen des ersten Fachsemesters der in das zentrale Vergabeverfahren einbezogenen Studiengänge, u.a. des Studiengangs Medizin, ist in der Verordnung über die zentrale Vergabe von Studienplätzen durch die Stiftung für Hochschulzulassung - VergabeVO Stiftung SL - geregelt.</p>
<p><rd nr="9"/>Vorgaben zu den Anforderungen an Anträge auf Zulassung außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen finden sich ausschließlich in § 23 VergabeVO Stiftung SL. Hiernach gilt für einen entsprechenden Antrag hinsichtlich des Wintersemesters eine Ausschlussfrist. Er muss bis zum 15. Oktober bei der Antragsgegnerin eingegangen sein. Weitere Anforderungen sind nicht normiert. Soweit in der früheren Fassung der Vorschrift vom 20.4.2011 in deren Satz 2 zusätzlich die Notwendigkeit eines auf Zulassung innerhalb der Kapazität zielenden Antrags vorgesehen war, wobei sich eine etwaige Vergabe gemäß Satz 3 an den Vergabekriterien im zentralen Vergabeverfahren zu orientieren hatte, hat der damals zuständige Zweite Senat des erkennenden Gerichts diese Regelungen in einem Normenkontrollverfahren für unwirksam erklärt.(OVG des Saarlandes, Urteil vom 2.2.2012 - 2 C 300/11 -, juris)</p>
<p><rd nr="10"/>Die damit allein aufgeworfene Frage, ob der Nachweis der Hochschulzugangsberechtigung zwingend innerhalb der Antragsfrist eingereicht werden muss, um diese zu wahren, ist zu verneinen. Ein Nachreichen ist möglich, sofern die Zugangsberechtigung vor Fristablauf erworben worden ist.</p>
<p><rd nr="11"/>Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang offenbar dem Sinn und Zweck der Ausschlussfrist des § 23 VergabeVO Stiftung SL - ohne diesen näher einzugrenzen - entnehmen will, dass nicht nur die Hochschulzugangsberechtigung, sondern auch deren Bescheinigung bei Fristablauf vorliegen muss, kann ihm nicht gefolgt werden. Dem sich auf die Bestimmung einer Antragsfrist beschränkenden Regelungsgehalt der Vorschrift ist das Erfordernis, die Antragsunterlagen vor Fristablauf vollständig vorzulegen, nicht immanent. Die Vorgabe einer Ausschlussfrist dient, ebenso wie dies gemäß § 3 Abs. 2 VergabeVO Stiftung SL in Bezug auf Zulassungsanträge innerhalb der Kapazität geschieht, der Fixierung des potentiellen Bewerberkreises. Selbst in letztgenannten Verfahren, in denen die beizufügenden Unterlagen zur Erstellung der für die Vergabeentscheidung notwendigen Rangfolge unerlässlich sind, ist bei fristgerechter Antragstellung die Nachreichung von Unterlagen in den zeitlichen Grenzen des § 3 Abs. 7 VergabeVO Stiftung SL zulässig. Die Studienplatzbewerber in Bezug auf Anträge auf Zulassung außerhalb der festgesetzten Kapazität verfahrensrechtlich restriktiver zu behandeln, indem ihnen jegliche Möglichkeit versagt würde, die zum Nachweis ihrer Studienberechtigung notwendigen Unterlagen so rechtzeitig nachzureichen, dass ihre Bewerbung bei einer etwaigen Vergabeentscheidung Berücksichtigung finden kann, wäre schwerlich mit den durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG verbürgten Rechtspositionen hochschulreifer Staatsbürger(vgl. hierzu: BVerfG, Urteil vom 18.7.1972 - 1 BvL 32/70, 1 BvL 25/71 -, juris Rdnrn. 59 ff.; BayVGH, Beschluss vom 29.4.2005 - 7 CE 05.10114 u.a. -, juris Rdnr. 14; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.11.2009 - 2 B 469/09.NC -, juris Rdnrn. 53 ff.) zu vereinbaren, zumal wenn nicht im Raum steht, dass der Studienplatzbewerber sich nachträglich an einem bereits anhängigen Massenverfahren beteiligen will.(vgl. zu diesem Aspekt: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 21.7.2005 1 BvR 584/05 -, juris <noindex>Rdnrm</noindex>. 20 f.)</p>
<p><rd nr="12"/>Entscheidend ist, dass der Studienplatzbewerber bei Ablauf der für seinen Antrag auf Zulassung zum Studium außerhalb der festgesetzten Kapazität geltenden Ausschlussfrist die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen für das angestrebte Studium erfüllt und dies so rechtzeitig nachweist, dass seine Antragsunterlagen zur Zeit der Vergabeentscheidung vollständig vorliegen.(in diesem Sinn bereits in Bezug auf das 3. Fachsemester, hilfsweise niedrigere Fachsemester: OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.1.2008, a.a.O., Rdnrn. 10 ff.)</p>
<p><rd nr="13"/>Der Antragsteller hat in diesem Zusammenhang detailliert vorgetragen, die für das angestrebte Medizinstudium erforderliche Hochschulzugangsberechtigung im Juni 2018 an einer englischen Schule erworben zu haben, und sein Vorbringen im Wege eidesstattlicher Erklärungen glaubhaft gemacht. Im Beschwerdeverfahren hat er ergänzend die Ablichtung eines Schreibens des Saarländischen Ministeriums für Bildung und Kultur vom 7.12.2018 vorgelegt, ausweislich dessen der seinerseits beantragte Anerkennungsvermerk inzwischen ausgefertigt sei. Dieser Sachstand reicht vorläufig aus, den Antragsteller in die Bewerberkonkurrenz um etwaige außerkapazitäre Studienplätze einzubeziehen, was die Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht, das zur Zeit die Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin überprüft, rechtfertigt. Dem steht insbesondere die Erwägung des Verwaltungsgerichts, ein deutscher Studienbewerber habe es mit der Wahl des ausländischen Abschlusses bzw. der Schule im Ausland in der Hand, den rechtzeitigen Nachweis der Hochschulzugangsberechtigung für ein anschließendes Studium an der Universität des Saarlandes sicherzustellen, nicht entgegen. Inwieweit die Sachlage sich von derjenigen in Fällen der Vorlage von Anrechnungsbescheiden(hierzu: OVG des Saarlandes, Beschluss vom 12.6.2015, a.a.O.) unterscheiden soll, ist weder aufgezeigt noch erkennbar. Zudem belegt der vorliegende Sachverhalt, dass dieses Argument einer inhaltlichen Rechtfertigung entbehrt.</p>
<p><rd nr="14"/>Ein fristgerecht gestellter, aber nicht mit allen Antragsunterlagen versehener Antrag ist vorläufig in die Bewerberkonkurrenz einzubeziehen, wobei der Nachweis des rechtzeitigen Erwerbs der Hochschulzugangsberechtigung geführt sein muss, bevor eventuell außerhalb der festgesetzten Kapazität aufgetane Studienplätze festgestellt werden. Das Vorliegen dieses Nachweises ist unabdingbare Voraussetzung für eine Berücksichtigung der Bewerbung im Rahmen einer etwaigen Vergabe zusätzlicher Studienplätze durch gerichtliche Entscheidung oder Vergleich.(OVG des Saarlandes, Beschluss vom 12.6.2015, a.a.O., Rdnr. 9) Damit besteht entgegen der Argumentation der Antragsgegnerin keine Gefahr, dass ein Studienplatz zunächst an einen Bewerber ohne Hochschulzugangsberechtigung vergeben wird und sich dies erst bei Aufnahme des Studiums herausstellt. Es trifft auch nicht zu, dass - bezogen auf sogenannte verdeckte Studienplätze - ein vernünftiges Vergabeverfahren nicht durchgeführt werden könnte. Denn eine Vergabe von Studienplätzen, die über die festgesetzte Kapazität hinaus bestehen, kommt nur in Betracht, wenn auf der Grundlage einer Überprüfung der der Festsetzung der Zulassungszahl zugrundeliegenden Kapazitätsberechnung offenbar geworden ist, dass die Aufnahmekapazität die festgesetzte Zulassungszahl übersteigt. Zu diesem Zeitpunkt der Entscheidungsreife muss der notwendige Nachweis geführt sein.</p>
<p><rd nr="15"/>Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vorbehalten.</p>
<p><rd nr="16"/>Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.</p>
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161,451 | lg-wuppertal-2019-01-07-16-t-23217 | {
"id": 818,
"name": "Landgericht Wuppertal",
"slug": "lg-wuppertal",
"city": 509,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 16 T 232/17 | 2019-01-07T00:00:00 | 2019-01-16T07:00:08 | 2019-01-21T11:45:26 | Beschluss | ECLI:DE:LGW:2019:0107.16T232.17.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 03.05.2017 wird der Beschluss des Amtsgerichts Wuppertal vom 10.04.2017 (Az.: 641 F 27/16) abgeändert und wie folgt neu gefasst:</p>
<p>Gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 JVEG wird die der Beteiligten zu 1) für die Erteilung der Auskunft vom 13.10.2016 zu gewährende Entschädigung auf 21,00 Euro festgesetzt.</p>
<p>Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.</p>
<p>Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Gründe:</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><strong>I.</strong></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Im Rahmen des Verfahrens über die familiengerichtliche Genehmigung der Erbausschlagung der minderjährigen Kinder X und V hat das Amtsgericht – Familiengericht – im Wege der Amtsermittlung nach § 26 FamFG die Beteiligte zu 1) mit Schreiben vom 26.09.2016 gebeten, Auskünfte über Nachlasswerte oder Nachlassverbindlichkeiten/Schulden des verstorbenen Kindesvater zu erteilen. Mit Schreiben vom 13.10.2016 hat die Beteiligte zu 1) die geforderten Auskünfte durch Vorlage entsprechender Forderungsberechnungen für vier verschiedene Konten erteilt und hierfür eine Entschädigung nach dem JVEG für eine Arbeitsstunde in Höhe von 21,00 Euro beantragt. Nach Anhörung des Beteiligten zu 2) hat das Amtsgericht diesen Antrag mit Beschluss vom 10.04.2017, der Beteiligten zu 1) zugestellt am 21.04.2017, zurückgewiesen und zudem wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage die Beschwerde zugelassen. Hiergegen richtet sich die Erinnerung der Beteiligten zu 1) vom 03.05.2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat der Beschwerde nach Anhörung des Beteiligten zu 2) nicht abgeholfen und der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks"><strong>II.</strong></p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das Rechtsmittel ist ungeachtet seiner Bezeichnung als „Erinnerung“ als Beschwerde gemäß § 4 Abs. 3, 2. Atl. JVEG statthaft und auch sonst zulässig. Das Landgericht ist nach § 4 Abs. 4 S. 2 JVEG zuständiges Beschwerdegericht. Beschwerdegericht ist nach Abs. 4 Satz 2 JVEG immer das nächst höhere Gericht, also das Landgericht auch dann, wenn das Amtsgericht als Familiengericht entschieden hat (BDPZ/Binz, 4. Aufl. 2019, JVEG § 4 Rn. 15).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Auch in der Sache hat die Beschwerde Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Beteiligten zu 1) steht in entsprechender Anwendung des § 23 Abs. 2 JVEG eine Entschädigung für die unter dem 13.10.2016 erteilte Auskunft i. H. v. 21,00 Euro zu.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Nach § 23 Abs. 2 JVEG werden Dritte, die aufgrund einer gerichtlichen Anordnung nach § 142 Abs. 1 Satz 1 oder § 144 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Urkunden, sonstige Unterlagen oder andere Gegenstände vorlegen oder deren Inaugenscheinnahme dulden, sowie Dritte, die aufgrund eines Beweiszwecken dienenden Ersuchens der Strafverfolgungs- oder Verfolgungsbehörde Gegenstände herausgeben oder Auskünfte erteilen, wie Zeugen entschädigt. Bedient sich der Dritte eines Arbeitnehmers oder einer anderen Person, werden ihm die Aufwendungen dafür (§ 7 JVEG) im Rahmen des § 22 JVEG ersetzt; § 19 Abs. 2 und 3 JVEG gilt entsprechend.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Bei der Beteiligten zu 1) handelt es sich um eine Dritte i. S. d. § 23 Abs. 2 JVEG, da sie weder Beteiligte des zugrundeliegenden Verfahrens über die Genehmigung der Erbausschlagung war, noch nach anderen Vorschriften des JVEG anspruchsberechtigt ist. Eine Zeugenentschädigung nach § 19 JVEG scheitert bereits daran, dass es sich bei der Beteiligten zu 1) um eine juristische Person handelt, ein Zeuge jedoch nur eine natürliche Person sein kann (Schneider, JVEG, 2. Aufl. 2014, § 19 Rn. 1). Auch handelt es sich bei der Beteiligten zu 1) nicht um eine nach Art. 35 Abs. 1 GG zur Amtshilfe verpflichtete Behörde, welche nach § 1 Abs. 2 JVEG als Sachverständige zu vergüten wäre. Denn im Rahmen einer Auskunftserteilung wird eine Sparkasse nicht als Behörde tätig wird (Schneider, JVEG, 2. Aufl. 2014, § 23 Rn. 15).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Unerheblich ist, dass die Beteiligte zu 1) hier weder in Erfüllung einer zivilprozessualen Anordnung nach den §§ 142 Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO, 144 Abs. 1 ZPO, ggf. i. V. m. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, noch aufgrund des Ersuchens einer Strafverfolgungs- oder Verfolgungsbehörde tätig geworden ist. Stattdessen hat die Beteiligte zu 1) eine im Amtsermittlungsverfahren nach § 26 FamFG erbetene Auskunft erteilt. Bei dem Verfahren zur familiengerichtlichen Genehmigung einer Erbausschlagung nach § 1643 Abs. 2 BGB handelt es sich um eine Kindschaftssache i. S. d. § 151 Abs. 1, Nr. 1 FamFG, in welchem der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 26 FamFG und damit auch das Freibeweisverfahren nach § 29 Abs. 1 ZPO gilt (OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.9.2018 – 13 WF 114/18, NJW-RR 2018, 1354). Das Amtsgericht hat sich hier auch des Freibeweisverfahrens bedient, indem es die Beteiligte zu 1) formlos schriftlich um eine Auskunft gebeten hat.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">§ 23 Abs. 2 JVEG findet auf den vorliegenden Fall einer im Rahmen des § 26 FamFG erteilten Auskunft entsprechende Anwendung. Der Gesetzestext des § 23 Abs. 2 JVEG ist insoweit lückenhaft (vgl. auch Binz in BDPZ/Binz, 4. Aufl. 2019, JVEG § 23 Rn. 3-5, der eine analoge Anwendung d. § 23 Abs. 2 JVEG auf nach § 372a ZPO herangezogene Dritte diskutiert).</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der – von § 23 Abs. 2 JVEG nicht ausdrücklich erfasste – Fall einer Heranziehung des Dritten nach § 26 FamFG ist uneingeschränkt vergleichbar mit der Heranziehung des Dritten nach den §§ 142, 144, ggf. i. V. m. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, da der hierdurch dem Dritten entstehende und zu entschädigende Aufwand dem Umfang und der Höhe nach gleichbleibend ist. Aus der Sicht des Dritten ist es dementsprechend unerheblich, nach welcher Vorschrift er herangezogen wird.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Eine entsprechende Anwendung des § 23 Abs. 2 JVEG entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift, der insbesondere der Gesetzesbegründung entnommen werden kann. Mit der Erweiterung des Entschädigungskatalogs auf die nach den §§ 142 und 144 ZPO herangezogenen Dritten sollte gerade der nicht unerhebliche Aufwand für den Dritten berücksichtigt werden (BT-Drs. 15/1971, 186), der bei einer Heranziehung nach § 26 FamFG jedoch gleichermaßen entsteht.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Im Rahmen einer Entschädigung nach § 23 Abs. 2 JVEG kommt es demgegenüber nicht darauf an, ob der Dritte gesetzlich verpflichtet ist, dem Ersuchen nachzukommen oder das Gericht das Ersuchen mit Zwangsmitteln durchsetzen kann (BDZ/Binz, JVEG, 4. Aufl. 2019, § 23 Rn. 3). Eine solche Differenzierung würde auch dem oben genannten Sinn und Zweck der Vorschrift widersprechen. Der herangezogene Dritte wird im Zweifel eine gerichtliche Anfrage – unabhängig von deren Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit – beantworten, zumal er meist nicht in der Lage sein wird, deren Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit eigenständig zu beurteilen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Eine entsprechende Anwendung des § 23 Abs. 2 JVEG auf den vorliegenden Fall erscheint auch aus praktischer Sicht sinnvoll. Denn das Familiengericht ist insbesondere in Kindschaftssachen im Sinne des Kindeswohls auf eine schnelle und unkomplizierte Zusammenarbeit mit Dritten angewiesen. Die Bereitschaft hierzu würde allerdings sinken, wenn entsprechende Entschädigungsansprüche abgewiesen werden würden.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Höhe nach richtet sich der Entschädigungsanspruch nach § 22 S. 1 JVEG. Betraut der Dritte (z. Bsp. ein Kreditinstitut) mit den durch das Ersuchen erforderlichen Arbeiten einen seiner Arbeitnehmer, werden ihm die Aufwendungen hierfür nach § 7 JVEG ersetzt. Die Höhe der Aufwendungen ist jedoch auf die Höchstbeträge nach den §§ 19 Abs. 2, 22 JVEG begrenzt (Meyer/Höver/Bach/Oberlack/Jahnke, 27. Aufl., JVEG, S. 360; BDZ/Binz JVEG § 23, 4. Auf. 2019, Rn. 5). Insoweit beläuft sich der zu entschädigende Verdienstausfall hier auf 21,00 Euro (§ 22 S. 1 JVEG).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"><strong>III.</strong></p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Kostenentscheidung folgt aus § 4 Abs. 8 JVEG.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Es besteht keine Veranlassung, die weitere Beschwerde zuzulassen, da Fragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht zur Entscheidung anstanden, vielmehr eine Entscheidung im Einzelfall vorliegt, § 4 Abs. 5 JVEG. Auch wenn diese Art der Auskunftsanfrage durch das Amtsgericht immer wieder erfolgt, wurde die entsprechende Auskunft bislang von keiner anderen Bank in Rechnung gestellt (vgl. Stellungnahme des Beteiligten zu 2), Bl. 48 GA).</p>
|
161,450 | olgd-2019-01-07-2-ws-64518 | {
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"jurisdiction": null,
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} | 2 Ws 645/18 | 2019-01-07T00:00:00 | 2019-01-16T07:00:07 | 2019-02-12T13:44:07 | Beschluss | ECLI:DE:OLGD:2019:0107.2WS645.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der sofortige Beschwerde wird als unzulässig verworfen.</p>
<p>Der Verurteilte trägt die Kosten des Rechtsmittels.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><table class="absatzLinks" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td></td>
<td></td>
<td></td>
</tr>
</tbody>
</table>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e :</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><strong>I.</strong></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht Kleve hat den Beschwerdeführer am 23. Juli 2015 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe und der Maßregel ist für die Dauer von vier Jahren zur Bewährung ausgesetzt worden.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Verurteilte ist in der Bewährungszeit erneut straffällig geworden. Er ist deshalb durch das Amtsgericht Dinslaken am 19. Juli 2018 wegen Wohnungseinbruchdiebstahls, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, und Diebstahls in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden. Die entwendeten Gegenstände wollte der Verurteilte gewinnbringend veräußern, um dadurch insbesondere seinen Betäubungsmittelkonsum zu finanzieren.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Duisburg hat daraufhin die Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil vom 23. Juli 2015 widerrufen. Ein Widerruf der Aussetzung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist in dem Widerrufsbeschluss nicht erörtert worden.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der therapiewillige Verurteilte möchte mit seiner sofortigen Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss erreichen, dass auch die Aussetzung der Maßregel widerrufen wird.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><strong>II.</strong></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das Rechtsmittel ist mangels Beschwer des Verurteilten unzulässig.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der selbst verfassten Beschwerdebegründung ist eindeutig zu entnehmen, dass sich der Verurteilte nicht gegen den Widerruf der Strafaussetzung wendet, sondern allein erstrebt, dass auch die Aussetzung der Maßregel widerrufen wird. So hat er erklärt:</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">„Grundsätzlich erkenne ich den Widerruf der zur Bewährung ausgesetzten Strafe an, allerdings fehlt im Beschluss die Bezugnahme zu § 64 StGB.“</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Nach Darlegung seiner Therapiebemühungen während der laufenden Bewährung hat der Verurteilte sein Anfechtungsziel wie folgt umschrieben:</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">„Aufgrund meiner Bemühungen bereits während meiner Bewährungszeit bitte ich deshalb darum, dass in dem Beschluss die Bezugnahme zu § 64 StGB nachgetragen wird.“</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Es geht dem Verurteilten bei seinem Rechtsmittel mithin allein darum, dass neben der Strafaussetzung auch die Aussetzung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt widerrufen wird.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Ein Betroffener kann eine Entscheidung nur dann in zulässiger Weise anfechten, wenn er durch sie beschwert ist (vgl. statt aller: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., vor § 296 Rdn. 8 ff.). Eine solche Beschwer ist hier nicht gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">a) Für das Erkenntnisverfahren ist anerkannt, dass ein allein auf die Nichtanordnung der Maßregel des § 64 StGB gestütztes Rechtsmittel mangels Beschwer unzulässig ist (vgl. grundlegend: BGHSt 28, 327, 330 f. = BGH NJW 1979, 1941; ferner: BGH NStZ 2007, 213; NStZ-RR 2011, 308; NStZ-RR 2014, 43; BeckRS 2016, 8540).</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Eine Beschwer kann zwar auch darin liegen, dass eine rechtlich mögliche oder gebotene Entscheidung unterlassen wird, durch die eine für den Betroffenen günstigere Rechtslage geschaffen würde. Für die Beurteilung, ob diese Voraussetzung vorliegt, kommt es indes nicht auf dessen subjektive Einschätzung, sondern allein darauf an, ob nach objektiven Kriterien, wie sie sich zur Zeit der Entscheidung darstellen, durch die begehrte Entscheidung eine Besserstellung des Betroffenen herbeigeführt würde.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Bei objektiver Betrachtung stellt die Anordnung der Maßregel des § 64 StGB ein zusätzliches Übel neben der Freiheitsstrafe dar. Denn dadurch kann sich die Dauer des Freiheitsentzuges gegenüber einer bloßen Freiheitsstrafe nach Maßgabe des § 67d Abs. 1 StGB um bis zu zwei Jahre verlängern.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Zwar kann sich im Einzelfall ergeben, dass der Verurteilte im Ergebnis günstiger gestellt wird, wenn die Maßregel des § 64 StGB vor der Freiheitsstrafe vollstreckt wird, weil dann eine bedingte Entlassung bei positiver Sozialprognose ohne das Erfordernis besonderer Umstände schon zum Halbstrafenzeitpunkt möglich ist (§ 67 Abs. 5 Satz 1 StGB). Ob eine solche für den Verurteilten günstige Möglichkeit eintritt, ist jedoch im Zeitpunkt der nach § 64 StGB zu treffenden Entscheidung nicht abzusehen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Auch darf bei der Beurteilung, ob die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt eine Beschwer enthält, nicht außer Betracht bleiben, dass diese Maßregel nicht nur den Zweck hat, den drogen- oder alkoholsüchtigen Täter in seinem persönlichen Interesse zu therapieren, sondern vornehmlich dem Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Tätern dient.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">b) Die vorgenannten Erwägungen gelten gleichermaßen für die Beurteilung der Beschwer, wenn - wie hier - neben dem erfolgten Widerruf der Strafaussetzung ein Widerruf der Aussetzung der Maßregel des § 64 StGB unterblieben ist und der Verurteilte sich mit seinem Rechtsmittel allein gegen den Nichtwiderruf wendet.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Da der Verlauf der von dem Verurteilten angestrebten Unterbringung nicht absehbar und ein gegenüber der Dauer der Freiheitsstrafe deutlich längerer Freiheitsentzug möglich ist, wirkt der Nichtwiderruf der Aussetzung der Maßregel objektiv nicht zu seinem Nachteil, so dass es an der erforderlichen Beschwer fehlt.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Strafvollstreckungskammer wird allerdings die Prüfung nachzuholen haben, ob auch die Voraussetzungen für den Widerruf der Aussetzung der Maßregel vorliegen (§ 67g Abs. 1 StGB). Der Widerrufsbeschluss vom 7. November 2018 verhält sich dazu nicht, so dass der Eindruck vermittelt wird, als sei dieser Gesichtspunkt gänzlich übersehen worden. In der Regel ist es sachgerecht, über den Widerruf der Straf- und Maßregelaussetzung eine gemeinsame Entscheidung zu treffen (vgl. KG NStZ-RR 2009, 61). Ein Grund für eine Abweichung von diesem Grundsatz („normativer Entscheidungsverbund“) ist hier nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks"><strong>III.</strong></p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.</p>
|
161,449 | ovgnrw-2019-01-07-1-b-179218 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 1 B 1792/18 | 2019-01-07T00:00:00 | 2019-01-16T07:00:07 | 2019-02-12T13:44:07 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2019:0107.1B1792.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>
<p>Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.</p>
<p>Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 11.683,54 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde hat ungeachtet der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob der Antragsteller mit seiner E-Mail vom 28. August 2018 auch die dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegende Bewerbung wirksam zurückgenommen hat, keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Senat ist bei der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung auf die Prüfung der von dem Rechtsmittelführer fristgerecht dargelegten Gründe beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 i. V. m. Satz 1 und 3 VwGO). Diese Gründe rechtfertigen es nicht, dem mit der Beschwerde (sinngemäß) weiterverfolgten Antrag zu entsprechen,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, den mit der Besoldungsgruppe A 9 mZ (t) bewerteten Dienstposten als Techniker/in Elektrotechnik/Elektroenergiewesen beim Marineführungsunterstützungszentrum 1 in H. mit dem Beigeladenen zu besetzen und diesen auf diesem Dienstposten zu befördern.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat diesen – in zeitlicher Hinsicht („bis zur bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache“) von vornherein zu weit gehenden,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">vgl. zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 7. Juni 2018 – 1 B 1381/17 –, juris, Rn. 9 bis 11: Erforderlich ist die Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs nur bis zu einer erneuten und rechtsfehlerfreien, die Rechtsauffassung des Gerichts zugrunde legenden Entscheidung über diesen –</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Antrag im Kern mit der folgenden Begründung abgelehnt: Der Antragsteller habeeinen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Die streitbefangene Auswahlentscheidung sei fehlerfrei. Die Antragsgegnerin sei bei dem Vergleich der jeweils letzten dienstlichen Beurteilungen der Bewerber zutreffend von einem Leistungsvorsprung des Beigeladenen vor dem Antragsteller ausgegangen. Die von dem Beigeladenen erzielte Gesamtnote „2 = gut“ sei besser als die formal gleichlautende Gesamtnote des Antragstellers, weil sie auf das Statusamt A 8 BBesO bezogen sei, während der Antragsteller insoweit noch im niedrigeren Amt A 7 BBesO beurteilt worden sei. Es könne auch nicht ausnahmsweise von einem im Wesentlichen gleichen Beurteilungsergebnis ausgegangen werden, weil beide Beurteilungen jeweils in der Summe der Bewertungen der Einzelmerkmale eine Tendenz zu einer besseren Gesamtnotenstufe aufwiesen. Vor diesem Hintergrund könne die Schwerbehinderung des Antragstellers im Rahmen der Auswahlentscheidung weder durch einen Rückgriff auf Hilfskriterien noch im Rahmen einer Ermessensentscheidung berücksichtigt werden. Abweichendes folge nicht aus der Vorschrift des § 5 Abs. 3 BLV, die sich vorrangig an den Ersteller der dienstlichen Beurteilung richte. Dass der Beurteiler die Schwerbehinderung des Antragstellers berücksichtigt habe, ergebe sich aus deren Erwähnung in der dienstlichen Beurteilung. Vor diesem Hintergrund bedürfe es keiner (erneuten) Berücksichtigung etwaiger Leistungseinschränkungen im Rahmen der Auswahlentscheidung mehr.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Hiergegen macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend: Das Verwaltungsgericht habe den Grundsatz, dass bei einem Leistungsvergleich anhand dienstlicher, formal auf das gleiche Gesamturteil lautender Beurteilungen diejenige dienstliche Beurteilung besser sei, deren Maßstab ein höheres Statusamt gewesen sei, unzulässig rein schematisch angewandt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hänge das zusätzlich zu berücksichtigende Gewicht der in einem höheren Statusamt erteilten Beurteilung von den Umstanden des Einzelfalles ab. Demnach hätte vorliegend berücksichtigt werden müssen, dass sich nur aus der dienstlichen Beurteilung des Antragstellers eine sich kontinuierlich steigernde Tendenz ergebe. Seiner dienstlichen Beurteilung sei außerdem nicht zu entnehmen, dass hier seine besondere Leistungsfähigkeit auch unter dem Aspekt der Schwerbehinderung eingeschätzt bzw. dieser Rechnung getragen worden sei. Vor diesem Hintergrund müsse hier das Hilfskriterium der Schwerbehinderung herangezogen werden.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Dieses Vorbringen zeigt nicht auf, dass das Verwaltungsgericht die in Rede stehende Auswahlentscheidung zu Unrecht als fehlerfrei bewertet hat.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">1. Zunächst ist es nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin bei ihrer Auswahlentscheidung in Bezug auf den Antragsteller von dem Gesamturteil „2 = gut“ und nicht von einem besseren Gesamturteil ausgegangen ist. Zwar führt der Antragsteller mit seiner Beschwerde aus, seiner herangezogenen aktuellen dienstlichen Beurteilung sei nicht zu entnehmen, dass seine besondere Leistungsfähigkeit auch unter dem Aspekt der bestehenden Schwerbehinderung (hinreichend) „eingeschätzt“ worden sei. Dieser Vortrag greift aber schon deshalb nicht durch, weil er eine hinreichende Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung vermissen lässt und daher nicht den Erfordernissen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt. Das Verwaltungsgericht hat aus dem ausdrücklichen Vermerk der Schwerbehinderung des Antragstellers in der dienstlichen Beurteilung geschlossen, dass etwaige Einschränkungen der Arbeits- und Verwendungsfähigkeit wegen der Behinderung auch inhaltlich berücksichtigt worden seien. Gegen diese nachvollziehbare Annahme trägt der Antragsteller nichts vor; insbesondere zeigt er schon keine (ggf. zu berücksichtigenden) entsprechenden Einschränkungen auf.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">2. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich auch nicht, dass die Antragsgegnerin bei dem Leistungsvergleich, den sie auf der Grundlage der jeweiligen aktuellen, auf unterschiedliche Statusämter bezogenen dienstlichen Beurteilungen vorgenommen hat, zu Unrecht einen (die Heranziehung von Hilfskriterien ohne weiteres ausschließenden) Leistungsvorsprung des Beigeladenen vor dem Antragsteller angenommen hat.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">a) Liegen der Auswahlbehörde im Falle der Konkurrenz um einen (Beförderungs-) Dienstposten nicht unmittelbar vergleichbare Regelbeurteilungen vor, so ist sie befugt und verpflichtet, die gebotene Gleichheit der Beurteilungsmaßstäbe auf geeignete Weise herzustellen, um zu miteinander vergleichbaren Aussagen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung zu gelangen. Das geschieht durch eine gewichtende, die Umstände des Einzelfalles beachtende, verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Entscheidung. Das gilt u. a. auch dann, wenn die Beurteilungen der konkurrierenden Bewerber sich – wie hier – auf unterschiedliche Statusämter beziehen. In einem solchen Fall geht die Rechtsprechung von dem Grundsatz aus, dass bei formal gleichlautenden Gesamturteilen die Beurteilung des Beamten imhöheren Statusamt grundsätzlich besser ist als diejenige des für ein niedrigeres Statusamt beurteilten Konkurrenten. Das beruht auf der Überlegung, dass der Maßstab für die dienstlichen Anforderungen regelmäßig im Blick auf das innegehabte Amt im statusrechtlichen Sinne zu bestimmen ist und dass mit einem verliehenen höheren Statusamt im Allgemeinen gegenüber dem zuvor innegehabten niedrigeren Statusamt gesteigerte Anforderungen und ein größeres Maß an Verantwortung verbunden sind.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 4. Juli 2018– 2 BvR 1207/18 –, juris, Rn. 10, vom 11. Mai 2011– 2 BvR 764/11 –, juris, Rn. 11, und vom 20. März 2007 – 2 BvR 2470/06 –, juris, Rn. 15 f.; ferner OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Februar 2015– 1 B 1327/14 –, juris, Rn. 13 f., und vom 16. Oktober 2017 – 6 B 685/17 –, juris, Rn. 16 f., jeweils m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die den formulierten Grundsatz tragende Erwägung (gesteigerte Anforderungen und höheres Maß an Verantwortung im höheren Statusamt) darf allerdings nicht schematisch auf jeden Fall der Beförderungskonkurrenz zwischen zwei formal gleich beurteilten Beamten unterschiedlicher Statusämter angewendet werden. Vielmehr sind bei der Herstellung der Vergleichbarkeit weitere Kriterien zu berücksichtigen, sofern die besonders gelagerten Umstände des Einzelfalls dies ausnahmsweise gebieten.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">So ausdrücklich BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Juli 2018 – 2 BvR 1207/18 –, juris, Rn. 11; ferner BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. Mai 2011– 2 BvR 764/11 –, juris, Rn. 11; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 17. Februar 2015– 1 B 1327/14 –, juris, Rn. 15.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Nur scheinbar hierher gehören diejenigen vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fälle, in denen ein „Statusrückstand“ aufgrund besonderer Gegebenheiten ausnahmsweise durch leistungsbezogene Kriterien kompensiert werden konnte. Denn in diesen Fällen waren die zu vergleichenden Gesamturteile gerade nicht formal gleichlautend, sondern wichen voneinander ab, so dass bei der gewichtenden Entscheidung dem Statusvorsprung auf der einen Seite jeweils ein Beurteilungsvorsprung auf der anderen Seite gegenüberzustellen war.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. Mai 2011– 2 BvR 764/11 –, juris, Rn. 11 a. E., 12 ff., und Kammerbeschluss vom 17. Februar 2017– 2 BvR 1558/16 –, juris, Rn. 20 bis 22 (zulässige Kompensation des jeweils geringen – nur die Amtszulage umfassenden – Statusvorsprungs der unterlegenen Bewerberin bzw. des unterlegenen Bewerbers durch das um eine halbe bzw. um eine ganze Notenstufe bessere Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung des jeweils ausgewählten Bewerbers).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Bei formal gleichlautenden Gesamturteilen statusverschiedener Bewerber hat das Bundesverfassungsgericht besonders gelagerte Umstände im vorstehenden Sinne etwa in einem Fall angenommen, in dem hinsichtlich eines bestimmten beurteilten und nun zu vergleichenden Teils der Gesamttätigkeit der Bewerber trotz des grundsätzlich gegebenen Statusunterschieds der gleiche Maßstab angelegt worden ist und deshalb <span style="text-decoration:underline">insoweit</span> gerade kein Statusunterschied bestanden hat.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Vgl. insoweit BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. März 2007 – 2 BvR 2470/06 –, juris, Rn. 17, 18 ff. (jeweils nach R 3 BBesO bewertete Rechtsprechungstätigkeit eines nach R 4 BBesO besoldeten Vizepräsidenten eines OLG und eines nach R 3 BBesO besoldeten Vizepräsidenten eines LAG),</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Ferner kann, wenn offensichtlich fragwürdige (durch personelle Veränderungen unmittelbar vor einem Regierungswechsel geprägte) Besetzungsumstände geltend gemacht werden, ausnahmsweise auch der berufliche Werdegang formal gleich beurteilter Konkurrenten zu berücksichtigen sein.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Vgl. die entsprechenden Ausführungen in dem Kammerbeschluss des BVerfG vom 4. Juli 2018– 2 BvR 1207/18 –, juris, Rn. 2 und 3 (Sachverhalt) sowie Rn. 11, 12.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Nachprüfung der gewichtenden Entscheidung der Auswahlbehörde durch die Verwaltungsgerichte hat an die vorgenannten allgemeinen Grundsätze anzuschließen und umfasst die Prüfung, ob der Dienstherr von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den beamten- und verfassungsrechtlichen Rahmen verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">So BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Juli 2018– 2 BvR 1207/18 –, juris, Rn. 12.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">b) Gemessen an den unter 2. a) dargestellten Maßgaben zeigt das Beschwerdevorbringen nicht auf, dass der in Rede stehenden Auswahlerwägung ein Rechtsfehler der vorgenannten Art anhaftet. Aus ihm ergibt sich nicht, dass die Antragsgegnerin die Vergleichbarkeit der maßgeblichen dienstlichen Beurteilungen nicht wie erfolgt herstellen durfte, sondern gehalten gewesen wäre, eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen und (im Ergebnis) von einem Leistungsgleichstand beider Bewerber auszugehen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">aa) Ausweislich ihres Auswahlvermerks vom 3. April 2018 ist sie dem o. g. Grundsatz gefolgt und hat das im niedrigeren Statusamt erzielte Gesamturteil des Antragstellers „für Vergleichszwecke um eine ganze Notenstufe tiefer“, nämlich mit der Vergleichsnote „3 = befriedigend“, gewertet. Auf der Grundlage dieser Wertung erweist sich der Beigeladene, der die Gesamtnote „2 = gut“ erhalten hat, als besser. Das gilt auch dann, wenn nur für den Antragsteller von einer im oberen Bereich der Bewertungsstufe des Gesamturteils liegenden Bewertung und von einer Tendenz zur nächsthöheren Note auszugehen sein sollte, weil das Gesamturteil auch in einem solchen Fall nicht die Notenstufe „2 = gut“ erreichen, sondern im Bereich der Note „3 = befriedigend“, wenn auch in deren oberem Bereich, verbleiben würde.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">bb) Besondere Umstände des Einzelfalles, die ausnahmsweise die Heranziehung weiterer Kriterien gebieten würden, sind nicht einmal ansatzweise erkennbar.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">(1) Das gilt zunächst für den von der Beschwerde hervorgehobenen Umstand, dass dem Antragsteller im Rahmen der Begründung der Gesamtbewertung der Leistungsbeurteilung bereits eine deutliche Tendenz zur nächsthöheren Bewertungsstufe bescheinigt worden ist. Diese nur perspektivische Äußerung stellt nämlich nicht in Frage, dass die zur Beurteilung anstehenden Leistungen des Antragstellers im Statusamt nach A 7 BBesO erbracht (und noch nicht mit einer höheren Note als „2 = gut“– oberer Bereich – bewertet) worden sind. Sie ist deshalb von vornherein ungeeignet, aufzuzeigen, dass die den o. g. Grundsatz tragenden Erwägungen (hier: geringere Anforderungen und niedrigeres Maß an Verantwortung in dem vom Antragsteller ausgeübten Statusamt) vorliegend ausnahmsweise keine Geltung beanspruchen dürften.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">(2) Besondere Umstände des Einzelfalles im o. g. Sinne resultieren ferner nicht daraus, dass der Antragsteller schwerbehindert ist. Der nach dem Vorstehenden zu konstatierende Leistungsvorsprung des Beigeladenen kann im Rahmen der Auswahlentscheidung offensichtlich nicht wegen einer (weiter) auszugleichenden Schwerbehinderung des Antragstellers relativiert – geschweige denn negiert – werden.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Das gilt schon deshalb, weil die Schwerbehinderung eines Beamten mangels unmittelbaren Leistungsbezuges nicht den im Rahmen einer Auswahlentscheidung anzustellenden Leistungsvergleich beeinflussen darf, sondern nur bei Vorliegen eines Leistungsgleichstandes als sog. Hilfskriterium herangezogen werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 1. August 2011– 1 B 186/11 –, juris, Rn. 16 f., und vom 24. Juli 2006 – 6 B 807/06 –, juris, Rn. 29 ff.; ebenso Bodanowitz, in: Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Aufl. 2017, § 3 Rn. 64, und in: Schnellenbach/Bodanowitz, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, Stand: Dezember 2018, Rn. 427, vierter Spiegelstrich, allerdings jeweils mit der zusätzlichen Einschränkung, dass eine Behinderung nicht einmal als Hilfskriterium berücksichtigt werden darf, wenn der behinderte Beamte den Leistungsgleichstand erst wegen der Berücksichtigung der Behinderung bei der dienstlichen Beurteilung erreicht hat („Vermeidung eines Doppelvorteils“).</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Diese Bewertung führt auch nicht dazu, dass eine kompensatorische Berücksichtigung behinderungsbedingter Leistungseinschränkungen unter Leistungsaspekten überhaupt unterbleibt. Denn behinderungsbedingte Minderleistungen sind bereits im Rahmen der dienstlichen Beurteilung zu berücksichtigen. Das ergibt sich aus § 5 Abs. 3 BLV. Nach dieser Vorschrift ist bei der Beurteilung der Leistung schwerbehinderter Menschen eine etwaige Einschränkung der Arbeits- und Verwendungsfähigkeit wegen der Behinderung zu berücksichtigten.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Näher zu den materiellen Anforderungen an die dienstliche Beurteilung von Menschen mit Behinderung einerseits etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 24. Februar 2017 – 1 A 94/16 –, juris, Rn. 4 f., m. w. N. (Berücksichtigung nur quantitativer behinderungsbedingter Minderleistungen bei der dienstlichen Beurteilung) und andererseits Lorse, Die dienstliche Beurteilung, 6. Aufl. 2016, Rn. 233 ff., und Bodanowitz, in: Schnellenbach/Bodanowitz, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, Stand: Dezember 2018, Rn. 424: ggf. auch Berücksichtigung qualitativer Minderleistungen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Dass hier von einer solchen Berücksichtigung auszugehen ist, ergibt sich aus den Ausführungen des Senats weiter oben.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Vor diesem Hintergrund würde die von dem Antragsteller befürwortete Berücksichtigung behinderungsbedingter Leistungseinschränkungen als Leistungsgesichtspunkt im Rahmen einer Auswahlentscheidung nicht nur – wie oben ausgeführt – gegen den Leistungsgrundsatz verstoßen, sondern zugleich auch auf eine Doppelberücksichtigung dieser Einschränkungen unter Leistungsaspekten und damit auf eine unzulässige Bevorzugung des betroffenen Beamten wegen seiner Schwerbehinderung abzielen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, die etwaigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil dieser im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt hat und damit kein Kostenrisiko eingegangen ist.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Festsetzung des Streitwert für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG sowie § 52 Abs. 1 i. V. m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 GKG. Auszugehen ist nach diesen Vorschriften von dem Jahresbetrag (§ 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG) der Bezüge, die dem jeweiligen Antragsteller nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung bekanntgemachten, für Bundesbeamte geltenden Besoldungsrechts unter Zugrundelegung der jeweiligen Erfahrungsstufe fiktiv für das angestrebte Amt im Kalenderjahr der Antragstellung zu zahlen sind. Nicht zu berücksichtigen sind dabei die nach § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 GKG ausgenommenen Besoldungsbestandteile. Der nach diesen Maßgaben zu bestimmende Jahresbetrag ist wegen § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG und wegen der im Eilverfahren nur begehrten vorläufigen Sicherung auf ein Viertel zu reduzieren. Der nach den vorstehenden Grundsätzen zu ermittelnde Jahresbetrag beläuft sich hier angesichts des (mittelbar) angestrebten Amtes der Besoldungsgruppe A 9 BBesO mit Amtszulage und bei Zugrundelegung der Erfahrungsstufe 8 für das maßgebliche Jahr 2018 auf 46.734,16 Euro (Januar und Februar 2018 jeweils 3.498,92 Euro und 300,91 Euro, für die übrigen 10 Monate jeweils 3.603,54 Euro und 309,91 Euro). Die Division des o. g. Jahresbetrages mit dem Faktor 4 führt auf den im Tenor festgesetzten Streitwert von 11.683,54 Euro.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Eine Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung von Amts wegen (§ 63 Abs. 3 GKG) war nicht veranlasst. Zwar wäre nach dem maßgeblichen, im Zeitpunkt der Stellung des Eilantrages (18. Juni 2018) bekanntgemachten Besoldungsstand noch für das gesamte Jahr von monatlichen Bezügen in Höhe von 3.799,83 Euro (3.498,92 Euro und 300,91 Euro) und damit von einem Gesamtbetrag von 11.399,49 Euro auszugehen gewesen. Der tatsächlich festgesetzte Streitwert (11.740,35 Euro) fällt aber in die gleiche Wertstufe (bis 13.000,00 Euro) wie der zutreffend festzusetzende Streitwert.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach den §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.</p>
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"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
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} | 13 A 888/18.A | 2019-01-07T00:00:00 | 2019-01-16T07:00:03 | 2019-02-12T13:44:07 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2019:0107.13A888.18A.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt T. , L. , wird abgelehnt.</p>
<p>Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 27. Februar 2018 wird abgelehnt.</p>
<p>Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e :</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ist zulässig, aber unbegründet. Die Kläger haben den zur Begründung ihres Zulassungsantrags allein angeführten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechend dargelegt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Darlegung der Grundsatzbedeutung setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstgerichtlich noch nicht hinreichend geklärte und (auch) für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; zudem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Februar 2018 – 13 A 2901/17.A –, juris, Rn. 3, vom 14. Juli 2017 – 13 A 1519/17.A –, juris, Rn. 6, und vom 8. Juni 2016 – 13 A 1222/16.A –, juris, Rn. 4, m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Ein auf die grundsätzliche Bedeutung einer Tatsachenfrage gestützter Zulassungsantrag genügt zudem nicht den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, wenn in ihm lediglich die Behauptung aufgestellt wird, die für die Beurteilung maßgeblichen Verhältnisse stellten sich anders dar als vom Verwaltungsgericht angenommen. Es ist vielmehr im Einzelnen darzulegen, welche Anhaltspunkte für eine andere Tatsacheneinschätzung bestehen. Der Antragsteller muss die Gründe, aus denen seiner Ansicht nach die Berufung zuzulassen ist, dartun und in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht erläutern. Hierzu genügt es nicht, bloße Zweifel an den Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die Gegebenheiten im Herkunfts-land des Ausländers zu äußern oder schlicht gegenteilige Behauptungen aufzustellen. Vielmehr ist es erforderlich, durch die Benennung bestimmter Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Behauptungen in der Antragsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Vgl. hierzu etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Februar 2018 – 13 A 2901/17.A –, juris, Rn. 5, und vom 20. Juni 2016 – 13 A 2789/15.A –, juris, Rn. 3 f., m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen der Kläger in ihrem Schriftsatz vom 14. März 2018 nicht. Weiterer den Zulassungsantrag begründender Vortrag ist ausgeblieben und nunmehr ausgeschlossen, nachdem die Antrags- und Darlegungsfrist aus § 78 Abs. 4 Sätze 1 und 4 AsylG mit Ablauf des 28. März 2018 verstrichen ist.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">a) Mit dem Zulassungsvorbringen wird schon nicht aufgezeigt, dass die durch die Kläger für grundsätzlich bedeutsam erachtete Fragestellung,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">„ob die nach dem Tarakhel-Urteil des EGMR vom 4. November 2014 ergangene allgemeine Erklärung Italiens, alle Familien mit Kindern würden im Falle einer Rückkehr nach den Dublin-Regeln zusammenbleiben und familien- beziehungsweise kindgerecht untergebracht (Garantieerklärung), die individuelle Zusicherung nach der Maßgabe der Tarakhel-Entscheidung ersetzt,“</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">in dieser Allgemeinheit mit der Durchführung eines Berufungsverfahrens sinnvoll geklärt werden könnte.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seinem durch die Kläger angeführten Urteil vom 4. November 2014 in der Rechtssache „Tarakhel“ in der im Dublin-Verfahren beabsichtigten Überstellung einer aus Afghanistan stammenden Familie mit sechs zwischen 1999 und 2012 geborenen minderjährigen Kindern aus der Schweiz nach Italien eine Verletzung von Art. 3 EMRK gesehen. Wie aus den Gründen dieses Urteils hervorgeht, ist der Gerichtshof dabei seinerzeit in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien nicht jegliches Überstellen von Asylbewerbern in dieses Land verhinderten, die dem Gerichtshof vorliegenden Tatsachen und Informationen aber ernstliche Zweifel an der Kapazität des Aufnahmesystems begründeten. Es könne daher die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass eine erhebliche Zahl von Asylbewerbern keine Unterkunft finde oder in überbelegten Einrichtungen auf engstem Raum oder sogar in gesundheitsschädlichen oder gewalttätigen Verhältnissen untergebracht werde. Eine Abschiebung der als besonders schutzbedürftig erachteten Beschwerdeführer sei auf dieser Grundlage nur dann zulässig, wenn die Schweizer Behörden über eine individuelle Zusicherung Italiens verfügten, dass die Beschwerdeführer nach ihrer Ankunft in Italien in Einrichtungen und unter Bedingungen untergebracht würden, die dem Alter der Kinder entsprächen, und dass die Familieneinheit erhalten bliebe.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Vgl. EGMR, Urteil vom 4. November 2014 – Beschwerde Nr. 29217/12 –, NVwZ 2015, 127 (131), Ziffern 120 und 115.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Zugleich hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Schweizer Behörden im konkreten Fall keine ausreichenden Kenntnisse hinsichtlich der zu erwartenden Behandlung der Beschwerdeführer in Italien besaßen. Zwar habe die italienische Regierung mitgeteilt, dass die Beschwerdeführer im Fall der Überstellung nach Italien in einer vom Europäischen Flüchtlingsfonds finanzierten Einrichtung untergebracht würden. Es gebe aber keine detaillierten und zuverlässigen Informationen über die materiellen Bedingungen in der Unterkunft und die Erhaltung der Familieneinheit.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Vgl. EGMR, Urteil vom 4. November 2014 – Beschwerde Nr. 29217/12 –, NVwZ 2015, 127 (131), Ziffer 121.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber hat der Gerichtshof in jüngeren Entscheidungen unter ausdrücklicher Bezugnahme auf seine in der Rechtssache „Tarakhel“ getroffenen Feststellungen zu den Aufnahmebedingungen in Italien sowie seine in rechtlicher Hinsicht herausgearbeiteten Maßstäbe für die Zulässigkeit einer Überstellung im Dublin-Verfahren auch bei drohenden Abschiebungen von Familien mit minderjährigen Kindern eine Verletzung von Art. 3 EMRK verneint. Im Einzelnen hat sich der Gerichtshof dabei neben den weiteren Umständen des jeweiligen Einzelfalls u.a. auch darauf gestützt, dass Italien in Reaktion auf das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache „Tarakhel“ mit mehreren Rundschreiben an die Dublin-Einheiten der Mitgliedstaaten mitgeteilt hatte, dass man die allgemeine Garantie abgebe, Familien mit minderjährigen Kindern bei Überstellungen im Dublin-Verfahren nach Italien dort in familiengeeigneten Unterkünften unter Wahrung der Familieneinheit unterzubringen, welche für solche Familien reserviert seien.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Vgl. etwa EGMR Entscheidungen vom 4. Oktober 2016 – Beschwerde Nr. 30474/14 – „Jihana Ali und andere“, Ziffer 34, und vom 4. Oktober 2016 – Beschwerde Nr. 32275/15 – „M.A.-M. und andere“, Ziffer 27.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Zuletzt hat sich der Gerichtshof in diesem Zusammenhang zudem mit der Frage befasst, ob die durch Italien abgegebenen Garantien in der Überstellungspraxis hinreichend belastbar sind. Die diesbezüglich im konkreten Verfahren durch die Beschwerdeführer erhobenen und anhand konkreter Fallbeispiele belegten Einwände hat der Gerichtshof dort aber in quantitativer Hinsicht nicht als derart gravierend eingestuft, dass angenommen werden könnte, diese Garantien seien <em>per se</em> nicht verlässlich.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Vgl. EGMR, Entscheidung vom 15. Mai 2018 – Beschwerde Nr. 67981/16 – „H. und andere“, Ziffer 21.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Wie sich den angeführten Entscheidungen entnehmen lässt, misst der Gerichtshof den hiernach durch Italien abgegebenen allgemeinen Garantien zur Unterbringung im Dublin-Verfahren überstellter Familien mit minderjährigen Kindern, auf die die Kläger mit ihrem Zulassungsantrag (wohl) Bezug nehmen, eine mitunter entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Die Frage nach einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK bleibt indes auch nach diesen Entscheidungen von einer Beurteilung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls, namentlich der aktuellen Aufnahmesituation für Asylbewerber in Italien, der die Überstellung begleitenden Kommunikation zwischen den beteiligten Behörden und der Belastbarkeit erteilter Zusicherungen abhängig. Die durch die Kläger mit ihrer Fragestellung erstrebte Klärung lässt sich daher nicht losgelöst von den tatsächlichen Umständen des jeweiligen Einzelfalls mit der Durchführung eines Berufungsverfahren erreichen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">b) Im Übrigen fehlt es auch an einer hinreichenden Darlegung im Hinblick auf die mit der formulierten Fragestellung in tatsächlicher Hinsicht verbundene Behauptung, die Aufnahmesituation für Asylsuchende in Italien habe sich zwischenzeitlich – auch gegenüber den jüngeren Entscheidungen des Gerichtshofs – derart verschlechtert, dass bei der Überstellung einer Familie mit minderjährigen Kindern im Dublin-Verfahren trotz der allgemeinen Garantieerklärung(en) stets mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK auszugehen sei, wenn nicht vor der Überstellung eine individuelle Zusicherung der italienischen Behörden vorliege, dass die Betroffenen nach ihrer Ankunft in Italien unter Wahrung der Familieneinheit familien- bzw. kindgerecht untergebracht werden.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die insoweit nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG erforderliche Darlegung eines Klärungsbedarfs setzte insbesondere eine Auseinandersetzung mit den in Italien gegenwärtig bestehenden Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gerade im Hinblick auf die Behandlung von Familien mit minderjährigen Kindern sowie den konkreten Inhalt und die tatsächliche Belastbarkeit der nach der Auffassung der Kläger nicht ausreichenden allgemeinen Garantieerklärung(en) voraus. Dabei wäre unter Anführung entsprechend aussagekräftiger Erkenntnismittel aufzuzeigen, dass zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien für Familien mit minderjährigen Kindern im Fall einer Überstellung nicht den Anforderungen des Art. 3 EMRK genügen und auch die allgemeine(n) Garantieerklärung(en) Italiens keinen hinreichenden Schutz vor einer die Rechte aus Art. 3 EMRK verletzenden Behandlung bieten.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Diesen Darlegungsanforderungen ist nicht schon damit Genüge getan, dass die Kläger mit ihrem Zulassungsvorbringen allein ein Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 12. Oktober 2017 anführen und stellenweise – einschließlich der dort indirekt wiedergegebenen Erkenntnismittel – im Wortlaut wiedergeben. Die zitierte erstinstanzliche Entscheidung,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">vgl. VG Hannover, Urteil vom 12. Oktober 2017 – 3 A 4622/17 –, juris,</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">verhält sich nämlich schon nicht spezifisch zu der hier aufgeworfenen Frage der Aufnahmebedingungen für Familien mit minderjährigen Kindern und insbesondere nicht zu der Belastbarkeit der durch Italien an die übrigen Mitgliedstaaten übermittelten Garantieerklärungen für deren Behandlung. Vielmehr nimmt das Verwaltungsgericht Hannover in einem generellen Sinne sog. systemische Mängel des italienischen Aufnahmesystems für Asylbewerber im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO an und überträgt das der „Tarakhel“-Entscheidung des Gerichtshofs entnommene Erfordernis einer individuellen Zusicherung auch auf die Abschiebung alleinstehender Erwachsener. Im Übrigen weicht die dabei durch das Verwaltungsgericht Hannover zugrunde gelegte Beurteilung der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in ihrer Generalität nicht nur von der in dem hier angefochtenen Urteil zugrunde gelegten bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">vgl. hierzu insbesondere OVG NRW, Urteile vom 7. Juli 2016 – 13 A 2302/15. A –, juris, und vom 18. Juli 2016 – 13 A 1859/14.A –, juris, jeweils Rn. 41 ff.,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">sondern auch von der ständigen Rechtsprechung des für das Land Niedersachen zuständigen Oberverwaltungsgerichts ab,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">vgl. zuletzt etwa Nds. OVG, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 10 LB 167/18 –, juris, Rn. 39 ff.,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">so dass auch unter diesem Gesichtspunkt allein mit der Zitierung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover noch kein zur Zulassung der Berufung führender grundsätzlicher Klärungsbedarf aufgezeigt ist.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">2. Aus diesen Gründen bot auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht die nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).</p>
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} | 9 A 4825/18.A | 2019-01-07T00:00:00 | 2019-01-16T07:00:03 | 2019-02-12T13:44:07 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2019:0107.9A4825.18A.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.</p>
<p>Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.</p><br style="clear:both">
<h1><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></h1>
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. In Verfahren, auf die - wie hier - das Asylgesetz (AsylG) Anwendung findet, ist die Berufung nur zuzulassen, wenn einer der in § 78 Abs. 3 AsylG aufgeführten Zulassungsgründe geltend gemacht und den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechend dargelegt wird.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Daran fehlt es hier. Die Berufung ist nicht wegen der allein geltend gemachten Abweichung von der übergeordneten Rechtsprechung (Zulassungsgrund gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) zuzulassen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Eine die Berufung nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der übergeordneten Rechtsprechung aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz widersprochen hat. Eine Divergenz liegt aber nicht schon dann vor, wenn in der angefochtenen Entscheidung ein in der übergeordneten Rechtsprechung aufgestellter Rechts- oder Tatsachensatz lediglich übersehen, übergangen oder sonst wie nicht richtig angewandt worden sein sollte.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Vgl. zu § 132 VwGO: BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2017 - 8 B 4.16 -, juris Rn. 3, m.w.N.; zu § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG: OVG NRW, Beschluss vom 8. Mai 2018 - 9 A 1434/18.A -, juris Rn. 23 ff.; zu § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO: Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 158 f., m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Ausgehend von diesen Maßstäben zeigt die Antragsbegründung nicht auf, dass das angefochtene Urteil von einem Grundsatz abweicht, den der Senat in dem Beschluss vom 26. Juli 2018 - 9 A 2789/17.A - aufgestellt hat.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, dem Kläger, der nach eigenen Angaben in Al Qosh (Al Kosh) geboren ist und dort auch zuletzt gewohnt hat, die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der dem yezidischen Glauben und der kurdischen Volksgruppe angehörende Kläger sei im Jahr 2014 aus seinem in der Nähe von Mosul gelegenen Heimatort vor einem Angriff der Terrormiliz IS und damit vor einer unmittelbar bevorstehenden, an seine Religionszugehörigkeit anknüpfenden Verfolgung durch einen nichtstaatlichen Akteur i.S.d. § 3c Nr. 3 AsylG geflohen. Eine inländische Fluchtalternative i.S.d. § 3e AsylG habe ihm nicht zur Verfügung gestanden; nach der gemäß § 3e Abs. 2 AsylG zu berücksichtigenden Einschätzung des UNHCR seien die öffentlichen Versorgungseinrichtungen in den kurdischen Gebieten mit der Aufnahme von Binnenvertriebenen überfordert, so dass die Annahme einer internen Fluchtalternative nur unter besonderen Voraussetzungen, nämlich bei Bestehen enger familiärer Kontakte und familiärer Unterstützung, möglich sei. Die Vermutungswirkung nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU sei durch die tatsächliche Entwicklung nicht widerlegt. Zwar sei das Kalifat des Islamischen Staats 2017 im Irak weitestgehend besiegt worden. Dies bedeute jedoch nicht das Ende der Bedrohung durch die Terrororganisation; vielmehr gebe es nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 12. Februar 2018, dessen Einschätzung mit Medienberichten übereinstimme, landesweit, namentlich in den Provinzen Ninawa (Ninive) und Salah al Din, terroristische Anschläge und offene bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen IS-Verbündeten und Sicherheitskräften. In diesem Zusammenhang hat sich das Verwaltungsgericht mit dem Senatsbeschluss vom 26. Juli 2018 - 9 A 2789/17.A - auseinandergesetzt und darauf hingewiesen, dass dieser Beschluss im Verfahren eines Klägers ergangen sei, der aus Dohuk, mithin aus der kurdischen Autonomieregion stamme, und dass es nach den Ausführungen in dem genannten Beschluss (vgl. etwa juris Rn. 31) allein auf die Sicherheitslage in der Herkunftsregion des jeweiligen Klägers ankomme. Sollte der Senatsbeschluss auch Personen betreffen, die außerhalb dieser Region, insbesondere im Sindjar, durch den IS verfolgt worden seien, würde das Verwaltungsgericht der Entscheidung des OVG NRW nicht folgen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die geltend gemachte Divergenz ergibt sich aus der Antragsbegründung nicht. Die Beklagte meint, der Senat habe in dem Beschluss vom 26. Juli 2018 - 9 A 2789/17.A - ohne Differenzierung nach der Herkunftsregion den Grundsatz aufgestellt, dass Yeziden im Irak, also auch Yeziden aus der Sindjarregion, vor erneuter Verfolgung durch den IS sicher seien. Hiervon sei das Verwaltungsgericht in entscheidungserheblicher Weise abgewichen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Das trifft jedoch nicht zu. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Senatsbeschluss vom 26. Juli 2018 - 9 A 2789/17.A - in dem Verfahren eines aus Dohuk in der Kurdischen Autonomieregion stammenden Yeziden ergangen. Da es – wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend betont hat – bei der Gefahrenprognose auf die Sicherheitslage in der Herkunftsregion, dort also Dohuk in der Autonomen Region Kurdistan (Region Kurdistan-Irak), ankommt, verhält sich der Beschluss vom 26. Juli 2018 - 9 A 2789/17.A - auch ausschließlich zu der dortigen Sicherheitslage (so ausdrücklich juris Rn. 17, 24 und 32). Ausführungen zu der Sicherheitslage in einem über die (de iure) kurdischen Autonomiegebiete hinaus reichenden, wie auch immer geographisch abzugrenzenden Norden des Irak, insbesondere etwa zu den yezidischen Siedlungsgebieten in Al Kosh und der Sindjarregion, waren in jenem Nichtzulassungsbeschluss nicht veranlasst und sind darin auch weder ausdrücklich noch sinngemäß enthalten. Soweit der bei juris zu findende Orientierungssatz Anlass zu Missverständnissen gibt, ist darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um einen vom Senat autorisierten Leitsatz handelt. Zu der Sicherheitslage in Ninawa einschließlich der Provinzhauptstadt Mosul (Mossul) verhält sich der Beschluss vom 26. Juli 2018 nicht. Ebenso wenig enthält der Beschluss Ausführungen zu der Frage, ob Personen, die außerhalb der Kurdischen Autonomieregion verfolgt worden sind, auf eine Fluchtalternative innerhalb der Autonomieregion verwiesen werden können (vgl. juris Rn. 32).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Soweit in dem genannten Beschluss vom 26. Juli 2018 der Begriff „Nord-Irak“ verwendet worden ist, sei hiermit – soweit erforderlich – klargestellt, dass damit der kurdisch verwaltete Nord-Irak, d.h. die Autonome Region Kurdistan-Irak mit den (de iure) zugehörigen Provinzen Dohuk, Erbil, Sulaymania und Halabdscha gemeint ist.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 83b AsylG.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).</p>
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<p>Der Antrag wird abgelehnt.</p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.</p>
<p>Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf die Wertstufe bis 19.000 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<h1><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></h1>
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Der Kläger stützt ihn auf die Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO. Keiner dieser Zulassungsgründe liegt vor.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I. Aus den im Zulassungsverfahren dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der Kläger habe keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Verbeamtungsbegehrens, weil er die Einstellungshöchstaltersgrenze überschreite.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">1. Ohne Erfolg kritisiert der Kläger den Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts, maßgeblich für die Entscheidung über den Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts entspricht nicht nur der bisherigen Rechtsprechung des Senats,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2011 - 6 A 57/11 -, juris Rn. 12 ff.,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">sondern auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach haben die Verwaltungsgerichte bei der Beurteilung von Verpflichtungs- und Neubescheidungsbegehren Rechtsänderungen zu beachten, die während des behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens in Kraft getreten sind, sofern das neue, zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltende Recht nichts anderes bestimmt. Dies gilt auch dann, wenn die Verwaltung den Erlass des beantragten Verwaltungsakts rechtswidrig abgelehnt hat, diese Entscheidung aber von einer danach in Kraft getretenen Rechtsänderung gedeckt wird. Relevantes Übergangsrecht, welches die Anwendung älteren, abweichenden Rechts vorsieht, ist hier weder in der - auch vom Verwaltungsgericht angewandten - aktuellen Fassung des LBG NRW vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 310, im Folgenden: LBG NRW n.F.) noch in der vorherigen Gesetzesfassung (LBG NRW vom 17. Dezember 2015, GV. NRW. S. 938, im Folgenden: LBG NRW a.F.) enthalten.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2016 - 2 C 11.15 -, BVerwGE 156, 180 = juris Rn. 15.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Dagegen führt der Kläger erfolglos "Rechtssicherheitsaspekte" an. Für jeden Beteiligten besteht die Möglichkeit, auf das Inkrafttreten für ihn ungünstiger rechtlicher Grundlagen prozessual zu reagieren. Der Kläger hat das nicht getan, sondern an seinem Begehren ungeachtet der Neuregelungen weiter festgehalten. Soweit er rügt, bei einem Abstellen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung würden dem Normgeber "unendliche Nachbesserungsmöglichkeiten" eingeräumt, verkennt er, dass die Herstellung verfassungsgemäßer Rechtsvorschriften - wie hier nach der Unvereinbarkeitserklärung durch das Bundesverfassungsgericht - von Verwaltung und Gerichten gerade das Abwarten dieser Neuregelungen verlangen kann.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2016 - 2 C 11.15 -, a.a.O., Rn. 32.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass der Gesetzgeber nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - dies betrifft ebenso die Vorgehensweise nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 (2 C 18.07) - keine Altersgrenze normieren oder die gestellten Übernahmeanträge generell von der Neuregelung ausnehmen würde, besteht nicht.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">2. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass § 14 Abs. 3 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 LBG NRW seinem Verbeamtungsbegehren entgegen steht und nicht gegen höherrangiges Recht verstößt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Einwand, die Überprüfung der Vereinbarkeit des Einstellungshöchstalters mit höherrangigem Recht durch das Verwaltungsgericht sei unzureichend, weil es seine Argumentation auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Februar 2012 - 2 C 79.10 - stütze, das aber "falsch" sei, ist bereits nicht verständlich, weil das Verwaltungsgericht diese Entscheidung nicht heranzieht. Aber auch mit dem Vorbringen, das vom Verwaltungsgericht in Bezug genommene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Oktober 2016 - 2 C 11.15 - stehe "noch auf dem Prüfstand", lassen sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung begründen. Insoweit lässt es der Zulassungsantrag schon an jeder Darlegung dazu fehlen, aufgrund welcher Erwägungen die Neuregelung mit Verfassungs- oder Unionsrecht unvereinbar sein soll; das Vorbringen, das Verwaltungsgericht hätte dies näher prüfen müssen, reicht dafür ersichtlich nicht aus. Im Übrigen verstößt die gesetzliche Altersgrenze von 42 Jahren gemäß § 14 Abs. 3 LBG NRW n.F. (zuvor § 15a Abs. 1 LBG NRW a.F.) nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, weder gegen das Grundgesetz noch gegen Unionsrecht.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2016 - 2 C 11.15 -, a.a.O., Rn. 16 ff.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der gegen letztere Annahme (nur) erhobene Einwand, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei noch nicht rechtskräftig, ist erstens unzureichend und zweitens unzutreffend. Die Entscheidung ist rechtskräftig, da sie mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angegriffen werden kann, § 173 VwGO i.Vm. § 705 ZPO. Die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde als außerordentlicher Rechtsbehelf suspendiert den Eintritt der Rechtskraft nicht.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">3. Ohne Erfolg beanstandet der Kläger mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung weiter, das Verwaltungsgericht habe sich mit dem Problem der Folgenbeseitigungslast unzureichend auseinander gesetzt. Nicht zutreffend ist seine hierzu vertretene Auffassung, für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe aus einem Angestelltenverhältnis/Tarifbeschäftigungsverhältnis gebe es keine Höchstaltersregelung; diese gelte vielmehr nur für die originäre Einstellung. Während die frühere Vorschrift des § 6 LVO NRW Höchstaltersgrenzen für die Einstellung und die Übernahme in das Beamtenverhältnis geregelt habe, sei dies in § 14 LBG NRW (n.F.) nur noch für die Einstellung der Fall.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Bereits aus der Legaldefinition des Begriffs in § 14 Abs. 1 LBG NRW n.F., wonach die "Einstellung" eine Ernennung zur Begründung eines Beamtenverhältnisses ist, folgt, dass bei der Begründung eines Beamtenverhältnisses stets eine Einstellung im Sinne des Gesetzes vorliegt, unabhängig davon, ob möglicherweise zuvor bereits ein Angestelltenverhältnis mit dem beklagten Land bestand. Denn auch in diesen Fällen erfolgt die Begründung eines Beamtenverhältnisses. Die "Übernahme" von bereits im Angestelltenverhältnis Beschäftigten ist demnach vom Oberbegriff der "Einstellung" mit umfasst. Es stünde zudem mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes im Widerspruch, wenn Bewerber, die sich bereits in einem Angestelltenverhältnis mit dem beklagten Land befinden, bei einer Verbeamtung keine Höchstaltersgrenze einhalten müssten. Denn die Erwägungen für die geforderte Höchstaltersgrenze - insbesondere die Sicherstellung eines angemessenen Verhältnisses zwischen der aktiven Dienstzeit im Beamtenverhältnis und den Versorgungsansprüchen auf der Grundlage des Alimentations- und Lebenszeitprinzips - kommen bei einer "Übernahme" in das Beamtenverhältnis ebenso zum Tragen wie in den Fällen, in denen die Einstellung in das Beamtenverhältnis zugleich die erstmalige Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses mit dem beklagten Land bedeutet.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Vgl. dazu auch BVerfG, Urteil vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 -, BVerfGE 139, 19 = juris Rn. 77 ff.; BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2016 - 2 C 11.15 -, a.a.O., Rn. 17 ff.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zur Neuregelung der Höchstaltersgrenzen für die Einstellung in ein Beamtenverhältnis im Land Nordrhein- Westfalen und zur Entfristung der Altersteilzeitregelung vom 16. September 2015 bestätigt dies. Darin wird zudem mehrfach auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. April 2015 Bezug genommen, der ebenfalls gerade Fälle der "Übernahme" von Lehrern zum Gegenstand hatte, die sich bereits in einem unbefristeten Angestelltenverhältnis befanden.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Vgl. LT-Drs. 16/9759, S. 21 ff.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Angesichts dessen ist ohne Relevanz und rechtfertigt keine abweichende Beurteilung, wie der Begriff der Übernahme im Sinne des § 8 des Gesetzes zur vorübergehenden personellen Verstärkung der Landespolizei LSA - mithin einer Norm des sachsen-anhaltinischen Landesrechts - zu verstehen ist. In § 72 Abs. 1 Nr. 1 LPVG ist lediglich der Begriff der Einstellung, nicht der der Übernahme verwendet.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Zur Frage der Folgenbeseitigungslast hat das Verwaltungsgericht im Übrigen ausdrücklich darauf verwiesen, dass die vom beschließenden Senat für bestimmte Fallkonstellationen entwickelte (das behördliche Ermessen bei Anwendung der Ausnahmevorschrift reduzierende) Folgenbeseitigungslast nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Oktober 2016 - 2 C 11.15 - nicht mehr anzunehmen sei. Danach ist jedenfalls für Bewerber, die - wie hier der Kläger - zum Antragszeitpunkt bereits diejenige Altersgrenze überschritten haben, die der Gesetzgeber nachträglich und rückwirkend in rechtmäßiger Weise festgelegt hat, nicht anzunehmen, dass eine Ernennung zum Beamten unter Verstoß gegen die rechtmäßige Altersgrenze die einzig mögliche Ermessensentscheidung sein soll. Es widerspräche der den Normgeber infolge der Unvereinbarkeitserklärung treffenden Verpflichtung, im Rahmen der Neuregelung des Sachbereichs rückwirkend eine verfassungskonforme Umgestaltung der Rechtslage herbeizuführen, und dem damit eingeräumten Regelungsspielraum, wenn von Vornherein feststünde, dass zugunsten derjenigen Bewerber, die während des Bestehens der für unvereinbar mit dem Grundgesetz erkannten Norm den Antrag auf Ernennung zum Beamten gestellt haben, zwingend eine Ausnahme von der nunmehr verfassungsgemäßen Regelung zu machen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2016 - 2 C 11.15 -, a.a.O., Rn. 31 f.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">II. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Angriffe des Klägers begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung gäben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären ließen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderten; der Ausgang des Rechtsstreits muss als offen erscheinen. Dies ist - wie oben ausgeführt - nicht der Fall.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">III. Die Berufung ist ferner nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung ist daher eine solche Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der vom Kläger aufgeworfenen Fragen nicht erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Fragen,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">"Ergibt sich aus dem materiellen Recht, dass hinsichtlich der Rechtslage in Bezug auf die Bescheidung eines Verbeamtungsantrags auch dann auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor Gericht abzuheben ist, wenn die Behörde mehr als drei Monate lang einen einfach zu bescheidenden Verbeamtungsantrag nicht beschieden hat in der</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Annahme/Vorstellung, dass man so lange zuwartet, bis es 'neues Recht gibt', um darauf basierend den Antrag eventuell ablehnen zu können, dem man bei zügiger Bescheidung stattgeben müsste?",</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">"Ist auf die Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor Gericht abzuheben, wenn es Gerichte und Behörden nicht schaffen, die Sache vor Änderung der Rechtslage zu entscheiden mit dem Ergebnis, dass - so im konkreten Fall - bei Entscheidung noch im Dezember dem Antrag/der Klage hätte stattgegeben werden müssen, der Antrag/die Klage nach Entscheidung ab dem 01.01.2016 abgewiesen wird?",</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">"Ist § 14 LBG mit Art. 12 GG, Art. 33 GG und der Richtlinie 2000/78/EG in Einklang zu bringen?", und</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">"Gibt es für die Übernahme von Verbeamtungsbewerbern aus dem Tarifbeschäftigungsverhältnis in das Beamtenverhältnis überhaupt eine Höchstaltersregel?"</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">lassen sich im Wege der Auslegung des Gesetzes sowie auf der Grundlage der bereits ergangenen Rechtsprechung in der oben dargestellten Weise beantworten, ohne dass es dazu der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedürfte.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der weiter aufgeworfenen Rechtsfragen,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">"Entspricht es höherrangigem Recht, insbesondere Anforderungen an die Einzelfallgerechtigkeit, wenn in § 14 LBG in Bezug auf die Ausnahmetatbestände geregelt ist, dass die tatsächliche Betreuung eines oder mehrerer minderjähriger Kinder oder die tatsächliche Betreuung eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen automatisch zum Hinausschieben der Höchstaltersgrenze kommt, sofern während des entsprechenden Zeitraums keine berufliche Tätigkeit im Umfang von in der Regel mehr als 2/3 der jeweiligen regelmäßigen Arbeitszeit ausgeübt wurde?", und</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">"Ist es im Rahmen des § 14 LBG und in Bezug auf die Folgenbeseitigungslast gerechtfertigt, Antragsteller, die vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einen Verbeamtungsantrag gestellt haben, anders zu behandeln als Antragsteller, die den Antrag nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gestellt haben?"</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">wird deren Entscheidungserheblichkeit nicht dargelegt.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Sätze 2 und 3 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).</p>
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<p>Der Antrag wird abgelehnt.</p>
<p>Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.</p>
<p>Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><strong>I.</strong></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller begehrt im Verfahren der einstweiligen Anordnung seine vorläufige Zulassung zum Studiengang „Master of Education“ für das Lehramt an Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamtschulen (HRSGe) unter anderem mit den Fächern Sozialwissenschaften und Geographie als Studienanfänger an der X. X2. -V. N. (X1. N. ) nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters (WS) 2018/2019.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Orthopädiemechaniker und Bandagisten. Anschließend besuchte er das B. -I. -C. in S. , wo er am 5. Juli 2013 die fachgebundene Hochschulreife erwarb. Ab dem WS 2015/2016 betrieb er – überwiegend an der X1. N. – ein Bachelor-Studium im Lehramtsstudiengang HRSGe mit den Fächern Sozialwissenschaften und Geographie unter Geltung des Lehrerausbildungsgesetzes 2009.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller bewarb sich am 8. Juli 2018 bei der Antragsgegnerin um einen Studienplatz im verfahrensbetroffenen Masterstudiengang. Dem Zulassungsantrag war unter anderem eine Bescheinigung des Prüfungsamtes der X1. N. vom 15. Mai 2018 nebst Leistungsübersicht beigefügt, wonach die bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Leistungen des Antragstellers im Bachelor-Studiengang der vorläufigen Gesamtnote „gut (2,3)“ entsprächen. Von seiner fachgebundenen Hochschulzugangsberechtigung war lediglich die letzte Seite, auf die verwiesen wird, dem Antrag beigefügt. Ein Nachweis über zuvor erworbene Fremdsprachenkenntnisse wurde nicht geführt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller mit, dass er den erforderlichen Nachweis von Kenntnissen in zwei Fremdsprachen mit dem Qualifikationsniveau A2 nicht erbracht habe, weshalb er in dem erstrebten Masterstudiengang nicht studieren könne. Hiergegen wandte sich der Antragsteller an die Antragsgegnerin mit einem als Beschwerde bezeichneten Schreiben vom 11. Juli 2018.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Am 20. August 2018 hat der Antragsteller Klage (9 K 2473/18) erhoben und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Er lässt vortragen, dass ein – ihm aufgrund seines Bildungsgangs derzeit nicht möglicher – Nachweis von zwei Fremdsprachen nicht bereits für die Zulassung zum verfahrensbetroffenen Masterstudiengang, sondern erst für den Zugang zu dem an das Masterstudium anschließenden Vorbereitungsdienst vorausgesetzt werden dürfe. Demgemäß könne er die ihm noch fehlenden Kenntnisse in einer zweiten Fremdsprache noch im Verlauf des Masterstudiums erwerben und nachweisen. Im Übrigen habe er sich auf die Angaben in seinem Zeugnis über den Erwerb der fachgebundenen Hochschulreife verlassen, wonach er unter anderem bezogen auf ein Lehramtsstudium für die Sekundarstufe I „gemäß LPO - BASS 20 - 02 Nr. 11 ü“ sowohl für den Bachelor- als auch für den Masterstudiengang ohne Weiteres die erforderliche Zugangsberechtigung besitze.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><strong>II.</strong></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig zum Studiengang „Master of Education für das Lehramt an Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamtschulen“ mit den Fächern Sozialwissenschaften und Geographie zum WS 2018/2019 zuzulassen, ist unbegründet. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm der geltend gemachte Anspruch zusteht, § 123 Abs. 1 und 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beurteilung der Antragsgegnerin, wonach der Antragsteller derzeit – d. h. zum WS 2018/2019 – die Zugangsvoraussetzungen für den verfahrensbetroffenen Masterstudiengang nicht sämtlich erfüllt und dementsprechend auch mit seinen eingereichten Bewerbungsunterlagen nicht nachgewiesen hat, lässt nach dem Ergebnis der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes durchgeführten Überprüfung durch das Gericht keine Rechtsfehler erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Maßgeblich für den Zugang und die Zulassung zum Studiengang „Master of Education“, gerichtet auf das Lehramt an Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamtschulen (HRSGe) ist in erster Linie die Zugangs- und Zulassungsordnung für die Studiengänge mit dem Abschluss „Master of Education“ auf der Grundlage des LABG (Lehrerausbildungsgesetzes) 2009 vom 10. Februar 2014, AB X1. N. 2014, 258, im Folgenden: ZZO.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Sie schließt an die im Wesentlichen gleichgerichteten Regelungen der Rahmenordnung für die Prüfungen im Studium für das Lehramt an Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamtschulen mit dem Abschluss „Master of Education“ an der X. X2. -V. vom 6. Juni 2011, AB X1. N. 2011, 909, in der derzeit geltenden Fassung, im Folgenden: RahmenO, an.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">§§ 2 und 3 ZZO bestimmen für den Zugang zum Masterstudium, dem sich bezogen auf zulassungszahlenbeschränkte Fächer und Lernbereiche ein im Einzelnen geregeltes Auswahlverfahren unter den zugangsberechtigten Bewerbern anschließt, einen Katalog von mit der Bewerbung nachzuweisenden Voraussetzungen. Dazu gehört neben dem Abschluss eines einschlägigen Bachelorstudiums (§ 2 Abs. 1 ZZO), was hier in Bezug auf den Antragsteller durch den vorgelegten Nachweis in einem vorläufigen Zeugnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ZZO) gegeben ist, der Nachweis über die Voraussetzungen gemäß § 2 Abs. 2 und 3 ZZO, namentlich der Nachweis von lehramtsspezifischen Sprachkenntnissen gemäß § 11 der Lehramtszugangsverordnung – LZV – vom 25. April 2016, GV. NRW. 2016, 211.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Vgl. auch die zuvor geltende Regelung in § 11 LZV vom 18. Juni 2009, GV. NRW. 2009, 334 ohne die nunmehr geltende günstigere Sonderregelung nach Satz 3 zum Nachweis von Fremdsprachenkenntnissen für das Lehramt an Berufskollegs mit beruflicher Fachrichtung.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">§ 11 LZV (2016) bestimmt insoweit in seinem Absatz 1 Satz 1, dass „Kenntnisse in zwei Fremdsprachen nachzuweisen sind, in der Regel durch die Hochschulzugangsberechtigung.“ Dabei handelt es sich um eine Nachweispflicht von Fremdsprachenkenntnissen, die – wie klarzustellen ist – keinen Bezug zu den in § 11 Abs. 2 LZV weiter geregelten sprachlich bezogenen fachwissenschaftlichen Kompetenzen hat, die in bestimmten Fächern für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen entsprechend der hierfür geltenden Verordnung für den Bildungsgang und die Abiturprüfung in der gymnasialen Oberstufe vorausgesetzt werden (Latinum, Graecum, Hebraicum oder Arabisch).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Dass die in § 11 Abs. 1 Satz 1 LZV geregelte Nachweispflicht über Kenntnisse in zwei Fremdsprachen (regelmäßig mindestens in der Niveaustufe A2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen GER, was bei den in der Norm in Bezug genommenen schulisch erworbenen Hochschulzugangsberechtigungen der Fall ist) bereits – spätestens – mit dem Eintritt in das Masterstudium besteht und sich nicht erst nach Abschluss des Lehramtsstudiums bei Eintritt in den Vorbereitungsdienst realisiert, ist in den hierfür maßgeblichen Regelungen des Lehrerausbildungsrechts hinreichend tragfähig angelegt und entspricht auch den diesen Regelungen zugrunde liegenden gesetzgeberischen Zielrichtungen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Wortlaut des § 11 Abs. 1 LZV lässt zunächst nicht zwingend darauf schließen, dass die Bestimmung zugleich (bereits) eine Zulassungsvoraussetzung für einen Lehramtsstudiengang aufstellen soll. Etwas anderes folgt jedoch aus der zugrunde liegenden Ermächtigungsnorm des § 9 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 LABG. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 LABG legt die Lehramtszugangsverordnung die fachlichen Voraussetzungen fest, unter denen Studienabschlüsse den Zugang zum Vorbereitungsdienst für ein Lehramt eröffnen. Der Studienabschluss ist damit der maßgebliche Nachweis für das Vorliegen der fachlichen Voraussetzungen, die zum Vorbereitungsdienst für ein Lehramt befähigen. Ein fachlicher Nachweis auf anderem Wege ist gerade nicht vorgesehen. In diesem Sinne nimmt § 9 Abs. 2 Satz 2 LABG – unter anderem – mit Blick auf das Erfordernis der Kenntnis von Fremdsprachen eine Konkretisierung dahingehend vor, dass die Lehramtszugangsverordnung „in diesem Rahmen“ – also im Rahmen des fachlichen Nachweises durch den Studienabschluss – auch Regelungen über „den Mindestumfang der beim Zugang zum Vorbereitungsdienst nachzuweisenden fachwissenschaftlichen und bildungswissenschaftlichen Leistungen (Leistungspunkte) und jeweils zu erwerbende Kompetenzen […] einschließlich der erforderlichen Sprachkenntnisse“ trifft.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Auch die systematische Auslegung legt nahe, dass das Erfordernis der Kenntnis von zwei Fremdsprachen studiengangsbezogen zu verstehen ist. § 9 Abs. 1 LABG bestimmt in diesem Zusammenhang – ähnlich wie der bereits zuvor erwähnte § 9 Abs. 2 Satz 1 LABG –, dass die fachlichen Voraussetzungen für die Einstellung in den Vorbereitungsdienst für ein Lehramt mit Studienabschlüssen nach § 10 LABG unbeschadet der Anerkennungen nach § 14 Abs. 1 LABG erfüllt, wer die für das jeweilige Lehramt vorgesehenen Studienabschlüsse in gemäß § 11 LABG akkreditierten Studiengängen entsprechend den Anforderungen dieses Gesetzes und der Lehramtszugangsverordnung erworben hat. Auch die Verortung des § 9 LABG im Gesetzesabschnitt „III. Zugang zum Vorbereitungsdienst“ spricht nicht gegen ein studiengangsbezogenes Verständnis dieser Vorschrift, da diesem Abschnitt der Gedanke einer vorverlagernden Einarbeitung der Zugangsvoraussetzungen für den Vorbereitungsdienst in die Phase des Studiums zugrunde liegt. Das wird zum Beispiel daran deutlich, dass sich § 9 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LABG mit den „Mindestanforderungen an die Praxisphasen des Studiums, insbesondere an das Praxissemester“ befasst und § 10 LABG die „Studienabschlüsse“ regelt. Dieses Grundverständnis wird ausdrücklich belegt durch § 1 Abs. 2 Satz 2 LABG, wonach das Land das zum Lehramt führende Studium als Phase der Ausbildung unter anderem durch die Festlegung von Zugangsbedingungen für den Vorbereitungsdienst regelt. Im Sinne einer ganzheitlich begriffenen Lehrerausbildung bestimmt § 2 Abs. 2 Satz 2 LABG zudem, dass sich die Ausbildung in Studium und Vorbereitungsdienst gliedert.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Nichts anderes folgt aus der Lehramtszugangsverordnung. Denn § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 LZV legt in Anknüpfung an § 9 LABG fest, dass für den Zugang zum Vorbereitungsdienst in fachlicher Hinsicht der Erwerb der nach § 10 LABG für das jeweilige Lehramt vorgesehenen Hochschulabschlüsse vorausgesetzt wird, der den Anforderungen des Lehrerausbildungsgesetzes entsprechen muss. Ebenso spricht § 11 Abs. 3 LZV, wonach die Hochschulen mit Blick auf den Nachweis fremdsprachlicher Kenntnisse in ihren Ordnungen weitergehende Anforderungen stellen können, für ein studiengangsbezogenes Verständnis dieses Nachweises.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Wenn aber – wie hier – der Masterstudiengang selbst die Vermittlung von Fremdsprachenkenntnissen gar nicht zum Inhalt hat, kann der Studienabschluss nur dann die Fremdsprachenkompetenz nachweisen, wenn diese schon zur Voraussetzung für die Zulassung zum Studiengang (hier: Masterstudiengang) gemacht wird.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die vorgenannte Auslegung von § 11 Abs. 1 Satz 1 LZV i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 LABG wird bestätigt durch die entstehungsgeschichtlichen Materialien. So heißt es in dem Bericht der Landesregierung gemäß § 1 Abs. 3 LABG vom 10. Dezember 2013 zu „Entwicklungsstand und Qualität der Lehrausbildung in Nordrhein-Westfalen“, der Grundlage für den Entwurf der Verordnung zur Neufassung der Lehramtszugangsverordnung vom 5. Oktober 2015 war, unter der Überschrift „2.7 Fremdsprachenanforderungen für das Studium“: „Gemäß § 11 Abs. 1 LZV sind für das Lehramtsstudium zwei Fremdsprachen nachzuweisen, in der Regel durch die Hochschulzugangsberechtigung.“ Ferner wird dort ausgeführt: „Die Hochschulen haben eine unterschiedliche Praxis (Fach- und Standortunterschiede) hinsichtlich des Zeitpunkts der nachzuweisenden Fremdsprachenkenntnisse; teilweise wird der Nachweis innerhalb des Bachelorstudiums, teilweise aber auch erst für den Zugang zum Masterstudium verbindlich gemacht.“</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Landtags-Drucksache Vorlage 16/1476, Seiten 29 und 31; vgl. zudem Landtags-Drucksache Vorlage 16/3286, Seiten 12 f.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Damit entsprach es dem Regelungsziel der Landesregierung, dem „auf ein Lehramt“ Studierenden jedenfalls nicht die Möglichkeit zu eröffnen, noch im zeitlichen Verlauf des Masterstudienganges – gegebenenfalls studienbegleitend – die entsprechenden Sprachkenntnisse zu erwerben und nachzuweisen. Bestätigt wird dieses Verständnis dadurch, dass die Zulassung zur Masterprüfung bereits mit der Einschreibung zu diesem Studium erfolgt, die Prüfung mithin studienbegleitend durchgeführt wird, vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 RahmenO.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin hat in diesem Zusammenhang mit ihrem Schriftsatz vom 29. August 2018 zutreffend ausgeführt, dass bei ihr die Fremdsprachenkenntnisse gemäß § 11 LZV nicht bereits im Rahmen der vorausgehenden Bachelor-Studiengänge verlangt würden, weil diese teilweise polyvalent studierbar – also in gewissem Maße offen für den weiteren akademischen oder beruflichen Werdegang – seien. Erst die Master-of-Education-Studiengänge seien ausschließlich lehramtsrelevant im Sinne des Lehrerausbildungsgesetzes (LABG 2009).</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">In dieselbe Richtung gehen die Entwürfe der Verordnung zur Neufassung der Lehramtszugangsverordnung vom 13. Mai 2015 und 5. Oktober 2015. Dort wird in den Begründungen jeweils ausgeführt, dass die Beschränkung auf den Nachweis der Kenntnis einer Fremdsprache für das Lehramt an Berufskollegs den Zugang zu diesem Lehramtsstudium erleichtern soll. Dies lässt erkennbar darauf schließen, dass § 11 Abs. 1 LZV auch schon für den Zugang zum Studium Bedeutung zukommt.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Landtags-Drucksache Vorlage 16/2937, Seite 17; Landtags-Drucksache Vorlage 16/3286, Seite 18.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Im Übrigen steht es auch im Einklang mit den Zielen und damit mit Sinn und Zweck des geforderten Nachweises bezüglich zweier Fremdsprachen, wenn er bereits als Voraussetzung für die Zulassung zu dem lehramtsspezifischen Masterstudiengang Master of Education ausgeformt ist. Der bereits genannte Bericht der Landesregierung gemäß § 1 Abs. 3 LABG vom 10. Dezember 2013 stellt diesbezüglich heraus: „Wenn es darum geht, Sprachbewusstheit als Sensibilität für die Struktur und den Gebrauch von Sprache und sprachlich vermittelter Kommunikation in ihren soziokulturellen, kulturellen, politischen und historischen Zusammenhängen zu vermitteln und ein individuelles Mehrsprachigkeitsprofil zu unterstützen, ist eine Reflexion über Sprache notwendig. Dazu eignet sich eine sprachvergleichende Analyse der Lexik und grammatischer Strukturen. Da es allen Sprachen in gleicher Weise gelingt, mittels Lexik und Syntax Kommunikation zu ermöglichen, gibt es grundsätzlich keine Kriterien dafür, welche Sprachen zu einer vergleichenden Reflexion besser geeignet sind. Somit gibt es auch keine besondere Notwendigkeit für Lehrkräfte, über umfassende Kenntnisse der lateinischen Sprache zu verfügen, wohl aber über weitere Fremdsprachenkenntnisse.“</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Landtags-Drucksache Vorlage 16/1476, Seite 30.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Gerade weil der Masterstudiengang Master of Education schon vollständig lehramtsspezifisch bzw. -relevant ausgestaltet ist, können für die Zulassung zu diesem Studiengang bereits die für eine Lehrkraft notwendigen Sprachkenntnisse und damit einhergehend ein entsprechendes Sprachbewusstsein verlangt werden. Dies wird besonders auch daran deutlich, dass der Studiengang Master of Education nach § 8 Abs. 2 Satz 1 LZV ein Praxissemester beinhaltet, bei dem die Absolventinnen und Absolventen nachweisen müssen, dass sie bezogen auf ein Schulhalbjahr und in der Regel in einer dem angestrebten Lehramt entsprechenden Schulform und den Studienfächern kontinuierlich mindestens 390 Zeit-Stunden Ausbildungszeit im Bereich des Lernorts Schule absolviert haben. Im Bereich des Masters of Education für das Lehramt an Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamtschulen werden lediglich 32 Leistungspunkte von insgesamt 120 Leistungspunkten für die Unterrichtsfächer I und II vergeben. Einen größeren Anteil von 39 Leistungspunkten nehmen dagegen – neben dem Praxissemester mit 25 Leistungspunkten – die Bildungswissenschaften ein. Dabei geht es darum, sich analytisch, reflexiv und weiterführend mit Erziehungs-, Bildungs-, Lern- und Sozialisationsprozessen sowie deren institutionellen Rahmenbedingungen und der Profession des Lehrer- bzw. Lehrerinnenberufs auseinanderzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">https://www.uni-muenster.de/imperia/md/content /bildungswissenschaften/med_hrsge_studienbeginn_2018.pdf.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Der Auslegung von § 11 Abs. 1 LZV i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 LABG als Zulassungsvoraussetzung für den Masterstudiengang Master of Education stehen nach summarischen Prüfung auch nicht die grundrechtlichen Gewährleistungen des Antragstellers – insbesondere seine Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG – entgegen. Der Antragsteller zweifelt schon selbst nicht an, dass das Erfordernis des Nachweises zweier Fremdsprachen als solches – jedenfalls als Voraussetzung für den Eintritt in den Vorbereitungsdienst – gerechtfertigt ist. Mit Blick auf die zeitliche Vorverlagerung als Zulassungsvoraussetzung für den Masterstudiengang ist der Antragsteller darauf zu verweisen, dass – wie ausgeführt – dieser Studiengang bereits vollständig lehramtsspezifisch bzw. -relevant ausgestaltet ist. Zudem erweist es sich als sach- und praxisgerecht, den Nachweis der fachlichen Voraussetzungen für den Vorbereitungsdienst – wie nach § 9 LABG und § 1 Abs. 1 LZV gewollt – in den Studienabschlüssen zu bündeln. Die getroffene Regelung rechtfertigt damit den Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass es dem Antragsteller frei stand bzw. steht, seine Kompetenz in einer weiteren Fremdsprache vor, während oder nach seinem Bachelor-Studium zu erwerben.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Schließlich kann sich der Antragsteller auch nicht darauf berufen, dass er auf den Inhalt seines Zeugnisses über die fachgebundene Hochschulreife vertraut habe, wo es heißt: „Die fachgebundene Hochschulreife berechtigt zum Studium an Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland in den einschlägigen Studiengängen: Fachrichtung Gesundheit und Soziales … d) Lehramt für allgemein bildende Schulen der Primarstufe und aller einzelner Schularten der Sekundarstufe I (in NRW: entsprechendes Lehramt in den Fachrichtungen bzw. Fächern gemäß LPO - BASS 20 - 02 Nr. 11 ü)“. Dies gilt zum einen deshalb, weil der Hinweis auf die in der Bereinigten Amtlichen Sammlung der Schulvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen unter Kapitel 20-02 Nummer 11 ü (BASS 20-02 Nr. 11 ü) zu findende Lehramtsprüfungsordnung (LPO) sich auf schon seinerzeit auslaufendes Recht bezog. Denn der Lehramtsprüfungsordnung ist sowohl in der aktuellen (BASS 2018/2019, 33. Ausgabe) als auch in der seinerzeit einschlägigen (BASS 2012/2013, 27. Ausgabe) Fassung der BASS der vorangestellte und § 14 Abs. 2 LZV i. V. m. § 20 Abs. 1 bis 4 LABG entsprechende Hinweis zu entnehmen, dass die Lehramtsprüfungsordnung auslaufend bis längstens 2021 fortgilt für Lehramtsstudierende, die sich in Studiengänge nach dem Lehrerausbildungsgesetz 2002 (BASS 1-8 ü) bis einschließlich Sommersemester 2011 eingeschrieben haben. Damit konnte für den Antragsteller zum Zeitpunkt des Erwerbs seiner fachgebundenen Hochschulreife am 5. Juli 2013 insoweit schon kein schutzwürdiges Vertrauen entstehen. Zum anderen ist der Hinweis in dem Hochschulreifezeugnis des Antragstellers ohnehin dahingehend zu verstehen, dass der Zugang zu den aufgeführten Studiengängen unbeschadet der weiteren geregelten Zugangsvoraussetzungen – also insbesondere allein nach Maßgabe der einschlägigen Zugangsverordnung – eröffnet wird.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Sie entspricht der ständigen Spruchpraxis des beschließenden Gerichts und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in Verfahren der vorliegenden Art.</p>
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} | 7 Ta 12/18 | 2019-01-07T00:00:00 | 2019-01-16T06:59:32 | 2019-01-21T11:45:10 | Beschluss | <div id="dokument" class="documentscroll">
<a name="focuspoint"><!--BeginnDoc--></a><div id="bsentscheidung"><div>
<h4 class="doc">Tenor</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 09. August 2018 – 15 Ca 444/17 – wird als unzulässig verworfen.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<h4 class="doc">Gründe</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>I.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Im Ausgangsverfahren stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung, die der Kläger unter Vorbehalt angenommen hatte. Der Rechtsstreit endete durch Feststellung eines Vergleichs gemäß § 278 Abs. 6 ZPO, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 110 ff. d.A. Bezug genommen wird.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Mit Beschluss vom 09. August 2018 (Bl. 133 d.A.) setzte das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für das Verfahren auf 67.479,38 € und den Vergleichsmehrwert auf 207.698,99 € fest. Der Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 13. August 2018 zugestellt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Mit der – mit anwaltlichem Schriftsatz namens und in Vollmacht des Klägers eingelegten – am 15. August 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Festsetzung des Wertes des Verfahrens und des Mehrwerts des Vergleichs. Er meint, es sei ein Wert des Verfahrens von 134.958,64 € und ein Mehrwert des Vergleiches von 409.723,34 € festzusetzen. Bzgl. der Klage sei zu berücksichtigen, dass die angebotene Position erheblich von der bisherigen Position abweiche, auch sei ein Weiterbeschäftigungsantrag zu berücksichtigen. Bzgl. des Vergleichsmehrwerts sei insbesondere eine Übernahme und Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Nebenintervenientin, deren Verpflichtung zur Zahlung von Entgelt, Tantieme und Sozialplananspruch zu berücksichtigen, außerdem die Freistellungs- und Zeugnisregelung. Diese Punkte hätten den wesentlichen Inhalt der Einigung ausgemacht. Bei der Bestimmung des Gegenstandswertes sei auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers abzustellen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Das Arbeitsgericht hat am 16. August 2018 verfügt, der Beschwerde nicht abzuhelfen und u.a. ausgeführt, eine Beschwer des Klägers durch den Beschluss vom 09. August 2018 sei nicht ersichtlich.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Auf einen Hinweis der früheren Vorsitzenden der Kammer, dass beabsichtigt sei, die Beschwerde zurückzuweisen, wurde ergänzend mit Schriftsatz vom 24. September 2018 (Bl. 151 ff. d.A.) Stellung genommen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>II.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Zwar ist sie von einem Antragsberechtigten (§ 33 Abs. 2 Satz 2 RVG) innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegt worden, es fehlt jedoch an einer Beschwer.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>1. Es handelt sich um eine Beschwerde des Klägers.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG können gegen den Beschluss nach § 33 Abs. 1 RVG die Antragsberechtigten Beschwerde einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 € übersteigt. Antragsberechtigt sind der Rechtsanwalt, der Auftraggeber, ein erstattungspflichtiger Gegner und in den Fällen des § 45 RVG die Staatskasse, § 33 Abs. 2 Satz 2 RVG.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Vorliegend wurde die Beschwerde vom 15. August 2018 zwar mit anwaltlichem Schriftsatz, allerdings ausdrücklich „namens und in Vollmacht des Klägers“ eingelegt, mithin von einem „Auftraggeber“ iSd. § 33 Abs. 2 Satz 2 RVG, d.h. einem Antragsberechtigten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Bereits wegen des eindeutigen Wortlauts scheidet eine Auslegung dahingehend, dass tatsächlich eine Beschwerde durch einen Rechtsanwalt im eigenen Namen gemeint gewesen sein sollte, aus. Dagegen spricht zudem, dass in der Beschwerdebegründung auch explizit darauf abgestellt wird, dass bei der Bestimmung des Gegenstandswertes auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers abzustellen sei.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Das Beschwerdegericht ist davon überzeugt, dass dem anwaltlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers bewusst ist, dass er das Recht hat, im eigenen Namen Streitwertbeschwerde einzulegen, wenn die Streitwertfestsetzung für die Berechnung der Anwaltsgebühren seiner Auffassung nach zu niedrig ausgefallen sein sollte. Wenn sodann gleichwohl formuliert wird, dass die Beschwerde "namens und in Vollmacht des Klägers" eingelegt wird, kann dies nicht anders ausgelegt werden als in dem Sinne, dass die Beschwerde im Namen der Mandantschaft und nicht im eigenen Namen eingelegt wird.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>2. Eine Beschwer des Klägers ist nicht erkennbar, worauf auch das Arbeitsgericht zutreffend in seiner Nichtabhilfeverfügung hingewiesen hat.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Im Rahmen der weiteren Ausführungen der Beschwerdebegründung wurde eine Beschwer des Klägers ebenfalls nicht dargelegt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Die vom Kläger begehrte Erhöhung des Gegenstandswertes für Klage und Vergleich würde allenfalls dazu führen, dass sein Rechtsanwalt ihm gegenüber eine höhere Vergütung fordern und ggf. festsetzen lassen könnte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>Eine Prozesspartei ist durch eine vermeintlich zu niedrige Festsetzung des Anwaltsgebührenstreitwerts regelmäßig nicht beschwert. Eine ausdrücklich in ihrem Namen erhobene Streitwertbeschwerde, die die Festsetzung eines höheren Streitwertes zum Ziel hat, ist daher regelmäßig unzulässig. Der Kläger persönlich ist durch den einen vermeintlich zu niedrigen Streitwert festsetzenden Beschluss des Arbeitsgerichts nicht beschwert. Der Kläger persönlich als Auftraggeber der anwaltlichen Dienstleistungen hat ein natürliches Interesse daran, die anwaltlichen Leistungen aus dem Mandatsvertrag mit seinem Prozessbevollmächtigten so günstig wie möglich einzukaufen. Dies gilt unabhängig davon, ob er für seine Verpflichtung, die Anwaltsgebühren zu bezahlen, eine Rechtschutzversicherung in Anspruch nehmen kann oder nicht. Je höher der Streitwert für die anwaltlichen Gebühren festgesetzt wird, desto höher fällt die gesetzliche Anwaltsvergütung aus. Dementsprechend liegt es nicht im Interesse des Klägers persönlich, eine vermeintlich zu niedrige Festsetzung des Anwaltsgebührenstreitwertes nach oben zu korrigieren (ebenso LAG Köln, Beschluss vom 26. August 2014 – 7 Ta 193/14 –, Rn. 4, juris).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Falls den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Schriftsatz vom 24. September 2018 entnommen werden soll, dass die Streitwertbeschwerde auch im eigenen Namen des Prozessbevollmächtigten eingelegt werden soll, ändert dies nichts an der Unzulässigkeit der Beschwerde; denn im Zeitpunkt des Eingangs des Schriftsatzes vom 24. September 2018 war die vierzehntägige Beschwerdefrist des § 33 Abs. 3 RVG längst abgelaufen. Eine rückwirkende Umwidmung der Person des Beschwerdeführers ist nicht möglich (LAG Köln, Beschluss vom 26. August 2014 – 7 Ta 193/14 –, Rn. 6, juris).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>III.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten war nicht veranlasst (§ 33 Abs. 9 Satz 2 RVG; vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, 47. Aufl., § 33 RVG Rn 26).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>Einer Ermäßigung der nach Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG zu Lasten des Beschwerdeführers anfallenden Gebühr oder einer Bestimmung, dass eine Gebühr nicht zu erheben ist, bedurfte es nicht. Eine solche käme nämlich nur in Betracht, wenn die Beschwerde nur teilweise verworfen oder zurückgewiesen wird (Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG, letzter Absatz).</p></dd>
</dl>
</div></div>
</div></div>
<a name="DocInhaltEnde"><!--emptyTag--></a>
</div>
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171,306 | lagk-2019-01-04-9-ta-20018 | {
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<p>Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnende Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 11.10.2018 – 6 Ca 2725/18  – abgeändert.</p>
<p>Der Klägerin wird für den ersten Rechtszug mit Wirkung ab dem 01.06.2018 derzeit ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt K bewilligt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><strong>I.</strong></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">                            Mit Schriftsatz vom 01.06.2018, am selben Tag beim Arbeitsgericht eingegangen, beantragte die schwangere Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den bereits anhängigen Rechtsstreit, in dem sie sich gegen eine Kündigung des Beklagten vom 16.04.2018 gewandt sowie Vergütungsansprüche für April 2018 und eine Verzugskostenpauschale geltend gemacht hat. Zugleich beantragte sie, die Erklärung zu den persönlichen Verhältnissen nachreichen zu dürfen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">                            Am 05.06.2018 erging gegen den Beklagten ein Anerkenntnisurteil, mit dem den Klageanträgen in vollem Umfang stattgegeben wurde.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">                            Am 04.07.2018 ging bei dem Arbeitsgericht die Erklärung der Klägerin zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ein. Mit Verfügung vom 05.07.2018 übertrug die Vorsitzende die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dem Rechtspfleger. Dieser gewährte der Klägerin die von ihr beantragte Fristverlängerung zur Beibringung der noch erforderlichen Unterlagen bis zum 10.09.2018 und ergänzend mit Verfügung vom 12.09.2018 eine weitere Frist zur Einreichung einer Lohnabrechnung binnen zwei Wochen, worauf die Klägerin mitteilte, dass sie keiner Erwerbstätigkeit nachgehe. Mit Verfügung vom 02.10.2018 empfahl der Rechtspfleger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmungen unter Hinweis auf die von ihm vorgenommene Berechnung.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">                            Mit Beschluss vom 11.10.2018 lehnte das Arbeitsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab, weil bis zum Abschluss des Rechtsstreits noch kein ordnungsgemäßer Prozesskostenhilfeantrag vorgelegen habe. Denn zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin noch keine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">                            Gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe wendet sich die am 19.10.2018 beim Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin. Sie rügt, dass das Arbeitsgericht verfahrenswidrig Prozesskostenhilfe abgelehnt habe. Über ihren Antrag vom 01.06.2018 auf Verlängerung der Frist zur Beibringung der notwendigen Erklärung habe das Arbeitsgericht nicht entschieden. Jedoch habe der Rechtspfleger die beantragte Fristverlängerung bewilligt. Zudem habe das Arbeitsgericht auf die nach seiner Ansicht vorliegende Rechtslage nicht hingewiesen und somit gegen § 139 ZPO verstoßen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><strong>II.</strong></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">                            Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin mit der Begründung zurückgewiesen, dass bis zum Abschluss des Rechtsstreits noch kein ordnungsgemäßer Prozesskostenhilfeantrag vorgelegen habe.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">1.)              a)              Allerdings ist das Arbeitsgericht im Grundsatz zutreffend davon ausgegangen, dass eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Instanzende grundsätzlich nicht mehr möglich ist. Zwar sieht das Gesetz eine Frist für den Prozesskostenhilfe-Antrag nicht vor. Prozesskostenhilfe darf jedoch nur für ein bevorstehendes oder laufendes Verfahren bewilligt werden. Denn Zweck der Prozesskostenhilfe ist, die Prozessführung zu ermöglichen, nicht aber, nachträglich der Partei die Kosten für einen bereits geführten Prozess abzunehmen oder ihrem Rechtsanwalt das Honorar zu beschaffen. Prozesskostenhilfe kann daher nicht bewilligt werden, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse weder vor der Beendigung des Verfahrens noch innerhalb einer vom Gericht gesetzten Nachfrist dargelegt und belegt werden. Nach Beendigung der Instanz ist eine Erfolg versprechende Rechtsverfolgung oder -verteidigung nicht mehr möglich (Geimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 117 ZPO, Rn. 2a, 2b). Die Bewilligung setzt daher voraus, dass zum Zeitpunkt der Erledigung des Hauptsacheverfahrens der Antrag entscheidungsreif war. Hierfür ist erforderlich, dass der Antragsteller durch einen formgerechten Antrag von seiner Seite aus alles für die Bewilligung Erforderliche oder Zumutbare getan hat. Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Abschluss der Instanz kommt nur in Betracht, wenn das Gericht eine Frist zur Nachreichung der fehlenden Unterlagen und Belege gesetzt hat und diese Frist eingehalten wurde (BAG, Beschluss vom 03. Dezember 2003 - 2 AZB 19/03 -, Rn. 10, juris; Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 27. Juni 2017 - 9 Ta 110/17 -, Rn. 2, juris; Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 29. Juni 2016 - 1 Ta 114/16 -, Rn. 3, juris).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">b)                            Das war hier aber der Fall. Die Klägerin hatte mit Schriftsatz vom 01.06.2018 beantragt, die Erklärung zu den persönlichen Verhältnissen nachreichen zu dürfen. Über diesen Antrag hat das Arbeitsgericht zwar nicht vor Erlass des Anerkenntnisurteils entschieden und keine entsprechende Frist gesetzt. Es hat jedoch den Rechtspfleger nach Eingang der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit deren Prüfung beauftragt. Dieser hat dann, wozu er nach § 118 Abs. 2 u. 4 ZPO, §§ 3, 20 Abs. 1 Nr. 4 a) RPflG befugt war, Fristen zur Beibringung weiterer Unterlagen gesetzt, die die Klägerin dann eingehalten hat. Sie hat damit das Erforderliche getan und eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe ermöglicht.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">2.)                            Aber selbst wenn der Rechtspfleger die Frist nicht eingeräumt hätte, wäre es dem Arbeitsgericht verwehrt gewesen, die Bewilligung der Prozesskostenhilfe mit der Begründung abzulehnen, dass bis zum Abschluss des Rechtsstreits noch kein ordnungsgemäßer Prozesskostenhilfeantrag vorgelegen habe.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">a)                            Jedoch ergibt sich dies nicht, wie die Klägerin meint, aus einem Verstoß des Arbeitsgerichts gegen Hinweispflichten. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das Arbeitsgericht weder nach § 118 Abs. 2Satz 4 ZPO noch nach § 139 ZPO verpflichtet, vor Beendigung des Rechtsstreits auf das Fehlen der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hinzuweisen, weil einem Rechtsanwalt die Notwendigkeit der Einreichung der formularmäßigen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bekannt sein müsse (BAG, Beschluss vom31. Juli 2017 – 9 AZB 32/17 –, Rn. 6, juris; BAG, Beschluss vom05. Dezember 2012 – 3 AZB 40/12 –, Rn. 11, juris). Es kann dahinstehen, ob dieser Rechtsprechung zu folgen ist oder ob die Zurückweisung von Unterlagen mit der Begründung, sie seien nicht vor Instanzende oder der gesetzten Nachfrist vorgelegt worden, einen vorherigen Hinweis auf die Mängel des Gesuchs voraussetzt (so Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 30. September 2013 - 11 Ta 177/13 -, Rn. 18, juris; dem folgend Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 27. Juli 2017 – 9 Ta 137/17 –, Rn. 3, juris). Eines solchen Hinweises hatte es im vorliegenden Fall ersichtlich schon deswegen nicht bedurft, weil die Problematik der Klägerin bekannt war. Denn sie hatte, anders als der Kläger in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall, der die Beibringung der Erklärung nach eigenen Angaben versehentlich versäumt hatte, ausdrücklich beantragt, die Erklärung nachträglich abgeben zu dürfen. Der Klägerin war daher die Notwendigkeit der Einreichung des Formulars über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bekannt (zu einer solchen Fallgestaltung BAG, Beschluss vom 05. Dezember 2012 – 3 AZB 40/12 –, Rn. 13, juris).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">b)                            Das Arbeitsgericht wäre aber gehalten gewesen, zunächst, also vor Beendigung des Rechtsstreits über den Antrag der kurz vor der Entbindung eines Kindes stehenden Klägerin zu entscheiden und ihr eine nachträgliche Beibringung der Erklärung zu ermöglichen. Die unterlassene Bescheidung eines Antrags auf Einräumung einer solchen Frist, die vorliegend durch den Rechtspfleger nachgeholt worden war, ist verfahrensfehlerhaft (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2018 – VIII ZB 61/17 –, Rn. 16, juris zur Nichtbescheidung eines Fristverlängerungsantrags). Die Einräumung einer solchen Frist wäre zudem unter dem vom Arbeitsgericht zu beachtenden Grundsatz der prozessualen Fairness (Art. 20 Abs. 3 GG) geboten gewesen, nachdem der Beklagte zuvor schon den Kündigungsschutzantrag und mit Schriftsatz vom 04.06.2018 die weiteren Klageanträge anerkannt hatte. Denn ab diesem Zeitpunkt hatte es die Klägerin nicht mehr in der Hand, eine Beendigung des Rechtsstreits durch Anerkenntnisurteil zu verhindern (vgl. Feskorn in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 307 ZPO, Rn. 6). Gemäß § 307 ZPO sind nämlich Grundlage eines Anerkenntnisurteils allein der Sachantrag der klagenden Partei und das Anerkenntnis der beklagten Partei. Ein auf den Erlass eines Anerkenntnisurteils gerichteten Verfahrensantrags bedarf es nicht. Es lag damit allein noch in der Hand des Arbeitsgerichts, die Beendigung des Rechtsstreits durch den Erlass des Anerkenntnisurteils herbeizuführen, auch wenn die Klägerin im hier vorliegenden Fall einen entsprechenden Verfahrensantrag im Schriftsatz vom 01.06.2018 und vom 11.06.2018 selbst gestellt hatte. Hierdurch unterscheidet sich der vorliegende Rechtsstreit von den Fällen, in denen die klagende Partei die Möglichkeit gehabt hätte, einen Vergleich zunächst abzulehnen oder den Erlass eines Versäumnisurteils nicht zu beantragen, und weiterhin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu verlangen (vgl. BAG, Beschluss vom 31. Juli 2017 – 9 AZB 32/17 –, Rn. 6, juris). Es widerspräche demgemäß den Grundsätzen eines fairen Verfahrens, die Bewilligung der Prozesskostenhilfe mit der Begründung abzulehnen, dass bis zum Abschluss des Rechtsstreits kein ordnungsgemäßer Prozesskostenhilfeantrag vorgelegen habe, wenn die  klagende Partei eine zu ihren Gunsten ausgehende Beendigung des Rechtsstreits nicht mehr in der Hand und das Gericht nicht die Möglichkeit eröffnet hatte, einen ordnungsgemäßen Antrag anzubringen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">2.)                            Die nach § 114 Abs. 1, 115 ZPO für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen Voraussetzungen liegen vor. Die Klage hatte hinreichende Aussicht auf Erfolg, was durch das uneingeschränkte Anerkenntnis des Beklagten belegt wird. Die Klägerin war und ist auch nicht in der Lage, die Kosten des Rechtsstreits ratenweise zu tragen. Dies ergibt sich aus der nicht zu beanstandenden Berechnung des Rechtspflegers (Bl. 27 der Akte). Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist erforderlich, wie auch der Beklagte durch einen Rechtsanwalt vertreten war (§ 121 Abs. 2 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">3.)                            Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.</p>
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} | 10 O 8/18 | 2019-01-04T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:47 | 2019-02-12T13:44:37 | Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil | ECLI:DE:LGD:2019:0104.10O8.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.304,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.12.2017 zu zahlen.</p>
<p>Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Tatbestand:</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten über die Rechtsfolgen des Widerrufs eines grundpfandrechtlich besicherten Verbraucherdarlehensvertrags, nachdem die Kammer mit – inzwischen rechtskräftigem – Urteil vom 08.04.2016 (10 O 396/14) festgestellt hatte, dass sich der zwischen den Parteien am 16.05.2008 geschlossene Darlehensvertrag durch die Widerrufserklärung der Klägerin vom 04.09.2014 in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt habe.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Hiernach erteilte die Beklagte eine Abrechnung der wechselseitigen Ansprüche, in der sie ihren Anspruch auf Rückgewähr der Darlehensvaluta bis zum Zeitpunkt der (geplanten) Ablösung mit dem vertraglich vereinbarten Sollzins von 4,55 % p. a. verzinste und der Klägerin bis zum Zeitpunkt des Widerrufs einen Nutzungsersatzanspruch in Höhe von in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, entsprechend 11.305,32 € brutto, zugutehielt. Hieraus ergab sich – nach Einbehalt von inzwischen an das Finanzamt abgeführter Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlags und Kirchensteuer in Höhe von insgesamt 3.136,40 € – per 31.01.2017 ein Saldo zu Lasten der Klägerin in Höhe von 22.415,77 €, welchen die Klägerin unter dem Vorbehalt der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit ausglich. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schreiben der Beklagten vom 13.12.2016 (Anlage K 2) und 30.01.2017 (Anlage K 4) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Im Nachgang ließ die Klägerin die Berechnungen der Beklagten durch den Kreditsachverständigen Prof. Dr. Wehrt überprüfen. Gestützt auf dessen Berechnungen, wegen deren Inhalts und Begründung auf das Anlagenkonvolut K 5 sowie die Anlagen K 7, K 9 und K 11 Bezug genommen wird, forderte sie die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 27.11.2017 unter Fristsetzung bis zum 11.12.2018 auf, an sie einen Betrag in Höhe von 42.058,40 € zu zahlen und verauslagte Sachverständigenhonorare in Höhe von 585,00 € und 225,00 € zu erstatten.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die – nach Mitteilung ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung „nicht unvermögende“ – Klägerin behauptet, die Beklagte habe aus den überlassenen Zins- und Tilgungsleistungen Nutzungen in Höhe der vom Sachverständigen Wehrt berechneten Eigenkapitalrendite gezogen, welche ihr – der Klägerin – bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Rückabwicklung zu ersetzen seien. Ferner ist sie der Ansicht, dass der Beklagten ab dem Zeitpunkt des Widerrufs nicht mehr der Vertragszins, sondern allenfalls Nutzungsersatz in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zustehe.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">1.              die Beklagte zu verurteilen, an sie 42.868,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.12.2017 zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">2.              die Beklagte zu verpflichten, an sie zur Erstattung der vorgerichtlichen Kosten weitere 1.706,94 € zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">In der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2018 hat sie die Klageforderung in Höhe von 1.304,92 € nebst beantragter Zinsen anerkannt. Im Übrigen tritt sie dem Vorbringen der Klägerin in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe:</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><strong>I.</strong></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist – mit Ausnahme des von der Beklagten anerkannten Betrages in Höhe von 1.304,92 € – unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagte die Klageforderung anerkannt hat, war sie ihrem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen (§ 307 S. 1 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die weitergehende Hauptforderung ist unbegründet. Die Ansprüche der Klägerin aus dem durch den Widerruf des Darlehensvertrags entstandenen Rückgewährschuldverhältnis (§ 357 Abs. 1 S. 1 BGB in der vom 02.12.2004 bis 10.06.2010 gültigen Fassung, im Folgenden: a. F., i. V. m. § 346 BGB) sowie auf Erstattung der nach dem Widerruf gezahlten Darlehensraten (§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Fall BGB) sind durch die von der Beklagten mit den Abrechnungsschreiben vom 13.12.2016 und 30.01.2017 erklärten Aufrechnungen erloschen (§ 389 BGB). Soweit die Klägerin im Zuge der zum 31.01.2017 erfolgten Ablösung eine Überzahlung geleistet hat, ist der hieraus folgende Bereicherungsanspruch (§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Fall BGB) bis auf den von der Beklagten anerkannten Betrag erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten insoweit lediglich (noch) über die Höhe und die zeitliche Reichweite des der Klägerin zustehenden Nutzungsersatzes für die von ihr überlassenen Zins- und Tilgungsleistungen (dazu siehe unter a)) sowie über die Berechtigung und die Höhe des von der Beklagten beanspruchten Wertersatzes für die fortdauernde Überlassung der Darlehensvaluta nach dem Widerruf (dazu siehe unter b)).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte schuldete der Klägerin gemäß § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. i. V. m. § 346 Abs. 1 BGB die Rückgewähr der bis zum Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 148.076,28 € sowie gemäß § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Fall BGB die Herausgabe der nach dem Widerruf gezahlten Raten in Höhe von (29 x 1.973,71 =) 57.237,59 € (vgl. Anlage 3 zum Anlagenkonvolut K 5). Insoweit besteht zwischen den Parteien kein Streit.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus schuldete die Beklagte der Klägerin gemäß § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. i. V. m. § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB Nutzungsersatz für die überlassenen Zins- und Tilgungsleistungen, dies jedoch lediglich in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz und lediglich bis zum Zeitpunkt des Widerrufs, mithin maximal in der von der Beklagten zugestandenen – den vom klägerischen Sachverständigen errechneten Betrag von 11.165,08 € (vgl. Anlage 3 zum Anlagenkonvolut K 5) sogar übersteigenden – Höhe von 11.305,32 €.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist widerleglich zu vermuten, dass die Beklagte aus ihr von der Klägerin überlassenen Zins- und Tilgungsraten Nutzungen (lediglich) in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen habe. Die in beide Richtungen widerlegliche Vermutung knüpft normativ spiegelbildlich an die Regelungen an, die die von den Banken beanspruchbaren Verzugszinsen normieren (hier: § 497 Abs. 1 S. 2 BGB in der vom 01.08.2002 bis 10.06.2010 gültigen Fassung). Sie ist unabhängig von der tatsächlichen Entwicklung am Zinsmarkt und wirkt sowohl zugunsten als auch zulasten beider Vertragsparteien (vgl. grundlegend BGH, Urteil vom 12.07.2016, XI ZR 564/15, Rn. 58).</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Den hiernach offen stehenden Nachweis eines höheren Gebrauchsvorteils der Beklagten hat die Klägerin nicht geführt.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">(1)</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Vermutung, der Darlehensgeber habe Nutzungen aus ihm überlassenen Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen, ist konkret bezogen auf die aus dem jeweiligen Darlehensvertrag erwirtschafteten Mittel zu widerlegen. Knüpft – wie oben ausgeführt – die in beide Richtungen widerlegliche Vermutung normativ spiegelbildlich an die Regelungen an, die die von den Banken beanspruchbaren Verzugszinsen normieren, muss Grundlage einer abweichenden konkreten Berechnung so wie nach § 497 Abs. 1 S. 3 BGB a. F. die Verwendung des konkret vorenthaltenen Geldbetrages sein. Folglich ist zur Widerlegung der Vermutung zur anderweitigen Nutzung der konkret überlassenen Mittel vorzutragen (vgl. zu den spiegelbildlichen Anforderungen an den Nachweis eines geringeren Gebrauchsvorteils durch den Darlehensgeber BGH, Urteil vom 25.04.2017, XI ZR 573/15, Rn. 18). Ebenso wenig wie hiernach der Darlehensgeber einen geringeren Gebrauchsvorteil z. B. durch den bloßen Hinweis auf die Nettozinsmarge aus seinem gesamten Kreditgeschäft darlegen kann, genügt für die Darlegung eines höheren Gebrauchsvorteils der allgemeine Vortrag des Darlehensnehmers, welchen Nutzen der Darlehensgeber bei einer bestimmten Verwendung der von ihm geleisteten Zahlungen, wie z. B. der Anlage in Dispositionskredite, hätte ziehen können (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 18.12.2017, 14 U 1221/16, WM 2018, S. 370, 371 f.).</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die mit dem Nachweis des konkreten Gebrauchsvorteils des Darlehensgebers verbundenen Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten des Darlehensnehmers werden durch die Vermutungsregel hinreichend ausgeglichen, ohne dass es zu deren Widerlegung weitergehender Beweiserleichterungen, wie z. B. einer sekundären Darlegungslast des Darlehensgebers, bedarf. Soweit die Klägerin insoweit gar eine Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten postuliert, verkennt sie das Wesen der – wie oben ausgeführt – auch zu ihren Lasten wirkenden Vermutung.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">(2)</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Nach dem vorstehenden Maßstab ist die vom Sachverständigen f) herangezogene (angebliche) Eigenkapitalrendite der Beklagten schon im Ansatz kein tauglicher Maßstab für die Höhe der aus geleisteten Darlehensraten gezogenen Nutzungen. Die vom klägerischen Sachverständigen zitierte – nicht veröffentlichte – Entscheidung des OLG Koblenz vom 28.09.2016 (10 U 453/15) ist insoweit schon deshalb unbehelflich, weil sie die Rückabwicklung einer fondsgebundenen Rentenversicherung betrifft, für die möglicherweise andere Maßstäbe gelten.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Das Eigenkapital der Banken dient im Wesentlichen der Risikobegrenzung und der Sicherung der Kundeneinlagen. Seine Rendite setzt sich aus der Gesamtheit der aus den verschiedenen getätigten Bankgeschäften erzielten Renditen zusammen, also nicht nur aus den Renditen getätigter Kreditgeschäfte, sondern u. a. auch aus Renditen anderer Bankgeschäfte, wie etwa dem Emissions- und dem Anlageberatungsgeschäft, dem Investmentbanking oder anderen von Banken getätigten Kapitalanlagen. Schon deshalb lässt die Höhe der Eigenkapitalrendite, die im Übrigen typischerweise um so geringer ausfällt, je höher die Eigenkapitalquote der Bank ist, keinen tauglichen Rückschluss darauf zu, die Bank habe aus Darlehensraten Nutzungen in dieser Höhe gezogen. Es tritt hinzu, dass Banken Kredite typischerweise überwiegend nicht aus dem Eigenkapital vergeben, sondern aus Fremdmitteln refinanzieren. Die aus Rückzahlungen gezogenen Nutzungen bestehen dann je nach konkreter Verwendung der Rückzahlungen entweder nur in eingesparten Schuldzinsen in Höhe der Differenz zwischen dem vertraglich vereinbarten Zins und dem Refinanzierungszins (vgl. BGH, Urteil vom 25.04.2017, XI ZR 573/15, Rn. 23) oder – etwa bei Verwendung des Zinsanteils für Neukredite – aus dem Zinssatz des Neukredits, wobei bei dieser Betrachtung Kosten und etwaige Ausfallrisiken von Neukrediten noch mindernd in Abzug zu bringen wären. Die Eigenkapitalrendite ist daher für die Schätzung oder den Nachweis aus den Ratenzahlungen gezogener Nutzungen kein tauglicher Maßstab (vgl. OLG Zweibrücken, Urteil vom 23.11.2016, 7 U 62/16, Rn. 117 f.; im Ergebnis ebenso OLG Brandenburg, Urteil vom 14.02.2018, 4 U 37/17, Rn. 74).</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Der im klägerischen Schriftsatz vom 17.07.2018 (Bl. 32 ff. d. A.) wiedergegebenen, den vorstehend zitierten Ausführungen des Oberlandesgerichts Zweibrücken „jegliche wirtschaftswissenschaftliche, insbesondere betriebswirtschaftliche Kompetenz“ absprechenden Polemik des Sachverständigen f) vermag die Kammer keine in rechtlicher Hinsicht beachtlichen Argumente zu entnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">cc)</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">In der Zeit nach dem Widerruf sind dagegen weitere Ansprüche der Klägerin auf Nutzungsersatz, die sie der Beklagten entgegenhalten könnte, nicht zur Entstehung gelangt. Denn die zugrunde liegenden Hauptansprüche der Klägerin auf Rückgewähr ihrer Zins- und Tilgungsleistungen sind durch die Aufrechnung der Beklagten gemäß § 389 BGB rückwirkend auf den Zeitpunkt der Entstehung des Rückgewährschuldverhältnisses am 04.09.2014 (hinsichtlich der bis zum Widerruf gezahlten Raten) bzw. rückwirkend auf den jeweiligen Leistungszeitpunkt (hinsichtlich der nach dem Widerruf gezahlten Raten) erloschen und können damit nicht Grundlage für Folgeansprüche sein (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 01.06.2016, 4 U 125/15, Rn. 134, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 18.04.2017, 6 U 36/16, Rn. 105, juris; OLG Nürnberg, Urteil vom 29.05.2017, 14 U 118/16, Rn. 60, juris). Soweit § 389 BGB es dem Schuldner ermöglicht, seiner Verpflichtung mit Rückwirkung nachzukommen und infolgedessen so behandelt zu werden, als hätte er seine Verpflichtung bereits im Zeitpunkt der (erstmaligen) Entstehung der Aufrechnungslage erfüllt, ist er jedenfalls von solchen in der Zeit bis zur Aufrechnungserklärung entstandenen Folgeansprüchen freizustellen, die ihren Rechtsgrund gerade in der Nichterfüllung des Anspruchs finden (OLG Nürnberg, a. a. O.).</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Im Gegenzug schuldete die Klägerin der Beklagten gemäß § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. i. V. m. § 346 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB die Rückzahlung der Darlehensvaluta in Höhe von 190.000,00 € sowie die Leistung von Wertersatz für die Gebrauchsvorteile aus dem jeweils noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta in Höhe von 39.626,09 € (bis zum 04.09.2014, vgl. Anlage 3 zum Anlagenkonvolut K 5) und weiteren 4.964,54 € (bis zum 31.01.2017, vgl. Anlage K 12).</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Der Wertersatzanspruch des Darlehensgebers besteht auch nach dem Widerruf bis zur Beendigung der Gebrauchsüberlassung durch die vollständige Rückführung der Darlehensvaluta fort (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.01.2013, 6 U 64/12, Rn. 37, juris; Beschluss vom 17.08.2017, 6 U 229/16, n. v.; Beschluss vom 31.07.2018, I-6 U 162/17, n. v.; Beschluss vom 17.04.2018, I-16 U 84/17, n. v.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.02.2016, 17 U 77/15, Rn. 43, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 27.04.2016, 23 U 50/15, Rn. 75, juris; OLG Brandenburg, Urteil vom 01.06.2016, 4 U 125/15, Rn. 131, juris; KG Berlin, Urteil vom 06.10.2016, 8 U 228/15, Rn. 104, juris; Urteil vom 14.02.2018, 4 U 37/17, Rn. 100, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 18.04.2017, 6 U 36/16, Rn. 120 f., juris; OLG Nürnberg, Urteil vom 29.05.2017, 14 U 118/16, Rn. 58, juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.10.2017, 4 U 40/16, Rn. 44, juris OLG Hamburg, Urteil vom 24.01.2018, 13 U 242/16, Rn. 55, juris).</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Für die Berechnung des Wertersatzes ist auf der Grundlage der Verweisung des § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. nach § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und S. 2 Hs. 1 BGB grundsätzlich der Vertragszins maßgeblich (BGH, Urteil vom 12.09.2017, XI ZR 365/16, Rn. 10). Dies gilt auch über den Zeitpunkt der Widerrufserklärung hinaus bis zur Rückzahlung der Darlehensvaluta (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.01.2013, 6 U 64/12, Rn. 37, juris; Beschluss vom 17.08.2017, 6 U 229/16, n. v.; Beschluss vom 31.07.2018, I-6 U 162/17, n. v.; Beschluss vom 17.04.2018, I-16 U 84/17, n. v.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.02.2016, 17 U 77/15, Rn. 43, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 27.04.2016, 23 U 50/15, Rn. 75, juris; OLG Brandenburg, Urteil vom 01.06.2016, 4 U 125/15, Rn. 131, juris; KG Berlin, Urteil vom 06.10.2016, 8 U 228/15, Rn. 104, juris; Urteil vom 14.02.2018, 4 U 37/17, Rn. 100, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 18.04.2017, 6 U 36/16, Rn. 120 f., juris; OLG Nürnberg, Urteil vom 29.05.2017, 14 U 118/16, Rn. 58, juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.10.2017, 4 U 40/16, Rn. 44, juris OLG Hamburg, Urteil vom 24.01.2018, 13 U 242/16, Rn. 55, juris).</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Der – soweit ersichtlich, nur vom 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Urteil vom 30.04.2018, I-9 U 89/17, Rn. 53 ff., juris) vertretenen – Gegenauffassung, wonach § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. in Verbindung mit § 346 Abs. 2 BGB nur bis zum Zugang der Widerrufserklärung anwendbar sei mit der Folge, dass nicht nur der Anspruch des Darlehensnehmers auf Rückgewähr der nach diesem Zeitpunkt erbrachten Zins-und Tilgungsleistungen (vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2017, XI ZR 467/15, Rn. 20), sondern auch der Wertersatzanspruch des Darlehensgebers für die Kapitalüberlassung ab diesem Zeitpunkt nach Bereicherungsrecht zu beurteilen seien, vermag die Kammer aus nachstehenden Gründen nicht zu folgen.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">(1)</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Unzutreffend ist bereits die dieser Auffassung zugrunde liegende Annahme, das lediglich faktische Belassen der Darlehensvaluta beim Darlehensnehmer nach dem Widerruf stelle eine Leistung des Darlehensgebers im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Fall BGB dar. Vielmehr ist der Wertersatzanspruch in seiner Entstehung § 346 Abs. 2 BGB zuzuordnen; denn bei der Kapitalüberlassung handelt es sich um eine Leistung, die in Vollzug des noch nicht widerrufenen Darlehensvertrages erbracht wurde (OLG Stuttgart, Urteil vom 18.04.2017, 6 U 36/16, Rn. 121, juris). Bereits zu diesem Zeitpunkt wird die Darlehensvaluta aus dem Vermögen des Darlehensgebers ausgeschieden und dem Vermögen des Darlehensnehmers zugeführt. Da sich an dieser Vermögenszuordnung weder durch den Widerruf noch durch ein anschließendes Untätigbleiben des Darlehensgebers etwas ändert – zumal dieses Untätigbleiben regelmäßig aus der Überzeugung von der Unwirksamkeit des Widerrufs resultieren dürfte –, kann schwerlich von einer nach Widerruf erbrachten Leistung des Darlehensgebers im Sinne einer bewussten und zweckgerichteten Vermehrung fremden Vermögens gesprochen werden.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">(2)</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Im Übrigen ist für eine Anwendung der §§ 812 ff. BGB auch deshalb kein Raum, weil § 357 BGB a. F. hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs eine abschließende Sonderregelung trifft (vgl. § 357 Abs. 4 BGB: „Weitergehende Ansprüche bestehen nicht.“). Dem Wortlaut der Norm kann eine zeitliche Begrenzung bis zum Zugang der Widerrufserklärung nicht entnommen werden. Die Gesetzgebungsgeschichte spricht gegen eine solche Begrenzung:</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Die eine Vergütungspflicht explizit nur bis zum Zeitpunkt des Widerrufs regelnde Vorschrift des § 361a Abs. 2 S. 6 BGB in der bis zum 31.12.2001 gültigen Fassung wurde im Zuge der Schuldrechtsreform nicht übernommen. Die ab dem 13.06.2014 geltende Neuregelung des § 357a Abs. 3 S. 1 BGB, die die Rechtsfolgen des Widerrufs von den allgemeinen Rücktrittsvorschriften entkoppelt, sieht explizit vor, dass der vereinbarte Sollzins „für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens“ zu zahlen ist. Aus den Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drucks. 17/12637, S. 65) ergibt sich, dass der Gesetzgeber hiermit lediglich die Rechtsfolgen fortschreiben wollte, die sich nach seiner Auffassung zuvor aus der Verweisung in § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. auf § 346 Abs. 2 S. 2 BGB ergaben (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 29.05.2017, 14 U 118/16, Rn. 58, juris). Hierfür spricht auch, dass bereits die – spätestens zum 12.05.2010 umzusetzende – Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.04.2008 in Art. 14 Abs. 3 b) die Verpflichtung des sein Widerrufsrecht ausübenden Verbrauchers vorsah, „das Darlehen einschließlich der bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehens aufgelaufenen Zinsen“ zurückzuzahlen. Demzufolge hätte der Gesetzgeber spätestens im Jahr 2010 das Regelungsgeflecht der §§ 357, 346 ff. BGB ändern müssen, wenn er der Auffassung gewesen wäre, dass diese Regelungen nur eine Verzinsung bis zum Zeitpunkt des Widerrufs vorsahen (vgl. OLG Nürnberg, a. a. O.).</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">(3)</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Schließlich sprechen auch systematische Gründe nicht für eine Begrenzung des Regelungsgehalts des § 346 BGB auf den Zeitraum bis zum Zugang der Widerrufserklärung. Die von der Gegenauffassung angestellte Erwägung, eine Verpflichtung des mit der Erfüllung seiner Rückgewährpflichten nicht in Verzug befindlichen Verbrauchers zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe des Vertragszinses würde diesen gegenüber einem Verbraucher benachteiligen, der sich wegen eines den Annahmeverzug begründenden Rückgewährangebots der Bank in Verzug befinde (OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.04.2018, I-9 U 89/17, Rn. 58, juris), trifft bereits im Ansatz nur unter den gegenwärtigen geldpolitischen Bedingungen zu, d. solange der Basiszins – wie zur Zeit – negativ oder jedenfalls so niedrig ist, dass der hieran anknüpfende Verzugszins den – regelmäßig vor Beginn der derzeit herrschenden „Niedrigzinsphase“ vereinbarten – Vertragszins unterschreitet. Wird demgegenüber in einer „Hochzinsphase“ ein in einer „Niedrigzinsphase“ geschlossener Darlehensvertrag widerrufen, kehrt sich dieses Verhältnis um. Die Gegenauffassung lässt zudem außer Acht, dass Ansprüche wegen Verzögerung der Erfüllung von Rückgewährpflichten nach den §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB nicht an die Stelle der Ansprüche auf Wertersatz nach § 346 Abs. 1 und 2 BGB treten, sondern konkurrierend neben diese. Dies bedeutet, dass ein Anspruch auf Verzugszinsen insoweit nicht besteht, als für denselben Zeitraum bereits ein Wertersatzanspruch wegen der unterlassenen Rückzahlung geltend gemacht wird, aber etwa ein in der Vorenthaltung der Nutzungen selbst liegender Nachteil unter dem Gesichtspunkt des Verzugs auszugleichen ist (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl. 2018, § 346 Rn. 6 mit Verweis auf BGH, Urteil vom 25.04.2017, XI ZR 573/15, Rn. 44).</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">cc)</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Den auch nach § 346 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 BGB offen stehenden Nachweis eines niedrigeren, d. h. unterhalb des Vertragszinses liegenden, Gebrauchsvorteils hat die Klägerin nicht geführt. Es kann dahinstehen, ob der maßgebliche Vergleichswert auch für den Zeitraum nach Widerruf anhand der Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. BGH, Urteil vom 12.09.2017, XI ZR 365/16, Rn. 12 unter Verweis auf OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.01.2013, 6 U 64/12, Rn. 36, juris) oder nach den im Zeitpunkt des Widerrufs marktüblichen Zinskonditionen zu bestimmen ist (so OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.04.2018, I-9 U 89/17, Rn. 59, juris). Denn die Klägerin hat nichts dazu vorgetragen, zu welchen Konditionen sie das Darlehen im September 2014 hätte umschulden können. Soweit sie sich die Stellungnahme des Sachverständigen f) vom 02.12.2018 (Anlage K 11) zu eigen macht, in der (unter III.) pauschal ausgeführt ist, die Konditionen eines festverzinslichen Grundpfanddarlehens für kurzfristige Laufzeiten von 0,25 Jahren bis zu einem Jahr seien mit einer Verzinsung in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz „gut eingefangen“, vermag dies einen konkreten Sachvortrag nicht zu ersetzen. Für eine tatsächliche Vermutung dahingehend, dass der marktübliche Zins „etwa“ 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz betrage (in diesem Sinne – ohne nachvollziehbare Begründung und unter offensichtlich verfehltem Rückgriff auf die Zinsstatistik der Bundesbank im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – die Hilfserwägung des 9. Zivilsenats des OLG Düsseldorf, a. a. O.), ist jedenfalls im Rahmen des § 346 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 BGB, bei dem es gerade um die Widerlegung einer gesetzlichen Vermutung geht, kein Raum.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">dd)</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Zwar kann der Darlehensnehmer der Konsequenz, weiterhin Vertragszinsen zahlen zu müssen, obwohl der Vertrag widerrufen ist, dadurch entgehen, dass er den Darlehensgeber in Annahmeverzug setzt. Denn danach schuldet er allenfalls in Anwendung des § 302 BGB die Herausgabe tatsächlich gezogener Gebrauchsvorteile, etwa in Form ersparter Zinsen wegen der Verzögerung der beabsichtigten Umschuldung (OLG Stuttgart, Urteil vom 18.04.2017, 6 U 36/16, Rn. 121, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.07.2018, I-6 U 162/17, n. v.). Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs, der u. a. voraussetzen würde, dass die Klägerin die von ihr selbst nach § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. i. V. m. § 346 BGB geschuldeten Leistungen in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hätte (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 21.02.2017, XI ZR 467/15, Rn. 28), hat die Klägerin jedoch weder im Vorprozess, in dem ihr Antrag auf Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Restvaluta im Annahmeverzug befinde, rechtskräftig abgewiesen worden ist, noch im vorliegenden Rechtsstreit dargetan.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">ee)</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Schließlich hat die Beklagte bei ihrer zuletzt angestellten, vom klägerischen Sachverständigen mit dem Ergebnis einer – von der Beklagten anerkannten – Differenz in Höhe von 47,43 € überprüften Berechnung (vgl. Anlagen B 6, K 12) berücksichtigt, dass sich der – von der Beklagten mit 81.552,82 €, von der Klägerin mit 81,552,81 € angegebene – Widerrufssaldo durch die erklärte Aufrechnung rückwirkend um den Bruttobetrag des der Klägerin zustehenden Nutzungsersatzes (siehe oben) verringert hat (§ 389 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Nach alledem standen am 31.01.2017 Ansprüchen der Klägerin in Höhe von (maximal) 216.619,19 € Ansprüche der Beklagten in Höhe von 234.593,63 € aufrechenbar gegenüber. Auf den sich hieraus ergebenden, vom Sachverständigen Wehrt auf 17.974,45 € (vgl. Anlage K 11 unter IV.) berechneten Aufrechnungssaldo zugunsten der Beklagten hat die Klägerin im Zuge der Ablösung 22.415,77 € gezahlt, mithin zunächst eine Überzahlung in Höhe von 4.441,32 € geleistet.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Den der Klägerin hieraus erwachsenen Bereicherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Fall BGB hat die Beklagte in Höhe von 3.136,40 € durch die nachfolgend unstreitig erfolgte Abführung der von ihr auf den Nutzungsersatz zu entrichtenden Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer an das Finanzamt erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Durch die Vorschriften über den Steuerabzug wird die Regel, dass der Schuldner den geschuldeten Betrag unmittelbar an den Gläubiger zu zahlen hat, im Verhältnis zwischen der Bank als Schuldnerin und ihrem Kunden als Gläubiger teilweise durchbrochen. Der Leistung an den durch das Abzugsverfahren gesetzlich ermächtigten Steuergläubiger durch die Bank als Steuerentrichtungspflichtige kommt, wenn der Steuerentrichtungspflichtige die Steuer – wie hier – bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung abgeführt hat, Erfüllungswirkung gemäß § 362 Abs. 1 BGB im Verhältnis zwischen der Bank und dem Kunden zu, wobei Gerichte anderer Gerichtsbarkeiten als der Finanzgerichtsbarkeit die Berechtigung des Abzugs nicht überprüfen, sofern für den Steuerentrichtungspflichtigen nicht eindeutig erkennbar war, dass eine Verpflichtung zum Abzug nicht bestand (vgl. BGH, Urteil vom 25.04.2017, XI ZR 573/15, Rn. 41 f.). Der hiernach verbleibende Betrag in Höhe von 1.304,92 € entspricht der von der Beklagten anerkannten Forderung.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Ein Anspruch auf Erstattung der vor Klageerhebung verauslagten Sachverständigenkosten steht der Klägerin ebenso wenig zu wie ein Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Die vor Klageerhebung verauslagten Honorare des Sachverständigen f) in Höhe von 585,00 € und 225,00 € waren zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung schon nicht erforderlich, da die mit diesen Honoraren vergüteten Berechnungen – wie oben im Einzelnen aufgezeigt – in weiten Teilen unbrauchbar sind.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten stellen – auch nicht im Hinblick auf den obsiegenden Teil der Klage – keinen gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 S. 1 BGB ersatzfähigen Verzugsschaden dar, da sie bereits durch das Aufforderungsschreiben vom 27.11.2017 (Anlage K 5) entstanden sind und die Beklagte sich zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht in Verzug mit der Erstattung der nach diesem Urteil geleisteten Überzahlung der Klägerin befand.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks"><strong>II.</strong></p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 1, § 709 S. 1 und 2 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks"><strong>III.</strong></p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Der Streitwert wird auf 42.868,40 € festgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsbehelfsbelehrung:</strong></p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite <span style="text-decoration:underline">www.justiz.de</span>.</p>
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<p/><p>Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 27. November 2018 – 5 L 1920/18 – wird zurückgewiesen.</p><p>Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.</p><p>Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,- EUR festgesetzt.</p>
<h2>Gründe</h2>
<p/>
<p><strong>I.</strong></p>
<p><rd nr="1"/>Der Antragsteller wendet sich gegen ein dem Beigeladenen im Juli 2017 genehmigtes Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück und begehrt gleichzeitig die Einstellung der Arbeiten durch die Antragsgegnerin.</p>
<p><rd nr="2"/>Der Antragsteller ist Eigentümer des Anwesens A-Straße (Parzelle Nr. 640/56 in Flur 8 der Gemarkung S). Daran schließt sich die bisher unbebaute Parzelle Nr. 642/58 (Anwesen „Nr. 27“) an. Das folgende Grundstück (Parzelle Nr. 644/59) des Vaters des Beigeladenen ist insoweit grenzständig mit dem Wohnhaus Nr. 29 bebaut. Darin befinden sich im Erdgeschoss neben der Wohnung auch Büroräume des als selbständiger Hausverwalter tätigen Beigeladenen und in dem Obergeschoss beziehungsweise im Dachgeschoss zwei weitere Wohnungen. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „W...“ der Antragsgegnerin aus dem Jahr 1968, der hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ein Allgemeines Wohngebiet (§ 4 BauNVO 1962) festsetzt. Für die Parzelle Nr. 642/58 ist ein Baufenster mit rückwärtiger und seitlicher Baugrenze mit Abstand zur Grenze des Grundstücks des Antragstellers sowie einer zum L Weg hin festgesetzten Baulinie ausgewiesen.</p>
<p><rd nr="3"/>Im Juli 2017 erteilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen im vereinfachten Verfahren eine Baugenehmigung zur „Errichtung einer Garage mit vier Stellplätzen“ auf der Parzelle Nr. 642/58.(vgl. den Bauschein der Antragsgegnerin vom 18.7.2017 – 20170143 –) In den genehmigten Bauvorlagen ist das 9,60 m x 12,48 m große Garagengebäude rechtsseitig zur Straße hin auf der Baulinie und ansonsten innerhalb der festgesetzten überbaubaren Grundstücksfläche als Anbau mit der Rückseite an die geschlossene Giebelwand des Hauses Nr. 29 sowie mit vier Einfahrtstoren nach Osten zum Grundstück des Antragstellers hin dargestellt. Der Abstand der Vorderseite des Gebäudes zu dessen Grenze ist mit 6 m angegeben. Belege für eine Bekanntgabe der Genehmigung an den Antragsteller enthält die Akte nicht.</p>
<p><rd nr="4"/>Zur Begründung seines etwa mit Beginn der Arbeiten im Juli 2018 erhobenen Widerspruchs machte der Antragsteller geltend, nach dem Stand der Erdarbeiten habe der geschaffene Hang eine Höhe von vier bis fünf Metern und falle ohne Absicherung „senkrecht ab“. Hier sei ein Abrutschen zu befürchten. Es sei nicht einzusehen, dass die Garage nicht wie bei den anderen Anwesen im L. Weg zur Straße hin angeordnet werden solle und dass stattdessen entlang seiner Grenze eine Zufahrt außerhalb des Baufensters genehmigt worden sei. Das habe unzumutbare Immissionen auf seinem Grundstück zur Folge. Sein Grundstück sei bereits 1963 vor Erlass des Bebauungsplans grenzständig bebaut worden. Gleichzeitig forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin zum bauaufsichtsbehördlichen Einschreiten auf.</p>
<p><rd nr="5"/>Anfang November suchte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz nach. Zur Begründung führte er aus, das genehmigte Vorhaben sei nach Aussagen eines Mitarbeiters des im Verfahren nicht beteiligten Stadtplanungsamts der Antragsgegnerin bauplanungsrechtlich nicht genehmigungsfähig, da die Fläche außerhalb des festgesetzten Baufensters bis zur Grenze seines Grundstücks von Bebauung freizuhalten sei. Die dort geplante Auffahrt sei mithin unzulässig. Weiterhin habe man ihm mitgeteilt, dass die geplante Garage, sofern sie für eine kommerzielle Nutzung oder eine Vermietung an Dritte vorgesehen sei, planungsrechtlich nicht zulässig sei, weil das Anwesen seines Vaters bereits über vier Garagen verfüge. Zudem seien Stellplätze und Garagen so anzuordnen, dass ihre Nutzung die Gesundheit nicht schädige und das Arbeiten und Wohnen, die Ruhe und die Erholung in der Umgebung durch Lärm, Abgase und Gerüche nicht über das zumutbare Maß hinaus störe. Stellplätze und Garagen müssten zudem unter Berücksichtigung eines angemessenen Stauraumes auf möglichst kurzem Wege von den öffentlichen Verkehrsflächen aus zu erreichen sein. Durch die genehmigte Anordnung der Garagen verlaufe die Zufahrt aber unmittelbar entlang seines Grundstücks. Ferner müsse der durch die Abgrabung entstandene Hang von etwa vier bis fünf Metern zwingend vor Errichtung der Garagen abgefangen werden, da sonst auch sein Grundstück die Stütze verliere. Der Antragsteller legte ferner ein Gutachten zur Standsicherheit seines Anwesens vor.</p>
<p><rd nr="6"/>Die Antragsgegnerin hat unter anderem vorgetragen, es lasse sich nicht feststellen, dass die Festsetzungen über die überbaubaren Grundstücksflächen hier nachbarschützend sein sollten. Die Festsetzungen des Bebauungsplans würden auch eingehalten. Die Belegenheit der Zufahrt außerhalb des Baufensters führe nicht zur bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit. Durch das Anwesen L. Weg Nr. 29 werde ein Stellplatzbedarf von 6,5 Stellplätzen ausgelöst. Dieses sei mit zwei Stellplätzen in einer Doppelgarage genehmigt und errichtet worden. In dem Anwesen werde eine im Wohngebiet zulässige freiberufliche Tätigkeit ausgeübt, die einen höheren Stellplatzbedarf auslöse. Dieser werde durch die genehmigte Garage befriedigt. Für eine über die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf hinausgehende kommerzielle Nutzung oder Vermietung lägen keinerlei Anhaltspunkte vor. Mangels besonderer Festsetzungen sei die Garage und erst Recht die Zufahrt zur Garage außerhalb des Baufensters zulässig. Zudem wäre die parallele Anordnung der Garagen mit verkehrsrechtlichen Gesichtspunkten sowie Aspekten der Gefahrenabwehr nicht vereinbar. Auch sei der Wegfall von Parkmöglichkeiten aus straßenverkehrsrechtlichen und städtebaulichen Gründen nicht vertretbar. Da keine Gründe ersichtlich seien, dass die Baugenehmigung nachbarrechtswidrig sei, sei es nicht gerechtfertigt, eine Ausführung des Gesamtvorhabens bis zum Abschluss eines voraussichtlich Jahre währenden Nachbarrechtsstreits zu unterbinden. Ferner sei weder die Standsicherheit des Hauses noch die Tragfähigkeit des Grundstücks des Antragstellers gefährdet noch drohe der Hang abzurutschen. Nach einer fachtechnischen Untersuchung durch einen Statiker sei nicht davon auszugehen, dass durch die Abtragung des Erdreiches die Standsicherheit der Außenwand des Hauses des Antragstellers beeinträchtigt werde. Die Abgrabung sei ferner nicht akut setzungsgefährdet, da der Boden an dieser Stelle tragfähig sei. Auf die Eingaben des Antragstellers hin habe ihre Bauaufsicht den Hang wiederholt in Augenschein genommen. Eine unmittelbare Gefahr eines Abrutschens des Hangs bestehe nicht. Dem Beigeladenen sei im Rahmen einer Ortskontrolle im November 2018 aufgegeben worden, den Hang durch eine Folie vor Niederschlagswasser zu schützen. Dieser sei der Aufforderung umgehend nachgekommen. Danach bestehe keine konkrete Gefahr, dass der Hang seine Stütze verlieren würde.</p>
<p><rd nr="7"/>Der Beigeladene hat geltend gemacht, der Antragsteller habe in der Vergangenheit ohne Baugenehmigung eine über 12 m lange und über 3 m hohe Garage mit Lagerraum sowie eine Dachterrasse an der Grundstücksgrenze errichtet. Bei der in seinem Privatgutachten thematisierten Bebauung oberhalb der Böschung handele es sich um zwei im Katasterplan nicht verzeichnete Häuser, die direkt auf der Grundstücksgrenze errichtet worden seien. Seine geplanten Garagen hätten einen Grenzabstand von 6 m und beeinträchtigten den Antragsteller in keiner Weise. Nachdem das Privatgutachten vorgelegen habe, habe die Antragsgegnerin einen Ortstermin durchgeführt, bei dem festgestellt worden sei, dass sich im Abgrabungsbereich überwiegend Fels und lediglich über dem Felshorizont Erdreich befinde. Die Standsicherheit seiner Böschung sei allein seine Sache und tangiere den Nachbar in keiner Weise. Unabhängig davon werde zur Hangsicherung im Rahmen der Baumaßnahme eine statisch nachgewiesene Gabionenwand errichtet. Er realisiere keine Baumaßnahme, die nicht standsicher sei. Sein Vater verfüge in seiner Eigenschaft als Dipl.-Ingenieur, Entwurfsverfasser und Bauleiter seines Bauvorhabens über jahrzehntelange berufliche Erfahrungen in der Ausführung von wesentlich komplexeren Großbauprojekten.</p>
<p><rd nr="8"/>Das Verwaltungsgericht hat die Anträge Ende November 2018 zurückgewiesen. In den Gründen der Entscheidung heißt es unter anderem, eine Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung im Verhältnis zum Antragsteller könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Baugenehmigung dem Beigeladenen im vereinfachten Verfahren mit gesetzlich beschränktem Entscheidungsprogramm erteilt worden sei. Deshalb scheide eine Rechtswidrigkeit der angegriffenen Baugenehmigung insbesondere wegen einer Verletzung des § 47 Abs. 5 LBO von vornherein aus. Eine Verletzung abstandsflächenrechtlicher Vorschriften scheide ebenfalls aus. Die Garage solle grenzständig zur Parzelle Nr. 644/59 errichtet werden und zum Grundstück des Antragstellers einen mehr als ausreichenden Abstand einhalten. Auch sonst sei kein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften ersichtlich. Für die Beurteilung sei nur der Regelungsinhalt der Genehmigungsentscheidung und nicht eine davon gegebenenfalls abweichende Bauausführung maßgeblich. Das Vorhaben des Beigeladenen widerspreche zunächst nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans „W...". Die Garage genüge den Anforderungen des § 12 Abs. 2 BauNVO, wonach in Allgemeinen Wohngebieten Stellplätze und Garagen nur für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf zulässig seien. Nach der Betriebsbeschreibung diene die Garage ausschließlich dem auf dem Anwesen L. Weg Nr. 29 stehenden Gebäude. Für eine Fremdvermietung der Garagen gebe es keine Anhaltspunkte. Soweit die geplante Auffahrt über eine Fläche außerhalb des Baufensters führe, ergebe sich daraus keine Verletzung von Rechten des Antragstellers. Es sei davon auszugehen, dass die vorliegende Festsetzung über die überbaubaren Grundstücksflächen nicht nachbarschützend sei, da sich im konkreten Fall der notwendige dahingehende Regelungswille der plangebenden Gemeinde nicht feststellen lasse. Außerdem liege auch keine Verletzung der entsprechenden Festsetzung vor. Die Garage einschließlich ihrer Zufahrt sei innerhalb des festgesetzten Baufensters genehmigt worden. Dass die Garage nur erreicht werden könnte, indem von der Straße aus eine Fläche überfahren wird, die nicht innerhalb des Baufensters liege, widerspreche nicht dem Bebauungsplan. Im Bebauungsplan seien keine Flächen festgesetzt, die nicht überfahren werden dürften. Die Baugenehmigung führe ferner nicht zu einer Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Vorhaben für den Antragsteller schlechthin unzumutbare Auswirkungen habe. Zwar befinde sich die Zufahrt zu seinem Grundstück hin. Die Garage diene aber ausschließlich dem auf dem Anwesen L. Weg Nr. 29 stehenden Gebäude, weshalb eine wohngebietsunverträgliche Nutzung fernliegend erscheine. Beeinträchtigungen aufgrund des Zu- und Abgangsverkehrs, der durch eine in Wohngebieten zulässige Nutzung ausgelöst werde, seien von Nachbarn grundsätzlich hinzunehmen. Daher komme eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers nicht in Betracht. Dieser habe auch keinen Anspruch auf eine Baueinstellung im Hinblick auf eine Verletzung bauordnungsrechtlicher Vorschriften. Dies gelte insbesondere mit Blick auf § 13 Abs. 1 Satz 2 LBO, wonach die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrunds der Nachbargrundstücke nicht gefährdet werden dürften. Nach derzeitigen Erkenntnissen sei nicht festzustellen, dass die Ausführung des Vorhabens des Beigeladenen maßgebliche Auswirkungen auf die Standsicherheit des Gebäudes des Antragstellers haben werde. Der Beigeladene sei verpflichtet, die Bauarbeiten nach den Regeln der Baukunst ausführen zu lassen. Dazu gehöre es, die Abgrabungsarbeiten so durchzuführen, dass es nicht zu einer Gefährdung der Standsicherheit des Gebäudes des Antragstellers komme. Auch bei mehrmaligen Kontrollen der Antragsgegnerin sei nicht festzustellen gewesen, dass die durchgeführten Erdarbeiten einen Einfluss auf die Standsicherheit der Gebäude auf dem Grundstück des Antragstellers gehabt hätten. Hinsichtlich der Standsicherheit der auf dem Grundstück des Beigeladenen durch die Abgrabung von Erdreich entstandenen Böschung sei schon nicht ersichtlich, inwieweit sich ein mögliches Abrutschen auf das Grundstück des Antragstellers auswirken könnte. Zudem sei die Böschung von Mitarbeitern der Antragsgegnerin in Augenschein genommen und dem Beigeladenen aufgegeben worden, diese mit Folien abzudecken, damit es nicht auf Grund von Regenfällen zu Rutschungen kommen könne. Dem ist der Beigeladene nachgekommen. Da auch ansonsten keine Gründe dafür vom Antragsteller glaubhaft gemacht worden seien, habe auch der Antrag auf Baueinstellung keinen Erfolg.</p>
<p><rd nr="9"/>Gegen diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts richtet sich das Rechtsmittel des Antragstellers.</p>
<p><strong>II.</strong></p>
<p><rd nr="10"/>Die gemäß § 146 VwGO statthafte Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 27.11.2018 – 5 L 1920/18 –, mit dem der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der durch § 212a Abs. 1 BauGB entfallenen aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 18.7.2017 für die „Errichtung einer Garage mit vier Stellplätzen“ auf der Parzelle Nr. 642/58 in Flur 8 der Gemarkung S sowie auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Einstellung der Bauarbeiten zurückgewiesen wurde, muss ohne Erfolg bleiben. Das Verwaltungsgericht hat diesen Anträgen auch unter Berücksichtigung des den Prüfungsumfang des Rechtsmittelgerichts begrenzenden Beschwervorbringens (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) zu Recht nicht entsprochen.</p>
<p>A.</p>
<p><rd nr="11"/>Mit dieser Maßgabe ist auch für das Rechtsmittelverfahren davon auszugehen, dass der Aussetzungsantrag des Antragstellers nicht begründet ist.</p>
<p><rd nr="12"/>Die allgemein für derartige Nachbarrechtsbehelfsverfahren nach den §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO geltenden Maßstäbe hat das Verwaltungsgericht in der erstinstanzlichen Entscheidung zutreffend dargelegt. Danach setzt der Erfolg eines solchen Aussetzungsbegehrens über eine Feststellung der objektiven Rechtswidrigkeit, die keinen Grund darstellt, dem Nachbarinteresse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung den Vorrang einzuräumen, hinaus das (voraussichtliche) Vorliegen einer für den Erfolg jedes Nachbarrechtsbehelfs notwendigen Verletzung einer auch dem Schutz des jeweiligen Rechtsbehelfsführers dienenden Vorschrift des materiellen öffentlichen Rechts voraus (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO entspr.). Im Anwendungsbereich des vereinfachten Verfahrens nach § 64 LBO 2015 kann sich eine solche Rechtsverletzung durch die Genehmigungsentscheidung ferner nur aus der Nichtbeachtung materiell-rechtlicher Bestimmungen – generell nicht aus Verfahrensvorschriften – ergeben, die nach dem § 64 Abs. 2 LBO 2015 zum Prüfungs- und Entscheidungsprogramm der Genehmigungsbehörde gehören. Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Nachbarrechtsbehelfs gegen eine Baugenehmigung kommt insoweit nur in Betracht, wenn die notwendig „überschlägige“ Kontrolle zumindest gewichtige Zweifel an der rechtlichen Unbedenklichkeit der Genehmigung gerade mit Blick auf die Position des konkreten Nachbarn ergibt.(vgl. dazu etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 2.1.2018 – 2 B 820/17 –, SKZ 2018, 138, Leitsatz Nr. 30, ständige Rechtsprechung) Dass dies hier nicht der Fall ist, hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt. Das Vorbringen in der Beschwerdebegründung vom 21.12.2018 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Dabei wird von der Zulässigkeit des erst etwa ein Jahr nach der Erteilung der Baugenehmigung erhobenen Widerspruchs des Antragstellers ausgegangen.</p>
<p><rd nr="13"/>1. Im genannten Sinne gewichtige Zweifel an der nachbarrechtlichen Unbedenklichkeit des hier genehmigten Vorhabens ergeben sich zunächst nicht im Hinblick auf die Festsetzungen des Bebauungsplans „W...“ aus dem Jahre 1968 über die überbaubaren Grundstücksflächen. Der Antragsteller wendet insoweit ein, das Verwaltungsgericht sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass diese nicht nachbarschützend seien. Sein Gebäude auf der Parzelle Nr. 640/56 (Nr. 25) sei bereits 1963 errichtet und damals bereits vorhanden gewesen, weswegen der Satzungsgeber seinerzeit durch die von der gemeinsamen Grenze abgerückte linke Baugrenze auf der Parzelle Nr. 642/58 einen Abstand zu seinem Gebäude habe gewahrt sehen wollen. Dieser Einschätzung kann nicht gefolgt werden.</p>
<p><rd nr="14"/>Da die Festsetzungen auch hinsichtlich der seitlichen Baugrenze ausweislich des genehmigten Ergänzungsplans mit dem Garagengebäude selbst unschwer erkennbar eingehalten werden und die Zufahrt zu den Garagen im Bereich der Grenze zum Grundstück des Antragstellers weder ein Gebäude noch ein Gebäudeteil (der Garage) im Sinne des nach § 23 Abs. 3 BauNVO (1962) ist, würde sich hierbei die Frage stellen, ob auch eine mit „Rasengittersteinen“ teilbefestigte Zufahrt zu den Garagen überhaupt im Sinne der bewusst über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als eine über § 23 Abs. 5 BauNVO – mangels Vorgaben im Bebauungsplan – nach Satz 2 durch Einzelfallentscheidung zulassungsbedürftige, sonstige selbständige und für sich nicht abstandsflächenrechtlich relevante „bauliche Anlage“ anzusehen ist.(vgl. hierzu grundlegend BVerwG, Urteile vom 7.6.2001 – 4 C 1.01 –, BRS 64 Nr. 79, BauR 2001, 1698, wonach § 23 BauNVO aus der Zielsetzung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB auszulegen ist, die Festsetzung von Baugrenzen die von der Gemeinde gewünschte "offene Bauweise" unterstreichen soll und dieses Ziel unterlaufen würde, wenn eine bauliche Anlage, welche bauplanerisch weder "Gebäude" noch "Nebenanlage" ist, als Hauptnutzung "vor der Baugrenze" ohne weiteres zulässig wäre; und vom 21.3.2013 – 4 C 14.11 –, BauR 2013, 1236, BRS 81 Nr. 101, zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche der Sätze 1 und 2 des § 23 Abs. 5 BauNVO;) Schon das erscheint sehr fernliegend. Im Übrigen ist die Zufahrt Bestandteil der Genehmigung und wäre damit zugelassen.</p>
<p><rd nr="15"/>Einer Beantwortung dieser Fragen bedarf es vorliegend nicht. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ergeben sich keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass die linksseitige Festsetzung der Baugrenze auf dem Baugrundstück konkret zugunsten des Grundstücks des Antragstellers vom Plangeber mit nachbarschützender Wirkung versehen worden ist. Der Antragsteller möchte dies daraus herleiten, dass er selbst sein Haus vor dem Erlass des Planes auf der rechten Nachbargrenze zum Baugrundstück hin errichtet hat. Dabei ist im Grundsatz davon auszugehen, dass Festsetzungen nach § 23 BauNVO über die überbaubaren Grundstücksflächen durch die Ausweisung von Baugrenzen und Baulinien ebenso wie Festsetzungen über das zugelassene Maß baulicher Nutzung in Bebauungsplänen (§§ 16 ff. BauNVO)(vgl. hierzu grundlegend BVerwG, Beschluss vom 23.6.1995 – 4 B 52.95 –, BRS 57 Nr. 209, wo die Übertragung des Gedankens der „Schicksalsgemeinschaft“ hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung auf diese anderen Festsetzungen ausdrücklich abgelehnt wurde) wegen eines insoweit regelmäßig nicht feststellbaren Austauschverhältnisses unter den Eigentümern der Grundstücke im Plangebiet und wegen ihrer regelmäßig allein städtebaulichen Zielrichtung nur ausnahmsweise nachbarschützend sind, wenn sich im konkreten Fall ein dahingehender Regelungswille der plangebenden Gemeinde, hier der Antragsgegnerin, feststellen lässt. Zwar trifft es zu, dass sich ein solcher Wille zur nachbarschützenden Ausgestaltung der jeweiligen Festsetzung im Einzelfall auch aus der Planzeichnung und aus den jeweiligen örtlichen Verhältnissen im Wege einer Interpretation ermitteln lassen kann.(vgl. dazu OVG des Saarlandes, Urteil vom 28.8.2018 – 2 A 158/18 –, IBR 2018, 706) Dafür spricht hier aber nichts. Aus dem bei den Bauakten befindlichen Auszug aus dem zeichnerischen Teil der Festsetzungen ergibt sich vielmehr, dass das als grenzständiger Bestand ausgewiesene Gebäude des Antragstellers auf der Parzelle Nr. 640/56 selbst nicht den Vorstellungen des Plangebers entsprach. Auch für dieses Grundstück ist dort eine entsprechend seitlich von der Grenze und zudem von der Straße (Baulinie) abgerückte Festsetzung („Baufenster“) dargestellt. Davon ausgehend ließe sich über ein nachbarliches Austauschverhältnis vom Konzept her im Ansatz nachdenken. Da das Haus des Antragstellers aber selbst in mehrfacher Hinsicht den Vorgaben des Plangebers nicht entspricht, würde im Ergebnis zumindest eine Berufungsmöglichkeit des Antragstellers auf die Baugrenzenfestsetzung bezüglich der Parzelle Nr. 642/58 ausscheiden. Spätestens von daher müsste dem Einwand nicht weiter nachgegangen werden. Das legt übrigens nahe, dass sich der Antragsteller, dessen Haus selbst die Festsetzungen nicht einhält, generell nicht mit Erfolg gegen ein entsprechendes „Heranrücken“ auf dem Nachbargrundstück zur Wehr setzen könnte.</p>
<p><rd nr="16"/>2. Der Antragsteller macht im weiteren geltend, das Vorhaben möge „formal betrachtet“ in ein allgemeines Wohngebiet „passen“, wie es hier im Bebauungsplan „W...“, damals unter Rückgriff auf den § 4 BauNVO 1962, festgesetzt wurde. Wenn man dieser Feststellung folgt, schließt dies bereits die Annahme einer subjektiven Rechtverletzung des Antragstellers durch die wegen der „formalen“ Maßgeblichkeit allein des Inhalts der Baugenehmigung für die nachbarrechtliche Beurteilung in Anfechtungsstreit aus. Der weitere Vortrag des Antragstellers, an der erstinstanzlichen Entscheidung bestünden aus den von ihm erstinstanzlich vorgetragenen Gründen „erhebliche Zweifel“, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Soweit es den hierbei angesprochenen Gesichtspunkt der Zulässigkeit des Vorhabens unter dem Aspekt der (festgesetzten) Art der baulichen Nutzung angeht, ist allein eine auf „Nachfassen“ des Antragstellers hin angeblich von einem Mitarbeiter des Standplanungsamts der Antragsgegnerin, auf dessen „ordnungsgemäße“ rein behördeninterne Beteiligung in dem Baugenehmigungsverfahren(vgl. – ohne dass es darauf hier ankäme – dazu die bei der UBA am 12.7.2017 eingegangene Antwort des Stadtamtes 61 – Stadtplanungsamt – („Stellungnahme zum Bauplanungsrecht“)) es übrigens für die Beurteilung der Außenrechtsbeziehung zwischen den privaten Beteiligten dieses Verfahrens beziehungsweise von Abwehransprüchen des Antragstellers gegen die Baugenehmigung vom 18.7.2017 nicht ankommt, gemachte Äußerung, dass eine „kommerzielle Nutzung oder Vermietung“ nicht zulässig sei, auch hier nicht maßgeblich. Ungeachtet der schon vom Verwaltungsgericht aufgeworfenen Frage, ob es sich dabei nach dem maßgeblichen Genehmigungsinhalt nicht ohnehin um eine genehmigungsabweichende Nutzung handeln würde, ist die über die entsprechenden Festsetzungen (§ 1 Abs. 3 BauNVO) die Baugebietsvorschriften für Wohngebiete in den §§ 3, 4 BauNVO (1962) ergänzende Vorschrift des § 12 Abs. 2 BauNVO (1962), wonach auch mit Wirkung für den sogenannten Gebietserhaltungsanspruch(vgl. dazu grundlegend BVerwG, Urteil vom 16.9.1993 – 4 C 28.91 –, BRS 55 Nr. 110, zu einer Nachbaranfechtungsklage gegen eine Baugenehmigung für 5 Garagen in einem reinen Wohngebiet) die Zulässigkeit von Garagen in diesen Gebieten auf den „durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf“ beschränkt wird, nicht grundstücksbezogen, sondern in Anlehnung an die frühere Rechtsprechung zur Reichsgaragenordnung (RGaO)(vgl. die bis 1986 geltende Verordnung über Garagen und Einstellräume (Reichsgaragenordnung - RGaO -) vom 17.2.1939 (Reichsgesetzblatt I, Seite 219), in der erstmals die Stellplatzpflicht bei Neubauten geregelt worden war) stets gebietsbezogen zu interpretieren und ließe von daher in dem Rahmen auch eine Überlassung an Dritte zu.(vgl. dazu etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 19.1.1998 – 2 V 13/97 –, Leitsatz in SKZ 1998, 248, wonach der „Bedarf“ insbesondere nicht notwendig durch die Anzahl der notwendigen Stellplätze begrenzt wird; vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 26.6.2017 – 2 A 151/17 –, BauR 2017, 1738, zu Stellplätzen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Kindertagesstätte; dazu auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 20.9.2017 – 1 ME 117/17 –, bei juris) Die räumliche Umgrenzung des im jeweiligen Fall für die Beurteilung maßgeblichen „Gebiets“ ist eine Frage des Einzelfalls.(vgl. dazu und zu den engen Grenzen einer gegebenenfalls sogar das „festgesetzte“ Gebiet räumlich übergreifenden Bedarfsdeckungsmöglichkeit Bitz/Schwarz u.a., Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp. XI, Rn 137; OVG des Saarlandes, Urteile vom 27.9.1988 – 2 R 136/86 – und vom 30.8.1994 – 2 R 8/94 –, BRS 56 Nr. 121, sowie die Beschlüsse vom 12.4.1999 – 2 W 1/99 und 2 W 2/99 –, SKZ 1999, 282, Leitsatz Nr. 53; dazu auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.11.2017 – 2 S 20.17 –, bei juris, wonach Stellplatzanlagen in allgemeinen Wohngebieten die Gebietstypik nicht von vorneherein in Frage stellen, sondern im Gegenteil typischerweise gebietsverträglich sind, dies grundsätzlich auch für reine Stellplatz- oder Garagengrundstücke gilt, auf denen wenigstens ein Teil des innergebietlichen Bedarfs gedeckt wird, und hinsichtlich der Emissionen, die durch eine nach § 12 Abs. 2 BauNVO zugelassene Stellplatznutzung verursacht werden, für den Regelfall von einer Vermutung der Nachbarschaftsverträglichkeit auszugehen ist) Dass die Stellplätze in der streitigen Garage in diesem Sinne nicht „bedarfsorientiert“ sind beziehungsweise damit gebietsfremden Zwecken dienen sollen, macht der Antragsteller nicht geltend. Die von ihm aufgeworfene Frage eines bei Überschreitung der notwendigen Stellplätze (§ 47 Abs. 1 LBO 2015) zu führenden konkreten „Bedarfsnachweises“(so der Antragsteller unter Verweis auf Fickert/Fieseler, BauNVO, 13. Auflage 2019, § 12 Rn 6) rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme einer Nachbarrechtsverletzung. Abgesehen davon, dass der Antragsteller mit dem Bauantrag bereits unter dem 15.2.2017 eine (nur) auf den Bedarf des Grundstücks seines Vaters bezogene Stellplatzberechnung vorgelegt hat, die bereits insoweit einen Fehlbedarf von 4,5 Stellplätzen ausweist, können diese Fragen vorliegend keiner abschließenden Klärung zugeführt werden. Sie wären also gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren einer näheren Betrachtung zuzuführen, wobei allerdings gegenwärtig nichts für eine im oben genannten Verständnis „bedarfsüberschreitende“, und damit bereits einen Gebietserhaltungsanspruch des Antragstellers auslösende Anlage spricht.(vgl. dazu allgemein Bitz/Schwarz u.a., Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp. XI, Rn 135 und 136) Die vom Antragsteller zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1995(vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.9.1995 – 4 NB 24.94 –, BRS 57 Nr. 78) betraf die einer am Maßstab des § 12 Abs. 2 BauNVO in dem dort betrachteten Wohngebiet nicht bedarfsgerechten Tiefgarage mit 380 Stellplätzen zugerechnete Zufahrt, die aus Sicht des Gerichts dort entsprechend zu beurteilen war. Darum geht es hier aber nicht, da – wie erwähnt – hier alles dafür spricht, dass es sich in dem vorliegenden Fall um die Zufahrt zu einer in dem konkreten Allgemeinen Wohngebiet zulässige Garage mit vier Stellplätzen handelt.</p>
<p><rd nr="17"/>3. Soweit der Kläger ferner unter Rücksichtnahmegesichtspunkten (§ 15 BauNVO) für ihn unzumutbare und damit nicht hinnehmbare Störungen infolge der Benutzung der Garagenzufahrt für den Zu- und Abgangsverkehr beziehungsweise die mit seinerseits erwarteten „16 Fahrvorgängen“ am Tag verbundenen Immissionen geltend macht, spricht ebenfalls nichts durchgreifend für das Vorliegen eines Nachbarrechtsverstoßes durch das genehmigte Bauvorhaben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist sind – ganz allgemein – durch die Nutzung von Stellplätzen und Garagen hervorgerufene Immissionen auch in ruhigen Wohngebieten von den Bewohnern zu tolerieren und begründen – vorbehaltlich, hier nicht ersichtlicher, besonderer Verhältnisse im Einzelfall, wie sie in der vom Antragsteller zitierten Entscheidung des OVG Koblenz(vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 27.6.2002 – 1 A 11669/99 –, BauR 2003, 368, BRS 65 Nr. 143, unter Verweis auf die Maßgeblichkeit der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls) bezogen auf den dortigen Fall angenommen wurden – keine nachbarlichen Abwehransprüche.(vgl. dazu beispielsweise OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 26.6.2017 – 2 A 151/17 –, BauR 2017, 1738, m.w.N., zu mehreren Stellplätzen für eine Kindertagesstätte, und vom 28.1.2016 – 2 B 236/15 –, juris, zu einer im Wege einer Befreiung von einer Grünflächenfestsetzung zugelassenen Herstellung einer 3,80 m breiten, etwa 100 m bis 120 m langen gepflasterten Zufahrt zu zwei Wohngebäuden unmittelbar entlang der Nachbargrenzen; speziell für die im Rahmen des baurechtlichen Nachbarstreits unter dem Aspekt des Rücksichtnahmegebots vorzunehmende Interessenbewertung beispielsweise OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 4.7.2016 – 2 A 161/16 –, SKZ 2017, 68, Leitsatz Nr. 28, vom 4.12.2008 – 2 A 228/08 –, LKRZ 2009, 142, vom 30.3.2012 – 2 A 317/11 –, SKZ 2012, 171, Leitsatz Nr. 22, und vom 24.5.2012 – 2 A 395/11 –, SKZ 2012, 173, Leitsatz Nr. 25; weitere Nachweise bei Bitz/Schwarz u.a., Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kap. XI, Rn 110 ff.) In Fällen, in denen ausschließlich Wohnzwecken dienende Gebäude Genehmigungsgegenstand sind, sind die Beeinträchtigungen aufgrund des dabei zu erwartenden Zu- und Abgangsverkehrs von Nachbarn auch in reinen Wohngebieten grundsätzlich hinzunehmen, weil die durch die Benutzung in diesen Fällen verursachten Beeinträchtigungen auch in Wohngebieten zu den von der Nachbarschaft in aller Regel nicht abwehrbaren „Alltagserscheinungen“ gehören.(vgl. dazu OVG des Saarlandes, Beschluss vom 30.8.2016 – 2 B 224/16 –, SKZ 2017, 69, Leitsatz Nr. 31) Bei der Bedarfsdeckung im Sinne des § 12 Abs. 2 BauNVO dienenden Stellplätzen ist daher im Regelfall auch von einer Nachbarverträglichkeit der durch die Stellplatznutzung verursachten Immissionen auszugehen.(vgl. auch dazu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.11.2017 – 2 S 20.17 –, bei juris, wonach das sowohl für die mit der Stellplatznutzung üblicherweise einhergehende Lärmbelästigung als auch für etwaige Abgas- und Lichtemissionen gilt, die nach der Wertung des Gesetzgebers als sozialadäquat hinzunehmen sind) Das gilt hier insbesondere deswegen, weil die angefochtene Baugenehmigung nur eine von ihrem Umfang her „überschaubare“ Anzahl von vier Stellplätzen an einer Stelle zulässt. Es geht hier entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht um eine „Massierung“ von Stellplätzen und erst Recht nicht um eine solche in einem rückwärtigen „Gartenbereich“.</p>
<p><rd nr="18"/>Von daher wird der Rechtsbehelf des Antragstellers gegen die Baugenehmigung vom 18.7.2017 in der Hauptsache nach gegenwärtigem Stand aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist daher nicht veranlasst.</p>
<p>B.</p>
<p><rd nr="19"/>Da der Beschwerdevortrag sich nicht mit möglicherweise ein bauaufsichtliches Einschreiten gebietenden Nachbarrechtsverstößen außerhalb des Prüfungsprogramms des vereinfachten Genehmigungsverfahrens (§ 64 Abs. 2 Satz 1 LBO 2015) beziehungsweise mit den – insoweit ebenfalls überzeugenden – Ausführungen zum Nichtbestehen eines Einschreitensanspruchs des Antragstellers auf der Grundlage des § 81 LBO 2015 (Baueinstellung) unter dem Aspekt von erstinstanzlich noch bezogen auf das eigene Anwesen geltend gemachten Standsicherheitsbedenken (§ 13 Abs. 1 Sätze 2 und 3 LBO 2015) befasst, kann und muss hierauf schon nach Maßgabe des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO durch den Senat nicht weiter eingegangen werden.</p>
<p><rd nr="20"/>Daher war die Beschwerde insgesamt zurückzuweisen.</p>
<p><strong>III.</strong></p>
<p><rd nr="21"/>Der seitens des Antragstellers zweitinstanzlich gestellte Antrag auf Erlass einer vorläufigen Baueinstellung für die Dauer des Beschwerdeverfahrens im Wege einer Zwischenentscheidung auf der Grundlage des Art. 19 Abs. 4 GG ist durch den Abschluss des Rechtsmittelverfahrens erledigt.</p>
<p><strong>IV.</strong></p>
<p><rd nr="22"/>Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.</p>
<p><rd nr="23"/>Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 47 GKG.</p>
<p><rd nr="24"/>Der Beschluss ist nicht anfechtbar.</p>
|
|
161,452 | ovgnrw-2019-01-04-1-b-91618 | {
"id": 823,
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} | 1 B 916/18 | 2019-01-04T00:00:00 | 2019-01-16T07:00:08 | 2019-02-12T13:44:08 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2019:0104.1B916.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.</p>
<p>Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren und– unter entsprechender Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts – auch für das Verfahren erster Instanz wird jeweils auf 2.500 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die fristgerecht dargelegten Beschwerdegründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 i. V. m. Satz 1 und 3 VwGO) geben keine Veranlassung, dem Rechtsmittel stattzugeben, nämlich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts mit dem Tenor</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">„Es wird bis zur Entscheidung in der Hauptsache festgestellt, dass die Ehefrau des Antragstellers berücksichtigungsfähige Angehörige des Antragstellers nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 Satz 1 Bundesbeihilfeverordnung ist“</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">dahin abzuändern, dass der entsprechende Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt wird.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin stellt mit ihrem Beschwerdevorbringen nicht in Frage, dass der streitgegenständliche Antrag statthaft sowie im Übrigen zulässig ist und dass für die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung ein Anordnungsgrund besteht. Sie tritt vielmehr allein der in dem angegriffenen Beschluss vertretenen Auffassung entgegen, dass für das Sachbegehren auch ein Anordnungsanspruch bestehe, weil mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Erfolg in der Hauptsache auszugehen sei.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat den Anordnungsanspruch wie folgt begründet: Auf den Antragsteller als Soldaten der Bundeswehr fänden § 80 BBG und die Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) entsprechende Anwendung. Seine Ehegattin, die Beamtin im Dienst des Beigeladenen ist, zähle grundsätzlich – d. h. vorbehaltlich der hier nicht streitgegenständlichen Einkommensgrenze – zu den nach § 4 Abs. 1 BBhV berücksichtigungsfähigen Personen. Auch § 5 Abs. 1 Nr. 2 BhV schließe die Berücksichtigungsfähigkeit nicht aus, weil dessen Voraussetzungen nicht vorlägen. Die Ehefrau des Antragstellers sei während ihrer Elternzeit nicht Beihilfeberechtigte aus einem Dienstverhältnis. Der Begriff der „Beihilfeberechtigung aus einem Dienstverhältnis“ sei in der Bundesbeihilfeverordnung nicht definiert. Zwar möge der Bundesgesetz- bzw. ‑verordnungsgeber vor dem Hintergrund der Rechtslage im Recht der Bundesbeamten (Fortbestand der Beihilfeberechtigung während der Elternzeit) davon ausgegangen sein, dass eine von der Beihilfeberechtigung des Ehegatten abgeleitete Beihilfeberechtigung gegenüber einer eigenen Beihilfeberechtigung subsidiär sei. Maßgeblich für die Beantwortung der Frage, ob eine Beihilfeberechtigung aus einem Dienstverhältnis (auch für den Fall der Inanspruchnahme von Elternzeit) bestehe, sei unter Beachtung der betreffenden Zuständigkeiten und Kompetenzen jedoch die Regelung in dem Recht, das für den zu betrachtenden Ehegatten im konkreten Fall gelte. Das sei hier das Beamten-/Beihilferecht des Landes Nordrhein-Westfalen. Der dortige Landesgesetz- und ‑verordnungsgeber habe die Beihilfeberechtigung für den Fall der Elternzeit anders als im Bund geregelt. Aus dem dort gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 64 Abs. 5 Satz 1 LBG NRW gewährten „Anspruch auf Leistungen der Krankenfürsorge in entsprechender Anwendung der Beihilferegelungen“ folge nicht die „Beihilfeberechtigung aus einem Dienstverhältnis“ im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BBhV. Eine solche sei vielmehr nach dem eindeutigen Wortlaut ausgeschlossen worden. In die gleiche Richtung weise zudem § 64 Abs. 5 Satz 2 LBG NRW, wonach ein Anspruch auf Leistungen der Krankenfürsorge (im Sinne des Satzes 1) nicht bestehe, wenn die Beamtin berücksichtigungsfähige Angehörige eines Beihilfeberechtigten werde. Damit solle primär der abgeleitete Beihilfeanspruch greifen. Das verdeutliche die dortige Formulierung („wird“). Sie deute darauf hin, dass für den Zeitraum der Elternzeit ein Beamter sein bisheriges Sicherungssystem durchaus verlassen und berücksichtigungsfähiger Angehöriger eines anderen Sicherungssystems werden könne. Gemessen hieran ergebe sich auch unter Berücksichtigung der von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für die Konkurrenz der hier in Rede stehenden Beihilfeträger kein überzeugendes anderes Ergebnis. Die weiter angeführte Einschätzung der Bund-Länder-Kommission habe rechtlich keine Relevanz.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Dem setzt die Beschwerdebegründung keine Argumente von Gewicht entgegen, welche die Einschätzung, ein Erfolg des Antragstellers sei auch im Hauptsacheverfahren sehr wahrscheinlich, ernstlich in Frage stellen. Die Darlegungen sind zum großen Teil bereits nicht zielführend, weil die Antragsgegnerin die tragenden Gründe der angefochtenen Entscheidung anscheinend missverstanden hat.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Entgegen den Ausführungen auf Seite 2 oben der Beschwerdebegründung hat das Verwaltungsgericht <span style="text-decoration:underline">nicht</span> die Auffassung vertreten, der „Beihilfeanspruch“ (genauer: der Anspruch auf Krankenfürsorge entsprechend den Beihilferegelungen) gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen (das Verwaltungsgericht hatte irrtümlich das Land als Dienstherrn der Ehegattin des Antragstellers angesehen) bzw. – richtig – gegenüber dem Beigeladenen folge während der Elternzeit „nicht aus einem Dienstverhältnis“. Der Antragsgegnerin ist darin zuzustimmen, dass das Dienstverhältnis der Ehegattin des Antragstellers als Beamtin auch während der Elternzeit fortbesteht, diese Rechtsbeziehung namentlich nicht unterbrochen oder aufgehoben worden ist. Etwas anderes hat aber auch das Verwaltungsgericht bei verständiger Würdigung seiner Ausführungen nicht angenommen. Es hat geprüft, ob die tatbestandliche Voraussetzung „Beihilfeberechtigung aus einem Dienstverhältnis“ insgesamt vorliegt, und dies im Ergebnis verneint. Problematisch ist in diesem Zusammenhang vor allem, ob das Merkmal der Beihilfeberechtigung erfüllt ist. An dieses Merkmal knüpft die Argumentation des Verwaltungsgerichts (ab Seite 6 Mitte bis Seite 7, vorletzter Absatz, des amtl. Abdrucks) der Sache nach jedenfalls mit an. Zu dessen Auslegung verhält sich die Beschwerdebegründung aber – wenn überhaupt – allenfalls am Rande.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Darüber, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Beihilfeberechtigung besteht, d. h. ein Beamter beihilfeberechtigt ist, hat grundsätzlich der jeweilige Dienstherr bzw. der für diesen zuständige Gesetz- und/oder Verordnungsgeber zu entscheiden. Für die Frage einer (nicht abgeleiteten) Beihilfeberechtigung der Ehegattin des Antragstellers kommt es deswegen – insoweit unstreitig – auf die einschlägigen Regelungen im Beamten-/Beihilferecht des Landes Nordrhein-Westfalen an.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 LBG NRW sind „beihilfeberechtigt“ Beamtinnen und Beamte mit Anspruch auf Besoldung. Dem entspricht die Regelung in § 1 BVO NRW. Dort ist in Absatz 1 Nr. 1 bestimmt, dass (u. a.) Beamte Beihilfe erhalten, solange sie Dienstbezüge (…) erhalten. Den Dienstbezügen sind in der Vorschrift bestimmte andere Bezügearten gleichgestellt, die vorliegend keine Bedeutung haben. Nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen besteht während der Elternzeit eine Beihilfeberechtigung der Ehegattin des Antragstellers nicht, weil Beamte während dieser Zeit keine Besoldung erhalten (§ 9 FrUrlV NRW). Stattdessen wird – als staatliche soziale Leistung – ein Elterngeld gezahlt (vgl. näher §§ 1 ff. BEEG).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">§ 74 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 64 Abs. 5 Satz 1 LBG NRW bestimmt (vorbehaltlich der Ausschluss-/Subsidiaritätsklausel in Satz 2 der letztgenannten Norm) für die dem Beamtenrecht des Landes Nordrhein-Westfalen unterfallenden Beamtinnen/Beamten für die Dauer der Elternzeit einen „Anspruch auf Leistungen der Krankenfürsorge in entsprechender Anwendung der Beihilferegelungen für Beamtinnen und Beamte mit Besoldung“. Diese nur wegen der Anspruchsinhalte und auch insoweit nur entsprechend an die im Beihilferecht für Beamte mit Besoldung vorgesehenen Ansprüche anknüpfende, eigenständige Regelung der Krankenfürsorge des Dienstherrn enthält ausgehend von Wortlaut und Gesetzessystematik (mit großer Wahrscheinlichkeit) keine modifizierende oder ergänzende Regelung in Bezug auf die allgemeinen Kriterien für die Beihilfeberechtigung im Sinne der § 75 LBG NRW, § 1 BVO NRW. Dass hier vielmehr (u. a.) für den Zeitraum der Elternzeit eine besondere Regelungstechnik verwandt wurde, zeigt ein Vergleich mit der insoweit einschlägigen Regelung im Beihilferecht des Bundes. § 2 Abs. 2 Satz 2 BBhV bezieht die Fallgruppe, dass Bezüge wegen Elternzeit nicht gezahlt werden, ausdrücklich in die in § 2 BBhV getroffene Regelung der beihilfeberechtigten Personen und der Voraussetzungen für die Beihilfeberechtigung ein. Solches hätte auch im Beihilferecht des Landes Nordrhein-Westfalen in vergleichbarer Weise erfolgen können, ist dort aber – aus der objektiven Fassung des Gesetzes erkennbar – offenbar bewusst nicht geschehen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Vor diesem Hintergrund kommt es hier wesentlich auf die Auslegung des Begriffs „Beihilfeberechtigung“ in § 5 Abs. 1 BBhV an. Wäre dieser Begriff dort in Übereinstimmung mit seiner sonstigen Verwendung (bzw. der Verwendung des Begriffs „beihilfeberechtigt“) in der Bundesbeihilfeverordnung wörtlich zu nehmen, so würde es im Fall der Ehegattin der Antragstellerin für die Dauer der Elternzeit am Vorliegen des Merkmals der Beihilfeberechtigung aus einem Dienstverhältnis fehlen. Sollte es dagegen die Absicht des Verordnungsgebers des Bundes gewesen sein, im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BBhV die Berücksichtigungsfähigkeit von (u. a.) Ehegatten nach § 4 BBhV über den Wortlaut hinaus auch in Fällen auszuschließen, in denen ein (anderer) Dienstherr seinen Beamten – hier: für die Dauer der Elternzeit – zwar nicht die Rechtsstellung von Beihilfeberechtigten einräumt bzw. belässt, sie aber durch Gewährung eines inhaltlich entsprechenden Anspruchs auf Krankenfürsorge in der Sache wie Beihilfeberechtigte behandelt, so würde es voraussichtlich daran fehlen, dass diese Absicht in der objektiven Fassung der maßgeblichen Rechtsgrundlage hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wurde. Dass in diesem Zusammenhang durchaus auch andere, nämlich offenere Formulierungen möglich gewesen wären, zeigt beispielhaft der die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung (u. a.) für Beamte regelnde § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V, der daran anknüpft, ob diese „<span style="text-decoration:underline">nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen</span> bei Krankheit <span style="text-decoration:underline">Anspruch auf</span> Fortzahlung der Bezüge und auf <span style="text-decoration:underline">Beihilfe oder Heilfürsorge</span> haben“ (Hervorhebungen nur hier). Ob § 5 Abs. 1 BBhV in eine entsprechende Richtung erweiternd ausgelegt werden kann, ist zweifelhaft. Aus Gründen der Fürsorgepflicht ist dies jedenfalls nicht geboten, da es hier (nur) um eine Konkurrenzregelung für den Fall des Bestehens mehrerer im Grundsatz gleichwertiger Ansprüche geht. Eine vertiefte Auseinandersetzung des Gerichts mit all diesen zum Teil schwierigen Fragen ist im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht veranlasst, zumal die Beschwerdebegründung darauf nicht eingeht.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Dies zugrunde gelegt, kann sich die Antragsgegnerin ebenfalls nicht mit Erfolg auf die fehlende Einschlägigkeit des § 64 Abs. 5 Satz 2 (i. V. m. § 74 Abs. 2 Satz 3) LBG NRW berufen. Wäre nämlich der für das Rechtsverhältnis zwischen den Hauptbeteiligten dieses Verfahrens im Ausgangspunkt maßgebliche § 5 Abs. 1 Nr. 2 BBhV dahin auszulegen, dass die Berücksichtigungsfähigkeit der Ehegattin des Antragstellers als Angehörige nicht wegen eines ggf. bestehenden Anspruchs aus § 64 Abs. 5 Satz 1 LBG NRW ausgeschlossen ist, weil dessen Einräumung die Bestimmungen über die Rechtsstellung der Ehegattin als Beihilfeberechtigte nicht berührt, wären damit die Voraussetzungen des § 64 Abs. 5 Satz 2 LBG NRW erfüllt. Die Ehegattin wäre dann nämlich infolge des Wegfalls ihres Besoldungsanspruchs und des damit verbundenen Wegfalls ihrer Beihilfeberechtigung für die Dauer der Elternzeit berücksichtigungsfähige Angehörige des Antragstellers als eines Beihilfeberechtigten des Bundes geworden. Dass nach dem Wortlaut und der Systematik der Sätze 1 und 2 des § 64 Abs. 5 LBG NRW der abgeleitete Beihilfeanspruch des Angehörigen eines Beihilfeberechtigten, so er denn besteht, den Vorrang vor dessen eigenem Anspruch auf Krankenfürsorge gemäß dem Satz 1 haben soll, ist nach der objektiven Fassung der Vorschrift („Dies gilt nicht, wenn …“) offensichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Soweit das Bundessozialgericht in seiner in dem angegriffenen Beschluss zitierten Rechtsprechung</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">BSG, Urteil vom 18. März 1999 – B 12 KR 13/98 R –, juris, Rn. 12 ff., 17</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">dem für die Gewährung von Beihilfeansprüchen bzw. entsprechenden Ansprüchen zuständigen Dienstherrn/Vorschriftengeber (sinngemäß) rechtliche Grenzen gezogen hat, eine Subsidiarität solcher Ansprüche gegenüber Ansprüchen aus der gesetzlichen Krankenversicherung (beitragsfreien Familienversicherung) mit Wirkung für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung zu bestimmen, hat es dies aus dem System des SGB V heraus begründet. Rückschlüsse für das Verhältnis zwischen verschiedenen Trägern der Beamtenbeihilfe können daraus – erst recht für ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes – jedenfalls nicht unmittelbar gezogen werden; die Beschwerdebegründung verhält sich dazu auch nicht.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Zwar mag der nordrhein-westfälische Gesetz- und Verordnungsgeber mit der hier vorliegenden (nicht kompetenzwidrigen) Ausgestaltung seines Landesrechts das in der Beschwerdebegründung der Antragsgegnerin wohl zutreffend benannte Ziel der Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BBhV, den Dienstherrn nicht mit der Pflicht zur Gewährung einer Beihilfe für einen grundsätzlich berücksichtigungsfähigen Angehörigen zu belasten, wenn für diesen Angehörigen (aus eigenem Recht) beihilferechtlich ohnehin gesorgt ist, in gewisser Weise unterlaufen haben. Das ist wohl durch eine mangelnde inhaltliche Kongruenz der jeweils einschlägigen Vorschriften bedingt (vgl. auch Seite 7 Mitte des amtl. Abdrucks der erstinstanzlichen Entscheidung). Eine derartige erst durch das Verhalten eines einzelnen Landesgesetzgebers (mit) herbeigeführte „missliche“ Situation kann aber schwerlich für die Auslegung der korrespondierenden Norm des Bundesrechts, hier des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BBhV, entscheidend sein. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die bundesrechtliche Norm (wie hier) enger gefasst ist, als ihr Regelungszweck es wohl erfordert hätte.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Wie die Rechtslage nach Erörterung mit dem Ministerium der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen und Beratung innerhalb der Bund-Länder-Kommission für das Beihilferecht (inzwischen) beurteilt wird, ist für das vorliegende gerichtliche Verfahren nicht maßgeblich. Die in dem von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Schrift- bzw. E-Mail-Verkehr – offenbar gestützt auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 BBhV – vertretene ministerielle Auffassung, es sei „eindeutig“, dass der eigene Anspruch nach NRW-Recht bestehen bleibe, ist aus sich heraus nicht nachvollziehbar, setzt sich insbesondere nicht erkennbar mit der Frage der gebotenen Auslegung der o. g. bundesrechtlichen Norm in Bezug auf die tatbestandliche Voraussetzung der Beihilfeberechtigung auseinander.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Es trifft schließlich auch wohl nicht zu, dass das Land Nordrhein-Westfalen inzwischen (durchgängig) bereit wäre, einer Landesbeamtin in Fällen der Konkurrenz mit einem abgeleiteten Anspruch aus der Ehe mit einem Bundesbeamten oder Soldaten vorrangig den eigenen Anspruch auf Gewährung von Leistungen der Krankenfürsorge in entsprechender Anwendung der Beihilferegelungen zu gewähren. So hat das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch die Bezirksregierung E. , in einem diesbezüglichen, erstinstanzlich zu seinen Ungunsten ausgegangenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erst kürzlich Beschwerde beim hiesigen Oberverwaltungsgericht eingelegt (1 B 1752/18 = 10 L 2739/18 VG Düsseldorf).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Sie berücksichtigt dass sich der Beigeladene dadurch, dass er beantragt hat, die Beschwerde zurückzuweisen, auch einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG. Das Verwaltungsgericht ist im Ausgangspunkt zutreffend vom Auffangwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG ausgegangen, weil der Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte bietet, den Streitwert davon abweichend zu bestimmen. Der sich grundsätzlich auf ein Hauptsacheverfahren beziehende Auffangwert von 5.000 Euro ist für das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allerdings zu halbieren.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Januar 2012– 1 E 52/12 –, juris, Rn. 8 ff., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Das gilt nach der Rechtsprechung des Senats – siehe die oben angeführte Entscheidung – regelmäßig auch dann, wenn die Hauptsache (ggf. für einen bestimmten Zeitraum) <span style="text-decoration:underline">vorläufig</span> vorweggenommen wird. Dass das vorliegende Verfahren – wie das Verwaltungsgericht meint – nach seinem Gegenstand auf eine <span style="text-decoration:underline">endgültige</span>, d. h. auch bei einem Unterliegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren nicht mehr rückgängig zu machende Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet wäre, lässt sich nicht hinreichend nachvollziehen. Verfahrensgegenstand ist hier – wie im Fall der vom Senat unter dem Aktenzeichen 1 E 52/12 entschiedenen Streitwertbeschwerde – die vorläufige (nämlich nur bis zur Entscheidung in der Hauptsache reichende) Feststellung der grundsätzlichen Verpflichtung des Dienstherrn gewesen, einen bestimmten Angehörigen eines Beamten oder Soldaten beihilferechtlich als berücksichtigungsfähige Person zu behandeln. Eine entsprechende gerichtliche Feststellung schließt eine Korrektur nach dem Ergehen der Hauptsacheentscheidung nicht aus, etwa auf der Grundlage, dass bis dahin – der Vorläufigkeit der getroffenen Regelung entsprechend – die Gewährung/Zahlung von Beihilfe nur unter Vorbehalt erfolgt. Der vom Verwaltungsgericht angesprochenen Anwendung des § 49 Abs. 3 VwVfG bedarf es in diesem Falle nicht. Die Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung ist in Anwendung des § 63 Abs. 3 GKG erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach den §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.</p>
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} | 4 RBs 377/18 | 2019-01-03T00:00:00 | 2019-02-07T14:18:49 | 2019-02-12T13:33:30 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:2019:0103.4RBS377.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird verworfen.Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene (§ 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG).</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Gründe</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat in ihrer Antragsschrift vom 29.11.2018 Folgendes ausgeführt:</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">„Da das Amtsgericht Siegen den Betroffenen zu einer Geldbuße von nicht mehr als 100,00 Euro verurteilt hat, ist die Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG wegen der Anwendung von Rechtsnormen über das Verfahren nicht, wegen der Anwendung von materiellen Rechtsnormen nur zur Fortbildung des Rechts oder wegen der Versagung rechtlichen Gehörs zuzulassen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Diese Zulassungsgründe liegen allesamt nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die auf die allgemeine Sachrüge hin vorzunehmende materiell-rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils führt nicht zur Aufdeckung einer entscheidungserheblichen, klärungsbedürftigen und abstraktionsfähigen Rechtsfrage, so dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts nicht geboten ist.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Soweit die Rechtsbeschwerde unter Hinweis auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 27.04.2018 (Lv 1/18) geltend macht, dass der Betroffene in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt sei, wenn ihm die Rohmessdaten nicht zur Verfügung gestellt werden, gebietet dies die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht. Ein - unterstellter - Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vermag die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht zu begründen, da es sich um keinen in § 80 Abs. 1 OWiG aufgeführten Zulassungsgrund handelt. Ferner ist es auch in der Sache obergerichtlich hinreichend geklärt, dass Gesuche, die auf die Einsichtnahme in die Rohmessdaten der Messung abzielen, gegenüber der Verwaltungsbehörde zu verfolgen sind. Kommt die Verwaltungsbehörde dem nicht nach, hat der Betroffene sein Begehren im Wege des § 62 OWiG weiterzuverfolgen (zu vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.07.2018 – IV- 2 RBs 133/18), was die Rechtsbeschwerde nicht vorgetragen hat. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes hier nicht einschlägig (zu vgl. OLG Düsseldorf, aaO.).</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Soweit die Rechtsbeschwerde eine Versagung rechtlichen Gehörs geltend macht und damit begründet, das Amtsgericht habe einen Antrag auf Hinzuziehung einer Kopie der Messdatei einschließlich etwaiger Rohmessdaten zu Unrecht abgelehnt, dringt sie auch damit nicht durch. Es kann dahinstehen, ob der von dem Betroffenen herangezogenen Auffassung des VerfGH des Saarlands (BeschI. v. 27.04.2018 Lv 1/18 -), dass die Nichtzugänglichmachung einer lesbaren Falldatei das Gebot des rechtlichen Gehörs verletzt (auch wenn sie nicht Aktenbestandteil sind), zu folgen ist oder ob es sich vielmehr nur um eine nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG berechtigende Frage des fairen Verfahrens geht (s.o).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs genügt vorliegend jedenfalls nicht den Begründungsanforderungen der §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 StPO. Danach muss eine Verfahrensrüge so ausgeführt werden, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein anhand der Darstellung in der Rechtsbeschwerdebegründung überprüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensverstoß vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen zutreffen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Nach Auffassung des VerfGH des Saarlands wird dem Betroffene unmöglich gemacht, Anhaltspunkte für eine Fehlmessung vorzutragen wenn die Messdaten als die Grundlage der Messung nicht für eine sachverständige Untersuchung zur Verfügung gestellt werde. Damit würde ihm auch die erfolgversprechende Verschaffung rechtlichen Gehörs unmöglich gemacht (VerfGH Saarland a.a.O.). Die Richtigkeit dieser Rechtsansicht unterstellt, wäre das aber nur dann der Fall, wenn der Betroffene überhaupt keine Möglichkeit gehabt hat, an die entsprechenden Originalmessdaten zu gelangen. Deswegen gehört zu einer entsprechenden Begründung der Verfahrensrüge der Verletzung rechtlichen Gehörs nicht nur die Wiedergabe des entsprechenden Antrages in der Hauptverhandlung (der hier ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vom 05.09.2018 tatsächlich gar nicht gestellt worden ist ) und seiner Bescheidung durch den Tatrichter, sondern auch die Darlegung, welche Anstrengungen der Betroffene außerhalb der Hauptverhandlung in dieser Hinsicht unternommen hat, ob er etwa gegenüber der Verwaltungsbehörde tätig geworden ist und wie diese auf seine Anfragen reagiert hat (ähnlich: OLG Celle, Beschl. v. 21.04.2016 -2 Ss OWi 82/16 -). Entsprechende Ausführungen finden sich in der Rechtsbeschwerdebegründung nicht. So kann der Senat nicht überprüfen, ob dem Betroffenen tatsächlich die erfolgversprechende Verschaffung rechtlichen Gehörs unmöglich gemacht worden ist, oder ob die Stellung eines entsprechenden Antrages erst in der Hauptverhandlung auf seiner eigenen Nachlässigkeit oder gar taktischen Erwägungen beruhte oder ob er gar die erforderlichen Daten anderweitig erhalten hat (vgl. Senatsbeschluss vom 25.07.2018 - III-4 RBs 221/18 -).“</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an.</p>
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} | 4 Ws 221/18 | 2019-01-03T00:00:00 | 2019-02-07T14:18:49 | 2019-02-12T13:33:30 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:2019:0103.4WS221.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten (§ 473 Abs. 1 StPO) als unzulässig verworfen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Gründe</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist nicht statthaft.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Nach § 310 Abs. 1 StPO sind Beschlüsse, die von einem Landgericht auf eine Beschwerde hin erlassen wurden, nur in – hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen (§ 310 Abs. 2 StPO) – statthaft. Diese gesetzliche Begrenzung kann nicht dadurch umgangen werden, dass ein Beschwerdeführer über eine Beschwerde gegen eine Gegenvorstellung eine weitere Beschwerdemöglichkeit erhält (vgl. zur entsprechenden Problematik im Falle einer Beschwerde gegen eine Anhörungsrüge: OLG Hamm, Beschl. v. 17.10.2013 – III – 1 Ws 469/13 – juris).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Senat macht allerdings, ebenso wie das Landgericht in seinem Beschluss vom 05.10.2018 darauf aufmerksam, dass der Schriftsatz des Verurteilten vom 29.06.2018 womöglich als Rechtsmittel gegen das gegen ihn ergangene Urteil anzusehen sein könnte („…sein Urteil ist damit ungültig“).</p>
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} | 18 U 70/18 | 2019-01-03T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:48 | 2019-02-12T13:44:37 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:2019:0103.18U70.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln (24 O 287/17) vom 12.04.2018 wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Beklagte.</p>
<p>Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.</p>
<p>Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 16.995,11 EUR festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Gründe</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><strong>I.</strong></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><strong>1.</strong> Der Kläger begehrt Schadenersatz von der Beklagten als Herstellerin des Motors seines von einem Autohändler gekauften Gebrauchtwagens der Marke Audi.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger erwarb den streitgegenständlichen Pkw bei der B. GmbH. Die Beklagte ist Entwicklerin und Herstellerin des in dem Fahrzeug verbauten Dieselmotors EA189 Eu5. Das Fahrzeug wurde als der Schadstoffklasse Euro 5 zugehörig verkauft.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">In den Motor dieses Pkw setzte die Beklagte eine Software ein, die zwei unterschiedliche Betriebsmodi zur Steuerung der Abgasrückführung kannte. Im Modus 1 kam es zu einer höheren Abgasrückführung und somit zu einem geringeren Ausstoß von Stickoxiden als in Modus 0. Der Modus 1 war allerdings nur beim Durchfahren des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) aktiv. Im normalen Straßenverkehr wurde der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Motor nur im Betriebsmodus 0 betrieben. Ab September 2015 wurde die Verwendung dieser Software mit zwei Betriebsmodi zur Fahrzeugsteuerung bekannt. Später ordnete das Kraftfahrtbundesamt den Rückruf derjenigen Fahrzeuge an, die mit der oben genannten Software ausgerüstet worden waren. Es gab der Beklagten auf, Maßnahmen zu entwickeln und nach Freigabe zu ergreifen, um die betroffenen Fahrzeuge in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen. Im Rahmen der nach der Entwicklung der notwendigen Software und ihrer Freigabe durch das Kraftfahrtbundesamt schließlich folgenden Rückrufaktion bot die Beklagte den Kunden und darunter auch dem Kläger an, sein Fahrzeug bzw. die hier installierte Software zur Motorsteuerung kostenfrei einem Software-Update zu unterziehen, das nach Aufspielen auf die betroffenen Fahrzeuge dazu führen solle, dass auch im normalen Betrieb die öffentlich-rechtlichen Grenzwerte eingehalten würden. Nach der Installation des Updates würde der Motor des das Fahrzeugs durchgängig in einem angepassten Modus 1 betrieben. Der Kläger ließ die Installation des Updates allerdings zunächst nicht durchführen. Erst am 5. Juli 2018 wurde das Fahrzeug mit einem Software-Update versehen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat behauptet, er hätte das Fahrzeug nicht gekauft, wenn er davon gewusst hätte, dass das Abgasrückführungssystem über zwei Betriebsmodi verfügt und die Euro 5-Grenzwerte nur im Prüfmodus eingehalten werden. Die angebotene Nachbesserung durch ein Software-Update sei ungeeignet, den Mangel zu beheben; zudem seien schädliche Auswirkungen auf den Motor zu befürchten.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass es sich bei der Software nicht um eine illegale Abschalteinrichtung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 und der Kläger keinen wirtschaftlichen Schaden erlitten habe. Sie hat bestritten, dass der Vorstand der Beklagten oder eines ihrer Organe Kenntnis von der Installation dieser Software hatte.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug einschließlich der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"><strong>2.</strong> Mit seinem am 12. April verkündeten (vgl. Bl. 382 GA) Urteil (vgl. 383 ff. GA) hat das Landgericht Köln der Klage überwiegend stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte hafte nach § 826 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Dabei hat das Landgericht eine Täuschung der Beklagten über den unter normalen Fahrbedingungen erhöhten Stickoxidausstoß bejaht und das Verhalten der Entscheidungsträger in Bezug auf die Verwendung der Software dem Vorstand nach § 31 BGB analog zugerechnet. Eine Kenntnis des Vorstands selbst erachtet das Landgericht als unbewiesen. Die Verwendung der Software sei eine illegale Abschalteinrichtung.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die weiteren Details der rechtlichen Würdigung des Landgerichts lassen sich den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils entnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><strong>3. a)</strong> Die Beklagte hat gegen das ihr am 18. April 2018 (Bl. 396 GA) zugestellte Urteil mit einem beim Oberlandesgericht am 15. Mai 2018 eingegangen Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. 413 f. GA) und ihr Rechtsmittel –nach entsprechende Fristverlängerung – mit einem am 16. Juli 2018 eingegangen Schriftsatz begründet (Bl. 424 ff.GA).</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Sie stellt die angefochtene Entscheidung insgesamt zu Überprüfung und rügt die Verletzung von Verfahrensrecht. Insofern vertritt sie die Ansicht, dass das Urteil auf einer unrichtigen Tatsachenfeststellung beruhe. Auch die materiell-rechtliche Bewertung des Landgerichts sei fehlerhaft, denn ein Schadenersatzanspruch aus § 826 BGB scheitere am Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit, an einer Schädigungshandlung der Beklagten im Verhältnis zum Kläger, am Vorsatz eines Vorstandsmitglieds oder eines anderen Organs der Beklagten und am fehlenden Schaden.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt sinngemäß,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil des Landgerichts Köln vom 12.04.2018, Az.: 24 O 287/17 abzuändern und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">              die Berufung zurückzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">verteidigt die angefochtene Entscheidung und hält an seinem erstinstanzlichen Vorbringen fest.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"><strong>b)</strong> Nachdem der Senat mit einem Beschluss vom 29. November 2018 (vgl. Bl. 631 ff. GA), auf den zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, darauf hingewiesen hat, dass er beabsichtige, das Rechtsmittel durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen, und die Gründe hierfür eingehend ausgeführt hat, hat die Beklagte mit einem Schriftsatz vom 21. Dezember 2018 Stellung genommen und hierbei insbesondere eingewandt, dass ihre Haftung bei einem Fahrzeug eines anderen Herstellers nicht in Betracht komme, dass sie nach einer anzustellenden Gesamtwürdigung nicht sittenwidrig gehandelt habe, dass eine Zurechnung nach § 31 BGB nicht in Betracht komme, dass der Kläger keinen auf die angeblich sittenwidrige Handlung der Beklagten zurückzuführenden Schaden erlitten habe, dass ein Schaden nach dem Update nicht mehr vorliege, dass kein Vorsatz von Mitarbeitern der Beklagten vorliege und dass die Berufungserwiderung des Klägers verspätet sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den oben genannten Schriftsatz Bezug genommen (vgl. Bl. 645 ff. GA).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks"><strong>II.</strong></p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"><strong>1.</strong> Die Berufung der Beklagte ist nach den hierfür maßgebenden §§ 511 ff. ZPO zwar statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber offensichtlich nicht begründet (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO), denn das angegriffene Urteil des Landgerichts Köln beruht nicht auf einem Rechtsfehler, sondern unter Zugrundelegung der Rechtsprechung einerseits zu  den Voraussetzungen einer sittenwidrigen, vorsätzlichen Schädigung im Sinne des § 826 BGB bereits durch Inverkehrbringung mangelhafter Waren und andererseits zu den Erleichterungen der Darlegungslast zugunsten nicht am Geschehensablauf beteiligter Personen sowie schließlich zum Schadenseintritt schon durch den Abschluss von Verträgen und den Erwerb eines von den gerechtfertigten Vorstellungen des Erwerbers abweichenden Gegenstandes kommt eine andere, für die Beklagte günstigere Entscheidung nicht in Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Daran hat sich auch durch die Stellungnahme vom 21. Dezember 2018 nichts geändert. Vielmehr geben die entsprechenden Ausführungen der Beklagten lediglich zu einigen wenigen Ergänzungen Anlass.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Im Einzelnen:</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks"><strong>a) aa)</strong> Sittenwidrig ist ein Verhalten immer dann, wenn es nach seinem unter zusammenfassender Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermittelnden Gesamtcharakter in dem Sinne dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zuwiderläuft, dass es mit grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist (vgl. etwa BGH, Urt. v. 19.11.2013 – VI ZR 336/12 -, NJW 2014, S. 383 [Tz. 9] m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Ein derartiger, als sittenwidrig zu bewertender Verstoß gegen die Rechts- und Sittenordnung kann rein tatsächlich nicht nur in einer bereits nach § 123 BGB rechtlich missbilligten Täuschung eines Vertragspartners oder eines später hinzutretenden Dritten liegen, sondern schon in der Veräußerung eines z.B. wegen eines Unfallschadens mangelhaften Kfz an einen Zwischenerwerber, wenn nämlich in dem konkreten Fall damit zu rechnen war, dass derselbe es unter Verschweigen des Mangels weiterveräußern würde (vgl. dazu etwa OLG Braunschweig, Urt. v. 13. April 2006 – 8 U 29/05 -, juris Rn. 21 ff. m.w.N. zur diesbezüglichen OLG-Rechtsprechung sowie <em>Sprau,</em> in: Palandt, BGB, 77. Aufl., § 826 Rn. 23).</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Einerseits liegt der Verstoß gegen die für das Sittenwidrigkeitsurteil maßgebenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung hier nicht bereits in der Veräußerung einer mangelhaften Sache als solcher und ebenso wenig schon in einem diesbezüglichen Gewinnstreben des Erstverkäufers. Vielmehr gehört es durchaus zum gewöhnlichen Rechtsverkehr, auch mangelhafte Sachen entgeltlich zu veräußern.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Andererseits bedarf es auch nicht der Täuschung des Erstkäufers bzw. Weiterverkäufers durch den Schädiger bzw. Erstverkäufer, sondern es ist ebenso anstößig, wenn dem Zweitverkäufer die Eigenschaften der erworbenen und weiter zu veräußernden Ware genau bekannt sind, der Erstverkäufer und der Zweitverkäufer aber dahingehend kollusiv zusammenwirken, einem Dritten die betreffende Sache zu veräußern, von dem sie annehmen müssen, dass er über keine Kenntnisse hinsichtlich der betreffenden, nachteiligen Eigenschaft verfügt, aber in Kenntnis der Umstände von dem Geschäft Abstand nehmen würde. In einem solchen Fall liegt der Tatbeitrag des Erstverkäufers bereits in der Veräußerung der mangelbehafteten Sache. Die Sittenwidrigkeit seines Verhaltens ergibt sich aber erst aus den weiteren Umständen, also der Kenntnis nicht nur des Mangels, sondern auch der bevorstehenden Weiterveräußerung an einen ahnungslosen Dritten. Darüber hinaus kommt es darauf an, dass der Erstverkäufer auch in der Vorstellung handelt, dass der Dritte in Kenntnis der Umstände von dem Erwerb Abstand nehmen würde.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Den vorstehenden Erwägungen ist zu entnehmen, dass es letztlich auch nicht darauf ankommt, inwiefern der Erstkäufer bzw. Zweitverkäufer von dem betreffenden Mangel Kenntnis hat. Ebenso gut ist eine Konstellation denkbar, bei der der Erstverkäufer über überlegene Kenntnis verfügt, die Sache also dem ahnungslosen Zweitverkäufer bzw. Weiterverkäufer in der Vorstellung veräußert, dass dieser den Mangel weder kennt noch entdeckt und die Sache schon deshalb ohne entsprechende Information an einen Dritten veräußern wird. Auch darin liegt eine sittenwidrige Veräußerung.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Schließlich kommt es für die Sittenwidrigkeit des Verhaltens des Erstverkäufers als solche auch nicht darauf an, ob die Täuschung des Dritten und Zweitkäufers tatsächlich gelingt. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass das Verhalten des Erstverkäufers zu dem Zeitpunkt der möglichen Täuschung bereits abgeschlossen ist. Maßgebend können demnach nur die Vorstellungen des Erstverkäufers sein.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Kurz: Sittenwidrig handelt, wer eine Sache, von deren Mangelhaftigkeit er weiß, in der Vorstellung in den Verkehr bringt, dass die betreffende Sache von dem Erwerber in unverändert mangelhaftem Zustand an einen ahnungslosen Dritte, die in Kenntnis der Umstände von dem Geschäft Abstand nähmen, veräußert werden wird.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks"><strong>bb)</strong> Im vorliegenden Fall haben Mitarbeiter der Beklagten den Motor EA 189 Eu5 mit einer Software zur Motorsteuerung ausrüsten lassen, die zwei Betriebsmodi und darunter einen im Sinne der Abgasrückführung optimierten Betriebsmodus vorsah, und auf dieser Grundlage haben Mitarbeiter der Beklagten die Typengenehmigungen der so ausgerüsteten Fahrzeuge erwirkt, ohne die dafür zuständige Behörde hiervon in Kenntnis zu setzen. Darin allein liegt, wie der Senat bereits in den andere Zusammenhänge betreffenden Verfahren 18 U 112/17 und 18 U 134/17 ausgeführt hat, mit Rücksicht auf die daraus folgende Rechtsunsicherheit für die Typengenehmigung und die Betriebszulassung der entsprechend ausgerüsteten Fahrzeuge ein gravierender Mangel.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter der Beklagten die mit der manipulativ wirkenden Software ausgerüsteten Motoren des Typs EA 189 Eu5 den zum VW-Konzern gehörenden Herstellern gerade zum Zweck der Weiterveräußerung überließen, also damit rechnen mussten und zur Überzeugung des Senats auch tatsächlich damit rechneten, dass die so ausgerüsteten Fahrzeuge ohne Hinweis auf die Erwirkung der Typengenehmigung unter Einsatz einer manipulativ wirkenden Software mit zwei Betriebsmodi weiterveräußert werden würden.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Aus der Heimlichkeit des Einsatzes der Software gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt, den beteiligten Stellen und den potentiellen Kunden gegenüber ergibt sich schließlich mit hinreichender Sicherheit, dass die beteiligten Mitarbeiter der Beklagten auch in der Vorstellung handelten, dass der Einsatz der Software zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Typengenehmigung und der Betriebszulassung der so ausgestatteten Fahrzeuge führen könnte und dass potentielle Kunden Fahrzeuge, die derart mit rechtlichen Unsicherheiten belastet waren, nicht ohne weiteres erwerben würden.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks"><strong>cc)</strong> Diese Kenntnisse und Vorstellungen sind der Beklagten nach § 31 BGB zuzurechnen, weil aufgrund des hier maßgebenden Sach- und Streitstandes davon auszugehen ist, dass der Vorstand der Beklagten nicht nur über umfassende Kenntnisse von dem Einsatz der oben geschilderten Software verfügte, sondern auch in der Vorstellung die Herstellung und die Inverkehrgabe der mangelbehafteten Motoren veranlasste, dass diese unverändert und ohne entsprechenden Hinweis weiter veräußert werden würden.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Insofern greift in zweierlei Hinsicht zugunsten der Zweitkäufer und darunter auch des Klägers eine Erleichterung der Darlegungslast:</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks"><strong>(1.)</strong> Steht nämlich ein (primär) darlegungspflichtiger Anspruchsteller außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs und kennt der Anspruchsgegner alle wesentlichen Tatsachen, so genügt nach den höchstrichterlichen Grundsätzen über die sekundäre Darlegungslast das einfache Bestreiten seitens des Anspruchsgegners nicht, sofern ihm nähere Angaben zuzumuten sind (vgl. BGH, Urt. v. 17. Januar 2008 – III ZR 239/06 -, juris Rn. 16 m.w.N. zur BGH-Rspr.).</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Soll aber für diese höchstrichterliche Rechtsprechung überhaupt ein Anwendungsbereich eröffnet sein, müssen schon die Anforderungen an die primären Darlegungen seitens des Anspruchstellers auf die allgemeine Behauptung der nach dem maßgebenden Tatbestandsmerkmal erforderlichen Tatsache beschränkt werden, denn zur Frage des Umfangs einer sekundären Darlegungslast kann man stets nur dann gelangen, wenn der Anspruchsteller die Voraussetzung der ihn treffenden primären Darlegungslast zu erfüllen vermag. Das aber kann mit Rücksicht auf den Umstand, dass der Anspruchsteller in der von der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung erörterten Fällen jeweils außerhalb des Geschehensablaufs steht und ihm entsprechende Kenntnisse aus strukturellen Gründen fehlen, nur dann geschehen, wenn man allgemeine Behauptungen ausreichen lässt und von weiterer Substantiierung absieht.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks"><strong>(2.)</strong> Vor diesem Hintergrund reicht einerseits die Behauptung des Klägers aus, dass dem Vorstand der Beklagten sämtliche oben erörterten Umstände bekannt gewesen seien, während andererseits das Vorbringen der Beklagten zu den internen Geschehnissen im Zusammenhang mit der Beauftragung, der Bezahlung, dem Empfang, der Kontrolle und der Verwendung der oben erwähnten Motorsteuerungs-Software nicht einmal ansatzweise ausreichen. Da die Beklagte auch nicht konkret darlegt, dass und wie einzelne Mitarbeiter unter Ausschluss des Vorstandes die mangelhafte Software pflichtwidrig beauftragen, bezahlen und verwenden ließen, kann sich die Beklagte auch hierauf nicht berufen und muss es sowohl bei der Annahme umfassender Kenntnisse des Vorstandes der Beklagten als auch bei der Anwendung des § 31 BGB im Sinne einer Zurechnung bleiben.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks"><strong>dd)</strong> Den vorstehenden Erwägungen ist zum einen ohne weiteres zu entnehmen, dass und inwiefern in dem Verhalten der Beklagten als Herstellerin des hier fraglichen Motors sehr wohl ein sittenwidriges Verhalten liegt. Das "Dazwischentreten" eines Fahrzeugherstellers steht dem Anspruch des Klägers aus § 826 BGB zum einen deshalb nicht entgegen, weil es im Rahmen des § 826 BGB nicht auf eine vertragliche Rechtsbeziehung zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger ankommt, sondern die Norm - wie andere Bestimmungen des Deliktsrechts  - auch und gerade auf Schädigungen außerhalb solcher Vertragsbeziehungen abzielt. In dem Hinzutreten des Fahrzeug-Herstellers liegt auch keine Unterbrechung des hier maßgebenden Kausalzusammenhangs, denn die Verwendung des mangelhaften Motors zum Einbau in ein Fahrzeug und zur Weiterveräußerung an ahnungslose Kunden war nicht nur vorhersehbar, sondern geradezu Sinn und Zweck des Vorgehens der beteiligten Mitarbeiter der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Zum anderen ergibt sich aus den obigen Ausführungen des Senats, dass die an der Beauftragung, Entwicklung und Verwendung der Manipulations-Software beteiligten Mitarbeiter der Beklagten zur Überzeugung des Senats vorsätzlich gehandelt haben, dass die Beklagte ihrer Darlegungs- und Substantiierungspflicht hinsichtlich der internen Vorgänge im Zusammenhang mit der Manipulations-Software nicht ansatzweise hinreichend nachkommt und dass von einem analog § 31 BGB zuzurechnenden Vorsatz des Vorstands auszugehen ist. Da die Beklagte auch weiterhin keine konkreten Details ihres Geschäftsbetriebs im Zusammenhang mit der Manipulations-Software darlegt, muss es hierbei bleiben.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks"><strong>b)</strong> Der Kläger hat den geltend gemachten Schaden schon durch den Erwerb des mit der bereits mehrfach erwähnten Software zur Motorsteuerung ausgerüsteten Fahrzeugs erlitten. Auf die Fragen, welchen Verkehrswert das Fahrzeug hatte und hat und worauf eine negative Entwicklung des Verkehrswertes des Diesel-Fahrzeugs des Klägers zurückgeht, kommt es nicht an.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Der Schaden des Klägers besteht im vorliegenden Fall bereits in dem Erwerb des mit der manipulativ wirkenden Software zur Motorsteuerung ausgerüsteten Fahrzeugs, weil das erworbene Fahrzeug infolge der eingesetzten Software hinter den Vorstellungen des Klägers von der allgemein ordnungsgemäßen Ausrüstung des zu erwerbende Pkw zurückblieb und sich dieses Zurückbleiben schon infolge der damit zunächst verbundenen Unsicherheiten für die Typengenehmigung und die Betriebszulassung nachteilig auf den Vermögenswert des Pkw auswirkte.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">In welchem Umfang das genau der Fall war und inwiefern andere Gesichtspunkte hinzutraten, die zu einem erheblichen Wertverlust sämtlicher Diesel-Fahrzeuge führten und führen, ist für die Entscheidung des vorliegendes Falles schon deshalb nicht relevant, weil der Kläger als Schadenersatz die Rückabwicklung des Erwerbs begehrt und nicht Zahlung irgendeiner Wertdifferenz verlangt. Ausschlaggebend ist hier allein, dass das Fahrzeug mit einer Software ausgestattet war, die zu Unsicherheiten hinsichtlich des Fortbestandes der Typengenehmigung und der Betriebszulassung führte sowie nach den verbindlichen Vorgaben des Kraftfahrtbundesamtes einen Rückruf und ein Update mit einer seitens des Kraftfahrtbundesamtes genehmigten Software des Herstellers erforderte.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks"><strong>c) aa)</strong> Die Beklagte hat den nach den vorstehenden Erwägungen eingetretenen Vermögensschaden auch im Sinne einer „condicio sine qua non“ (vgl. dazu <em>Grüneberg,</em> in: Palandt, BGB, 77. Aufl., Vorb. v. § 249 Rn. 25 m.w.N.) verursacht. Hätte sie nämlich die Motoren des Typs EA 189 Eu5 nicht mit der manipulativ wirkenden Software zur Motorsteuerung ausgerüstet und die so ausgestatteten Motoren nicht zwecks Weiterverwendung an den Fahrzeughersteller veräußert, hätte der Kläger den hier streitgegenständlichen Pkw Audi A4 2.0 l TDI nicht erwerben können.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Das Vorgehen der Beklagten, die mit einer Manipulations-Software ausgerüsteten Motoren des Typs EA 189 Eu5 durch Veräußerung an Fahrzeughersteller in den Verkehr zu bringen, war auch nicht nur unter ganz besonderen, außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegenden Umständen geeignet den Schaden herbeizuführen (vgl. zur notwendigen Adäquanz <em>Grüneberg,</em> in: Palandt, BGB, 77. Aufl., Vorb. v. § 249 Rn. 25 m.w.N.). Vielmehr war es so, dass die Motoren gerade für den Einbau in die für die Veräußerung bestimmten Fahrzeuge vorgesehen waren und dass das heimliche Vorgehen hinsichtlich der eingesetzten Software nur dann sinnvoll war, wenn man davon ausging, dass auch die Fahrzeughersteller weder die zuständigen öffentlichen Stellen, noch Händler, noch Kunden informieren würden. Dementsprechend war der Eintritt solcher Schäden, wie sie der Kläger erlitten hat, nicht nur nicht gänzlich unwahrscheinlich, sondern sogar bei gewöhnlichem Lauf der Geschehnisse sicher zu erwarten.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Auch mit Rücksicht auf den Schutzzweck des hier verletzten Verhaltensgebots (vgl. zu den entsprechenden Einschränkungen der Haftung aus § 826 BGB <em>Wagner,</em> in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl., § 826 Rn. 46 m.w.N.) kommt hier kein anderes Ergebnis in Betracht. Denn oben ist bereits ausgeführt worden, dass sittenwidrig hier bereits das Inverkehrbringen der mit der Manipulations-Software ausgerüsteten Motoren des Typs EA 189 Eu5 in der Vorstellung war, dass diese in Fahrzeuge eingebaut werden würden und diese Fahrzeuge ahnungslosen Kunden veräußert werden würden. Der Sinn des entsprechenden Verhaltensverbots liegt aber in der Vermeidung solcher Schäden, wie sie der Kläger hier erlitten hat.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks"><strong>bb)</strong> Im Zusammenhang mit dem Schaden und der Kausalität ist abschließend klarzustellen, dass es nicht auf eine Täuschung über die Einhaltung von Grenzwerten der Euro-5-Norm im Alltagsbetrieb o.ä. Vorstellungen des Klägers als Käufer ankommt. Maßgebend für das Vorhandensein eines Schadens ist vielmehr lediglich die allgemeine Vorstellung des Klägers als Käufer eines für die Nutzung im Straßenverkehr bestimmten Pkw, dass die dafür notwendige Typengenehmigung und die Betriebszulassung ohne gegenüber den zuständigen öffentlichen Stellen verheimlichte Manipulation erwirkt wurden und dass es deshalb keine rechtlichen Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Typengenehmigung und der Betriebszulassung und ausgehend von einer heimlichen Manipulation gibt und geben wird.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Der Senat ist aufgrund des feststehenden Erwerbs des Fahrzeugs seitens des Klägers zum Zwecke der Nutzung im Straßenverkehr im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO davon überzeugt, dass der Kläger die danach hinreichende Vorstellung hatte und nicht etwa ein Fahrzeug zu erwerben glaubte, dessen Typengenehmigung und Betriebszulassung durch eine den Genehmigungs- und Zulassungsbehörden verheimlichte Manipulation der zur Motorsteuerung eingesetzten Software in Frage gestellt war.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagte allgemein behauptet, dass der Kläger das Fahrzeug auch in Kenntnis der Software erworben hätte, geht das insofern an der Sache vorbei, als es auf die Vorstellung des Klägers ankommt, ein Fahrzeug mit einer unzweifelhaft bestandskräftigen Typenzulassung und Betriebsgenehmigung zu erwerben. Dies ergibt sich mit hinreichender Sicherheit schon daraus, dass der Kläger ein zur Nutzung im Straßenverkehr bestimmtes Fahrzeug erwarb und nicht etwa ein Fahrzeug, dessen Nutzbarkeit im Straßenverkehr unsicher war. Der Senat geht nicht davon aus, dass die Beklagte in Zweifel ziehen will, dass der Kläger beim Erwerb des mit einem von ihr hergestellten Motor versehenen Audi erwarten durfte, ein dauerhaft verkehrstaugliches mit unzweifelhafter Typengenehmigung und Betriebszulassung ausgestattetes Fahrzeug zu erwerben.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Da der Schadenersatzanspruch des Klägers bereits mit dem Erwerb des Fahrzeugs entstanden ist und auf Restitution durch Rückabwicklung des Kaufs gerichtet ist, kann in der jüngst erfolgten Ausstattung des Fahrzeugs mit dem vom Kraftfahrtbundesamt erzwungenen Software-Update keine Erfüllung des Schadenersatzanspruchs liegen, und auch ein Entfallen des Schadens infolge eines überholenden Kausalverlaufs vermag die Beklagte insofern nicht hinreichend darzulegen, als sie nicht durch Offenlegung des Software-Updates in allen Details dartut, dass das Software-Update keine anderen negativen Auswirkungen haben kann. Angesichts dessen muss es bei dem hier vom Senat bejahten Schaden, der in dem Erwerb eines Fahrzeugs mit nicht gewollten Eigenschaften liegt und letztlich nur durch Rückabwicklung ausgeglichen werden kann, bleiben.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks"><strong>d)</strong> Dass nach dem hier maßgebenden Sach- und Streitstand Mitarbeiter der Beklagten vorsätzlich handelten und dass ihr dies entsprechend § 31 BGB zuzurechnen ist, ist der Sache nach bereits oben und im Zusammenhang mit der Qualifikation des Verhaltens der Beklagten als sittenwidrig näher ausgeführt worden. Die dort angestellten Überlegungen gelten sinngemäß auch für den Vorsatz hinsichtlich des Schadens.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks"><strong>e)</strong> Die Schätzung des Nutzungsvorteils ausgehend von einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km ist vor dem Hintergrund des § 287 ZPO nicht in einem für die Beklagten günstigen Sinne zu beanstanden, zumal der Senat selbst im Verfahren 18 U 134/17 von einer noch deutlich höheren Gesamtlaufleistung ausgeht.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Auch insofern geht der Senat davon aus, dass die Beklagte nicht eine mindere Qualität der von ihr hergestellten und vertriebenen Motoren behaupten möchte. Jedenfalls fehlte es insofern aber an substantiiertem Vorbringen der Beklagten zu den Gründen für eine mindere Qualität ihrer Motoren.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks"><strong>f)</strong> Die von der Beklagten bemühte Vorschrift des § 296 Abs. 1 ZPO findet im zweiten Rechtszug nur über § 530 ZPO entsprechende Anwendung und setzt eine hier offensichtlich mangelnde Verzögerung des Rechtsstreits als Folge der Verspätung voraus.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Ebensowenig liegen hier mit Rücksicht auf den Inhalt der Berufungserwiderung die Voraussetzungen einer Zurückweisung nach § 531 Abs. 2 ZPO vor.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks"><strong>2.</strong> Die Berufung hat nach den vorstehenden Erwägungen nicht nur wegen ihrer offensichtlichen Unbegründetheit im Sinne des § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO keine Aussicht auf Erfolg, sondern der Fall wirft keine ungeklärten Rechtsfragen auf und lässt sich unter Rückgriff auf die höchstrichterliche Rechtsprechung ohne weiteres entscheiden. Weder bedarf es demnach der Klärung von Rechtsfragen, noch divergiert der Senat in einer Rechtsfrage, noch bedarf es einer Rechtsfortbildung, noch erscheint eine mündliche Verhandlung zur weiteren Sachaufklärung oder aus anderen Gründen geboten, § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 bis 4 ZPO. Gelegentlich vorkommende abweichende Rechtsauffassungen von Berufungsgerichten beruhen vielmehr auf Abweichungen der Subsumtion und geben dementsprechend Anlass weder von der Anwendung des § 522 Abs. 2 ZPO abzusehen, noch die Revision zuzulassen.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks"><strong>3.</strong> Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.</p>
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<!--hlIgnoreOn-->Gründe<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Die mit Schreiben des Klägers vom 1. November 2018 u. a. gegen die Kostenrechnung des Oberverwaltungsgerichtes des Landes Sachsen-Anhalt vom 12. August 2010 über 151,00 € (Az.: 1 L 114/10; Kassenzeichen: 1110 - W 11378 - 4) erhobene Einrede der Verjährung ist als Erinnerung gegen den Kostenansatz i. S. d. § 8 Abs. 1 S. 1 JBeitrO i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 JBeitrO zu werten. Die Verjährungseinrede betrifft als Leistungsverweigerungsrecht den beizutreibenden Anspruch selbst (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 8. September 2014 - 1 L 15/01 - m. w. N.). Auf die Erinnerung sind die Vorschriften des GKG anzuwenden. Über die Erinnerung entscheidet gemäß § 66 Abs. 6 S. 1 1. HS GKG die Berichterstatterin als Einzelrichterin; die Erinnerung unterliegt weder einer Rechtsbehelfsfrist noch einem Anwaltszwang.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Die danach zulässige Erinnerung ist nicht begründet, denn eine Verjährung der Ko-stenforderung ist - entgegen dem Vorbringen des Klägers und Kostenschuldners - nicht eingetreten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Zwar verjähren gemäß § 5 Abs. 1 GKG Ansprüche auf Zahlung von Kosten in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Verfahren durch rechtskräftige Entscheidung über die Kosten beendet ist. Jedoch beginnt die Verjährungsfrist gemäß § 5 Abs. 3 S. 2 GKG durch die Aufforderung zur Zahlung oder durch eine dem Schuldner mitgeteilte Stundung erneut. Zudem sind gemäß § 5 Abs. 3 S. 1 1. HS GKG auf die Verjährung die Vorschriften des BGB anzuwenden. Gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB beginnt die Verjährung erneut, wenn eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird und die Voraussetzungen in § 212 Abs. 2 und 3 BGB, nach denen ein erneuter Verjährungsbeginn als nicht eingetreten gilt, nicht vorliegen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>In Anwendung dieser Maßstäbe hätte die Verjährung der oben genannten Kostenrechnung des OVG LSA vom 12. August 2010 im Verfahren 1 L 114/10 zunächst aufgrund der unanfechtbaren Entscheidung des OVG LSA (über die Ablehnung der Zulassung der Berufung) vom 11. August 2010 mit Ablauf des 31. Dezember 2014 eintreten können. Sie wurde jedoch durch verschiedene Maßnahmen vor ihrem Ablauf (31. Dezember 2014), zuletzt durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 5. September 2014 erneut in Lauf gesetzt gemäß § 5 Abs. 3 S. 1 1. HS GKG i. V. m. § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Anhaltspunkte dafür, dass diese Vollstreckungshandlung, welche sich laut Vermerk des Finanzamtes (…) vom 8. November 2018 als fruchtlos erwiesen hat, aufgehoben worden sein könnte i. S. d. § 212 Abs. 3, Abs. 2 BGB und deshalb der erneute Beginn der Verjährung als nicht eingetreten gelten könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Kostenbetrag liegt auch über der Wertgrenze (unter 25,00 €), die einem erneuten Verjährungsbeginn oder einer Hemmung entgegensteht gemäß § 5 Abs. 3 S. 4 GKG.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Neubeginn der Verjährung bedeutet, dass die bislang verstrichene Zeit der alten Verjährungsfrist unbeachtet bleibt und mit dem maßgeblichen Ereignis der Lauf einer neuen Frist beginnt, wobei die Länge der neuen Frist grundsätzlich mit der der alten identisch ist. Die neue Verjährungsfrist läuft auch dann wieder sofort nach Eintritt des Neubeginntatbestandes, wenn es sich um Ansprüche handelt, deren Verjährung erst mit dem Schluss des betreffenden Jahres beginnt (vgl. Grothe, Münchner Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 212 BGB Rn. 23; BGH, Urteil vom 15. August 2012 - XII ZR 86/11 -, juris Rn. 33; OVG LSA, Beschluss vom 8. September 2014 -1 L 15/01-).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Vor Ablauf der neu begonnenen 4jährigen Verjährungsfrist im September 2018 wurde der Beginn der Verjährungsfrist gemäß § 5 Abs. 3 S. 1 1. HS GKG i. V. m. § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 5. Juli 2017 und 18. August 2018 jeweils erneut in Lauf gesetzt, wobei sich auch für diese Vollstreckungsmaßnahmen kein Anhalt ergibt, dass der Neubeginn der Verjährung gemäß<br>§ 212 Abs. 2, Abs. 3 BGB als nicht eingetreten gelten könnte. Die 4jährige Verjährungsfrist ist hiernach noch nicht abgelaufen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 3 S. 3 GKG).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
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<br>
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<dd><p>1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 5. Kammer - vom 27. November 2018, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt ist, hat in der Sache keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die begehrte Abänderung des angefochtenen Beschlusses nicht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis erlassen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder wenn die Regelung aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sowie die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit den §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft zu machen. Wird mit einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Hauptsache ganz oder teilweise vorweggenommen und dadurch in aller Regel ein faktisch endgültiger Zustand geschaffen, kann eine Regelung nur ergehen, wenn der Antragsteller in der Hauptsache zumindest überwiegende Erfolgsaussichten hat und schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er auf den rechtskräftigen Abschluss eines Klageverfahrens verwiesen werden müsste. Überwiegende Aussichten in der Hauptsache bestehen hingegen nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch mit größter Wahrscheinlichkeit begründet ist und aller Voraussicht nach auch im Hauptsacheverfahren bestätigt werden wird (<em>vgl. OVG LSA, Beschluss vom 5. Januar 2007 - 1 M 1/07 -, juris [m. w. N.]</em>).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Es ist bereits fraglich, ob die Antragstellerin vorliegend den erforderlichen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat (<em>vgl. hierzu: OVG LSA, Beschluss vom 4. Juli 2017 - 1 M 70/17 -, juris</em>). Dies bedarf im gegebenen Fall indes keiner abschließenden Entscheidung, denn jedenfalls hat die Antragstellerin den erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Ein Besetzungsverfahren kann durch einen wirksamen Abbruch beendet werden, wenn der Dienstherr die Stelle zwar weiterhin vergeben will, hierfür aber ein neues Auswahlverfahren für erforderlich hält. Wirksam ist diese Entscheidung indes nur, wenn sie rechtmäßig ist. Prüfungsmaßstab hierfür ist Art. 33 Abs. 2 GG. Der Abbruch betrifft nicht die der Organisationsgewalt des Dienstherrn vorbehaltene Entscheidung darüber, ob und welche Ämter er schaffen und wie er seine Dienstposten zuschneiden will. Die Stelle soll vielmehr unverändert bestehen bleiben und auch vergeben werden. Die Entscheidung, das in Gang gesetzte Auswahlverfahren abzubrechen und die Stelle erneut auszuschreiben, bezieht sich nicht auf Zuschnitt und Gestaltung des Amtes, sondern auf dessen Vergabe. Mit der Maßnahme werden organisatorische Fragen des Auswahlverfahrens bestimmt. Der Abbruch eines Auswahlverfahrens bedarf daher eines sachlichen Grundes, der den Vorgaben aus Art. 33 Abs. 2 GG genügt (etwa: Fehlerhaftigkeit des Verfahrens ohne Aussicht auf ordnungsgemäße Auswahlentscheidung; Erforderlichkeit einer erneuten Ausschreibung, um eine hinreichende Anzahl leistungsstarker Bewerber zu erhalten). Genügt die Abbruchentscheidung diesen Vorgaben nicht, ist sie unwirksam und das in Gang gesetzte Auswahlverfahren nach dessen Maßgaben fortzuführen. Eine Neuausschreibung darf dann nicht erfolgen. Die Rechtmäßigkeit des Abbruchs setzt darüber hinaus voraus, dass die Bewerber hiervon rechtzeitig und in geeigneter Form Kenntnis erlangen und der wesentliche Abbruchgrund schriftlich dokumentiert wird (<em>siehe zum Vorstehenden: BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 -, BVerwGE 151, 14 = juris Rn. 17 ff. [m. w. N.]</em>).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Letzteres ist hier aufgrund des in dem Vermerk vom 8. August 2018 fixierten Abbruchgrundes der Fall. Der Antragsgegnerin steht ein sachlicher Grund zur Seite, den sie in dem vorbezeichneten Vermerk auch schriftlich fixiert hat. Die Beendigung des hier streitgegenständlichen Besetzungsverfahrens, weil (aufgrund des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses vom 7. Mai 2018 in dem zwischen den Beteiligten anhängigen Verfahren 5 B 511/17 MD) eine erneute Auswahlentscheidung zu treffen sei, die die inzwischen erstellten Regelbeurteilungen zum Stichtag 31. Dezember 2017 zu berücksichtigen habe, stellt sich - entgegen der Auffassung der Beschwerde - als sachlicher Grund dar. Auszugehen ist nämlich dabei von Folgendem:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Für die Rechtmäßigkeit einer Auswahlentscheidung für die Vergabe eines höherwertigen Amtes oder Dienstpostens kommt es auf die Sachlage zum Zeitpunkt der Ausgangsentscheidung - regelmäßig in Gestalt des Auswahlvermerkes - an (<em>BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 2017 - 2 VR 2.16 -, juris</em>). Der von Art. 33 Abs. 2 GG geforderte Leistungsvergleich der Bewerber um ein Beförderungsamt muss anhand aussagekräftiger, d. h. aktueller, hinreichend differenzierter und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhender dienstlicher Beurteilungen vorgenommen werden (<em>OVG LSA, Beschluss vom 28. September 2018 - 1 M 111/18 -, juris</em>). Zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber ist mithin in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Regelmäßig sind dies die - bezogen auf den Zeitpunkt der Auswahlentscheidung - „aktuellsten“ Beurteilungen, wobei der Dienstherr im Rahmen ordnungsgemäßer Personalbewirtschaftung dafür zu sorgen hat, dass die Beamten grundsätzlich regelmäßig dienstlich beurteilt werden, da die dienstliche Beurteilung mit ihrer auf das innegehabte Amt bezogenen Bewertung der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung vor allem dem Vergleich zwischen den für die Besetzung eines Beförderungsdienstpostens oder für die Verleihung eines Beförderungsamtes in Betracht kommenden Beamten dient (<em>OVG LSA Beschluss vom 16. Oktober 2010 - 1 M 125/10 -, juris [m. w. N.]</em>). Regelbeurteilung erfassen nämlich die für alle Beamten gleichmäßig zu beurteilenden Merkmale nicht nur punktuell, sondern in ihrer zeitlichen Entwicklung und unabhängig von einer konkreten Verwendungsentscheidung (<em>BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2001 - 2 C 41.00 - juris; OVG LSA Beschluss vom 16. Januar 2009 - 1 M 2/09 -, juris [m. w. N.]</em>). Für die Beamten des Landes Sachsen-Anhalt folgt zudem aus § 21 Abs. 1 LBG LSA (<em>OVG LSA, Beschluss vom 18. August 2011 - 1 M 65/11 -, juris</em>), dass Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Beamten regelmäßig zu beurteilen sind. Hieraus resultierend darf der Dienstherr bei seiner Auswahlwahlentscheidung daher grundsätzlich nicht ausschließlich die jeweils „aktuell(st)en“ Anlassbeurteilungen zugrunde legen, sondern hat überdies zumindest die letzte Regelbeurteilung der Beamten zu berücksichtigen (<em>siehe hierzu im Einzelnen: OVG LSA, Beschluss vom 6. März 2015 - 1 M 2/15 -, juris [m. w. N.]</em>). Daraus folgt, dass bei einer erneuten Auswahlentscheidung des Dienstherrn in der Zwischenzeit erstellte Regelbeurteilungen, die mithin nicht nur von besonderer Bedeutung sind, sondern zugleich die mittlerweile aktuellsten Auswahlgrundlagen darstellen und den Regelbeurteilungszeitraum erfassende etwaige Anlassbeurteilungen inkorporieren, zwingend der erneuten Auswahlentscheidung zugrunde zu legen sind (<em>siehe: OVG LSA, Beschluss vom 1. Juli 2014 - 1 M 58/14 -, juris</em>).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Ferner ist rechtlich nicht zu erinnern, dass die Antragsgegnerin bei der vorliegend neu zu treffenden Auswahlentscheidung nicht lediglich die Antragstellerin und den zuvor für die Beförderung in Aussicht genommenen Beamten, sondern vielmehr alle die Beförderungsvoraussetzung erfüllenden Beamten der Besoldungsgruppe A 7 LBesO LSA der Landesbereitschaftspolizei einzubeziehen beabsichtigt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Ebenso wenig, wie Art. 33 Abs. 2 GG einem Bewerber ein bloßes Konkurrentenverhinderungsinteresse gewährt, vermag sich ein Bewerber grundsätzlich auf die Zulassung oder Nichtzulassung anderer Bewerber als ihn und den ausgewählten Bewerber mit Erfolg zu berufen. Denn Art. 33 Abs. 2 GG schützt den unterlegenen Bewerber nicht vor der Zulassung konkurrierender Bewerber und gewährt Art. 33 Abs. 2 GG (i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG) keinen subjektiven Anspruch auf Zulassung Dritter zum Auswahlverfahren (<em>OVG LSA, Beschluss vom 6. April 2017 - 1 M 38/17 -, juris [m. w. N.]</em>). Der Bewerbungsverfahrensanspruch umfasst insbesondere damit keinen Anspruch darauf, dass das ursprüngliche Bewerberfeld im Rahmen einer wiederholten Auswahlentscheidung („Neubescheidung") unverändert bleibt (<em>BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2017 - 2 BvR 2076/16 -, juris [Rn. 26 f.]</em>).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes im Auswahlverfahren nach Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG erscheint es zwar denkbar, dass etwa die Reduzierung des Bewerberfeldes mit der Folge einer nicht hinreichenden Anzahl leistungsstarker Bewerber keinen für einen Abbruch des Auswahlverfahrens erforderlichen Sachgrund darstellt, wenn der Dienstherr das ursprüngliche Bewerberfeld gezielt mit der Absicht der Herbeiführung der gewünschten Abbruchmöglichkeit des zu wiederholenden Auswahlverfahrens reduziert (<em>so BVerfG, </em><em>Beschluss vom 25. Januar 2017, a. a. O. [Rn. 27])</em>. Ein solcher oder entsprechend gelagerter Fall rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Dienstherrn ist vorliegend indes weder seitens der Beschwerde - schlüssig - aufgezeigt noch anderweitig für den Senat erkennbar. Im Gegenteil: Ausweislich der vorliegenden Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin und nach dem bisherigen Beteiligtenvorbringen ist vielmehr davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin entgegen der in § 9 Satz 1 LBG LSA ausdrücklich normierten Stellenausschreibungspflicht die seinerzeit avisierten 16 Beförderungen, von denen das hier streitgegenständliche Stellenbesetzungsverfahren übrig geblieben ist, die Bewerber nicht durch Stellenausschreibung ermittelt hat, sondern stattdessen alle beförderungsfähigen Beamten in die Auswahlentscheidung(en) eingezogen hat. Es entspringt der Antragstellerin jedenfalls kein rechtlicher Nachteil daraus, dass die Antragsgegnerin die weiterhin zu besetzen beabsichtigte Beförderungsplanstelle nicht gemäß § 9 Satz 1 LBG LSA ausschreibt, sondern stattdessen „in-sich-konsequent“ weiterhin alle Beamten der Landesbereitschaftspolizei, die die Beförderungsvoraussetzungen erfüllen, in die Auswahlentscheidung - unter Zugrundelegung der nunmehr vorliegenden, zugleich aktuellsten (Regel-)Beurteilungen - einbezieht. Anderenfalls müsste nämlich das bisherige Stellenbesetzungsverfahren mangels Ausschreibung ohnehin aufgehoben werden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Ist das streitgegenständliche Stellenbesetzungsverfahren nach alledem rechtmäßig aufgrund des in dem Vermerk vom 8. August 2018 schriftlich fixierten sachlichen Grundes abgebrochen worden, kommt es auf das weitere (hilfsweise geltend gemachte) Beschwerdevorbingen dazu, ob - wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat - jedenfalls in der Mitarbeiterinformation vom 10. August 2018 ein zureichender sachlicher Grund dokumentiert ist, nicht mehr entscheidungserheblich an.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>3. Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i. V. m. §§ 47, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 GKG. Insofern war hier für das Beschwerdeverfahren die Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr nach der Besoldungsgruppe A 8 LBesO LSA (2.423,21 €) zu zahlenden Bezüge im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung zugrunde zu legen. Dabei geht der Senat mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass die Antragstellerin der 1. Erfahrungsstufe zugeordnet ist. Der sich daraus ergebende Betrag war im Hinblick auf die begehrte Vorwegnahme der Hauptsache nicht zu reduzieren.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
</div></div>
<br>
</div>
|
|
171,097 | bverwg-2019-01-03-5-b-3618-5-b-3618 | {
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"state": 2,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
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} | 5 B 36/18, 5 B 36/18 (5 C 1/19) | 2019-01-03T00:00:00 | 2019-01-29T12:48:54 | 2019-01-29T12:48:54 | Beschluss | ECLI:DE:BVerwG:2019:030119B5B36.18.0 | <h2>Gründe</h2>
<div>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_1">1</a>
</dt>
<dd>
<p>Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_2">2</a>
</dt>
<dd>
<p>Die Revision kann dem Senat Gelegenheit zur Klärung der Frage geben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Versetzung aus dienstlichen Gründen im Sinne des Trennungsgeldrechts anzunehmen ist, wenn die Versetzung von dem Beamten beantragt wurde.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<p/>
</dd>
</dl>
</div>
|
171,094 | bverwg-2019-01-03-4-b-5318 | {
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} | 4 B 53/18 | 2019-01-03T00:00:00 | 2019-01-29T12:48:53 | 2019-01-29T12:48:53 | Beschluss | ECLI:DE:BVerwG:2019:030119B4B53.18.0 | <h2>Gründe</h2>
<div>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_1">1</a>
</dt>
<dd>
<p>Die Anhörungsrüge nach § 152a VwGO hat keinen Erfolg. Der Senat hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Die Kläger haben daher keinen Anspruch auf Fortsetzung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_2">2</a>
</dt>
<dd>
<p>1. Die Kläger beanstanden, dass der Senat ihre Rüge übergangen habe, nicht die vom Oberverwaltungsgericht als Sachverständige bezeichneten Frau F. und Herr G. seien die gerichtlich bestellten Sachverständigen, sondern die T. GmbH. Der Vorhalt ist unberechtigt. Der Senat hat den Inhalt des vorinstanzlichen Beweisbeschlusses vom 11. November 2014 zur Kenntnis genommen (BA Rn. 16) und, wie die Kläger nicht in Abrede stellen, zutreffend wiedergegeben. Er ist auch nicht davon ausgegangen, dass das Oberverwaltungsgericht in Wahrheit Frau F. zur gerichtlichen Sachverständigen bestellt habe. Er hat nur festgestellt, dass das Oberverwaltungsgericht Frau F. als "gerichtlich bestellte Sachverständige" befragt hat (BA Rn. 19), Frau G. indes nicht zur weiteren gerichtlichen Sachverständigen (neben der T. GmbH) bestellt hat und deshalb auch nicht verpflichtet war, sie zur ergänzenden Anhörung zu laden. Im Übrigen ist es für den Vorwurf, das Oberverwaltungsgericht habe durch die unterlassene Ladung von Frau G. das Fragerecht der Kläger vereitelt, ohne Belang, ob die T. GmbH oder Frau F. gerichtlich bestellte Sachverständige war.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_3">3</a>
</dt>
<dd>
<p>2. Der Senat hat die Rüge der Kläger beschieden, das Oberverwaltungsgericht habe unter Verstoß gegen § 98 VwGO i.V.m. § 411 Abs. 3 und §§ 402, 397 ZPO davon abgesehen, alle Mitarbeiter aus dem Bereich Strahlenschutz, die an der Erstattung des Ergänzungsgutachtens beteiligt waren, zum Verhandlungstermin zu laden (BA Rn. 18). Eine Verpflichtung der Vorinstanz, neben Frau F. und Herrn G. alle an der Gutachtenerstattung beteiligten Mitarbeiter zu laden, hat der Senat verneint, weil sich diejenigen Personen, die von Frau F. und Herrn G. zur Unterstützung bei der Erledigung des Gutachtenauftrags herangezogen worden seien, einer Befragung in der mündlichen Verhandlung nicht hätten stellen müssen (BA Rn. 19). Damit ist auch gesagt, dass Herr H. nicht hätte geladen werden müssen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_4">4</a>
</dt>
<dd>
<p>3. Die Kläger sehen einen Gehörsverstoß darin, dass der Senat ihnen seine Absicht nicht mitgeteilt habe, die Auskunft der Bundesregierung (BT-Drs. 18/7260 S. 2) auszuwerten. Auch damit dringen sie nicht durch.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_5">5</a>
</dt>
<dd>
<p>Der Senat bezweifelt bereits einen Gehörsverstoß. Die Auswertung von Parlamentsdrucksachen versteht der Senat nicht als Tatsachenermittlung, sondern als Bestandteil der Rechtsfindung. Einen Anspruch darauf, dass ein Gericht die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung hinweist, besteht aber nicht, es sei denn, es handelt sich um eine Rechtsauffassung, mit der auch ein kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 20. November 2012 - 2 B 56.12 - NVwZ 2013, 1093). Von einem solchen Ausnahmefall ist hier nicht auszugehen. Die Frage, ob die Festlegung von Flugverfahren einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf, hat der Senat im Urteil vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - (Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 8 Rn. 21 ff. m.w.N.) und im Beschluss vom 7. Dezember 2015 - 4 B 50.15 - (juris Rn. 4) verneint. Dass er aus § 8 Abs. 1 Satz 4 und 5 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) i.d.F. vom 28. Juni 2016 (BGBl. I S. 1548) und den der Änderung des § 8 Abs. 1 LuftVG zugrunde liegenden Motiven weitere Schlüsse in dieselbe Richtung ziehen würde, konnte nicht überraschen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_6">6</a>
</dt>
<dd>
<p>Im Ergebnis kann das allerdings offenbleiben. Denn ein - zu Gunsten der Kläger unterstellter - Gehörsverstoß wäre für die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht kausal. Der Senat hat die Gesetzesnovelle als Bestätigung seiner Rechtsprechung verstanden, an der er auch ansonsten festgehalten hätte. Die Darlegungen zu § 8 Abs. 1 Satz 4 und 5 LuftVG können hinweggedacht werden, ohne dass sich am Misserfolg der Nichtzulassungsbeschwerde etwas änderte.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_7">7</a>
</dt>
<dd>
<p>4. Wegen der Fragen,</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<p>ob der in Art. 3 UVP-RL enthaltene Begriff "nach Maßgabe eines jeden Einzelfalls" so auszulegen ist, dass eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung auch für die Festlegung zusätzlicher für die Inbetriebnahme eines Flughafens nötiger Abflugverfahren nach deutschem Luftverkehrsrecht besteht, wenn Auswirkungen von Flugverfahren auf die Schutzgüter auf vorangegangenen Verfahrensstufen ausschließlich in Bezug auf von einer "Grobplanung" umfasste Abflugverfahren geprüft wurden, nachträglich aber abweichend von dieser "Grobplanung" zusätzliche Abflugverfahren festgesetzt werden,</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<p>ob Art. 3 UVP-RL und der darin enthaltene Begriff der "unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projekts" so auszulegen ist, dass darunter auch die Risiken eines durch das Projekt ausgelösten nuklearen Unfalls zu verstehen sind,</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<p>sowie diverser Fragen zur Vereinbarkeit des innerstaatlichen Rechts, nach der die Festlegung von Flugverfahren keiner vorherigen Strategischen Umweltprüfung bedarf, hat der Senat die Revision nicht zugelassen, weil das Oberverwaltungsgericht sie sich nicht gestellt und deshalb auch nicht beantwortet hatte.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_8">8</a>
</dt>
<dd>
<p>Die Kläger sind der Ansicht, dass der Senat damit den Begriff der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verkannt habe. Es komme nicht auf die Themenwahl des Oberverwaltungsgerichts, sondern nur darauf an, ob sich die aufgeworfenen Grundsatzfragen bei richtiger Rechtsanwendung stellten. Nur wenn die Rechtsfragen auch nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich seien, dürfe die Beschwerde zurückgewiesen werden. Den Klägern ist entgegenzuhalten, dass die Anhörungsrüge keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung darstellt (BVerwG, Beschluss vom 24. November 2011 - 8 C 13.11 <8 C 5.10> - juris Rn. 2). Sie dient auch nicht dazu, die Rechtsauffassung des Senats hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung von Revisionszulassungsgründen zu überprüfen (BVerwG, Beschluss vom 23. August 2016 - 4 B 25.16 <4 B 45.15> - juris Rn. 15).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_9">9</a>
</dt>
<dd>
<p>Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Höhe des Gegenstandswerts ergibt sich unmittelbar aus KV Nr. 5400 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG; einer Streitwertfestsetzung bedarf es daher nicht.</p>
</dd>
</dl>
</div>
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161,453 | ovgnrw-2019-01-03-13-b-166518 | {
"id": 823,
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"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 13 B 1665/18 | 2019-01-03T00:00:00 | 2019-01-16T07:00:09 | 2019-02-12T13:44:08 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2019:0103.13B1665.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 2. November 2018 geändert.</p>
<p>Die aufschiebende Wirkung der durch die Antragstellerin vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen erhobenen Klage – 6z K 5426/18 – gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Oktober 2018 wird wiederhergestellt.</p>
<p>Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.</p>
<p>Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e :</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten streiten um die Rücknahme eines im zentralen Vergabeverfahren erteilten Zulassungsbescheids für die Aufnahme eines Studiums der Humanmedizin an der Universität Göttingen zum Wintersemester 2018/2019.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin ist von Beruf medizinisch-technische Laboratoriumsassistentin und erwarb am 15. April 2010 vor dem Niedersächsischen Prüfungsamt für den Erwerb der fachbezogenen Hochschulzugangsberechtigung nach Maßgabe von § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG) die Berechtigung zum Studium der Humanmedizin mit der Durchschnittsnote 2,9. In einem Teilzeitpräsenzlehrgang am Westfalen-Kolleg der Stadt Dortmund erlangte die Antragstellerin am 2. Juli 2011 außerdem die allgemeine Hochschulreife mit der Durchschnittsnote 3,4. Unter alleiniger Angabe ihrer fachbezogenen Hochschulzugangsberechtigung bewarb sie sich zum Wintersemester 2018/2019 bei der Antragsgegnerin um die Zuweisung eines Studienplatzes im Studiengang Humanmedizin und wurde auf dieser Grundlage mit 16 Wartehalbjahren in der Wartezeitquote ausgewählt. Mit Bescheid vom 10. August 2018 wies ihr die Antragsgegnerin antragsgemäß einen Studienplatz an der Universität Göttingen zu.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Nachdem die Antragsgegnerin in Folge eines Datenabgleichs Kenntnis vom Vorliegen auch der allgemeinen Hochschulreife erhalten hatte, nahm sie den Zulassungsbescheid nach Anhörung der Antragstellerin mit dem in der Hauptsache vor dem Verwaltungsgericht – 6z K 5426/18 – angefochtenen Bescheid vom 11. Oktober 2018 zurück und ordnete die sofortige Vollziehung ihrer Entscheidung an. Der Zulassungsbescheid beruhe auf falschen Angaben, weil die Antragstellerin bei ihrer Bewerbung zwingend die allgemeine Hochschulreife hätte angeben müssen, die nach den einschlägigen rechtlichen Bestimmungen zum zentralen Vergabeverfahren gegenüber der fachbezogenen Hochschulzugangsberechtigung für beruflich Qualifizierte Vorrang habe. Auf der Grundlage der allgemeinen Hochschulreife hätte die Antragstellerin mit nur 14 Wartehalbjahren und einer Durchschnittsnote von 3,4 zum Wintersemester 2018/2019 keinen Studienplatz erhalten.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat den am 24. Oktober 2018 gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage mit Beschluss vom 2. November 2018 abgelehnt und die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin bestätigt. Eine ausdrückliche Regelung für den Fall des Aufeinandertreffens der im Streit stehenden Hochschulzugangsberechtigungen bestehe nicht. Die Bestimmung in § 4 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über die zentrale Vergabe von Studienplätzen durch die Stiftung für Hochschulzulassung (VergabeVO), wonach dem Zulassungsantrag bei mehreren durch den Bewerber vorgelegten Hochschulzugangsberechtigungen die zuerst erworbene zugrunde gelegt werden müsse, sei nicht einschlägig. Aus ihr lasse sich bei gebotener Auslegung auch nicht im Umkehrschluss folgern, dass dem Bewerber grundsätzlich ein Wahlrecht zustehe, welche von mehreren Hochschulzugangsberechtigungen er bei der Bewerbung anführe. Demgegenüber sei aus den Regelungen über den Nachweis der zum Studium berechtigenden Qualifikation in § 27 Abs. 2 Hochschulrahmengesetz (HRG) und die Sonderquote zugunsten der in der beruflichen Bildung Qualifizierten in § 32 Abs. 2 Satz 2 HRG i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des Staatsvertrags über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung vom 5. Juni 2008 (StV) ein Vorrang der allgemeinen Hochschulreife gegenüber einer Hochschulzugangsberechtigung für beruflich Qualifizierte abzuleiten, der ein Wahlrecht ausschließe.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Hiergegen richtet sich die am 12. November 2018 eingelegte und im Einzelnen näher begründete Beschwerde der Antragstellerin. Sie macht insbesondere geltend, dass es sich im Hinblick auf den Studiengang der Humanmedizin bei der von ihr erworbenen fachbezogenen Hochschulzugangsberechtigung nach niedersächsischem Landesrecht um eine mit der allgemeinen Hochschulreife gleichrangige Hochschulzugangsberechtigung handle. Außerdem wäre es im Ergebnis unbillig, wenn ihr der zusätzliche Erwerb der allgemeinen Hochschulreife im Auswahlverfahren nunmehr zum Nachteil gereiche.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">den Beschluss des Verwaltungsgericht Gelsenkirchen vom 2. November 2018 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihrer dort am 24. Oktober 2018 erhobenen Klage – 6z K 5426/18 – gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Oktober 2018 wiederherzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Beschwerde zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Bezugnahme auf die durch das Verwaltungsgericht angeführte Begründung.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist zulässig und begründet.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die mit der Beschwerde angeführten Gründe führen zur Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts und zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der durch die Antragstellerin erhobenen Klage. Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO vorzunehmende und in erster Linie an den Erfolgsaussichten der Hauptsache auszurichtende Abwägung zwischen dem Suspensivinteresse der Antragstellerin und den privaten wie öffentlichen Interessen an einer sofortigen Vollziehung fällt zu Gunsten des Suspensivinteresses der Antragstellerin aus. Die mit dem in der Hauptsache angefochtenen Bescheid verfügte Rücknahme des Zulassungsbescheids ist rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die nach Art. 11 Abs. 6 Satz 1 StV erforderlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme sind nicht gegeben. Die Zulassung der Antragstellerin zum Studium der Humanmedizin an der Universität Göttingen zum Wintersemester 2018/2019 beruht weder auf falschen Angaben der Antragstellerin im Zulassungsantrag (Halbsatz 1), noch ist sie aus den durch die Antragsgegnerin angeführten Umständen in sonstiger Weise mit der Folge fehlerhaft, dass eine Möglichkeit zur Rücknahme des Zulassungsbescheids nach pflichtgemäßem Ermessen eröffnet wäre (Halbsatz 2). Es ist nämlich von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass die Antragstellerin mit ihrer Bewerbung um die Zuweisung eines Studienplatzes allein ihre am 15. April 2010 in Niedersachsen erworbene fachbezogene Hochschulzugangsberechtigung aufgrund beruflicher Qualifizierung angeführt hat.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">1. Für Studienplatzbewerber, die über mehrere zu dem angestrebten Studium berechtigende Hochschulzugangsberechtigungen verfügen, besteht im Verfahren zur zentralen Vergabe von Studienplätzen im Grundsatz ein materiell-rechtliches Wahlrecht, ihren Zulassungsantrag nach freiem Ermessen auf eine der bestehenden Hochschulzugangsberechtigungen zu stützen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">a) Zwar enthalten – wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat – die für das zentrale Vergabeverfahren maßgeblichen Bestimmungen des Bundes- und Landesrechts keine ausdrückliche Regelung für den Fall des Bestehens mehrerer zu dem angestrebten Studium berechtigender Hochschulzugangsberechtigungen eines Studienplatzbewerbers. Bereits dieser Umstand spricht aber im Umkehrschluss entscheidend für ein dem Studienplatzbewerber im Grundsatz verbleibendes materiell-rechtliches Wahlrecht, sich unter Abwägung der mit der eigenverantwortlich zu treffenden Entscheidung zwangsläufig verbundenen unterschiedlichen Chancen und Risiken im Auswahlverfahren nach freiem Ermessen auf eine der bestehenden Hochschulzugangsberechtigungen festzulegen. In Anbetracht des grundrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG geschützten Rechts der Studienplatzbewerber auf gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot und des damit derivativen Anspruchs auf gleichheitsgerechte Zulassung zum Studium ihrer Wahl wären nämlich entsprechende ausdrückliche gesetzliche Vorgaben zu einem etwaigen Vorrang der einen vor der anderen Hochschulzulassungsberechtigung im Auswahlverfahren zu verlangen. Weil sich eine wie auch immer gestaltete staatliche Festlegung auf eine von mehreren bestehenden Hochschulzugangsberechtigungen für den Studienplatzbewerber chancenmindernd oder chancenerhöhend auswirken kann, bedürfte sie einer gleichheitsgerechten und dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts genügenden gesetzlichen Regelung.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Vgl. hierzu zuletzt grundlegend BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2017 – 1 BvL 3/14 –, BVerfGE 147, 253 = juris, Rn. 103 ff. und 107 ff. m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">b) Auch die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 2 VergabeVO weist bei gebotener Auslegung auf ein von ihr im Grundsatz vorausgesetztes materiell-rechtliches Wahlrecht des Studienplatzbewerbers hin. Sie besagt, dass dann, wenn mehrere einschlägige Hochschulzugangsberechtigungen vorgelegt werden, dem Zulassungsantrag die zuerst erworbene zugrunde gelegt wird. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut dieser Vorschrift greift die in der Rechtsfolge vorgesehene Festlegung auf die zuerst erworbene Hochschulzugangsberechtigung nicht schon dann, wenn der Bewerber bei der Antragstellung über mehrere einschlägige Hochschulzugangsberechtigungen verfügt. Tatbestandlich vorausgesetzt ist vielmehr, dass mit dem Zulassungsantrag auch mehrere einschlägige Hochschulzugangsberechtigungen „vorgelegt“ werden, was auf ein bestehendes Wahlrecht des Bewerbers schließen lässt, seinen Zulassungsantrag auch bei Bestehen mehrerer einschlägiger Hochschulzugangsberechtigungen nur auf eine dieser Hochschulzugangsberechtigungen zu stützen. Die Festlegung auf die zuerst erworbene Hochschulzugangsberechtigung in § 4 Abs. 1 Satz 2 VergabeVO verliert hierdurch nicht ihren Sinn, weil sie der Stiftung für Hochschulzulassung (nur) für den Fall, dass der Bewerber mit seinen Zulassungsantrag mehrere Hochschulzugangsberechtigungen anführt, ohne selbst eine Auswahl zu treffen, ein klares und die Effizienz und Handhabbarkeit des Vergabeverfahrens gewährleistendes Entscheidungskriterium zur Hand gibt, um auf der Grundlage allein einer der einschlägigen Hochschulzugangsberechtigungen eine Auswahlentscheidung treffen zu können.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">§ 4 Abs. 1 Satz 2 VergabeVO steht damit rechtshistorisch in einer Linie mit der Vorgängerregelung in § 9 Abs. 1 Sätze 2 und 3 VergabeVO in der letztmalig für das Vergabeverfahren zum Sommersemester 2005 maßgeblichen Fassung (a.F.). Diese bestimmte: „Werden mehrere Hochschulzugangsberechtigungen vorgelegt, soll für jeden gewünschten Studiengang angegeben werden, auf welche der Zulassungsantrag gestützt wird. Fehlt eine derartige Angabe, wird dem Zulassungsantrag die zuerst erworbene Hochschulzugangsberechtigung zugrunde gelegt.“ Deutlicher als in der heutigen Fassung trat dabei aus der Formulierung in § 9 Abs. 1 Satz 2 VergabeVO a.F. ein dem Bewerber zustehendes Wahlrecht hervor, bei Vorlage mehrerer Hochschulzugangsberechtigungen nach freiem Ermessen für jeden gewünschten Studiengang anzugeben, auf welche Hochschulzugangsberechtigung der Zulassungsantrag gestützt wird. Der in § 9 Abs. 1 Satz 3 VergabeVO a.F. vorgesehene Rückgriff auf die zuerst erworbene Hochschulzugangsberechtigung war dabei ersichtlich nur als Ersatzkriterium für den Fall vorgesehen, dass der Bewerber entsprechende Angaben in seinem Zulassungsantrag unterlassen hatte.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Entsprechend wurde auch in der zugehörigen Kommentarliteratur angenommen, dass die Bestimmung in § 9 Abs. 1 Satz 2 VergabeVO a.F. es dem Bewerber ermöglichte, die für ihn günstige Auswahl unter mehreren Hochschulzugangsberechtigungen zu treffen. Die Vorschrift verstoße insoweit auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, weil der Bewerber in jedem Fall mit anderen Bewerbern konkurriere, die gleichberechtigt seien. Als Ersatzkriterium im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 3 VergabeVO a.F. sei die Festlegung auf die zuerst erworbene Hochschulzugangsberechtigung als zulässig anzusehen, weil die (vormalige) Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) in dem unter starkem Zeitdruck stehenden Verfahren eine eindeutige Regelung anwenden müsse und die Feststellung, welche Hochschulzugangsberechtigung für den Bewerber am günstigsten wäre, wegen der möglichen Vielfalt von Kombinationen mit anderen Bewerbern die Durchführung des Verfahrens beinträchtigen würde.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Vgl. Bahro/Berlin, Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Auflage 2003, § 9 VergabeVO Rn. 3.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Anders als das Verwaltungsgericht meint, liegt es in Anbetracht der im Kern identisch gebliebenen Regelung zu einem Ersatzkriterium in § 4 Abs. 1 Satz 2 VergabeVO nahe, dass der Verordnungsgeber das in § 9 Abs. 1 Sätze 2 und 3 VergabeVO a.F. vorgefundene Regelungskonzept auch in die aktuelle Fassung der Vergabeverordnung übernommen hat und die in diesem Zusammenhang vorgenommenen textlichen Verkürzungen lediglich dem Wegfall der seinerzeit durch § 9 Abs. 2 VergabeVO a.F. eröffneten Möglichkeit geschuldet sind, im Zulassungsantrag bis zu zwei Studiengänge zu nennen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">2. Das hiernach im Grundsatz bestehende materiell-rechtliche Wahlrecht wird entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht partiell für den hier gegebenen Fall des Aufeinandertreffens der allgemeinen Hochschulreife mit einer (fachbezogenen) Hochschulzugangsberechtigung aufgrund beruflicher Qualifizierung durch einen Vorrang der allgemeinen Hochschulreife überlagert. Einen solchen Vorrang gibt es im zentralen Vergabeverfahren nicht. Er folgt insbesondere auch nicht aus den durch das Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Rechtsauffassung herangezogenen Vorschriften in § 27 Abs. 2 HRG oder § 32 Abs. 2 Satz 2 HRG i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Satz 2 StV.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Vgl. offenlassend noch OVG NRW, Beschlüsse vom 4. November 2014 – 13 A 1640/14 –, juris, Rn. 4, und vom 28. November 2013 – 13 B 1246/13 –, juris, Rn. 2; wie die Vorinstanz dagegen Bode, in: Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, Loseblattsammlung, 43. Lieferung September 2015, § 32 HRG Rn. 158.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">a) § 27 HRG, der wie sämtliche Vorschriften des Hochschulrahmengesetzes ohnehin nur noch nach näherer Maßgabe der Art. 125a f. GG fortgilt, regelt die allgemeinen Voraussetzungen für den Zugang zum Studium. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist jeder Deutsche im Sinne von Art. 116 des Grundgesetzes zu dem von ihm gewählten Hochschulstudium berechtigt, wenn er die für das Studium erforderliche Qualifikation nachweist. Hierauf nimmt der durch das Verwaltungsgericht angeführte Absatz 2 Bezug. Dessen Satz 1 bestimmt, dass der Nachweis der erforderlichen Qualifikation für den Zugang zu einem Studium, das zu dem ersten berufsqualifizierenden Abschluss führt, grundsätzlich durch den Abschluss einer auf das Studium vorbereitenden Schulbildung erbracht wird. Ergänzend sieht Satz 2 vor, dass in der beruflichen Bildung Qualifizierte diesen Nachweis nach näherer Bestimmung des Landesrechts auch auf andere Weise erbringen können. In diesem Sinne ist im Land Niedersachen eine Hochschulzugangsberechtigung auch aufgrund beruflicher Vorbildung nach näherer Maßgabe von § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 NHG vorgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Verwaltungsgericht dabei insbesondere aus dem Wortlaut von § 27 Abs. 2 Satz 1 HRG („grundsätzlich“) darauf geschlossen, dass der Rahmengesetzgeber den Regelfall des Qualifikationsnachweises für den Zugang zu einem auf den ersten berufsqualifizierenden Abschluss hinführenden Studium in dem Abschluss einer auf das Studium vorbereitenden Schulbildung sieht.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Vgl. hierzu auch Bode, in: Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, Loseblattsammlung, 45. Lieferung April 2016, § 27 HRG Rn. 181 ff.; Lindner, in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 3. Auflage 2017, S. 677 (Rn. 84).</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Zugleich lässt aber bereits der Begriff „grundsätzlich“ seit jeher Ausnahmen durch das jeweilige Landesrecht zu, so dass auch nichtschulische Qualifikationsnachweise, etwa Eignungsfeststellungsprüfungen der Hochschule, Reifeprüfungen für Nichtschüler oder Prüfungen für die Zulassung zum Hochschulstudium ohne Reifezeugnis, zusätzlich zur Schulbildung gefordert werden dürfen oder auch an deren Stelle treten können.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Vgl. bereits den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Hochschulrahmengesetz vom 30. November 1973, in: BT-Drs. 7/1328, S. 53; vgl. außerdem BayVGH, Beschluss vom 4. April 2005 – 7 CE 05.109 –, juris, Rn. 24; Bode, in: Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, Loseblattsammlung, 45. Lieferung April 2016, § 27 HRG Rn. 181 ff.; Lindner, in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 3. Auflage 2017, S. 677 (Rn. 84).</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Mit der erst nachträglich durch Art. 1 Nr. 24 des Vierten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes vom 20. August 1998 (BGBl. I, S. 2190 ff.) eingeführten Regelung in Absatz 2 Satz 2 sollten sodann alle Länder verpflichtet werden, den Hochschulzugang auch aufgrund beruflicher Qualifikationen zu eröffnen. Im Einzelnen sollen Bewerber, die in der beruflichen Bildung einen ersten berufsqualifizierenden Abschluss erworben haben, nach näherer Bestimmung des Landesrechts den Nachweis ihrer Studieneignung auf andere Weise als durch eine auf das Studium vorbereitende Schulbildung erbringen können. Nach der Vorstellung des Rahmengesetzgebers kann das Landesrecht hierzu beispielsweise eine Eignungsprüfung, eine Ergänzungsprüfung im schulischen Bereich, ein Probestudium, eine Qualifikation als Meister, eine vergleichbare Qualifikation oder eine Kombination dieser Kriterien vorsehen. Neben der Auswahl und näheren Ausgestaltung der Nachweismöglichkeit soll weiterhin dem Landesrecht obliegen, über die abgeschlossene Berufsausbildung hinausgehende Anforderungen, etwa im Hinblick auf das Alter oder eine Berufstätigkeit, festzulegen sowie die Art der zu erwerbenden Hochschulzugangsberechtigung zu bestimmen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Vierten Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes vom 20. Oktober 1997, in: BT-Drs. 13/8796, S. 22; Bode, in: Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, Loseblattsammlung, 45. Lieferung April 2016, § 27 HRG Rn. 213.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Zusammenhang bedarf dabei keiner weitergehenden Prüfung, inwieweit aus der Bestimmung in Absatz 2 Satz 1 auch im Hinblick auf den durch Absatz 2 Satz 2 eröffneten Zugang zum Hochschulstudium aufgrund beruflicher Qualifizierung noch von einer jedenfalls rahmengesetzlich vorgegebenen Regel-Ausnahme-Systematik mit sich daraus ggf. ergebenden weiteren Implikationen für die Zulassung beruflicher Qualifikationsnachweise ausgegangen werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Vgl. im Ansatz kritisch Bode, in: Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, Loseblattsammlung, 45. Lieferung April 2016, § 27 HRG Rn. 184 m.w.N; Lindner, in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 3. Auflage 2017, S. 679 (Rn. 88).</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Wortlaut und Regelungssystematik von § 27 HRG werden jedenfalls dann überspannt, wenn aus ihnen auch mit Bedeutung für das zentrale Vergabeverfahren ein Vorrang schulisch erworbener Qualifikationsnachweise vor beruflich erworbenen Qualifikationsnachweisen geschlossen wird. Eine solche Auslegung vernachlässigt bereits, dass beide Hochschulzugangsberechtigungen nach § 27 Abs. 1 Satz 1 HRG grundsätzlich unterschiedslos zu einem Hochschulstudium berechtigen und damit in der Rechtsfolge gleichrangig nebeneinander stehen. Etwaige Beschränkungen der Zulassung, etwa auf ein bestimmtes Studienfach, die bei einer Hochschulzugangsberechtigung für beruflich Qualifizierte bestehen können, sind der in § 27 Abs. 2 Satz 2 HRG vorgesehenen weiteren Ausgestaltung durch Landesrecht geschuldet. Mit ihnen geht aber – im Umfang der konkret erworbenen Hochschulzulassungsberechtigung – keine Nachrangigkeit gegenüber dem Abschluss einer auf das Studium vorbereitenden Schulbildung einher. Vor allem aber differenzieren die hier einschlägigen Regelungen zum Auswahlverfahren in den Hauptquoten nach § 32 Abs. 3 HRG, soweit sie als Auswahlkriterium auf den Grad oder den Zeitpunkt der Qualifikation im Sinne von § 27 HRG abstellen, nicht danach, ob es um eine schulisch oder um eine außerschulisch erworbene Qualifikation handelt. Der mit der Zulassung außerschulischer Qualifikationsnachweise einhergehenden und für die Zwecke des Auswahlverfahrens relevanten Problematik der Vergleichbarkeit mit der allgemeinen Hochschulreife wird nach der Vorstellung des Gesetzgebers in erster Linie mit der Bestimmung in § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 HRG und damit auf der „Erwerbsseite“ begegnet, wonach die Länder dafür Sorge zu tragen haben, dass die Nachweise auch innerhalb eines Landes hinsichtlich der jeweiligen Anforderungen und Bewertungen vergleichbar sind.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Vgl. hierzu bereits den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Hochschulrahmengesetz vom 30. November 1973, in: BT-Drs. 7/1328, S. 53.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">b) Anderes folgt auch nicht aus der in § 32 Abs. 2 Satz 2 HRG angelegten Option, für nach § 27 Abs. 2 Satz 2 HRG in der beruflichen Bildung qualifizierte Bewerber anstelle einer Zulassung in den Hauptquoten Studienplätze innerhalb der Sonderquote für die Vorabzulassung vorzuhalten. Von dieser Option haben die Länder mit Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und Satz 2 StV in dem Sinne Gebrauch gemacht, dass im Auswahlverfahren eine Sonderquote für in der beruflichen Bildung Qualifizierte, die über keine sonstige Studienberechtigung verfügen, vorgesehen werden soll, wenn zu erwarten ist, dass der Anteil der ihr unterfallenden Bewerber an der Bewerbergesamtzahl mindestens eins vom Hundert beträgt. Andernfalls erfolgt eine Auswahlentscheidung innerhalb der Hauptquoten nach Art. 10 StV.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien zu § 32 Abs. 2 Satz 2 HRG hat sich der Rahmengesetzgeber dabei von der Vorstellung leiten lassen, dass ohnehin eine nicht von der (vormaligen) ZVS, sondern von den Hochschulen durchzuführende Zulassung wie bei Deutschen nicht gleichgestellten Ausländern und Staatenlosen naheliege, da die von den Betroffenen erworbenen Hochschulzugangsberechtigungen nur von dem jeweiligen Land anerkannt seien. Außerdem könne im Rahmen der Sonderquote für die Vorabzulassung der Unterschiedlichkeit der beruflichen Qualifikation (Gesellen-, Meisterprüfung, Berufstätigkeit, Zugangsprüfung) besser Rechnung getragen werden.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Vierten Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes vom 20. Oktober 1997, in: BT-Drs. 13/8796, S. 23.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die hiernach für eine Vorabzulassung für in der beruflichen Bildung qualifizierte Bewerber maßgeblichen Erwägungen rechtfertigen nicht den Rückschluss, dass für Bewerber, die zusätzlich zu einem beruflichen Qualifikationsnachweis auch über die allgemeine Hochschulreife verfügen und damit selbst im Fall der Bildung einer Sonderquote nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StV – die es im hier streitgegenständlichen Wintersemester 2018/2019 nicht gegeben hat – nur am Auswahlverfahren in den Hauptquoten zugelassen werden können, dort zwingend die allgemeine Hochschulreife als Auswahlkriterium maßgeblich sein muss. Im Gegenteil würde ein derartiger Rückschluss für mehrfach qualifizierte Studienplatzbewerber mitunter zu einer unbilligen Benachteiligung im Auswahlverfahren in den Hauptquoten führen können, wie nicht zuletzt der Fall der Antragstellerin zeigt. Diese würde allein wegen des zusätzlichen Erwerbs der (vermeintlich höherrangigen) allgemeinen Hochschulreife einen Studienplatz nicht erhalten, der ihr ohne den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife allein aufgrund des (vermeintlich nachrangigen) beruflichen Qualifikationsnachweises in den Hauptquoten ohne weiteres zugestanden hätte. Ein solches Auswahlergebnis entbehrte einer sachlichen Rechtfertigung.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist unanfechtbar.</p>
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<a name="focuspoint"><!--BeginnDoc--></a><div id="bsentscheidung"><div>
<h4 class="doc">Tenor</h4>
<div><div>
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<dd><p>Die Klage wird abgewiesen.</p></dd>
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<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.</p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<h4 class="doc">Tatbestand</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Der Kläger macht im Rahmen des sog. „Abgasskandals“ im Zusammenhang mit einem PKW-Kauf gegen die Beklagte als Herstellerin Schadensersatzansprüche geltend.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Im Jahre 2009 erwarb der Kläger gegen Zahlung von 19.100 € von einem Autohaus ein Fahrzeug vom ... .</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Im streitgegenständlichen Fahrzeug ist ein Dieselmotor vom ... verbaut. Das Fahrzeug wurde aufgrund einer entsprechenden Typgenehmigung - deren rechtlicher Bestand zwischen den Parteien streitig ist - nach EU5 zugelassen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Der Umfang der NOX-Emissionen des Fahrzeugs hängt u.a. davon ab, in welchem Umfang Abgase aus dem Auslassbereich des Motors über ein Abgasrückführungsventil in den Ansaugtrakt des Motors zurückgeleitet werden: Je mehr Abgase zurückgeführt werden, desto weniger Stickoxide werden emittiert. Die das Abgasventil steuernde Software des Motorsteuerungsgeräts erkannte, ob sich das Fahrzeug innerhalb oder außerhalb der Bedingungen des zur Erlangung der Typengenehmigung durchgeführten Testlauf nach dem NEFZ befand, der aus fünf exakt vorgegebenen synthetischen Fahrkurven besteht. Verließ das Fahrzeug die Bedingungen des NEFZ wurden relativ weniger Abgase in den Ansaugtrakt des Motors zurückgeleitet als wenn sich das Fahrzeug innerhalb der Bedingungen des NEFZ befand.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) erkannte in der genannten Software - die der zuständigen Behörde anlässlich des Typgenehmigungsverfahren und dem Kläger bei Abschluss des Kaufvertrages unbekannt war - eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Ziffer 10 der VO (EG) 715/2017 und ordnete einen Rückruf an. Es wurde daraufhin ein Softwareupdate entwickelt, welches vom KBA mit Schreiben vom 20.06.2016 - auf welches Bezug genommen wird (Anlage B5) - freigegeben wurde. Der Kläger ließ das Update nachfolgend aufspielen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Er ist der Auffassung, dass die Beklagte Zug-um-Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs aus Deliktsrecht zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe des damals gezahlten Kaufpreises verpflichtet sei. Hilfsweise sei die Beklagte - so der Kläger weiter - verpflichtet, ihm einen merkantilen Minderwert in Höhe von mindestens 5.730 € zu erstatten. Hilfsweise begehrt der Kläger zudem festzustellen, dass die Beklagte zur Zahlung weiteren Schadensersatzes verpflichtet ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Der Kläger behauptet, er sei von der Beklagten über die Gesetzeskonformität des Fahrzeugs getäuscht worden. Das Inverkehrbringen des Fahrzeugs ohne Hinweis auf die streitgegenständliche Software habe ihm vorgespiegelt, dass das Fahrzeug in einem gesetzeskonformen Zustand die Betriebserlaubnis erhalten habe. Eine Täuschung sei zudem durch die Angabe der (Zitat!) „Schadsoftware“ in der Prospektwerbung erfolgt, die für einen Käufer nur den Schluss zugelassen habe, dass es sich um ordnungsgemäß und nicht mit Hilfe einer manipulierten Motorsteuerungssoftware ermittelte Werte handelt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Weiter behauptet der Kläger, das Update führe zu einer erhöhten Belastung des Fahrzeugs und damit zu geringeren Haltbarkeit, insbesondere des Abgasrückführungsventils.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Infolge der streitgegenständlichen Softwareproblematik sei ein verbleibender merkantiler Minderwert von ca. 30% des ursprünglich gezahlten Kaufpreises eingetreten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Der Kläger ist der Auffassung, die Betriebserlaubnis für das Fahrzeug sei erloschen, jedenfalls drohe weiter eine Entziehung derselben. Insbesondere ausländische Behörden könnten das so sehen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte hafte nach § 826 BGB, §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 Abs. 1 StGB und §§ 823 Abs. 2 BGB, 6, 27 EG-FGV.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>Der Kläger beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 19.100 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.06.209 Zug um Zug gegen Rückgabe des ... mit der ... zu zahlen,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt"></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme o.g. Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet und</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt"></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">3. die Beklagte zu verurteilen, ihm vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.01.2018 zu erstatten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Hilfsweise zu 1. beantragt der Kläger,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Schadensersatz in Höhe mindestens 5.730 € zu zahlen und</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt"></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm alle Schäden zu ersetzen, die ihm im Zusammenhang mit dem Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs entstanden sind und zukünftig entstehen werden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">die Klage abzuweisen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>Das Gericht hat dem Kläger mit Verfügung vom 30.07.2018 - auf die Bezug genommen wird (Bl. 84 d. A.) - rechtliche Hinweise erteilt.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<h4 class="doc">Entscheidungsgründe</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p>Die Klage ist hinsichtlich des Hilfsantrags zu Ziffer 2 bereits nicht zulässig, im Übrigen nicht begründet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p><strong>I. Zum Klageantrag zu Ziffer 1.:</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_24">24</a></dt>
<dd><p>Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe des ursprünglich gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_25">25</a></dt>
<dd><p>1. Ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 Abs. 1 StGB scheidet aus.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_26">26</a></dt>
<dd><p>Zunächst hat der Kläger keine relevante Täuschung dargelegt:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_27">27</a></dt>
<dd><p>Der Kläger behauptet, eine Täuschung sei durch die Angabe der Schadstoffwerte (die ersichtlich statt der „Schadsoftware“ gemeint sind) in der Prospektwerbung erfolgt, die für den Kläger nur den Schluss darauf zuließ, dass es sich um ordnungsgemäß ermittelte und nicht etwa mit Hilfe einer manipulierten Motorsteuerungssoftware herbeigeführte Werte handelt. Indes wird kein einziges Prospekt vorgelegt. Dies wäre aber insbesondere auch deshalb erforderlich gewesen, weil Angaben zu den NOX-Emissionen nicht zu den Pflichtangaben des Herstellers nach der Pkw-EnVKV gehören.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_28">28</a></dt>
<dd><p>Weiter „behauptet“ der Kläger, das Inverkehrbringen des Fahrzeugs ohne Hinweis darauf, dass Stickoxidwerte mit Hilfe einer Abschaltvorrichtung erzielt worden seien, habe ihm vorgespiegelt, dass der Pkw in einem gesetzeskonformen Zustand die Betriebserlaubnis erhalten habe. Insoweit liegt beim Kläger aber bereits ein technisches Missverständnis vor: Die der Betriebserlaubnis zugrundeliegenden Stickoxidwerte sind nicht mit Hilfe einer Abschaltvorrichtung erzielt worden, weil für die Erlaubnis die Emissionen im Rahmen des sog. NEFZ geprüft wurden, unter denen die Software nicht eingriff. Im Übrigen kann dem Angebot oder der Lieferung einer Sache nicht die Erklärung entnommen werden, diese sei mangelfrei (BayObLG, NJW 1994, 1078) und sind Umstände, die eine Ausnahme von diesem Grundsatz zulassen würden, nicht ersichtlich.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_29">29</a></dt>
<dd><p>Dem Vortrag des Klägers ist damit letztlich nur zu entnehmen, dass von der Beklagten als Herstellerin des Fahrzeugs das Vorhandensein der streitgegenständlichen Software verschwiegen wurde. Eine strafrechtlich relevante Täuschung durch Unterlassen hat der Kläger dadurch nicht dargelegt (so zuletzt auch OLG Braunschweig, Beschluss vom 27.11.2018, 7 W 11/18):</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_30">30</a></dt>
<dd><p>Eine - strafrechtlich relevante - Täuschung durch Unterlassen setzt eine - vorliegend nicht dargelegte - Garantenstellung gem. § 13 Abs. 1 StGB, nämlich voraus, dass der Täter als „Garant“ für die Abwendung des Erfolgs einzustehen hat, die es rechtfertigt, ein Unterlassen dem aktiven Tun gleichzustellen. Die Erfolgsabwendungspflichten beruhen auf dem Grundgedanken, dass eine bestimmte Person - zumal in besonderer Weise - zum Schutz des gefährdeten Rechtsgutes aufgerufen ist und dass alle übrigen Beteiligten auf das helfende Eingreifen dieser Person vertrauen und vertrauen dürfen (OLG Bamberg, Beschluss vom 08.03.2013, 3 Ws 4/12, zit. nach juris, Rn. 18). Der Täter muss rechtlich verpflichtet sein, den deliktischen Erfolg abzuwenden. Eine sittliche Pflicht oder die bloße Möglichkeit, den Erfolg zu verhindern, genügen nicht (BGH, Urteil vom 02.12.2014, VI ZR 501/13, zit. nach juris, Rn. 13).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_31">31</a></dt>
<dd><p>Soweit es um einen Kaufvertrag geht, wird eine Aufklärungspflicht bereits des Verkäufers - mit dem immerhin ein vertrauensbegründendes Vertragsverhältnis besteht - erst dann gesehen, wenn es um wertbildende Faktoren der Kaufsache von besonderem Gewicht geht (BayObLG, Beschluss vom 09.12.1993, 3 St RR 127/93, zit. nach juris, Rn. 24, 25; ausdrücklich ist dort auch von einem wucherhaften Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung die Rede).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_32">32</a></dt>
<dd><p>Dazu „passt“, dass sich der Gesetzgeber bei Schaffung der Regelungen für das auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtete Rücktrittsrecht der Figur des arglistig handelnden Verkäufers bewusst war, was aus §§ 438, 442 BGB folgt. Dennoch hat der Gesetzgeber nicht ausdrücklich geregelt, dass der Rücktritt im Falle eines arglistigen Verkäufers unabhängig von einer vorherigen Fristsetzung zur Mangelbeseitigung möglich ist und der arglistige Verkäufer damit durch Nachbesserung eine Rückabwicklung des Kaufvertrages verhindern kann. Auch fehlt eine Regelung dahingehend, dass eine Berufung des arglistigen Verkäufers auf die Unerheblichkeit der Pflichtverletzung gem. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen ist. Entsprechend wird auch von der Rechtsprechung nur angenommen, dass die Arglist des Verkäufers eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung nur „in der Regel“ entbehrlich macht und auch nur „in der Regel“ eine Anwendung des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausschließt. Würde man jegliches Verschweigen eines Mangels als ein eine Garantenstellung im Sinne von § 13 StGB auslösendes Verhalten ansehen, hieße es anzunehmen, dass der Gesetzgeber einen Käufer u.U. trotz eines strafrechtlich inkriminierten Verhaltens am Kaufvertrag festgehalten wissen wollte, was ausgeschlossen sein dürfte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_33">33</a></dt>
<dd><p>Die weitere „Entfernung“ der Beklagten zum Kläger im vorliegenden Fall - bei der Beklagten handelt es sich „nur“ um den Hersteller des Fahrzeugs - dürfte es sogar rechtfertigen, das Bestehen einer Aufklärungspflicht wenn nicht gar auszuschließen, so aber doch mindestens auf „Vollkatastrophen“ zu beschränken, also auf Umstände, die dazu führen, dass der Kaufgegenstand (fast) wertlos ist oder überhaupt nicht mehr genutzt werden kann. Letztendlich kann diese Frage aber dahinstehen:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_34">34</a></dt>
<dd><p>Zunächst hat die Kläger nicht dargelegt, dass das Fahrzeug infolge der streitgegenständlichen Softwareproblematik künftig nicht mehr genutzt werden kann:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_35">35</a></dt>
<dd><p>Eine Nutzungseinschränkung droht nicht, weil die Typgenehmigung für vom sog. „Abgasskandal“ betroffene Fahrzeuge wegen der streitgegenständlichen Software erloschen ist. Die diesbezüglich teilweise vertretene Rechtsauffassung teilt die Kammer in ständiger Rechtsprechung nicht (so auch für vom sog. „Abgasskandal“ betroffene Fahrzeuge VG Düsseldorf, Urteil vom 24.01.2018, 6 K 12341/17, zit. nach juris, Rn. 313 ff; VG Magdeburg, Beschluss vom 02.07.2018, 1 B 268/18, zit. nach juris, Rn. 14; VG Stuttgart, Beschluss vom 27.04.2018, 8 K 2962/18, zit. nach juris, Rn. 17):</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_36">36</a></dt>
<dd><p>Die Typgenehmigung ist nicht (beschränkt auf das streitgegenständliche Fahrzeug, denn weiter würde die Wirkung der Vorschriften selbst im Falle ihres Eingreifens nicht gehen) gem. §§ 19 Abs. 7, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO erloschen (so für vom sog. „Abgasskandal“ betroffene Fahrzeuge auch VG Düsseldorf, Urteil vom 24.01.2018, 6 K 12341/17, zit. nach juris, Rn. 313 ff.). Die genannten Vorschriften gelten nämlich nicht für den hier (allenfalls) vorliegenden Fall, dass ein Fahrzeug schon vor Inverkehrbringen durch den Hersteller nicht der maßgeblichen Typgenehmigung entspricht. Aus der Begründung zur damaligen Neufassung des § 19 Abs. 2 StVZO - vgl. BR-Drucksache 629/93, dort S. 15, 16 - folgt nämlich, dass diese Vorschrift ihrer Intention nach nur Änderungen von bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen erfassen sollte, denn nur insoweit wurde eine Regelungskompetenz erkannt. Dieses an der Entstehungsgeschichte der Norm orientierte Auslegungsergebnis wird durch eine systematische Auslegung eindrucksvoll unterstützt: So sieht § 19 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 7 StVZO ein - automatisches - Erlöschen der Typgenehmigung für den Fall vor, dass an dem Fahrzeug Änderungen vorgenommen werden, durch die eine - einfache - Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist. Würde dies auch für Änderungen vor Inverkehrbringen des Fahrzeugs durch den Hersteller gelten, würde die zeitlich nachfolgend in Kraft getretene Vorschrift des § 25 Abs. 3 Nr. 2 EG-FGV, welche den Widerruf der Typgenehmigung erst dann ermöglicht, wenn von dem Fahrzeug ein erhebliches Risiko für die Verkehrssicherheit ausgeht und der Behörde zumal noch ein Ermessen einräumt, keinen Sinn machen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_37">37</a></dt>
<dd><p>Die Typgenehmigung ist auch nicht analog §§ 19 Abs. 2, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO erloschen. Angesicht der Regelung des § 25 Abs. 3 Nr. 1 EG-FGV besteht nämlich keine Regelungslücke. Im Übrigen wollte schon der europäische Gesetzgeber technische Veränderungen, die zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Emissionsminderungssystems führen, nicht zum Anlass nehmen, die Typgenehmigung des Fahrzeugs als Ganzes in Frage zu stellen (vgl. Art. 5 Ziff. 10 der VO (EG) 692/2008, der sich ausweislich der Überschrift zu Art. 5 ausdrücklich nur auf die in Art. 2 Ziff. 2 definierte Teiltypgenehmigung bezieht).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_38">38</a></dt>
<dd><p>Es droht auch künftig keine Entziehung der Zulassung. Nach der Bescheinigung der zuständigen Behörde vom 20.06.2016 entspricht das Fahrzeug nach Durchführung des Updates den gesetzlichen Vorgaben. Dem Klägervortrag lassen sich keine Gründe dafür entnehmen, dass die Einschätzung der auf technische Frage dieser Art spezialisierten Fachbehörde unrichtig sein könnten (vgl. dazu auch VG Düsseldorf, a. a. O., zit. nach juris, Rn. 349).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_39">39</a></dt>
<dd><p>Es besteht auch nicht die Gefahr, dass ausländische Behörden vom Erlöschen der Typgenehmigung ausgehen und zulassungsentziehende Maßnahmen ergreifen. Innerhalb des Geltungsbereiches der Typgenehmigung - also innerhalb der EU - können Staaten, die eine Abweichung von einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Typgenehmigung feststellen, lediglich den ausstellenden Mitgliedstaat auffordern, geeignete Maßnahmen zu ergreifen (vgl. dazu Art. 30 Abs. 3 der Richtlinie 2007/46/EG).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_40">40</a></dt>
<dd><p>Die Kläger hat ferner nicht vereinzelt dargelegt, dass - was die Aufklärungspflicht eines Verkäufers ausgelöst hätte - die Fehlerhaftigkeit der verfahrensgegenständlichen Motorsteuerungssoftware am Markt wenigstens aktuell, was - Simultanitätsprinzip - einen Rückschluss auf den Zeitpunkt des Kaufvertrages zulassen würde, einen wertbildenden Faktor von ganz besonderem Gewicht darstellen, dergestalt, dass es zu einem erheblichen Preisverfall der davon betroffenen Fahrzeuge gekommen ist. Trotz eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises und entgegenstehender detaillierter Darlegung der Beklagten hat er nur pauschal einen geminderten Wiederkaufswert behauptet. Dabei wäre dem Kläger eine am Markt orientierte vereinzelte Darlegung ggf. auch möglich gewesen, da der Kraftfahrzeugmarkt generell durch eine erhebliche Transparenz gekennzeichnet ist (vgl. z.B. die monatlichen sog. „Schwacke-Listen“) und die Preisentwicklung von gebrauchten Dieselfahrzeugen zudem - offenkundig, nämlich dem Gericht durch zuverlässige Presseberichte und Internetseiten bekannt (Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 291, Rn. 1) - unter besonderer medialer Aufmerksamkeit steht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_41">41</a></dt>
<dd><p>Auch aus pflichtwidrigem Vorverhalten Tun (Ingerenz) ergibt sich vorliegend schließlich keine Garantenpflicht zugunsten des Klägers. Eine Pflichtwidrigkeit löst im Einzelfall nämlich nur dann eine Garantenpflicht aus, wenn die verletzte Norm gerade dem Schutz des fraglichen Rechtsgutes zu dienen bestimmt ist (Schönke/Schröder/Stree/ Bosch, StGB, 28. Aufl., § 13, Rn. 35a mwN). Als pflichtwidriges Vorverhalten der Verantwortlichen der Beklagten kommt vorliegend allein ein Verstoß gegen die maßgeblichen europarechtlichen Normen, die den Einsatz von unzulässigen Abschalteinrichtungen verbieten, in Betracht. Diese dienen indes ersichtlich nicht dem Schutz der hier allein betroffenen Vermögensinteressen des Klägers, sondern gesamtgesellschaftlichen Zielen, nämlich der Weiterentwicklung des Binnenmarkts durch Harmonisierung der technischen Vorschriften über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen sowie der Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_42">42</a></dt>
<dd><p>Im Übrigen hat der Kläger auch nicht dargelegt, dass ihm durch Abschluss des Kaufvertrages infolge der streitgegenständlichen Software ein Schaden entstanden ist. Der Umstand, dass jemand durch eine Täuschung zu einem Vertragsschluss bewegt wurde, von dem er in Kenntnis der Täuschung abgesehen hätte, begründet nicht ohne weiteres einen Schadensersatzanspruch auf Freistellung von den Verpflichtungen aus dem Vertrag. Voraussetzung ist vielmehr, dass Leistung und Gegenleistung objektiv nicht gleichwertig sind oder aber - bei objektiver Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung - die Leistung für den Getäuschten trotzdem nicht voll brauchbar (so auch OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.01.2018, 7 U 155/17). Soll ein Schaden darin liegen, dass die tatsächlich erbrachte Leistung gegenüber der geschuldeten Leistung im Tatzeitpunkt in Euro und Cent minderwertig war, muss der Wert der erbrachten Leistung feststehen (OLG Hamm, Beschluss vom 07.02.2011, III-5 Ws 459 - 471/10, zit. nach juris, Rn. 21 f.). Denn § 263 StGB schützt das Vermögen und nicht die Verfügungsfreiheit des Getäuschten (BGH, Urteil vom 24.02.1983, 1 StR 550/82, zit. nach juris, Rn. 5). Umstände der genannten Art hat der Kläger nicht dargelegt. Konkrete Angaben zum Wert von Leistung und Gegenleistung wären dabei auch deswegen notwendig, weil die Klägerin noch nicht einmal vereinzelt darlegt, dass die Preise von vom sog. „Abgasskandal“ betroffene Fahrzeuge selbst über 3 Jahre nach Bekanntwerden desselben gerade wegen der streitgegenständlichen Softwareproblematik sinken.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_43">43</a></dt>
<dd><p>2. Ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV scheidet ebenfalls aus. Es wird zwar im Rahmen des sog. „Abgasskandals“ die Auffassung vertreten, dass dem Käufer gegen den Hersteller ein Anspruch auf Schadensersatz aus den genannten Vorschriften zusteht, weil die EG-Übereinstimmungsbescheinigung sei, da das Fahrzeug im Zeitpunkt seiner Zulassung infolge der streitgegenständlichen Software nicht allen einschlägigen Rechtsakten entsprochen habe. Der Unterzeichner teilt diese Auffassung jedoch aus einer Vielzahl von Gründen nicht:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_44">44</a></dt>
<dd><p>a) Die Vorschriften der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV stellen keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_45">45</a></dt>
<dd><p>b) Die EG-Übereinstimmungsbescheinigung enthält nicht die Erklärung, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt der Zulassung allen einschlägigen Rechtsakten entspricht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_46">46</a></dt>
<dd><p>c) Eine irgendwie geartete inhaltliche Unrichtigkeit der EG-Übereinstimmungsbescheinigung führt nicht zu deren Unwirksamkeit.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_47">47</a></dt>
<dd><p>d) Zuletzt dürften vom sog. „Abgasskandal“ betroffene Fahrzeug nicht im Sinne der EG-Übereinstimmungsbescheinigung vom genehmigten Typ abweichen (insoweit abweichend von LG Braunschweig, Urteil vom 31.08.2017, 3 O 21/17, zit. nach juris, Rn. 151 ff.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_48">48</a></dt>
<dd><p>Im Einzelnen:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_49">49</a></dt>
<dd><p>Zu a): Ein Anspruch im diskutierten Sinne scheitert - auch - daran, dass die Vorschriften der §§ 6, 27 EG-FGV nicht dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt sind. Für die Beantwortung dieser Frage kommt es nämlich nicht auf Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen wenigstens mitgewollt hat. Die genannten Vorschriften dienen der Umsetzung der Richtlinie 2007/46/EG. Der Schutz der Fahrzeugerwerber wird in der Richtlinie, insbesondere auch in deren Erwägungsgründen nicht genannt. Auch der Umstand, dass die Übereinstimmungsbescheinigung gem. Anhang IX der VO 385/2009/EG den Fahrzeugkäufer adressieren soll, führt allenfalls reflexiv dazu, dass das Interesse des Erwerbers, ein zulassungsfähiges Fahrzeug zu erhalten, geschützt wird. Dass der Individualschutz der Fahrzeugerwerber im „Aufgabenbereich der Norm“ liegt, wie der Bundesgerichtshof es von einem Schutzgesetz verlangt, ist nicht ersichtlich (so noch ausführlicher OLG Köln, Beschluss vom 22.08.2018, 15 U 76/18, auch OLG München, Beschluss vom 02.07.2018, 8 U 1710/17, zit. nach juris, Rn. 41).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_50">50</a></dt>
<dd><p>Zu b): Die EG-Übereinstimmungsbescheinigung enthält nicht die Erklärung, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt der Zulassung allen einschlägigen Rechtsakten entspricht. Eine solche Erklärung wird zwar im Anhang IX zur VO (EG) 385/2009 als - ein - Ziel formuliert. Das eigentliche Muster enthält diese Erklärung dann aber ausdrücklich nicht. Danach erklärt der Hersteller mit der Übereinstimmungserklärung gegenüber dem Käufer nur, dass das konkrete Fahrzeug mit dem genehmigten Typ übereinstimmt. Ein Zufall/Missverständnis ist ausgeschlossen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass das anvisierte Ziel nur insoweit umgesetzt wurde, wie es nachfolgend formuliert wurde.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_51">51</a></dt>
<dd><p>Zu c): Eine irgendwie geartete inhaltliche Unrichtigkeit der EG-Übereinstimmungsbescheinigung führt ohnehin nicht zu deren Unwirksamkeit:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_52">52</a></dt>
<dd><p>Zunächst enthält die (auch nach den nationalen Vorschriften) maßgebliche Vorschrift über den Inhalt der EG-Übereinstimmungsbescheinigung - Art. 18 der Richtlinie 2007/46/EG - lediglich eine Anzahl einzuhaltender Kriterien formaler Natur.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_53">53</a></dt>
<dd><p>Dafür, dass die EG-Übereinstimmungsbescheinigung insbesondere dann nicht materiell unwirksam ist, wenn das betroffene Fahrzeug nicht allen maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften entspricht, spricht auch die weitere Auslegung der Richtlinie:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_54">54</a></dt>
<dd><p>Nach Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG werden der Verkauf und die Inbetriebnahme von Bauteilen ausdrücklich auch davon abhängig gemacht, dass diese den einschlägigen Rechtsakten entsprechen. Der komplette Fahrzeuge betreffende Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG enthält eine entsprechende Regelung jedenfalls seinem Wortlaut nach nicht. Weiter könnte zwar die Voraussetzung, dass (auch) ein Fahrzeug den einschlägigen Rechtsakten entsprechen muss, in Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG durch das - in Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie nicht vorkommende - Wort „gültig“ in Verbindung mit der Legaldefinition der Übereinstimmungsbescheinigung in Art. 3 Ziff. 36 der Richtlinie 2007/46/EG zum Ausdruck gebracht worden sein, zumal zunächst nicht recht ersichtlich sein könnte, aus welchem Grund der europäische Gesetzgeber bei Fahrzeugen anders als bei Bauteilen auf diese Voraussetzung verzichtet haben sollte. Zu beachten ist gleichzeitig aber die sprachliche Fassung des Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG: Die besondere Betonung der Voraussetzungen „dann und nur dann“ (in der englischen Fassung: „if and only if“) - zum Vergleich heißt es in Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG nur „nur dann“- zeigt, dass es dem Gesetzgeber klar war, dass in Art. 28 im Vergleich zu Art. 26 Abs. 1 Richtlinie 2007/46/EG erhöhte Anforderungen erhoben werden. Für Letzteres spricht auch, dass im ursprünglichen Entwurf („Vorschlag“) der Richtlinie in Art. 25 Abs. 1 und Art. 27 Abs. 1 (Dokument 52003PC0418, abrufbar bei EUR-Lex) noch eine einheitliche Formulierung - jeweils „nur dann“ - vorgesehen war. Ein Grund für die unterschiedliche Behandlung von kompletten Fahrzeugen und Bauteilen liegt gleichzeitig auch vor, nämlich darin, dass Adressat der Umsetzung von Art. 28 der Richtlinie 2007/46/EG nicht die Mitgliedstaaten selbst sind: Art. 28 regelt nur den Verkauf und die Inbetriebnahme von Bauteilen. Adressat von Art. 26 der Richtlinie 2007/46/EG sind bei dessen Umsetzung dagegen auch die Mitgliedstaaten selbst, da sie für die dort - auch - geregelte Zulassung der Fahrzeuge zuständig sind. Würde Art. 26 der Richtlinie voraussetzen, dass die Fahrzeuge nur zugelassen werden könnten, wenn sie allen rechtlichen Akten entsprechen, weil nur dann die EG-Übereinstimmungserklärung gültig wäre, würde dies u. U. (erneute) Prüfungspflichten begründen, was dem Ziel der Richtlinie, die Zulassung von Fahrzeugen zu vereinfachen, widersprechen, zudem zusätzlichen behördlichen Aufwand bedeuten würde.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_55">55</a></dt>
<dd><p>Zudem folgt aus der Auslegung der die Richtlinie 2007/46/EG umsetzenden nationalen Vorschriften, dass jedenfalls der nationale Gesetzgeber davon ausging, dass Unregelmäßigkeiten im Typgenehmigungsverfahren, wodurch der genehmigte Fahrzeugtyp nicht allen maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften entspricht, nicht zur Unwirksamkeit der EG-Übereinstimmungsbescheinigung führt:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_56">56</a></dt>
<dd><p>Der Gesetzgeber hat den Fall vorhergesehen, dass bereits im Verkehr befindliche Fahrzeuge nicht vorschriftsmäßig sind: Es ermächtigt das KBA für diesen Fall in § 25 Abs. 2 EG-FGV, die Typgenehmigung nachträglich mit Nebenbestimmungen zu versehen. Betreffend die EG-Übereinstimmungserklärung fehlt eine entsprechende Regelung. Dies lässt den Schluss darauf zu, dass der Umstand, dass ein bereits im Verkehr befindliches Fahrzeug nicht vorschriftsmäßig ist, keine Auswirkungen auf die Übereinstimmungsbescheinigung haben sollte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_57">57</a></dt>
<dd><p>Weiter: Nach § 37 EG-FGV handelt ordnungswidrig, wer ein Fahrzeug entgegen § 27 EG-FGV ohne eine „gültige“ Übereinstimmungsbescheinigung anbietet oder in Umlauf bringt. Mit § 37 EG-FGV wollte der Gesetzgeber „die in § 27 EG-FGV enthaltenen Anforderungen besser durchsetzen“, ging gleichzeitig aber davon aus, dass „bestimmte Verstöße im Rahmen des Genehmigungsverfahrens wie die Vorlage gefälschter Prüfergebnisse oder technischer Spezifikationen oder sonstige unrichtige oder unvollständige Erklärungen“ bereits anderweitig sanktioniert werden und damit keiner Ahndung durch § 37 EG-FGV bedurften (vgl. BR-Drucksache 190/09, S. 57). Verstöße im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens sollen danach nicht § 37 EG-FGV unterfallen, also keinen Verstoß gegen § 27 EG-FGV darstellen, also die Gültigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne von § 27 EG-FGV nicht tangieren.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_58">58</a></dt>
<dd><p>- Zu d): Vom sog. „Abgasskandal“ betroffene Fahrzeug dürften schließlich auch nicht im Sinne der Erklärung in der EG-Übereinstimmungsbescheinigung vom genehmigten Typ abweichen:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_59">59</a></dt>
<dd><p>Bei dem genehmigten Typ im Sinne der EG-Übereinstimmungsbescheinigung handelt sich dabei zunächst nicht um ein anlässlich des Typgenehmigungsverfahren vorgeführtes und geprüftes reales Fahrzeug:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_60">60</a></dt>
<dd><p>Darauf deutet zunächst schon die Formulierung des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG hin, der nicht von einem Fahrzeug, sondern vom Typ eines Fahrzeugs spricht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_61">61</a></dt>
<dd><p>Dieses Verständnis wird untermauert durch die Regelung in Art. 11 der Richtlinie 2007/46/EG, wonach die Prüfungen an Fahrzeugen durchgeführt werden, die für den genehmigten Typ repräsentativ sind. Auch diese Formulierung - „repräsentativ“ - belegt, dass der genehmigte Typ eines Fahrzeugs nach dem Willen des Richtliniengebers nicht mit den vorgeführten und geprüften Fahrzeugen gleichzusetzen ist. Anlässlich des o.g. Entwurfes der Richtlinie ging man unter „Grundlage und Inhalt des Vorschlags“, dort Punkt 6.2.2. sogar davon aus, dass - nur - „repräsentative Prototypen“ besichtigt und geprüft werden. Warum überhaupt das spätere Endprodukt vorab geprüft wird, wenn Gegenstand der Genehmigung tatsächlich ein fiktives Fahrzeug ist, erschließt sich dabei vor folgendem Hintergrund:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_62">62</a></dt>
<dd><p>„Eines der wesentlichen Grundsätze des Typgenehmigungsrechts ist die Gewissheit, dass der Hersteller über ein ständiges System zur Kontrolle der Übereinstimmung der Übereinstimmung seiner Produktion verfügt“ (Entwurf, Grundlage und Inhalt des Vorschlags, 6.1 letzter Absatz).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_63">63</a></dt>
<dd><p>Auf Dauer - nach Erteilung der Typgenehmigung - wird diese Gewissheit dadurch gestützt, dass der Hersteller nachweisen muss, dass es über ein belastbares internes Überwachungssystem verfügt, dass ihn befähigt, Nichtübereinstimmungen mit dem genehmigten Typ zu erkennen und abzustellen, worüber sich die Behörde auch vergewissern muss (Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG). Demselben Zweck dienen auch Untersuchungen am konkreten Produkt, die stichprobenartig vorgenommen werden dürfen (Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2007/46/EG).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_64">64</a></dt>
<dd><p>In diesem Kontext ist auch die Untersuchung an repräsentativen Fahrzeugen bereits anlässlich der Typgenehmigung zu sehen: Sie stellt quasi die Eingangs-/Voruntersuchung dar, ob der der Hersteller in der Lage sein wird, die Übereinstimmung der Produktion mit dem genehmigten Typen auf Dauer zu gewährleisten. Dieser Gedankengang dürfte auch im genannten Entwurf, dort unter „Grundlage und Inhalt des Vorschlags“ Ziffer 6.2.2. wenigstens angedeutet sein.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_65">65</a></dt>
<dd><p>Von dem dergestalt definierten genehmigten Typ dürften vom sog. „Abgasskandal“ betroffene Fahrzeuge im Sinne der EG-Übereinstimmungsbescheinigung indes nicht abweichen. Dies folgt mittelbar aus Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2007/46/EG. Danach sollen nämlich Abweichungen von den Angaben in der Beschreibungsmappe, obwohl solche eigentlich ohne weiteres eine Abweichung vom genehmigten Typ darstellen müssten (so konsequent auch noch Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 70/156/EWG), da eine Typgenehmigung nur für einen Typ erteilt wird, der mit den Angaben in der Beschreibungsmappe übereinstimmt (Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG), lediglich als Fiktion eine Abweichung vom genehmigten Typ darstellen und dies unzweideutig - vergleiche die Verschärfung der Formulierung im Vergleich zum o.g. Entwurf der Richtlinie, dort Art. 29 Abs. 2 - ausdrücklich auch nur im Rahmen von Art. 30 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG. Hieraus dürfte folgen, dass nach dem Willen des Richtliniengebers Abweichungen von den Angaben in der Beschreibungsmappe ansonsten - also auch im Sinne der Erklärung der EG-Übereinstimmungsbescheinigung - keine Abweichung vom genehmigten Typ darstellen sollen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_66">66</a></dt>
<dd><p>3. Ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB, namentlich eine sittenwidrige Schädigung ist nicht dargelegt (so im Rahmen des sog. „Abgasskandals“ auch OLG Braunschweig, Beschluss vom 27.11.2018, 7 W 11/18):</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_67">67</a></dt>
<dd><p>Die Entwicklung und (genauer) der Einsatz der streitgegenständlichen Software stellt einen Verstoß gegen die einen Verbot von illegalen Abschalteinrichtungen vorsehende VO (EG) 715/2007 dar. Die genannte Verordnung dient aber nicht dem Schutz der hier geltend gemachten Vermögensinteressen (s.o.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_68">68</a></dt>
<dd><p>Auch unter dem Gesichtspunkt des Inverkehrbringens einer mangelhaften Sache stellt sich das Verhalten der Beklagten nicht als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB dar:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_69">69</a></dt>
<dd><p>Das Inverkehrbringen einer mangelhaften Sache ohne eine Täuschung des Verbrauchers stellt, soweit es - wie vorliegend - um dessen Äquivalenzinteresse geht, keine sittenwidrige Schädigung gem. § 826 BGB dar (arg. ex. § 442 Abs. 1 S. 1 BGB)</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_70">70</a></dt>
<dd><p>Letztlich geht es mithin um die Frage, ob das Verschweigen von Mängeln durch einen Hersteller bzw. dessen Lieferanten, soweit es wie vorliegend um das Nutzungs- und Äquivalenzinteresse des Käufers geht, einen Anspruch aus § 826 BGB auszulösen vermag, Die Kammer geht diesbezüglich davon aus, dass allenfalls das Verschweigen von schwerwiegenden Mängeln durch den Hersteller oder dessen Lieferanten, denen der Markt eine ganz erhebliche Bedeutung beimisst oder die dazu führen, dass das Fahrzeug unkorrigierbar nur erheblich eingeschränkt oder gar gar nicht mehr genutzt werden kann, den Vorwurf der Sittenwidrigkeit zu begründen vermag. Dies beruht auf folgenden Überlegungen:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_71">71</a></dt>
<dd><p>Schon zwischen Vertragspartnern rechtfertigt das Verschweigen eines Umstandes, der für Vertragsschluss relevant ist, nicht ohne weiteres den Vorwurf eines Sittenverstoßes, sondern nur dann, wenn eine Seite der anderen zu entsprechender Offenbarung verpflichtet ist. Eine Offenbarungspflicht entsteht, wenn die andere Seite nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine Mitteilung erwarten durfte. Eine vollumfängliche Information über alle Belange des Geschäftes darf der Vertragspartner nach Treu und Glauben nicht erwarten; es besteht also keine allgemeine Offenbarungspflicht. Im Vertragsrecht ist zunächst jedes Privatrechtssubjekt für die Verteidigung seiner Interessen selbst verantwortlich. Das gilt insbesondere für den Kaufvertrag, der von gegensätzlichen Interessen geprägt ist: Jeder möchte möglichst viel für sich selbst rausholen. Die Grenze des nach der Verkehrsauffassung Hinnehmbaren ist erst dann überschritten ist, wenn es um erhebliche wertbildende Umstände beim Kaufvertragsabschluss geht (so ausdrücklich Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl., § 826, Rn. 20; Bamberger/Roth, BGB,3. Aufl., § 826, Rn. 23, Fn. 148; m Ergebnis auch Staudinger/Oechsler, BGB, 2014, § 826, Rn. 159, der zunächst nur betreffend erhebliche Umstände eine Aufklärungspflicht annimmt, einen verborgenen Sachmangel dann als regelmäßig erheblichen Umstand bezeichnet, um dann nur Fälle aufzuzählen, in denen es um erhebliche wertbildende Faktoren geht; ähnlich auch BayObLG, Beschluss vom 09.12.1993, 3 St RR 127/93, zit. nach juris, Rn. 24, indes für die Aufklärungspflicht im Rahmen von § 263 StGB, s.o.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_72">72</a></dt>
<dd><p>Dazu „passend“: Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte das arglistige Verschweigen von Mängel durch den Verkäufer nicht zwingend zu einer Rückabwicklung des Kaufvertrages führen (s.o.). Würde man wegen des Verschweigens von Mängeln uneingeschränkt einen Schadensersatzanspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages nach § 826 BGB eröffnen, würde der vorgenannte gesetzliche Wille missachtet werden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_73">73</a></dt>
<dd><p>Zu beachten ist weiterhin: Die vorgenannten Argumente gelten schon im Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer, die miteinander ein gewisses Vertrauen begründend über einen Vertrag miteinander verbunden sind, welches der arglistige Verkäufer „verrät“. Im Verhältnis des Herstellers zum Käufer fehlt es an dieser vertrauensbegründenden Verbindung, die durch Verschweigen des Mangels „verraten“ werden würde.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_74">74</a></dt>
<dd><p>Schließlich hat der Gesetzgeber durch Einführung des ProdHaftG eine Haftung des Herstellers für fehlerhafte Produkte eingeführt. Das wirtschaftliche Nutzungs- und Äquivalenzinteresse des Käufers, dass die Sache keine Mängel aufweist, sollte dadurch aber gerade nicht geschützt werden (Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl., § 3 ProdHaftG, Rn. 1).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_75">75</a></dt>
<dd><p>Wenn</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_76">76</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">- das arglistige Verschweigen von Mängeln durch den Verkäufer nicht in jedem Fall einen Anspruch aus § 826 BGB auslösen soll,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt"></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_77">77</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">- obwohl dort ein gewisses Vertrauensverhältnis „verraten“ wird, welches der Hersteller/der Lieferant des Herstellers nicht „verraten“ kann und</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt"></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_78">78</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">- der Gesetzgeber auf die Einführung einer Haftung des Herstellers für das Nutzungs- und Äquivalenzinteresse des Käufers verzichtet hat,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_79">79</a></dt>
<dd><p>erscheint es im Ergebnis sachgerecht, eine Haftung des Herstellers für verschwiegene Mängel gem. § 826 BGB nur für die o.g. „Vollkatastrophen“ anzunehmen. Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen. Der Kläger hat noch nicht einmal Umstände dargelegt, die eine Offenbarungspflicht eines Verkäufers ausgelöst hätten (s.o.)</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_80">80</a></dt>
<dd><p>4. Ob eine deliktische Haftung der Beklagten für „behauptete“ negative Folgen des Updates überhaupt in Frage kommt - Das Update ist behördlich angeordnet worden, was deliktischen Ansprüchen entgegenstehen dürfte. - kann dahinstehen. Der Kläger hat negative Folgen des Updates nicht vereinzelt dargelegt:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_81">81</a></dt>
<dd><p>Soweit der Kläger einen erhöhten Verschleiß infolge des Softwareupdates behauptet, übersieht er, dass der Nacherfüllungsanspruch des Käufers gegen den Verkäufer nicht weiter reicht als der ursprüngliche Erfüllungsanspruch, dies im Verhältnis zum Hersteller erst recht gelten muss und er nicht dargelegt hat, welche Haltbarkeit von der Beklagten als Hersteller zugesagt wurde oder er - der Käufer - aufgrund welcher Umstände wenigstens üblicherweise erwarten durfte. Dies gilt betreffend die emissionsmindernden Einrichtungen des Fahrzeugs umso mehr, als die zuständige Behörde in dem o.g. Schreiben bescheinigt hat, dass die Anforderungen an die Dauerhaltbarkeit eingehalten werden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_82">82</a></dt>
<dd><p><strong>II. Zum Klageantrag zu Ziffer 2):</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_83">83</a></dt>
<dd><p>Da der Kläger keinen Anspruch auf Schadenersatz hat, befindet sich die Beklagte auch nicht mit der Annahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Verzug.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_84">84</a></dt>
<dd><p><strong>III. Zum Klageantrag zu Ziffer 3):</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_85">85</a></dt>
<dd><p>Mangels Anspruchsgrundlage - s.o. - steht dem Kläger gegen die Beklagte auch kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_86">86</a></dt>
<dd><p><strong>IV. Zum Hilfsantrag zu Ziffer 1.:</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_87">87</a></dt>
<dd><p>Der Antrag ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat den geltend gemachten Schadenersatzanspruch weder dem Grunde, noch der Höhe nach schlüssig dargelegt. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_88">88</a></dt>
<dd><p><strong>V. Zum Hilfsantrag Ziffer 2.:</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_89">89</a></dt>
<dd><p>Der Antrag ist bereits nicht zulässig, (mindestens) weil es an einem Feststellungsinteresse mangelt. Bei reinen Vermögensschäden, die Gegenstand der Klage sind, hängt bereits die Zulässigkeit der Feststellungsklage von der Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts ab (BGH, Urteile vom 15. Oktober 1992 - IX ZR 43/92, WM 1993, 251, 260, vom 14. Dezember 1995 - IX ZR 242/94, WM 1996, 548, 549, vom 2. Dezember 1999 - IX ZR 415/98, WM 2000, 199, 202, vom 22. Februar 2001 - IX ZR 293/99, WM 2001, 741, 742, vom 25. Oktober 2001 - IX ZR 427/98, WM 2002, 29, 32 und vom 6. Juli 2004 - XI ZR 250/02, BGHReport 2005, 78, 79). Eine solche Wahrscheinlichkeit hat der Kläger vorliegend nicht dargelegt: Die behauptete Verletzungshandlung der Beklagten besteht in der Verwendung einer illegalen Abschalteinrichtung. Diese ist entfernt und es nicht ersichtlich, warum die Software im Nachhinein noch Schäden am Fahrzeug bewirken soll.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_90">90</a></dt>
<dd><p><strong>VI. Prozessuale Nebenentscheidungen:</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_91">91</a></dt>
<dd><p>Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_92">92</a></dt>
<dd><p><strong>VII. Streitwert: </strong>Wertstufe bis 22.000 €</p></dd>
</dl>
</div></div>
</div></div>
<a name="DocInhaltEnde"><!--emptyTag--></a><div class="docLayoutText">
<p style="margin-top:24px"> </p>
<hr style="width:50%;text-align:center;height:1px;">
<p><img alt="Abkürzung Fundstelle" src="/jportal/cms/technik/media/res/shared/icons/icon_doku-info.gif" title="Wenn Sie den Link markieren (linke Maustaste gedrückt halten) können Sie den Link mit der rechten Maustaste kopieren und in den Browser oder in Ihre Favoriten als Lesezeichen einfügen." onmouseover="Tip('<span class="contentOL">Wenn Sie den Link markieren (linke Maustaste gedrückt halten) können Sie den Link mit der rechten Maustaste kopieren und in den Browser oder in Ihre Favoriten als Lesezeichen einfügen.</span>', WIDTH, -300, CENTERMOUSE, true, ABOVE, true );" onmouseout="UnTip()"> Diesen Link können Sie kopieren und verwenden, wenn Sie <span style="font-weight:bold;">genau dieses Dokument</span> verlinken möchten:<br>http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid=JURE190000332&psml=bsndprod.psml&max=true</p>
</div>
</div>
|
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180,262 | vg-koln-2019-01-02-2-l-287018 | {
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<ul class="ol"><li><p>1. Der Antrag wird abgelehnt.</p>
</li>
</ul>
<p>Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1) und der Beigeladenen zu 2) sind nicht erstattungsfähig.</p>
<ul class="ol"><li><p>2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 30.000,00 Euro festgesetzt.</p>
</li>
</ul><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Gründe</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Das vorläufige Rechtsschutzgesuch der Antragstellerin mit den Anträgen,</p>
<span class="absatzRechts">3</span><ul class="absatzLinks"><li><span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">1. die aufschiebende Wirkung der Klage 2 K 8338/18 gegen die dem Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 15. Oktober 2018 (Az.:                           ) anzuordnen,</p>
</li>
</ul>
<span class="absatzRechts">5</span><ul class="absatzLinks"><li><span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">2. „dem Beizuladenden aufzugeben, die Bauarbeiten sofort einzustellen und fortan alle Maßnahmen zur Ausführung des genehmigten Vorhabens zu unterlassen,“</p>
</li>
</ul>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">ist zulässig, aber nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die im Verfahren nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem Interesse des Beigeladenen zu 1) an der weiteren Ausnutzung der ihm erteilten Baugenehmigung und dem Interesse der Antragstellerin, die weitere Ausnutzung vorerst zu verhindern, fällt zum Nachteil der Antragstellerin aus. Denn die dem Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung vom 15. Oktober 2018 zum Neubau eine HIT-Verbrauchermarktes verletzt die Antragstellerin mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in ihren Rechten als Eigentümerin des Grundstücks C.------straße 00 in N.           , mit der Folge, dass ihre Klage 2 K 8338/18 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">1. Die dem Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin verstößt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gegen Rechtsvorschriften, die auch dem Schutz der Rechte der Antragstellerin zu dienen bestimmt sind.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Das Vorhaben des Beigeladenen zu 1) wird im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 25 „Ortskern N.           “, 27. Änderung, der Beigeladenen zu 2) realisiert. Einem durch ein Bauvorhaben betroffenen Nachbarn wird insoweit Nachbarschutz nach Maßgabe von § 15 Abs. 1 BauNVO vermittelt. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2     BauNVO sind bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden. Eine Störung kann auch – wie hier vorgetragen – darin bestehen, dass die öffentlichen Straßen durch den von einer Anlage verursachten Verkehr so stark belastet werden, dass die Nutzbarkeit der Grundstücke im Baugebiet selbst und darüber hinaus unzumutbar beeinträchtigt wird,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">vgl. nur Roeser in: König/Roeser/Stock, Baunutzungsverordnung, 3. Auflage, 2014, § 15 Rn. 27.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Das in dem unbestimmten Rechtsbegriff der Unzumutbarkeit enthaltene Rücksichtnahmegebot ist verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">vgl. nur BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 – IV C 22.75 –, BRS 32 Nr. 77; Beschluss vom 13. Februar 1981 –, BRS 38 Nr. 82.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Zur Bestimmung der Unzumutbarkeit bedarf es einer Bewertung des jeweiligen Einzelfalls, bei der auch die Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit von Bauherrn und Nachbarn in den Blick zu nehmen ist,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1992 – 4 C 50/89 – juris.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Voraussetzung für die wechselseitigen Rücksichtnahmepflichten ist, dass die Nutzung, die für sich eine Rücksichtnahme reklamiert, tatsächlich legal ausgeübt wird. Der „Schwarznutzer“ kann keine Rücksichtnahme verlangen. Abzustellen ist darauf, welche Nutzung bauaufsichtlich genehmigt ist. Denn nur die Beeinträchtigungen einer legalen Nutzung können im Rahmen des vom Gebot der Rücksichtnahme geforderten Interessenausgleichs berücksichtigt werden. Nutzungen, die zwar faktisch ausgeübt werden, aber nicht genehmigt worden sind und auch nicht hätten genehmigt werden können, unterliegen keiner Rücksichtnahmepflicht,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1993 – 4 C 19.90 –, BRS 55 Nr. 175, Beschluss vom 11. Juli 1994 – 4 B 134.94 –, BRS 56 Nr. 164.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Gemessen an diesen Grundsätzen lässt sich im vorliegenden Verfahren für das Gericht nicht feststellen, dass vom streitigen Bauvorhaben unzumutbare Belästigungen oder Störungen für den Speditionsbetrieb auf dem Grundstück der Antragstellerin ausgehen. Denn die Antragstellerin ist nicht schutzwürdig, da es an einer legalen Nutzung ihres Grundstücks für die Zwecke des Betriebs einer Spedition fehlt.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Formal fehlt es vorliegend an einer Baugenehmigung, die den Betrieb einer Spedition auf dem Grundstück der Antragstellerin legalisiert. In den von dem Beklagten vorgelegten Bauakten befinden sich lediglich Bauscheine vom 10. Juni 1949 (Nr.           ) für den Einbau einer Tankanlage, vom 28. Juli 1953 für den Bau eines Lagers (Nr.           ) für eine Baustoff- und Kohlehandlung, vom 14. August 1964 für die Aufstockung eines Lagergebäudes („Baustoffe“) (Nr.              ), vom 11. November 1969 für „Heizöl Lagerung“ (Nr.             ), vom 22. Juni 1970 einen Nachtrag für „Heizöl Lagerung“ (Nr.              ) sowie Baugenehmigungen vom 05. Mai 1977 zur Umstellung der Heizungsanlage auf Ölfeuerung (Az.                ), vom 28. April 2010 zur Nutzungsänderung Ladenlokal in Postfiliale (Az.:               ) und vom 08. Juni 2011 ein Nachtrag zur Nutzungsänderung Ladenlokal in Postfiliale. Weitere Baugenehmigungen liegen dem Gericht nicht vor; die Antragstellerin hat auf Anforderung des Gerichts keine weiteren baurechtlichen Genehmigungen betreffend die Nutzung ihres Grundstücks für den Betrieb einer Spedition vorgelegt.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Dass der Betrieb der Spedition auf dem Grundstück der Klägerin materiell legal wäre, ist für die Kammer derzeit nicht erkennbar und von der Antragstellerin auch nicht glaubhaft gemacht. Dem Gericht ist es nicht möglich, die materielle Legalität des Speditionsbetriebs auf dem Grundstück C.------straße 00 in N.           zu beurteilen. Das gilt schon deshalb, weil es sowohl an einem Bauantrag nach § 70 BauO NRW 2018 als auch an den grundsätzlich zur Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit erforderlichen Bauvorlagen nach den Vorgaben der BauPrüfVO mangelt. Erforderlich zur Beurteilung wären – in jedem Fall – ein Lageplan gemäß § 3 BauPrüfVO, auf dem – u.a. – auch die Erschließung des Grundstücks darzustellen wäre, Bauzeichnungen nach § 4 BauPrüfVO, eine Bau- und Betriebsbeschreibung nach § 5 BauPrüfVO, aus denen sich – u.a. – die Betriebszeiten sowie die Anzahl der vorhandenen LKW ergäben sowie mit Blick auf schützenswerte Wohnbebauung in der näheren Umgebung eine belastbare Immissionsprognose.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Eine Verletzung weiterer nachbarschützender Bestimmungen zu Lasten der Antragstellerin ist nicht ersichtlich und wird auch nicht vorgetragen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">2. Hat der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung keinen Erfolg, so ist auch für die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach Maßgabe des Antrags zu 2. kein Raum.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) und 2) nicht für erstattungsfähig zu erklären, da die Beigeladenen keine Sachanträge gestellt und sich damit auch selbst keinem Kostenrisiko (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) unterworfen haben.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG. Sie trägt der anzunehmenden Bedeutung der Sache aus Sicht der Antragstellerin Rechnung. Wird die Beeinträchtigung eines gewerblichen Betriebs von einem Nachbarn geltend gemacht, ist der Streitwert im Rahmen von 7.500,00 Euro bis 120.000,00 Euro festzusetzen (vgl. Ziffer 7.) b.) des Streitwertkatalogs der Bausenate des OVG NRW, i.d.F.v. 22. Januar 2019). Danach erscheint hier im Klageverfahren ein Betrag von 60.000,00 Euro als angemessen, der wegen der Vorläufigkeit des Verfahrens halbiert wird (vgl. Ziffer 14.) a.) des Streitwertkatalogs der Bausenate des OVG NRW).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung</strong></p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der  Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO  und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist schriftlich, zur Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO  und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.</p>
|
180,224 | olgbs-2019-01-02-9-u-3218 | {
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} | 9 U 32/18 | 2019-01-02T00:00:00 | 2019-02-07T14:18:24 | 2019-02-12T13:33:24 | Beschluss | <div id="dokument" class="documentscroll">
<a name="focuspoint"><!--BeginnDoc--></a><div id="bsentscheidung"><div>
<h4 class="doc">Tenor</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO vorliegen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
</div></div>
<h4 class="doc">Gründe</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>I.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Die Parteien streiten um die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II des PKW X.-Auto Typ YZ-Transporter, Fahrzeugidentifizierungsnr. XYZ999 nach (streitigem) gutgläubigem Erwerb durch die Klägerin Mitte 2015.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Wegen des Sach- und Streitstandes der I. Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angegriffenen landgerichtlichen Urteils (Seite 2-5 = Bl. 250R-252 d. A.) verwiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II gem. § 985 BGB zu. Als Eigentümerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei sie gem. § 952 Abs. 2 BGB analog auch Eigentümerin der Zulassungsbescheinigung Teil II.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Es könne dahinstehen, ob die Streitverkündete bereits von der Leasingnehmerin Eigentum erworben habe. Jedenfalls die Klägerin habe von der Streitverkündeten gem. §§ 929 S. 1, 932 BGB gutgläubig Eigentum erworben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe nicht nachweisen können, dass der Klägerin bei dem Erwerb in Bezug auf die Eigentümerstellung des Veräußerers grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen sei. Beim Erwerb eines gebrauchten Kfz bestehe keine allgemeine Nachforschungspflicht, die Übergabe und Prüfung des Kfz-Briefes bzw. der Zulassungsbescheinigung Teil II seien die Mindestanforderungen für einen gutgläubigen Erwerb. Diesen habe die Klägerin genügt. Der insoweit beweispflichtigen Klägerin sei aufgrund der übereinstimmenden Angaben der Zeugen <em>F.</em> und <em>Z.</em> der Nachweis gelungen, dass sich der Zeuge <em>F.</em> die Zulassungsbescheinigung Teil II angesehen und zumindest die Fahrgestellnummern verglichen habe. Der Zeuge <em>F.</em> sei als Zeuge zu vernehmen gewesen, weil er am Morgen des 07.12.2016 wirksam vor der mündlichen Verhandlung als Geschäftsführer der Klägerin abberufen worden sei.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Das Vorliegen hinreichender Verdachtsgründe, die die Klägerin bzw. den Zeugen <em>F.</em> zu weiteren Nachforschungen hätten verpflichten können, habe die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht nachweisen können.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Die gefälschte Zulassungsbescheinigung Teil II sei nicht in einem Maße auffällig gewesen, dass dem Zeugen <em>F.</em> hätten Bedenken kommen müssen. Die sich bei genauerer Betrachtung ergebenden Auffälligkeiten seien in einer Gesamtschau nicht derart evident, dass der Zeuge <em>F.</em> habe Verdacht schöpfen müssen. Dem Landgericht selbst seien die Auffälligkeiten erst nach Erläuterung durch den Beklagtenvertreter im Rahmen der mündlichen Verhandlung erkenntlich geworden. Da die Mitarbeiter der Zulassungsstelle in B. auf das gefälschte Blankett die Umschreibung auf die Klägerin beurkundet hätten, hätten offensichtlich auch sie die Fälschung nicht erkannt. Das spreche ebenfalls gegen die Auffälligkeit der Fälschung.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Auch der Verkaufspreis von 15.500,00 Euro habe zu keiner weiteren Nachforschungspflicht geführt. Dieser sei selbst dann aus Sicht des Klägers nicht als eklatant niedrig anzusehen, wenn man den von der Beklagten behaupteten Händlerpreis von 32.100,00 Euro zugrunde lege. Von einem Kunden, der einen gebrauchtes Fahrzeug erwerben möchte, könne keine umfassende Marktrecherche erwartet werden. Hinzutrete die von der Streitverkündeten behauptete Vorschädigung des Fahrzeugs. Auch diesbezüglich könne einem Kunden nicht abverlangt werden, genau zu ermitteln, welchen Einfluss ein solcher Schaden auf den Kaufpreis habe. Der behauptete Schaden sei so erheblich gewesen, dass die Vorstellung nachvollziehbar erscheine, dass das Fahrzeug dadurch in seinem Wert gemindert sei. Zudem dürfe der Kunde auch sein eigenes Verhandlungsgeschick als Ursache eines günstigen Preises ansehen. Weiter sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der Streitverkündeten um ein Autohaus handele, bei dem die Klägerin schon mehrfach Fahrzeuge eingekauft habe.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Ein Abhandenkommen des Fahrzeugs sei von der darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten nicht nachgewiesen; der Zeuge <em>Be. </em>sei nicht aufzufinden gewesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Gegen das ihr am 11.05.2018 zugestellte Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 09.05.2018 hat die Beklagte am 08.06.2018 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr zweifach antragsgemäß gewährten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 11.09.2018 begründet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>Zur Begründung führt sie an:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Die Klagepartei habe beim Erwerb des Fahrzeugs schon die von der obergerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Mindestvoraussetzungen für einen gutgläubigen Erwerb eines Kraftfahrzeugs nicht erfüllt. Herr <em>F.</em> habe hierzu nicht als Zeuge vernommen werden dürfen. Im Termin sei ohne jeden Beleg behauptet worden, dass dieser am Morgen vor der Beweisaufnahme als Geschäftsführer abberufen worden sei. Einen Tag nach der Beweisaufnahme sei er dann erneut zum Geschäftsführer bestellt worden, wobei weder die Abberufung noch die Neubestellung im Handelsregister eingetragen worden seien. Dies wecke den Verdacht, dass sowohl die Abberufung als auch die Neubestellung gar nicht oder nur zum Schein erfolgt seien. Ginge man davon aus, dass die Abberufung stattgefunden habe, so sei diese als rechtsmissbräuchlich anzusehen, weil ihr einziger Zweck darin bestanden habe, Herrn <em>F.</em> für diesen einen Beweistermin und nur für diesen einen Sachverhalt eine Zeugenstellung zu verschaffen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Aus der Beweisaufnahme ergebe sich, dass der Kaufvertrag ohne vorherige Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil II abgeschlossen worden sei. Diese habe erst bei der Inbesitznahme des Fahrzeuges stattgefunden. Selbst zu diesem Zeitpunkt habe aber keine ausreichende Prüfung der Papiere stattgefunden. Diese seien so genau zu prüfen und miteinander zu vergleichen gewesen, dass einem durchschnittlichen Erwerber etwaige Unstimmigkeiten oder Widersprüche auffallen könnten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>Das Landgericht habe zudem die Auffälligkeiten an den Fahrzeugpapieren zu Unrecht als nicht gravierend genug angesehen, um eine weitere Nachforschungspflicht zu begründen. Wenn – wie vorliegend – die Schriftbilder der Fahrzeugdaten und der Ersthaltereintragung identisch seien, müsse dies jeden redlichen Erwerber zu weiteren Nachforschungen veranlassen, weil der Fahrzeughersteller als originärer Ausgeber des Dokumentes niemals die Ersthaltereintragung vornehmen dürfe. Da Herr <em>F.</em> zeitgleich ein Fahrzeug in Zahlung gegeben habe, habe er durch einen Vergleich mit der zu diesem Fahrzeug gehörenden Zulassungsbescheinigung II auch die – nach Auffassung der Beklagten – auffälligen Abweichungen im optischen Erscheinungsbild des Barcodes in dem gefälschten Dokument erkennen können. Auch aus den unterschiedlichen Schriftbildern der Haltereintragung einerseits und der Behördenangabe andererseits hätten sich Zweifel daran ergeben müssen, dass beides zur selben Zeit auf demselben Behördendrucker eingedruckt worden sei. Dies gelte auch für das unterschiedliche Erscheinungsbild der einmal vierzeiligen und einmal fünfzeiligen Behördenangabe auf der Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II. Der Zeuge <em>F.</em> habe dies nicht bemerkt, weil er die Papiere – abgesehen von einem Vergleich der Fahrzeugidentifikationsnummern (FIN) – gar keiner näheren Überprüfung unterzogen habe. Die grobe Fahrlässigkeit liege damit, so die Auffassung der Beklagten, schon in dem vollständigen Unterlassen jeglicher Prüfungen über die FIN hinaus. Infolgedessen sei dem Zeugen F. auch die fehlende Angabe des Farbcodes nicht aufgefallen, die ebenfalls Anlass zu weiteren Nachforschungen gebe.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Die Argumentation des Landgerichts, dass auch die Behördenmitarbeiter in B. die Fälschung nicht als solche erkannt hätten, liege neben der Sache, da es für die Gutgläubigkeit allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des Zeugen <em>F.</em> ankomme.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>Ferner meint die Beklagte, eine Nachforschungspflicht ergebe sich schon allein aus dem Umstand, dass nicht die Verkäuferin, sondern die Leasingnehmerin, also eine dritte Person, als Halterin in der gefälschten Zulassungsbescheinigung Teil II eingetragen gewesen sei.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>Das Landgericht habe zudem den Vortrag der Beklagten ignoriert, dass der Kaufpreis für das streitgegenständliche Fahrzeug – nach ihrer Auffassung – exorbitant niedrig gewesen sei und die Klagepartei auch deshalb Recherchen zur Herkunft des Fahrzeugs und zur Eigentümerstellung hätte anstellen müssen. Infolgedessen sei verfahrensfehlerhaft kein Beweis über die (Un-)Angemessenheit des Kaufpreises erhoben worden. Dieser habe nicht einmal der Hälfte des tatsächlichen Marktwertes entsprochen. Darauf, dass laut den Verkäuferangaben ein Heckschaden vorgelegen habe, könne sich die Klägerin nicht berufen, weil ein solcher nicht festzustellen oder zu sehen gewesen sei.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte kündigt an zu beantragen,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><table class="RspIndent" style="margin-left:36pt">
<tr>
<th colspan="3" rowspan="1"></th>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 09.05.2018 – 4 O 1008/16 –</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">abzuändern und die Klage abzuweisen.</td>
</tr>
</table></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>Die Klägerin kündigt an zu beantragen,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">die Berufung zurückzuweisen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p>Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_24">24</a></dt>
<dd><p>Der Zeuge <em>F.</em> sei, entgegen der Ansicht der Beklagten, als Zeuge zu vernehmen gewesen. Zur Wirksamkeit der Abberufung eines Geschäftsführers sei die deklaratorische Eintragung nach § 39 GmbHG nicht erforderlich. Es sei zudem gängig und üblich, dass ein Vertretungsorgan durch Abberufung Zeuge werden könne.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_25">25</a></dt>
<dd><p>Der Zeuge <em>F.</em> habe glaubhaft dargelegt, dass er sich die Zulassungsbescheinigung Teil II angesehen und keine Unstimmigkeiten habe feststellen können. Die von der Beklagten vorgetragenen Unregelmäßigkeiten seien nicht geeignet gewesen, eine Nachforschungspflicht auszulösen. Bei den vorgetragenen Abweichungen handele es sich um spezifische Details, die umfassende Kenntnisse über den Aufbau und das Erscheinungsbild der Fahrzeugdokumente erfordern und für Laien nicht ersichtlich seien.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_26">26</a></dt>
<dd><p>Etwas anderes würde sich auch nicht aus der Vorlage der Vorderseite der Zulassungsbescheinigung Teil I ergeben. Die Vorlage sei im Übrigen nicht möglich. Die Zulassungsstelle habe die Zulassungsbescheinigung Teil I inzwischen vernichtet und zuvor lediglich die Rückseite als gescannte Datei archiviert.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_27">27</a></dt>
<dd><p>Der vereinbarte Kaufpreis sei nicht geeignet gewesen ein Verdachtsmoment zu begründen. Aus Sicht des Zeugen <em>F.</em> habe es sich um einen angemessenen Marktpreis für das Fahrzeug gehandelt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_28">28</a></dt>
<dd><p>Auch aus den weiteren Umständen habe sich keine Nachforschungspflicht ergeben. Dabei habe eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Daher sei zu berücksichtigen gewesen, dass der Zeuge F. das Fahrzeug bei einem langjährig örtlich ansässigen Autohandel von einem dort tätigen Mitarbeiter erworben habe und das Fahrzeug dabei in der Verkaufshalle ausgestellt gewesen sei. Es seien sämtliche Dokumente, die Zulassungsbescheinigung Teil I und II, das Serviceheft, die Abmeldebescheinigung und der Zweitschlüssel übergeben worden. Auch die weiterhin bestehende Haltereintragung des Voreigentümers sei im Kfz-Gebrauchthandel üblich und entspreche der gängigen Praxis.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_29">29</a></dt>
<dd><p>Eine Anfrage bei der örtlichen Polizeibehörde wäre – wenn sie durchgeführt worden wäre – ohne Erfolg geblieben, weil die Klägerin erst ca. 6 Monate nach der Übergabe von der Polizei darüber informiert worden sei, dass Unregelmäßigkeiten bestünden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>II.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
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<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_30">30</a></dt>
<dd><p>Die Berufung ist zulässig. In der Sache ist sie jedoch unbegründet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_31">31</a></dt>
<dd><p>Der Klägerin steht ein Anspruch auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II gem. § 985 BGB i. V. m. § 952 Abs. 2 BGB analog gegen die Beklagte als deren Besitzerin zu.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_32">32</a></dt>
<dd><p>Derjenige, der unstreitig im Besitz des Fahrzeugs ist, kann die Herausgabe des Fahrzeugbriefs beanspruchen, wenn er – wie hier die Klägerin – Eigentümer des Fahrzeugs geworden ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 2007 – X ZR 5/07 –, Rn. 7, juris, m.w.N.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>1.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_33">33</a></dt>
<dd><p>Unstreitig übt die Beklagte derzeit die unmittelbare Sachherrschaft über die Zulassungsbescheinigung Teil II aus und ist damit unmittelbare Besitzerin i.S.d. § 854 Abs. 1 BGB.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>2.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_34">34</a></dt>
<dd><p>Die Klägerin ist auch Eigentümerin des PKW X.-AUTO YZ. Für sie streitet die Vermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB (dazu a)). Der Gegenbeweis konnte von der insofern darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nicht erbracht werden (dazu b)). Es ist nicht bewiesen, dass die Klägerin bei Erwerb des Kfz bösgläubig war und damit ein gutgläubiger Erwerb i.S.d. § 932 Abs. 1 BGB nicht stattgefunden hat oder dass die Sache i.S.d. § 935 BGB abhandengekommen ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>a)</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_35">35</a></dt>
<dd><p>Für die Klägerin streitet im Ausgangspunkt die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach wird zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache vermutet, dass er Eigentümer der Sache ist. Die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB besteht allerdings nur, wenn der Besitzer Eigenbesitzer (§ 872 BGB) ist und die Sache von Anfang an in Eigenbesitz gehabt hat (BGH NJW 2004, 217, 219; Koblenz DZWIR 2005, 37; Brehm/Berger, § 7 Rn. 83). Nur dann kann nämlich die dem § 1006 BGB zugrundeliegende Annahme zutreffen, dass der Besitzerwerb anlässlich einer Eigentumsübertragung erfolgt ist (Erman/<em>Ebbing</em>, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1006 BGB, Rn. 10). Liegen die Voraussetzungen vor, wird der Eigentumserwerb des Besitzers an der Sache vermutet und dass er während der gesamten Dauer seines Besitzes Eigentümer geblieben ist (BGH, NJW 2015, 1678, 1680; Kontusch/Traub NJ 2015, 340). Prozessual muss der Besitzer zum Nachweis seines Eigentums also grundsätzlich nur seinen gegenwärtigen oder früheren unmittelbaren oder (höchststufigen) mittelbaren Besitz darlegen und beweisen, nicht aber die den Eigentumserwerb begründenden Tatsachen (BGH NJW 2004, 217; 2002, 2101; OLG Oldenburg, 22.7.2014 - 6 U 53/13; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2014, 1241; <em>Erman/Ebbing,</em> BGB, 15. Aufl. 2017, § 1006 BGB, Rn. 17; jurisPK<em>-</em>BGB<em>/Hans,</em> 8. Aufl. 2017, § 1006 BGB, Rn. 8; Staudinger/Karl-Heinz Gursky (2012) BGB § 1006, Rn. 42).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_36">36</a></dt>
<dd><p>Vorliegend sind diese Voraussetzungen für die Vermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt. Die Klägerin hat den Transporter von der Streitverkündeten unstreitig für sich selbst erworben; der Zeuge <em>F. </em>hat das Fahrzeug nur in seiner Funktion als Organ/Besitzdiener der Klägerin in Besitz genommen. Die Klägerin war damit von Anfang an unmittelbare Eigenbesitzerin (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 11.6.2015 – 5 U 9/15, Rn. 17).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>b)</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_37">37</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte als Vermutungsgegnerin kann die Vermutung neben dem Fall des Abhandenkommens dadurch widerlegen, dass der Besitzer keinen Eigenbesitz oder trotz Eigenbesitzbegründung kein Eigentum erworben hat. (jurisPK-BGB/Hans, 8. Aufl. 2017, § 1006 BGB, Rn. 9). Die Widerlegung der Vermutung setzt den vollen Beweis des Gegenteils der Vermutungsfolge voraus, also den Nachweis, dass der Vermutungsbegünstigte entweder beim Besitzerwerb nicht auch Eigentümer geworden ist oder dass er sein Eigentum bereits vor dem maßgeblichen Termin wieder verloren hat (Staudinger/Karl-Heinz Gursky [2012] BGB § 1006, Rn. 43; Erman/<em>Ebbing</em>, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1006 BGB, Rn. 17; vgl. auch BGH, Urt. v. 16.10.2003 – IX ZR 55/02 –, BGHZ 156, 310-320, Rn. 31).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_38">38</a></dt>
<dd><p>Das ist der Beklagten nicht gelungen, was das Landgericht fehlerfrei festgestellt hat:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>aa)</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_39">39</a></dt>
<dd><p>Dass der Veräußerer nicht Berechtigter und der Erwerber bösgläubig war, hat derjenige zu beweisen, der dem Erwerber gegenüber sein Eigentum geltend macht (Palandt/Herrler, BGB, 78. Aufl., § 932 Rn. 15; Reinking-Eggert, Der Autokauf,13. Aufl., Rz. 4764). Zum Bösgläubigkeitsnachweis gehört der Nachweis derjenigen Tatsachen, aus denen sich die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Erwerbers ergibt. Geht es um die Verletzung der Nachforschungspflicht, muss der Gegner des den gutgläubigen Eigentumserwerb Behauptenden dessen pflichtbegründende Umstände und den qualifizierten Sorgfaltsverstoß beweisen (OLG Hamm, Urteil vom 8.7.2013 – 5U111/12, Rn. 65 mit weiteren Nachweisen; Reinking/Eggert, a.a.O.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_40">40</a></dt>
<dd><p>Nach § 932 Abs. 2 BGB ist der Erwerber nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Unter grober Fahrlässigkeit wird im Allgemeinen ein Handeln verstanden, bei dem die erforderliche Sorgfalt den gesamten Umständen nach in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urt. v. 18.06.1980 – VIII ZR 119/79 -, juris Rz. 22 = BGHZ 77, 274, 276; Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12 –, juris Rz. 11). Beim Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs begründet der Besitz desselben allein nicht den für den Gutglaubenserwerb nach § 932 BGB erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr gehört es regelmäßig zu den Mindesterfordernissen des gutgläubigen Erwerbs eines solchen Kraftfahrzeuges, dass sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigung Teil II (§ 12 VI FZV bzw. früher den Kraftfahrzeugbrief (§ 25 IV S. 2 StVZO a.F.) vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen (BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12 –, juris Rz. 13; Urt. v. 13.09.2006 – VIII ZR 184/05 –, juris Rz. 17; Urt. v. 13.05.1996 – II ZR 222/95 –, juris Rz. 7, m.w.N.). Denn es muss in der Regel Argwohn erwecken und zu weiteren Nachforschungen Anlass geben, wenn der Veräußerer entweder den Kraftfahrzeugbrief nicht vorlegen kann oder wenn sich aus diesem ein vom Veräußerer personenverschiedener Halter ergibt (BGH, Urt. v. 13.04.1994 – II ZR 196/93 –, juris Rz. 19). Sinn und Zweck der Zulassungsbescheinigung Teil II bzw. früher des Fahrzeugbriefs besteht in dem Schutz des Eigentümers oder sonst dinglich am Kraftfahrzeug Berechtigten (BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12 –, juris Rz. 14). Diese Prüfungen hat der Erwerber jedenfalls vorzunehmen, um sich nicht dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit auszusetzen. Kommt der Erwerber dieser Obliegenheit nach und liegen auch keine anderen Verdachtsmomente für ihn vor, treffen ihn keine weiteren Nachforschungspflichten (BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12 –, juris. Rz. 14).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_41">41</a></dt>
<dd><p>Soweit die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung darauf abstellt, dass der Kaufvertrag ohne vorherige Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung abgeschlossen worden sei (Bl. 294 f.), ist dies unerheblich, weil diese Argumentation das Trennungsprinzip als Grundsatz des deutschen Zivilrechts nicht beachtet. Das Eigentum an einer beweglichen Sache wird gem. §§ 929 BGB durch Einigung über den Eigentumsübergang und Übergabe der Sache übertragen. Für einen gutgläubigen Erwerb i.S.d. § 932 BGB kommt es mithin auf den Zeitpunkt des Verfügungsgeschäfts (die Übergabe) und nicht auf das davon zu trennende Verpflichtungsgeschäft (den Abschluss des Kaufvertrags) an.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>(1)</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_42">42</a></dt>
<dd><p>Den Beweis, dass es der Zeuge <em>F. </em>unterlassen hat, sich die Zulassungsbescheinigung Teil II anzusehen, hat die Beklagte nicht erbracht. Vielmehr ist<em> d</em>as Landgericht nachvollziehbar zu der Feststellung gelangt, dass sich der Zeuge <em>F.</em>, die Zulassungsbescheinigung Teil II angesehen hat. Die Zeugen <em>F.</em> und <em>Z.</em> haben übereinstimmend erklärt, dass sich der Zeuge <em>F.</em>, den Fahrzeugbrief des Fahrzeugs angesehen habe. Der Zeuge <em>F. </em>selbst hat ausgesagt, dass er sich die Zulassungsbescheinigung angesehen habe, ihm dabei aber nichts Ungewöhnliches aufgefallen sei (Bl. 108 d. A.). Nach der Aussage des Zeugen <em>Z.</em>, habe der Zeuge <em>F.</em>, noch gesagt „Oh, der kommt aus D., dann scheint ja alles in Ordnung zu sein“ (Bl. 103 d. A.). Insbesondere die Aussage des Zeugen <em>Z.</em> spricht daher dafür, dass sich der Zeuge <em>F.</em>, auch das Feld der Zulassungsbescheinigung angesehen hat, in welches der Vorhalter eingetragen ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_43">43</a></dt>
<dd><p>Zwar hat das Landgericht – wie im Ergebnis auch die Parteien selbst – diesbezüglich die Beweislast falsch beurteilt und die Klägerin dafür als beweispflichtig angesehen, dass sich der Zeuge <em>F.</em> die Zulassungsbescheinigung angesehen hat. Hierauf beruht aber die Entscheidung des Landgerichts nicht (§ 513 Abs. 1 ZPO). Etwas anderes macht die Berufung insoweit auch nicht geltend.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_44">44</a></dt>
<dd><p>Auch die Vernehmung des <em>F.</em> als Zeuge ist nicht zu beanstanden und wirkt sich letztlich für die Erfolgsaussicht der Berufung auch nicht aus.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_45">45</a></dt>
<dd><p>Soweit sich die Beklagte auf den Standpunkt stellt, dass die Abberufung als Geschäftsführer kurz vor der Vernehmung als sittenwidrig anzusehen sei, ist dem nicht zu folgen. Für die Zeugnisfähigkeit ist die formale Stellung im Zeitpunkt der Vernehmung entscheidend. Es ist daher zulässig, dass ein Vertretungsorgan durch Abberufung Zeuge wird (vgl. Zöller<em>/Greger</em>, ZPO, Vor § 373, Rn. 5<em>).</em></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_46">46</a></dt>
<dd><p>Die Abberufung des Geschäftsführers einer GmbH richtet sich nach § 38 GmbHG. Sie ist, sofern in der Satzung nicht etwas anderes vereinbart wurde, jederzeit und zwar formfrei möglich. Die Abberufung ist alsbald zum Handelsregister anzumelden, doch ist dies keine Voraussetzung für die Wirksamkeit (Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, 2014, 2015 [Bde. 1, 2, 3], § 38 GmbHG, Rn. 15a).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_47">47</a></dt>
<dd><p>Dass die Abberufung am Morgen des 07.12.2016 und damit vor der Vernehmung stattfand, ergibt sich bereits aus der Vernehmung des Zeugen <em>F. </em>sowie aus dem erstinstanzlich nachgereichten Abberufungsbeschluss der Gesellschafterver-sammlung (Anlage K 15), der auf den 07.12.2016 datiert ist. Einen Gegenbeweis hat die Beklagte auch schon in I. Instanz nicht angeboten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_48">48</a></dt>
<dd><p>Ungeachtet dessen kommt es auf die Frage der Geschäftsführerstellung des Herrn <em>F.</em> am 07.12.2016 nicht an. Daher war mangels Entscheidungserheblichkeit zu diesem Zeitpunkt über diese Frage auch kein Beweis mehr zu erheben. Dies ergibt sich bereits daraus, dass – wie oben bereits ausgeführt – nicht die Klägerin zu beweisen hatte, dass die Fahrzeugpapiere eingesehen wurden, sondern es der Beklagten oblag, zu beweisen, dass eine solche Einsichtnahme nicht stattgefunden hat.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>(2)</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_49">49</a></dt>
<dd><p>Aus dem Umstand, dass die Streitverkündete nicht als Halter in der Zulassungsbescheinigung Teil II eingetragen war, ergab sich keine weitergehende Nachforschungspflicht der Klägerin bzw. des Zeugen <em>F.</em>.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_50">50</a></dt>
<dd><p>Zwar muss demjenigen, der von einer Privatperson einen Gebrauchtwagen erwirbt, die nicht als Halter im Fahrzeugbrief ausgewiesen ist, sich der – eine Nachforschungspflicht auslösende – Verdacht aufdrängen, dass der Veräußerer auf unredliche Weise in den Besitz des Fahrzeugs gelangt sein könne (BGH NJW-RR 1987, 1456, 1457). Das gilt aber nicht für solche Fälle, in denen – wie hier – ein gebrauchtes Fahrzeug von einem Händler in dessen Geschäftsbetrieb erworben wird und dabei der Kraftfahrzeugbrief bzw. die Zulassungsbescheinigung Teil II samt allen sonstigen Unterlagen übergeben wird (vgl. BGH NJW 1975, 735; NJW-RR 1987, 1456, 1457; NJW 1992, 310). Beim Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs von einem Kfz-Händler reicht allein dessen fehlende Eintragung im Kfz-Brief zur Begründung der Bösgläubigkeit nicht aus, weil es nicht ungewöhnlich ist, dass ein Autohändler ein gebrauchtes Fahrzeug ohne vorherige Umschreibung verkauft (OLG Köln, Urt. v. 21.02.1996 – 6 U 167/94, Rn. 12; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.02.2009 – I-11 U 24/08, Rn. 12, jeweils zitiert nach juris). Zum einen bringt es dem Kfz-Händler nichts, den Aufwand seiner eigenen Eintragung als Halter auf sich zu nehmen; zum anderen ist zu berücksichtigen, dass ein Fahrzeug nach der Verkehrsanschauung umso mehr an Wert verliert, je mehr Eigentümer in den Fahrzeugpapieren eingetragen sind (OLG Stuttgart, Urt. v. 27.02.2013 – 3 U 140/12, Rn. 2; OLG Düsseldorf, a.a.O.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>(3)</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_51">51</a></dt>
<dd><p>Auch der Verkaufspreis von 15.500,00 Euro hatte keine weiteren Nachforschungspflichten für die Klägerin bzw. den Zeugen <em>F.</em> zur Folge. Dies gilt unabhängig davon, ob der von der Beklagten behauptete Marktwert von 32.100,00 Euro brutto zutreffend ist. Grundsätzlich wird zwar die Preisgestaltung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung als beachtenswertes Verdachtsmoment angesehen (vgl. BGH, NJW 1996, 314; NJW 1975, 735; NJW - RR 1987, 1456; NJW 1994, 2022). Allerdings muss das Missverhältnis für den Kläger als Erwerber eklatant sein (OLG Braunschweig, Urteil vom 1. September 2011 – 8 U 170/10 –, Rn. 48, juris). Es muss für den Käufer erkennbar sein, dass es sich um einen deutlich zu niedrigen Verkaufspreis handelt, weil anderenfalls nicht von grober Fahrlässigkeit gesprochen werden kann. Maßgeblich ist damit, ob der Verkaufspreis aus Sicht der Klägerin bzw. des für sie handelnden Zeugen <em>F., </em>derart niedrig war, dass sich daraus Zweifel an der rechtmäßigen Besitzerlangung der Streitverkündeten ergeben mussten und deshalb aus ihrer Sicht weitere Nachforschungen angezeigt gewesen wären.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_52">52</a></dt>
<dd><p>Das ist nicht festzustellen. Zunächst ist – entgegen der Ansicht der Beklagten (Bl. 304 f.)  – nicht schon aufgrund der Rechtsform der Klägerin oder ihrer Tätigkeit als Waschanlagenbetreiberin von einer besonderen Kenntnis hinsichtlich der Marktwerte von Fahrzeugen auszugehen. Es ist nicht ersichtlich, warum eine GmbH und auch eine Waschanlagenbetreiberin besondere Erfahrungen im Handel mit gebrauchten Fahrzeugen haben sollten, aufgrund derer sie einen deutlich zu niedrigen Kaufpreis besser erkennen könnte als eine Privatperson.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_53">53</a></dt>
<dd><p>Dem Landgericht ist auch darin zuzustimmen, dass von dem Erwerber eines gebrauchten Fahrzeugs nicht zuvor eine umfassende Marktrecherche erwartet werden kann. Dagegen wendet sich die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung mit dem Argument, dass jedermann vor dem Kauf eines Fahrzeugs Erkundigungen einhole und Preise vergleiche. Ob dies von dem Erwerber eines Gebrauchtfahrzeuges zu erwarten ist, kann letztlich dahinstehen, weil der Zeuge <em>F. </em>in seiner Vernehmung am 07.12.2016 ausgesagt hat, dass auch er im Vorfeld verglichen habe, was derartige Fahrzeuge kosten und dabei – unwiderlegt – seinerzeit gesehen habe, dass es ähnliche Fahrzeuge zum Preis von 20.000,00 € gebe (Bl. 108 d.A.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_54">54</a></dt>
<dd><p>Zu beachten ist weiterhin der konkrete Zustand in dem sich das Fahrzeug befand. Die Zeugen haben ausgesagt, dass über den schlechten Zustand der Reifen und einen angeblich ausgebesserten Heckschaden gesprochen worden ist (Bl. 103, 108 d.A.). Dass von dem Heckschaden zum Übergabezeitpunkt ggf. nichts (mehr) zu sehen war, ist unerheblich. Auch reparierte Unfallschäden wirken sich wertmindernd aus. Der Zeuge Z. hat zudem bekundet, dass der Ladebereich des Fahrzeugs komplett leer, also ohne Innenausstattung gewesen sei. Diese Umstände, insbesondere ein behaupteter Unfallschaden, können aus Sicht eines Laien plausible Gründe für einen deutlich niedrigeren Preis darstellen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_55">55</a></dt>
<dd><p>Dass ein – sogar reparierter – Unfallschaden an einem Fahrzeug zu einer Wertminderung führt, ist nach allgemeiner Lebenserfahrung auch unter Laien weithin bekannt, nicht aber, wie viel ein Fahrzeug durch einen Unfallschaden konkret an Wert verliert. Im Ergebnis war es jedenfalls aus Sicht eines Laien nicht vollkommen abwegig, dass sich der Unfallschaden, der übrige Zustand des Fahrzeugs, die gleichzeitige Inzahlungnahme des Pkw M. und die bisherige Geschäftsbeziehung erheblich auf den Preis auswirken. Damit ist nicht festzustellen, dass der vereinbarte Kaufpreis von 15.500,00 € aus damaliger Sicht der Klägerin eklatant zu niedrig war.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>(4)</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_56">56</a></dt>
<dd><p>Auch die konkreten Merkmale der Zulassungsbescheinigung waren nicht geeignet, eine Bösgläubigkeit der Klägerin bzw. des Zeugen <em>F. </em>zu begründen. Dies ist bei einer gefälschten Zulassungsbescheinigung nur dann anzunehmen, wenn sie als solche deswegen leicht durchschaubar ist (vgl. MüKo/<em>Oechsler, </em>BGB, § 932, Rn. 56). Dies war vorliegend nicht der Fall.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_57">57</a></dt>
<dd><p>Vertiefte Kenntnisse darüber, welche Stelle zu welcher Zeit welche Eintragungen in der Zulassungsbescheinigung vornimmt, können von einem Laien jedenfalls nicht erwartet werden. Vor diesem Hintergrund musste das identische Schriftbild im oberen Teil der Zulassungsbescheinigung Teil II bei der Haltereintragung und im unteren Teil bei den Fahrzeugdaten bei dem Zeugen <em>F. </em>keinen Verdacht erregen. Das Gleiche gilt für die unter der Halterangabe befindliche Behördenangabe. Es erschließt sich außerdem nicht, warum von einem identischen Schriftbild zwingend auf denselben Drucker und damit auf eine zeitgleich vorgenommene Eintragung geschlossen werden sollte. Es ist durchaus denkbar und beispielsweise im privaten Bereich auch selbstverständlich, dass unterschiedliche Drucker mit der gleichen Schriftart drucken können.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_58">58</a></dt>
<dd><p>Von dem Zeugen <em>F. </em>war auch nicht zu erwarten, den Bar-Code der gefälschten Zulassungsbescheinigung mit demjenigen aus der Zulassungsbescheinigung des in Zahlung gegebenen Pkw M. zu vergleichen. Ein solches Vorgehen kann schon deshalb nicht zu den Mindestanforderungen eines Gebrauchtwagenkäufers zählen, weil diese Möglichkeit überhaupt nur dann besteht, wenn zeitgleich ein Fahrzeug vom Händler angekauft wird, was aber nicht immer der Fall ist. Darüber hinaus besteht für den Erwerber überhaupt nur dann ein Anlass, einzelne Elemente der Zulassungsbescheinigung einer genaueren Untersuchung zu unterziehen, sofern bereits auf den ersten Blick Verdacht erregende Auffälligkeiten zu erkennen sind. Ohne Anlass ist ein solcher Vergleich jedenfalls nicht vorzunehmen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_59">59</a></dt>
<dd><p>Das Entsprechende gilt für die Unterschriften der Behördenmitarbeiter. Vom Erwerber, der beim Kauf eines Gebrauchtfahrzeugs ohnehin schon viele Dinge zu beachten hat, kann zur Vermeidung des Vorwurfs grober Fahrlässigkeit nicht verlangt werden, jedes einzelne Feld und jeden Schriftzug der Zulassungsbescheinigung genauestens zu kontrollieren und sich zudem das zuvor für eine solche umfassende Kontrolle nötige fachliche Detailwissen anzueignen. Dies gilt entsprechend für die Eintragung des Farbcodes.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_60">60</a></dt>
<dd><p>Der Zeuge war auch nicht gehalten die Behördenstempel der Zulassungsbescheinigungen Teil I und II miteinander zu vergleichen. Selbst wenn er dies getan hätte, hätte ihm als Laien dabei nicht zwangsläufig auffallen müssen, dass es sich um eine Fälschung handelt, obwohl der Stempel unter den Halterangaben in der Zulassungsbescheinigung Teil II eher nach „eingedruckt“ als nach einem Stempel aussieht. Einem Laien muss aber nicht bekannt sein, dass an dieser Stelle zwingend ein „gestempelter“ Stempel zu sehen sein muss. Zudem weist auch der Stempel der Zulassungsbehörde in B. durch seine Ausrichtung und sein klares, nicht verwischtes Schriftbild ein ähnlich „gedruckte“ Erscheinung auf.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_61">61</a></dt>
<dd><p>Soweit die Beklagte eine Auskunft bei der Bundesdruckerei und die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt hat, beziehen sich diese Anträge auf die Feststellung der zeitlichen Abfolge der Eintragungen in der Zulassungsbescheinigung, die allenfalls dazu geeignet wäre nachzuweisen, dass es sich bei der von der Streitverkündeten übergebenen Zulassungsbescheinigung Teil II um eine Fälschung handelt. Dies ist jedoch zwischen den Parteien nicht streitig. Zu klären war demgegenüber, ob dies für den Zeugen <em>F.</em> offensichtlich zu erkennen war. Fälschungsmerkmale die erst durch Auskunft bei der Bundesdruckerei oder durch Sachverständigengutachten nachgewiesen werden müssen, fallen regelmäßig nicht hierunter. Das gilt auch für die übrigen Ausführungen der Beklagten, die dazu dienen, darzulegen, dass es sich bei der übergebenen Zulassungsbescheinigung Teil II um eine Fälschung handelt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_62">62</a></dt>
<dd><p>Entgegen der Ansicht der Berufung bietet auch die Tatsache, dass den Mitarbeitern der Zulassungsbehörde die Fälschung nicht aufgefallen ist, durchaus einen geeigneten Anhaltspunkt dafür, ob dem Zeugen <em>F. </em>grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen ist. Dies ist nach dem oben Gesagten nur dann anzunehmen, wenn dasjenige unbeachtet geblieben ist, was jedem hätte einleuchten müssen. Der Umstand, dass die Fälschung mehreren Personen – auch dem Zeugen <em>Z.</em> ist nichts aufgefallen (Bl. 103 d.A.) – nicht als solche aufgefallen ist, spricht eher dafür als dagegen, dass es sich nicht um etwas handelt, „was jedem hätte einleuchten müssen“. Dies gilt umso mehr bei den Behördenmitarbeitern, die täglich derartige<br>– und insbesondere mehrheitlich <span style="text-decoration:underline">echte</span> – Dokumente in der Hand halten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_63">63</a></dt>
<dd><p>Sofern die Beklagte bestreitet, dass die gefälschte Zulassungsbescheinigung Teil II auf Originalpapier gedruckt wurde, hätte es – wie ausgeführt – ihr oblegen, dies zu beweisen. Unabhängig davon ist dieser Umstand im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils als unstreitige Tatsache festgehalten worden. Das ist zutreffend. Auf das einfache Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen (Schriftsatz vom 9.8.2016, Seite 12 = Bl. 35 d.A.) hat die Klägerin weitergehend qualifiziert erwidert (Schriftsatz vom 4.10.2016, Seite 6 = Bl. 58 d.A.). Außerdem hat das Landgericht nach Einsichtnahme in die Ermittlungsakten den Hinweis erteilt (Hinweisbeschluss vom 23.01.2017, Seite 3 = Blatt 124 d.A.), dass nach deren Inhalt der verwendete Vordruck als Originalvordruck in Bremen entwendet worden sei. Beidem ist die Beklagte entgegen § 138 Abs. 2 und 3 ZPO erstinstanzlich auch nicht mehr entgegengetreten (vgl. Schriftsatz vom 20.02.2017, Seite 9 = Blatt 138 d.A.), sodass sie sich schon deshalb daran festhalten lassen muss. Der Tatbestand entfaltet zudem gem. § 314 ZPO Beweiskraft. Etwaige Unrichtigkeiten sind im Wege der Berichtigung gem. § 320 ZPO zu beseitigen. Der Zweck des § 320 ZPO besteht gerade darin, die zutreffende Grundlage für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu gewährleisten (BGH, Urteil vom 10. März 1983 – VII ZR 135/82 –, Rn. 29, juris = NJW 1983, 2030, 2032; Zöller/<em>Feskorn</em>, ZPO, § 320, Rn. 12). Die Beklagte hat keine Tatbestandsberichtigung beantragt. Sie kann nach Ablauf der zweiwöchigen Antragsfrist sich nicht mehr darauf berufen, dass der Tatbestand Unrichtigkeiten enthält.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_64">64</a></dt>
<dd><p>Soweit die Beklagte rügt, dass keine Kopie der Vorderseite der Zulassungsbescheinigung Teil I vorgelegt worden ist, ist das unerheblich. Welche Auffälligkeiten oder Widersprüche sich daraus ergeben hätten, die zur Annahme einer grob fahrlässigen Unkenntnis des Zeugen <em>F.</em> hätten führen können, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
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<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>(5)</p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_65">65</a></dt>
<dd><p>Der Umstand, dass ein Kfz-Händler – wie hier die Streitverkündete – drei ähnliche junge gebrauchte Fahrzeuge zum Verkauf angeboten hat, kann verschiedene unverfängliche Gründe haben und muss mithin bei einem Kunden eines Gebrauchtwagenhändlers ohne Weiteres keinen Verdacht aufkommen lassen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>bb)</p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_66">66</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte vermochte auch nicht zu beweisen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug abhandengekommen ist. Der dazu von ihr benannte Zeuge<em> Be. </em>war nicht aufzufinden (analog § 244 Abs. 3, 6.Fall StPO; BGH, Urt. vom 17.2.1970 – III ZR 139/67, Rn. 228, zitiert nach juris). Darauf hat das Landgericht mit Hinweisbeschluss vom 23.1.2017 (Seite 5 = Blatt 126 d.A.) zutreffend hingewiesen. Das Landgericht war nicht gehalten, eine Ladung an der von der Beklagten genannten Adresse zu versuchen, zu der die Ermittlungsbehörden ohne Gewinnung weiterführender Erkenntnisse bereits festgestellt hatten, dass sich der Zeuge dort nicht aufhält.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_67">67</a></dt>
<dd><p>Der Zeuge brauchte aber unabhängig davon schon deshalb nicht geladen zu werden, weil die Beklagte bereits keinen schlüssigen Sachvortrag für ein Abhandenkommen gehalten hat. Die Ladung des Zeugen, wäre dessen Aufenthalt bekannt, wäre zur Vermeidung unzulässiger Beweisausforschung nicht zulässig gewesen. Aus ihrem Schriftsatz vom 20.2.2017 (Seite 2 = Blatt 135 d.A.) wird deutlich, dass die Beklagte keine Anhaltspunkte für ein Abhandenkommen hat und den Zeugen insoweit nur vernommen wissen möchte, um etwaige Anhaltspunkte zu erfahren. Nicht einmal in Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz ist eine Zeugenvernehmung zur Beweisausforschung zulässig, auch unabhängig davon, warum ein Verfahrensbeteiligter über die Erkenntnisse nicht verfügt, deren Gewinnung er sich aus der Vernehmung des von ihm benannten Zeugen verspricht (vgl. BSG, Urteil vom 28.6.2018 – B 5 RS 7/17 R, Rn. 37, zitiert nach juris). Das gilt erst recht im vom Parteibeibringungsgrundsatz geprägten Zivilprozessverfahren (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.5.2002 – 11 U 10/01, Rn. 42, zitiert nach juris).</p></dd>
</dl>
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<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_68">68</a></dt>
<dd><p>Die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB zugunsten der Klägerin ist nach den damit fehlerfreien Feststellungen des Landgerichts nicht widerlegt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
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<dd><p></p></dd>
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<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>3.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_69">69</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte hat ein – außerhalb ihres durch den gutgläubigen Erwerb der Klägerin verlorenen Eigentums – sonstiges Recht zum Besitz (§ 986 BGB) nicht vorgetragen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_70">70</a></dt>
<dd><p>Die Berufung hat demzufolge keine Aussicht auf Erfolg.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>III.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_71">71</a></dt>
<dd><p>Der Beklagten wird Gelegenheit zur Stellungnahme oder zur Rücknahme der Berufung bis zum  <strong>31. Januar 2019 </strong>gegeben.</p></dd>
</dl>
</div></div>
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<a name="DocInhaltEnde"><!--emptyTag--></a><div class="docLayoutText">
<p style="margin-top:24px"> </p>
<hr style="width:50%;text-align:center;height:1px;">
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171,308 | ag-dusseldorf-2019-01-02-127-cs-30-js-6215 | {
"id": 653,
"name": "Amtsgericht Düsseldorf",
"slug": "ag-dusseldorf",
"city": 413,
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"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 127 Cs - 30 Js 6215/18 - 786/18 | 2019-01-02T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:49 | 2019-02-12T13:44:38 | Urteil | ECLI:DE:AGD:2019:0102.127CS30JS6215.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>hat das Amtsgericht Düsseldorf aufgrund der Hauptverhandlung vom 02.01.2019, an der teilgenommen haben:</p>
<p>Richterin am Amtsgericht L</p>
<p>als Richterin</p>
<p>AA´in C</p>
<p>als Vertreter/Vertreterin der Staatsanwaltschaft Düsseldorf</p>
<p>Rechtsanwältin T aus H als Verteidiger des Angeklagten M</p>
<p>Justizbeschäftigte U</p>
<p>als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle</p>
<p>für Recht erkannt:</p>
<p>Der Angeklagte M ist nach dem Strafbefehl des Amtsgerichts Düsseldorf vom 16.11.2018 der vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung schuldig.</p>
<p>Rechtskräftig ist die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen sowie die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Anweisung an die Verwaltungsbehörde, dem Angeklagten vor Ablauf von 12 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.</p>
<p>Die Tagessatzhöhe wird auf 12 EUR festgesetzt.</p>
<p>Angewendete Vorschriften:</p>
<p>§§ 229, 230, 315c Abs. 1 Nr. 2a,d, Abs. 3 Nr. 1, 52, 69, 69a StGB</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Gründe</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz StPO)</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der festgestellte Sachverhalt und das angewendete Strafgesetz ergeben sich aus dem Strafbefehl vom 16.11.2018, auf den Bezug genommen wird. Angewendet wurden die im Urteilstenor aufgeführten Bestimmungen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Tagessatzhöhe war entsprechend der Einkommensverhältnisse des Angeklagten auf 12 EUR festzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">L</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Richterin am Amtsgericht</p>
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161,454 | ovgnrw-2019-01-02-13-a-459918a | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
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} | 13 A 4599/18.A | 2019-01-02T00:00:00 | 2019-01-16T07:00:09 | 2019-02-12T13:44:08 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2019:0102.13A4599.18A.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 30. Oktober 2018 wird abgelehnt.</p>
<p>Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e :</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Kläger haben die zur Begründung ihres Antrags allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG im Hinblick auf die als klärungsbedürftig erachtete Rechtsfrage,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">„inwieweit in Verfahren nach der Dublin III-VO inländische Vollstreckungshindernisse im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG zu beachten sind“,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">nicht den sich aus § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG ergebenden Anforderungen entsprechend dargelegt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Darlegung der Grundsatzbedeutung setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstgerichtlich noch nicht hinreichend geklärte und (auch) für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; zudem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. Juni 2018 – 13 A 2294/17.A –, juris, Rn. 3, vom 14. Juli 2017 – 13 A 1519/17.A – juris, Rn. 6, und vom 8. Juni 2016 – 13 A 1222/16.A – juris, Rn. 4, m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Hieran fehlt es bereits deshalb, weil die Kläger die Entscheidungserheblichkeit der geltend gemachten Rechtsfrage nicht hinreichend dargelegt haben. Wie der Senat bereits mit Beschluss vom 3. Dezember 2018 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 7 VwGO – 13 B 1738/18.A – ausgeführt hat, ist die durch die Kläger in diesem Zusammenhang angeführte Behauptung eines inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses in Folge einer behinderungsbedingten Reiseunfähigkeit des Antragstellers zu 3) nicht hinreichend substantiiert dargetan. Weder aus dem Zulassungsvorbringen selbst, dem im Übrigen keine weiteren Unterlagen beigefügt waren, noch aus dem durch die Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Arztbrief des Evangelischen Krankenhauses C. in J. vom 13. September 2018 ergeben sich ernsthafte Anhaltspunkte für eine behinderungsbedingte Reiseunfähigkeit des Antragstellers zu 3), die erst dann anzunehmen wäre, wenn die konkrete Gefahr bestünde, dass sich der Gesundheitszustand des Antragstellers zu 3) durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden könnte. Sinngemäß gilt dies auch für die angeführte Schwangerschaft der Antragstellerin zu 2), soweit das Zulassungsvorbringen dahin zu verstehen sein sollte, dass sich auch hieraus eine Reiseunfähigkeit ergebe. Weiteres Zulassungsvorbringen hierzu ist ausgeschlossen, nachdem die Frist für die Darlegung der für einschlägig erachteten Zulassungsgründe aus § 78 Abs. 4 Sätze 1 und 4 AsylG mit Ablauf des 10. Dezember 2018 (Montag) verstrichen ist.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Im Übrigen zeigt das Zulassungsvorbringen auch keinen in der ober- oder höchstgerichtlichen Rechtsprechung bestehenden Klärungsbedarf auf. In der jüngeren Rechtsprechung ist anerkannt, dass es im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylG wegen der Zuständigkeit eines anderen Staates nach Maßgabe der Dublin III-VO mit Blick auf den Wortlaut dieser Vorschrift Aufgabe allein des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ist zu prüfen, ob „feststeht“, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Vgl. zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris, Rn. 9; Nds. OVG, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 13 PA 104/17 –, juris, Rn. 16; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. Januar 2017 – 11 S 2301/16 –, juris, Rn. 19; Bay. VGH, Urteil vom 7. April 2016 – 20 B 14.30214 –, juris, Rn. 17; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Februar 2016 – 1 A 11081/14 –, juris, Rn. 36; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 – OVG 2 S 6.12 –, juris, Rn. 4; OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11 –, juris, Rn. 4, jeweils m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Ein Klärungsbedarf ergibt sich insbesondere auch nicht aus der durch das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil zum Beleg seiner gegenteiligen Rechtsauffassung angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, die sich allein auf die Benennung des Zielstaats einer Abschiebung in einer vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verfügten Abschiebungsandrohung bezieht.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 – 10 B 39.12 –, Buchholz 402.25 § 34 AsylVfG Nr. 11 = juris, Rn. 4.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).</p>
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171,311 | vg-gelsenkirchen-2018-12-28-6-z-k-459618 | {
"id": 843,
"name": "Verwaltungsgericht Gelsenkirchen",
"slug": "vg-gelsenkirchen",
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} | 6 z K 4596/18 | 2018-12-28T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:51 | 2019-02-12T13:44:38 | Gerichtsbescheid | ECLI:DE:VGGE:2018:1228.6Z.K4596.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.</p>
<p>Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Gerichtsbescheides vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Tatbestand:</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der am     00.00.0000 geborene Kläger erwarb im 00.00.0000 die allgemeine Hochschulreife (Abitur) mit der Durchschnittsnote 3,2. Sodann nahm er offenbar ein Maschinenbaustudium auf, das er indes nach einem Semester abbrach.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit Zulassungsantrag vom    00.00.0000 bewarb der Kläger sich bei der Beklagten um die Zulassung zum Studium der Humanmedizin. Dabei gab er an, er wünsche eine Teilnahme in der Wartezeitquote sowie am Auswahlverfahren der Hochschulen. Zudem stellte er einen Härtefallantrag sowie einen Ortsantrag in Bezug auf den Studienort C.      . Den Härtefallantrag stütze er auf „besondere gesundheitliche Umstände“ (Fallgruppe 1.1) und auf „besondere familiäre oder soziale Umstände“ (Fallgruppe 2). Ohne nähere Erläuterung fügte er seiner Bewerbung ein Gutachten über den Gesundheitszustand einer Frau A.        C1.        – vermutlich seine Mutter – bei, die infolge einer 2011 erlittenen Hirnschädigung an körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen leidet. Zudem legte er eine „Ärztliche Stellungnahme“ der Ärztin E.  . P.        (D.       , P1.    -I.       -D1.       für L.      - und K.             ) vom   00.00.0000 vor, in welcher ihm die Erkrankung an Morbus Crohn bescheinigt wird.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom       00.00.0000 lehnte die Beklagte den Zulassungsantrag des Klägers mit der Begründung ab, er habe die bestehenden Auswahlgrenzen nicht erreicht. Der Härtefallantrag sei nicht anerkannt worden, da der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass die sofortige Aufnahme des Studiums zwingend erforderlich sei. Der Ortsantrag habe nicht beschieden werden müssen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat am         00.00.0000 Klage erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Eine Begründung ist nicht vorgelegt worden.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt sinngemäß,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">00. 00 00 zu verpflichten, ihm einen Medizinstudienplatz (erstes Fachsemester) zum Wintersemester 00/00 zuzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Sie tritt der Klage entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten übersandten Bewerbungsunterlagen ergänzend Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe:</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Kammer entscheidet über die Klage gemäß § 84 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, weil sie der Auffassung ist, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind dazu gehört worden.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Ablehnungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuteilung des beantragten Studienplatzes im Studiengang Humanmedizin nach den für das Wintersemester 00/00 maßgeblichen Regeln und tatsächlichen Verhältnissen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Studienplätze im Studiengang Humanmedizin werden gemäß § 1 Satz 2 der Verordnung über die zentrale Vergabe von Studienplätzen – VergabeVO – in Verbindung mit ihrer Anlage 1 in einem zentralen Vergabeverfahren nach Maßgabe der §§ 6 ff. VergabeVO vergeben. Der Kläger erreicht mit seiner Wartezeit (ein Halbjahr) nicht die maßgebliche Auswahlgrenze. Für eine Auswahl in der Wartezeitquote (§ 14 VergabeVO) waren zum X.              00/00 mindestens vierzehn Halbjahre erforderlich. In der Abiturbestenquote hat der Kläger sich nicht beworben.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Auswahl nach Härtegesichtspunkten (§ 15 VergabeVO). Die Studienplätze der Härtefallquote werden an Bewerber vergeben, für die es eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde, wenn sie keine Zulassung erhielten. Eine außergewöhnliche Härte liegt gemäß § 15 Satz 2 VergabeVO vor, wenn in der eigenen Person liegende besondere soziale oder familiäre Gründe die</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">sofortige Aufnahme des Studiums zwingend erfordern. Da die Zulassung im Härtefallwege nach dem System des § 6 VergabeVO zwangsläufig zur Zurückweisung eines anderen, noch nicht zugelassenen Erstbewerbers führt, ist eine strenge Betrachtungsweise geboten.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Vgl. Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW, Beschlüsse vom 17. Mai 2010 - 13 B 504/10 -, und vom 2. Juli 2012 - 13 B 656/12 -, abrufbar auf www.nrwe.de; Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen, Urteil vom 17. August 2015 - 6z K 3872/14 - und Beschluss vom 31. März 2017 - 6z L 787/17 -; C.      , in: Bahro/C.      , Das Hochschulzulassungsrecht in der BRD, 4. Aufl. 2003, § 21 VergabeVO Rn. 1.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Im Blick zu behalten ist überdies die Funktion der Härtefallregelung. Sie soll – wie schon der Wortlaut der Vorschrift zeigt – innerhalb des notwendigerweise schematisierten Massenverfahrens der Studienzulassung einen Ausgleich für besondere Einzelfälle schaffen, in denen die Anwendung der regulären Auswahlkriterien dem Gebot der Chancengleichheit nicht gerecht wird; nach Möglichkeit soll niemand infolge wirtschaftlicher, gesundheitlicher, familiärer oder sonstiger sozialer Benachteiligungen an der Erreichung seines Berufsziels gehindert werden. Anderen Zwecken – etwa der Kompensation erlittener Schicksalsschläge oder erfahrenen Leids – darf die Härtefallzulassung hingegen nicht dienen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Juni 2013 - 13 B 440/13 -, vom 11. Dezember 2014 - 13 B 1297/14 - und vom 18. Dezember 2014 - 13 B 1360/14 -; VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 27. März 2013 - 6z L 313/13 - vom 15. Oktober 2014 - 6z L 1403/14 -, vom 21. Dezember 2016 - 6z L 2869/16 - und vom 9. Februar 2018 - 6z L 107/18 -, alle auf www.nrwe.de und mit weiteren Nachweisen; C.      , in: Bahro/C.      , Das Hochschulzulassungsrecht in der BRD, § 21 VergabeVO, Rn. 1 ff.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Gemessen daran besteht vorliegend kein Anspruch auf eine Härtefallzulassung. Der Berichterstatter der Kammer hat dazu in seinem Hinweisschreiben vom       00.00.0000 ausgeführt:</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">„Die Beklagte geht in ihrer ständigen Verwaltungspraxis davon aus, dass die Notwendigkeit der Pflege naher Angehöriger von vornherein keinen Härtefall begründen kann. Diese Rechtsauffassung liegt nicht fern, weil § 15 VergabeVO von „in der eigenen Person“ des Bewerbers liegenden Gründen spricht, und sie wird auch in der Literatur geteilt (Bahro/C.      , Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. 2003, § 21 VergabeVO, Rdnr. 5). Die Kammer hat die Frage allerdings in der Vergangenheit offen gelassen (vgl. etwa das Urteil vom 28. Februar 2012 - 6z K 3820/12 -) und wird auch im vorliegenden Fall nicht über sie entscheiden müssen. Denn selbst wenn man annähme, dass die Pflege naher Angehöriger im Einzelfall einen Härtefall begründen kann, würde es hier an entsprechendem Vortrag und an der Vorlage der notwendigen Belege fehlen. Aus dem allein vorgelegten Gutachten der Praxis J.      und L.      vom      00.00.0000 ergibt sich nicht, warum aus dem Gesundheitszustand seiner Mutter für den Kläger die zwingende Notwendigkeit einer sofortigen Aufnahme des Studiums folgen soll.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Macht ein Bewerber geltend, eine sofortige Zulassung zum Studium sei deshalb erforderlich, weil er selbst an einer gravierenden chronischen Krankheit leide und weil deren voraussichtliches Fortschreiten dazu führe, dass er bei einer späteren Aufnahme des Studiums dieses nicht mehr werde abschließen können, so muss er das Vorliegen der Krankheit, vor allem aber die seinen Vortrag stützende Prognose des zukünftigen Krankheitsverlaufs, durch ein fachärztliches Attest belegen, an dessen Begründungstiefe wegen der oben aufgezeigten Grundsätze, namentlich mit Blick auf die Chancengleichheit der Mitbewerber, hohe Anforderungen zu stellen sind (vgl. nur Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss vom 14. November 2013 - 13 B 1242/13 - und VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 9. Februar 2018 - 6z L 107/18 - mit weiteren Nachweisen). Diesen Anforderungen genügt die „Stellungnahme“ der Ärztin E.  . P.        vom   00.00.0000, in welcher dem Kläger in wenig differenzierter Weise eine Erkrankung an Morbus Crohn attestiert wird, ersichtlich nicht.“</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">An diesen Überlegungen, denen der Kläger nicht entgegen getreten ist, hält die Kammer fest. Die Ausführungen der Ärztin E.  . P.        zur Prognose des weiteren Krankheitsverlaufs und denkbaren Behandlungsmöglichkeiten reichen für die Anerkennung eines Härtefalls bei Weitem nicht aus. Hierbei verkennt das Gericht nicht, dass eine exakte Vorhersage der zukünftigen gesundheitlichen Entwicklung eines Patienten wegen des stets individuellen Verlaufs einer jeden Erkrankung häufig kaum möglich sein wird. Dennoch erfordert § 15 VergabeVO, dass der Arzt eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Prognose abgibt und diese eingehend begründet. Denn die Beklagte und auch das Gericht sind im Interesse der Chancengleichheit der Mitbewerber um einen Medizinstudienplatz gehalten, die ihnen vorgelegten ärztlichen Atteste kritisch zu hinterfragen. Entscheidend ist, dass diejenigen Symptome, die für das Absolvieren des Studiums von besonderer Bedeutung sind und die Wahrscheinlichkeit ihres künftigen Auftretens im Gutachten konkret benannt werden. Angaben zu der Frage, welche Symptome zu welchem Zeitpunkt in der Zukunft nach statistischen Erkenntnissen oder nach der Erfahrung des Arztes mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind, ob sie in massiver, die Unterbrechung des Studiums erzwingender Form und für einen mehr als unerheblichen Zeitraum einzutreten pflegen, inwieweit sie durch eine Therapie gelindert werden können und worauf die Prognose beruht, sind unverzichtbar, um die Voraussetzungen des Härtefalltatbestands feststellen und diejenigen Studienbewerber herausfiltern zu können, bei denen eine sofortige Zulassung zur Wahrung der Chancengleichheit geboten ist.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 15. Oktober 2014 - 6z L 1403/14 -, vom 31. März 2017 - 6z L 787/17 - und vom 9. Februar 2018 - 6z L 107/18 - sowie Urteil vom 17. August 2015 - 6 K 3872/14 -, juris.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">An derart konkreten Angaben fehlt es vorliegend; eine künftige Verschlechterung des Gesundheitszustands wird in dem Attest lediglich pauschal behauptet.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Nachweismängel werden sich für das Bewerbungsverfahren zum X.              00/00 auch nicht mehr beheben lassen. Erst im gerichtlichen Verfahren eingereichte Unterlagen dürfen von der Kammer nicht berücksichtigt werden. Denn die für das Auswahl- und Verteilungsverfahren maßgeblichen Daten müssen in Bezug auf das X.              für „Altabiturienten“ spätestens bis zum 00.00.00vorliegen (§ 3 Abs. 7 Satz 2 VergabeVO). Die Vorschrift statuiert eine gesetzliche Ausschlussfrist, so dass die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beklagten über einen Zulassungsantrag auch vom Gericht ausschließlich anhand derjenigen Unterlagen zu prüfen ist, die innerhalb der Bewerbungs- bzw. Nachfrist des § 3 Abs. 2 und 7 VergabeVO bei der Beklagten vorgelegen haben.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.</p>
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171,310 | lg-dortmund-2018-12-28-4-o-15118 | {
"id": 806,
"name": "Landgericht Dortmund",
"slug": "lg-dortmund",
"city": 407,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 4 O 151/18 | 2018-12-28T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:50 | 2019-02-12T13:44:38 | Urteil | ECLI:DE:LGDO:2018:1228.4O151.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1.       Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>2.       Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.</p>
<p>3.       Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu</p>
<p>          vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">T a t b e s t a n d</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Unterlassung der Werbung mit der Bezeichnung „D“.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte betreibt unter der Bezeichnung „D“ bzw. „D .... ............ ......“ eine Bestell-App für die Vermittlung von Fahraufträgen an professionelle und lokal ansässige konzessionierte Mietwagen- und Taxiunternehmen. Über diese App können Kunden sich ein gewöhnliches Taxi bestellen oder eine schwarze Limousine (sog. D black) aus dem Fuhrpark der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin behauptet, sie betreibe in E eine Taxifahrtenvermittlungszentrale, der derzeit 431 von insgesamt 574 in E zugelassenen Taxis angeschlossen seien. Sie sei zudem Lizenznehmerin der Taxi-Bestell-App „Taxi E2“, mit der Fahrgäste Taxis bei ihr bestellen könnten, ohne dass ein direkter Sprachkontakt mit der Vermittlungszentrale notwendig sei. Zu ihren satzungsmäßigen Aufgaben gehöre auch die Wahrnehmung allgemeiner gewerblicher oder beruflicher Interessen der Mitglieder im Deutschen Taxi- und Mietwagenverband; sie unterhalte zur Wahrnehmung ihrer satzungsgemäßen Aufgaben einen vollkaufmännischen Geschäftsbetrieb.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Sie meint, die Werbung der Beklagten mit der Bezeichnung „D“ für den Mietwagenverkehr verstoße gegen § 49 Abs. 4 S. 5 PBefG, weil sie geeignet sei, zur Verwechslung mit dem Taxiverkehr zu führen. Sie behauptet, die Bezeichnung „Cab“ bezeichne im englisch-amerikanischen Sprachraum ein Taxi und führe damit vor allem bei englischsprachigen Verkehrskreisen zur Irreführung; diese Verwechslungsgefahr sei auch gewollt, weil die Beklagte mit dieser Bezeichnung sowohl für den von ihr betriebenen Taxiverkehr wie auch für den Mietwagenverkehr werbe.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Sie beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">der Beklagten zu untersagen – bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten – für jeden Fall der Zuwiderhandlung, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für Personenbeförderungen mit Mietwagen (§ 49 Abs. 4 PBefG) mit der Bezeichnung „D“ zu werben und/oder die Vermittlung oder Beförderung von Personen mit Mietwagen (§ 49 Abs. 4 PBefG) unter der Bezeichnung „D“ anzubieten oder durchzuführen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">              die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sie beruft sich auf Verjährung und Verwirkung.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Sie meint, es bestehe keine Verwechslungsgefahr, da – was unstreitig ist – der eigene Fuhrpark schwarz und ansonsten vollkommen „nackt“ sei, den Taxen vorbehaltene Zeichen und Merkmale wie Farbe, Bezeichnung als Taxi und Taxischilder nicht verwendet würden.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die verwendete Bezeichung „D dein persönlicher Fahrer“ sei eine bloße Wortschöpfung und weise nicht einmal auf Personenbeförderung hin.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht aus §§ 3a UWG, 49 Abs. 4 S. 5 PBefG kein Anspruch auf Unterlassung der Werbung mit der Bezeichnung „D“ bzw. „D .... ............ ......“ (im Folgenden: D) zu. Es kann daher dahinstehen, inwieweit die Klägerin klagebefugt ist, ebenso, inwieweit Ansprüche verjährt bzw. verwirkt sind.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Werbung mit dieser Bezeichnung verstößt nicht gegen. § 49 Abs. 4 S. 5 PBefG.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Gem. § 49 Abs. 4 S. 5 PBefG dürfen Annahme, Vermittlung und Ausführung von Beförderungsaufträgen, das Bereithalten des Mietwagens sowie Werbung für Mietwagenverkehr weder allein noch in ihrer Verbindung geeignet sein, zur Verwechslung mit dem Taxenverkehr zu führen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Eine solche Verwechslungsgefahr besteht unter Berücksichtigung der angesprochenen Verkehrskreise im Ergebnis vorliegend nicht.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Zwar trifft es zu, dass in der Bezeichnung „D“ das englische Wort „Cab“ enthalten ist, das übersetzt „Taxi“ bedeutet. Auch ist es durchaus so, dass viele Menschen in E englisch sprechen und diesen Begriff verstehen werden. Dies ist jedoch die einzige Verbindung, die überhaupt zum Taxiverkehr gegeben ist. Die von der Beklagten bereitgehaltenen Mietwagen ähneln Taxen überhaupt nicht. Soweit das LG Stuttgart in einer Entscheidung ausgeführt hat, schwarz sei eine „typische Taxifarbe“ (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 27.07.2016, 11 O 91/16, zitiert nach juris Rn. 28), folgt das erkennende Gericht dem nicht: Die typische Taxifarbe in Deutschland ist elfenbeinfarben; schwarz mag eine typische Autofarbe sein, ist aber nicht typisch gerade für Taxen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Diese Beziehung zum Taxiverkehr wird jedoch dadurch abgeschwächt, dass das Wort in Verbindung mit den weiteren Buchstaben „EP“ gebraucht wird, daher nicht ohne Weiteres als eigenständiges Wort und damit das englische Wort für Taxi zu erkennen ist, zudem dadurch, dass auch im englischsprachigen Raum nunmehr verstärkt das Wort „taxi“ und nicht „cab“ benutzt wird. Dies führt auch für die durchschnittlichen Verkehrskreise nicht zu einer Verwechslung mit dem Taxiverkehr. Dies gilt umso mehr, wenn man sich die Beschreibung der App selbst durchliest – dort wird deutlich zwischen der Vermittlung von Taxen und von Mietwagen unterschieden.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.</p>
|
171,309 | ovgnrw-2018-12-28-19-b-169018 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 19 B 1690/18 | 2018-12-28T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:50 | 2019-02-12T13:44:38 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2018:1228.19B1690.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.</p>
<p>Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Aus den mit der Beschwerde dargelegten Gründen, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO) zu Unrecht abgelehnt hat. Die Antragstellerin hat auch im Beschwerdeverfahren den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO). Aus ihrem Vorbringen ergibt sich nicht, dass sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf Versetzung in die Qualifikationsphase hat. Denn es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass ihre Leistungen in der schriftlichen Arbeit der Nachprüfung nach § 10 Abs. 4 APO-GOSt im Fach Mathematik am 27. und 28. August 2018 besser als mit der Note „mangelhaft“ zu bewerten sind.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Beschluss u. a. ausgeführt, dass die nach dem Erwartungshorizont des Fachlehrers zum Bestehen des schriftlichen Teils der Nachprüfung notwendigen 28 Punkte schon dann nicht erreicht sind, wenn ihre Rügen betreffend die Aufgaben 3b und 3d erfolglos bleiben. Dabei ist es – mit Ausnahme der irrtümlich doppelt berücksichtigten Punkte für die Aufgabe 1 und der Aufgaben 3b und 3d – von den von der Antragstellerin selbst vorgetragenen Annahmen ausgegangen und hat zu ihren Gunsten die aus ihrer Sicht angemessenen Punktzahlen je Aufgabe zugrunde gelegt (Seiten 4 f. des Beschlussabdrucks). Das erstinstanzliche Vorbringen zur Bewertung der Aufgabe 3d hat es als unsubstantiiert und nicht nachvollziehbar erachtet. Lediglich die Punktevergabe für die Aufgabe 3b hat das Verwaltungsgericht am Maßstab des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums gewürdigt und diese als rechtmäßig erachtet. Soweit der Prüfer nur 3 der möglichen 12 Punkte vergeben habe, habe dieser den falsch ermittelten Nullstellen ein erhebliches Gewicht beigemessen. Die Gewichtung eines Mangels liege ebenso wie die Würdigung der Qualität der Darstellung im Beurteilungsspielraum des Prüfers, dessen Grenzen hier nicht überschritten seien.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Dieser zuletzt genannten Wertung tritt die Antragstellerin mit der Beschwerde entgegen und macht ohne Erfolg sinngemäß geltend, das Verwaltungsgericht habe in Verkennung des gerichtlichen Prüfungsmaßstabes keine weitere Prüfung vorgenommen, ob die mathematische Lösung richtig oder falsch sei. Dieser Einwand ist bereits unsubstantiiert. Er entkräftet nicht die vom Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts dargestellte Rechtsprechung zu den Gegenständen des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums. Zu diesen zählt die Frage, mit welchem Gewicht festgestellte Defizite bei der Bewertung von Prüfungsleistungen zu berücksichtigen sind.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2018 ‑ 19 B 1380/18 ‑, juris, Rn. 5 m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Weshalb diese Rechtsprechung im konkreten Fall keine Anwendung finden könnte, legt die Antragstellerin nicht dar. Welche konkreten fachspezifischen Fragestellungen sich darüber hinaus bei den Aufgaben 3b oder 3d stellen könnten und inwieweit im schriftlichen Teil fachlich vertretbare Antworten der Antragstellerin vom Fachlehrer zu Unrecht als falsch, mängelbehaftet oder unvollständig bewertet worden sein sollen, lässt sich der Beschwerdebegründung ebenfalls nicht entnehmen. Hierzu genügt nicht die pauschale Behauptung, in Mathematikarbeiten ginge es lediglich um fachlich richtige oder unrichtige Lösungen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Da das Verwaltungsgericht zum Vorteil der Antragstellerin deren errechnete Punktzahlen zugrunde gelegt hat, kommt es nicht darauf an, ob diese von der Prüfereinschätzung abweichenden Bewertungen von ihr oder ihrem Vater stammen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Schließlich ergäbe sich selbst im Falle einer verfahrensfehlerhaften Vorgehensweise im Widerspruchsverfahren – für die vorliegend nichts spricht – kein Anspruch der Antragstellerin auf vorläufige Teilnahme am Unterricht der Jahrgangsstufe 11 oder gar auf Versetzung. Ein solcher ist allein davon abhängig, ob die Voraussetzungen für die Versetzung nach § 9 Abs. 4 Satz 1 oder Satz 3 APO-GOSt vorliegen oder jedenfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sind. Der diesbezügliche Beschwerdevortrag zur rechtzeitigen Vorlage des Widerspruchs bei der Bezirksregierung und dessen weitere Behandlung ist für die Entscheidung ohne rechtliche Relevanz.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).</p>
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171,199 | olgce-2018-12-28-2-ws-47218 | {
"id": 603,
"name": "Oberlandesgericht Celle",
"slug": "olgce",
"city": null,
"state": 11,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": null
} | 2 Ws 472/18 | 2018-12-28T00:00:00 | 2019-01-29T12:49:55 | 2019-02-12T13:44:20 | Beschluss | <div id="dokument" class="documentscroll">
<a name="focuspoint"><!--BeginnDoc--></a><div id="bsentscheidung"><div>
<h4 class="doc">Tenor</h4>
<div><div><dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unzulässig verworfen.</p></dd>
</dl></div></div>
<h4 class="doc">Gründe</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="text-align:center"><strong>I.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Die Anzeigeerstatterin betreibt eine Website, auf welcher deutsche und österreichische Verbraucher die Möglichkeit haben, über das Online-Portal einen Rahmenkredit zu erhalten. Der Beschuldigte registrierte sich am 02.05.2017 auf der Online-Plattform und schloss in der Folge einen Rahmenkreditvertrag über einen Kredit in Höhe von 1500,- € ab. Der Vertrag kam mit der D. K. P. AG zustande, während die Antragstellerin als Kreditvermittlerin aufgeführt wurde. Durch den Vertragsschluss verpflichtete sich der Beschuldigte zur monatlichen Rückzahlung eines Betrages von mindestens 3 % des in Anspruch genommenen Kreditrahmens. Die Antragstellerin zog die fälligen Raten für die Monate Juni 2017 und Juli 2017 vertragsgemäß im Wege der Lastschrift ein, jedoch widersprach der Beschuldigte den Lastschriften am 10.08.2017 und am 22.08.2017 gegenüber seiner Hausbank, woraufhin ihm die Beträge wieder gutgeschrieben wurden. Auf mehrfache Nachfrage der Antragstellerin nach dem Grund des Widerspruchs antwortete der Beschuldigte nicht. Auf Mahnungen reagierte er ebenfalls nicht, sodass die Antragstellerin das gerichtliche Mahnverfahren betrieb. Das auf die Strafanzeige der Antragstellerin wegen Betruges eingeleitete Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft Hannover am 10.08.2018 mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass allein der Umstand, dass der Beschuldigte seinen Verpflichtungen als Darlehensnehmer nicht nachgekommen ist, noch nicht den hinreichenden Tatverdacht des Betruges begründe. Etwaige weitere Anhaltspunkte, wie etwa ein bestehendes Insolvenzverfahren oder Vollstreckungstitel zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses hätten nicht vorgelegen. Die fristgerecht eingelegte Beschwerde hatte keinen Erfolg. Die Generalstaatsanwaltschaft Celle erließ am 13.11.2018 einen ablehnenden Bescheid. Gegen diesen richtet sich der fristgerecht eingereichte Antrag auf gerichtliche Entscheidung.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="text-align:center"><strong>II.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Der nach § 172 Abs. 2 StPO statthafte Antrag auf gerichtliche Entscheidung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Gemäß § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO muss ein Klageerzwingungsantrag die Tatsachen, die die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die sie belegenden Beweismittel angeben. Dazu bedarf es einer in sich geschlossenen und aus sich heraus verständlichen Darstellung des Sachverhalts, aus dem sich der gegen die Beschuldigten erhobene strafrechtlich relevante Tatvorwurf ergibt und der bei Unterstellung hinreichenden Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage in materieller und formeller Hinsicht rechtfertigen würde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2016, 2 BvR 2040/15). Dabei ist auch die Verletzteneigenschaft, sofern sie nicht ohne weiteres ersichtlich ist, zu begründen (OLG Bamberg NStZ-RR 2012, 248; OLG Stuttgart Justiz 2004, 213; <em>Meyer-Goßner/Schmitt</em>, StPO, 61. Auflage, 2018, § 172, Rn. 27c).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Diesen Anforderungen wird der vorliegende Antrag nicht gerecht.Verletzter ist, wer durch die Straftat bei Unterstellung ihrer tatsächlichen Begehung unmittelbar in seinen Rechten, Rechtsgütern oder rechtlich anerkannten Interessen beeinträchtigt ist (OLG Celle, Beschluss vom 01.02.2008, 1 Ws 32/08; vgl. <em>Meyer/Goßner/Schmitt</em>, § 172, Rn. 9;<em> Karlsruher Kommentar zur StPO</em>, 7. Auflage, 2013, Moldenhauer, § 172, Rn. 19). Beim Tatbestand des Betruges kann neben dem an seinem Vermögen Geschädigten oder Gefährdeten auch der bloß Getäuschte als Verletzter anzusehen sein (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 01.02.2008, 1 Ws 32/08; <em>Karlsruher Kommentar - </em>Moldenhauer, StPO, 7. Aufl., § 172, Rn. 27), wenn ihm wegen der schädigenden Vermögensdispositionen eine Ersatzforderung droht (Löwe/Rosenberg<em> - </em>Graalmann-Scheerer, Kommentar zur StPO, 27. Auflage, 2018, § 172, Rn. 91). Denn Rechtsgut des Tatbestandes ist das Vermögen, die Dispositionsfreiheit des Vermögensinhabers nur insoweit, als sie ihrerseits einen geldwerten Vermögensanteil beinhaltet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16.06.2016, 1 StR 20/16 und vom 08.10.2014, 1 StR 359/13; BGH NJW 1983, 1917; <em>Fischer</em>, StGB, 66. Auflage, 2019, § 263, Rn. 3). An entsprechendem Vortrag fehlt es vorliegend. Ausweislich des in der Antragsschrift zitierten Kreditvertrages kam dieser zwischen dem Beschuldigten und der D. K. P. AG und damit nicht mit der Antragstellerin zustande. Die Antragstellerin, die Getäuschte, wirkte lediglich als Kreditvermittlerin. Durch die ausbleibende Rückzahlung des Darlehens wurde folglich die D. K. P. AG in ihrem Vermögen geschädigt. Zu einem bei der Antragstellerin eingetretenen oder drohenden Vermögensschaden, etwa aufgrund von vertraglichen Verpflichtungen mit der Bank, erfolgt jedoch kein konkreter Vortrag. Die Ausführungen in der Antragsschrift beschränken sich lediglich auf die pauschale Behauptung, dass der Antragstellerin nach der Kündigung des Darlehens ein Vermögensschaden in Höhe des Auszahlungsbetrages entstanden sei.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs.4 StPO).</p></dd>
</dl>
</div></div>
</div></div>
<a name="DocInhaltEnde"><!--emptyTag--></a><div class="docLayoutText">
<p style="margin-top:24px"> </p>
<hr style="width:50%;text-align:center;height:1px;">
<p><img alt="Abkürzung Fundstelle" src="/jportal/cms/technik/media/res/shared/icons/icon_doku-info.gif" title="Wenn Sie den Link markieren (linke Maustaste gedrückt halten) können Sie den Link mit der rechten Maustaste kopieren und in den Browser oder in Ihre Favoriten als Lesezeichen einfügen." onmouseover="Tip('<span class="contentOL">Wenn Sie den Link markieren (linke Maustaste gedrückt halten) können Sie den Link mit der rechten Maustaste kopieren und in den Browser oder in Ihre Favoriten als Lesezeichen einfügen.</span>', WIDTH, -300, CENTERMOUSE, true, ABOVE, true );" onmouseout="UnTip()"> Diesen Link können Sie kopieren und verwenden, wenn Sie <span style="font-weight:bold;">genau dieses Dokument</span> verlinken möchten:<br>http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid=KORE202412019&psml=bsndprod.psml&max=true</p>
</div>
</div>
|
|
171,144 | lsgsh-2018-12-28-l-6-as-19118-b-pkh | {
"id": 1068,
"name": "Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht",
"slug": "lsgsh",
"city": null,
"state": 17,
"jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit",
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} | L 6 AS 191/18 B PKH | 2018-12-28T00:00:00 | 2019-01-29T12:49:26 | 2019-02-12T13:44:11 | Beschluss | <div class="docLayoutText">
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tenor<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 5. September 2018 wird verworfen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Gründe:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Gründe<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>I.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die am 3. Juli 2017 von der zwischenzeitlich am ... 2018 verstorbenen Klägerin beantragte und vom Sozialgericht  Kiel abgelehnte Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren S 43 AS 445/17, mit der die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 23 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) verfolgt hatte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Das Sozialgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit folgender Begründung abgelehnt: Der PKH-Antrag sei mit dem Tod der Klägerin gegenstandslos geworden. Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe dürfe nach dem Tod des jeweiligen Antragstellers nicht mehr erfolgen. Es sei nicht Zweck der Prozesskostenhilfe, dem die Partei vertretenden Anwalt einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen. Maßgeblich sei stets, ob der PKH-Antragsteller der Hilfe aktuell noch bedürfe. Jedenfalls sei der PKH-Antrag aber zu Lebzeiten der Klägerin auch nicht entscheidungsreif gewesen, weil angeforderte Kontoauszüge noch nicht eingereicht worden seien.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Mit der Beschwerde macht der Prozessbevollmächtigte der Klägerin geltend, dass nach der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts ein zu Lebzeiten gestellter PKH-Antrag nicht allein deshalb abzulehnen sei, weil der Antragsteller verstorben sei (LSG Schleswig, Beschluss vom 17. Februar 2010 – L 9 B 28/09 SO PKH). Vielmehr komme die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ausnahmsweise auch nach dem Tod des Antragstellers in Betracht, wenn bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang Prozesskostenhilfe noch zu Lebzeiten hätte bewilligt werden können. So liege der Fall hier, weil die Klägerin ihre Bedürftigkeit bereits mit Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 27. Juni 2017 glaubhaft gemacht habe.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>II.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Die form- und fristgerecht erhobene (vgl. § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) Beschwerde ist unstatthaft und damit als unzulässig zu verwerfen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 lit. a SGG ist die Beschwerde ausgeschlossen gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Ob die Ablehnungsentscheidung die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe betrifft, ist systematisch anhand der in § 114 Satz 1 ZPO geregelten Grundvoraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu bestimmen. Danach sind die Voraussetzungen des Ausschlussgrundes des § 172 Abs. 3 Nr. 2 lit. a SGB II dann erfüllt, wenn die Ablehnung nicht aus Gründen fehlender hinreichender Erfolgsaussichten oder wegen der Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung erfolgt (vgl. Karl in: jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 172 Rn. 171 ff.). Daran gemessen ist hier die Beschwerde ausgeschlossen. Das Sozialgericht hat seine Ablehnungsentscheidung allein damit begründet, dass die Klägerin aufgrund ihres Todes der Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht mehr bedürfe; die Ablehnungsentscheidung erging damit auch im Wortsinn wegen der persönlichen Voraussetzungen ohne Rücksicht auf möglicherweise (bis dahin) bestehende Erfolgsaussichten oder die Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Damit kann dahinstehen, ob die Beschwerde auch deshalb unstatthaft ist, weil der Beschwerdewert nicht erreicht ist, da in der Hauptsache eine Berufung der Zulassung bedürfte (§ 172 Abs. 3 Nr. 2 lit. b SGB II). Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass ein Mehrbedarf kein selbständiger Streitgegenstand sein kann und deshalb die Ablehnung seiner Berücksichtigung durch Bescheid jeweils – im Sinne der Ablehnung einer Änderungsentscheidung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) – in Beziehung zu setzen ist zur aktuellen Bewilligungsentscheidung über Arbeitslosengeld II (vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 – B 14 AS 146/10 R – BSGE 108, 235 = SozR 4-4200 § 20 Nr 13, juris Rn. 14 ff.). Daran gemessen aber dürfte angesichts des bei Antragstellung noch bis Februar 2017 laufenden Bewilligungszeitraums und der Geltendmachung des Mehrbedarfs nach § 23 Nr. 4 SGB II erst ab September 2016 die Wertgrenze des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II von 750,00 EUR deutlich unterschritten sein.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Die Beschwerde wäre überdies auch unbegründet, weil das Sozialgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Prozesskostenhilfe angesichts der vom Sozialgericht am 22. Dezember 2017 und damit noch vor dem Tod verfügten Beibringung aktueller Kontoauszüge noch nicht bewilligungsreif war (zur Bewilligungsreife vgl. den Senatsbeschluss vom 5. Mai 2014 – L 6 AS 269/13 B PKH – juris Rn. 11), während die Klägerin im Zeitpunkt der Bewilligungsreife am 3. April 2018 (Eingang der Kontoauszüge) bereits verstorben war.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Auch in der Sache dürfte die Rechtsverfolgung keine hinreichenden Erfolgsaussichten gehabt haben. Der Mehrbedarf nach § 23 Nr. 4 SGB II kann allein Sozialgeldberechtigten zustehen, also nicht erwerbsfähigen Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person, die der Klägerin im Falle ihrer Erwerbsunfähigkeit den Zugang zu SGB-II-Leistungen hätte vermitteln können ist aber jedoch nicht ersichtlich weshalb nicht hinreichend wahrscheinlich ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Berücksichtigung des Mehrbedarfs gegen den Beklagten überhaupt hätte bestehen können. Die Zuständigkeit für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (untere Berücksichtigung des Mehrbedarfs, vgl. § 30 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch [SGB XII]) hätte daher allenfalls beim örtlichen Träger der Sozialhilfe gelegen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Außergerichtliche Kosten sind im Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).</p></dd>
</dl>
</div></div>
<br>
</div>
|
|
142,304 | ovgnrw-2018-12-28-6-b-166118 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 6 B 1661/18 | 2018-12-28T00:00:00 | 2019-01-08T23:47:00 | 2019-02-12T13:10:40 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2018:1228.6B1661.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>
<p>Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.</p>
<p>Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf bis 35.000 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e :</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">den Antragsgegner zu verpflichten, ihm seine vollen Dienstbezüge auszuzahlen, bis über seine Klage vom 18. Juli 2018 vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg - 2 K 3145/18 - gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. Juli 2018 rechtskräftig entschieden worden ist,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">abgelehnt. Es hat zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, der Antragsteller habe die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht. Dem Anspruch auf volle Besoldung nach Erlass des Zurruhesetzungsbescheides stehe § 34 Abs. 3 Satz 1 LBG NRW entgegen. Danach werde ab dem Zeitpunkt des Beginns des Ruhestands wegen Dienstunfähigkeit mit dem Ende des Monats, in welchem dem Beamten oder dessen Vertreter die Verfügung zugestellt worden sei, die das voraussichtliche Ruhegehalt übersteigende Besoldung einbehalten. Die Vorschrift gelte unabhängig von der Frage, ob die Zurruhesetzung des Beamten, die Voraussetzung des teilweisen Einbehaltens der Bezüge sei, rechtmäßig erfolgt sei. Sinn dieser Regelung sei es, dem Beamten die Möglichkeit zu nehmen, durch die Erhebung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Versetzung in den Ruhestand einen wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen, der ihn erst zu der Ergreifung von Rechtsbehelfen ermutige. Einstweiliger Rechtsschutz nach § 123 VwGO sei jedoch dann ausnahmsweise zu gewähren, wenn die Zurruhesetzungsverfügung ersichtlich rechtsmissbräuchlich erfolgt sei und nur dem Zweck diene, die Rechtsfolge der Besoldungskürzung eintreten zu lassen, oder wenn die Annahme der Dienstunfähigkeit aus der Luft gegriffen bzw. offensichtlich rechtswidrig erscheine. An die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs seien insoweit hohe Anforderungen zu stellen. Die streitbefangene Zurruhesetzung sei weder ersichtlich rechtsmissbräuchlich noch aus der Luft gegriffen bzw. noch offensichtlich rechtswidrig. Sie sei nicht völlig haltlos, sondern seitens des Antragsgegners begründet worden. Die Schlussfolgerung des Antragsgegners, dass eine dauernde psychische Erkrankung des Antragstellers vorliege, dränge sich zur Überzeugung der Kammer aufgrund des langen Zeitraums von rund vier Jahren der Arbeitsunfähigkeit auf. Dass der Antragsgegner hierbei auch nicht nur den Zweck verfolgt habe, die Besoldungskürzung eintreten zu lassen, ergebe sich bereits aus den umfangreichen Gründen des streitbefangenen Bescheids.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Zurruhesetzung sei auch nicht offensichtlich rechtswidrig. Anhaltspunkte für eine Willkür des Antragsgegners seien nicht ersichtlich. Die Verfügung sei insbesondere auch nicht deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil der Wortlaut des § 34 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW die Einholung eines amtlichen Gutachtens der unteren Gesundheitsbehörde fordere, der Antragsteller jedoch nicht fachpsychiatrisch begutachtet worden sei. Ein ärztliches Gutachten sei nur im Regelfall erforderlich. Auch ohne Vorliegen eines amtlichen Gutachtens könne es ausreichen, dass im Verfahren eine sorgfältige Aufklärung des Sachverhalts erfolgt sei. Dafür, dass der Antragsgegner seine Entscheidung auf die amtsärztliche Untersuchung des Antragstellers mit fachpsychiatrischer Begutachtung vom 12. November 2015 habe stützen dürfen, spreche, dass nach dem Vortrag des Antragstellers seine Dienstunfähigkeit bis zum Zeitpunkt der Zurruhesetzung auf dem Vorfall vom 24. Juni 2014 beruht habe. Darüber hinaus bestünden erhebliche Bedenken, ob der Antragsteller seiner sich aus § 33 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW ergebenden Pflicht nachgekommen sei, sich bei Zweifeln über seine Dienstunfähigkeit durch einen Arzt der unteren Gesundheitsbehörde untersuchen zu lassen. Vielmehr sei anzunehmen, dass er sich für den Zeitraum ab Oktober 2017 so behandeln lassen müsse, als habe er sich ausdrücklich geweigert, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen. Denn er habe drei der insgesamt vier anberaumten Termine zur fachpsychiatrischen Zusatzbegutachtung jeweils kurzfristig unter Berufung auf eine Arbeitsunfähigkeit abgesagt. In einem Fall habe er die Einladung zum Termin unbeantwortet gelassen, was in besonderem Maße seine fehlende Kooperationsbereitschaft zum Ausdruck bringe. Dabei falle auf, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von wechselnden Ärzten ausgestellt worden und die Absagen stets in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den Untersuchungsterminen erfolgt seien. Selbst wenn der Antragsteller zu den jeweiligen Zeitpunkten tatsächlich arbeitsunfähig gewesen sein sollte, ergebe sich daraus nicht zwingend, dass ihm ein Erscheinen zu der fachpsychiatrischen Zusatzbegutachtung schlichtweg unzumutbar gewesen sei. Für die Möglichkeit der Teilnahme an den Terminen am 13. April 2018 und am 27. April 2018 spreche, dass er ausweislich der Atteste nur drei bzw. zwei Tage arbeitsunfähig gewesen sein solle und eine schwerwiegende Erkrankung aufgrund dieser begrenzten Dauer jedenfalls auszuschließen sei. Sollte es dem Antragsteller tatsächlich an sämtlichen Untersuchungsterminen aus gesundheitlichen Gründen unmöglich gewesen sein, die fachpsychiatrische Zusatzbegutachtung durchführen zu lassen, so würde dies umgekehrt für die Annahme seiner Dienstunfähigkeit sprechen. Auch aufgrund seines sonstigen Verhaltens seien erhebliche Zweifel an der Bereitschaft des Antragstellers begründet, seiner Pflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW nachzukommen. Denn er habe sich in der Vergangenheit gegenüber dem Antragsgegner wenig kooperativ gezeigt. So sei dem Antragsteller etwa eine funktionsgleiche Stelle in Meschede angeboten worden, die er jedoch aus - nicht näher beschriebenen - familiären Gründen abgelehnt habe. Auf die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes komme es somit nicht an.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Diesen Erwägungen setzt die Beschwerde nichts Durchgreifendes entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Einem Anspruch des Antragstellers auf Fortzahlung seiner Dienstbezüge steht § 34 Abs. 3 LBG NRW entgegen. Danach werden die Dienstbezüge einbehalten, die das Ruhegehalt übersteigen, wenn der Beamte nach der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit wegen eines eingelegten Rechtsmittels Anspruch auf Besoldung behält (Satz 1). Hat die Entscheidung über die Zurruhesetzung keinen Bestand, sind die einbehaltenen Beträge nachzuzahlen (Satz 2). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, gilt diese Vorschrift unabhängig davon, ob die Versetzung in den Ruhestand rechtmäßig ist. Sie setzt nur die Existenz einer solchen Entscheidung, nicht aber die Dienstunfähigkeit selbst voraus. Den Nachteil, dass dem Beamten der ggf. nach Aufhebung der Zurruhesetzung nachzuzahlende Betrag nicht zeitgerecht zur Verfügung steht, mutet das Gesetz ihm grundsätzlich zu. Sinn dieser Regelung ist es, dem Beamten die Möglichkeit zu nehmen, durch die Erhebung von Rechtsmitteln gegen die Versetzung in den Ruhestand einen wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen, der ihn erst zur Ergreifung von Rechtsbehelfen ermutigt. Es kann offen bleiben, ob die Rechtsfolge der Einbehaltung der Bezüge mit Blick auf den Wortlaut der Vorschrift zwingend in jedem Fall eintritt oder - wie das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit anderer Judikatur zugrunde gelegt hat - ob eine Ausnahme aus Gründen des Art. 19 Abs. 4 GG dann anzunehmen ist, wenn die Zurruhesetzung ersichtlich rechtsmissbräuchlich ist oder nur dem Zweck dient, die Rechtsfolge der Besoldungskürzung eintreten zu lassen, oder wenn sie offensichtlich rechtswidrig ist, etwa weil die Annahme der Dienstunfähigkeit aus der Luft gegriffen erscheint.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2017 - 6 B 1401/17 -, juris Rn. 3 ff. m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Denn die Voraussetzungen des danach nur ausnahmsweise vorliegenden Anordnungsanspruchs, an den hohe Anforderungen zu stellen sind, hat der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren nicht glaubhaft gemacht. Die Beschwerde macht nicht erkennbar, inwieweit sich die Rechtsmissbräuchlichkeit der Versetzung in den Ruhestand aus dem Umstand ergeben soll, dass noch am 8. Juni 2018 mit dem Antragsteller ein als Perspektivgespräch angekündigtes Dienstgespräch geführt worden ist. Gründe für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit sind dem Beschwerdevorbringen ebenfalls nicht zu entnehmen. Die Frage, ob der Antragsteller tatsächlich dienstunfähig ist, ist eine solche der - ggfs. näher aufzuklärenden - Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzungsverfügung; für das Vorliegen der Dienstunfähigkeit und damit gegen eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Verfügung spricht dabei bereits die erhebliche Dauer der Ausfallzeiten des Antragstellers von über vier Jahren. Ebenfalls nicht auf die Annahme offensichtlicher Rechtswidrigkeit führt der weitere Beschwerdevortrag, der Antragsgegner habe sich nicht auf die amtsärztliche Untersuchung vom 12. November 2015 stützen dürfen; der Antragsteller sei tatsächlich nicht in der Lage gewesen, an den festgesetzten Untersuchungsterminen teilzunehmen, wofür er eine weitere ärztliche Bescheinigung vorlegt; und seine Kooperationsbereitschaft stelle es nicht in Frage, dass er einen Einsatz in N.        abgelehnt habe, denn für die Fahrt dorthin hätte er pro Strecke mindestens 10 Minuten länger benötigt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG nach den Grundsätzen zum sogenannten Teilstatus.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).</p>
|
125,191 | ag-hannover-2018-12-28-908-in-53818 | {
"id": 521,
"name": "Amtsgericht Hannover",
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"city": 325,
"state": 11,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 908 IN 538/18 | 2018-12-28T00:00:00 | 2019-01-04T14:23:02 | 2019-01-17T11:45:59 | Beschluss | <div id="dokument" class="documentscroll">
<a name="focuspoint"><!--BeginnDoc--></a><div id="bsentscheidung"><div>
<h4 class="doc">Tenor</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Gegenstandswert wird festgesetzt auf 7.213,00 EUR.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
</div></div>
<h4 class="doc">Gründe</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>I. Durch zulässigen Antrag vom 17.09.2018 hat die Antragstellerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin beantragt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Die Forderung ist beglichen worden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Die Antragstellerin hat die Erledigung der Hauptsache erklärt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Die Antragsgegnerin hat nach Hinweis entsprechend § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO keine Erklärung abgegeben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>II. Das Gericht hat gemäß § 91a ZPO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>1. Die Erfüllung der Antragsforderung stellt zwar seit der Änderung des § 14 kein erledigendes Ereignis mehr dar (vgl. dazu Uhlenbruck/Wegener, InsO, 15. Aufl. 2019, § 14 Rz. 170). Die Antragstellerin hatte allerdings ihr ursprüngliches Antragsziel mit der Erledigungserklärung aufgegeben. Ihr Begehren richtet sich nicht mehr auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern nur noch darauf festzustellen, dass sich der ursprüngliche Eröffnungsantrag nunmehr erledigt hat. Schließt sich der Schuldner der Erledigungserklärung an, ist damit der Eröffnungsantrag nicht mehr anhängig (so zutreffend Uhlenbruck/Wegener, InsO, 15. Aufl. 2019, § 14 Rz. 173). Es ist dann unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen nur noch von Amts wegen über die <em>Kosten</em> zu entscheiden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen hat das Gericht das Vorliegen eines erledigenden Ereignisses nicht nachzuprüfen (so zutreffend FK/Schmerbach, InsO, 9. Aufl. 2018, § 13 Rz. 284; HambKomm/<em>Linker</em>, InsO, 7. Aufl. 2017, § 14 Rz. 71; <em>Foerste</em>, ZInsO 2017. 1263,1264). Im Rahmen der Kostenentscheidung prüft das Gericht, ob der Antrag ursprünglich bis zum erledigenden Ereignis zulässig war. Nicht zu prüfen hat das Gericht, ob der Antrag auch begründet war, da es auf den Sach- und Streitstand im Eröffnungsverfahren ankommt (ebenso FK/Schmerbach, InsO, 9. Aufl. 2018, § 13 Rz. 284 mwN).</p></dd>
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<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>2. Vorliegend war der von der Antragstellerin gestellte Antrag ursprünglich zulässig. Die Antragstellerin hat sowohl den Insolvenzgrund als auch ihre Forderung hinreichend glaubhaft gemacht.</p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Entgegen einer in der Rechtsprechung vorwiegend vertretenen Ansicht (LG Ulm, Beschl. v. 15.10.2018 – 2 T 21/18, ZInsO 2018, 2657, 2658; LG Köln, Beschl. v. 05.03.2018 – 1 T 5/18, ZInsO 2018, 889, 890; LG Köln, Beschl. v. 24.08.2016 – 13 T 87/16, ZInsO 2016, 1997, 1998; bei einem fortgeführten Geschäftsbetrieb AG Köln, Beschl. v. 20.10.2017 – 85 IN 309/17, ZInsO 2017, 2702; AG Köln, Beschl. v. 02.02.2018 – 73 IN 210/17, ZInsO 2018, 1635; AG Köln, Beschl. v. 20.02.2018 – 73 IN 237/17, ZInsO 2018, 1689) handelt es sich auch nicht um einen unzulässigen Druckantrag, wenn die Antragstellerin nicht von der Möglichkeit gebraucht macht, dass Verfahren trotz Zahlung der dem Antrag zugrundeliegenden Forderung fortzusetzen.</p></dd>
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<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>a) Gemäß § 14 Abs. 1 InsO ist der Antrag eines Gläubigers nur zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat. Das Tatbestandsmerkmal "rechtliches Interesse" ist eingefügt worden, um sicherzustellen, dass nur solche Gläubiger Anträge stellen, die im Falle der Eröffnung als Insolvenzgläubiger am Verfahren beteiligt wären, und um missbräuchlichen Anträgen vorzubeugen, die etwa zu dem Zweck gestellt werden, Zahlungen solventer, aber zahlungsunwilliger Schuldner zu erzwingen. In aller Regel wird einem Gläubiger, dem eine Forderung zusteht und der einen Eröffnungsgrund glaubhaft macht, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon wegen des staatlichen Vollstreckungsmonopols nicht abgesprochen werden können (BGH, Beschl. v. 29.06.2006 – IX ZB 245/05, ZInsO 2006, 824 Rz. 7)</p></dd>
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<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>b) Ein Teil der Rechtsprechung geht davon aus, dass es ein gewichtiges Indiz für einen unzulässigen Druckantrag sei, wenn der Gläubiger unmittelbar nach vollständiger Befriedigung das Verfahren für erledigt erklärt, obwohl der Antrag durch die Forderungserfüllung nicht unzulässig geworden ist (so LG Ulm, Beschl. v. 15.10.2018 – 2 T 21/18, ZInsO 2018, 2657, 2658; LG Köln, Beschl. v. 05.03.2018 – 1 T 5/18, ZInsO 2018, 889, 890; LG Köln, Beschl. v. 24.08.2016 – 13 T 87/16, ZInsO 2016, 1997, 1998; AG Köln, Beschl. v. 02.02.2018 – 73 IN 210/17, ZInsO 2018, 1635; AG Köln, Beschl. v. 20.02.2018 – 73 IN 237/17, ZInsO 2018, 1689)</p></dd>
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<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>c) Entgegen dieser Auffassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Nichtfortführung des Antrags trotz Zahlung einen Druckantrag indiziert (ebenso AG Leipzig, Beschl. v. 5. 9. 2017 - 403 IN 1109/17, ZInsO 2017, 2704, 2706; AG Göttingen, Beschl. v. 09.01.2018 – 74 IN 210/17, ZInsO 2018, 396, 397).</p></dd>
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<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Wie <em>Schädlich</em> (NZI 2017, 849, 850) zutreffend herausgestellt hat, handelt der Gläubiger nicht verwerflich, wenn er mit dem Insolvenzantrag das Ziel verbindet, seine Forderung gegen den Schuldner durchzusetzen (ebenso <em>Foerste</em>, ZInsO 2017, 1263, 1264 ff.). Es ist grundsätzlich jedem Gläubigerhandeln immanent, dass der Gläubiger eine Befriedigung seiner Forderung anstreben. Nur in den seltensten Fällen wird es den Gläubigern nicht um die Befriedigung der eigenen Forderung, sondern um die Abwicklung des Schuldnerunternehmens gehen. Wählt der Gläubiger zum Zwecke der Durchsetzung seiner Forderung in zulässiger Weise das Mittel der Gesamtvollstreckung, unterwirft er sich lediglich den Bedingungen der gemeinsamen Gläubigerbefriedigung gemäß den Regeln der Insolvenzordnung. Einen weitergehenden Zweck verfolgt er nicht. Erhält er eine Befriedigung seiner Forderung, fällt für ihn grundsätzlich das Interesse an einem Insolvenzverfahren weg. Er ist dann nicht gehindert, den Eröffnungsantrag nicht weiter zu verfolgen. Er muss allerdings damit rechnen, dass die Befriedigung der Forderung ggfs. im Wege der Anfechtung rückabgewickelt wird.</p></dd>
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<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Unzutreffend ist insbesondere die Prämisse des <em>AG Köln</em>, dass ein Druckantrag nur bei einem fortgeführten Geschäftsbetrieb, nicht hingegen bei einem eingestellten Geschäftsbetrieb vorliegen soll. Diese Kriterien sind für die Motivation, den Antrag zu stellen, in der Regel nicht maßgeblich, da den Sozialversicherungsträgern bei der Antragstellung zumeist nicht bekannt ist, ob der Geschäftsbetrieb bereits eingestellt ist. Die Sozialversicherungsträger verfolgen mit ihren Anträgen zwei Ziele, nämlich die Verhinderung weiterer auflaufender Forderungen und die zumindest teilweise Realisierung der rückständigen Beiträge. Wird nun gezahlt, ist das Ziel der Realisierung der Beiträge eingetreten. Wie sich in einer Vielzahl von Verfahren beim Amtsgericht Hannover gezeigt hat, verbleibt es bei diesem einmalig gestellten Insolvenzantrag. Nur in den wenigsten Fällen kommt es so sogenannten Stapelanträgen. Insoweit haben die Sozialversicherungsträger kein zwangsläufiges Interesse, sämtliche Unternehmen, die mehr als sechs Monate die Sozialversicherungsabgaben nicht gezahlt haben, vom Markt zu verdrängen.</p></dd>
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<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>Der Gesetzgeber hat es im Rahmen des § 14 InsO versäumt, bei einer Erfüllung der Forderung die Norm dahin auszugestalten, dass eine Erledigungserklärung nicht mehr möglich ist. Vielmehr hat er dadurch, dass der Antrag nicht mehr unzulässig wird, dem Gläubiger lediglich die Möglichkeit verschafft, das Verfahren fortzusetzen. Ein Fortsetzungszwang sollte nicht normiert werden (so auch <em>Schädlich</em>, NZI 2017, 849, 850; Foerste. ZInsO 2017, 1263, 1264; ähnlich KPB/<em>Pape</em>, InsO, § 13 Rz. 244a). Der Gesetzgeber hätte bei der Neufassung des § 14 InsO die Möglichkeit gehabt, die Sozialversicherungsträger zur Fortsetzung des Verfahrens zu zwingen, wenn der Geschäftsbetrieb nicht eingestellt wurde. Da er darauf verzichtet hat, kann diese Verpflichtung nicht über die Kostenentscheidungen durch die Gerichte eingeführt werden.</p></dd>
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<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>III. Die Entscheidung hinsichtlich des Gegenstandswertes beruht auf § 58 GKG. Sie richtet sich nach der Höhe der dem Antrag zugrundeliegenden Forderung.</p></dd>
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<dd>
<p>Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. Mai 2018 wird als unzulässig verworfen.</p>
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<p>Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.</p>
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<h2>Gründe</h2>
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<a name="rd_1">1</a>
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<p>I. Der Kläger wendet sich gegen die Anrechnung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung auf das Blindengeld nach dem Gesetz über das Landesblindengeld für Zivilblinde in Niedersachsen <em>(idF vom 18.1.1993 - Nds GVBl 1993, 25, </em>
<em>NBlGG)</em>.</p>
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<a name="rd_2">2</a>
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<p>Der 1936 geborene Kläger bezog bis zum 31.12.2016 Pflegegeld nach der Pflegestufe 2 in Höhe von 458 Euro monatlich, seit dem 1.1.2017 nach dem Pflegegrad 3 in Höhe von monatlich 545 Euro.</p>
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<a name="rd_3">3</a>
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<p>Unter dem 21.11.2016 beantragte der Kläger die Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" und die Gewährung von Landesblindengeld. Der Beklagte lehnte den Antrag zunächst ab, half dem Widerspruch des Klägers dann aber ab. Er stellte beim Kläger ab dem 27.1.2017 das Merkzeichen "Bl" fest <em>(Bescheid vom 29.3.2017)</em> und bewilligte ihm Landesblindengeld in Höhe von 375 Euro. Auf den Zahlbetrag rechnete der Beklagte aber Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach dem SGB XI in Höhe von 165 Euro monatlich an <em>(Bescheid vom 11.4.2017)</em>.</p>
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<a name="rd_4">4</a>
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<p>Die gegen die Anrechnung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung auf das Landesblindengeld gerichtete Klage und die anschließende Berufung sind erfolglos geblieben <em>(SG-Urteil vom 14.2.2018; LSG-Beschluss vom 28.5.2018)</em>. Das LSG hat ausgeführt, bei der Anrechnung handele es sich um eine gebundene Entscheidung, die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei.</p>
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<a name="rd_5">5</a>
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<p>Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG habe insbesondere die grundsätzliche Bedeutung der Frage verkannt, ob die Anrechnung von Leistungen bei häuslicher Pflege auf das Landesblindengeld in Niedersachsen verfassungswidrig sei.</p>
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<a name="rd_6">6</a>
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<p>II. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die allein behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist <em>(vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG)</em>.</p>
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<a name="rd_7">7</a>
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<p>Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Eine solche grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hat die Beschwerde bereits deshalb nicht dargelegt, weil sie mit § 3 Abs 2 S 1 NBlGG keine revisible Rechtsnorm bezeichnet hat, deren Auslegung durch das BSG grundsätzlich geklärt werden könnte. Nach § 162 SGG kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Das NBlGG gilt dagegen nur in Niedersachsen und damit ausschließlich im Bezirk des niedersächsischen LSG.</p>
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<p>Zwar hat das BSG Revisibilität von Landesrecht auch angenommen, wenn inhaltsgleiche Vorschriften verschiedener Länder in den Bezirken verschiedener LSG gelten und die Übereinstimmung nicht nur zufällig, sondern im Interesse der Rechtsvereinheitlichung bewusst und gewollt ist <em>(Senatsurteil vom 11.8.2015 - B 9 BL 1/14 R - BSGE 119, 224 = SozR 4-5921 Art 1 Nr 3, RdNr 12 mwN)</em>. Indes hätte die Beschwerde dafür substantiiert darlegen müssen, dass mehrere Bundesländer in ihren Landesblindengeldgesetzen inhaltsgleiche Regelungen zu der von ihr allein bezeichneten Vorschrift des § 3 Abs 2 S 1 Nr 2 NBlGG getroffen und die jeweiligen Landesgesetzgeber diese Übereinstimmung bewusst und gewollt zum Zwecke der Rechtsvereinheitlichung herbeigeführt haben <em>(vgl BSG Beschluss vom 10.9.2003 - B 7 SF 1/03 B - Juris RdNr 6)</em>. Solche Darlegungen enthält die Beschwerde nicht; sie befasst sich allein mit dem niedersächsischen Landesrecht. Eine revisible Rechtsnorm bezeichnet sie damit nicht.</p>
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<p>Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab <em>(vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG)</em>.</p>
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<a name="rd_10">10</a>
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<p>2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen <em>(§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG)</em>.</p>
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<a name="rd_11">11</a>
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<p>3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.</p>
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<p>Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Juni 2017 wird als unzulässig verworfen.</p>
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<p>Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Beschwerdeverfahren.</p>
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<h2>Gründe</h2>
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<p>I. Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld für ihre im Dezember 2010 geborene Tochter.</p>
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<p>Die Klägerin ist mexikanische Staatsangehörige und verfügt über eine Niederlassungserlaubnis nach § 9 Aufenthaltsgesetz. In den zwölf Monaten vor dem Geburtsmonat ihrer Tochter arbeitete sie als Ortskraft im mexikanischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main für ein monatliches Bruttogehalt von 2125,95 Euro.</p>
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<p>Der Beklagte gewährte der Klägerin auf ihren Antrag lediglich Mindestelterngeld, weil sie aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und Mexiko nur steuerfreies Gehalt bezogen habe <em>(Bescheid vom 30.3.2011, Widerspruchsbescheid vom 28.6.2011)</em>.</p>
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<p>Im von ihr angestrengten Klageverfahren teilte die Klägerin mit, ihre Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit seien nicht versteuert worden. Sie seien auch in ihrer Steuererklärung als steuerfreie Einkünfte deklariert und vom Finanzamt als solche anerkannt worden. Das SG hat die Klage abgewiesen. Nach der ab 1.1.2011 anwendbaren Gesetzesfassung seien nur im Inland zu versteuernde Einkünfte beim Elterngeld zu berücksichtigen (<em>Gerichtsbescheid vom 14.4.2015</em>).</p>
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<p>Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG den Beklagten verurteilt, der Klägerin Elterngeld unter Berücksichtigung ihrer Einkünfte aus ihrer nichtselbstständigen Tätigkeit beim mexikanischen Generalkonsulat zu gewähren. Tatsächlich hätten die Einkünfte der Klägerin versteuert werden müssen, wie sich aus dem maßgeblichen materiellen Einkommensteuerrecht ergebe. Entscheidend sei die materielle Steuerpflicht, nicht die Handhabung des Steuerrechts durch die Steuerbehörden <em>(Urteil vom 19.6.2017)</em>.</p>
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<a name="rd_6">6</a>
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<p>Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Beklagte Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt.</p>
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<p>II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist <em>(vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG)</em>.</p>
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<p>1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen <em>(zum Ganzen Senatsbeschluss vom 25.10.2016 - B 10 ÜG 24/16 B - Juris RdNr 7 mwN)</em>.</p>
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<p>Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und die Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Um die Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher ua mit Wortlaut, Kontext und ggf der Entstehungsgeschichte des fraglichen Gesetzes sowie der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzen <em>(Senatsbeschluss vom 21.8.2017 - B 9 SB 11/17 B - Juris RdNr 8 mwN</em>).</p>
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<table class="Rsp">
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<th colspan="2" rowspan="1" valign="top"/>
</tr>
<tr>
<td colspan="2" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:justify">Diese Anforderungen verfehlt die Beschwerde.<br/>Sie hält die Frage für klärungsbedürftig,</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">        </td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:justify">ob bei der Anwendung des § 2 Abs 1 S 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) in der bis 31.12.2010 und ab 1.1.2011 geltenden Fassung sowie des § 2 Abs 1 S 3 BEEG in der Fassung des Gesetzes vom 10.9.2012 (BGBl I 2012, 1878) für die Frage des Vorliegens von zu versteuernden Einkünften im Sinne dieser Vorschriften nicht die tatsächliche Behandlung durch die Finanzbehörde im Einkommensteuerbescheid, sondern allein die materielle Rechtslage im Einkommensteuerrecht maßgeblich ist.</p>
</td>
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<a name="rd_11">11</a>
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<dd>
<p>Die Beschwerdebegründung legt indes den Klärungsbedarf nicht hinreichend dar. Sie verweist zwar zutreffend auf die unterschiedlichen Gesetzesfassungen zu § 2 BEEG und darauf, dass der hier maßgeblichen Fassung zu den "im Inland zu versteuernden Einkünften" durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 lediglich klarstellende Funktion zukommt <em>(vgl BSG Urteil vom 20.5.2014 - B 10 EG 2/14 R - RdNr 18).</em> Sie zeigt aber weder anhand der zur Berücksichtigung steuerfreier Einkünfte insgesamt ergangenen Senatsrechtsprechung noch anhand der von der Vorinstanz zitierten Entscheidung vom 20.5.2014 <em>(B 10 EG 9/13 R - BSGE 116, 54 = SozR 4-7837 § 2 Nr 28) </em>auf, ob und inwieweit sich daraus nicht bereits hinreichend verlässliche Kriterien zur Entscheidung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben bzw weiterer Klärungsbedarf verblieben ist. Dies gilt vornehmlich mit Blick auf die dargestellte Entstehungsgeschichte des BEEG und die in diesem Zusammenhang hervorgehobene Bindungswirkung von Steuerbescheiden <em>(Senatsurteil, aaO, RdNr 21).</em> Es gilt erst recht mit Blick auf die von der Beschwerdebegründung zitierte weitere Senatsrechtsprechung zur Bindungswirkung von Lohnsteueranmeldungen <em>(Urteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - SozR 4-7837 § 2c Nr 2). </em>Zwar geht die Beschwerde auf den in der Beschwerdebegründungsfrist allein verfügbaren Terminbericht zu diesem Urteil ein <em>(Terminbericht Nr 61/17 vom 14.12.2017)</em>. Die Beschwerde legt insoweit zutreffend dar, nach der neueren Senatsrechtsprechung könne eine Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers Bindungswirkung für die Elterngeldbehörden entfalten <em>(vgl Senatsurteil aaO RdNr 35 f mwN)</em>. Sie führt auch weiter nachvollziehbar aus, wenn bereits eine Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers Bindungswirkung für nachgelagerte Behördenentscheidungen habe, so könne dies einer originären Behördenentscheidung wie dem Steuerbescheid der Finanzverwaltung, dem noch dazu eine materiell-rechtliche Prüfung vorausgegangen sei, nicht abgesprochen werden. Angesichts dessen versäumt die Beschwerde aber die Darlegung, warum sich auf der Grundlage des von ihr zutreffend wiedergegebenen Kernsatzes des Senatsurteils zur möglichen Bindungswirkung der Inhalte einer Lohnsteueranmeldung nicht erst recht die von ihr aufgeworfene Rechtsfrage zum Einkommenssteuerbescheid beantworten lässt. Letztlich geht die Beschwerdebegründung auch nicht von einem Klärungsbedarf aus, sondern verweist auf die von der Entscheidung vom 20.5.2014 <em>(B 10 EG 9/13 R - aaO)</em> abweichende Rechtsanwendung durch das LSG <em>(Beschwerdebegründung S 6). </em>Auf eine ihm innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist mögliche Divergenzrüge <em>(§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG)</em> hat der Beklagte seine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt. Die Voraussetzungen für eine erleichterte Divergenzulassung liegen nicht vor <em>(vgl BSG Beschluss vom 15.12.1976 - 4 BJ 1/76 - SozR 1500 § 160 Nr 25 Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 8.9.2015 - B 1 KR 34/15 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 28 RdNr 4).</em>
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<a name="rd_12">12</a>
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<dd>
<p>Ob das LSG richtig entschieden hat, spielt im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde keine Rolle. Ihr Gegenstand ist nicht die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall <em>(Senatsbeschluss vom 30.8.2017 - B 9 SB 31/17 B - Juris RdNr 10 mwN)</em>.</p>
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<a name="rd_13">13</a>
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<p>Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab <em>(vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG)</em>.</p>
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<a name="rd_14">14</a>
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<p>2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen <em>(§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG)</em>.</p>
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<a name="rd_15">15</a>
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<p>3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und trägt dem vollständigen Unterliegen des Beklagten Rechnung.<br/>
</p>
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171,313 | olgham-2018-12-27-4-rbs-37418 | {
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"name": "Oberlandesgericht Hamm",
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} | 4 RBs 374/18 | 2018-12-27T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:51 | 2019-02-12T13:44:38 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:2018:1227.4RBS374.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO).Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene (§ 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG).</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Zusatz:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Ergänzend zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft ist anzumerken, dass eine Bezugnahme auf die Messfotos Bl. 1 und 3 d.A. im angefochtenen Urteil durchaus vorhanden ist. Bzgl. des Messfotos Bl. 1 ist eine ausdrückliche Inbezugnahme gem. §§ 267 Abs. 1 S. 3, 71 Abs. 1 OWiG auf UA S. 4 erfolgt. Aber auch bereits die Klammerzusätze auf S. 3 UA müssen hier nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung als Inbezugnahme ausgelegt werden (vgl. BGH, Urt. v. 28.01.2016 – 3 StR 425/15 – juris; vgl. auch OLG Hamm ZFSch 2018, 233). Der Senat konnte sich damit auch selbst die Überzeugung verschaffen, dass das Messfoto für eine Täteridentifizierung geeignet ist. In diesem Zusammenhang macht der Senat allerdings darauf aufmerksam, dass eine Inbezugnahme nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO nur bzgl. des Inhalts von Abbildungen möglich ist. Dass dies in den – ansonsten überaus sorgfältig abgefassten - Urteilsgründen bei der Vornahme eines Verweises auf den Eichschein, der keine Abbildung, sondern eine Urkunde darstellt, nicht  beachtet wurde, ist unschädlich, da dessen entscheidungsrelevanter Inhalt aus den Urteilsgründen selbst hervorgeht.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Weiter ist hinsichtlich der Verurteilung wegen Vorsatzes darauf aufmerksam zu machen, dass die Gerichte den Regelfall, dass ordnungsgemäß aufgestellte Verkehrszeichen von Verkehrsteilnehmern in aller Regel wahrgenommen werden, regelmäßig zugrunde legen dürfen. Die Möglichkeit, dass der Betroffene das die Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit anordnende Verkehrszeichen übersehen hat, brauchen sie nur dann in Rechnung zu stellen, wenn der Betroffene sich darauf beruft oder sich hierfür sonstige Anhaltspunkte ergeben (OLG Köln, Beschluss vom 19. Oktober 2018 – III-1 RBs 324/18 – juris m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Für zukünftige vergleichbare Fälle weist der Senat auf Folgendes hin: Die Annahme einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung, welche das Amtsgericht aus der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um mehr als 100% herleitet, liegt hier zudem wegen des Umstands, dass der Betroffene auch mit gefahrenen 67 km/h die übliche innerörtlich zulässige Höchstgeschwindigkeit deutlich überschritten hätte, besonders nahe .</p>
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171,312 | olgham-2018-12-27-4-rbs-39118 | {
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} | 4 RBs 391/18 | 2018-12-27T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:51 | 2019-02-12T13:44:38 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:2018:1227.4RBS391.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.</p>
<p>Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an das Amtsgericht Coesfeld zurückverwiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Gründe</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 160 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Der Verurteilung liegt eine mittels eines Kraftrades begangene innerörtliche Geschwindigkeitsüberschreitung zu Grunde. Der Betroffene bestreitet seine Täterschaft.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt sowie Verfahrensrügen erhebt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, sein Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht (§ 79 Abs. 6 OWiG).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Das angefochtene Urteil weist durchgreifende, auf die Sachrüge hin beachtliche, Rechtsfehler in der Beweiswürdigung auf.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Grundsätzlich ist die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters. Das Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegericht kann nur eingreifen, wenn sie rechtsfehlerhaft ist, insbesondere wenn sie Widersprüche oder erhebliche Lücken aufweist oder mit Denkgesetzen oder gesicherten Erfahrungssätzen nicht vereinbar (OLG Hamm, Beschluss vom 08. Juni 2017 – III-4 RVs 64/17 –, Rn. 15, juris m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil ist hinsichtlich der Täteridentifizierung lückenhaft.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht stützt seine Überzeugungsbildung in einer Zusammenschau im Wesentlichen darauf, dass die sichergestellte Motorradbekleidung nebst Helm mit der vom Täter auf dem Messfoto getragenen Bekleidung übereinstimme, wobei es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Kleidung verliehen worden sein oder von einer anderen Person getragen worden sein könnte, und dass ein anthropologisches Gutachten der Sachverständigen ergeben habe, dass eine Identität des Betroffenen mit dem Täter „maximal möglich“ sei. Ferner stimme der Betroffene von der Statur und Größe her deutlich mit dem Fahrer auf dem Messfoto überein.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Soweit es um die Bekleidung und den Helm als Identifizierungsmerkmale geht, führt noch nicht zur Lückenhaftigkeit und Aufhebung, dass zunächst unklar bleibt, bei wem die Bekleidung sichergestellt wurde und was sie mit dem Betroffenen zu tun hat. Auf S. 4 UA (bzgl. des Helms) bzw. auf S. 5 UA (bzgl. der Bekleidung) wird mitgeteilt, dass diese bei dem Betroffenen sichergestellt wurde und dass es weitere Fotos von ihm gibt, die ihn mit dieser Bekleidung zeigen. Auch liegt auf S. 5 UA ein noch hinreichender Verweis i.S.v. §§ 71 OWiG; 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf das Messfoto Bl. 44 d. A. vor. Dieses ist auch von guter Qualität.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Lückenhaftigkeit der Beweiswürdigung ergibt sich aber aus Folgendem: Nach den Urteilsgründen (UA S. 3) ist die bei dem Betroffenen sichergestellte Motorradkleidung aus schwarzem Leder gefertigt. Bei dem Messfoto, welches der Senat bei seiner Beurteilung aufgrund der Verweisung zu Grunde legen kann, handelt es sich um eine Aufnahme in schwarz-weiß. Dort erscheint die Hose des Fahrers zwar schwarz, der obere Teil der Bekleidung aber deutlich heller (heller Grauton). Insoweit erschließt sich für das Rechtsbeschwerdegericht nicht, wie das Amtsgericht zu der Überzeugung kommt, dass die sichergestellte Motorradbekleidung mit der auf dem Foto übereinstimmt. Ein solcher Schluss erscheint zwar nicht ausgeschlossen, etwa aufgrund unterschiedlichen Reflektionsverhaltens, unterschiedlichem Material etc. Er hätte aber der Darlegung bedurft.  Ähnliches gilt für die auf der sichergestellten Motorradbekleidung erkennbaren Schriftzüge „E“ auf Brust und an den Unterarmen. Das Amtsgericht führt dazu zwar aus, dass diese Schriftzüge nicht zwangsläufig erkennbar sein müssten, weil die Reflektion von weißem Leder (Schriftzüge) deutlich geringer ausfalle als von weißem Kunststoff (die stark reflektierenden Teile an Helm und Motorrad), und das Messfoto im Bereich der Schriftzüge eine leichte Aufhellung aufweise. Dabei hat sich das Amtsgericht aber nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass ausweislich des Fotos Bl. 166 d.A., auf das es verwiesen hat, unmittelbar oberhalb des Brustschriftzuges offenbar abgesetzte Taschen mit Reisverschlüssen erkennbar sind und die dünne strichartige Aufhellung im Brustbereich des Fahrers, welche auf dem Messfoto erkennbar ist, auch hiervon stammen kann. Diese Aufhellung erscheint zudem deutlich schmaler als der Schriftzug.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Auch soweit das anthropologische Sachverständigengutachten betroffen ist, ist die Beweiswürdigung lückenhaft. Nach ständiger obergerichtlicher und höchstrichter-licher Rechtsprechung muss der Tatrichter, der ein Sachverständigengutachten eingeholt hat und ihm Beweisbedeutung beimisst, auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer in sich geschlossenen (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrundeliegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem Rechtsmittelgericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (OLG Hamm, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 4 RBs 216/17 –, Rn. 3, juris m.w.N.). Das Amtsgericht beschränkt sich hier auf die Mitteilung des Ergebnisses der Sachverständigen, dass diese (offenbar wegen des getragenen Helms) nur eine stark eingeschränkte Anzahl auswertbarer Merkmale gefunden habe und in welchen Merkmalen sie eine Übereinstimmung zwischen Messfoto und Betroffenem sie gefunden hat. Insoweit beschränken sich die Urteilsgründe auf eine bloße Wiedergabe der Ausführungen der Sachverständigen ohne eigene (vgl. § 261 StPO) Beweiswürdigung des Gerichts (vgl. OLG Hamm a.a.O.). Entsprechende Ausführungen hätten sich hier um so mehr aufgedrängt, als die von der Sachverständigen beschriebenen Merkmale auf dem Messfoto Bl. 44 aufgrund der geringen Größe des Fotos und des vom Täter getragenen Helms mit heruntergeklappter Visierscheibe, nicht erkannt werden können. Möglicherweise mögen diese Merkmale auf einer etwaigen Vergrößerung erkennbar seien. Ob die Sachverständige eine solche bei ihrer Beurteilung zu Grunde gelegt hat wird aber in den Urteilsgründen – welche die auf die Überprüfung auf die Sachrüge hin allein maßgebliche Überprüfungsgrundlage für das Rechtsbeschwerdegericht sind – nicht mitgeteilt. Auch wird darin nicht auf eine solche Vergrößerung verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Amtsgericht bei rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich der Täterschaft des Betroffenen gekommen wäre.</p>
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171,158 | laghh-2018-12-27-5-ta-1518 | {
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"name": "Landesarbeitsgericht Hamburg",
"slug": "laghh",
"city": null,
"state": 8,
"jurisdiction": "Arbeitsgerichtsbarkeit",
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} | 5 Ta 15/18 | 2018-12-27T00:00:00 | 2019-01-29T12:49:35 | 2019-02-12T13:44:13 | Beschluss | <div id="dokument" class="documentscroll">
<a name="focuspoint"><!--BeginnDoc--></a><div id="bsentscheidung"><div>
<h4 class="doc">Tenor</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin und unter ihrer Zurückweisung im Übrigen wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26. Juli 2018 – 24 Ca 123/18 – teilweise abgeändert und wie folgt ergänzt:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Klägerin wird als Prozessbevollmächtigter beigeordnet: Rechtsanwalt K., ...</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Beiordnung erfolgt zu den Bedingungen eines Hamburger Rechtsanwalts, d. h. anwaltliche Reisekosten werden aus der Landeskasse nicht erstattet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Gebühr für das Beschwerdeverfahren ist nicht zu erheben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<h4 class="doc">Gründe</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p><strong>I.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Mit der sofortigen Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen einen arbeitsgerichtlichen Beschluss, mit dem ihr zwar Prozesskostenhilfe mit Ratenzahlung bewilligt worden ist, nicht aber die Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Im Hauptsacheverfahren haben die Parteien einen Kündigungsrechtsstreit geführt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Am 16. Mai 2018 ging die Kündigungsschutzklage der anwaltlich vertretenen Klägerin beim Arbeitsgericht Hamburg ein.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Am 26. Juni 2018 ging erstmals ein von der Klägerin persönlich verfasster Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nebst ausgefüllter Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie einigen Belegen beim Arbeitsgericht ein:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">„in vorbezeichneter Angelegenheit beantrage ich Prozesskostenhilfe und bitte um Genehmigung. Die Einzelheiten entnehmen Sie bitte dem beigefügten Antrag nebst Anlagen. Herzlichen Dank. ...“</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Mit Schriftsatz vom 11. Juli 2018 (Bl. 47 d.A.) unterbreiteten die anwaltlich vertretenen Beklagten einen Vergleichsvorschlag, den das Arbeitsgericht mit Verfügung vom 12. Juli 2018 (Bl. 49 d.A.) an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin übermittelte und den die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 18. Juli 2018 (Bl. 50 d.A.) annahm. Der anberaumte Gütetermin wurde daraufhin vom Arbeitsgericht aufgehoben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Das <strong>Arbeitsgericht</strong> Hamburg hat durch Beschluss vom 26. Juli 2018 – 24 Ca 123/18 – (Bl. 25 PKH-Heft) der Klägerin Prozesskostenhilfe für die erste Instanz für die Klage und den Vergleich bewilligt sowie aufgrund der glaubhaft gemachten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Monatsraten von 147,00 € festgesetzt. Über die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat es nicht entschieden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Gegen diesen am 31. Juli 2018 (Bl. 31 PKH-Heft) dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit einem am 23. August 2018 (Bl. 40 PKH-Heft) beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz <strong>sofortige Beschwerde</strong> eingelegt und diese zugleich begründet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Die <strong>Klägerin</strong> hält den arbeitsgerichtlichen Beschluss für unzutreffend und hat vorgetragen, ihr Prozessbevollmächtigter sei in allen Schriftsätzen und Beschlüssen im Rubrum als Prozessbevollmächtigter aufgeführt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Die Klägerin beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt"><strong>den Beschluss insoweit zu ändern, dass der Klägerin für die erste Instanz Prozesskostenhilfe für die Klage und den Vergleich unter Beiordnung von Rechtsanwalt</strong><strong><em> K.</em></strong><strong> zu bewilligen ist.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 17. September 2018 (Bl. 42 PKH-Heft) der sofortigen Beschwerde <strong>nicht abgeholfen</strong> und dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, erstmals im Rahmen der sofortigen Beschwerde sei ein Beiordnungsantrag gestellt worden. Diesem Antrag könne nicht mehr entsprochen werden, da nach Abschluss eines Verfahrens eine rückwirkende Beiordnung nicht in Betracht komme. Der Wortlaut des Gesetzes sei hierzu eindeutig. Beantrage eine Partei lediglich die Gewährung von Prozesskostenhilfe, ohne dass auch Beiordnung beantragt werde, sei dies nicht so auszulegen, dass das Gericht von sich aus davon auszugehen habe, dass zugleich die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten beantragt werde. Ebenfalls bestehe keine entsprechende gerichtliche Hinweispflicht (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 27. Januar 2005 – 2 Ta 14/05 –).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Die <strong>Klägerin</strong> hält den arbeitsgerichtlichen Nichtabhilfebeschluss für unzutreffend und trägt weiter vor, ihr Prozessbevollmächtigter sei von Anfang an mit ihrer außergerichtlichen und gerichtlichen Vertretung beauftragt gewesen. Ihr Prozessbevollmächtigter sei nach ihren Angaben davon ausgegangen, dass sie rechtsschutzversichert sei. Die Rechtsschutzversicherung habe eine Deckungszusage aber abgelehnt, sodass sie den Prozesskostenhilfeantrag eigenständig beim Arbeitsgericht gestellt habe. Ihr Antrag sei dahin auszulegen, dass sie Prozesskostenhilfe für die Klage und einen möglicherweise zu schließenden Vergleich unter Beiordnung ihrer Rechtsanwälte beantragt habe. Dies sei aufgrund der Vertretungsverhältnisse auch aus der Akte ersichtlich gewesen, ohne dass ihr Prozessbevollmächtigter ausdrücklich einen Beiordnungsantrag gestellt habe, da es aus prozessökonomischen Gründen zu einem Vergleich gekommen sei, bevor der Beiordnungsantrag habe gestellt werden können.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p><strong>II.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Die sofortige Beschwerde hat überwiegend Erfolg. Sie ist zulässig und im Wesentlichen begründet. Über sie entscheidet das Landesarbeitsgericht ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter (§ 78 Satz 3 ArbGG) durch den Vorsitzenden allein.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>1. Die sofortige Beschwerde ist statthaft, der Streitwert der Hauptsache übersteigt den Betrag von 600,00 €, und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt (§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569 Abs. 1 und 2 ZPO i.V.m. § 78 Satz 1 ArbGG).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>2. Die sofortige Beschwerde ist im Wesentlichen begründet. Der von der Klägerin persönlich gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 26. Juni 2018 ist dahin auszulegen, dass die Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres für sie in diesem Rechtsstreit bereits tätigen Prozessbevollmächtigten begehrt. Auch die Beiordnungsvoraussetzungen liegen vor, allerdings nur zu den Bedingungen eines Hamburger Rechtsanwalts.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>a) In Verfahren, in denen eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben ist, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Der Beiordnungsantrag ist grundsätzlich ausdrücklich zu stellen. Jedoch ist ein stillschweigender Antrag nicht unzulässig. Die Anträge einer Partei sind sachgerecht auszulegen. So wie der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe selbst kann das Verhalten von Partei und Anwalt im Hinblick auf die Beantragung einer Anwaltsbeiordnung ausgelegt werden. Bestehen Zweifel, hat das Gericht von seinem ihm obliegenden Fragerecht gemäß § 139 ZPO Gebrauch zu machen (LAG Hamm, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – 14 Ta 510/14 –, Rn. 6, juris, m.w.N.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>aa) Danach ist anerkannt, dass der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, den eine bedürftige Partei durch einen Prozessbevollmächtigten stellt, regelmäßig so zu verstehen ist, dass der Prozessbevollmächtigte im Rahmen der zu bewilligenden Prozesskostenhilfe beigeordnet werden will. Vor dem Hintergrund der Antragstellung durch einen Prozessbevollmächtigten liegt eine solche stillschweigende Beantragung der Beiordnung selbst dann vor, wenn kein Anwaltszwang besteht. Auch bei einer vorherigen Beiordnung im Hauptverfahren ist bei einem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung anzunehmen, dass damit zugleich die Beiordnung des Anwalts beantragt wird (LAG Hamm, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – 14 Ta 510/14 –, Rn. 7, juris, m.w.N.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>bb) Aber auch im umgekehrten Fall, dass nicht der im Hauptsacheverfahren bereits tätige Prozessbevollmächtigte, sondern die bedürftige Partei selbst einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stellt, ohne ausdrücklich die Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu beantragen, ist grundsätzlich der Beiordnungsantrag als stillschweigend gestellt anzunehmen. Es kann nicht ernstlich angenommen werden, dass eine bedürftige Partei den Willen hat, sich von den Gerichtskosten befreien zu lassen, jedoch bei ihr die Bereitschaft besteht und sie auch nur in der Lage ist, die deutlich höheren Anwaltskosten zu zahlen. Es ist fernliegend und lebensfremd anzunehmen, dass eine bereits anwaltlich vertretene Partei, die selbst einen Prozesskostenhilfeantrag stellt, nicht zugleich (konkludent) eine Beiordnung beantragt. Einer Partei, die das Prozesskostenhilfeverfahren selbst betreibt, zu unterstellen, sie wolle nur für die Gerichtskosten Prozesskostenhilfe haben, die Kosten der Hinzuziehung eines Anwalts jedoch selber tragen, obwohl sie bedürftig ist, ist abwegig (LAG Hamm, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – 14 Ta 510/14 –, Rn. 8, juris, m.w.N.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn kein abweichender Wille der bedürftigen Partei feststellbar ist oder sonst naheliegt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p>b) Danach ist der von der Klägerin persönlich gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 26. Juni 2018 dahin auszulegen, dass die Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres für sie bereits in diesem Rechtsstreit tätigen Prozessbevollmächtigten begehrt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ihr Prozessbevollmächtigter unter Vorlage einer ihn legitimierenden Vollmacht der Klägerin (Bl. 21 d.A.) zunächst Kündigungsschutzklage erhoben hat, ohne einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung zu stellen, weil die Erteilung einer Deckungszusage durch die Rechtsschutzversicherung der Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch ausstand. Nachdem aber feststand, dass die Deckungszusage nicht erteilt wird, hat die Klägerin am 26. Juni 2018, also noch vor Instanzende, das durch die gerichtliche Feststellung des Parteivergleichs (§ 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 1 ZPO) am 19. Juli 2018 eingetreten ist, persönlich erstmals Prozesskostenhilfe begehrt, allerdings ohne ausdrücklich einen Beiordnungsantrag zu stellen. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die Klägerin einen Antrag, ihren bereits für sie tätigen und ausdrücklich bevollmächtigten Prozessbevollmächtigten und damit einen bestimmten Rechtsanwalt auch beizuordnen, jedenfalls stillschweigend gestellt hat. Ihr ist nicht zu unterstellen, dass sie Prozesskostenhilfe nur zur Befreiung von den Gerichtskosten begehre, die Kosten der Hinzuziehung ihres Anwalts aber selber tragen wolle. Ein hiervon abweichender Wille der Klägerin besteht gerade nicht, vielmehr ist die Nichterteilung der Deckungszusage durch ihre Rechtsschutzversicherung der Anlass gewesen, Prozesskostenhilfe zu beantragen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>c) Auch die Beiordnungsvoraussetzungen liegen vor. Die Beklagten als Gegner haben sich ihrerseits durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen (§ 121 Abs. 2 ZPO). Allerdings ist die Beiordnung nur zu den Bedingungen eines Hamburger Rechtsanwalts, ohne die Erstattung etwaiger anwaltlicher Reisekosten zu bewilligen, weil die Klägerin die dafür erforderlichen besonderen Umstände nicht dargelegt hat (§ 121 Abs. 3 und 4 ZPO).</p></dd>
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<dt></dt>
<dd><p><strong>III.</strong></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p>1. Die Gebühr für das Beschwerdeverfahren ist nicht zu erheben, weil die Beschwerde im Wesentlichen erfolgreich gewesen ist (Nr. 8614 Kostenverzeichnis als Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p>2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil die Beteiligten des Beschwerdeverfahrens einander keine Kosten zu erstatten haben (§ 127 Abs. 4 ZPO; <em>Zöller/Geimer</em>, ZPO, 30. Aufl., § 127 Rn. 39).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_24">24</a></dt>
<dd><p>3. Gegen diesen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht nicht zuzulassen, weil ein erforderlicher Zulassungsgrund nicht ersichtlich ist (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 bis 3, § 78 Satz 2 ArbGG). Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist unstatthaft (BAG, Beschluss vom 11. Juni 2009 – 9 AZA 8/09 –, Rn. 6, juris).</p></dd>
</dl>
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"id": 8,
"name": "Bundessozialgericht",
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"state": 2,
"jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Bundesgericht"
} | B 10 EG 2/18 B | 2018-12-27T00:00:00 | 2019-01-29T12:49:20 | 2019-01-29T12:49:20 | Beschluss | ECLI:DE:BSG:2018:271218BB10EG218B0 | <h2>Tenor</h2>
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<p>Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. November 2017 wird als unzulässig verworfen.</p>
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<p>Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.</p>
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<h2>Gründe</h2>
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<a name="rd_1">1</a>
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<p>I. Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Einkünften des Klägers aus der Nutzung eines Dienstwagens während des Bezugs von Elterngeld.</p>
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<a name="rd_2">2</a>
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<p>Der Beklagte gewährte dem Kläger Elterngeld in Höhe von 1389,60 Euro für den 10. und 11. Lebensmonat seines am 3.7.2012 geborenen Sohnes. Er setzte dabei als Einkommen im Bezugszeitraum unter anderem geldwerte Vorteile aus der Nutzung eines Dienstwagens zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 739,20 Euro an, die der Arbeitgeber in den Verdienstabrechnungen für die Monate April und Juni 2013 ausgewiesen hatte <em>(Bescheid vom 18.9.2013, Widerspruchsbescheid vom 4.12.2013)</em>.</p>
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<a name="rd_3">3</a>
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<p>Das SG hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger Elterngeld ohne Berücksichtigung eines geldwerten Vorteils aus der Nutzung des Dienstwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Bezugszeitraum zu gewähren. Der Beklagte habe die als geldwerte Vorteile ausgewiesenen Sachbezüge zu Unrecht als Einkommen berücksichtigt. Der Arbeitgeber des Klägers habe im Lohnsteuerabzugsverfahren regelmäßig zu viel Lohnsteuer abgezogen. Die Richtigkeitsvermutung der Lohn- und Gehaltsbescheinigungen sei insoweit widerlegt. Bei der vom Kläger getroffenen zulässigen Wahl der Einzelbewertungsmethode entfalle die in den Bescheinigungen ausgewiesene pauschale Ermittlung des Zuschlags <em>(Urteil vom 18.5.2015)</em>.</p>
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<a name="rd_4">4</a>
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<p>Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Der Kläger habe im Bezugszeitraum keine Einnahmen in Gestalt von Sachbezügen aus der Benutzung seines Dienstwagens zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gehabt. Das ergebe sich aus dem Einkommensteuerrecht <em>(Hinweis auf BFH Urteil vom 4.4.2008 - VI R 85/04 - Juris RdNr 17)</em>; die lohnsteuerrechtliche Handhabung sei unerheblich <em>(Urteil vom 23.11.2017)</em>.</p>
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<a name="rd_5">5</a>
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<p>Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Beklagte Beschwerde zum BSG eingelegt, weil das LSG nach seiner Ansicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt hat.</p>
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<a name="rd_6">6</a>
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<p>II. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die allein behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist <em>(vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG)</em>.</p>
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<a name="rd_7">7</a>
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<p>Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen <em>(zum Ganzen Senatsbeschluss vom 25.10.2016 - B 10 ÜG 24/16 B - Juris RdNr 7 mwN)</em>.</p>
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<a name="rd_8">8</a>
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<p>Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.</p>
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<a name="rd_9">9</a>
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<p>Der Beklagte hält es für klärungsbedürftig, ob bei der Anwendung des § 2 Abs 3 S 1, Abs 7 S 1, 4 BEEG in der bis zum 17.9.2012 gültigen Fassung <em>(vom 23.11.2011)</em> ein in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers als laufendes steuerpflichtiges Bruttoeinkommen ausgewiesener geldwerter Vorteil aus der Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte <em>(0,03 %-Regelung, § 8 Abs 2 S 3 EStG)</em> als Einkommen im Bezugszeitraum zu berücksichtigen ist, wenn sich der Elterngeldberechtigte im Veranlagungsverfahren zur Einkommensteuer für die Einzelbewertung <em>(0,002 %-Regelung gemäß BFH Urteil vom 4.4.2008 - VI R 85/04 und BFH Urteil vom 22.9.2010 - VI R 57/09)</em> entscheidet.</p>
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<a name="rd_10">10</a>
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<p>Wie der Beklagte indes selbst vorträgt, betrifft der Rechtsstreit mit § 2 BEEG in der bis zum 17.9.2012 gültigen Fassung <em>(vom 23.11.2011)</em> ausgelaufenes Recht, das nach § 27 Abs 1 S 1 BEEG <em>(idF vom 23.10.2012)</em> noch für den Fall des Klägers galt, weil sein Sohn vor dem 1.1.2013 geboren worden ist. Eine derartige außer Kraft getretene Vorschrift hat aber nach ständiger Rechtsprechung des BSG in aller Regel keine grundsätzliche Bedeutung <em>(BSG Beschluss vom 26.3.2010 - B 11 AL 192/09 B - Juris RdNr 10 mwN)</em>. Im Falle solchen ausgelaufenen bzw auslaufenden Rechts ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache allenfalls dann gegeben, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des alten Rechts zu entscheiden sind oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihre Auslegung aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat, namentlich wegen einer weitgehenden Übereinstimmung mit dem neuen Recht<em> (BSG Beschluss vom 17.6.2013 - B 10 EG 6/13 B - Juris mwN)</em>. Diese Voraussetzungen hat die Beschwerde nicht hinreichend dargelegt.</p>
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<a name="rd_11">11</a>
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<p>Die Beschwerde geht nicht darauf ein, dass nach aktuellem Recht gemäß § 2c Abs 2 S 2 BEEG die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in den maßgeblichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen vermutet wird <em>(vgl Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - Juris RdNr 37 mwN)</em>. Dagegen hat das Gesetz diese Bescheinigungen nach dem im Fall des Klägers noch anwendbaren Recht lediglich als <em>Grundlage</em> der Einkommensermittlung bezeichnet. Nach § 2 Abs 7 S 4 BEEG <em>(idF vom 23.11.2011)</em> waren Grundlage der Einkommensermittlung die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers. Diese Regelung sollte lediglich der Erleichterung der Sachverhaltsaufklärung dienen, ohne eine rechtliche Bindung an die Feststellung des Arbeitgebers zu begründen <em>(vgl Senatsurteile vom 30.9.2010 - B 10 EG 19/09 R - BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6, RdNr 21 und vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 27)</em>.</p>
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<a name="rd_12">12</a>
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<p>Schließlich legt die Beschwerde insbesondere auch nicht substantiiert eine erhebliche Anzahl von Fällen dar, die noch nach altem Recht zu beurteilen wären und deshalb eine fortbestehende grundsätzliche Bedeutung begründen könnten. Ihre Aussage, die maßgeblichen Vorschriften könnten in der Verwaltungspraxis des Beschwerdeführers bei der endgültigen Festsetzung von Elterngeld noch zur Anwendung kommen, benennt lediglich eine vage Möglichkeit.</p>
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<a name="rd_13">13</a>
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<p>Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab <em>(vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG)</em>.</p>
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<a name="rd_14">14</a>
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<p>2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen <em>(§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG)</em>.</p>
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<a name="rd_15">15</a>
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<p>3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.</p>
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161,455 | olgk-2018-12-27-16-u-11818 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
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"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 16 U 118/18 | 2018-12-27T00:00:00 | 2019-01-16T07:00:09 | 2019-02-12T12:22:35 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:2018:1227.16U118.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 25.05.2018 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn – 1 O 109/17 – wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.</p>
<p>Das erstinstanzliche Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.471,66 € festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e :</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">A.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">B.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel nach einstimmiger Überzeugung des Berufungsgerichts offensichtlich nicht begründet ist, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung der offensichtlichen Erfolglosigkeit der Berufung wird zunächst auf den Hinweisbeschluss vom 14.11.2018 Bezug genommen. Darin heißt es:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><em>„Dem Kläger stehen die geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht zu. Das Landgericht hat im Ergebnis zurecht ausgeführt, dass der Kläger den ihm durch den streitgegenständlichen Unfall vom 01.10.2016 entstandenen Fahrzeugschaden nicht hinreichend dargetan hat.</em></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"><em>1.              Nach dem beidseits nicht angegriffenen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dipl.-Ing. T hatte der B des Klägers zum Unfallzeitpunkt bereits Vorschäden auf der durch die Kollision mit dem W des Beklagten zu 2. betroffenen   rechten Fahrzeugseite.</em></p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><em>2.              Gemäß gefestigter Rechtsprechung des Senats (s. Urteile v. 05.02.1996 - 16 U 54/95 = NZV 1996, 241 und v. 22.02.1999 – 16 U 33/98 = NZV 1999, 378) und weiterer Obergerichte (s. nur OLG Köln, Beschl. v. 08.04.2013 – 11 U 214/12 = NZV 2013, 445 = r+s 2013, 305; v. 17.1.2017 – 11 W 1/17, NZV 2018, 273 m. Anm. Franzke; v. 04.06.2018 – 15 U 7/18 = BeckRS 2018, 22217; OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.03.2017 – 1 U 31/16 = VersR 2017, 1032; KG, Urt. v. 27.08.2015 – 22 U 152/14 = DAR 2016, 461) kann der Geschädigte bei bestehenden Vorschäden die mit dem späteren Schadensereignis kompatiblen Schäden nur unter folgenden Voraussetzungen ersetzt verlangen: Es muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gemäß § 287 ZPO auszuschließen sein, dass diese bereits im Rahmen eines Vorschadens entstanden sind. Dazu muss der Geschädigte grundsätzlich, vor allem aber im Fall von Schadensüberlagerungen, den Umfang des Vorschadens und gegebenenfalls dessen Reparatur belegen, da sich der Ersatzanspruch lediglich auf den Ersatz derjenigen Kosten erstreckt, die zur Wiederherstellung des vorbestehenden Zustandes erforderlich sind. Insoweit muss der Geschädigte geeignete Schätzgrundlagen beibringen, welche Anhaltspunkte für die Einschätzung des Schadens und seiner Höhe bieten. Eine Schätzung ist unzulässig, wenn sie mangels greifbarer, vom Kläger vorzutragender Anhaltspunkte völlig in der Luft hängen würde. Nur soweit der geltend gemachte Schaden technisch und rechnerisch eindeutig vom Vorschaden abgrenzbar ist, besteht ein Ersatzanspruch des Geschädigten. Ist hingegen eine zuverlässige Ermittlung auch nur eines unfallbedingten Teilschadens aufgrund der Wahrscheinlichkeit von erheblichen Vorschäden nicht möglich, so hat diese Unsicherheit die vollständige Klageabweisung zur Folge. Dabei ist zu berücksichtigen, dass selbst eine weitere Beschädigung bereits vorgeschädigter Fahrzeugteile jedenfalls nicht stets zu einer schadensersatzrechtlich bedeutsamen Vertiefung des Vorschadens führt.</em></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><em>3.              Nach dem Klagevorbringen und dem unstreitigen Sachverhalt kann nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit gemäß § 287 ZPO ausgeschlossen werden, dass die vom Sachverständigen Dipl.-Ing. T auf Seite 44 seines Gutachtens aufgeführten „kompatiblen Beschädigungen“ an bereits vorbeschädigten Fahrzeugteilen eingetreten sind.</em></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><em>Wie der Sachverständige auf Seite 21 seines Gutachtens ausgeführt hat, umfasst die Kompatibilität die gegenseitige Zuordnung der Beschädigungen und Spurzeichnungen sowie der Beschädigungsintensitäten unter Beachtung der Struktursteifigkeiten der an der Kollision beteiligten Fahrzeugzonen. Die von ihm als kompatibel bezeichneten Beschädigungen lassen sich also mit dem von den Parteien übereinstimmend geschilderten Unfallgeschehen in Einklang bringen.</em></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><em>Mit der bloßen Feststellung der Kompatibilität ist aber nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, dass in den jeweiligen Schadensbereichen bereits eine Vorschädigung vorlag. Denn das Fahrzeug des Klägers wies jedenfalls im unmittelbaren räumlichen Nähebereich der kompatiblen Schäden zahlreiche Vorbeschädigungen auf, die der Sachverständigen - ebenfalls auf Seite 44 seines Gutachtens - als „nicht kompatible Beschädigungen“ festgehalten hat:</em></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><em>- So finden sich aus der Aufzählung der „kompatiblen Beschädigungen“ insbesondere die Fahrzeugteile Stoßfängerverkleidung sowie Beifahrer- und Fondstür explizit auch in der Aufstellung der „nicht kompatiblen Beschädigungen“ wieder.</em></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"><em>- Die grundsätzlich kompatible Beschädigung der Verschürfung der Seitenwand wird von dem Gerichtssachverständigen ausdrücklich nur teilweise dem Unfallereignis zugeordnet.</em></p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"><em>- Die nicht kompatiblen Beschädigungen der Deformation und Verkratzung der (Tür-)Schweller und der Verschürfung der Türabdeckungen belegen im Zusammenhang mit den Abbildungen 17 bis 20 auf den Seiten 15-17 des Gerichtsgutachtens, dass im unteren Bereich der Türen erhebliche Vorschäden vorlagen, die es nahelegen, dass diese auch im Bereich der von kompatiblen Beschädigungen betroffenen Türblätter vorgelegen haben könnten.</em></p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><em>Aufgrund dieser umfassenden Näheverhältnisse kann nicht ausgeschlossen werden, dass die vom Sachverständigen punktuell festgestellten Vorschäden sich über die gesamte rechte Seite erstreckten und damit auch die Fahrzeugzonen erfassten, bei denen als kompatibel bewertete Neuschäden vorliegen, etwa auch im Bereich des Scheinwerfers und des Außenspiegels.</em></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"><em>Der Kläger hat auch in der Berufungsschrift nicht substantiiert dargelegt, inwiefern die - nunmehr noch in Höhe von 5.446,66 € - geltend gemachten Netto-Reparaturkosten technisch und rechnerisch eindeutig von den unstreitigen Vorschäden abgrenzbar sein sollen. Unabhängig davon, dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, einen technisch und rechnerisch abgrenzbaren Schaden von Amts wegen zu ermitteln (s. auch KG Berlin, a.a.O., Rz. 42), ist dies auch schon deshalb nicht möglich, weil – gemäß obigen Ausführungen – die Bereiche der Vorschäden und der kompatiblen Beschädigungen sich entweder direkt überlagern oder jedenfalls so eng verbunden sind, dass eine Ausbreitung des Vorschadens auf die kompatibel beschädigten Fahrzeugbereiche nicht mit der gebotenen überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann."</em></p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">An dieser Begründung des Hinweisbeschlusses vom 14.11.2018 hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest. Die von dem Kläger dagegen mit Schriftsatz vom 18.12.2018 erhobenen Einwendungen geben keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung:</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">1.              Der Kläger verweist zunächst darauf, dass zur Feststellung des ihm durch das streitgegenständliche Ereignis entstandenen Schadens gemäß § 287 ZPO eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreicht, so dass entgegen der Ansicht des Senates zur Beweisführung nicht erforderlich sei, eine Vorschädigung auszuschließen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Dieser Einwand vermag der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen. Bereits in dem Hinweisbeschluss vom 14.11.2018 hat der Senat unter Zitierung weiterer obergerichtlicher Entscheidungen ausdrücklich dargelegt, dass im Rahmen des § 287 ZPO das von dem Kläger genannte Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit anzuwenden ist. Unter Beachtung dieses – gegenüber der Überzeugungsbildung nach § 286 ZPO – eingeschränkten Beweismaßes muss dann aber ausgeschlossen werden können, dass die geltend gemachte Schadenspositionen bereits durch eine vorherige Beschädigung entstanden sind. Dies bedeutet indes nicht, dass es der klagenden Partei generell obliegt, andere Ursachen für die begehrten Schadenspositionen auszuschließen, sondern lediglich, dass bei feststehenden Vorschäden überwiegend wahrscheinlich sein muss, dass diese nicht von dem geltend gemachten Schaden umfasst werden. Letzteres ist dem Kläger aus den im Hinweisbeschluss vom 14.11.2018 genannten Gründen nicht gelungen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">2.              Sofern der Kläger meint, der Reparaturaufwand für die unfallursächlichen Beschädigungen lasse sich bereits deshalb technisch und rechnerisch von Vorschäden trennen, weil der Sachverständige T eine Abgrenzung zwischen kompatiblen und nicht kompatiblen Beschädigungen vorgenommen habe, verkennt er die bereits im Hinweisbeschluss vom 14.11.2018 betonte – eingeschränkte – Bedeutung der Kompatibilität. Die von dem Sachverständigen als kompatibel bezeichneten Beschädigungen lassen sich mit dem von den Parteien vorgetragenen Unfallgeschehen in Einklang bringen, ohne dass damit im Fall von direkt überlagerten und/oder eng benachbarten Vorschäden aber zugleich ausreichend wahrscheinlich ist, dass die kompatiblen – sprich: theoretisch passenden – Beschädigungen auch tatsächlich auf dem Unfallereignis beruhen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">3.              Der Hinweis des Klägers darauf, eine unsubstantiierte Klage dürfe nicht abgewiesen werden, wenn diese aufgrund von Zeugenaussagen oder eines Gutachtens substantiiert werde, verhilft der Berufung ebenfalls nicht zum Erfolg. Der von dem Kläger mit dem Zitat BGH GRUR 2004, 50,52 belegte Rechtssatz, eine Partei mache sich eine ihr günstige Zeugenaussage regelmäßig als Sachvortrag zu eigen, findet im Streitfall bereits deshalb keine Anwendung, weil entsprechende, für den Kläger günstige Ergebnisse aus einer durchgeführten Beweisaufnahme fehlen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">4.              Soweit der Kläger rügt, der Sachverständige T habe keine Überlagerung der Bereiche der Vorschäden und der kompatiblen Beschädigungen festgestellt, geht dieser Einwand schon deshalb fehl, weil der Sachverständige die beschädigten Fahrzeugteile Stoßfängerverkleidung sowie Beifahrer- und Fondtür sowohl in seiner Aufstellung der kompatiblen Beschädigungen als auch der nicht kompatiblen Beschädigungen aufführt. Dass es sich bei den nicht kompatiblen Beschädigungen um Vorschäden handelt, stellt auch der Kläger nicht in Abrede, wenn er etwa auf Seite 2 unten seines Schriftsatzes vom 18.12.2018 ausdrücklich die Vorbeschädigung mit den nicht kompatiblen Schäden gleichstellt.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">5.              Schließlich hat auch der Einwand des Klägers, die Vorschäden seien unrepariert, so dass sich die Kosten zweifelsfrei herausrechnen ließen, keinen Erfolg. Wie ebenfalls bereits in dem Hinweisbeschluss vom 14.11.2018 ausführlich ausgeführt, ist es zum einen nicht Aufgabe des Gerichts, einen technisch und rechnerisch abgrenzbaren Schaden von Amts wegen zu ermitteln und zum anderen eine solche Berechnung wegen der möglichen Ausbreitung des Vorschadens auf die kompatibel beschädigten Fahrzeugbereiche auch nicht durchführbar.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">C.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10 Satz 2, 711, 713 ZPO.</p>
|
142,308 | ovgnrw-2018-12-27-4-a-425018 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
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"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 4 A 4250/18 | 2018-12-27T00:00:00 | 2019-01-08T23:47:02 | 2019-02-12T13:10:41 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2018:1227.4A4250.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Anhörungsrüge der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen die Streitwertfestsetzung in dem Beschluss des Senats vom 31.10.2018 ‒ 4 A 494/16 ‒ wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Prozessbevollmächtigten des Klägers tragen die Kosten des Verfahrens.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Gründe</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der Senat hat den Anspruch der Prozessbevollmächtigten des Klägers auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte sind aber nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Gründen ausdrücklich zu befassen. Aus Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich auch keine Pflicht eines Gerichts, der von der Partei vertretenen Rechtsauffassung zu folgen. Nur wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen ergibt, dass das Gericht aus seiner Sicht erhebliche, zum Kern des Beteiligtenvorbringens gehörende Gesichtspunkte nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen hat, ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 18.1.2017 – 8 B 16.16 –, Buchholz 451.622 EAEG Nr. 3 = juris, Rn. 4, und vom 9.5.2017 ‒ 1 WNB 3.16 ‒, NZWehrr 2017, 216 = juris, Rn. 7, sowie Urteil vom 18.12.2014 – 4 C 35.13 –, NVwZ 2015, 656 = juris, Rn. 42, jeweils m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Anhörungsrüge ist dabei kein Instrument, mit dem die Rechtskraft überspielt und eine neue inhaltliche Überprüfung in der Sache erreicht werden kann. Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt keinen Anspruch darauf, dass das zur Entscheidung berufene Gericht den Kläger „erhört“ und der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.8.2012 – 2 KSt 1.11 –, juris, Rn. 3.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Senat teilt die von den Prozessbevollmächtigten des Klägers dargelegte Rechtsauffassung zur Höhe des Streitwerts für eine Klage gegen einen Feuerstättenbescheid nicht.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Aus § 71 Abs 1 Satz 1 GKG ergibt sich nicht, dass der Streitwert für eine solche Klage gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,00 EUR festzusetzen ist.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">§ 71 Abs. 1 GKG bestimmt, dass in Rechtsstreitigkeiten, die vor Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, die Kosten nach bisherigem Recht erhoben werden. Dies gilt nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingelegt worden ist. Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 3 GKG gelten die vorgenannten Regelungen auch, wenn Vorschriften geändert werden, auf die dieses Gesetz verweist. Aus der letztgenannten Bestimmung ergibt sich im Umkehrschluss, dass diese keine Anwendung finden, wenn sich eine Regelung außerhalb des Gerichtskostengesetzes geändert hat, die nicht auf das Gerichtskostengesetz verweist.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Vgl. zu einer Änderung der Bestimmung des Gegenstandswert in asylrechtlichen Verfahren: BVerwG, Beschluss vom 20.1.1994 – 9 B 15.94 –, DVBl. 1994, 537 = juris, Rn. 3 f.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Um eine solche Regelung handelt es sich bei § 14b SchfHwG. Die von den Prozessbevollmächtigten des Klägers wiedergegebene Rechtsprechung zu § 71 Abs. 1 GKG bzw. der Vorgängervorschrift § 73 Abs. 1 GKG a. F.,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">vgl. BVerwG, Beschluss vom 2.4.1998 – 8 B 19.98 –, Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 146 = juris, Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 26.9.2013 – 6 E 942/13 –, juris, Rn. 2,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">ist deswegen für den vorliegenden Fall nicht maßgeblich. Denn bei diesen Entscheidungen waren während des laufenden Verfahrens Vorschriften im Gerichtskostengesetz selbst geändert worden. Auch aus der weiteren von den Prozessbevollmächtigten des Klägers angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">vgl. Urteil vom 24.3.1994 – 7 C 34.93 –, BVerwGE 95, 301 = juris, Rn. 23 f.,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">ergibt sich in der Sache nichts anderes. Zwar stellt das Bundesverwaltungsgericht für die Streitwertfestsetzung im Ergebnis auf die Regelung des § 73 Abs. 1 GKG a. F. ab und verneint eine Rückwirkung einer während eines laufenden Verfahrens in das Vermögenszuordnungsgesetz eingefügten Regelung zur Gegenstandswertfestsetzung. Zu diesem Ergebnis gelangt es allerdings nur, weil es der Vorschrift selbst sowie einer speziellen Überleitungsvorschrift unter Berücksichtigung der Gesetzgebungshistorie die Wertung entnommen hat, eine Übergangsregelung fehle allein, weil der Gesetzgeber das Übergangsproblem aufgrund einer im Gesetzgebungsverfahrens erst spät erfolgten Erstreckung des Gesetzes auf alle noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren übersehen habe.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Auslegung des § 14b SchfHWG ergibt demgegenüber, dass die Vorschrift Rückwirkung entfaltet. Eine Übergangsvorschrift wurde in das SchfHWG nicht eingefügt. Es ergeben sich aus den Gesetzesmaterialen zu dem ersten Gesetz zur Änderung des Schornsteinfegerhandwerksgesetzes keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Einfügung einer solchen Vorschrift nur versehentlich unterlassen hat. Dass er die in der obergerichtlichen Praxis häufig erfolgende Festsetzung des Auffangstreitwerts für unverhältnismäßig gehalten hat,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">vgl. BT-Drs. Nr. 18/12493, S. 50 f.,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">spricht im Gegenteil dafür, dass der neue Wert sofort gelten sollte. Nur so ließen sich weitere „unverhältnismäßig“ hohe Kostenrisiken vermeiden. Auch der Umstand, dass für den durch dieses Gesetz neu eingefügten § 12a in § 45 SchfHWG ausdrücklich vorgesehen ist, dass dieser nicht bereits mit Inkrafttreten des Gesetzes, sondern erst ab dem 1.1.2018 anzuwenden ist, spricht dafür, dass der Gesetzgeber die Notwendigkeit etwaiger Übergangsregelungen reflektiert und bei der Bestimmung des § 14b SchfHWG von einer solchen im Interesse einer sofortigen Geltung bewusst abgesehen hat.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Dagegen bestehen unter dem Gesichtspunkt einer unechten Rückwirkung keine verfassungsrechtlichen Bedenken; dies gilt auch, soweit die Rechtsanwaltsgebühren der Höhe nach beeinflusst werden.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.1.1994 – 9 B 15.94 –, DVBl. 1994, 537 = juris, Rn. 4.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Ungeachtet dessen existierte trotz der von den Prozessbevollmächtigten des Klägers zutreffend wiedergegebenen früheren Praxis des Senats, bei Klagen gegen Feuerstättenbescheide den Streitwert auf grundsätzlich 5.000,00 EUR festzusetzen, keine solche einheitliche Streitwertpraxis. So war die Frage, ob der Streitwert in solchen Fällen mit dem Auffangstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG zu bemessen war, umstritten. An der hiervon ausgehenden obergerichtlichen Rechtsprechung haben sich – auch in Nordrhein-Westfalen – nicht alle Verwaltungsgerichte konsequent orientiert. Faktisch bewirkt nunmehr erst das Einfügen des § 14b SchfHWG eine Vereinheitlichung der Streitwertpraxis. Zuvor orientierte sich die Streitwertfestsetzung teilweise auch an dem individuellen Interesse des jeweiligen Klägers (§ 52 Abs. 1 GKG), das in der Regel ebenfalls regelmäßig mit einem deutlich unter 5.000,00 EUR liegenden Betrag bemessen wurde.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Vgl. z. B. VG Arnsberg, Beschluss vom 14.2.2013– 1 L 8/13 –, juris, Rn. 28 ff.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).</p>
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<p>Die Anhörungsrüge der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen die Streitwertfestsetzung in dem Beschluss des Senats vom 31.10.2018 ‒ 4 A 495/16 ‒ wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Prozessbevollmächtigten des Klägers tragen die Kosten des Verfahrens.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Gründe</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der Senat hat den Anspruch der Prozessbevollmächtigten des Klägers auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte sind aber nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Gründen ausdrücklich zu befassen. Aus Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich auch keine Pflicht eines Gerichts, der von der Partei vertretenen Rechtsauffassung zu folgen. Nur wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen ergibt, dass das Gericht aus seiner Sicht erhebliche, zum Kern des Beteiligtenvorbringens gehörende Gesichtspunkte nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen hat, ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 18.1.2017 – 8 B 16.16 –, Buchholz 451.622 EAEG Nr. 3 = juris, Rn. 4, und vom 9.5.2017 ‒ 1 WNB 3.16 ‒, NZWehrr 2017, 216 = juris, Rn. 7, sowie Urteil vom 18.12.2014 – 4 C 35.13 –, NVwZ 2015, 656 = juris, Rn. 42, jeweils m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Anhörungsrüge ist dabei kein Instrument, mit dem die Rechtskraft überspielt und eine neue inhaltliche Überprüfung in der Sache erreicht werden kann. Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt keinen Anspruch darauf, dass das zur Entscheidung berufene Gericht den Kläger „erhört“ und der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.8.2012 – 2 KSt 1.11 –, juris, Rn. 3.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Senat teilt die von den Prozessbevollmächtigten des Klägers dargelegte Rechtsauffassung zur Höhe des Streitwerts für eine Klage gegen einen Feuerstättenbescheid nicht.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Aus § 71 Abs 1 Satz 1 GKG ergibt sich nicht, dass der Streitwert für eine solche Klage gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,00 EUR festzusetzen ist.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">§ 71 Abs. 1 GKG bestimmt, dass in Rechtsstreitigkeiten, die vor Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, die Kosten nach bisherigem Recht erhoben werden. Dies gilt nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingelegt worden ist. Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 3 GKG gelten die vorgenannten Regelungen auch, wenn Vorschriften geändert werden, auf die dieses Gesetz verweist. Aus der letztgenannten Bestimmung ergibt sich im Umkehrschluss, dass diese keine Anwendung finden, wenn sich eine Regelung außerhalb des Gerichtskostengesetzes geändert hat, die nicht auf das Gerichtskostengesetz verweist.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Vgl. zu einer Änderung der Bestimmung des Gegenstandswert in asylrechtlichen Verfahren: BVerwG, Beschluss vom 20.1.1994 – 9 B 15.94 –, DVBl. 1994, 537 = juris, Rn. 3 f.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Um eine solche Regelung handelt es sich bei § 14b SchfHwG. Die von den Prozessbevollmächtigten des Klägers wiedergegebene Rechtsprechung zu § 71 Abs. 1 GKG bzw. der Vorgängervorschrift § 73 Abs. 1 GKG a. F.,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">vgl. BVerwG, Beschluss vom 2.4.1998 – 8 B 19.98 –, Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 146 = juris, Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 26.9.2013 – 6 E 942/13 –, juris, Rn. 2,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">ist deswegen für den vorliegenden Fall nicht maßgeblich. Denn bei diesen Entscheidungen waren während des laufenden Verfahrens Vorschriften im Gerichtskostengesetz selbst geändert worden. Auch aus der weiteren von den Prozessbevollmächtigten des Klägers angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">vgl. Urteil vom 24.3.1994 – 7 C 34.93 –, BVerwGE 95, 301 = juris, Rn. 23 f.,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">ergibt sich in der Sache nichts anderes. Zwar stellt das Bundesverwaltungsgericht für die Streitwertfestsetzung im Ergebnis auf die Regelung des § 73 Abs. 1 GKG a. F. ab und verneint eine Rückwirkung einer während eines laufenden Verfahrens in das Vermögenszuordnungsgesetz eingefügten Regelung zur Gegenstandswertfestsetzung. Zu diesem Ergebnis gelangt es allerdings nur, weil es der Vorschrift selbst sowie einer speziellen Überleitungsvorschrift unter Berücksichtigung der Gesetzgebungshistorie die Wertung entnommen hat, eine Übergangsregelung fehle allein, weil der Gesetzgeber das Übergangsproblem aufgrund einer im Gesetzgebungsverfahrens erst spät erfolgten Erstreckung des Gesetzes auf alle noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren übersehen habe.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Auslegung des § 14b SchfHWG ergibt demgegenüber, dass die Vorschrift Rückwirkung entfaltet. Eine Übergangsvorschrift wurde in das SchfHWG nicht eingefügt. Es ergeben sich aus den Gesetzesmaterialen zu dem ersten Gesetz zur Änderung des Schornsteinfegerhandwerksgesetzes keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Einfügung einer solchen Vorschrift nur versehentlich unterlassen hat. Dass er die in der obergerichtlichen Praxis häufig erfolgende Festsetzung des Auffangstreitwerts für unverhältnismäßig gehalten hat,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">vgl. BT-Drs. Nr. 18/12493, S. 50 f.,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">spricht im Gegenteil dafür, dass der neue Wert sofort gelten sollte. Nur so ließen sich weitere „unverhältnismäßig“ hohe Kostenrisiken vermeiden. Auch der Umstand, dass für den durch dieses Gesetz neu eingefügten § 12a in § 45 SchfHWG ausdrücklich vorgesehen ist, dass dieser nicht bereits mit Inkrafttreten des Gesetzes, sondern erst ab dem 1.1.2018 anzuwenden ist, spricht dafür, dass der Gesetzgeber die Notwendigkeit etwaiger Übergangsregelungen reflektiert und bei der Bestimmung des § 14b SchfHWG von einer solchen im Interesse einer sofortigen Geltung bewusst abgesehen hat.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Dagegen bestehen unter dem Gesichtspunkt einer unechten Rückwirkung keine verfassungsrechtlichen Bedenken; dies gilt auch, soweit die Rechtsanwaltsgebühren der Höhe nach beeinflusst werden.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.1.1994 – 9 B 15.94 –, DVBl. 1994, 537 = juris, Rn. 4.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Ungeachtet dessen existierte trotz der von den Prozessbevollmächtigten des Klägers zutreffend wiedergegebenen früheren Praxis des Senats, bei Klagen gegen Feuerstättenbescheide den Streitwert grundsätzlich auf 5.000,00 EUR festzusetzen, keine solche einheitliche Streitwertpraxis. So war die Frage, ob der Streitwert in solchen Fällen mit dem Auffangstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG zu bemessen war, umstritten. An der hiervon ausgehenden obergerichtlichen Rechtsprechung haben sich – auch in Nordrhein-Westfalen – nicht alle Verwaltungsgerichte konsequent orientiert. Faktisch bewirkt nunmehr erst das Einfügen des § 14b SchfHWG eine Vereinheitlichung der Streitwertpraxis. Zuvor orientierte sich die Streitwertfestsetzung teilweise auch an dem individuellen Interesse des jeweiligen Klägers (§ 52 Abs. 1 GKG), das in der Regel ebenfalls regelmäßig mit einem deutlich unter 5.000,00 EUR liegenden Betrag bemessen wurde.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Vgl. z. B. VG Arnsberg, Beschluss vom 14.2.2013– 1 L 8/13 –, juris, Rn. 28 ff.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).</p>
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"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
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<p>Die Gegenvorstellung der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen die Festsetzung des Streitwerts durch Beschluss vom 31.10.2018 wird zurückgewiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Gründe</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Gegenvorstellung ist jedenfalls unbegründet. Aufgrund der von den Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgebrachten Argumente besteht kein Anlass, die Streitwerte für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren höher festzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Den Streitwert für die Anfechtung eines Feuerstättenbescheids setzt der Senat in Anwendung des § 14b SchfHWG auf 500,00 EUR fest. Hinzuzuaddieren ist der Streitwert für den Antrag auf Aufhebung der Kostenrechnung, der gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG mit 54,61 EUR zu bemessen ist.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Aus § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG ergibt sich nicht, dass der Streitwert für die Anfechtung eines Feuerstättenbescheids gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,00 EUR festzusetzen ist.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">§ 71 Abs. 1 GKG bestimmt, dass in Rechtsstreitigkeiten, die vor Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, die Kosten nach bisherigem Recht erhoben werden. Dies gilt nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingelegt worden ist. Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 3 GKG gelten die vorgenannten Regelungen auch, wenn Vorschriften geändert werden, auf die dieses Gesetz verweist. Aus der letztgenannten Bestimmung ergibt sich im Umkehrschluss, dass diese keine Anwendung finden, wenn sich eine Regelung außerhalb des Gerichtskostengesetzes geändert hat, die nicht auf das Gerichtskostengesetz verweist.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Vgl. zu einer Änderung der Bestimmung des Gegenstandswert in asylrechtlichen Verfahren: BVerwG, Beschluss vom 20.1.1994 – 9 B 15.94 –, DVBl. 1994, 537 = juris, Rn. 3 f.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Um eine solche Regelung handelt es sich bei § 14b SchfHwG. Die von den Prozessbevollmächtigten des Klägers wiedergegebene Rechtsprechung zu § 71 Abs. 1 GKG bzw. der Vorgängervorschrift § 73 Abs. 1 GKG a. F.,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">vgl. BVerwG, Beschluss vom 2.4.1998 – 8 B 19.98 –, Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 146 = juris, Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 26.9.2013 – 6 E 942/13 –, juris, Rn. 2,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">ist deswegen für den vorliegenden Fall nicht maßgeblich. Denn bei diesen Entscheidungen waren während des laufenden Verfahrens Vorschriften im Gerichtskostengesetz selbst geändert worden. Auch aus der weiteren von den Prozessbevollmächtigten des Klägers angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">vgl. Urteil vom 24.3.1994 – 7 C 34.93 –, BVerwGE 95, 301 = juris, Rn. 23 f.,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">ergibt sich in der Sache nichts anderes. Zwar stellt das Bundesverwaltungsgericht für die Streitwertfestsetzung im Ergebnis auf die Regelung des § 73 Abs. 1 GKG a. F. ab und verneint eine Rückwirkung einer während eines laufenden Verfahrens in das Vermögenszuordnungsgesetz eingefügten Regelung zur Gegenstandswertfestsetzung. Zu diesem Ergebnis gelangt es allerdings nur, weil es der Vorschrift selbst sowie einer speziellen Überleitungsvorschrift unter Berücksichtigung der Gesetzgebungshistorie die Wertung entnommen hat, eine Übergangsregelung fehle allein, weil der Gesetzgeber das Übergangsproblem aufgrund einer im Gesetzgebungsverfahrens erst spät erfolgten Erstreckung des Gesetzes auf alle noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren übersehen habe.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Auslegung des § 14b SchfHWG ergibt demgegenüber, dass die Vorschrift Rückwirkung entfaltet. Eine Übergangsvorschrift wurde in das SchfHWG nicht eingefügt. Es ergeben sich aus den Gesetzesmaterialen zu dem ersten Gesetz zur Änderung des Schornsteinfegerhandwerksgesetzes keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Einfügung einer solchen Vorschrift nur versehentlich unterlassen hat. Dass er die in der obergerichtlichen Praxis häufig erfolgende Festsetzung des Auffangstreitwerts für unverhältnismäßig gehalten hat,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">vgl. BT-Drs. Nr. 18/12493, S. 50 f.,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">spricht im Gegenteil dafür, dass der neue Wert sofort gelten sollte. Nur so ließen sich weitere „unverhältnismäßig“ hohe Kostenrisiken vermeiden. Auch der Umstand, dass für den durch dieses Gesetz neu eingefügten § 12a in § 45 SchfHWG ausdrücklich vorgesehen ist, dass dieser nicht bereits mit Inkrafttreten des Gesetzes, sondern erst ab dem 1.1.2018 anzuwenden ist, spricht dafür, dass der Gesetzgeber die Notwendigkeit etwaiger Übergangsregelungen reflektiert und bei der Bestimmung des § 14b SchfHWG von einer solchen im Interesse einer sofortigen Geltung bewusst abgesehen hat.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Dagegen bestehen unter dem Gesichtspunkt einer unechten Rückwirkung keine verfassungsrechtlichen Bedenken; dies gilt auch, soweit die Rechtsanwaltsgebühren der Höhe nach beeinflusst werden.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.1.1994 – 9 B 15.94 –, DVBl. 1994, 537 = juris, Rn. 4.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Ungeachtet dessen existierte trotz der von den Prozessbevollmächtigten des Klägers zutreffend wiedergegebenen früheren Praxis des Senats, bei Klagen gegen Feuerstättenbescheide den Streitwert grundsätzlich auf 5.000,00 EUR festzusetzen, keine solche einheitliche Streitwertpraxis. So war die Frage, ob der Streitwert in solchen Fällen mit dem Auffangstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG zu bemessen war, umstritten. An der hiervon ausgehenden obergerichtlichen Rechtsprechung haben sich – auch in Nordrhein-Westfalen – nicht alle Verwaltungsgerichte konsequent orientiert. Faktisch bewirkt nunmehr erst das Einfügen des § 14b SchfHWG eine Vereinheitlichung der Streitwertpraxis. Zuvor orientierte sich die Streitwertfestsetzung teilweise auch an dem individuellen Interesse des jeweiligen Klägers (§ 52 Abs. 1 GKG), das in der Regel ebenfalls regelmäßig mit einem deutlich unter 5.000,00 EUR liegenden Betrag bemessen wurde.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Vgl. z. B. VG Arnsberg, Beschluss vom 14.2.2013– 1 L 8/13 –, juris, Rn. 28 ff.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.</p>
|
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} | 4 A 494/16 | 2018-12-27T00:00:00 | 2019-01-08T23:47:00 | 2019-02-12T13:10:40 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2018:1227.4A494.16.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Gegenvorstellung der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen die Festsetzung des Streitwerts durch Beschluss vom 31.10.2018 wird zurückgewiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Gründe</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Gegenvorstellung ist jedenfalls unbegründet. Aufgrund der von den Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgebrachten Argumente besteht kein Anlass, die Streitwerte für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren höher festzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Den Streitwert für die Anfechtung eines Feuerstättenbescheids setzt der Senat in Anwendung des § 14b SchfHWG auf 500,00 EUR fest. Hinzuzuaddieren ist der Streitwert für den Antrag auf Aufhebung der Kostenrechnung, der gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG mit 39,62 EUR zu bemessen ist.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Aus § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG ergibt sich nicht, dass der Streitwert für die Anfechtung eines Feuerstättenbescheids gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,00 EUR festzusetzen ist.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">§ 71 Abs. 1 GKG bestimmt, dass in Rechtsstreitigkeiten, die vor Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, die Kosten nach bisherigem Recht erhoben werden. Dies gilt nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingelegt worden ist. Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 3 GKG gelten die vorgenannten Regelungen auch, wenn Vorschriften geändert werden, auf die dieses Gesetz verweist. Aus der letztgenannten Bestimmung ergibt sich im Umkehrschluss, dass diese keine Anwendung finden, wenn sich eine Regelung außerhalb des Gerichtskostengesetzes geändert hat, die nicht auf das Gerichtskostengesetz verweist.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Vgl. zu einer Änderung der Bestimmung des Gegenstandswert in asylrechtlichen Verfahren: BVerwG, Beschluss vom 20.1.1994 – 9 B 15.94 –, DVBl. 1994, 537 = juris, Rn. 3 f.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Um eine solche Regelung handelt es sich bei § 14b SchfHwG. Die von den Prozessbevollmächtigten des Klägers wiedergegebene Rechtsprechung zu § 71 Abs. 1 GKG bzw. der Vorgängervorschrift § 73 Abs. 1 GKG a. F.,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">vgl. BVerwG, Beschluss vom 2.4.1998 – 8 B 19.98 –, Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 146 = juris, Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 26.9.2013 – 6 E 942/13 –, juris, Rn. 2,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">ist deswegen für den vorliegenden Fall nicht maßgeblich. Denn bei diesen Entscheidungen waren während des laufenden Verfahrens Vorschriften im Gerichtskostengesetz selbst geändert worden. Auch aus der weiteren von den Prozessbevollmächtigten des Klägers angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">vgl. Urteil vom 24.3.1994 – 7 C 34.93 –, BVerwGE 95, 301 = juris, Rn. 23 f.,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">ergibt sich in der Sache nichts anderes. Zwar stellt das Bundesverwaltungsgericht für die Streitwertfestsetzung im Ergebnis auf die Regelung des § 73 Abs. 1 GKG a. F. ab und verneint eine Rückwirkung einer während eines laufenden Verfahrens in das Vermögenszuordnungsgesetz eingefügten Regelung zur Gegenstandswertfestsetzung. Zu diesem Ergebnis gelangt es allerdings nur, weil es der Vorschrift selbst sowie einer speziellen Überleitungsvorschrift unter Berücksichtigung der Gesetzgebungshistorie die Wertung entnommen hat, eine Übergangsregelung fehle allein, weil der Gesetzgeber das Übergangsproblem aufgrund einer im Gesetzgebungsverfahrens erst spät erfolgten Erstreckung des Gesetzes auf alle noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren übersehen habe.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Auslegung des § 14b SchfHWG ergibt demgegenüber, dass die Vorschrift Rückwirkung entfaltet. Eine Übergangsvorschrift wurde in das SchfHWG nicht eingefügt. Es ergeben sich aus den Gesetzesmaterialen zu dem ersten Gesetz zur Änderung des Schornsteinfegerhandwerksgesetzes keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Einfügung einer solchen Vorschrift nur versehentlich unterlassen hat. Dass er die in der obergerichtlichen Praxis häufig erfolgende Festsetzung des Auffangstreitwerts für unverhältnismäßig gehalten hat,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">vgl. BT-Drs. Nr. 18/12493, S. 50 f.,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">spricht im Gegenteil dafür, dass der neue Wert sofort gelten sollte. Nur so ließen sich weitere „unverhältnismäßig“ hohe Kostenrisiken vermeiden. Auch der Umstand, dass für den durch dieses Gesetz neu eingefügten § 12a in § 45 SchfHWG ausdrücklich vorgesehen ist, dass dieser nicht bereits mit Inkrafttreten des Gesetzes, sondern erst ab dem 1.1.2018 anzuwenden ist, spricht dafür, dass der Gesetzgeber die Notwendigkeit etwaiger Übergangsregelungen reflektiert und bei der Bestimmung des § 14b SchfHWG von einer solchen im Interesse einer sofortigen Geltung bewusst abgesehen hat.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Dagegen bestehen unter dem Gesichtspunkt einer unechten Rückwirkung keine verfassungsrechtlichen Bedenken; dies gilt auch, soweit die Rechtsanwaltsgebühren der Höhe nach beeinflusst werden.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.1.1994 – 9 B 15.94 –, DVBl. 1994, 537 = juris, Rn. 4.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Ungeachtet dessen existierte trotz der von den Prozessbevollmächtigten des Klägers zutreffend wiedergegebenen früheren Praxis des Senats, bei Klagen gegen Feuerstättenbescheide den Streitwert grundsätzlich auf 5.000,00 EUR festzusetzen, keine solche einheitliche Streitwertpraxis. So war die Frage, ob der Streitwert in solchen Fällen mit dem Auffangstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG zu bemessen war, umstritten. An der hiervon ausgehenden obergerichtlichen Rechtsprechung haben sich – auch in Nordrhein-Westfalen – nicht alle Verwaltungsgerichte konsequent orientiert. Faktisch bewirkt nunmehr erst das Einfügen des § 14b SchfHWG eine Vereinheitlichung der Streitwertpraxis. Zuvor orientierte sich die Streitwertfestsetzung teilweise auch an dem individuellen Interesse des jeweiligen Klägers (§ 52 Abs. 1 GKG), das in der Regel ebenfalls regelmäßig mit einem deutlich unter 5.000,00 EUR liegenden Betrag bemessen wurde.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Vgl. z. B. VG Arnsberg, Beschluss vom 14.2.2013– 1 L 8/13 –, juris, Rn. 28 ff.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.</p>
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180,183 | bverwg-2018-12-21-7-bn-318 | {
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<p>I</p>
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<a name="rd_1">1</a>
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<dd>
<p>Die Antragstellerin verfügt über mehrere Erlaubnisse zum Aufsuchen von Kohlenwasserstoffen in Gebieten des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Die Suche war 2013 erfolgreich, die Förderung ist aber noch nicht aufgenommen worden. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Bestimmungen der §§ 12, 15 und 17 der Verordnung über die Feldes- und Förderabgabe vom 8. April 2014 (GVOBl. M-V 2014, S. 140); die darin festgesetzten Sätze der Feldesabgabe und die Förderabgabe sind gegenüber den Sätzen des Bundesberggesetzes erhöht. Das Oberverwaltungsgericht hat auf den Normenkontrollantrag die genannten Bestimmungen für unwirksam erklärt. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die abweichende Festsetzung der Abgaben nach § 32 Abs. 2 Satz 1 BBergG lägen nicht vor. Eine Gefährdung der Wettbewerbslage der aufsuchenden oder gewinnenden Unternehmen sei nicht erkennbar. Auch auf den Schutz sonstiger volkswirtschaftlicher Belange könne sich der Antragsgegner nicht berufen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_2">2</a>
</dt>
<dd>
<p>Das Oberverwaltungsgericht hat Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen; hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners.</p>
</dd>
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<dd>
<p>II</p>
</dd>
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<dt>
<a name="rd_3">3</a>
</dt>
<dd>
<p>Die allein auf den Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die die Beschwerde ihr beimisst.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_4">4</a>
</dt>
<dd>
<p>Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in den beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>). Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Antragsgegners nicht gerecht.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_5">5</a>
</dt>
<dd>
<p>Die - hier wegen der inhaltlichen Nähe zusammengefasste - Frage,</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<p>ob die Verbesserung der Einnahmesituation des Landes oder die Sanierung des Landeshaushalts einen sonstigen volkswirtschaftlichen Belang im Sinne von § 32 Abs. 2 Satz 1 BBergG darstellen, zu deren Schutz die Festsetzung eines von § 30 Abs. 3 Satz 1 BBergG abweichenden Betrages oder einer anderen Staffelung sowie die Festsetzung eines von § 31 Abs. 2 BBergG abweichenden Vomhundertsatzes oder Bemessungsmaßstabs im Sinne des § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BBergG gerechtfertigt wäre,</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<p>ist nicht rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig. Sie kann vielmehr auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Auslegungsregeln im Einklang mit dem Oberverwaltungsgericht eindeutig im verneinenden Sinne beantwortet werden.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_6">6</a>
</dt>
<dd>
<p>Rein fiskalische Zwecke, die ohne jegliche inhaltliche Lenkungsfunktion allein auf die mit der Erhebung einer Abgabe ohnehin verbundene Steigerung der staatlichen Einnahmen abzielen, was - wofür im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht im Übrigen nichts vorgetragen wurde und es demnach auch an bindenden Tatsachenfeststellungen fehlt - bei nennenswerten Erträgen und sonstigen haushaltspolitischen Rahmenbedingungen auch ein Beitrag zur Haushaltssanierung leisten kann, fallen nicht unter den Begriff der "sonstigen volkswirtschaftlichen Belange" im Sinne von § 32 Abs. 2 Satz 1 BBergG.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_7">7</a>
</dt>
<dd>
<p>Nach dem weiten Wortlaut können volkswirtschaftliche Belange zwar zunächst alle Interessen der beteiligten Wirtschaftssubjekte und somit auch die des Staates und die auf ihn bezogenen Geldströme umfassen. Der Begriff der "sonstigen" volkswirtschaftlichen Belange verweist aber auf die anderen in § 32 Abs. 2 Satz 1 BBergG zuvor genannten Alternativen für die Abweichung von den bundesrechtlich festgesetzten Sätzen. Diese zielen mit der Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, der Abwehr einer Gefährdung der Wettbewerbslage der aufsuchenden oder gewinnenden Unternehmen, der Sicherung der Versorgung des Marktes mit Rohstoffen und der Verbesserung der Ausnutzung von Lagerstätten in verschiedener Weise auf die Steuerung überindividueller Funktionsbedingungen des Zusammenwirkens der Wirtschaftssubjekte in der Volkswirtschaft. Stehen die sonstigen volkswirtschaftlichen Belange somit in einer Reihe mit Tatbestandsvarianten, die nur unter differenzierend umschriebenen Voraussetzungen eine Erhöhung zulassen, verbietet sich die Annahme, dass der Verordnungsgeber unter Berufung auf die genannten Belange die Erhöhung letztlich voraussetzungslos anordnen kann und die ausdifferenzierte Normierung und deren Begrenzungsfunktion damit ins Leere läuft (vgl. Mußgnug, ZfB 134 <1993>, 168 <170, 176>; von Hammerstein/Haack, ZfB 146 <2015>, 151 <153, 157>). Dieses Verständnis wird durch die Gesetzesmaterialien bestärkt, wenn dort zum einen betont wird, dass "der Erlass einer Rechtsverordnung an enge Voraussetzungen geknüpft" sei und zum anderen die Rohstoffsicherung und der Lagerstättenschutz zusammen mit den "sonstigen volkswirtschaftlichen Belangen" zu einer Fallgruppe und einem "Sammeltatbestand" zusammengefasst werden (BT-Drs. 8/1315 S. 96). Darüber hinaus gebietet auch Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ein enges Verständnis der "sonstigen volkswirtschaftlichen Belange"; denn anderenfalls wäre § 32 Abs. 2 Satz 1 BBergG nicht mit dem Bestimmtheitsgrundsatz vereinbar (vgl. Mußgnug, ZfB 134 <1993>, 168 <170, 175 f.>; von Hammerstein/Haack, ZfB 146 <2015>, 151 <153 f.>).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_8">8</a>
</dt>
<dd>
<p>Die Frage,</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<p>ob § 32 Abs. 2 Satz 1 BBergG dahingehend auszulegen ist, dass die Abschöpfung von Marktlagengewinnen ("windfall profits") keinen sonstigen volkswirtschaftlichen Belang darstellt, zu dessen Schutz die Festsetzung eines von § 30 Abs. 3 Satz 1 BBergG abweichenden Betrages oder einer anderen Staffelung sowie die Festsetzung eines von § 31 Abs. 2 BBergG abweichenden Vomhundertsatzes oder Bemessungsmaßstabs im Sinne des § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BBergG gerechtfertigt wäre,</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<p>ist in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Denn das Oberverwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Verordnungsgeber mit der Rechtsverordnung - wie in der Frage vorausgesetzt - gerade auf die Abschöpfung von Marktlagengewinnen abzielt und inwieweit solche gegeben sind. Sind aber Tatsachen, die vorliegen müssten, damit die mit der Beschwerde aufgeworfene Frage sich in einem Revisionsverfahren stellen könnte, von der Vorinstanz nicht festgestellt worden, kann die Revision im Hinblick auf diese Frage nicht allein wegen der Möglichkeit weiterer Tatsachenfeststellung nach Zurückverweisung der Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden (BVerwG, Beschluss vom 13. März 2015 - 7 B 16.14 - NVwZ 2015, 1772 Rn. 17). In dieser Situation bleibt offen, ob die als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt beantwortet werden kann. Für die Zulassung der Revision muss jedoch die Klärungsfähigkeit der gestellten Frage feststehen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. März 2000 - 8 B 287.99 - BVerwGE 111, 61 <62> und vom 2. Februar 2011 - 6 B 37.10 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 173 Rn. 11). Nur ausnahmsweise können andere als die von der Vorinstanz festgestellten Tatsachen der Entscheidung im Revisionsverfahren zugrunde gelegt werden. Dies gilt dann, wenn das Tatsachengericht den Sachverhalt deshalb nicht weiter aufgeklärt hat, weil es die als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage anders als der Beschwerdeführer beantwortet und deshalb die Aufklärung als nicht entscheidungserheblich unterlassen hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. März 2000 - 8 B 287.99 - BVerwGE 111, 61 <62> und vom 4. Dezember 2017 - 6 B 39.17 - juris Rn. 12; siehe auch Beschlüsse vom 19. August 2013 - 9 BN 1.13 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 56 Rn. 7 und vom 21. Januar 2016 - 4 BN 36.15 - BRS 84 Nr. 17 Rn. 13). Hierauf kann sich der Antragsgegner aber nicht berufen. Denn das Oberverwaltungsgericht hat die Frage der Zulässigkeit der Abschöpfung von Marktlagengewinnen nicht abschließend beantwortet und verneint. Es hat vielmehr darauf abgestellt, dass § 32 Abs. 2 Satz 2 BBergG allein das mögliche Ausmaß der Erhöhung der Sätze regelt, während die Zulässigkeit dem Grunde nach sich auch insoweit nur aus den in § 32 Abs. 2 Satz 1 BBergG normierten Fallgruppen ergeben kann (siehe hierzu etwa Kühne, DB 1982, 1693 <1694 f.>; Nicolaysen, Bewilligung und Förderabgabe nach dem BBergG, 1982, S. 40 ff.; Vitzthum/Piens, in: Piens/Schulte/Vitzthum, BBergG, 2. Aufl. 2013, § 32 Rn. 5; BT-Drs. 8/3965 S. 135). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Oberverwaltungsgericht ersichtlich deswegen verneint, weil der Antragsgegner hierzu im Verfahren nichts vorgetragen hatte und schon deswegen - auch ungeachtet des Fehlens eines Beweisantrags - kein Anlass für eine weitere Sachverhaltsaufklärung bestand. Wie in Bezug auf Verfahrensrügen gilt aber auch hier, dass das Revisionsverfahren nicht dazu dient, Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 15. Juli 2015 - 7 B 23.14 - juris Rn. 13 m.w.N.).</p>
</dd>
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<dd>
<p>Die Frage,</p>
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<dd>
<p>ob § 32 Abs. 2 Satz 1 BBergG dahingehend auszulegen ist, dass dem Verordnungsgeber im Hinblick auf das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals des Schutzes volkswirtschaftlicher Belange und die Erforderlichkeit einer Anpassung der Feldes- und Förderabgaben eine Einschätzungsprärogative zukommt, so dass die plausible Darlegung befürchteter negativer Folgen der Rohstoffgewinnung für die Rechtmäßigkeit einer Abweichung genügt,</p>
</dd>
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<dd>
<p>rechtfertigt ebenso wenig die Zulassung der Revision. Die Beschwerde zeigt einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf nicht auf. Soweit die Frage sich als entscheidungserheblich erweist, ist sie einer fallübergreifenden Beantwortung nicht zugänglich. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass die Auswirkungen des Abtransports des geförderten Rohöls und der daraus folgende Ausbaubedarf für die Verkehrsinfrastruktur des Landes grundsätzlich unter dem Rechtsbegriff der sonstigen volkswirtschaftlichen Belange fallen können. Ob dem eine volle richterliche Überprüfung eines unbestimmten Rechtsbegriffs zugrunde liegt oder ob von einem Auftrag der Exekutive zur näheren Konkretisierung des gesetzlichen Tatbestands verbunden mit einem Beurteilungs- und Konkretisierungsspielraum auszugehen ist (siehe hierzu Möstl, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2016, § 19 Rn. 31), ist für die Entscheidung unerheblich. Von Bedeutung bleibt dann allein die hieran anschließende Frage, welche Anforderungen für die prognostische Darlegung der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der unterstellten Kausalbeziehung gelten. Dies richtet sich aber - auch bei Annahme eines Beurteilungsspielraums des Verordnungsgebers - nach den Umständen des Einzelfalls und kann demnach rechtsgrundsätzlich nicht geklärt werden.</p>
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<p>Die Klärungsfähigkeit der Frage,</p>
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<dd>
<p>ob § 32 Abs. 2 Satz 1 BBergG dahingehend auszulegen ist, dass der "Schutz volkswirtschaftlicher Belange" eine Abweichung nur zum Ausgleich von Nachteilen erlaubt, deren Auswirkungen auf die Volkswirtschaft des jeweiligen Bundeslandes von vergleichbarem Gewicht sind wie bei den sonstigen in § 32 Abs. 2 Satz 1 BBergG genannten Voraussetzungen und dies insbesondere zur Folge hat, dass die Auswirkungen landesweit wirtschaftlich spürbar sein müssen, es also nicht genügt, dass diese nur die lokale oder regionale Wirtschaft betreffen,</p>
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<dd>
<p>ist gleichfalls nicht dargetan. Denn das Oberverwaltungsgericht geht davon aus, dass die vom Antragsgegner angeführten Auswirkungen der Erdölförderung auf die Verkehrsinfrastruktur in ihrer Gesamtheit einen volkswirtschaftlichen Belang darstellen können und folglich die geforderten landesweiten Wirkungen vorliegen.</p>
</dd>
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<p>Die Frage,</p>
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<p>ob es dem Verordnungsgeber auf Grundlage von § 32 Abs. 1 Satz 1 BBergG zum Schutz sonstiger volkswirtschaftlicher Belange möglich ist, einen gegenüber den § 31 BBergG erhöhten Fördersatz vorzusehen, wenn er gleichzeitig die Anrechenbarkeit von Feldesbehandlungskosten oder anderer mit der Förderung verbundener Kosten vorsieht,</p>
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<dd>
<p>wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil das Oberverwaltungsgericht sie sich so nicht gestellt und deshalb auch nicht beantwortet hat (BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 2018 - 4 B 7.18 - juris Rn. 25). Die Revisionszulassung setzt vielmehr eine Rechtsfrage voraus, die für das angegriffene Urteil entscheidungserheblich war (BVerwG, Beschluss vom 4. Oktober 2013 - 6 B 13.13 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 181 Rn. 18). Auf die Modalitäten der Erhöhung des Fördersatzes hat das Oberverwaltungsgericht aber nicht abgestellt, weil es aus seiner Sicht bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Erhöhung fehlte.</p>
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<a name="rd_12">12</a>
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<dd>
<p>Schließlich rechtfertigt die Frage,</p>
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<dt/>
<dd>
<p>ob der Verordnungsgeber die Feldes- und Förderkosten zur Abwehr einer Gefährdung der Wettbewerbslage der aufsuchenden oder gewinnenden Unternehmen oder zum Schutz sonstiger volkswirtschaftlicher Belange im Sinne des § 32 Abs. 2 Satz 1 BBergG bereits dann anpassen darf, wenn Unternehmen wegen der besonders hohen oder niedrigen Qualität der zu fördernden Rohstoffe bei gleichbleibenden Feldes- und Förderabgaben außergewöhnliche Vor- oder Nachteile zu gewärtigen hätten,</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<p>auch dann nicht die Zulassung der Revision, wenn sie allein auf die Auswirkungen der Förderung von - wie im gesamten Verfahren vorgetragen - Rohstoffen hoher Qualität beschränkt wird.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_13">13</a>
</dt>
<dd>
<p>Soweit der Antragsgegner sich im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht in dieser Hinsicht auf die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Gefährdung der Wettbewerbslage der aufsuchenden oder gewinnenden Unternehmen beruft, besteht jedenfalls kein Klärungsbedarf. Denn damit lässt sich nur eine Herabsetzung der Fördersätze für die von der Verordnung im jeweiligen Bundesland betroffenen Unternehmen begründen (vgl. Mann, in: Boldt/Weller/Kühne/von Mäßenhausen, BBergG, 2. Aufl. 2016, § 32 Rn. 8 f.; Nicolaysen, a.a.O. S. 41; Bücker, ZfB 123 <1982>, 77 <82>). Erlangt ein Unternehmen außergewöhnliche wirtschaftliche Vorteile durch die Förderung qualitativ hochwertiger Rohstoffe, kann dies nur positive, nicht aber negative Auswirkungen auf seine Wettbewerbslage haben. Nur im letzteren Falle steht eine Gefährdung der Wettbewerbslage der betroffenen Unternehmen in Rede, die der Verordnungsgeber gegebenenfalls durch eine Anpassung der Förderabgaben nach unten abfedern kann. Auswirkungen auf Unternehmen in anderen Bundesländern sind insoweit unbeachtlich, weil das Gesetz dem (Landes-)Verordnungsgeber nur die Berücksichtigung der Wettbewerbslage der seiner Regelungskompetenz unterliegenden abgabepflichtigen Unternehmen aufgibt.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_14">14</a>
</dt>
<dd>
<p>Soweit die Frage sich auf das Tatbestandsmerkmal des Schutzes sonstiger volkswirtschaftlicher Belange bezieht und die Beschwerdebegründung auf Parallelen zur Abschöpfung von Marktlagengewinnen verweist, fehlt es auch hier - als Voraussetzung der Klärungsbedürftigkeit - an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_15">15</a>
</dt>
<dd>
<p>Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.</p>
</dd>
</dl>
</div>
|
171,316 | lsgnrw-2018-12-21-l-7-as-200018-b-er | {
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} | L 7 AS 2000/18 B ER; L 7 AS 2001/18 B | 2018-12-21T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:52 | 2019-02-12T13:44:39 | Beschluss | ECLI:DE:LSGNRW:2018:1221.L7AS2000.18B.ER.L.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 18.09.2018 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Gründe:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Antragsteller begehren mit ihrer Beschwerde Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab dem 14.08.2018 im Wege des einstweiligen Rechtschutzes.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der am 00.00.1979 geborene Antragsteller zu 1) siedelte mit seiner am 00.00.1991 geborenen früheren Lebensgefährtin, Frau F G und drei ihrer gemeinsamen Kinder, den am 00.00.2009, 00.00.2011 und 00.00.2008 geborenen Antragstellern zu 2) bis 4), im April 2014 in die Bundesrepublik Deutschland über. Frau F G und der Antragsteller zu 1) sind darüber hinaus Eltern der in Deutschland geborenen Kinder O G (geboren am 00.00.2015) und B G (geboren am 00.00.2018). Die Antragsteller sind - wie die übrigen Familienmitglieder - rumänische Staatsbürger.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Zunächst lebten die Antragsteller zusammen mit Frau F G in H. Im Juni 2017 zogen die Antragsteller mit Frau F G und O G von H nach I, wo sie bei dem Antragsgegner am 12.06.2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beantragten. Frau F G und der Antragsteller zu 1) gaben an, sie seien auf geringfügiger Basis bei der Gesellschaft für M. und K. mbH, F (GMK) befristet als Zusteller beschäftigt. Sie legten einen ab dem 01.06.2017 gültigen Mietvertrag über eine 72 m² große Wohnung in der C-straße 00, I mit einer monatlichen Gesamtmiete von 520 EUR (385 EUR Grundmiete, 60 EUR Betriebskostenvorschuss, 75 EUR Heizkostenvorschuss) vor. Ferner wurde ein Kindergeldbescheid der Familienkasse Nordrhein-Westfalen Nord vom 07.11.2016 vorgelegt, mit dem die bewilligten Kindergeldleistungen für die Antragsteller zu 2) bis 4) und das Geschwisterkind O G ab November 2016 aufgehoben wurden. Zur Begründung wurde in dem Aufhebungsbescheid der Familienkasse Nordrhein-Westfalen Nord aufgeführt, dass die für den Kindergeldbezug notwendige Niederlassungs- oder Aufenthaltserlaubnis nicht mehr bestehe, da die Freizügigkeit mit Verfügung der Ausländerbehörde vom 10.10.2016, zugestellt am 18.10.2016, durch die Stadt H aufgehoben worden sei.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Antragsteller zu 2) bis 4) besuchten bei Antragstellung noch die H-grundschule V. Für den Antragsteller zu 3) lag eine Schulanfängeranmeldung für diese Schule für das Schuljahr 2017/18 vor. Die Antragsteller 2) und 3) wechselten später auf die Grundschule Q, I. Der Antragsteller zu 4) wechselte nach dem Umzug nach I auf die Grundschule K in I.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Eine Statusanfrage des Antragsgegners im Registerportal des Bundesverwaltungsamtes vom 21.06.2017 ergab, dass hinsichtlich der Antragsteller zu 2) bis 4) sowie Frau F G und O G mit Bescheiden der Ausländerbehörde H vom 10.10.2016 nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet festgestellt und am 18.10.2016 die Ausweisung für sofort vollziehbar erklärt wurde.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheiden vom 18.07.2017, 18.09.2017, 28.12.2017 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern, Frau F G und O G zunächst SGB II-Leistungen in der Zeit vom 01.06.2017 bis 30.11.2017 unter Berücksichtigung des Erwerbseinkommens bei der GMK. Im Rahmen eines persönlichen Gesprächs vom 05.01.2018 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller zu 1) und Frau F G mit, dass vor Klärung des Aufenthaltsrechts eine weitere Leistungsgewährung nicht in Betracht komme.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Am 14.04.2018 wurde die jüngste Tochter des Antragstellers zu 1) und Schwester der Antragsteller zu 2) bis 4), B G, geboren. Frau F G wurde deswegen für die Zeit vom 14.04.2018 bis 13.04.2019 Elterngeld in Höhe von 300 EUR monatlich von der Stadt I bewilligt.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 25.04.2018 lehnte der Antragsgegner die weitere Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Antragsteller sowie F G, O G und B G ab. Der Antragsteller zu 1) und Frau F G hätten zuletzt ein Beschäftigungsverhältnis nicht mehr nachgewiesen und für die Antragsteller zu 2) bis 4) und Frau F G sei die Freizügigkeit mit der Ausreiseaufforderung der Stadt I entzogen worden. Die Antragsteller und ihre Familienangehörigen hätten nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU ihr Freizügigkeitsrecht verloren, so dass sie sich nach § 7 Abs. 2 FreizügG/EU nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten dürften. Demnach hätten sie auch keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Das Schreiben vom 25.04.2018 enthielt keine Rechtsmittelbelehrung.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Am 30.04.2018 haben die Antragsteller, Frau F G, O G und B G bei dem SG Gelsenkirchen beantragt den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab Antragstellung zu zahlen (S 33 AS 1169/18 ER). Wegen der Arbeitnehmereigenschaft des Antragstellers zu 1) und von Frau F G sei der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht einschlägig.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Mit Beschluss vom 07.05.2018 hat das Sozialgericht den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller zu 1) den Regelbedarf vom 30.04.2018 bis zum 30.09.2018 - abzüglich des Erwerbseinkommens und ohne Bedarfe für Unterkunft und Heizung - zu zahlen. Im Übrigen hat das SG den Antrag abgelehnt.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Gegen den ihnen am 09.05.2018 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller zu 2) bis 4), ihre Mutter und Geschwister am 06.06.2018 Beschwerde bei dem Senat eingelegt (L 7 AS 961/18 B ER). Die Beschwerde der Mutter und Geschwister der Antragsteller (B und O G), die wegen einer drohenden Haftstrafe der Mutter wieder nach Rumänien (so der Antragsteller zu 1)) bzw. nach Frankreich (so die Ausländerbehörde der Stadt I unter Bezugnahme auf eine Mitteilung des Antragstellers zu 1)) ausgewandert seien, hat die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller mit Schriftsätzen vom 22.08.2018 und 13.09.2018 zurückgenommen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Parallel zum Beschwerdeverfahren haben die Antragsteller erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beim Antragsgegner beantragt. Das Beschäftigungsverhältnis des Antragstellers zu 1) sei zwischenzeitlich mit Schreiben vom 09.05.2015 der GMK zum 15.06.2018 gekündigt worden. Mit Schreiben vom 11.06.2018 hat der Antragsteller zu 1) mitgeteilt, seine "Frau" (gemeint wohl Frau F G) sei mit der jüngsten Tochter ausgezogen und nach Rumänien zurückgekehrt. Er sei nunmehr alleinerziehender Vater von drei Kindern.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Am 15.06.2018 hat der Antragsgegner vom Ausländeramt Kenntnis erhalten, dass sich Frau F G in Untersuchungshaft befand. Eine Verurteilung wegen "Bandenkriminalität" sei im Januar 2018 erfolgt. Für die Kinder von Frau F G bestehe weiterhin keine Freizügigkeit. Auf weitere Nachfrage des Antragsgegners hat der Antragsteller zu 1) mit Schreiben vom 20.06.2018 mitgeteilt, sein Geburtsname sei T gewesen. Er habe im Jahr 2006 Frau T geheiratet und ihren Namen angenommen. Im Jahr 2007 habe er sich scheiden lassen. Seit 2007 sei er mit Frau F G zusammen gekommen, ohne diese zu heiraten. Er habe fünf Kinder mit ihr. Frau F G sei mit den beiden jüngsten Kindern ausgewandert und wieder nach Rumänien zurückgekehrt. Das Einwohnermeldeamt habe eine Abmeldung abgelehnt. Ihm sei arbeitgeberseitig ordentlich gekündigt worden, wie sich aus dem Kündigungsschreiben vom 09.05.2018 zum 15.06.2018 ergebe. Er lebe als alleinerziehender Vater von drei Kindern in der Wohnung C-straße 00, I. Die Lohnabrechnungen habe er bereits vorgelegt, werde diese gleichwohl noch einmal nachreichen. In der Folgezeit hat der Antragsteller zu 1) die Lohnabrechnungen für die Monate November 2017 bis März 2018 dem Antragsgegner zugefaxt.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Auf gerichtliche Nachfrage in dem Beschwerdeverfahren L 7 AS 961/18 B ER hat das Amt für Ausländerangelegenheiten der Stadt H unter dem 27.07.2018 mitgeteilt, dass Frau F G weiterhin vollziehbar ausreisepflichtig sei. Zwar habe sie gegen diese Ordnungsverfügung Rechtsmittel eingelegt, jedoch sei das Verfahren eingestellt worden, da Frau F G das Verfahren nicht betrieben habe. Der Antragsteller zu 4) sei ebenfalls vollziehbar ausreisepflichtig. Die Abweichung im Ausländerzentralregister beruhe auf einen Übertragungsfehler.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Am 14.08.2018 haben die Antragsteller bei dem SG Gelsenkirchen einen weiteren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und ihren Vortrag im Wesentlichen wiederholt. Das SG Gelsenkirchen hat eine Stellungnahme der GMK eingeholt, die unter dem 05.09.2018 mitgeteilt hat, dass das Beschäftigungsverhältnis des Antragstellers zu 1) verhaltensbedingt gekündigt worden sei, weil dieser trotz arbeitsgerichtlicher Abmahnung nicht vereinbarte Arbeitszeiten eingehalten habe.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Gestützt hierauf hat das SG Gelsenkirchen mit Beschluss vom 18.09.2018 den Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Prozesskostenhilfe abgelehnt.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die GMK hat auf gerichtliche Anfrage in dem Verfahren L 7 AS 961/18 B ER mit Schreiben vom 21.09.2018 ferner mitgeteilt, dass das Beschäftigungsverhältnis mit dem Antragsteller zu 1) nach Abmahnung verhaltensbedingt gekündigt worden sei. Bereits zuvor hat die Bundesagentur für Arbeit am 18.09.2018 festgestellt, dass die ab dem 16.06.2018 eingetretene Arbeitslosigkeit des Antragstellers zu 1) selbstverschuldet eingetreten sei.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 18.09.2018, der ihnen am 19.09.2018 zugestellt wurde, haben die Antragsteller Beschwerde eingelegt. Das Beschäftigungsverhältnis des Antragstellers zu 1) sei entgegen der Stellungnahme der GMK unfreiwillig beendet worden. Die Antragsteller zu 2) bis 4) besuchten in I weiterhin Grundschulen und würden vom Antragsteller zu 1) alleine erzogen. Zu diesem Zwecke habe der Antragsteller im Juni 2018 vor dem AG I das alleinige Sorgerecht beantragt.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Unter dem 23.10.2018 hat die Ausländerbehörde der Stadt I in dem Beschwerdeverfahren L 7 AS 961/18 B ER mitgeteilt, dass es ein Verfahren zur Feststellung über das Nichtbestehen der Freizügigkeitsrechte bezüglich des Antragstellers zu 1) eröffnet habe. Da das letzte Beschäftigungsverhältnis des Antragstellers zu 1) nicht unfreiwillig beendet worden sei, sei beabsichtigt, den Verlust der Freizügigkeit festzustellen. Hierzu laufe eine Anhörungsfrist, die am 08.11.2018 ende. Eine Rückverfügung des Freizügigkeitsrechts der minderjährigen Antragsteller zu 2) bis 4) sei nicht erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Auf Anfrage des Senats in dem Beschwerdeverfahren L 7 AS 961/18 B ER haben die Grundschulen Q und K mit Schreiben vom 30.10.2018 und 31.10.2018 mitgeteilt, dass die Antragsteller zu 2) bis 4) seit den Herbstferien 2018 nicht mehr zum Schulunterricht erschienen sind. Weder seien Abmeldungen noch Entschuldigungen eingegangen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 26.11.2018 hat die Ausländerbehörde der Stadt I gemäß § 5 Abs. 4 FreizügG/EU das Nichtbestehen des Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet bei dem Antragsteller zu 1) festgestellt und die sofortige Vollziehung dieser Ordnungsverfügung angeordnet. Zur freiwilligen Ausreise hat das Ausländeramt dem Antragsteller zu 1) eine Frist bis zum 31.01.2019 eingeräumt. Für den Fall, dass eine freiwillige Ausreise zum 31.01.2019 nicht erfolgt, wurde bereits die Abschiebung nach § 7 Abs. 1 Satz 3 FreizügG/EU angedroht. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller zu 1) bisher - soweit ersichtlich - keinen Widerspruch eingelegt.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Mit Beschluss vom 28.11.2018 hat der Senat in dem Beschwerdeverfahren L 7 AS 961/18 B ER die Beschwerde der Antragsteller zu 2) bis 4) zurückgewiesen, da die Antragsteller zu 2) bis 4) weder einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hatten, noch Leistungen im Wege der Folgenabwägung zuzusprechen waren</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Beschwerde der Antragsteller ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Das Sozialgericht hat den Antrag der Antragsteller zu 2) bis 4) im Ergebnis zu Recht abgelehnt, da dieser bereits Gegenstand des Verfahren S 33 AS 1169/18 ER bzw. L 7 AS 561/18 B ER war und eine parallele Geltendmachung desselben Anspruchs in einem weiteren Verfahren nicht zulässig ist. Nur der Antrag des Antragstellers zu 1) war zulässig. Zulässiger Gegenstand des Verfahrens ist damit die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dem 14.08.2018 an den Antragsteller zu 1). Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt (vgl. bereits die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 28.11.2018 - L 7 AS 561/18 B ER).</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 ZPO). Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung zu ermitteln. Können ohne Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05). Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend zu berücksichtigen hat (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschlüsse vom 05.09.2017 - L 7 AS 1419/17 B ER und vom 21.07.2016 - L 7 AS 1045/16 B ER).</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller zu 1) hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Es kann offen bleiben, ob der Antragsteller zu 1) die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllt. Jedenfalls war er nach § 7 SGB II vom Leistungsbezug ausgenommen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a SGB II sind vom SGB II-Leistungsbezug ausgenommen Ausländerinnen und Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Bei dem Antragsteller zu 1) wurde von der zuständigen Ausländerbehörde nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet festgestellt. Der Antragsteller hat nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU sein Freizügigkeitsrecht verloren, so dass er sich nach § 7 Abs. 2 FreizügG/EU nicht im Bundesgebiet aufhalten darf. Die förmliche Verlustfeststellung begründet nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU die sofortige Ausreisepflicht, wenn nicht Rechtsschutz in Anspruch genommen wird (BSG Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R). Der Antragsteller zu 1) hat nicht glaubhaft gemacht, dass er gegen die ihm adressierte Verlustfeststellung Rechtsmittel eingelegt hat.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Hinzu kommt, dass nach der durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 erfolgten Änderung des § 7 FreizügG/EU die Ausreisepflicht nicht mehr erst dann entsteht, wenn die Ausländerbehörde unanfechtbar festgestellt hat, dass das Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht besteht, sondern grundsätzlich bereits mit der bloßen Feststellung des Verlustes (BT-Drs. 16/5065, S. 211; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen Beschlüsse vom 06.10.2017 - L 19 AS 1761/17 B ER und vom 19.03.2018 - L 19 AS 133/18 B ER, das in diesen Fällen bereits einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet verneint).</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Antragsteller zu 2) bis 4) verfügen auch nicht über ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO (EU) 492/11, weshalb auch der Antragsteller zu 1) sich hierauf nicht berufen kann. Danach können die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen. Art. 10 VO (EU) 492/11 verleiht den Kindern eines Arbeitnehmers ein eigenes Recht auf Zugang zum Unterricht an einer allgemeinbildenden Schule und damit ein autonomes, dh nicht vom Aufenthaltsrecht ihrer Eltern abhängiges, eigenständiges Aufenthaltsrecht. Dieses Recht gilt für Kinder von Arbeitnehmern wie auch für die Kinder ehemaliger Arbeitnehmer. Art. 10 VO (EU) 492/11 verlangt nur, dass das Kind mit seinen Eltern oder einem Elternteil in der Zeit in einem Mitgliedstaat lebte, in der dort zumindest ein Elternteil als Arbeitnehmer wohnte (vgl. EuGH, Urteile vom 30.06.2016 - C-115/15, vom 13.06.2013 - C-45/12 Hadj Ahmed, vom 08.05.2013 - C-529/11 Alarape und Tijani, vom 14.06.2012 - C-542/09, vom 06.09.2012 - C-147/11/148/11 Czop und Punakova und vom 23.02.2010 - C-310/08; 480/08 Ibrahim und Teixeira). Voraussetzung ist aber, dass sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, woran hier hinsichtlich der Antragsteller zu 2) bis 4) erhebliche Zweifel bestehen und am Unterricht tatsächlich teilnehmen. Letzteres ist hier nicht glaubhaft gemacht, denn die Antragsteller zu 2) bis 4) sind seit dem Ende der Herbstferien, mithin seit dem 29.10.2018, unentschuldigt nicht mehr zum Unterricht erschienen. Die u.a. mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller vom 26.11.2018 vorgelegten Schulbescheinigungen datieren vom 14.09.2018 bzw. 18.09.2018 und damit vor den Herbstferien. Ob dem Leistungsbezug aufgrund des Schulbesuchs zusätzlich § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2c) SGB II entgegensteht oder hier im Wege der Folgenabwägung bei einem tatsächlichen und fortgesetzten Schulbesuch im einstweiligen Rechtsschutz eine Folgenabwägung zugunsten des Antragstellers vorgenommen werden muss (so die ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 21.12.2017 - L 7 AS 2044/17 B ER), braucht im vorliegenden Einzelfall nicht entschieden zu werden, da kein tatsächlicher und fortgesetzter Schulbesuch glaubhaft gemacht wurde. Ebenso muss nicht entschieden werden, ob ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO (EU) 492/11 auch bei Ausländern, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, denkbar ist oder ob auch insoweit dem Aufenthaltsrecht die Tatbestandswirkung der ausländerbehördlichen Ausreiseverfügung entgegensteht.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Vor diesem Hintergrund sind Leistungen auch nicht im Wege der Folgenabwägung zuzusprechen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Zuletzt hatte auch eine Beiladung der Stadt I als zuständige Trägerin von Leistungen nach dem AsylbLG nicht zu erfolgen. Zwar käme nach den obigen Ausführungen ein Anspruch des Antragstellers zu 1) nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG in Betracht (vgl. LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 25.07.2016 - L 8 SO 19/16 B ER; LSG Hessen Beschluss vom 22.05.2015 - L 4 SO 31/15 B ER). Insofern fehlt es jedoch an einem Anordnungsgrund, da die anwaltlich vertretenen Antragsteller sich bislang nicht an die Stadt I gewandt und Leistungen begehrt haben, obwohl ein entsprechender Hinweis mit Beschluss vom 28.11.2018 bereits in dem Beschwerdeverfahren L 7 AS 961/18 B ER erteilt wurde. Ein Antragsteller ist zunächst gehalten, sich an den (zuständigen) Leistungsträger unmittelbar zu wenden, bevor er gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nimmt (so auch LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 06.10.2017 - L 19 AS 1761/17 B ER).</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Mangels hinreichender Erfolgsaussicht war auch der Antrag auf Prozesskostenhilfe für die Antragsteller abzulehnen (§ 73a SGG iVm § 114 Abs. 1 ZPO). Im Beschwerdeverfahren haben die Antragsteller keinen Prozesskostenhilfe-Antrag gestellt.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs. 4 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).</p>
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171,315 | vg-gelsenkirchen-2018-12-21-9a-l-216018a | {
"id": 843,
"name": "Verwaltungsgericht Gelsenkirchen",
"slug": "vg-gelsenkirchen",
"city": 423,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
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} | 9a L 2160/18.A | 2018-12-21T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:52 | 2019-02-12T13:44:39 | Beschluss | ECLI:DE:VGGE:2018:1221.9A.L2160.18A.00 | <h2>Tenor</h2>
<ul><li><p>1. Die aufschiebende Wirkung der im Verfahren 9a K 5971/18.A gegen die in    Ziffer 1. des Bescheides der Antragsgegnerin vom 20. November 2018    (Az.          ) enthaltene Ablehnung des Asylantrags als unzulässig    erhobenen Klage wird angeordnet.</p>
</li>
<li><p>2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das    Gerichtskosten nicht erhoben werden.</p>
</li>
</ul><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Mit seinem wörtlich gestellten Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">die aufschiebende Wirkung dieser Klage anzuordnen,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">bezieht sich der anwaltlich nicht vertretene Antragsteller auf seine am 26. November 2018 im Verfahren 9a K 5971/18.A gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. November 2018 – Az– erhobene Klage, mit der er wörtlich beantragt, den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Az.   ) vom 20. November 2018 in Ziffer 1. aufzuheben, die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise, subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG zu gewähren, weiter hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 V und VII 1 AufenthG vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Bei verständiger Würdigung seines Vorbringens (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) ist Rechtsschutzziel des Antragstellers im Eilverfahren,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">die aufschiebende Wirkung der im Verfahren 9a K 5971/18.A gegen die in Ziffer 1. des Bescheides der Antragsgegnerin vom 20. November 2018 (Az.) enthaltene Ablehnung seines Asylfolgeantrags als unzulässig anzuordnen,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">hilfsweise, die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 28. Februar 2018 (Az.) enthaltene Abschiebungsandrohung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Hauptsacheverfahren vorläufig nicht vollzogen werden darf.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Mit der in Ziffer 1. des in der Hauptsache angegriffenen Bescheides enthaltenen Regelung wurde das als Folgeantrag erfasste Begehren des Antragstellers als unzulässig abgelehnt. In den Fällen, in denen eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 des Asylgesetzes (AsylG) ergeht, ist die Anfechtungsklage die statthafte Klageart im Hauptsacheverfahren. Soweit in der bisherigen Rechtsprechung zum Folgeantrag die Verpflichtungsklage als allein zulässige Klageart betrachtet worden war, ist daran aufgrund der Weiterentwicklung des Asylverfahrensrechts durch das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl. I, S. 1939), insbesondere der Neufassung des § 29 AsylG durch Art. 6 dieses Gesetzes, nicht festzuhalten.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 1 C 4.16 – juris Rn. 16 ff.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Vor diesem Hintergrund ist nunmehr auch in den Fällen, in denen das Bundesamt – wie hier – keine erneute Abschiebungsandrohung gemäß §§ 71 Abs. 4, 34 bis 36 AsylG erlassen hat, vorläufiger Rechtsschutz gegen drohende Abschiebungsmaßnahmen nicht mehr nach § 123 Abs. 1 VwGO, sondern nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren. Gegenstand des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist dann die in der Hauptsache mit der Anfechtungsklage angegriffene Ablehnung des Asylfolgeantrags als unzulässig.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">VG München, Beschluss vom 08. Mai 2017 – M 2 E 17.37375 –, Rn. 12 f., juris;</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die gegen die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig gerichtete Anfechtungsklage hat keine aufschiebende Wirkung, weil insbesondere kein Fall der §§ 75 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylG vorliegt. Gemäß § 71 Abs. 4 AsylG sind, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen, die §§ 34, 35 und 36 AsylG entsprechend anzuwenden. Es liegt damit kein „sonstiger Fall“ im Sinne des § 38 Abs. 1 AsylG vor, bei dem eine Anfechtungsklage gemäß § 75 Abs. 1 AsylG aufschiebende Wirkung hätte. Dies gilt auch dann, wenn es einer erneuten Abschiebungsandrohung nach § 71 Abs. 4 i.V.m. § 34 ff. AsylG nicht bedarf, weil eine nach Stellung des früheren Asylantrags ergangene Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollziehbar geworden ist (§ 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG),</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Vgl. VG München, Beschluss vom 08. Mai 2017 – M 2 E 17.37375 –, Rn. 13, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 28. Februar 2018 – Au 6 E 18.30245 –, Rn. 23, juris; VG Dresden, Beschluss vom 11. September 2017 – 13 L 1004/17.A –, Rn. 19, juris</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Wird dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprochen, dürfen aus der Ablehnung des Folgeantrags einstweilen keine Folgen mehr gezogen werden bzw. ist von einer vorläufigen Wirksamkeitshemmung auszugehen. Der betroffene Ausländer ist im Ergebnis zumindest so zu stellen, als sei über seinen Folgeantrag noch nicht entschieden. Damit scheidet – was zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes erforderlich, aber auch ausreichend ist – insbesondere eine Abschiebung des Ausländers einstweilen aus.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Vgl. VG München, Beschluss vom 08. Mai 2017 – M 2 E 17.37375 –, Rn. 14, juris m.N.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">In der Hauptsache ist die in Ziffer 2. des Bescheides enthaltene Ablehnung einer Abänderung des Ausgangsbescheides zu den Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hilfsweise durch eine Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage zur verwaltungsgerichtlichen Prüfung zu stellen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 1 C 4.16 – Rn. 20, juris.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Vor diesem Hintergrund kommt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur ein Antrag nach § 123 VwGO in Betracht, der im Hilfsverhältnis zu dem gegen Ziffer 1. des in der Hauptsache angegriffenen Bescheides gerichteten Antrag steht. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dem Bundesamt aufzugeben, der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass die im Ausgangsbescheid enthaltene Abschiebungsandrohung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Hauptsacheverfahren vorläufig nicht vollzogen werden darf.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Vgl. auch VG Augsburg, Beschluss vom 28. Februar 2018 – Au 6 E 18.30245 –, Rn. 25, juris; vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 28. Mai 2018 – 3a L 953/18.A – n.v.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Von den so verstandenen Anträgen hat der Hauptantrag Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der gegen Ziffer 1. des in der Hauptsache angegriffenen Bescheides gerichtete Antrag ist zulässig. Insbesondere ist er nicht verfristet, weil die Wochenfrist gemäß § 36 Abs. 3 AsylG mangels erneut erlassener Abschiebungsandrohung (§ 71 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG) nicht gilt. Vielmehr besteht für den gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gestellten Antrag das geforderte Rechtsschutzbedürfnis, weil die Klage in der Hauptsache zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben wurde.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Antrag ist begründet.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die aufschiebende Wirkung der Klage ist anzuordnen. In der von § 71 Abs. 4 AsylG geforderten entsprechenden Anwendung des § 36 Abs. 4 AsylG darf die aufschiebende Wirkung der Klage nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO hängt ab von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Suspendierung der angefochtenen Maßnahme einerseits und der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Bei der Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Rechtmäßigkeit des sofort vollziehbaren Verwaltungsakts nach dem Maßstab des nach dem Maßstab des § 36 Abs. 4 AsylG ernstlich zweifelhaft ist, überwiegt das private Aufschubinteresse des Antragstellers. An der Vollziehung einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme besteht kein öffentliches Interesse. Wird sich hingegen der angegriffene Bescheid nach summarischer Prüfung als rechtmäßig erweisen, überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Bestand der sofortigen Vollziehbarkeit.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Es bestehen in der Sache bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen und nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ernstliche Zweifel daran, dass das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als Folgeantrag behandeln und als unzulässig ablehnen konnte.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Rechtsgrundlage für eine erneute Sachprüfung des Asylbegehrens durch die Antragsgegnerin im Folgeantragsverfahren ist § 71 Abs. 1 AsylG. Danach ist für den Fall, dass ein Ausländer, bei dem ein Asylantrag zurück genommen oder unanfechtbar abgelehnt worden ist, erneut einen Asylantrag (Folgeantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Ein Folgeantrag liegt hier nach summarischer Prüfung nach Sichtung und Würdigung der vom Bundesamt übermittelten Beiakten nicht vor. Der Antragsteller befindet sich nach summarischer Prüfung nach wie vor in einem Asylerstverfahren, das nach § 33 Abs. 5 Satz 5 AsylG durch das Bundesamt nach Einstellung des Asylverfahrens mit Bescheid vom 25. August 2017 und Aufhebung dieses Bescheides auf seinen Antrag vom 5. September 2017 hin wieder in dem Verfahrensabschnitt aufgenommen wurde, in dem es eingestellt wurde. Damit befand sich der Antragsteller mit der Wiederaufnahme des Verfahrens erneut im Erstverfahren. Demgegenüber ist das als Folgeantrag erfasste Ersuchen des Antragstellers nicht als Folgeantrag zu qualifizieren, weil das Erstverfahren nach summarischer Prüfung noch schwebt. Für einen Folgeantrag wäre es erforderlich gewesen, dass die Regelung des § 33 Abs. 5 Satz 6 AsylG eingreift. Dies ist jedoch nicht der Fall.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">§ 33 Abs. 5 AsylG bestimmt, dass das Bundesamt insbesondere im Fall des Eingreifens der Rücknahmefiktion wegen Nichtbetreibens (§ 33 Abs. 1 AsylG) das Asylverfahren einstellt (Satz 1). Ein Ausländer, dessen Asylverfahren gemäß Satz 1 eingestellt worden ist, kann die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen (Satz 2). […] Stellt der Ausländer einen neuen Asylantrag, so gilt dieser als Antrag im Sinne des Satzes 2 (Satz 4). Das Bundesamt nimmt die Prüfung in dem Verfahrensabschnitt wieder auf, in dem sie eingestellt wurde (Satz 5).</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Nach § 33 Abs. 5 Satz 6 AsylG ist abweichend von Satz 5 das Asylverfahren nicht wieder aufzunehmen und ein Antrag nach Satz 2 oder Satz 4 als Folgeantrag (§ 71) zu behandeln, wenn die Einstellung des Asylverfahrens zum Zeitpunkt der Antragstellung mindestens neun Monate zurückliegt (Nr. 1) oder das Asylverfahren bereits nach dieser Vorschrift wieder aufgenommen worden war (Nr. 2).</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller hat mit dem Antrag vom 22. Juni 2018 keinen Antrag nach § 33 Abs. 5 Satz 2 AsylG gestellt. Dies hätte vorausgesetzt, dass das Verfahren nach § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG eingestellt worden wäre. Hieran fehlt es. Die Antragsgegnerin hat den Bescheid vom 25. August 2017 aufgehoben und das Verfahren wiederaufgenommen. Das Verfahren ist nicht durch eine Einstellungsentscheidung gemäß § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG beendet worden. Die Einstellung ergibt sich nicht aus dem Bescheid vom 28. Februar 2018. Dieser Bescheid ist dem Antragsteller gegenüber aber nach summarischer Prüfung nicht wirksam geworden. Er ist nicht ordnungsgemäß zugestellt worden (§§ 41 Abs. 5 VwVfG, 4 VwZG).</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Der Bescheid wurde am 28. Februar 2018 an die dem Bundesamt bekannte Wohnanschrift des Antragstellers, unter der er auch den hier anhängigen Antrag gestellt hat, adressiert als Einschreiben zur Post gegeben (Bl. VV). Das Einschreiben wurde nicht abgeholt („non réclamé“ – ebenda, Bl.) und gelangte als Postrückläufer zum Bundesamt zurück.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Dies genügt nicht den Anforderungen des § 4 VwZG. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 VwZG wäre zum Nachweis der Zustellung durch die Post mittels Einschreiben mit Rückschein gerade die Vorlage des Rückscheines erforderlich. Einen solchen gibt es hier nicht und kann es auch nicht geben, da der Umschlag mit dem Bescheid darin unstreitig von der Post an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zurückgesandt wurde. Unabhängig davon, ob § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG überhaupt auf Einschreiben mit Rückschein - und nicht nur auf sonstige Übergabeeinschreiben - anwendbar ist, ergibt sich daraus ebenfalls keine Zustellung, denn es steht fest, dass der Bescheid nicht anderweitig aufgrund der postalischen Versendung zugegangen ist, § 4 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 und Satz 3 VwZG. Im Ergebnis gilt, dass, sollte ein Bescheid durch eingeschriebenen Brief zugestellt werden, der eingeschriebene Brief aber seitens der Post an den Absender zurückgesandt wurde, weil die Auslieferung nicht möglich war, so fehlt es auch dann an einer förmlichen Zustellung, wenn der Brief in der Zwischenzeit bei dem Postamt hinterlegt und der Empfänger davon benachrichtigt worden war.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 1970 – VIII C 137.69 –, juris, Ls.; VG Düsseldorf, Urteil vom 18. Januar 2013 – 17 K 6052/12.A –, Rn. 22, juris; VG Augsburg, Urteil vom 08. Juni 2011 – Au 6 K 11.30166 –, Rn. 36, juris; Kopp/Ramsauer, VwVfG § 41 Rn. 72.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Es ist nach summarischer Prüfung der Beiakten des Bundesamtes nicht ersichtlich, dass der Antragsteller das Schriftstück anderweitig erhalten oder seinen Zugang über das schlichte Nichtabholen hinaus treuwidrig vereitelt hätte.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Vgl. zum Aspekt der treuwidrigen Vereitelung VG Hamburg, Urteil vom 27. November 1996 – 22 VG 2003/95 –, Rn. 28, juris m.N. zur st. Rspr. des BVerwG.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Der Bescheid gilt auch nicht aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG als zugestellt. Darauf, ob der Antragsteller über die Zustellungsfiktion gemäß § 10 Abs. 7 AsylG ordnungsgemäß belehrt worden ist, kommt es deshalb nicht an.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">§ 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG sieht vor, dass die Zustellung mit der Aufgabe zur Post als bewirkt gilt, wenn die Sendung dem Ausländer nicht zugestellt werden kann, selbst wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt. Voraussetzung für den Eintritt dieser Fiktionswirkung ist jedoch, dass der erfolglose Zustellversuch ordnungsgemäß erfolgt ist, was unter anderem dann nicht der Fall ist, wenn an der letzten bekannten Anschrift nach den allgemeinen Regeln des Verwaltungszustellungsgesetzes hätte ordnungsgemäß zugestellt werden können, dies aber zu Unrecht unterblieben ist.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Vgl. VG Münster, Urteil vom 22. Juni 2018 – 7 K 5191/16.A –, juris Rn. 19 ff. m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Hiervon ausgehend greift die Zustellungsfiktion vorliegend nicht ein. Der Antragsteller war nach summarischer Prüfung durchgehend unter der Anschrift, an die zugestellt werden sollte, nach seinen eigenen Angaben und dem Inhalt der beigezogenen Akten wohnhaft, sodass eine ordnungsgemäße Zustellung also hätte erfolgen können. Es fällt in die Risikosphäre der Antragsgegnerin, die sachgerechte Zustellungsart zu wählen.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Eine Entscheidung über den Hilfsantrag erübrigt sich wegen des Erfolgs des Hauptantrages.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auf Grund der nach summarischer Prüfung fehlgeschlagenen Zustellung des Bescheides vom 28. Februar 2018 eine Abschiebungsandrohung nicht wirksam ergangen sein dürfte.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG.</p>
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} | 10 O 159/17 | 2018-12-21T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:51 | 2019-02-12T13:44:38 | Urteil | ECLI:DE:LGD:2018:1221.10O159.17.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben die Klägerin zu 1. zu 78 % und die Klägerin zu 2. zu 22 % zu tragen; im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.</p>
<p>Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Tatbestand:</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist ein Kreditinstitut, das sich u. a. über die Ausgabe von Genussscheinen refinanzierte. Streitgegenständlich sind die Genussscheine mit den WKN 273079 (ISIN: DE0002730793) und 273080 (ISIN: DE0002730801), die die Parteien auch als „Altemissionen“ bezeichnen, die Genussscheine mit der WKN 273119 (ISIN: DE0002731197), die die Parteien auch als „2015er Genussscheine“ bezeichnen sowie die Genussscheine mit den WKN 273142 (ISIN: DE0002731429) und 273156 (ISIN: DE0002731569), die die Parteien auch als „2017 Genussscheine“ bezeichnen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Diese wurden jeweils in Stückelungen zu je 100,00 € (WKN 273079, 273080, 273119), 1.000,00 € (WKN 273142) bzw. 50.000,00 € (WKN 273156) ausgegeben. Die Genussscheine mit der WKN 273079 wurden 2001 ausgegeben, ihre Laufzeit endete mit dem Geschäftsjahr #####/####. Die Genussscheine mit der WKN 273080 wurden 2002 ausgegeben, ihre Laufzeit endete ebenfalls mit dem Geschäftsjahr #####/####. Die Genussscheine mit der WKN 273119 wurden 2004 ausgegeben, ihre Laufzeit endete mit dem Geschäftsjahr #####/####. Die Genussscheine mit der WKN 273142 wurden 2006, die Genussscheine mit der WKN 273156 wurden 2007 ausgegeben; ihre Laufzeiten endeten jeweils mit dem Geschäftsjahr #####/####.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Für die Genussscheine sollte nach § 2 Abs. 1 der jeweiligen Genussscheinbedingungen (im Folgenden: GB) eine jährliche Ausschüttung gezahlt werden, die nach § 2 Abs. 2 der jeweiligen Bedingungen dadurch begrenzt war, dass durch sie kein „Jahresfehlbetrag“ (WKN 273079, 273080) bzw. „Bilanzverlust“ (WKN 273119, 273142, 273156) entstehen dürfe. § 2 Abs. 1 GB 273156 bestimmt ergänzend, dass ein bestehender Bilanzverlust nicht erhöht werden dürfe.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Genussscheine sollten nach § 3 Abs. 1 der jeweiligen Bedingungen grundsätzlich zum Nennbetrag zurückgezahlt werden. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 der jeweiligen Bedingungen nehmen die Genussscheininhaber allerdings an einem Verlust (WKN 273079, 273080: „Jahresfehlbetrag“; WKN 273119, 273142, 273156: „Bilanzverlust“) <em>„in voller Höhe durch Verminderung ihrer Rückzahlungsansprüche, und zwar im Verhältnis der Rückzahlungsansprüche zu dem in der Bilanz ausgewiesenen Eigenkapital (einschließlich Genußscheinkapital, jedoch ohne nachrangige Verbindlichkeiten)“</em> teil. Zusätzlich enthalten § 4 Abs. 1 S. 2 und S. 3 GB 273142 und GB 273156 in Satz 2 eine Regelung für den Fall einer Kapitalherabsetzung und bestimmen dann in Satz 3: <em>„Verlustvorträge aus den Vorjahren bleiben hierbei außer Betracht“</em>. § 4 Abs. 2 der jeweiligen Bedingungen regelt, dass und wie die Rückzahlungsansprüche zu erhöhen sind, wenn nach einer Verlustteilnahme in den folgenden Geschäftsjahren Jahresüberschüsse erzielt werden.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Genussscheinbedingungen 2001 (WKN 273079, Anlage K 20), die Genussscheinbedingungen 2002 (WKN 273080, Anlage K 19), die Genussscheinbedingungen 2004 (WKN 273119, Anlage K 15), die Genussscheinbedingungen 2006 (WKN 273142, Anlage K 16) sowie die Genussscheinbedingungen 2007 (WKN 273156, Anlage K 17) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin zu 1. hielt Genussscheine der Beklagten mit der WKN 273119 im Nominalvolumen von 12.345.000,00 €, Genussscheine mit der WKN 273079 im Nominalvolumen von 16.200.000,00 € sowie Genussscheine mit der WKN 273080 im Nominalvolumen von 5.364.000,00 €.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte sah sich im Jahr 2007 einer Krise ausgesetzt, in deren Folge die Genussscheininhaber – so auch die Kläger – ab dem Geschäftsjahr #####/#### an Verlusten beteiligt wurden.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">In den Jahresabschlüssen der Geschäftsjahre #####/####, #####/#### und #####/#### wies die Beklagte jeweils einen Jahresüberschuss von 0 € aus, nachdem sie dem Sonderposten für allgemeine Bankrisiken nach § 340g HGB Beträge in Höhe von etwa 402 Mio. € (#####/####), 5 Mio. € (#####/####) bzw. 7 Mio. € (#####/####) zugeführt hatte. Auch im Geschäftsjahr #####/#### schloss die Beklagte mit einem Jahresüberschuss von 0 €, nachdem sie eine außerordentliche Zuführung zu den Pensionsrückstellungen in Höhe eines sonst entstehenden Jahresüberschusses in Höhe von 23 Mio. € vorgenommen hatte. Ab dem Geschäftsjahr #####/#### füllte sie weder die Rückzahlungsansprüche der Genussscheininhaber auf noch erbrachte sie Zinszahlungen an die Genussscheininhaber.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Bei Fälligkeit der Genussscheine mit den WKN 273079 und 273080 im Jahr 2012 sowie bei Fälligkeit der Genussscheine mit der WKN 273119 im Jahr 2015 leistete die Beklagte jeweils keine Rückzahlung, sondern buchte die Genussscheine als wertlos aus. Bei der Berechnung der Rückzahlungsansprüche berücksichtigte die Beklagte jeweils den Verlustvortrag des Vorjahres. Bei Fälligkeit der Genussscheine mit den WKN 273142 und 273156 im Jahr 2017 zahlte die Beklagte 26,840554 % des Nennbetrags zurück.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin zu 2. behauptet, sie halte aus abgetretenem Recht Genussscheine mit der WKN 273119 im Nominalvolumen von 3.356.000,00 € sowie Genussscheine mit den WKN 273142 und 273156 jeweils im Nominalvolumen von 100.000,00 €.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Klägerinnen sind der Ansicht, ihnen stehe nach § 3 Abs. 1 der jeweiligen Bedingungen jeweils ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 100 % des Nennbetrags, jedenfalls aber ein höherer Rückzahlungsanspruch zu, als ihnen von der Beklagten bei Fälligkeit zugestanden worden sei. Zum einen seien bei der Berechnung der Verlustbeteiligung nach § 4 Abs. 1 GB 273119 Verlustvorträge aus dem Vorjahr nicht zu berücksichtigen. Zum anderen sei bei der Berechnung der Verlustteilnahme nach § 4 Abs. 1 der jeweiligen Bedingungen – entgegen der Praxis der Beklagten – im Rechenposten „in der Bilanz ausgewiesene[s] Eigenkapital (einschließlich Genußscheinkapital, jedoch ohne nachrangige Verbindlichkeiten)“ auch der Sonderposten für allgemeine Bankrisiken (§ 340g HGB) zu berücksichtigen, X3 die Genussscheinbedingungen insoweit auf das aufsichtsrechtliche Eigenkapital nach § 10 Abs. 2 S. 2 KWG (in dem zum Zeitpunkt der jeweiligen Emissionen geltenden Fassung, im Folgenden: a. F.), jedenfalls aber auf sämtliche in der Handelsbilanz ausgewiesenen Posten mit Eigenkapitalcharakter, Bezug nähmen. Die Klägerin zu 2. ist in diesem Zusammenhang der Auffassung, dass bei den Genussscheinen mit den WKN 273142 und 273156 Verlustvorträge aus dem Vorjahr auch bei dem Rechenposten „in der Bilanz ausgewiesene[s] Eigenkapital“ herauszurechnen seien.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Etwaig durch Verlustteilnahmen herabgeminderte Rückzahlungsansprüche seien nach § 4 Abs. 2 der jeweiligen Bedingungen wieder aufzufüllen. Zum einen habe der Wiederauffüllungsanspruch Vorrang vor der Dotierung des Sonderpostens nach § 340g HGB. Zum anderen hätten die gesetzlichen Voraussetzungen für die erfolgten Dotierungen nicht vorgelegen, vielmehr seien diese rechtsmissbräuchlich – nämlich mit dem Ziel, die Genussrechte „auszuhungern“ – erfolgt (dies betrifft die Genussscheine mit den WKN 273119, 273142 und 273156).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Klägerinnen zu 1. und 2. beanspruchen darüber hinaus ab dem Geschäftsjahr #####/#### Ausschüttungen bzw. Nachzahlungen von Ausschüttungen gemäß § 2 Abs. 1 und Abs. 2 der jeweiligen Bedingungen. Diese seien nicht nach § 2 Abs. 2 jeweiligen Bedingungen ausgeschlossen, da zum einen Verlustvorträge aus dem Vorjahr nicht zu berücksichtigen seien und zum anderen der Ausschüttungsanspruch Vorrang vor der – ohnehin fehlerhaft bzw. rechtsmissbräuchlich erfolgten – Dotierung des Sonderpostens nach § 340g HGB genieße (dies betrifft Genussscheine mit den WKN 273119, 273142 und 273156).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Klägerinnen beantragen nach teilweisen Änderungen ihrer Anträge und zwischenzeitlicher Erweiterung der Klage zuletzt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">1.      die Beklagte zu verurteilen, an die <strong>Klägerin zu Ziffer 1.</strong>, als Verwalterin des x, auf die Genussscheine mit der WKN <strong>273119</strong> / ISIN DE0002731197 einen Betrag von 16.789.200,00 € nebst ausgerechneter Zinsen für den Zeitraum vom 31.03.2015 bis zum 03.08.2015 In Höhe von 191.347,50 € sowie aus einem Teilbetrag von 3.888.675,00 € seit dem 04.08.2014 sowie aus einem Teilbetrag von 12.900.525,00 € seit dem 04.08.2015 jeweils in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., hilfsweise in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., mindestens aber in Höhe von 5 % p. a., zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">2.      die Beklagte zu verurteilen, an die <strong>Klägerin zu Ziffer 1.</strong>, als Verwalterin des Investmentvermögens x, auf die Genussscheine mit der WKN <strong>273079</strong> / ISIN DE0002730793 einen Betrag von 154.710,00 € nebst Zinsen hieraus seit dem 01.01.2014 in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., hilfsweise in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., mindestens aber in Höhe von 5 % p. a., zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">3.       die Beklagte zu verurteilen, an die <strong>Klägerin zu Ziffer 1.</strong>, als Verwalterin des x, auf die Genussscheine mit der WKN <strong>273080</strong> / ISIN DE0002730801 einen Betrag von 51.226,20 € nebst Zinsen hieraus seit dem 01.01.2014 in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., hilfsweise in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., mindestens aber in Höhe von 5 % p. a., zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">4.       die Beklagte zu verurteilen, an die <strong>Klägerin zu Ziffer 2.</strong> auf die Genussscheine mit der WKN <strong>273119</strong> / ISIN DE0002731197 einen Betrag von 4.564.160,00 € nebst ausgerechneter Zinsen für den Zeitraum vom 31.03.2015 bis zum 03.08.2015 in Höhe von 52.018,00 € sowie aus einem Teilbetrag von 1.057.140,00 € seit dem 04.08.2014 sowie aus einem Teilbetrag von 3.507.020,00 € seit dem 04.08.2015 jeweils in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., hilfsweise in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., mindestens aber in Höhe von 5 % p. a., zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">5.       die Beklagte zu verurteilen, an die <strong>Klägerin zu Ziffer 2.</strong> auf die Genussscheine mit der WKN <strong>273142</strong> / ISIN DE0002731429 einen Betrag von 115.459,45 € nebst ausgerechneter Zinsen für den Zeitraum vom 31.03.2017 bis zum 01.08.2017 in Höhe von 1.158,73 € sowie Zinsen aus einem Teilbetrag von 32.900,00 € seit dem 02.08.2014, aus einem Teilbetrag von 4.700,00 € seit dem 02.08.2015, aus einem Teilbetrag von 4.700,00 € seit dem 02.08.2016 sowie aus einem Teilbetrag von 73.159,45 € seit dem 02.08.2017 jeweils in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., hilfsweise in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., mindestens aber in Höhe von 5 % p. a., zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">6.       die Beklagte zu verurteilen, an die <strong>Klägerin zu 2.</strong> auf die Genussscheine mit der WKN <strong>273156</strong> / ISIN DE0002731569 einen Betrag von 123.784,45 € nebst ausgerechneter Zinsen für den Zeitraum vom 31.03.2017 bis zum 01.08.2017 in Höhe von 1.386,77 € sowie Zinsen aus einem Teilbetrag von 39.375,00 € seit dem 02.08.2014, aus einem Teilbetrag von 5.625,00 € seit dem 02.08.2015, aus einem Teilbetrag von 5.625,00 € seit dem 02.08.2016 sowie aus einem Teilbetrag von 73.159,45 € seit dem 02.08.2017 jeweils in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., hilfsweise in Höhe von 5,625 Prozentpunkten, höchst hilfsweise in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., mindestens aber in Höhe von 5 % p. a., zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">7.       hilfsweise für den Fall, dass das erkennende Gericht eine Rückzahlung aus den Genussscheinen mit der WKN <strong>273119</strong> / ISIN DE0002731197 zu 100 % des Nennbetrages des Genussscheinkapitals ablehnt, sich aber der Auffassung anschließt, dass bei der Verlustteilnahmeberechnung die Verlustvorträge aus den Vorjahren nicht mehrfach als Verlust und im Eigenkapital der Fonds für allgemeine Bankrisiken als Eigenkapitalbestandteil zu berücksichtigen sind:</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">7.1. die Beklagte zu verurteilen, an die <strong>Klägerin zu Ziffer 1.</strong>, als Verwalterin des x, auf die Genussscheine mit der WKN <strong>273119</strong> / ISIN DE0002731197 einen Betrag von 3.752.880,00 € nebst ausgerechneter Zinsen für den Zeitraum vom 31.03.2015 bis zum 03.08.2015 in Höhe von 58.021,50 € sowie Zinsen aus 3.752.880,00 € seit dem 04.08.2015 in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., hilfsweise in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., mindestens aber in Höhe von 5 % p. a., zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">7.2. die Beklagte zu verurteilen, an die <strong>Klägerin zu Ziffer 2.</strong> auf die Genussscheine mit der WKN <strong>273119</strong> / ISIN DE0002731197 einen Betrag von 1.004.450,80 € nebst ausgerechneter Zinsen für den Zeitraum vom 31.03.2015 bis zum 03.08.2015 in Höhe von 15.773,20   sowie Zinsen aus 1.004.450.80 € seit dem 04.08.2015 in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., hilfsweise in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., mindestens aber in Höhe von 5 % p. a., zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">8.       hilfsweise für den Fall, dass das erkennende Gericht eine Rückzahlung aus den Genussscheinen mit der WKN <strong>273119</strong> / ISIN DE0002731197 zu 100 % des Nennbetrages des Genussscheinkapitals und eine Berücksichtigung des Fonds für allgemeine Bankrisiken als Eigenkapitalbestandteil bei der Verlustteilnahmeberechnung ablehnt, sich aber der Auffassung anschließt, dass bei der Verlustteilnahmeberechnung die Verlustvorträge aus den Vorjahren nicht mehrfach als Verlust zu berücksichtigen sind:</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">8.1. die Beklagte zu verurteilen, an die <strong>Klägerin zu Ziffer 1.</strong>, als Verwalterin des x, auf die Genussscheine mit der WKN <strong>273119</strong> / ISIN DE0002731197 einen Betrag von 3.313.398,00 € nebst ausgerechneter Zinsen für den Zeitraum vom 31.03.2015 bis zum 03.08.2015 in Höhe von 51.849,00 € sowie Zinsen aus 3.313.398,00 € seit dem 04.08.2015 in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., hilfsweise in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., mindestens aber in Höhe von 5 % p. a., zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">8.2. die Beklagte zu verurteilen, an die <strong>Klägerin zu Ziffer 2.</strong> auf die Genussscheine mit der WKN <strong>273119</strong> / ISIN DE0002731197 einen Betrag von 900.750,40 € nebst ausgerechneter Zinsen für den Zeitraum vom 31.03.2015 bis zum 03.08.2015 in Höhe von 14.095,20 € sowie Zinsen aus 900.750,40 € seit dem 04.08.2015 in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., hilfsweise in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., mindestens aber in Höhe von 5 % p. a., zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">9.       a)              hilfsweise für den Fall, dass das erkennende Gericht eine Rückzahlung aus den Genussscheinen mit der WKN <strong>273142</strong> / ISIN DE0002731429 zu 100 % des Nennbetrages ablehnt, sich aber der Auffassung anschließt, dass bei der Verlustteilnahmeberechnung im Eigenkapital der Fonds für allgemeine Bankrisiken als Eigenkapitalbestandteil zu berücksichtigen ist und die Verlustvorträge aus dem Vorjahr im Nenner der Verlustteilnahmeberechnung nicht als Abzugsposten zu berücksichtigen sind, die Beklagte zu verurteilen, an <strong>die Klägerin zu Ziffer 2.</strong> auf die Genussscheine mit der WKN <strong>273142</strong> / ISIN DE0002731429 einen Betrag von 12.884,30 € nebst ausgerechneter Zinsen für den Zeitraum vom 31.03.2017 bis zum 01.08.2017 in Höhe von 204,07 € sowie Zinsen aus 12.884,30 € seit dem 02.08.2017 in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., hilfsweise in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., mindestens aber in Höhe von 5 % p. a., zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">b)              höchst hilfsweise für den Fall, dass das erkennende Gericht eine Rückzahlung aus den Genussscheinen mit der WKN <strong>273142</strong> / ISIN DE0002731429 zu 100 % des Nennbetrages ablehnt, sich aber der Auffassung anschließt, dass bei der Verlustteilnahmeberechnung im Eigenkapital der Fonds für allgemeine Bankrisiken als Eigenkapitalbestandteil zu berücksichtigen ist, die Verlustvorträge aus dem Vorjahr im Nenner der Verlustteilnahmeberechnung hingegen als Abzugsposten zu berücksichtigen sind, die Beklagte zu verurteilen, an die <strong>Klägerin zu Ziffer 2.</strong> auf die Genussscheine mit der WKN 273142 / ISIN DE0002731429 einen Betrag von 3.090,45 € nebst ausgerechneter Zinsen für den Zeitraum vom 31.03.2017 bis zum 01.08.2017 in Höhe von 48,95 € sowie Zinsen aus 3.090,45 € seit dem 02.08.2017 in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., hilfsweise in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., mindestens aber in Höhe von 5 % p. a., zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">10.   a)              hilfsweise für den Fall, dass das erkennende Gericht eine Rückzahlung aus den Genussscheinen mit der WKN <strong>273156</strong> / ISIN DE0002731569 zu 100 % des Nennbetrages ablehnt, sich aber der Auffassung anschließt, dass bei der Verlustteilnahmeberechnung im Eigenkapital der Fonds für allgemeine Bankrisiken als Eigenkapitalbestandteil zu berücksichtigen ist und die Verlustvorträge aus dem Vorjahr im Nenner der Verlustteilnahmeberechnung nicht als Abzugsposten zu berücksichtigen sind, die Beklagte zu verurteilen, an die <strong>Klägerin zu Ziffer 2.</strong> auf die Genussscheine mit der WKN 273156 / ISIN DE0002731569 einen Betrag von 12.884,30 € nebst ausgerechneter Zinsen für den Zeitraum vom 31.03.2017 bis zum 01.08.2017 in Höhe von 244,23 € sowie Zinsen aus 12.884,30 € seit dem 02.08.2017 in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., hilfsweise in Höhe von 5,625 Prozentpunkten, höchst hilfsweise In Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., mindestens aber in Höhe von 5 % p. a., zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">b)              höchst hilfsweise für den Fall, dass das erkennende Gericht eine Rückzahlung aus den Genussscheinen mit der WKN <strong>273156</strong> / ISIN DE0002731569 zu 100 % des Nennbetrages ablehnt, sich aber der Auffassung anschließt, dass bei der Verlustteilnahmeberechnung im Eigenkapital der Fonds für allgemeine Bankrisiken als Eigenkapitalbestandteil zu berücksichtigen ist, die Verlustvorträge aus dem Vorjahr im Nenner der Verlustteilnahmeberechnung hingegen als Abzugsposten zu berücksichtigen sind, die Beklagte zu verurteilen, an die <strong>Klägerin zu Ziffer 2.</strong> auf die Genussscheine mit der WKN 273156 / ISIN DE0002731569 einen Betrag von 3.090,45 € nebst ausgerechneter Zinsen für den Zeitraum vom 31.03.2017 bis zum 01.08.2017 in Höhe von 58,58 € sowie Zinsen aus 3.090,45 € seit dem 02.08.2017 in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., hilfsweise in Höhe von 5,625 Prozentpunkten, höchst hilfsweise in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a., mindestens aber in Höhe von 5 % p. a., zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">11.   die Beklagte zu verurteilen, an die <strong>Klägerin zu Ziffer 1.</strong>, als Verwalterin des x, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 109.798,62 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit Rechtshängigkeit zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">12.   die Beklagte zu verurteilen, an die <strong>Klägerin zu Ziffer 2.</strong> vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 33.891,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit Rechtshängigkeit zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">13.   die Beklagte zu verurteilen, an die <strong>Klägerinnen zu Ziffern 1. und 2. als</strong> Gesamtgläubiger – neben den Klägern im Verfahren 10 O 285/18 – auf die verauslagten Gerichtskosten in Höhe von 242.808,00 € Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem Zeitpunkt ihrer Einzahlung, hilfsweise mit dem Antrag der Beklagten auf Klageabweisung, bis zur Beantragung der Kostenfestsetzung zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">14.   hilfsweise für den Fall, dass das Gericht der Auffassung ist, dass die Jahresabschlüsse der Beklagten für die Geschäftsjahre #####/####, #####/#### und #####/#### durch Heilung gemäß § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG gegenüber den <strong>Klägerinnen zu Ziffern 1. und 2.</strong> Bindungswirkung entfalten und deren in der Klage geltend gemachten Ansprüche hemmen oder ausschließen:</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">14.1. festzustellen, dass der festgestellte Jahresabschluss der Beklagten zum 31.03.2014 für das Geschäftsjahr vom 01.04.2013 bis 31.03.2014 nichtig ist,</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">14.2. festzustellen, dass der festgestellte Jahresabschluss der Beklagten zum 31.03.2015 für das Geschäftsjahr vom 01.04.2014 bis 31.03.2015 nichtig ist,</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">14.2. festzustellen, dass der festgestellte Jahresabschluss der Beklagten zum 31.03.2016 für das Geschäftsjahr vom 01.04.2015 bis 31.03.2016 nichtig ist;</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">15.   hilfsweise für den Fall, dass das erkennende Gericht eine Rückzahlung aus den Genussscheinen mit der WKN <strong>273119</strong> / ISIN DE0002731197 zu 100 % des Nennbetrages ablehnt, sich aber der Auffassung anschließt, dass Rückzahlungen und (nachholende) Kuponzahlungen an die <strong>Klägerin zu Ziffer 1.</strong> auch nach dem Laufzeltende der Genussscheine aus einer zukünftigen Erstattung von für das Jahr 2009 gezahlter Körperschaftsteuer inkl. Solidaritätszuschlag oder aus Zahlungen auf die im Geschäftsjahr #####/#### abgeschriebene Steuerforderung erfolgen müssen, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, aus einer bis zur Feststellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr #####/#### erfolgenden Erstattung von für das Jahr 2009 gezahlter Körperschaftsteuer inkl. Solidaritätszuschlag oder aus Zahlungen auf die im Geschäftsjahr #####/#### abgeschriebene Steuerforderung vorrangig Zahlungen an die Klägerin zu Ziffer 1 auf die Genussscheine mit der WKN 273119 / ISIN DE0002731197 in Höhe von 16.789.200,00 € zu leisten;</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">16.   hilfsweise für den Fall, dass das erkennende Gericht eine Rückzahlung aus den Genussscheinen mit der WKN <strong>273119</strong> / ISIN DE0002731197 zu 100 % des Nennbetrages ablehnt, sich aber der Auffassung anschließt, dass Rückzahlungen und (nachholende) Kuponzahlungen an die <strong>Klägerin zu Ziffer 2.</strong> auch nach dem Laufzeltende der Genussscheine aus einer zukünftigen Erstattung von für das Jahr 2009 gezahlter Körperschaftsteuer inkl. Solidaritätszuschlag oder aus Zahlungen auf die im Geschäftsjahr #####/#### abgeschriebene Steuerforderung erfolgen müssen, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, aus einer bis zur Feststellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr #####/#### erfolgenden Erstattung von für das Jahr 2009 gezahlter Körperschaftsteuer inkl. Solidaritätszuschlag oder aus Zahlungen auf die im Geschäftsjahr #####/#### abgeschriebene Steuerforderung vorrangig Zahlungen an die Klägerin zu Ziffer 2 auf die Genussscheine mit der WKN 273119 / ISIN DE0002731197 in Höhe von 4.564.160,00 € zu leisten;</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">17.   hilfsweise für den Fall, dass das erkennende Gericht eine Rückzahlung aus den Genussscheinen mit der WKN <strong>273142</strong> / ISIN DE0002731429 zu 100 % des Nennbetrages ablehnt, sich aber der Auffassung anschließt, dass Rückzahlungen und (nachholende) Kuponzahlungen an die <strong>Klägerin zu Ziffer 2.</strong> auch nach dem Laufzeitende der Genussscheine aus einer zukünftigen Erstattung von für das Jahr 2009 gezahlter Körperschaftsteuer inkl. Solidaritätszuschlag oder aus Zahlungen auf die im Geschäftsjahr #####/#### abgeschriebene Steuerforderung erfolgen müssen, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, aus einer bis zur Feststellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr #####/#### erfolgenden Erstattung von für das Jahr 2009 gezahlter Körperschaftsteuer inkl. Solidaritätszuschlag oder aus Zahlungen auf die im Geschäftsjahr #####/#### abgeschriebene Steuerforderung vorrangig Zahlungen an die Klägerin zu Ziffer 2 auf die Genussscheine mit der WKN 273142 / ISIN DE0002731429 in Höhe von 115.459,45 € zu leisten;</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">18.   hilfsweise für den Fall, dass das erkennende Gericht eine Rückzahlung aus den Genussscheinen mit der WKN 273156 / ISIN DE0002731569 zu 100 % des Nennbetrages ablehnt, sich aber der Auffassung anschließt, dass Rückzahlungen und (nachholende) Kuponzahlungen an die <strong>Klägerin zu Ziffer 2.</strong> auch nach dem Laufzeitende der Genussscheine aus einer zukünftigen Erstattung von für das Jahr 2009 gezahlter Körperschaftsteuer inkl. Solidaritätszuschlag oder aus Zahlungen auf die im Geschäftsjahr #####/#### abgeschriebene Steuerforderung erfolgen müssen, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, aus einer bis zur Feststellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr #####/#### erfolgenden Erstattung von für das Jahr 2009 gezahlter Körperschaftsteuer inkl. Solidaritätszuschlag oder aus Zahlungen auf die im Geschäftsjahr #####/#### abgeschriebene Steuerforderung vorrangig Zahlungen an die Klägerin zu Ziffer 2 auf die Genussscheine mit der WKN 273156 / ISIN DE0002731S69 in Höhe von 123.784,45 € zu leisten;</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">19.   die Beklagte zu verurteilen, <strong>Auskunft</strong> zu erteilen über die in den Geschäftsjahren #####/#### bis #####/#### erfolgten Dotierungen der § 340g HGB-Reserve durch Vorlage der betreffenden Vorstands- und Aufsichtsratsbeschlüsse, der Beschlussvorlagen für Vorstand- und Aufsichtsratsbeschlüsse, Beschlussvorlagen für Vorstand und Aufsichtsrat und seiner Ausschüsse einschließlich interner Arbeitspapiere, der regulatorischen Kapitalplanung als wesentlicher Planungsgröße der operativen 5-Jahresplanung, sowie der Prüfberichte der Wirtschaftsprüfer, jeweils betreffend die Geschäftsjahre #####/#### bis #####/####.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Sie tritt der Argumentation der Kläger in rechtlicher Hinsicht entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe:</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks"><strong>I.</strong></p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks"><strong>1.              Keine Zahlungsansprüche der Klägerin zu 1. hinsichtlich der Genussscheine mit der WKN 273119 (Antrag zu 1., Hilfsanträge zu 7.1. und 8.1.)</strong></p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin zu 1. stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche hinsichtlich der von ihr gehaltenen Genussscheine mit der WKN 273119 zu. Bei den diesbezüglichen „Hilfsanträgen“ zu 7.1. und 8.1. handelt es sich nicht um Hilfsanträge im eigentlichen Sinne; vielmehr beziffert die Klägerin zu 1. lediglich ihre Zahlungsansprüche für den Fall, dass die Kammer der klägerischen Berechnung nicht in allen strittigen Fragen folgen will, auf entsprechend geringere Beträge.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks"><strong>a)              Kein Rückzahlungsanspruch (§ 3 Abs. 1 GB)</strong></p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin zu 1. steht gegen die Beklagte hinsichtlich der Genussscheine mit der WKN 273119 kein – auch nicht ein teilweiser – Anspruch auf Rückzahlung des Nennbetrags gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 GB 273119 zu.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Denn die Berechnung der Beklagten ist weder hinsichtlich der Verlustteilnahme der Genussscheininhaber nach § 4 Abs. 1 GB 273119 noch hinsichtlich eines (nicht bestehenden) Wiederauffüllungsanspruchs nach § 4 Abs. 2 GB 273119 zu beanstanden, da im Rahmen der Verlustteilnahme Verlustvorträge aus dem Vorjahr zu berücksichtigen sind und der Rechenposten <em>„in der Bilanz ausgewiesene[s] Eigenkapital (einschließlich Genussscheinkapital, jedoch ohne andere nachrangige Verbindlichkeiten)“</em> allein das im handelsrechtlichen Jahresabschluss ausgewiesene Eigenkapital zuzüglich des Genussscheinkapitals – und nicht etwa auch den Sonderposten nach § 340g HGB – umfasst.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks"><strong>aa) Berechnungsformel des Rückzahlungsanspruchs</strong></p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Die Verlustteilnahme berechnet sich nach der Formel:</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks"><em>Rückzahlungsanspruch nach Verlustbeteiligung in % =</em></p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks"><em>Rückzahlungsanspruch vor Verlustbeteiligung in % * (1 - Jahresfehlbetrag /in der Bilanz ausgewiesenes Eigenkapital, einschließlich Genussscheinkapital, jedoch ohne andere nachrangige Verbindlichkeiten).</em></p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Denn ausweislich § 4 Abs. 1 GB 273119 nehmen die Genussscheininhaber an einem Verlust wie folgt teil:</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die (zuvor bestehenden) Rückzahlungsansprüche – hierfür ist der Rechenposten „1“ anzusetzen, der die bisherigen Rückzahlungsansprüche in voller Höhe wiedergibt – vermindern sich – d. h. „minus“ – in dem Verhältnis der Rückzahlungsansprüche – d. h. Rückzahlungsanspruch nach Verlustbeteiligung geteilt durch Rückzahlungsanspruch vor Verlustbeteiligung – zu dem Verhältnis – d. h. „gleich“ – dem Jahresfehlbetrag zu dem in der Bilanz ausgewiesenen Eigenkapital (einschließlich Genussscheinkapital, jedoch ohne nachrangige Verbindlichkeiten). Diese Formel ergibt durch Umstellung die oben genannte Formel.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Soweit die Klägerinnen im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 31.10.2018 – ohne dies in den Einzelheiten weiter zu begründen – meinen, es sei auch eine andere Formel denkbar, nämlich:</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks"><em>Buchwert der Genussscheine im Jahr X =</em></p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks"><em>Ursprünglicher Rückzahlungsanspruch * Bilanzverlust des Jahres X (vor der Verlustteilnahme) / in der Bilanz ausgewiesenes Eigenkapital des Jahres X(vor Verlustteilnahme, einschließlich Genussrechtskapital),</em></p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">berücksichtigen sie die Formulierung „Verminderung“ in § 4 Abs. 1 GB 273119 nicht. Im Übrigen haben die Klägerinnen nach dem Verständnis der Kammer ihre Ansprüche bislang selbst nach der eingangs genannten Formel berechnet; andernfalls bliebe offen, auf welcher Basis sie die Höhe der geltend gemachten Zahlungsansprüche bestimmt haben. Die von ihnen nunmehr formulierte Klausel erscheint für die Genussscheininhaber auch ungünstiger.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks"><strong>bb) Berechnung der Verlustteilnahme (§ 4 Abs. 1 GB)</strong></p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Die Berechnung der Beklagten ist hinsichtlich der Verlustteilnahme der Genussscheininhaber nach § 4 Abs. 1 GB 273119 nicht zu beanstanden, da hierbei Verlustvorträge aus dem Vorjahr zu berücksichtigen sind und der Rechenposten <em>„in der Bilanz ausgewiesene[s] Eigenkapital (einschließlich Genussscheinkapital, jedoch ohne andere nachrangige Verbindlichkeiten)“</em> allein das im handelsrechtlichen Jahresabschluss ausgewiesene Eigenkapital zuzüglich des Genussscheinkapitals – und nicht etwa auch den Sonderposten nach § 340g HGB – umfasst.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks"><strong>(1) Berücksichtigung der Verlustvorträge aus dem Vorjahr</strong></p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Die Berechnung der Verlustteilahme nach § 4 Abs. 1 GB 273119 knüpft an den handelsbilanziellen Begriff des Bilanzverlusts – mit einer logisch notwendigen Modifikation dahingehend, dass nur der Bilanzverlust vor dem Abzug des Verlustanteils der Genussrechtsinhaber gemeint sein kann – an. Bei der Ermittlung des Bilanzverlusts sind auch Verlustvorträge aus dem Vorjahr zu berücksichtigen.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">(a)</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Bei der Auslegung ist zu beachten, dass Genussscheinbedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB sind. Von der Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 BGB werden Verträge über die Gewährung von Genussrechten nicht erfasst, da sie keine gesellschaftsrechtlich geprägten Mitgliedschaftsrechte sind, sondern sich in einem bestimmten geldwerten Anspruch erschöpfen und darin ihr Charakter als schuldrechtliches Gläubigerrecht zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2014, II ZR 395/12, Rn. 24; BGH, Urteil vom 05.10.1992, II ZR 172/91, Rn. 13, juris; OLG München, Urteil vom 11.06.2015, 23 U #####/####, Rn. 34, juris).</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Dabei ist klarzustellen, dass Genussrechtsbedingungen auch dann in das Vertragsrechtsverhältnis zwischen den Parteien einbezogen werden, wenn es sich nicht um die Ersterwerber der Genussrechte handelt. Denn die Genussrechtsbedingungen prägen den Inhalt des Rechts bzw. werden dessen Bestandteil und sind daher auch gegenüber Folgeerwerbern maßgeblich (OLG Frankfurt, Urteil vom 15.07.2015, 19 U 201/13, Rn. 76, juris, m. w. N.).</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Infolge der Qualifizierung als Allgemeine Geschäftsbedingungen sind bei der Auslegung insbesondere folgende Regeln zu berücksichtigen:</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">(aa)</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Die Auslegung muss für alle Stücke der jeweiligen Genussrechte einheitlich erfolgen. Besonderheiten, die sich aus der Person eines einzelnen Inhabers ergeben, haben außer Betracht zu bleiben (BGH, Urteil vom 23.10.1958, II ZR 4/57, Rn. 25, juris; OLG München, Urteil vom 11.06.2015, 23 U #####/####, Rn. 37, juris).</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">(bb)</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Bei der Auslegung ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen (BGH, Urteil vom 29.04.2014, II ZR 395/12, Rn. 27 m. w. N.). Aufgrund der Stückelung von 100,00 € liegt es nahe, dass hierbei auf einen privaten (Klein-) Anleger und nicht einen institutionellen Anleger abzustellen ist (vgl. OLG München, Urteil vom 11.01.2018, 23 U #####/####, Rn. 49 f., juris).</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">(cc)</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">In Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete Rechtsbegriffe sind in der Regel entsprechend ihrer juristischen Fachbedeutung zu verstehen, insbesondere wenn sie erkennbar auf eine gesetzliche Regelung Bezug nehmen (BGH, Urteil vom 29.04.2014, II ZR 395/12, Rn. 24 m. w. N.; OLG Frankfurt, Urteil vom 15.07.2015, 19 U 201/13, Rn. 82, juris).</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">(dd)</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Sofern nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel verbleiben und zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind, kommt die sich zu Lasten des Klauselverwenders auswirkende Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung. Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fern liegend sind und für die an solchen Geschäften typischerweise Beteiligten nicht ernsthaft in Betracht kommen, bleiben hierbei allerdings unberücksichtigt (BGH, Urteil vom 20.01.2016, VIII ZR 152/15, Rn. 19; BGH, Urteil vom 14.06.2017, IV ZR 161/16, Rn. 12, jeweils m. w. N.). Dass es sich bei § 4 der jeweiligen Bedingungen um eine gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB entzogene Vereinbarung über den Hauptleistungsinhalt – nämlich den Umfang, in welchem das Genusskapital wie Eigenkapital als Haftungsmasse zur Verfügung gestellt wird (vgl. dazu BGH, Urteil vom 29.04.2014, II ZR 395/12, Rn. 29) – handelt, steht der Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB nicht entgegen (OLG Frankfurt, Urteil vom 15.07.2015, 19 U 201/13, Rn. 81, juris).</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">(b)</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Nach diesen Maßstäben knüpft die Berechnung der Verlustteilahme nach § 4 Abs. 1 GB 273119 an den handelsbilanziellen Begriff des Bilanzverlust an, bei dessen Ermittlung auch Verlustvorträge aus dem Vorjahr zu berücksichtigen sind.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">(aa)</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Nach § 4 Abs. 1 GB 273119 nehmen die Genussscheininhaber an einem etwaigen Verlust teil. Der Begriff des Verlusts ist durch den Klammerzusatz als „Bilanzverlust“ näher beschrieben. Der Begriff des Bilanzverlusts ist grundsätzlich entsprechend seiner juristischen Fachbedeutung zu verstehen, X3 er erkennbar auf gesetzliche Regelungen (hier: § 268 Abs. 1 HGB, § 158 Abs. 1 Nr. 5 AktG) Bezug nimmt.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Allerdings kann der Begriff des „Bilanzverlusts“ bei der Berechnung der Verlustteilnahme der Genussscheininhaber nicht streng in dem Sinne verstanden werden, den er nach den handelsrechtlichen und aktienrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften bei der Bilanzierung von Kreditinstituten hat (so aber OLG Frankfurt, Urteil vom 15.07.2015, 19 U 201/13, Rn. 82, juris). Denn der Bilanzverlust enthält auch Entnahmen aus dem Genussrechtskapital (vgl. Nr. 10 Formblatt 1, Nr. 31 Formblatt 3 RechKredV). Wenn hier unter Berücksichtigung des „Bilanzverlusts“ der eigentlich vorgelagerte Umfang der Entnahmen aus dem Genussrechtskapital – durch deren Verringerung infolge der Teilnahme am Bilanzverlust – berechnet werden soll, so ist dies streng genommen zirkulär (vgl. OLG München, Urteil vom 12.01.2012, 23 U #####/####, Rn.  47 m. w. N., juris; Becker, NZG 2016, 1021, 1022).</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Dies rechtfertigt allerdings keine völlig autonome Auslegung des Begriffes des Bilanzverlusts oder gar die Auslegung, dass ein völlig anderer Begriff – wie z. B. der Jahresfehlbetrag – gemeint sein könnte, sondern führt lediglich dazu, dass der der Begriff des „Bilanzverlusts“ aus logischen Gründen – und zwar so wenigen wie möglich – modifiziert werden muss, X3 anderenfalls die erforderliche Berechnung nicht möglich ist. Gemeint sein kann – auch aus der Sicht eines verständigen Durchschnittsanlegers – nur der Bilanzverlust vor dem Abzug des Verlustanteils der Genussrechtsinhaber (vgl. OLG München, Urteil vom 12.01.2012, 23 U #####/####, Rn. 47 m. w. N., juris; Becker, NZG 2016, 1021, 1022). In diesem Sinne versteht die Kammer auch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29.04.2014 (II ZR 395/12, insbesondere Rn. 26, wobei der Privatgutachter Mülbert der Beklagten – Anlage B 6, S. 41 Fn. 11 – zu Recht darauf hinweist, dass die dortigen Verweis auf die Gliederungsstellen der Formblätter der RechtkredV nicht zutreffend sind).</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Bei der Ermittlung des Bilanzverlusts ist nicht nur der Jahresfehlbetrag, sondern auch ein Verlustvortrag aus dem Vorjahr zu berücksichtigen. Denn aus § 268 Abs. 1 S. 2 HGB und § 158 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 5 AktG ergibt sich, dass ein vorhandener Verlustvortrag in den Bilanzverlust einzubeziehen ist (OLG Frankfurt, Urteil vom 16.11.2011, 19 U 12/11, Rn. 31, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 15.07.2015, 19 U 201/13, Rn. 86, juris – die hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerden wurden vom BGH zurückgewiesen; a. A. – allerdings aufgrund der Unklarheit einer anders formulierten Klausel – OLG München, Urteil vom 12.01.2012, 23 U #####/####, Rn. 56, juris).</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">(bb)</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Auch unter Berücksichtigung der Systematik der GB 273119, insbesondere deren § 4, ergibt sich kein anderes Verständnis.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Zwar knüpft § 4 Abs. 2 GB 273119 hinsichtlich des Wiederauffüllungsanspruchs an den „Jahresüberschuss“ an. Allerdings hat auch dieser Begriff – ebenso wie der Begriff des Bilanzverlusts – eine klare juristische Fachbedeutung, X3 er erkennbar auf die gesetzlichen Regelungen zur Gewinn- und Verlustrechnung (z. B. § 275 Abs. 2 Nr. 17 HGB) Bezug nimmt. Dies deutet bei einem systematischen Vergleich sogar eher darauf hin, dass für die Verlustteilnahme und den Wiederauffüllungsanspruch unterschiedliche Ansatzpunkte gewählt werden sollten.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Beide Regelungen (§ 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 GB 273119) sind logisch nebeneinander anwendbar. Zwar ist die Kammer nicht der Auffassung, dass sich § 4 Abs. 2 GB 273119 nur auf Jahre bezieht, in denen keine Verlustteilnahme erfolgt. Denn die Formulierung „in den folgenden Geschäftsjahren“ besagt bei unbefangenem Lesen nur, dass in Geschäftsjahren, die auf Geschäftsjahren folgen, in denen nach § 4 Abs. 1 GB 273119 eine Verlustbeteiligung stattgefunden hat, ggf. ein Anspruch auf Wiederauffüllung der Rückzahlungsansprüche besteht. Diese vertragliche Regelung kann aufgrund der unterschiedlichen Anknüpfungspunkte dazu führen, dass in ein- und demselben Geschäftsjahr – z. B. aufgrund von Verlustvorträgen aus dem Vorjahr – ein Bilanzverlust entsteht, in dessen Folge die Genussscheininhaber nach § 4 Abs. 1 GB 273119 am Verlust beteiligt werden, und zugleich ein Jahresüberschuss erzielt wird, in dessen Folge die – aufgrund von Verlustteilnahmen in früheren Jahren geminderten – Rückzahlungsansprüche der Genussscheininhaber wiederaufgefüllt werden. Diese Koinzidenz mag zwar bei erster Betrachtung die Frage aufwerfen, welcher (wirtschaftliche oder rechtliche) Gedanke der Gesamtregelung zugrunde liegt; es sind aber keine rechtlichen Maßstäbe erkennbar, welche die ausweislich des Wortlauts von den Parteien vereinbarte Anknüpfung an die unterschiedlichen Parameter „Bilanzverlust“ und „Jahresüberschuss“ in Frage stellen.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">(cc)</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Soweit bei der Auslegung weitere Umstände zu berücksichtigen sind, führt dies – selbst im Rahmen einer Gesamtwürdigung – nicht zu einem abweichenden Ergebnis.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Bei der Auslegung ist zwar von dem Wortlaut der Bedingungen auszugehen; die Auslegung beschränkt sich aber nicht auf die in der Urkunde niedergelegten Bedingungen. Auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände können und müssen ggf. zur Auslegung herangezogen werden, z. B. besondere Umstände und Begleitumstände im Zeitpunkt der Ausgabe eines Wertpapiers (BGH, Urteil vom 23.10.1958, II ZR 4/57, Rn. 25). Soweit in der Rechtsprechung darauf abgestellt wird, dass weitere Umstände neben dem Wortlaut nur zu berücksichtigen seien, wenn der Wortlaut der Klausel nicht eindeutig sei (vgl. BGH, Urteil vom 30.06.2009, XI ZR 364/08, Rn. 20 f. für Optionen; OLG München, Urteil vom 11.01.2018, 23 U #####/####, Rn. 48, juris, für Genussscheine), mag man eine solche Uneindeutigkeit in dem bei strenger Betrachtung – wie oben aufgezeigt – nicht durchzuführenden Verweis auf den Begriff des Bilanzverlusts erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Ein Vergleich mit den Bedingungswerken anderer Genussscheine – seien es früher oder später emittierte Genussscheine der Beklagten oder solche von anderen Kreditinstituten – kann insoweit nicht vorgenommen werden. Denn solche kennt der durchschnittliche private (Klein-) Anleger nicht und kann sie daher nicht in seine Überlegungen einbeziehen. Dies gilt insbesondere für die Bedingungen der später emittierten Genussscheine mit den WKN 273142 und 2713156.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Bei der Auslegung zu berücksichtigende Umstände können sich aber aus dem Emissionsprospekt ergeben (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 15.07.2015, 19 U 201/13, Rn. 83 f., juris). In dem bei der Emission der Genussscheine mit der WKN 273119 verwendeten Prospekt („Unternehmensbericht über die Zulassung zum Handel im geregelten Markt“, Anlage K 21) sind ab Seite 8 die GB 273119 korrekt – mit dem Begriff <em>„Bilanzverlust“</em> in § 4 Abs. 1 – wiedergeben. Andererseits heißt es zuvor auf Seite 6 unter der Überschrift „Teilnahme am Verlust“, dass die Genussscheininhaber an einem etwaigen „Verlust (<em>Jahresfehlbetrag</em>)“ teilnähmen; der Jahresfehlbetrag umfasst freilich nicht den Verlustvortrag des Vorjahres. Im Rahmen der gebotenen objektiven Auslegung wird aber auch einem durchschnittlichen Anleger deutlich, dass der im Text auf Seite 6 verwendete klare juristische Fachbegriff („Jahresfehlbetrag“) in offenem Widerspruch zu den in unmittelbarer räumlicher Nähe auf Seite 8 – und nicht etwa „versteckt“ in einem Anhang – abgedruckten Bedingungen steht, in denen ein anderer, ebenfalls klarer juristischer Fachbegriff („Bilanzverlust“) verwendet wird. Damit ist der im Text auf Seite 6 verwendete Begriff („Jahresüberschuss“) für den durchschnittlichen, verständigen Anleger klar als Prospektfehler erkennbar.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">(dd)</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Für eine Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB ist nach alledem kein Raum. Denn nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten verbleiben an der Bedeutung des Begriffs „Bilanzverlust“ keine Zweifel, X3 vor allem im Hinblick auf den Wortlaut – selbst unter Berücksichtigung der logisch notwendigen Modifizierung des handelsrechtlichen Begriffs – keine zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind.</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">(ee)</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">§ 4 Abs. 1 GB 273119 ist auch keine überraschende Klausel im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB. Die Anknüpfung einer Verlustbeteiligung an den Begriff des Bilanzverlusts ist im Allgemeinen nicht ungewöhnlich (vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 221 Rn. 103). Die Genussscheinbedingungen sind im Prospekt drucktechnisch so angeordnet, dass gerade ihre Kenntnisnahme von einem durchschnittlichen, verständigen Anleger zu erwarten ist. Sie sind insbesondere nicht in einen Anhang oder an das Ende des Prospekts ausgelagert.</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">(ff)</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">§ 4 Abs. 1 GB 2713119 unterliegt schließlich nicht der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB. Denn es handelt sich um eine der Inhaltskontrolle entzogene Vereinbarung über den Hauptleistungsinhalt (§ 307 Abs. 3 S. 1 BGB). Die Vertragsparteien legen damit fest, ob und in welchem Umfang das Genusskapital wie Eigenkapital als Haftungsmasse zur Verfügung gestellt wird (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2014, II ZR 395/12, Rn. 29). Aus diesem Grund kommt nach Auffassung der Kammer auch dem Umstand, dass in besonderen Konstellationen Genussrechtsinhaber gegenüber Aktionären überproportional an einem Verlust teilnehmen können (vgl. dazu Becker, NZG 2016, 1021) keine maßgebliche Bedeutung zu.</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks"><strong>(2) Keine Berücksichtigung des Sonderposten im Eigenkapital</strong></p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">Die Formulierung <em>„in der Bilanz ausgewiesene[s] Eigenkapital (einschließlich Genußscheinkapital, jedoch ohne andere nachrangige Verbindlichkeiten)“</em> ist – nach den oben angeführten Maßstäben zur Auslegung von Genussscheinbedingungen – dahingehend auszulegen, dass der damit umschriebene Rechenposten allein das im handelsrechtlichen Jahresabschluss ausgewiesene Eigenkapital zuzüglich des Genussscheinkapitals umfasst. Es wird insbesondere nicht auf das aufsichtsrechtliche (regulatorische) Eigenkapital im Sinne des § 10 Abs. 2 S. 2 KWG a. F., ein – wie im Einzeln auch immer zusammengesetztes – „materiell-rechtliches Eigenkapital“ oder auf sonstige in der Handelsbilanz ausgewiesene Posten mit „Eigenkapitalcharakter“ Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">(a)</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Der Wortlaut des § 4 Abs. 1 GB 2713119 („<em>in der Bilanz ausgewiesene[n] Eigenkapital</em>“ nimmt eindeutig auf das im handelsrechtlichen Jahresabschluss, der (Handels-) Bilanz, ausgewiesene Eigenkapital Bezug. Denn (nur) dort wird das Eigenkapital „ausgewiesen“ (vgl. BGH, Urteil vom 14.06.2016, II ZR 121/15, Rn. 14 zur Auslegung des Begriffs „Bilanzverlust“; vgl. auch OLG München, Urteil vom 21.11.2013, 23 U #####/####, Rn. 41, juris).</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Die Dotierung des Sonderpostens nach § 340g HGB ist im handelsbilanziellen Eigenkapital nicht enthalten. Die Gliederung des Jahresabschlusses ist – bei Kreditinstituten wie der Beklagten – durch das Formblatt 1 zu § 2 RechKredV vorgegeben, wonach der Sonderposten unter der Nr. 11 vor dem unter der Nr. 12 aufgeführten Eigenkapital gesondert auszuweisen ist. Für die streitige Auslegungsfrage kommt es nicht entscheidend darauf an, ob und ggf. welche materielle Wirkung die RechKredV entfaltet bzw. aufgrund ihrer Ermächtigungsgrundlage (§ 330 Abs. 1, Abs. 2 HGB in der jeweils gültigen Fassung) entfalten kann. Denn der durchschnittliche private (Klein-) Anleger wird den Verweis auf das „<em>in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital</em>“ im Zweifel als Verweis auf den entsprechenden Gliederungspunkt in dem einschlägigen Formblatt verstehen. Es kommt auch nicht darauf an, dass nach allgemeinen bilanzrechtlichen Regeln Genussrechte unter bestimmten Bedingungen dem Eigenkapital zuzuweisen sein können (vgl. dazu Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Auflage, § 266 Rn. 47), da diese bei Kreditinstituten gesondert ausgewiesen werden müssen.</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">Ein Verständnis dahingehend, dass sämtliche in der Handelsbilanz (irgendwo) ausgewiesenen Posten die (rechtlich oder wirtschaftlich) Eigenkapitalcharakter haben, umfasst werden, liegt deshalb ebenso fern wie eine Bezugnahme auf das „haftende Eigenkapital“ im Sinne von § 10 Abs. 3 S. 2 KWG a. F.</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">(b)</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">Auch aus der Formulierung des Klammerzusatzes (<em>„einschließlich Genußscheinkapital, jedoch ohne andere nachrangige Verbindlichkeiten“</em>) ergibt sich kein anderes Verständnis.</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">(aa)</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">Damit wird in der Formel zur Berechnung der Verlustteilnahme zunächst das handelsbilanzielle Eigenkapital um das Genussscheinkapital ergänzt. Soweit die Kläger aus dem Begriff „einschließlich“ folgern wollen, dass das Genussscheinkapital bereits im Eigenkapital enthalten sei, was nur bei dem regulatorischen Eigenkapital nach § 10 Abs. 2 S. 2 KWG a. F. nicht aber bei dem handelsbilanziellen Eigenkapital der Fall sei, liegt dem ein zu enges Begriffsverständnis zu Grunde. Denn im allgemeinen Sprachgebrauch (vgl. Duden) ist „einschließlich“ u. a. gleichbedeutend mit „(zusammen) mit“. Danach lässt der Wortsinn ohne Weiteres zu, dass mit dem Begriff „einschließlich“ nicht nur eine (deklaratorische) Klarstellung, sondern eine (konstitutive) Erweiterung vorgenommen werden soll.</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">(bb)</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber kann der nachfolgend vorgenommene Ausschluss „andere[r] nachrangige[r] Verbindlichkeiten“ nach dem Wortlaut – zumindest auch – als klarstellender Zusatz verstanden werden, der zwar – streng genommen – überflüssig ist, damit aber noch keinen Widerspruch zum handelsbilanziellen Eigenkapitalbegriff begründet.</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Den Klägern ist zwar zuzugeben, dass die anderen nachrangigen Verbindlichkeiten (vgl. Nr. 9 Formblatt 1 RechKredV) vom handelsbilanziellen Eigenkapitalbegriff (vgl. Nr. 12 Formblatt 1 RechKredV) ohnehin nicht erfasst werden und dass ihrem Ausschluss (nur) dann eine konstitutive Bedeutung zukäme, wenn mit dem Begriff „Eigenkapital“ das regulatorische Eigenkapital im Sinne von § 10 KWG a. F. gemeint wäre. Denn § 10 Abs. 5a KWG a. F. sah (jeweils) vor, dass bestimmte nachrangige Verbindlichkeiten dem regulatorischen Eigenkapital zuzurechnen sind, was durch den Klammerzusatz ausgeschlossen würde.</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">Diesem Gedanken kommt jedoch aus zweierlei Gründen keine ausschlaggebende Bedeutung zu: Zum einen wäre bei diesem Verständnis die Einbeziehung des Genussrechtskapitals in den Eigenkapitalbegriff (s. o.) überflüssig, da ausweislich § 1 der jeweiligen Bedingungen gerade Genussscheinkapital geschaffen werden sollte, das zum „haftenden Eigenkapital“ nach § 10 Abs. 2 S. 2 KWG a. F. gehört. Zum anderen findet sich in § 4 GB 273119 keinerlei Bezug zur Haftung, sondern vielmehr der – bereits erörtere – Verweis auf das „<em>in der Bilanz ausgewiesene“</em> Eigenkapital. Der durchschnittliche private (Klein-) Anleger kann aus dem Jahresabschluss, der (Handels-) Bilanz, der Beklagten die Höhe des regulatorischen Eigenkapitals – anders als das bilanzielle Eigenkapital und die Genussrechte – nicht ohne Weiteres ablesen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BGH, Urteil vom 29.04.2014, II ZR 395/12, Rn. 28).</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">(cc)</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof bei der Auslegung einer ähnlichen Vertragsklausel in Genussscheinbedingungen, die ebenfalls auf das „Eigenkapital (einschließlich Genussscheinkapital, jedoch ohne andere nachrangige Verbindlichkeiten)“ Bezug nahm, aber – anders als hier – nicht einmal den klarstellenden Verweis „in der Bilanz ausgewiesen“ enthielt, auf die Formblätter zu § 2 RechKredV – und damit ebenfalls auf die handelsbilanziellen Begriffe – verwiesen (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2014, II ZR 395/12, Rn. 4, 28, auch wenn die konkreten Verweise sich wohl irrtümlich nicht auf die in der Klausel verwandten Begriffe beziehen). Für die Auslegung der Begriffe in einer solchen Vertragsklausel ist es unerheblich, ob das Kreditinstitut in dem vom Bundesgerichthof entschiedenen Fall im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich einen Sonderposten nach § 340g HGB gebildet hatte oder nicht. Soweit des OLG München (Urteil vom 21.11.2013, 23 U #####/####, Rn. 42 ff., juris) eine andere Auslegung für vertretbar gehalten hat, lag dessen Beurteilung eine andere Klausel – nämlich die Formulierung: „in der Bilanz ausgewiesene[s] Eigenkapital (ohne nachrangige Verbindlichkeiten)“ – zugrunde. Dort war das Genussrechtskapital, das ebenfalls eine nachrangige Verbindlichkeit darstellt, nicht genannt. Vorliegend ist klargestellt, dass das Genussrechtskapital einzubeziehen ist, was – wie bereits erwähnt – überflüssig wäre, wenn an den Begriff des „haftenden Eigenkapitals“ nach § 10 Abs. 2 S. 2 KWG a. F. angeknüpft würde, der das Genussrechtskapital ohnehin umfasst.</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">(c)</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">Dass es sich nach § 1 GB 273119 um Genussscheine im Sinne von § 10 Abs. 5 KWG a. F. handeln und u. a. § 9 GB 273119 gewährleisten soll, dass die Voraussetzungen des § 10 Abs. 5 KWG a. F. eingehalten werden (vgl. OLG München, Urteil vom 21.11.2013, 23 U #####/####, Rn. 43, juris), lässt nach Auffassung der Kammer – selbst den hier erfolgten konkreten Verweis auf den Ausweis in der Bilanz weggedacht – offen, ob bei der Berechnung der Verlustteilnahme der Begriff des Eigenkapitals im Sinne des KWG oder im handelsbilanziellen Sinne zu verstehen ist. Gemäß § 10 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 KWG a. F. müssen die Genussscheine „bis zur vollen Höhe am Verlust teilnehmen“. Was mit „Verlust“ gemeint ist, definiert das KWG nicht. Zulässig ist jedenfalls die Anknüpfung an den Jahresfehlbetrag oder einen Bilanzverlust (Boos, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 2. Aufl., § 10 Rn. 75; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 221 Rn. 297; Henke, WM 1985, 41, 44). Da vorliegend in § 4 Abs. 1 GB 273119 zulässigerweise an den Jahresfehlbetrag – mithin einen handelsbilanziellen Begriff – angeknüpft wird, liegt es nahe, bei der Berechnung der Verlustteilnahme Rechnungsposten wie den Begriff des Eigenkapitals ebenfalls im handelsbilanziellen Sinne zu verstehen.</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">(d)</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">Auf Ausführungen in einem späteren Prospekt (zu den im Jahre 2006 emittierten Genussscheinen mit der WKN 273142) kann für die Auslegung der streitgegenständlichen Bedingungen ebenso wenig abgestellt werden wie auf Regelungen in früher (am 06.11.2002 bzw. 20.04.2004) geschlossen Verträgen über stille Gesellschaften, selbst wenn diese so zu verstehen sein sollen, dass stille Gesellschafter und Genussscheininhaber am Verlust mit „dem gleichen Prozentsatz“ teilnehmen und dort das haftende Eigenkapital im Sinne des KWG als Bezugspunkt genannt sein sollen. Daraus könnte sich allenfalls ergeben, wie die Beklagte als Emittentin der Genussscheine und Vertragspartei der Gesellschaftsverträge damals die Genussscheinbedingungen verstanden hat. Diese Kenntnisse übersteigen indes den Empfängerhorizont des durchschnittlichen privaten (Klein-) Anlegers und beziehen sich darüber hinaus auf einen in Bezug auf die Ausgabe der streitgegenständlichen Genussscheine späteren Zeitpunkt.</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">(e)</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">Nach alledem liegen Zweifel im Sinne von § 305c Abs. 2 BGB nicht vor, X3 vor dem Hintergrund der – wie vorstehend aufgezeigt – eindeutigen Bezugnahme auf das <em>„in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital“</em> nicht mindestens zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind. Andere Verständnismöglichkeiten sind nur theoretisch denkbar, praktisch aber fern liegend.</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">(f)</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">Die Regelung in § 4 Abs. 1 GB 273119 ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) unwirksam.</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">Das Transparenzgebot verlangt vom Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar ohne vermeidbare Unklarheiten und Spielräume darzustellen. Darüber hinaus gebieten es Treu und Glauben, dass eine in allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Dabei ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen (BGH, Urteil vom 29.04.2014, II ZR 395/12, Rn. 27 m. w. N.).</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">Dies ist hier der Fall. Was unter dem <em>„in der Bilanz ausgewiesene[n] Eigenkapital“</em> zu verstehen ist, ist in § 4 Abs. 1 GB 2713119 verständlich erläutert. Die dabei verwandten Begriffe sind hinreichend bestimmt (vgl. die Formblätter zu § 2 RechKredV) und die hiernach maßgeblichen Beträge lassen sich jeweils dem Jahresabschluss der Beklagten entnehmen (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2014, II ZR 395/12, Rn. 28).</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks"><strong>cc) Keine Wiederauffüllung des Rückzahlungsanspruchs (§ 4 Abs. 2 GB)</strong></p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">Auch dass in den Geschäftsjahren ab #####/#### der Rückzahlungsanspruch der Genussrechtsinhaber nach § 4 Abs. 2 GB 273119 nicht wieder aufgefüllt wurde, ist nicht zu beanstanden. Eine Bindung an den Jahresabschluss besteht zwar nicht, Zuführungen zum Sonderposten nach § 340g HGB gehen aber den Ansprüchen der Genussscheininhaber auf Wiederauffüllung ihrer Rückzahlungsansprüche nach § 4 Abs. 2 GB 273119 vor und die Kammer kann auch nicht feststellen, dass die Dotierungen des Sonderpostens durch die Beklagte in den Geschäftsjahren #####/####, #####/#### und #####/#### zu Unrecht erfolgt sind.</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks"><strong>(1) Keine Bindungswirkung an festgestellten Jahresüberschuss</strong></p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">Sind die Genussrechte – wie hier – an den „Jahresüberschuss“ – und damit nicht an die Rechtsstellung der Aktionäre – gebunden, so kann der Genussrechtsinhaber Fehler in der rechnerischen Feststellung und sonstige Unrichtigkeiten uneingeschränkt geltend machen und auf vertraglicher Grundlage auf Auszahlung des richtig ermittelten Betrags klagen (Habersack, in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 221 Rn. 282; ebenso in der 2. und 3. Aufl.; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl., § 221 Rn. 65; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 221 Rn. 359 f.). Anders liegt es, wenn an den Bilanzgewinn angeknüpft wird (zu einer solchen Fallgestaltung vgl. BGH, Urteil vom 14.06.2016, II ZR 121/15, Rn. 17).</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks"><strong>(2) Kein Vorrang der Wiederauffüllung vor der Dotierung des Sonderpostens</strong></p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">Zuführungen zum Sonderposten nach § 340g HGB gehen den Ansprüchen der Genussscheininhaber auf Wiederauffüllung ihrer Rückzahlungsansprüche nach § 4 Abs. 2 GB 273119 vor, d. h. der „Jahresüberschuss“ im Sinne des § 4 Abs. 2 GB 273119 ist unter Einbeziehung des Sonderpostens nach § 340g HGB (d. h. „nach“ der Zuführung) – und nicht unter dessen Ausklammerung (d. h. „vor“ der Zuführung) zu ermitteln.</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">Wie oben dargelegt, ist der Rechtsbegriff des „Jahresüberschusses“ in der Regel – so auch hier – entsprechend seiner juristischen Fachbedeutung zu verstehen, X3 damit erkennbar auf eine gesetzliche Regelung Bezug genommen wird (BGH, Urteil vom 29.04.2014, II ZR 395/12, Rn. 24 m. w. N.; OLG Frankfurt, Urteil vom 15.07.2015, 19 U 201/13, Rn. 82, juris). Gemäß § 340g Abs. 2 HGB sind „Zuführungen“ zum Sonderposten nach § 340g oder „Erträge“ aus der Auflösung des Sonderpostens in der Gewinn- und Verlustrechnung gesondert auszuweisen. Damit ist systematisch die Gewinn- und Verlustrechnung im Sinne von § 275 HGB, die mit „Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“ endet, gemeint.</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">Dass diese bei Aktiengesellschaften wie der Beklagten nach § 158 AktG um eine Überleitungsrechnung zum „Bilanzgewinn/Bilanzverlust“ zu ergänzen ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar sind Zuführungen zu bzw. Erträge aus dem Sonderposten nach § 340g HGB in den Formblättern 2 und 3 RechkredV betreffend die Darstellung der Gewinn- und Verlustrechnung bei Kreditinstituten nicht ausdrücklich aufgeführt. Die Zuführung kann daher in einem eigenen Posten oder in einem Unterposten vorgenommen werden (vgl. Böcking/Gros/Helke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 340g Rn. 6 m. w. N). Dies würde es Kreditinstituten nach dem Wortlaut ermöglichen, Zuführungen zum Sonderposten nach § 340g HGB erst nach Ermittlung des Jahresüberschusses/Jahresfehlbetrags im Rahmen der Gewinnverwendung vorzunehmen. Dem steht allerdings in systematischer Hinsicht entgegen, dass der Jahresüberschuss bzw. Jahresfehlbetrag den Saldo aller Erträge und Aufwendungen darstellt (Böcking/Gros, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, a. a. O., § 275 Rn. 45 m. w. N). Alle Erträge und Aufwendungen – mithin auch solche hinsichtlich des Sonderpostens nach § 340g HGB – müssen daher in der Gewinn- und Verlustrechnung vorher ausgewiesen werden.</p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">Auch aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 GB 273119 ergibt sich kein anderes Verständnis. Dass hiernach – nach der gesetzlich vorgeschriebenen Wiederauffüllung der gesetzlichen Rücklage – die Rückzahlungsansprüche wieder aufzufüllen sind, bevor eine anderweitige Verwendung der Jahresüberschüsse vorgenommen wird, hat keine Auswirkung auf andere Posten, die – wie der Sonderposten nach § 340g HGB – bereits vor der Ermittlung des Jahresüberschusses und der nachfolgenden Gewinnverwendung gebildet werden müssen. Zudem handelt es sich bei dem „Sonderposten“ nach § 340g HGB schon dem Wortlaut nach nicht um eine Rücklage (LG Kiel, Urteil vom 19.04.2018, 6 O 447/16; vgl. auch (OVG Berlin Brandenburg, Urteil vom 06.03.2014, OVG 1 B 18.12, Rn. 80 f.). Da der Sonderposten nach § 340g HGB – wie dargelegt – zur Ermittlung des Jahresüberschusses/Jahresfehlbetrags notwendig ist, gehört er auch systematisch – auch im Sinne von § 4 Abs. 2 GB 273119 – zur Gewinnermittlung und nicht zur nicht Gewinnverwendung.</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">Es kommt daher nicht darauf an, dass eine Ermittlung des „Jahresüberschusses“ im Sinne von § 4 Abs. 2 GB 273119 unter vollständiger Ausklammerung des Sonderpostens nach § 340g HGB („vor“ der Zuführung) auch gar nicht durchführbar erscheint. Denn nach § 340e Abs. 4 HGB „ist“ ein bestimmter Betrag (mindestens 10 % der Nettoerträge des Handelsbestandes) dem Sonderposten zuzuführen und „dort“ gesondert auszuweisen. Dieser gesondert ausgewiesene Posten darf zudem nur unter eng umgrenzten Voraussetzungen aufgelöst werden. Ein Verständnis von § 4 Abs. 2 GB 273119 dergestalt, dass die Rückzahlungsansprüche der Genussrechtsinhaber auch vorrangig vor dieser gesetzlich vorgegebenen Zuführung zum Sonderposten nach § 340g HGB wiederaufzufüllen seien, liegt – unabhängig davon, ob dies rechtlich überhaupt zulässig wäre – fern. Denn eine unterschiedliche Behandlung der in § 340e Abs. 4 HGB geregelten obligatorischen Zuführung zum Sonderposten und der weiteren in § 340g HGB geregelten fakultativen Zuführung zum Sonderposten lässt sich § 4 Abs. 2 GB 273119 nicht entnehmen. Hinzu kommt, dass der obligatorische Posten nach § 340e Abs. 4 HGB „dort“, d. h. bei dem Sonderposten nach § 340g HGB, mittels eines des „Davon“-Vermerks („davon Sonderposten nach § 340e Abs. 4“) auszuweisen ist (vgl. Böcking/Gros/Helke/Morawietz, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 340e Rn. 32 m. w. N.), was eine Darstellung in der Gewinn- und Verlustrechnung an unterschiedlichen Stellen – teils vor und teils nach der Bestimmung des Jahresüberschusses/Jahresfehlbetrags – nicht zulässt. Eine Darstellung der obligatorischen Zuführung bzw. der Erträge aus einer entsprechenden Auflösung in der Gewinn- und Verlustrechnung nach der Ermittlung des Jahresüberschusses/Jahresfehlbetrags im Rahmen der Gewinnverwendung erscheint systematisch fernliegend.</p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks"><strong>(3) Rechtsmäßigkeit der Dotierung des Sonderpostens nach § 340g HGB</strong></p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">Die Kammer kann auch nicht feststellen, dass die Dotierungen des Sonderpostens nach § 340g HGB durch die Beklagte in den Geschäftsjahren #####/####, #####/#### und #####/#### zu Unrecht erfolgt sind.</p>
<span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">(a)</p>
<span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">Nach § 340g HGB dürfen Kreditinstitute – wie die Beklagte – auf der Passivseite ihrer Bilanz zur Sicherung gegen allgemeine Bankrisiken einen Sonderposten „Fonds für allgemeine Bankrisiken“ bilden, soweit dies nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wegen der besonderen Risiken des Geschäftszweigs der Kreditinstitute notwendig ist. Darlegungs- und beweisbelastet für die Nichteinhaltung dieser Voraussetzungen sind nach allgemeinen Regeln die Klägerinnen (vgl. auch LG Kiel, Urteil vom 19.04.2018, 6 O 447/16, Rn. 72), die gegen die Beklagte einen Anspruch geltend machen und sich hier gerade darauf berufen, dass nach einer früheren Verlustteilnahme Rückzahlungsansprüche zu ihren Gunsten hätten wiederaufgefüllt werden müssen.</p>
<span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks">Die Vorschrift des § 340g HGB stellt rechtlich nur schwer fassbare Begrenzungen für die Dotierung des Sonderpostens auf. Der Tatbestand enthält mehrere unbestimmte Rechtsbegriffe, insbesondere soweit an die „vernünftige kaufmännische Beurteilung“ und die „Notwendigkeit“ der Dotierung angeknüpft wird. Zudem besteht auf der Rechtsfolgeseite („kann“) ein – weites – Ermessen (vgl. Böcking/Gros/Helke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 340g Rn. 5; Gaber, WM 2018, 153, 161, wobei die Kammer nicht verkennt, dass es sich bei dem Verfasser um einen Mitarbeiter der Beklagten handelt). Letztlich eröffnet die Regelung der Beklagten sowohl auf Tatbestands- als auch auf Rechtsfolgenseite einen weiten Spielraum, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung im Sinne einer Vertretbarkeitskontrolle unterliegt. Die Klägerinnen haben nicht dargelegt, dass dieser Spielraum überschritten worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks">(b)</p>
<span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks">Dies gilt zunächst für die im Geschäftsjahr #####/#### erfolgten Dotierungen in Höhe von etwa 265 Mio. € bis zum 31.12.2013 sowie weiteren rund 138 Mio. € bis zum 31.03.2014.</p>
<span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks">(aa)</p>
<span class="absatzRechts">148</span><p class="absatzLinks">Die zwischen zwei Jahresabschlüssen in einem Zwischengewinnverfahren erfolgten Dotierungen sind im Hinblick auf die Teilnahme der Beklagten an dem EZB-Stresstest zum 31.12.2013 nach deren maßgeblicher vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig, d. h. vertretbar, gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">149</span><p class="absatzLinks">Das Erreichen einer ausreichenden aufsichtsrechtlich geforderten Eigenkapitalquote als ein regulatorisches Risiko sowie generell das Sicherstellen einer ausreichenden Eigenkapitalausstattung unterfällt dem Tatbestand des § 340g HGB. Es handelt sich dabei um besondere Risiken des Geschäftszweigs der Kreditinstitute im Sinne von § 340g HGB. Denn der Sonderposten soll „allgemeine“ Bankrisiken – und gerade keine konkreten Einzelrisiken – abdecken (vgl. OVG Berlin Brandenburg, Urteil vom 06.03.2014, OVG 1 B 18.12, Rn. 82; Balzer/Kröll, in Heymann, HGB, 2. Aufl., § 340g Rn. 2). In (steigenden) regulatorischen Eigenkapitalanforderungen spiegelt sich gerade die allgemeine Erwartung, dass Banken besonderen Risiken ausgesetzt sind, gegen die sich absichern müssen. Der Sonderposten nach § 340g HGB ist auch Teil des regulatorischen Eigenkapitals, was es systematisch naheliegend erscheinen lässt, dass der Fonds zur Stärkung des regulatorischen Eigenkapitals genutzt werden kann. Dabei kann es entgegen dem Wortlaut des § 340g HGB, der von einer Vorsorge für die „besonderen Risiken des Geschäftszweigs der Kreditinstitute“ spricht und damit auf die allgemeine Situation der Kreditwirtschaft abzustellen scheint, nur um eine Vorsorge für die sich aus banktypischen Gefahren ergebende konkrete Risikosituation des jeweiligen Instituts, nicht aber um eine durchschnittliche Branchenbetrachtung gehen. Daher kommt auch einer Vergleichsbetrachtung mit anderen Banken bzw. Durchschnittswerten keine ausschlaggebende Bedeutung zu.</p>
<span class="absatzRechts">150</span><p class="absatzLinks">Nach diesen Maßstäben sind die bis zum 31.12.2013 – dem letztlich maßgeblichen Stichtag für den Stresstest – erfolgten Dotierungen nicht zu beanstanden. Dass die Beklagte die maßgeblichen Eigenkapitalquoten in den unterschiedlichen Szenarien – z. B. im Stressszenario – um über 1 % überschritten hat, führt zu keiner anderen Beurteilung, denn eine „punktgenaue Landung“ erscheint ex ante weder möglich noch nach der maßgeblichen vernünftigen kaufmännischen Beurteilung notwendig. Welche Folgen das Nichtbestehen des Stresstests gehabt hätte – insbesondere ob und ggf. welchen Beschränkungen die Beklagte unterworfen worden wäre – kann dahinstehen. Denn aus der Sicht eines vernünftigen Kaufmanns erscheint es jedenfalls notwendig, aufsichtsrechtlich angeordnete Tests zu bestehen.</p>
<span class="absatzRechts">151</span><p class="absatzLinks">(bb)</p>
<span class="absatzRechts">152</span><p class="absatzLinks">Auch die weitere Dotierung zum 31.03.2014 – im Rahmen des Jahresabschluss #####/#### – in Höhe von rund 138 Mio. € ist auf der Basis des Sach- und Streitstandes nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nicht zu beanstanden. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass diese Dotierung noch während des laufenden Stresstests erfolgte und die Beklagte auch aufgrund der kurzfristigen Aufnahme in den Stresstest Verhandlungen führte, um zu erreichen, dass für sie – anders als es die Leitlinien des Stresstests vorsahen – nicht der 31.12.2013 als Stichtag gelten soll. Diese Beurteilung wird dadurch bestätigt, dass für die Beurteilung der „Risikogewichteten Aktiva“ (RWA) auf den 31.03.2014 abgestellt wurde, auch wenn es bei der Beurteilung der Kapitalquote bei dem (vorherbestimmten) Stichtag, dem 31.12.2013, verblieb.</p>
<span class="absatzRechts">153</span><p class="absatzLinks">(cc)</p>
<span class="absatzRechts">154</span><p class="absatzLinks">Soweit die Klägerinnen meinen, die Zuführungen zum Sonderposten nach § 340g HGB seien zur Stärkung des regulatorischen Eigenkapitals nicht notwendig gewesen, X3 es hierzu gleichermaßen geeignete Alternativen gegeben habe, so ergeben sich daraus keine durchgreifenden Bedenken gegen die erfolgten Dotierungen. Der – vorstehend dargestellte – gesetzliche Maßstab für die Dotierung des Sonderpostens nach § 340g HGB führt nicht dazu, dass unternehmerische Entscheidungen der Beklagten in diesem Rahmen zu überprüfen sind. So unterliegt es der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit der Beklagten, ob sie den Standardsatz der Risikobemessung umstellt; im Übrigen hat die Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass dies in sehr kurzer Zeit nicht durchführbar gewesen wäre. Eine – in diesem Rahmen – nicht überprüfbare unternehmerische Entscheidung ist es auch, ob die Beklagte Unternehmensteile (z. B. ihre Leasing-Tochter, die J2 GmbH) verkauft und wann sie das tut. Entsprechendes gilt für andere von den Klägerinnen aufgeworfenen alternativen Methoden der Eigenkapitalbeschaffung, wie den Rückkauf von Nachrang-, Hybrid- und Genusscheinkapital unterhalb des Buchwerts, das Aufdecken stiller Reserven, die Auflösung von Steuerrückstellungen oder die Durchführung einer Kapitalerhöhung. Es kann dahinstehen, ob diese Alternativen überhaupt (oder in der Kürze der Zeit) durchführbar gewesen wären. Denn ein so weitreichender Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit käme nur unter ganz besonderen Umständen in Betracht, die hier nicht ersichtlich sind.</p>
<span class="absatzRechts">155</span><p class="absatzLinks">Zwar kann es im Rahmen der Ermessensausübung geboten sein, gesellschaftsrechtliche Treuepflichten gegenüber den „Anteilseignern“ zu berücksichtigen (vgl. Böcking/Gros/Helke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Auflage 2014, § 340g Rn. 5). Diese gelten aber gerade nicht gegenüber Genussscheininhabern, welche die zulässige Ausübung von Gestaltungsspielräumen bei der Aufstellung des Jahresabschlusses wie auch bei der Vornahme des Gewinnverwendungsbeschlusses – insbesondere durch die Ausübung von Bilanzierungswahlrechten oder die Bildung Rücklagen – grundsätzlich hinzunehmen haben. Denn sie haben dieses Risiko bedingungsgemäß übernommen (BGH, Urteil vom 14.06.2016, II ZR 121/15, Rn. 17; Habersack, in Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 221 Rn. 283). Entsprechendes gilt erst recht für die vorstehend erörterten unternehmerischen Entscheidungen.</p>
<span class="absatzRechts">156</span><p class="absatzLinks">(dd)</p>
<span class="absatzRechts">157</span><p class="absatzLinks">Soweit die Klägerinnen schließlich geltend machen, die Beklagte habe die Genussrechtsinhaber gezielt benachteiligen („aushungern“) wollen, ist dies nach Auffassung der Kammer nicht unter dem Gesichtspunkt eines Ermessensfehlers in Form von sachfremden Erwägungen (so aber möglicherweise Gaber, WM 2018, 153, 161), sondern (nur) unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Schadensersatzanspruchs aufgrund eines rechtsmissbräuchlichen oder gezielt den Interessen der Genussscheininhaber zuwider laufenden Verhaltens (vgl. BGH, Urteil vom 14.06.2016, II ZR 121/15, Rn. 18) zu prüfen (dazu siehe unten).</p>
<span class="absatzRechts">158</span><p class="absatzLinks">(c)</p>
<span class="absatzRechts">159</span><p class="absatzLinks">Dementsprechend ist auch die Dotierung des Sonderpostens nach § 340g HGB in den Geschäftsjahren #####/#### in Höhe von etwa 5 Mio. € und #####/#### in Höhe von etwa 7 Mio. € nicht zu beanstanden. Auch wenn ein weiterer Stresstest nicht zu bestehen war, war die hierdurch bewirkte weitere, im Vergleich zum Geschäftsjahr #####/#### aber bereits erheblich reduzierte Stärkung des aufsichtsrechtlichen Eigenkapitals – auch oberhalb der aufsichtsrechtlich angeordneten Mindestquoten auf Instituts- und Gruppenebene – angesichts der sich absehbar weiter verschärfenden aufsichtsrechtlichen Anforderungen nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung vertretbar, zumal stille Reserven nach § 340f HGB nach deren Auflösung im Jahre 2007 nicht mehr bestanden.</p>
<span class="absatzRechts">160</span><p class="absatzLinks"><strong>b)              Keine Sekundäransprüche auf Rückzahlung</strong></p>
<span class="absatzRechts">161</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin zu 1. stehen gegen die Beklagte hinsichtlich der Genussscheine mit der WKN 273119 auch keine auf die Rückzahlung des Nennbetrags gerichteten Sekundäransprüche zu.</p>
<span class="absatzRechts">162</span><p class="absatzLinks"><strong>aa) Kein Schadensersatzanspruch (§ 280 Abs. 1 BGB)</strong></p>
<span class="absatzRechts">163</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gemäß § 280 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs bzw. der gezielten Benachteiligung der Genussscheininhaber (vgl. BGH, Urteil vom 14.06.2016, II ZR 121/15, Rn. 18) hat die Klägerin zu 1. nicht hinreichend dargelegt.</p>
<span class="absatzRechts">164</span><p class="absatzLinks">(1)</p>
<span class="absatzRechts">165</span><p class="absatzLinks">Ein solcher Anspruch würde voraussetzen, dass die infolge der Dotierungspraxis der Beklagten in Bezug auf den Sonderposten nach § 340g HGB objektiv eingetretene Benachteiligung der Genussrechtsinhaber nicht nur Reflex einer legitimen Strategie der Eigenkapitalstärkung ist, sondern die Organe der Beklagten in den betreffenden Geschäftsjahren gezielt den Sonderposten nach § 340g HGB in der jeweiligen Höhe dotiert haben, um die – an das Jahresergebnis geknüpften – Ansprüche der Genussrechtsinhaber auszuschließen. Diese – subjektive – Voraussetzung kann die Kammer nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Gewissheit feststellen. Zur Überzeugungsbildung der Kammer (§ 286 Abs. 1 ZPO) bedarf es dabei keiner absoluten oder unumstößlichen Gewissheit im Sinne des wissenschaftlichen Nachweises, sondern nur eines für das praktische Leben brauchbaren Grades von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. statt vieler BGH, Urteil vom 16.04.2013, VI ZR 44/12).</p>
<span class="absatzRechts">166</span><p class="absatzLinks">(2)</p>
<span class="absatzRechts">167</span><p class="absatzLinks">Dieser Grad an Gewissheit ist vorliegend nicht erreicht, wobei die Kammer nicht verkennt, dass die Klägerinnen durchaus einige beachtliche Indizien vorgetragen haben, die einen Missbrauchsverdacht in Betracht ziehen lassen (dazu sogleich). Diese Indizien erscheinen aber – auch in ihrer Gesamtschau – nicht so gewichtig, dass die Kammer mit der nötigen Sicherheit auszuschließen vermag, dass sich die Organe der Beklagten bei der Ermessensausübung (dazu siehe oben) tatsächlich von dem Ziel einer als notwendig angesehenen Stärkung der Eigenkapitalquote leiten ließen und nicht – vorrangig oder auch nur daneben – das Ziel verfolgten, die Genussscheininhaber zu benachteiligen. Im Einzelnen:</p>
<span class="absatzRechts">168</span><p class="absatzLinks">(a)</p>
<span class="absatzRechts">169</span><p class="absatzLinks">Die Kammer verkennt nicht, dass die Beklagte die aufsichtsrechtlich vorgegebenen Eigenkapitalquoten (zum Teil) überschritten hat. Indessen handelt es sich bei den vorgegebenen Kapitalquoten lediglich um Mindestanforderungen, die in den vergangenen Jahren kontinuierlich verschärft worden waren und deren jeweils zu erfüllenden Anforderungen nicht exakt auf längere Sicht vorhersehbar sind. So kann die Aufsichtsbehörde individuelle Anforderungen an einzelne Kreditinstitute stellen, z. B. im Rahmen des „Supervisory and Evaluation Process“ (SREP) (hier geschehen – wenn auch erst – mit Bescheid vom 08.09.2016) oder eine zusätzliche Eigenmittelkennzifferpflicht einführen (hier geschehen – wenn auch erst – mit Bescheid vom 14.07.2016). Vor diesem Hintergrund legt die Überschreitung oder beabsichtigte Überschreitung der Mindestkapitalquote – zumal nach der Erfahrung einer existenziellen Krise – nicht ohne Weiteres nahe, dass gleichsam unter dem „Deckmantel“ der Eigenkapitalstärkung andere Ziele, namentlich die Vereitelung von Ansprüchen der Genussscheininhaber, verfolgt wurden.</p>
<span class="absatzRechts">170</span><p class="absatzLinks">(b)</p>
<span class="absatzRechts">171</span><p class="absatzLinks">Auffällig ist weiter, dass die Beklagte in sämtlichen Geschäftsjahren seit #####/#### (nur) deshalb keine positiven Jahresergebnisse erzielte, X3 sie in Höhe des ansonsten entstehenden Jahresüberschusses zunächst den Sonderposten nach § 340g HGB dotierte und im Geschäftsjahr #####/#### ein bilanzielles Wahlrecht zugunsten von Pensionsrückstellungen ausübte.</p>
<span class="absatzRechts">172</span><p class="absatzLinks">Allein das Ergebnis mehrerer aufeinanderfolgender Jahresabschlüsse bietet indes noch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte hierbei treuwidrig gehandelt hat, um Ansprüche der Genussscheininhaber abzuschneiden (vgl. in Bezug auf Rückstellungen BGH Urteil vom 14.06.2016, II ZR 121/15, Rn. 19), zumal sie noch im Geschäftsjahr #####/#### den Sonderposten nach § 340g HGB in Höhe von 19 Mio. € aufgelöst und dadurch eine noch größere Verlustbeteiligung der Genussscheininhaber vermieden hatte. Wenn hierdurch, wie die Beklagte – nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung – nachvollziehbar dargelegt hat, eine im Zusammenhang mit der Auflösung und Abwicklung einer Tochtergesellschaft getroffene Risikovorsorge aufgelöst wurde, ist darin auch kein Widerspruch zu der von der Beklagten reklamierten Strategie der Stärkung der Eigenkapitalquote zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">173</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagte in ihren Prognosen und veröffentlichten Planungen angekündigt hat, in den folgenden Jahren bis 2021 – dort laufen Besserungsabreden hinsichtlich weiterer hier nicht streitgegenständlicher Genussrechte aus – weiterhin den Sonderposten nach § 340g HGB in Höhe der sonst entstehenden Jahresüberschüsse dotieren zu wollen, deutet dies ebenfalls nicht zwingend auf eine Benachteiligungsabsicht gegenüber den Genussrechtsinhabern hin. Zum einen handelt es sich hierbei lediglich um pflichtgemäß zu erstellende Planungen bzw. Prognosen, die ggf. veränderten Gegebenheiten – etwa gesunkenen aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalanforderungen – angepasst werden müssen. Zum anderen haben Genussrechtsinhaber die zulässige Nutzung von Gestaltungsspielräumen grundsätzlich auf Dauer – und nicht bloß für ein Geschäftsjahr – hinzunehmen.</p>
<span class="absatzRechts">174</span><p class="absatzLinks">Der Umstand, dass die Beklagte (erst) im Geschäftsjahr #####/#### – zum Kaufpreis von lediglich 311 Mio. € – Hybridkapital im Nennwert von 911 Mio. € zurückgekauft hat, impliziert zwar, dass es der Beklagten zu diesem Zeitpunkt nicht (mehr) an Eigenkapital mangelte, sie dieses vielmehr einsetzen konnte. Allerdings hat die Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass die hierfür aufgewendeten Mittel (erst) nach dem Verkauf ihrer Leasing-Tochter zur Verfügung gestanden hätten und sie die – günstige – Gelegenheit des Rückkaufs genutzt habe, um mögliche zukünftige Belastungen zu umgehen.</p>
<span class="absatzRechts">175</span><p class="absatzLinks">(c)</p>
<span class="absatzRechts">176</span><p class="absatzLinks">Auch unter Berücksichtigung der durch die besondere Eigentümerstruktur der Beklagten begründeten Interessenlage ergibt sich keine andere Bewertung.</p>
<span class="absatzRechts">177</span><p class="absatzLinks">Die Aktien der Beklagten lagen in dem maßgeblichen Zeitraum zunächst mehrheitlich und inzwischen sogar ausschließlich in der Hand des Investors Lone Star, welcher – anders als die Genussrechtsinhaber, die nur laufzeitbeschränkt beteiligt sind – im Falle einer Weiterveräußerung seiner Aktien nach dem Auslaufen der letzten Genussrechte von den im Unternehmen verbleibenden Werten profitieren würde. Hierdurch fehlte es bei der Beklagten – im Vergleich zu Gesellschaften mit gestreutem Aktienbesitz – zudem an einem Korrektiv bei der Aufstellung des Jahresabschlusses. Denn regelmäßig haben bei einer Vielzahl von Aktionären zumindest einige ein Interesse an einem positiven Jahresergebnis, um in den Genuss einer Dividendenzahlung zu kommen, was für einen Investor, der primär auf die Kursentwicklung der Aktie setzt, von geringerem Interesse sein mag.</p>
<span class="absatzRechts">178</span><p class="absatzLinks">Letztlich zeigen die Klägerinnen mit dem Verweis auf die Eigentümerstruktur nicht mehr als ein potentielles Motiv und erleichterte Bedingungen für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Organe der Beklagten auf. Rückschlüsse, ob ein solches tatsächlich vorliegt, erlauben beide Gesichtspunkte nicht.</p>
<span class="absatzRechts">179</span><p class="absatzLinks">(d)</p>
<span class="absatzRechts">180</span><p class="absatzLinks">In diesem Zusammenhang kann auch der Rede des Vorstandsvorsitzenden der Beklagten, Dr. Wiedemann, in der Hauptversammlung vom 01.09.2016 (Anlage K 41), in der dieser sich (unter Punkt 3.) dahingehend geäußert hat, dass die Beklagte vorhabe, Beträge, die vorrangig zu einer Dividendenzahlung seien, über eine Restrukturierung der Passivseite perspektivisch zu verringern, eine gegen die Interessen der Genussrechtsinhaber gerichtete Absicht nicht entnommen werden. Denn die zitierte Äußerung steht im Zusammenhang mit zwei konkreten, in der Hauptversammlung zu beschließenden Maßnahmen hinsichtlich zweier stiller Gesellschafter.</p>
<span class="absatzRechts">181</span><p class="absatzLinks"><strong>bb) Kein Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB)</strong></p>
<span class="absatzRechts">182</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin zu 1. steht gegen die Beklagte auch kein Anspruch wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu (§ 313 Abs. 1 BGB). Denn es ist nicht ersichtlich, dass sich die gemeinsame Geschäftsgrundlage verändert hat. Dass die Beklagte nunmehr das Ziel verfolgt, ihre Eigenkapitalausstattung und den Sonderposten nach § 340g HGB umfangreich auszustatten, begründet keine Änderung der Geschäftsgrundlage. Die Vorschrift des § 340g HGB ist bereits seit dem 01.01.1991 in L. Dass die Beklagte früher regelmäßig Dividenden an die Aktionäre und Zinsen an Genussscheininhaber gezahlt sowie die Rückzahlungsansprüche der Genussrechtsinhaber in voller Höhe erfüllt hat, ist kein Umstand, von dessen Fortbestand die Parteien bei Abschluss der Erwerbsverträge übereinstimmend ausgingen oder oder auch nur die Klägerin zu 1. bei verständiger Würdigung der Vertragsbedingungen ausgehen durfte, da sie nach den Genussscheinbedingungen sowohl geschäftspolitische Entscheidungen der Unternehmensführung der Beklagten als auch die zulässige Ausübung bilanzieller Gestaltungsrechte hinzunehmen hat.</p>
<span class="absatzRechts">183</span><p class="absatzLinks"><strong>c)              Kein Anspruch auf Ausschüttungen (§ 2 Abs. 1 und Abs. 2 GB)</strong></p>
<span class="absatzRechts">184</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin zu 1. stehen gegen die Beklagte hinsichtlich der von ihr gehaltenen Genussscheine mit der WKN 273119 weder Ansprüche auf laufende Ausschüttungen nach § 2 Abs. 1 GB 273119 noch – insbesondere hinsichtlich der Geschäftsjahre ab #####/#### – auf nachholende Ausschüttungen nach § 2 Abs. 2 S. 2 GB 273119 zu. Denn gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 GB 273119 sind Ausschüttungen auf die Genussscheine dadurch begrenzt, dass durch sie kein Bilanzverlust entstehen darf, was im Falle einer Erfüllung des klägerseits geltend gemachten Ansprüche in den streitgegenständlichen Geschäftsjahren jeweils der Fall gewesen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">185</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">186</span><p class="absatzLinks">Der Begriff des „Bilanzverlusts“ ist entsprechend der Regelung zur Verlustteilnahme in § 4 Abs. 1 GB 273119 (dazu siehe oben unter I. 1.a) bb) (1)) zu verstehen, nämlich als Bilanzverlust im handelsbilanziellen Sinne, allerdings vor Bedienung der Ausschüttungen der Genussrechtsinhaber. Dieses Verständnis wird durch die fehlerhafte, auch in diesem Zusammenhang auf den „Jahresfehlbetrag“ abstellende Erläuterung auf Seite 5 des Prospekts nicht beeinträchtigt, da § 2 Abs. 2 GB 273119 auf Seite 8 des Prospekts zutreffend wiedergegeben ist.</p>
<span class="absatzRechts">187</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">188</span><p class="absatzLinks">Der Bilanzverlust würde auch jeweils „durch die Ausschüttung entstehen“. Auch in dieser Hinsicht ist die Regelung in § 2 Abs. 2 S. 1 GB 273119 nach Ausschöpfung aller Auslegungsmethoden eindeutig und nicht unklar im Sinne von § 305c Abs. 2 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">189</span><p class="absatzLinks">(1)</p>
<span class="absatzRechts">190</span><p class="absatzLinks">Zwar legt der Wortlaut der Klausel – „dass <em>durch</em> sie [gemeint: die Ausschüttung] kein Bilanzverlust <em>entstehen</em> darf“ – zunächst nahe, dass die Erhöhung eines unabhängig von Erfüllung der Kuponansprüche bestehenden Bilanzverlusts unschädlich sei, und könnte damit eine Unklarheit im Sinne von § 305 Abs. 2 BGB begründen (vgl. OLG München, Urteil vom 11.06.2015, 23 U #####/####, Rn. 90 f., juris, zu einer gleichlautenden Genussscheinbedingung; LG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2017, 10 O 308/15, Rn. 24 f., juris, zu einer ähnlich formulierten Nachrangdarlehensbedingung). Denn bei (wort)wörtlichem Verständnis <em>„entsteht“</em> ein Bilanzverlust nicht <em>„durch“</em> die Ausschüttung, wenn er auch ohne sie – sei es durch ein ohnehin negatives Jahresergebnis (einen Jahresfehlbetrag) oder einen Verlustvortrag – auszuweisen wäre; vielmehr würde in diesen Fällen ein bereits <em>bestehender</em> Bilanzverlust durch die Ausschüttung nur <em>erhöht</em>.</p>
<span class="absatzRechts">191</span><p class="absatzLinks">(2)</p>
<span class="absatzRechts">192</span><p class="absatzLinks">Eine dahingehende, wortlautgetreue Auslegung scheidet aber nach Ausschöpfung der weiteren Auslegungsmethoden aus.</p>
<span class="absatzRechts">193</span><p class="absatzLinks">(a)</p>
<span class="absatzRechts">194</span><p class="absatzLinks">Zunächst ist in systematischer Hinsicht zu berücksichtigen, dass es sich bei den streitgegenständlichen Genussscheinen nach § 1 Abs. 1 GB 273119 ausdrücklich um Genussscheine im Sinne von § 10 Abs. 5 KWG a. F., d. h. um haftendes Eigenkapital nach § 10 Abs. 2 S. 2 KWG a. F., handeln soll. Die dafür notwenigen Voraussetzungen sollen – auch für den verständigen durchschnittlichen Anleger erkennbar – in den Genussscheinbedingungen geschaffen und z. B. durch § 9 GB 273119 abgesichert werden. Dies aber setzt voraus, dass auch dann keine Ausschüttungen gezahlt werden, wenn hierdurch ein bereits bestehender (Bilanz)Verlust erhöht würde. Denn § 10 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 KWG a. F. bestimmt, dass Genussrechtskapital nur dann dem haftenden Eigenkapital zuzurechnen ist, wenn „es bis zur vollen Höhe am Verlust teilnimmt“ und – damit korrespondierend – das Institut berechtigt ist, „im Falle eines Verlustes Zinszahlungen aufzuschieben“.</p>
<span class="absatzRechts">195</span><p class="absatzLinks">Das KWG definiert nicht, was mit „Verlust“ gemeint ist. Ausgehend vom Recht der stillen Gesellschaft kann darunter verstanden werden, dass der Genussrechtsinhaber an einem negativen ordentlichen Betriebsergebnis oder an einem Jahresfehlbetrag zu beteiligen ist, auch das Anknüpfen an einen Bilanzverlust ist zulässig. Entscheidend ist, dass das Genussrechtskapital nicht bedient werden darf, wenn andernfalls ein Verlust bei dem Kreditinstitut entstünde. Aus der Verlustteilnahmeregelung ergibt sich konsequenterweise, dass im Falle eines Verlusts Zinszahlungen (Ausschüttungen) aufzuschieben sind (vgl. Boos in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 2. Aufl., § 10 Rn. 74 f.; Henke, WM 1985, 41, 44). Wird hier der Ausschluss der Ausschüttungen zulässigerweise an einen Bilanzverlust geknüpft, muss im Falle des so bestimmten Verlusts die Beklagte die Zinszahlungen (Ausschüttungen) aufschieben. Nach dem Wortlaut von § 10 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 KWG a. F. kommt es auch nur darauf an, dass der „Fall[e] eines Verlustes“ eingetreten ist, nicht aber wodurch.</p>
<span class="absatzRechts">196</span><p class="absatzLinks">Aufgrund des maßgeblichen Empfängerhorizonts (dazu siehe oben) spielt es für die Auslegung des § 2 Abs. 2 S. 1 GB 273119 keine Rolle, dass die Beklagte in den Bedingungen des – später emittierten – Genussscheins mit der WKN 273156 abweichend formuliert hat, es dürfe kein Bilanzverlust entstehen „oder ein bestehender Bilanzverlust erhöht“ werden; nach den vorstehenden Erwägungen handelt es sich hierbei aber ohnehin nur um einen klarstellenden Zusatz.</p>
<span class="absatzRechts">197</span><p class="absatzLinks">(b)</p>
<span class="absatzRechts">198</span><p class="absatzLinks">Das Ergebnis der systematischen Auslegung wird durch die teleologische Erwägung gestützt, dass die Genussscheinbedingungen – auch für einen verständigen durchschnittlichen Anleger erkennbar – regeln wollen, dass Ausschüttungen nur aus (untechnisch verstandenen) „Gewinnen“ gezahlt werden. Es ist erkennbar gerade nicht gewollt, dass beispielsweise bei einem Bilanzgewinn in Höhe von 1 € (vor Ausschüttungen an die Genussrechtsinhaber), dieser Betrag lediglich anteilig an alle ausschüttungsberechtigten Genussscheininhaber aufgeteilt wird und andererseits bei einem Bilanzverlust in Höhe von 1 € (vor Ausschüttungen an die Genussrechtsinhaber) alle Genussscheininhaber Ausschüttungen in voller Höhe erhalten. Dieses – offensichtlich widersinnige – Ergebnis aber wäre die Konsequenz der oben erwogenen wortlautgetreuen Auslegung, ohne dass für die unterschiedliche Behandlung ein sachlicher Grund ersichtlich ist.</p>
<span class="absatzRechts">199</span><p class="absatzLinks"><strong>2.              Keine Zahlungsansprüche der Klägerin zu 1. hinsichtlich der Genussscheine mit den WKN 273079 und 273080 (Anträge zu 2. und 3.)</strong></p>
<span class="absatzRechts">200</span><p class="absatzLinks">Auch hinsichtlich der Genussscheine mit den WKN 273079 und 273080 stehen der Klägerin zu 1. keine Rückzahlungsansprüche gegen die Beklagte zu. Die Berechnung der Verlustteilnahme nach § 4 Abs. 1 GB 273079 ist nicht zu beanstanden, X3 der Rechenposten <em>„in der Bilanz ausgewiesene[s] Eigenkapital (einschließlich Genussscheinkapital, jedoch ohne andere nachrangige Verbindlichkeiten)“</em> allein das im handelsrechtlichen Jahresabschluss ausgewiesene Eigenkapital zuzüglich des Genussscheinkapitals – und nicht etwa auch den Sonderposten nach § 340g HGB – umfasst. Insoweit gelten die Ausführungen zu der gleichlautenden Klausel in § 4 Abs.1 GB 273119 (siehe oben unter I. 1. a) bb) (2)) entsprechend. Weitere Punkte sind zwischen den Parteien hinsichtlich dieser Genussscheine nicht strittig.</p>
<span class="absatzRechts">201</span><p class="absatzLinks"><strong>3.              Keine Zahlungsansprüche der Klägerin zu 2. hinsichtlich der Genussscheine mit der WKN 273119 (Antrag zu 4., Hilfsanträge zu 7.2. und 8.2.)</strong></p>
<span class="absatzRechts">202</span><p class="absatzLinks">Auch der Klägerin zu 2. stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche hinsichtlich der von ihr gehaltenen Genussscheine mit der WKN 273119 zu. Bei den diesbezüglichen „Hilfsanträgen“ zu 7.2. und 8.2. handelt es sich nicht um Hilfsanträge im eigentlichen Sinne; vielmehr beziffert die Klägerin zu 2. lediglich ihre Zahlungsansprüche für den Fall, dass die Kammer der klägerischen Berechnung nicht in allen strittigen Fragen folgen will, auf entsprechend geringere Beträge.</p>
<span class="absatzRechts">203</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">204</span><p class="absatzLinks">Zwar ist die Klägerin zu 2. hinsichtlich der hier streitgegenständlichen 3.356.000 Stück der Genussscheine mit der WKN 273119 aktivlegitimiert.</p>
<span class="absatzRechts">205</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich von 332.300 Stück ergibt sich dies aus den Ausbuchungsbestätigungen aus dem Depot ihres Geschäftsführers sowie der diesbezüglichen – auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogenen – Abtretungsvereinbarung.</p>
<span class="absatzRechts">206</span><p class="absatzLinks">Weitere 33.000 Stück wurden aus dem Depot eines Herrn L ausgebucht, der die entsprechenden Ansprüche zunächst an den Geschäftsführer der Klägerin zu 2. abgetreten hat, welcher sie an die Klägerin zu 2. weiterzediert hat. Die Klägerin zu 2. hat zuletzt den Nachweis der Überweisung vom 08.11.2016 (Anlage K 113) vorgelegt, durch welche der Geschäftsführer der Klägerin zu 2. das entsprechende Abtretungsangebot des Herrn L jedenfalls rechtzeitig – unabhängig davon, ob die Einhaltung der einwöchigen Überweisungsfrist zwingend war („soll“) – angenommen hat (vgl. Ziffer 3. der Vereinbarung vom 30.10./08.11.2016, Anlage K 8).</p>
<span class="absatzRechts">207</span><p class="absatzLinks">Es ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, Genussrechte zu einem unter dem Nennwert liegenden Preis aufzukaufen, um anschließend die Richtigkeit der Berechnungen der Beklagten gerichtlich überprüfen zu lassen.</p>
<span class="absatzRechts">208</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">209</span><p class="absatzLinks">Aus den oben dargestellten Gründen bestehen aber in der Sache weder Rückzahlungsansprüche noch Ansprüche auf Ausschüttungen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen zu den Ansprüchen der Klägerin zu 1. (siehe oben unter I. 1. a)) Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">210</span><p class="absatzLinks"><strong>4.              Keine Zahlungsansprüche der Klägerin zu 2. hinsichtlich der Genussscheine mit der WKN 273142 (Antrag zu 5., Hilfsanträge zu 9.)</strong></p>
<span class="absatzRechts">211</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin zu 2. stehen gegen die Beklagte auch keine Ansprüche hinsichtlich der von ihr gehaltenen Genussscheine mit der WKN 273142 zu. Bei den diesbezüglichen „Hilfsanträgen“ zu 9. a) und 9. b) handelt es sich nicht um Hilfsanträge im eigentlichen Sinne; vielmehr beziffert die Klägerin zu 2. lediglich ihre Zahlungsansprüche für den Fall, dass die Kammer der klägerischen Berechnung nicht in allen strittigen Fragen folgen will, auf entsprechend geringere Beträge.</p>
<span class="absatzRechts">212</span><p class="absatzLinks">Insoweit gelten die Ausführungen zu den Genussscheinen mit der WKN 273119 (siehe oben unter I. 1.) mit den nachfolgenden Ergänzungen entsprechend. Dass die Genussscheine mit der WKN 273142 in Stückelungen zu je 1.000,00 € ausgegeben wurden, führt zu keiner erheblichen Änderung des Auslegungsmaßstabs.</p>
<span class="absatzRechts">213</span><p class="absatzLinks"><strong>a)              Berechnung der Verlustteilnahme (§ 4 Abs. 1 GB)</strong></p>
<span class="absatzRechts">214</span><p class="absatzLinks">Anknüpfungspunkt für die Berechnung der Verlustteilnahme nach § 4 Abs. 1 GB 273142 ist ebenfalls der Bilanzverlust. Dabei hat die Beklagte Verlustvorträge aus den Vorjahren aufgrund der Regelung des § 4 Abs. 1 S. 3 GB 273142, wonach diese „hierbei außer Betracht [bleiben]“, unstreitig nicht im „Bilanzverlust“ (dem Zähler der Berechnungsformel) berücksichtigt.</p>
<span class="absatzRechts">215</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht der Klägerin zu 2. ist der Rechenposten „in der Bilanz ausgewiesene[s] Eigenkapital“ nicht um Verlustvorträge aus den Vorjahren zu bereinigen. Denn die Formulierung „hierbei“ in § 4 Abs. 1 S. 3 GB 273142 bezieht sich nur auf den Verlust (Bilanzverlust). Die Formulierung „in der Bilanz ausgewiesene[s] Eigenkapital“ in § 4 Abs. 1 S. 1 GB 273142 nimmt Bezug auf Nr. 11 Formblatt 1 RechKredV (mit der oben unter I. 1. a) bb) (1) (b) dargestellten logisch notwendigen Modifikation, vgl. auch BGH, Urteil vom 29.04.2014, II ZR 395/12, Rn. 26). Da Verlustvorträge aus dem Vorjahr in der Herleitung des Begriffs „Eigenkapital“ im Formblatt 1 RechKredV nicht erwähnt sind, erscheint es fernliegend, dass diese auch hier herausgerechnet werden sollen. Bei dem Begriff des „Bilanzverlusts“ ist dies hingegen auch nach der Gliederung des Formblatts 3 RechKredV ohne besonderen Aufwand möglich. Denn in der Herleitung des Begriffs „Bilanzverlust“ in der Gewinn- und Verlustrechnung ist der Verlustvortrag aus dem Vorjahr ausdrücklich erwähnt (Nr. 28). Da § 4 Abs. 1 S. 3 GB 273142 eine Regelung über Verlustvorträge trifft und die Überleitungsrechnung in § 158 Abs. 1 Nr. 1 AktG die Verlustvorträge in Beziehung zum Bilanzverlust, nicht aber zu dem in der Bilanz ausgewiesenen Eigenkapital setzt, erscheint es auch systematisch naheliegend, die Formulierung „hierbei“ auf den Bilanzverlust zu beziehen.</p>
<span class="absatzRechts">216</span><p class="absatzLinks"><strong>b)              Keine Berücksichtigung des Sonderpostens im Eigenkapital</strong></p>
<span class="absatzRechts">217</span><p class="absatzLinks">Eine gegenüber den GB 273119 abweichende Auslegung ergibt sich auch nicht für den Rechenposten „in der Bilanz ausgewiesene[s] Eigenkapital (einschließlich Genussscheinkapital, jedoch ohne andere nachrangige Verbindlichkeiten)“ in § 4 Abs. 1 S. 1 GB 273142. Dass der hierzu veröffentlichte Prospekt (Anlage K 62) bei der Darstellung des Einzelabschlusses (Seite 18 unter 6.2 mit Fußnote 3) das „Eigenkapital <em>inklusive Fonds für allgemeine Bankenrisiken“</em> ausgewiesen ist, führt nicht zu anderer Beurteilung. Denn diese Angabe steht in einem anderen Kontext (ausweislich der Überschrift des Gliederungspunktes 6.2 geht es um eine vereinfachte Darstellung der „Kapitalbildung und Verschuldung“) und bezieht sich weder auf die Ermittlung des Bilanzverlusts noch auf die Berechnung der Verlustteilnahme. Auf Seite 20 des Prospekts wird für die Berechnung der Verlustteilnahme auf die Bedingungen – und nicht auf die Darstellung auf Seite 18 – verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">218</span><p class="absatzLinks"><strong>5.              Keine Zahlungsansprüche der Klägerin zu 2. hinsichtlich der Genussscheine mit der WKN 273156 (Antrag zu 6., Hilfsanträge zu 10.)</strong></p>
<span class="absatzRechts">219</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin zu 2. stehen gegen die Beklagte auch keine Ansprüche hinsichtlich der von ihr gehaltenen Genussscheine mit der WKN 273156 zu. Bei den diesbezüglichen „Hilfsanträgen“ zu 10. a) und 10. b) handelt es sich nicht um Hilfsanträge im eigentlichen Sinne; vielmehr beziffert die Klägerin zu 1. lediglich ihre Zahlungsansprüche für den Fall, dass die Kammer der klägerischen Berechnung nicht in allen strittigen Fragen folgen will, auf entsprechend geringere Beträge.</p>
<span class="absatzRechts">220</span><p class="absatzLinks">Insoweit gelten die Ausführungen zu den Genussscheinen mit der WKN 273119 (siehe oben unter I. 1.) mit folgenden Ergänzungen entsprechend, wobei hinsichtlich der Berechnung der Verlustteilnahme und der (Nicht)Berücksichtigung von Verlustvorträgen aus dem Vorjahr ergänzend auf die Ausführungen zu den Genussscheinen mit der WKN 273142 verwiesen werden kann. Die Stückelung zu je 50.000,00 € führt jedenfalls zu keinem für die Klägerin günstigeren Auslegungsmaßstab. Im Übrigen stellt § 2 Abs. 2 S. 1 GB 273156 hier ausdrücklich klar, dass Ausschüttungen auch dann ausgeschlossen sind, wenn durch sie ein bestehender Bilanzverlust erhöht wird.</p>
<span class="absatzRechts">221</span><p class="absatzLinks"><strong>6.              Keine Ansprüche auf Erstattung von Steuern (Hilfsanträge zu 15. bis 18.)</strong></p>
<span class="absatzRechts">222</span><p class="absatzLinks">Die Klägerinnen können von der Beklagten hinsichtlich der von ihnen gehaltenen Genussscheine mit den WKN 273119, 273142 und 273156 auch nicht (im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung) verlangen, an einer Erstattung von für das Jahr 2009 gezahlten Steuern oder an Zahlungen auf eine für das Geschäftsjahr #####/#### abgeschriebene Steuerforderung zu partizipieren.</p>
<span class="absatzRechts">223</span><p class="absatzLinks">Dem steht bereits entgegen, dass die Genussrechtsinhaber u. a. das Risiko der Bildung von Rücklagen und der Ausübung von bilanziellen Wahlrechten übernommen haben (vgl. BGH, Urteil vom 14.06.2016, II ZR 121/15, Rn. 17 f.). Diese Wertung kann auf die hier strittige Frage übertragen werden: Ebenso wie die Auflösung von Rücklagen, die sich im Nachhinein als unnötig erwiesen haben, können auch andere abgeschlossene Vorgänge grundsätzlich nicht zum Anlass genommen werden, daraus später noch einmal Ansprüche herzuleiten. Denn dies würde nicht nur zu einer über die Laufzeit der Genussscheine hinausgehenden Rechtsunsicherheit führen, sondern es im Gegenzug auch nahelegen, dass die Genussscheininhaber auch an Folgekosten, wie z. B. Steuernachzahlungen, zu beteiligen wären.</p>
<span class="absatzRechts">224</span><p class="absatzLinks">Soweit sich die Klägerinnen in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 05.10.1992 (II ZR 172/91) berufen, lag dem eine andere Fallgestaltung zugrunde. Dort führte die aufgrund von drohenden Verlusten beschlossene Herabsetzung des Grundkapitals auch zu einer Herabsetzung des Gesamtbetrags des Genusskapitals. Da die befürchteten Verluste nicht eintraten, war hinsichtlich der Reduzierung des Grundkapitals der Unterschiedsbetrag in die Kapitalrücklage einzuzahlen. Eine Regelung hinsichtlich des Genussrechtskapitals war nicht getroffen (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 37 ff., juris). Die besondere Situation einer Kapitalherabsetzung ist aber mit der häufig vorkommenden Situation der rückwirkenden Berichtigung von Steuerforderungen nicht zu vergleichen.</p>
<span class="absatzRechts">225</span><p class="absatzLinks"><strong>7.              Keine Auskunftsansprüche (Antrag zu 19.)</strong></p>
<span class="absatzRechts">226</span><p class="absatzLinks">Schließlich stehen den Klägerinnen auch die zuletzt klageerweiternd geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft über die in den Geschäftsjahren #####/#### bis #####/#### erfolgten Dotierungen de „§ 340g HGB-Reserve“ nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">227</span><p class="absatzLinks">Die Klägerinnen machen gegen die Beklagte – anders als diese meint – keine Ansprüche auf Rechenschaft im Sinne von § 259 BGB – eine Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung – geltend, sondern begehren nähere Auskünfte zu einer einzelnen Bilanzposition (vgl. BGH, Urteil vom 14.06.2016, II ZR 121/15, Rn. 16; Lutter, in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 221 Rn. 378 f.). Hierfür kann die Kammer keine Rechtsgrundlage erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">228</span><p class="absatzLinks"><strong>a)              Auskunft über die Geschäftsjahre #####/#### bis #####/####</strong></p>
<span class="absatzRechts">229</span><p class="absatzLinks">In Bezug auf die Dotierungen des Sonderpostens nach § 340g HGB in den Geschäftsjahren #####/#### bis #####/#### steht den Klägerinnen kein Auskunftsanspruch gegen die Beklagte zu.</p>
<span class="absatzRechts">230</span><p class="absatzLinks">Ein allgemeiner, auf § 242 BGB gestützter Auskunftsanspruch besteht nicht. Vielmehr ist zu differenzieren: Ein vertraglicher Auskunftsanspruch ist lediglich dann zuzubilligen, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte, der zur Durchsetzung seiner Rechte auf die Auskunft angewiesen ist, in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu. Ein aus § 242 BGB abgeleiteter unselbstständiger Anspruch auf Auskunft zur Vorbereitung eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs setzt voraus, dass zumindest der begründete Verdacht einer Vertragspflichtverletzung besteht und ein daraus resultierender Schaden des Anspruchstellers wahrscheinlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 14.06.2016, II ZR 121/15, Rn. 17 f. m. w. N.).</p>
<span class="absatzRechts">231</span><p class="absatzLinks">Die Dotierung des Sonderpostens nach § 340g HGB in den Geschäftsjahren #####/#### bis #####/#### steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Es ist daher schon im Ansatz nicht ersichtlich, dass die Klägerinnen – im Hinblick auf die Dotierung des Sonderpostens nach § 340g HGB in diesen Geschäftsjahren – über das Bestehen oder den Umfang ihrer Rechte im Ungewissen sind oder der begründete Verdacht einer Vertragspflichtverletzung der Beklagten besteht.</p>
<span class="absatzRechts">232</span><p class="absatzLinks"><strong>b)              Auskunft über die Geschäftsjahre #####/#### bis #####/####</strong></p>
<span class="absatzRechts">233</span><p class="absatzLinks">Im Hinblick auf die Geschäftsjahre #####/#### bis #####/#### kann offen bleiben, ob den Klägerinnen nach den vorstehenden Maßgaben dem Grunde nach ein Auskunftsanspruch zusteht.</p>
<span class="absatzRechts">234</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">235</span><p class="absatzLinks">Soweit der Antrag darauf abzielt, die bei der Beklagten im Zusammenhang mit der jeweiligen Dotierung des Sonderpostens nach § 340g HGB angestellten Erwägungen in Erfahrung zu bringen, hat die Beklagte diese Auskunft – die eine Wissenserklärung darstellt (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 260 Rn. 14) – im vorliegenden Rechtsstreit schriftlich erteilt und damit erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Der Antrag der Klägerinnen beschränkt sich daher auch nicht auf eine Auskunft im Sinne einer Wissenserklärung, sondern richtet sich – darüber hinaus – auf die Vorlage von bestimmten Belegen, in denen die Klägerinnen die tatsächlich angestellten Erwägungen dokumentiert vermuten.</p>
<span class="absatzRechts">236</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">237</span><p class="absatzLinks">Einen aus § 242 BGB abgeleiteter Anspruch auf Vorlage von Belegen kommt nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht (BGH, Urteil vom 31.03.1971, VIII ZR 198/69 Rn. 10, juris; Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 260 Rn. 15). Solche besonderen Umstände kann die Kammer im vorliegenden Fall nicht erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">238</span><p class="absatzLinks">Offen bleiben kann, ob die Klägerinnen überhaupt die Vorlage von Belegen begehren, die erforderlich wären, um sich die erforderliche Klarheit über Bilanzpositionen zu verschaffen, wie z. B. Verträge, Rechnungen, Wertgutachten oder andere Nachweise für Tatsachen. Die Kläger erstreben mit dem Antrag letztlich vielmehr, sich eine Grundlage zu verschaffen, um eine Entscheidung der Beklagten überprüfen zu können, die im Wesentlichen eine Ermessensentscheidung ist, und dafür Dokumente aufzufinden, die die Richtigkeit der von der Beklagten (im Rechtsstreit) erteilten Auskunft widerlegt bzw. Anhaltspunkte für die von den Klägerinnen vermutete rechtsmissbräuchliche Dotierung des Sonderpostens – insbesondere im Hinblick auf die damit verbundenen Absichten der handelnden Personen – aufzeigen.</p>
<span class="absatzRechts">239</span><p class="absatzLinks">Dieses Begehren aber sprengt den möglichen Gegenstand einer Auskunft, sondern betrifft letztlich eine Frage der Beweisführung. Da niemand verpflichtet ist, dem Gegner Beweismittel zu verschaffen, darf ein Begehren der Vorlage von Unterlagen darf nicht zu einer unzulässigen Ausforschung führen (vgl. BGH, Urteil vom 31.03.1971, VIII ZR 198/69, Rn. 11 m. w. N., juris). Dabei verkennt die Kammer nicht, dass jedem Auskunftsanspruch ein gewisses Maß an Ausforschung innewohnt. Die allgemeinen Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast dürfen hierdurch jedoch nicht unterlaufen werden (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.1989, VI ZR 63/89, Rn. 8, juris).</p>
<span class="absatzRechts">240</span><p class="absatzLinks">Im Rahmen der nach Treu und Glauben stets vorzunehmenden Interessenabwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass für die Klägerinnen keine Notwendigkeit zur Vorlage der begehrten Unterlagen besteht, da ihnen zum Beweis der von ihnen behaupteten Tatsachen unmittelbare Beweismittel – in Form der Zeugen- oder Parteivernehmung der damals auf Seite der Beklagten handelnden Personen – zu Verfügung stehen. Damit besteht kein Anlass abzugrenzen, ob und ggf. hinsichtlich welcher Unterlagen einem Auskunftsverlangen ohnehin der Grundsatz der Vertraulichkeit entgegenstünde (vgl. z. B. BGH, Beschluss vom 14.01.2014, II ZB 5/12, Rn. 76 zu Auskunftsansprüchen eines Aktionärs über Sitzungen des Aufsichtsrats und der vom ihm bestellten Ausschüsse).</p>
<span class="absatzRechts">241</span><p class="absatzLinks"><strong>8.              Feststellung der Nichtigkeit der Jahresabschlüsse (Hilfsanträge zu 14.)</strong></p>
<span class="absatzRechts">242</span><p class="absatzLinks">Eine Entscheidung über die – auf die Feststellung der Nichtigkeit der festgestellten Jahresabschlüsse der Beklagten für die Geschäftsjahre #####/####, #####/#### und #####/#### gerichteten – Hilfsanträge zu 14. ist nicht veranlasst, X3 die innerprozessuale Bedingung, dass die festgestellten Jahresabschlüsse gegenüber den Klägerinnen Bindungswirkung entfalten oder deren in der Klage geltend gemachten Ansprüche hemmen oder ausschließen, nicht erfüllt ist.</p>
<span class="absatzRechts">243</span><p class="absatzLinks"><strong>9.              Nebenforderungen (Anträge zu 11., 12., 13.)</strong></p>
<span class="absatzRechts">244</span><p class="absatzLinks">In Ermangelung einer begründeten Hauptforderung kommen Ansprüche der Klägerinnen auf Erstattung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten sowie Verzinsung von verauslagten Gerichtskosten von vornherein nicht in Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">245</span><p class="absatzLinks"><strong>II.</strong></p>
<span class="absatzRechts">246</span><p class="absatzLinks">Die nachgelassenen Schriftsätze der Parteien vom 15.10.2018 boten ebenso wenig Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung wie die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Klägerinnen vom 24.10.2018, 31.10.2018 und 05.12.2018 sowie der Beklagten vom 01.11.2018.</p>
<span class="absatzRechts">247</span><p class="absatzLinks"><strong>III.</strong></p>
<span class="absatzRechts">248</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1, § 100 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und S. 2.</p>
<span class="absatzRechts">249</span><p class="absatzLinks"><strong>IV.</strong></p>
<span class="absatzRechts">250</span><p class="absatzLinks">Der Streitwert wird auf 21.798.540,10 € festgesetzt, wobei die Anträge zu 11. bis 13. gemäß § 4 Abs. 1 letzter Hs. ZPO und die Hilfsanträge zu 14. gemäß § 45 Abs. 1 S. 2 GKG unberücksichtigt bleiben und den (Hilfs-)Feststellungsanträgen zu 15. bis 18. sowie dem Auskunftsantrag zu 19. neben den Zahlungsanträgen zu 1. bis 6. kein eigenständiger, darüber hinausgehender Wert zukommt.</p>
<span class="absatzRechts">251</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsbehelfsbelehrung:</strong></p>
<span class="absatzRechts">252</span><p class="absatzLinks">Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Düsseldorf, X2, 40227 Düsseldorf, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">253</span><p class="absatzLinks">Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:</p>
<span class="absatzRechts">254</span><p class="absatzLinks">Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite <span style="text-decoration:underline">www.justiz.de</span>.</p>
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171,222 | ovgrlp-2018-12-21-7-a-1074018 | {
"id": 910,
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} | 7 A 10740/18 | 2018-12-21T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:10 | 2019-02-12T13:44:24 | Beschluss | ECLI:DE:OVGRLP:2018:1221.7A10740.18.00 | <div class="docLayoutText">
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tenor<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 9. Mai 2018 wird abgelehnt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 113,00 € festgesetzt.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Gründe<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der Abweichung (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegen nicht vor.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Rundfunkbeitragsbescheid des Beklagten vom 2. Mai 2017 zu Recht abgewiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 18. Juli 2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. –, juris, entschieden, dass das System der Rundfunkbeitragserhebung im Wesentlichen – bis auf die Heranziehung von Inhabern mehrerer Wohnungen – verfassungsmäßig ist. Soweit die Verfassungsmäßigkeit bejaht wurde, stimmt das Urteil mit der bisher ergangenen Rechtsprechung einschließlich des Bundesverwaltungsgerichts, des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz, des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz überein.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Die Klägerin beruft sich mit ihrem Zulassungsantrag auf eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 und Art. 1 Abs. 1 GG.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Das Bundesverfassungsgericht hat in der genannten Entscheidung einen Verstoß gegen das Recht auf negative Informationsfreiheit bzw. auf die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG verneint (juris, Rn. 135). Denn die Rundfunkbeitragspflicht begründet – so das Bundesverfassungsgericht – keinen Zwang zur Konfrontation mit dem über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbreiteten Informationen, so dass es jedenfalls an einem Eingriff fehlt. Es wird weder unmittelbar noch mittelbar Zwang ausgeübt, die Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten anzusehen oder anzuhören. Der von der Klägerin angesprochene Finanzierungszwang ändert daran nichts.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 24. Juli 2015 – 7 A 10454/15.OVG – und Beschluss vom 16. November 2015 – 7 A 10455/15.OVG –, juris) verstößt die Erhebung des Rundfunkbeitrags nicht gegen die in Art. 4 Abs. 1 GG gewährleistete Glaubens- und Gewissensfreiheit. Ein Eingriff in den Schutzbereich mit Blick auf aus religiösen Gründen abgelehnte Programme und Programminhalte ist nicht gegeben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Die Klägerin beruft sich vorliegend auf die weltanschauliche Bekenntnisfreiheit, die Art. 4 Abs. 1 GG gewährleistet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Eine Verletzung dieses Freiheitsrechts sieht sie nicht in einzelnen Programmen und Programminhalten. Vielmehr geht sie davon aus, dass es sich bei dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk um eine Weltanschauungsgemeinschaft handelt, deren zwangsweise Finanzierung automatisch ein Bekenntnis zu dieser Weltanschauungsgemeinschaft bedeuten würde. Hintergrund ihres Anliegens sei die (im Grunde anarchische) Sichtweise der Negation sämtlicher staatlicher und gesellschaftstheoretischer Prämissen, in denen stets ein Aspekt „Gewalt“ gesehen werde. Diese Auffassung wurzele in der Sichtweise der „Negativen Dialektik“, wie sie Theodor W. Adorno in seinem Hauptwerk entwerfe. Sie lehne nicht nur einzelne Programminhalte ab, sondern den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als solchen, dessen Grundversorgungsauftrag und die durch ihn angebotene Meinungsvielfalt. Sie lehne das Prinzip der Verbreitungen von Meinungen generell ab. In ihrem Schriftsatz vom 21. August 2018 führt sie aus, es handele sich bei dem Beklagten um eine Institution, die einen bestimmten Meinungspluralismus verbreite. Da der Begriff von „Pluralität“ grundsätzlich relativ sei – erst recht bei staatlichen Medien und Medieninstituten, bei denen es immer auch um Meinungshoheit und Einflussnahme, kurz: um „kulturelle Hegemonie“ gehe – müsse es mithin möglich sein, eine eigene antiplurale (identitäre) Weltanschauung zu vertreten, die Schutz vor dem Zwang zur Unterstützung von Institutionen genieße, die explizit ein pluralistisches Weltbild verbreiteten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Es kann offen bleiben, ob die schriftsätzlich vorgetragenen Überzeugungen der Klägerin tatsächlich so gegeben sind; es kann des Weiteren offen bleiben, ob diese als Weltanschauung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 GG zu verstehen sind (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 19. Februar 1992 – 6 C 5.91 –, BVerwGE 89, 368 = juris, Rn. 20 ff.). Selbst wenn man einen Eingriff in ihre Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses nach Art. 4 Abs. 1 annehmen sollte, ist ihre Heranziehung zu einem Rundfunkbeitrag nicht verfassungswidrig. Zwar unterliegt das Grundrecht keinem Gesetzesvorbehalt. Grenzen können den Freiheiten des Art. 4 GG nach dem Grundsatz der Einheit der Verfassung jedoch durch andere Bestimmungen des Grundgesetzes gezogen werden. Insbesondere findet die Freiheit des Bekenntnisses dort ihre Grenzen, wo die Ausübung dieses Grundrechts durch einen Grundrechtsträger auf die kollidierenden Grundrechte anderer trifft (st. Rpsr. des BVerfG, u.a. Beschluss vom 16. Oktober 1979 – 1 BvR 647/70, 1 BvR 7/74 –, BVerfGE 52, 223 = juris, Rn. 65). In diesem Sinne stellt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, der die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk, also die Rundfunkfreiheit, gewährleistet, kollidierendes Verfassungsrecht dar. Die von der Klägerin abgelehnte Vielfalt an Meinungen lässt sich demnach aus der Verfassung selbst ableiten und genießt wie die Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses in Art. 4 Abs. 1 GG ebenfalls verfassungsrechtlichen Schutz.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete verfassungsrechtliche Schutz der Freiheit des Rundfunks erstreckt sich auf das Recht der bestehenden Rundfunkanstalten, der ihrem Auftrag entsprechenden Vielfalt der zu vermittelnden Programminhalte Rechnung zu tragen (BVerfG, Beschluss vom 13. Januar 1982 – 1 BvR 848/77 u.a. –, BVerfGE 59, 231 = juris, Rn. 55). Die Rundfunkfreiheit dient der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung. Der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Auftrag zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit zielt auf eine Ordnung, die sicherstellt, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk möglichst breit und vollständig Ausdruck findet (BVerfG, Urteil 25. März 2014 – 1 BvF 1/11 u.a. –, juris, Rn. 34). Die Rundfunkfreiheit vollzieht sich in einem Kommunikationsprozess, in welchem dem Rundfunk die Aufgabe eines „Mediums“ und „Faktors“ zukommt: Es obliegt ihm, in möglichster Breite und Vollständigkeit zu informieren; er gibt dem Einzelnen und den gesellschaftlichen Gruppen Gelegenheit zu meinungsbildendem Wirken und ist selbst an dem Prozess der Meinungsbildung beteiligt. Dies geschieht in einem umfassenden Sinne (BVerfG, Beschluss vom 13. Januar 1982 – 1 BvR 848/77 u.a. –, BVerfGE 59, 231 = juris, Rn. 55; Beschluss vom 24. März 1987 – 1 BvR 147/86 u.a. –, BVerfGE 74, 297 = juris, Rn. 74; Beschluss vom 4. November 1986 – 1 BvF 1/84 –, BVerfGE 73, 118 = juris, Rn. 89).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>Die Rundfunkanstalten sind demgemäß nicht – wie die Klägerin meint – Weltanschauungsgemeinschaften, die sie entgegen ihrer eigenen Weltanschauung mit der Zahlung des Rundfunkbeitrages unterstützen müsste. Vielmehr sind es rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts mit der verfassungsrechtlichen Aufgabe, Meinungsvielfalt zu gewährleisten. Anders ausgedrückt, die von der Klägerin abgelehnte „Weltanschauung“ der Meinungsvielfalt ist bereits in der Verfassung selbst, nämlich in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG begründet und gewährleistet. Daraus folgt auch, dass eine Finanzierung erforderlich ist, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Stand setzt, die ihm zukommende Funktion im dualen System zu erfüllen. In der Sicherstellung der Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunkprogrammen im dualen System findet sich die Rechtfertigung für die frühere Gebührenfinanzierung und die heutige Finanzierung über Rundfunkbeiträge (u.a. vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Februar 1994 – 1 BvL 30/88 –, BVerfGE 90, 60 = juris, Rn. 147 f.). Das Bundesverfassungsgericht hat eine Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgesprochen. Diese umfasst auch die zur Erfüllung des Rundfunkauftrags benötigten finanziellen Mittel. Die Bestands- und Entwicklungsgarantie ist zugleich Finanzierungsgarantie. Ihr entspricht ein ebenfalls aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgendes Recht der Anstalten, die zur Erfüllung ihrer Funktion nötigen Mittel zu erhalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Februar 1994 – 1 BvL 30/88 –, BVerfGE 90, 60 = juris, Rn. 150). Im Hinblick auf die große Bedeutung, die der Rundfunkfreiheit und der damit verbundenen Meinungsvielfalt in einem demokratischen Staat zukommt, muss das Grundrecht der Klägerin auf Freiheit ihres weltanschaulichen Bekenntnisses – sofern überhaupt ein Eingriff vorliegt – zurücktreten. Dabei ist auch zu sehen, dass es ihr unbenommen bleibt, das Rundfunkangebot generell nicht zu nutzen und damit die Konfrontation mit den Programmen und Programminhalten, in denen die Meinungsvielfalt zum Ausdruck kommt, zu vermeiden. An Beeinträchtigung bleibt die Zahlung der Rundfunkbeiträge, die aus oben genannten Gründen hinzunehmen ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Der von der Klägerin weiter geltend gemachte Verstoß gegen die in Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Menschenwürde ist ebenfalls nicht gegeben. Auch bei Unterstellung eines Eingriffs in die Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses wird die Klägerin mit der Zahlung der Rundfunkbeiträge nicht zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem verwaltungsgerichtlichen Urteil verwiesen. Aus alledem folgt, dass ernstliche Zweifel gegen die Richtigkeit dieses Urteils nicht bestehen. Die sich stellenden Rechtsfragen sind anhand der Rechtsprechung, insbesondere der des Bundesverfassungsgerichts zur Bedeutung der Rundfunkfreiheit, ohne weiteres zu beantworten, so dass die Rechtssache auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten aufweist bzw. ihr keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>Der Zulassungsgrund der Abweichung liegt ebenfalls nicht vor. Insoweit beruft sich die Klägerin auf die vom Verwaltungsgericht angesprochene Härtefallregelung und meint, es liege eine Abweichung von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Dezember 2012 – 1 BvR 2550/12 –, juris, vor. In diesem Beschluss hatte das Bundesverfassungsgericht es nicht für von vornherein ausgeschlossen gehalten, dass der dortige Beschwerdeführer mit einem Härtefallantrag, bei dem er seine religiöse Einstellung und seine gesamten Lebensumstände darlegen könnte, eine Beitragsbefreiung erreichen könne. Abgesehen davon, dass das Bundesverfassungsgericht es lediglich nicht für von vornherein ausgeschlossen hielt, ist die Frage, ob im Fall der Klägerin ein Befreiungsantrag Erfolg haben könnte, vorliegend nicht entscheidungserheblich. Einen solchen Härtefallantrag hat die Klägerin nämlich nicht gestellt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.</p></dd>
</dl>
</div></div>
</div>
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<a name="focuspoint"><!--BeginnDoc--></a><div id="bsentscheidung"><div>
<h4 class="doc">Tenor</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 18. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
</div></div>
<h4 class="doc">Gründe</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>I.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens um die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Widerruf einer Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Die Antragstellerin betreibt seit Juni 1998 an verschiedenen Niederlassungen auf der Grundlage einer ab dem 30. Juni 1998 erstmals erhaltenen, auf mehrfache Anträge jeweils antragsgemäß verlängerten und ab dem 30. Juni 2007 unbefristet erteilten Erlaubnis die Überlassung von Arbeitnehmern und beschäftigt u.a. auch Personen aus Rumänien. Geschäftsführerin war zunächst bis zum Oktober 2009 die 1943 geborene Frau C..</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Nach dem zum 20. Oktober 2009 erfolgten Wechsel der Geschäftsführung zu Herrn D. stellte die Antragsgegnerin bei einer Überprüfung der Geschäftsunterlagen am 27. April 2011 eine Vielzahl von Versagungstatbeständen im Sinne von § 3 AÜG fest, u.a. die falsche Vergütung von Freizeitstunden, die nicht bzw. nicht korrekte Zahlung von einsatzbezogenen Zulagen sowie tarifvertraglich festgesetzten jährlichen Sonderzahlungen, Verstöße gegen § 2 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), Verstöße gegen das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), Verstöße gegen das Nachweisgesetz (NachwG) und die Nichteinhaltung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG). Die Antragsgegnerin beanstandete diese Verstöße ausdrücklich unter Hinweis auf einen möglichen Erlaubniswiderruf und behielt sich eine spätere erneute Prüfung der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen vor.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Die Antragstellerin teilte in der Folgezeit zum 19. August 2011 die erneute Übernahme der Geschäftsführung durch Frau C. mit sowie zum 28. August 2013 einen erneuten Wechsel der Geschäftsführung zu Frau E..</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Im Oktober 2017 forderte die Antragsgegnerin zur Vorbereitung einer möglichen Routineprüfung unter Verweis auf § 7 Abs. 2 AÜG die Antragstellerin zur Ausfüllung und Rücksendung eines beigefügten Fragebogens auf, was im November 2017 erfolgte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Am 16. Mai 2018 führte die Antragsgegnerin die angekündigte örtliche Prüfung bei der Antragstellerin durch. Diese ergab eine Vielzahl gerügter und mit Schreiben vom 21. Juni 2018 unter Bezugnahme auf § 28 Abs. 1 AÜG sowie unter Einräumung einer Stellungnahmefrist bis zum 20. Juli 2018 der Antragstellerin mitgeteilter Mängel im Rahmen der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern, u.a. Verstöße gegen das Equal-Pay-Gebot nach neunmonatiger Überlassungsdauer, Verstöße gegen den Tarifvertrag der iGZ, Verstöße gegen das NachwG, Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz (ArbZG), Verstöße gegen den Garantielohn gemäß § 615 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), unzulässige Auftragskündigungen, Verstöße gegen den Manteltarifvertrag (IGZ/DGB) durch Vorenthaltung von Jahressonderzahlungen, falsche Vergütungen bei Urlaubsentgelten und Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall und falsche Mehrarbeitszuschläge, Verstöße gegen das EFZG an Feiertagen, rechtswidrige Probezeitvereinbarungen, rechtswidrige Vertragsstrafen, Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und Verstöße gegen die Auskunftsverpflichtung gemäß § 7 Abs. 2 AÜG wegen Nichtvorlage vollständiger Unterlagen aus allen Niederlassungen. Aufgrund der festgestellten Verstöße sei ein Widerruf der Erlaubnis gemäß § 5 AÜG beabsichtigt aufgrund einer anzunehmenden Unzuverlässigkeit.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Nachdem die Antragstellerin bereits mit Schreiben vom 28. Mai 2018 die zum 31. Mai 2018 erfolgte Abberufung der bisherigen Geschäftsführerin sowie die Ernennung des 1939 geborenen Herrn F. mitgeteilt hatte, nahm sie mit Schreiben vom 11. Juli 2018 zu dem beabsichtigten Erlaubniswiderruf Stellung. Einige Verstöße wurden bestritten, z.B. hinsichtlich des Equal-Pay- Gebot nach neunmonatiger Überlassungsdauer und hinsichtlich des Garantielohns, der Auftragskündigungen, fehlerhafter Mehrarbeitszuschläge, Urlaubsentgelte und Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall. Gerügte Vertragsstrafen seien in Fällen unentschuldigten Fehlens und nach vorheriger Abmahnung verhängt worden. Die gerügte Praxis der Berechnung von Kosten für Arbeitsschuhe beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten ohne Rückgabemöglichkeit erfolge, weil eine Weitergabe der Schuhe an andere Beschäftigte nicht zumutbar sei. Zudem erhielten die Beschäftigten bei Abnutzung kostenlos Ersatz und könnten alle wieder nutzbaren Kleidungsstücke zurückgeben. Die gerügten fehlenden Betriebsunterlagen resultierten aus dem Verschieben des Prüfungstermins und der daher erfolgten Rückgabe der bereits angeforderten Unterlagen in die Niederlassungen. Die Unvollständigkeit der dann für den Prüftermin erneut angeforderten Unterlagen sei zunächst nicht aufgefallen und innerhalb einer Stunde behoben worden. Ein vorübergehend aufgetretener IT-Systemausfall sei unverschuldet gewesen. Es habe auch keine Kündigungen in Abhängigkeit zu Aufträgen gegeben. Teilweise seien zum Zeitpunkt von Kündigungen spätere Bedarfe nicht absehbar gewesen und teilweise hätten Arbeitnehmer auch angebotene Einsätze bei anderen Entleihern nicht wahrnehmen wollen. Die teilweisen Abweichungen zwischen arbeitsvertraglich vereinbarten und tatsächlich geleisteten monatlichen Arbeitsstunden hätten nicht zu Nachteilen für die Leiharbeitnehmer geführt, weil alle Stunden ohne Buchung auf Arbeitszeitkonten vergütet worden seien. Die Umstellung der Arbeitsverträge auf die tatsächliche Stundenanzahl erfolge zukünftig zeitnah. Weitere Verstöße wurden eingeräumt und mit dem Verschulden der jeweiligen Entleiher begründet, wie z.B. hinsichtlich des ArbZG, bzw. mit dem Fehlverhalten einer bereits zum 31. Januar 2018 gekündigten ehemaligen Niederlassungsleiterin und der dortigen Sachbearbeiter und Auszubildenden, wie z.B. hinsichtlich der Jahressonderzahlungen und der Entgeltfortzahlungen an Feiertagen, und mit hinsichtlich der Tätigkeitsbezeichnung fehlerhaften Überlassungsverträgen. Bei weiteren eingeräumten Verstößen wurden zukünftige Änderungen angekündigt, wie z.B. hinsichtlich der aus vorgetragener Unkenntnis von Sachbearbeitern nicht berichtigten Probezeitvereinbarungen und hinsichtlich der nicht hinreichend konkreten Vertragscharakterisierungen gemäß den Vorgaben des NachwG.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Mit Bescheid vom 10. August 2018, zugestellt per PZU am 15. August 2018, widerrief der Antragsgegner gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 AÜG iVm § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG die unbefristete Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung unter Bezugnahme auf die festgestellten Verstöße. Die im Anhörungsverfahren vorgebrachten Argumente der Antragstellerin seien insbesondere hinsichtlich der Jahressonderzahlungen, des Garantielohns und der Entgeltfortzahlung nicht geeignet gewesen, eine andere Entscheidung zu treffen. Die festgestellten Verstöße seien erheblich und deren Anzahl und Qualität begründeten die Gefahr einer auch zukünftigen Nichteinhaltung von arbeitsrechtlichen Pflichten. Die bisherige Verleihpraxis habe gezeigt, dass die wichtigsten Grundprinzipien der Arbeitnehmerüberlassung nicht umgesetzt würden, weshalb im Rahmen des Ermessens keine positive Prognose für die Zukunft attestiert werden könne. Eine Auflage sei nicht gleichermaßen zum Schutz der Leiharbeitnehmer geeignet, weil deren Einbußen so erheblich seien, dass eine bloße Kontrolle der Tätigkeit der Antragstellerin nicht mehr verhältnismäßig sei. Die Erlaubnis gelte gemäß § 1 Abs. 1 iVm § 5 Abs. 2 Satz 2 iVm § 2 Abs. 4 AÜG für die Abwicklung abgeschlossener Verträge für längstens zwölf Monate fort.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Mit anwaltlichem Schreiben vom 28. August 2018 legte die Antragstellerin Widerspruch ein und beantragte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung unter Verweis auf den beigefügten entsprechenden Antrag gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) an das Sozialgericht Hannover (SG) vom selben Tag. Hinsichtlich der einzelnen Feststellungen der Betriebsprüfung werde auf die umfangreiche Stellungnahme im Anhörungsverfahren Bezug genommen. Die Vorwürfe seien teilweise bereits widerlegt bzw. inhaltlich nicht nachvollziehbar. Der vorgeworfene Fehler bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall werde eingeräumt. Die Fehlerursache sei, wie bei der fehlerhaften Entgeltfortzahlung an Feiertagen, eine nicht genügende Kontrolle der Berechnungen einer Auszubildenden gewesen, die aufgrund der wegen Krankheit bzw. Mutterschutz ausgefallenen Sachbearbeiterinnen durch die zwischenzeitlich wegen Verstößen gegen das AÜG gekündigte Niederlassungsleiterin hätte erfolgen müssen. Die eingeräumten Verstöße beträfen überhaupt im Wesentlichen den Bereich der Niederlassung in G. und den Zeitraum der Leitung durch die wegen Verstößen gegen das AÜG gekündigten Niederlassungsleiterin, wodurch die Eignung der Kontrolltätigkeit der Antragstellerin belegt sei. Diese Kontrolle und Reaktion sei von der Antragsgegnerin nicht gewürdigt worden. Die daneben in geringem Umfang verbleibenden arbeitsrechtlichen Verstöße rechtfertigten unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes keinen Erlaubniswiderruf, weil sie auf irrtümlichen Rechtsverletzungen beruhten, die keine zukünftigen Rechtsverletzungen indizierten, weshalb kein Sachverhalt vorliege, aus dem sich ergebe, dass die Antragstellerin keine Gewähr dafür biete, zukünftig ihr Gewerbe ordnungsgemäß auszuüben. Der angegriffene Bescheid mache die Antragstellerin nahezu handlungsunfähig, weil häufig Leiharbeitnehmer das Arbeitsverhältnis beendeten. Es müsse daher zur Erfüllung der Verträge mit den Entleihern für Ersatzeinstellungen gesorgt werden. Ohne einstweiligen Rechtsschutz seien die rund 200 Arbeitsplätze in akuter Gefahr. Zudem handele es sich um einen Ausbildungsbetrieb mit allein in der Verwaltung beschäftigten drei alleinerziehenden Müttern.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Das SG hat mit Beschluss vom 28. Oktober 2018 den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Die Erfolgsaussichten einer Klage gegen den Widerruf der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung seien gering. Im Rahmen der gebotenen summarischen Überprüfung falle die Prognose zur Zuverlässigkeit der Antragstellerin negativ aus. So seien Ansprüche der Arbeitnehmer auf tarifvertraglich festgesetzte Jahressonderzahlungen nicht beachtet worden, was einen schwerwiegenden Verstoß darstelle, der zudem bereits bei der früheren Prüfung im Jahr 2011 beanstandet worden sei. Weiterhin seien die Grundsätze des § 6a Manteltarifvertrag iGV nicht eingehalten und Urlaubs- sowie Krankheitszeiten lediglich pauschal vergütet worden. Dieser Verstoß wiege umso schwerer, als zudem bei mehrheitlich kaum über deutsche Sprachkenntnisse verfügende und daher in besonderem Maße auf ordnungsgemäße Abrechnungen vertrauende Arbeitnehmer aus Rumänien in erheblichem Umfang von den tatsächlichen Arbeitszeiten abweichende Arbeitszeiten vereinbart worden seien. Der Hinweis auf fehlende Kontrollen der Berechnungen einer Auszubildenden bzw. auf Ausfälle von Sachbearbeitern sei insoweit nicht ausreichend. Weiterhin seien Verstöße gegen die Entgeltfortzahlung an Feiertagen eingeräumt worden sowie Verstöße gegen das Verbot der mehrmaligen Vereinbarung von Probezeiten in aufeinanderfolgenden Arbeitsverträgen identischer Arbeitnehmer. Die Rechtfertigung mit individuellen Sachbearbeiterfehlern genüge nicht, weil sich in der Zusammenschau mit der von der Antragsgegnerin unter dem Punkt „Auftragskündigungen“ gerügten Verhaltensweise der Antragstellerin ergebe, dass mit etlichen Mitarbeitern mehrfach Arbeitsverträge geschlossen wurden nachdem vorher bereits bestehende Verträge kurz zuvor gekündigt worden seien. Es sprächen insoweit Anhaltspunkte für jeweils mit der Abmeldung durch den Entleihbetrieb erfolgte Kündigungen. Dies sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) unzulässig, weil im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung regelmäßige Auftragsschwankungen intern auszugleichen seien und keine betriebsbedingten Kündigungen rechtfertigten. Hinsichtlich des eingeräumten Verstoßes gegen das Arbeitszeitgesetz an insgesamt sieben Tagen könne sich die Antragstellerin nicht auf Verpflichtungserklärungen des Entleihers berufen, sondern sei selbst für die Einhaltung der Regelungen verantwortlich. Gegen die Zuverlässigkeit der Antragstellerin spreche auch die Belastung der Arbeitnehmer mit den Kosten der Sicherheitsschuhe entgegen des eindeutigen gesetzlichen Verbots, wobei die dafür erfolgte Erklärung nicht überzeuge. Die abschließende Aufklärung der von der Antragstellerin bestrittenen Verstöße könne angesichts der eingeräumten Verstöße dem Hauptsacheverfahren Vorbehalten bleiben. Für die Prognoseentscheidung falle ins Gewicht, dass fast ausschließlich eine inzwischen ausgeschiedene Niederlassungsleiterin verantwortlich gemacht werde ohne Hinterfragung struktureller Probleme. Weiterhin seien viele Verstöße bereits Gegenstand der im Jahr 2011 getroffenen Feststellungen gewesen und seitdem nicht abgestellt worden. Die Erteilung einer Auflage gemäß § 2 Abs. 1 AÜG genüge nicht, weil die ohnehin gebotene Beachtung gesetzlicher und tarifvertraglicher Vorgaben keine taugliche Auflage darstelle. Ein übergeordnetes Aussetzungsinteresse sei aufgrund der mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßigen Entscheidung der Antragsgegnerin abzulehnen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Gegen den am 18. Oktober 2018 vorab per Telefax und am 23. Oktober 2018 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 19. November 2018 Beschwerde eingelegt. Bei der Antragstellerin handele es sich um eine juristische Person, weshalb hinsichtlich der Beurteilung der Zuverlässigkeit auf die vertretungsberechtigten Organe abzustellen sei. Insoweit seien die Wechsel in der Position der Geschäftsführung zu berücksichtigen. Die gerügten und teilweise eingeräumten Mängel seien nicht geeignet eine negative Prognoseentscheidung für den amtierenden Geschäftsführer, Herrn H., zu begründen, weil dieser erst im Juni 2018 und damit nach der Prüfung durch die Antragsgegnerin zum Geschäftsführer bestellt worden sei. Insoweit sei auch keine Bezugnahme auf im Jahr 2011 festgestellte Verstöße möglich. Hieran ändere auch die langjährige Gesellschafterstellung des Herrn H. nichts, weil diesem keine Verletzung seiner Aufsichtspflicht in der Vergangenheit vorzuwerfen sei. Über die Prüfung im Jahr 2011 sei keine Information der damaligen Geschäftsführung erfolgt. Eine Kontrolle des Tagesgeschäfts durch die Gesellschafter sei weder gesellschaftsrechtlich vorgesehen noch könne eine solche im Gesellschaftervertrag geregelt werden. Es sei nicht Aufgabe der Gesellschafter, die Sachbearbeitung zu übernehmen. Es gebe auch keine Altersgrenze für Geschäftsführer. Das Verhalten des Herrn H. zeige seine Zuverlässigkeit, weil die Antragstellerin die damals zuständige Niederlassungsleiterin in G. nach Feststellung der Verstöße gekündigt habe. Der im arbeitsgerichtlichen Verfahren geschlossene Vergleich sei eine übliche Beendigungsform. Vorfälle aus dem Jahr 2011 könnten für eine Prognoseentscheidung ohnehin nicht mehr herangezogen werden. Es sei auch keine Verantwortung abgewälzt, sondern durch die Kündigung der Wille zur Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen dokumentiert worden. Auch im Übrigen seien geeignete Maßnahmen zur zukünftigen Vermeidung von Verstößen getroffen worden durch im Zeitraum Mai bis November 2018 intern bekannt gemachte Anweisungen und eine dadurch gezeigte Auseinandersetzung mit gerügten strukturellen Problemen, so z.B. durch eine „Arbeitsanweisung Entgeltabrechnung bei Krankheits-, Urlaubs-, Feiertagsstunden“, eine „Arbeitsanweisung Arbeitskleidung“, eine „Arbeitsanweisung Probezeit und Einhaltung“, eine „Arbeitsanweisung Umgang mit Abmahnungen“ , eine Arbeitsanweisung zur Dokumentationspflicht, eine Dienstanweisung zur Eingruppierung nach dem IGZ-Tarifvertrag und eine „Arbeitsanweisung Unterstützung der Azubis“. Den Mitarbeitern würden dadurch festgestellte individuelle Fehler mitgeteilt und konkrete Vorgaben zur zukünftig erwarteten Vorgehensweise gemacht. Die Umstellung konkreter Arbeitsabläufe sei daneben nicht notwendig. Bei Unklarheiten hole die Antragstellerin nunmehr auch rechtliche Beratung beim zuständigen Arbeitgeberverband ein. Insgesamt ergebe sich aus den geschilderten Maßnahmen eine Auseinandersetzung mit organisatorischen Mängeln, weshalb sich die Entscheidung der Antragsgegnerin mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht als rechtmäßig erweisen werde. Die Antragstellerin habe bei allen Beanstandungen und festgestellten Verstößen eine angemessene Reaktion gezeigt. Entgegen der Auffassung des SG sei auch die Erteilung einer Auflage bzgl. der Einstellung des Geschäftsbetriebs im Bereich der Niederlassung G. möglich, weshalb der Widerruf der Erlaubnis nicht das einzig geeignete Mittel sei. Dem Antrag der Antragstellerin sei auch aufgrund der im Rahmen der Folgenabwägung maßgeblichen Grundsätze stattzugeben. Die Antragstellerin müsse nach dem derzeitigen Stand Mitte Januar 2019 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen, weshalb ihr Rechtsschutz unzulässig verkürzt würde, weil sich das Hauptsacheverfahren noch im Widerspruchsverfahren befinde. Der Verweis auf das Hauptsacheverfahren laufe daher ins Leere und eine dortige vollständige Prüfung könne nicht mehr erfolgen. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass eine Vielzahl von Leiharbeitnehmern von Kunden der Antragstellerin in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen bzw. von der Antragstellerin vermittelt würden. Hinzu komme die soziale Verantwortung für Auszubildende und Arbeitnehmer. Der vom AÜG bezweckte Schutz der Leiharbeitnehmer und des Verwaltungspersonals werde durch den Verlust der Arbeitsplätze ins Gegenteil verkehrt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>Die Antragstellerin beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 18. Oktober 2018 abzuändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 28. August 2018 gegen den Bescheid der Antragstellerin vom 10. August 2018 anzuordnen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Die Antragsgegnerin beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 18. Oktober 2018 zurückzuweisen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Der neue Geschäftsführer der Antragstellerin befinde sich im 80. Lebensjahr und sei bereits langjähriger Gesellschafter gewesen, weshalb lediglich von einer situationsbezogenen Interimslösung auszugehen und das erforderliche grundlegende Umsteuern zweifelhaft sei. Eine Verbesserung der Umstände sei auch nach der Prüfung im Jahr 2011 trotz erheblicher Beanstandungen nicht erfolgt. Es müssten langjährige Entgeltverkürzungen zu Lasten der Leiharbeitnehmer vermutet werden. Die eingereichten Arbeits- und Dienstanweisungen stellten lediglich die festgestellten Beanstandungen dar, wohingegen jegliche Hinweise für eine Umstellung der konkreten Arbeitsweise fehlten sowie darauf bezogene Kontrollen. Es entstehe der Eindruck einer Delegierung der Verantwortung auf die Mitarbeiter unter Freizeichnung der Geschäftsführung. Das Widerspruchsverfahren sei im Hinblick auf das einstweilige Rechtsschutzverfahren ruhend gestellt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>Wegen des vollständigen Vorbringens der Beteiligten und des umfassenden Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p><strong>II.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Das SG hat es mit dem angegriffenen Beschluss zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. August 2018 anzuordnen. Der Antrag der Antragstellerin ist abzulehnen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">1. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht in Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Widerspruch und Klage gegen die Ablehnung der befristeten Erteilung einer Erlaubnis zur Arbeitsnehmerüberlassung sowie gegen den Widerruf der Erlaubnis haben gemäß § 86a Abs. 4 Satz 1 SGG keine aufschiebende Wirkung. In dieser Vorschrift sind ausdrücklich die Nichtverlängerung der Erlaubnis sowie die Aufhebung der Erlaubnis nach § 1 AÜG genannt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">Die Frage der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist anhand einer Abwägung zu beurteilen zwischen dem Interesse des Antragstellers, einstweilen von der belastenden Wirkung des streitigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, und dem besonderen Interesse der die Verfügung erlassenden Verwaltung, das zur Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG geführt hat bzw. dem im Gesetz zum Ausdruck gekommenen besonderen allgemeinen Vollzugsinteresse. Zu berücksichtigen ist dabei die Grundentscheidung des Gesetzgebers über die fehlende aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs oder einer Klage, weshalb die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben muss. Auf der anderen Seite kann an der sofortigen Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein überwiegendes Vollzugsinteresse bestehen, weshalb es bei der Interessenabwägung maßgeblich auf die konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, das konkrete Vollzugsinteresse und die für die Dauer der möglichen aufschiebenden Wirkung drohende Rechtsbeeinträchtigung ankommt. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, so hat eine allgemeine Interessenabwägung hinsichtlich der Folgen für die jeweiligen Beteiligten bei der Aufrechterhaltung der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehung zu erfolgen (vgl. Beschluss des Senats vom 27. Juni 2018 - L 7 AL 22/18 B ER -; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn 12 ff).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt unter Berücksichtigung der ausgeführten Grundsätze vorliegend nicht in Betracht, weil nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung die Verwaltungsentscheidung der Antragsgegnerin zum Widerruf der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung mit einer weit überwiegenden Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist und die die Erfolgsaussichten von Widerspruch und Klage gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin daher nur sehr gering sind:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">a)</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 iVm § 2 Abs. 1 Nr. 1 AÜG kann eine erteilte Erlaubnis nach pflichtgemäßer Ermessensausübung mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Erlaubnisbehörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, die Erlaubnis zu versagen. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG ist eine Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 AÜG erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, weil er u. a. die arbeitsrechtlichen Pflichten nicht einhält. Diese „Unzuverlässigkeit“ ist nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift nicht nur bei der Neuerteilung, sondern auch bei jeder Verlängerung der Erlaubnis zu prüfen (Landessozialgericht <LSG> Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. Dezember 2012 - L 1 AL 4/01). Wann die Voraussetzungen des Versagungsgrundes der Unzuverlässigkeit, der einen gerichtlich nachprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff darstellt (Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 6. Februar 1992 - 7 RAr 140/90 - SozR 3-7815 Art 1 § 3 Nr. 3), verwirklicht sind, ergibt sich nicht abschließend aus dem AÜG. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG begnügt sich, wie dem Wort "insbesondere" zu entnehmen ist, mit der Aufzählung von Beispielsfällen. Zur Auslegung herangezogen werden kann aber auch der Zweck der Vorschrift. Dieser besteht darin, im Interesse der Sicherheit des sozialen Schutzes der Leiharbeitnehmer unzuverlässige Verleiher aus dem Bereich der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung auszuschalten (BT-Drs. VI/2303, S. 11). Als unzuverlässig ist ein Antragsteller danach anzusehen, wenn in seiner Person Tatsachen vorliegen, denen zufolge zu besorgen ist, dass er sein Gewerbe nicht im Einklang mit den bestehenden rechtlichen Vorschriften ausüben wird (BSG, Urteil vom 6. Februar 1992 - 7 RAr 140/90 - SozR 3-7815 Art. 1 § 3 Nr. 3). Zwar wird es sich in der Regel um arbeitsrechtliche Verstöße im Kernbereich - z.B. Vergütung, Ansprüche auf Erholungsurlaub bzw. auf sonstige geldwerte Leistungen o.ä. - handeln (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. November 2017 - L 2 AL 75/17 B ER -). Die Unzuverlässigkeit kann sich aber auch aus einer Summierung von Umständen und kleinen Verstößen gegen arbeitsrechtliche Vorschriften ergeben, die für sich allein keinen Versagungsgrund rechtfertigen könnten (Beschluss des Senats vom 27. Juni 2018 - L 7 AL 22/18 B ER). Dabei ist eine Prognose für die Zukunft anzustellen. Maßgebend ist ein aus den vorhandenen tatsächlichen Umständen der Vergangenheit und der Gegenwart gezogener Schluss auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Antragstellers, wobei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht maßgebend ist (BSG, Urteil vom 6. Februar 1992 - 7 RAr 140/90 - a.a.O.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. November 2017 - L 2 AL 75/17 B ER). Im Rahmen der im pflichtgemäßen Ermessen stehenden Widerrufsentscheidung sind aufgrund der Aufhebung einer ursprünglich rechtmäßigen Erlaubnis im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung Schwere und Häufigkeit der Verstöße zu gewichten und mildere Mittel, z.B. der Erlass einer Auflage, in Erwägung zu ziehen (vgl. Schüren/Hamann, AÜG, 5. Aufl. 2018, § 5 Rn 39).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">b)</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist vor diesem Hintergrund unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen und Informationen das SG zutreffend zu der Bewertung gelangt, dass die Prognose zur Zuverlässigkeit der Antragstellerin negativ ausfällt. Der von der Antragsgegnerin erklärte Erlaubniswiderruf ist weder unter Berücksichtigung der vorgesehenen Ermessensausübung rechtswidrig noch aus sonstigen Gründen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_24">24</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">Maßgeblich für die negative Prognose zur Zuverlässigkeit der Antragstellerin ist bereits ihr Verhalten nach der Kenntniserlangung und der Einräumung von Verstößen seit Mai 2018. Die Antragstellerin hat danach nicht nur keine auch nur ansatzweise hinreichenden Maßnahmen zur Sicherstellung der zukünftigen Einhaltung der ihr gesetzlich und tarifvertraglich obliegenden Verpflichtungen getroffen, sondern im Gegenteil derartige Maßnahmen sogar für gar nicht erforderlich erachtet. Da die eingeräumten Verstöße, die mit der u.a. ersichtlichen Tangierung von Vergütung, vertraglich vereinbarter Arbeitszeit und Arbeitsschutz den arbeitsrechtlichen Kernbereich betreffen, nach dem Vorbringen der Antragstellerin weit überwiegend auf Fehlern von nachgeordneten Sachbearbeitern und Auszubildenden, auf dem ersatzlosen Ausfall von Sachbearbeitern sowie insbesondere auf unzureichender Kontrolle beruht haben sollen, wäre es zwingend zu erwarten und unbedingt erforderlich gewesen, hieraus die naheliegende Konsequenz einer Überprüfung und Korrektur der internen Aufgaben- und Überwachungsstruktur bei der Antragstellerin zu ziehen mit der Implementierung eines tragfähigen Konzepts zur zukünftigen Sicherstellung a) des Einsatzes hinreichend qualifizierter und in den jeweils rechtlich maßgeblichen Bereichen geschulter Mitarbeiter, b) der Sicherstellung eines hinreichend großen Mitarbeiterpools zur Kompensation von Ausfällen sowie insbesondere c) einer hinreichend dichten und zeitnahen internen Prüfung und Nachhaltung einer den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Verwaltungstätigkeit. Soweit die Antragstellerin demgegenüber allein die Kündigung einer nachgeordneten Mitarbeiterin und die Mitteilung aktuell festgestellter Verstöße an die verbliebenen Mitarbeiter in Form von Arbeits- bzw. Dienstanweisungen für ausreichend erachtet, zeigt sich ein grundlegendes Fehlverständnis hinsichtlich der Schwierigkeit und Komplexität der einzuhaltenden gesetzlichen und tarifvertraglichen Vorschriften sowie insbesondere auch hinsichtlich der Organisationsverantwortlichkeit der Antragstellerin für die Sicherstellung der Einhaltung dieser Vorschriften. Die Antragstellerin ist als Erlaubnisinhaberin verantwortlich dafür, zu Lasten der Leiharbeitnehmer gehende Fehler der von ihr eingestellten und mit den Verwaltungsaufgaben betrauten Mitarbeiter zu vermeiden durch Einrichtung und Überwachung einer dafür geeigneten Organisationsstruktur mit der Auswahl und Kontrolle geeigneter und bei Bedarf regelmäßig geschulter und weitergebildeter Mitarbeiter. Diesen Verpflichtungen ist die Antragstellerin unter Berücksichtigung ihrer eigenen Begründung der eingeräumten Verstöße in der Vergangenheit nicht hinreichend nachgekommen, weil den arbeitsrechtlichen Kernbereich betreffende Aufgaben ohne genügende Überwachung Auszubildenden und nicht auf dem erforderlichen aktuellen Kenntnistand befindlichen Sachbearbeitern übertragen wurden. Bei der Erheblichkeit der festgestellten und eingeräumten Verstöße genügt es daher nicht, Mitarbeiter durch Anweisungen über die zukünftige Handhabung konkret beanstandeter Fehler zu informieren, gleichzeitig aber diejenigen Strukturen unverändert zu lassen, die in der Vergangenheit zu diesen unstreitig aufgetretenen Fehlern und Verstößen geführt haben. Ganz konkret fehlen jegliche Erläuterungen und Belege, durch welche internen Maßnahmen für die Zukunft sichergestellt werden soll, dass fehlerhafte Berechnungen, fehlerhafte Entgeltauszahlungen, fehlerhafte Vertragsinhalte, Verstöße gegen das ArbZG und das ArbSchG o.ä. verhindert werden sollen. Die Antragstellerin hat nicht dargelegt, dass und ggf. wie zukünftig die Qualität neu eingestellter Mitarbeiter sowie die Aus- und Weiterbildung des Mitarbeiterstamms gewährleistet werden soll, dass und ggf. wie zukünftig die Bearbeitung durch hinreichend qualifizierte Mitarbeiter auch bei vorübergehenden Ausfällen durch Krankheit o.ä. gewährleistet werden soll sowie, dass und ggf. wie zukünftig eine hinreichende interne Kontrolle der Bearbeitungsstandards durchgeführt und sichergestellt werden soll. Die ausdrücklich geäußerte Auffassung, dass es ausreiche, den Mitarbeitern konkrete Vorgaben zur zukünftig erwarteten Vorgehensweise zu machen, ohne dass die Umstellung konkreter Arbeitsabläufe notwendig sei, zeigt weiterhin auch eine vollständig fehlende Wahrnehmung und Respektierung der Relevanz und Sensibilität der Einhaltung von konkreten, dem Schutz von Arbeitnehmerrechten dienenden gesetzlichen und tarifvertraglichen Vorgaben. Das Fehlen eines im Interesse der Sicherheit des sozialen Schutzes der Leiharbeitnehmer zwingend erforderlichen Gespürs für das sensible Vermittlungsgeschäft zeigt sich auch durch die teilweise erfolgte Bagatellisierung von arbeitsrechtlichen Verstöße als „in geringem Umfang verbleibend“ sowie insbesondere auch durch den Vortrag zu angeblich fehlenden Nachteilen der Leiharbeitnehmer durch die erheblichen Diskrepanzen zwischen vertraglich vereinbarter und tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden und zur auch nach der Beanstandung zunächst weiter für sachgerecht gehaltenen Belastung der Leiharbeitnehmer mit Kosten von Arbeitsschuhen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_25">25</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">Insgesamt ergibt sich auf der Grundlage der vorliegenden Unterlagen und Informationen der Eindruck, dass die Antragstellerin ausschließlich auf konkret benannte Einzelfehler reagiert, jedoch weder bereit noch nach der personellen Aufstellung in der Lage ist, für die Zukunft die Vermeidung der bereits festgestellten Fehler, insbesondere aber auch die Vermeidung weiterer Fehler im Rahmen der komplexen rechtlichen Vorgaben zu gewährleisten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_26">26</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">Aufgrund dieses aktuellen Verhaltens der Antragstellerin nach der Prüfung der Antragsgegnerin im Mai 2018 und damit auch nach dem vollzogenen Wechsel der Geschäftsführung kommt es auf die Frage, ob für die Entkräftung einer negativen Prognose allein ein solcher Wechsel ausreichend ist, nicht mehr an. Dahinstehen kann daher auch, dass hinsichtlich des neuen Geschäftsführers keine Qualifikationen, insbesondere Kenntnisse des Arbeitsrechts und des Arbeitnehmerüberlassungsrechts, vorgetragen und glaubhaft gemacht worden sind, und ob bei der Antragstellerin unter Berücksichtigung der selbst vorgetragenen personellen Ausstattung überhaupt von einer hinreichenden Betriebsorganisation iSd § 3 Abs. 1 Nr. 2 AÜG auszugehen ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_27">27</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">Im Rahmen des der Antragsgegnerin eingeräumten Ermessensspielraums gerichtlich überprüfbare Ermessensfehler in Gestalt eines Ermessensnicht- oder Ermessensfehlgebrauchs, z.B. ein unsachliches Motiv, ein sachfremder Zweck oder ein unrichtiger oder unvollständiger Sachverhalt (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rn 27, 28), sind nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat die zu treffende Ermessensentscheidung erkannt und im Rahmen der getroffenen Abwägung auch das mildere Mittel einer Auflagenerteilung erwogen. Eine Ermessensreduzierung auf Null kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil die von der Antragstellerin vorgetragene Auflage der Einstellung der Verleihtätigkeit im Bereich der Niederlassung G. in gar keinem erkennbaren Zusammenhang mit den konkret festgestellten und eingeräumten Verstößen steht. Diese haben ersichtlich nichts mit dortigen örtlichen Besonderheiten zu tun, sondern allein mit der personellen Aufstellung der Antragstellerin und der fehlenden Personalüberwachung. Diese Fehlerquelle besteht aber nach den erfolgten Ausführungen für den gesamten örtlichen und sachlichen Tätigkeitsbereich der Antragstellerin fort. Bloße Gesetzeswiederholungen oder die Anordnung, gesetzliche oder tarifliche Vorschriften zukünftig zu beachten, stellen zudem keine taugliche Auflage dar, weil diese Vorgaben auch ohne Auflage ohnehin zu beachten sind.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_28">28</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">Auch sonstige Gründe für eine etwaige Rechtswidrigkeit des Erlaubniswiderrufs sind weder vorgetragen noch aus den Umständen ersichtlich.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">c)</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_29">29</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">Gewichtige Interessen der Antragstellerin, die bei der Interessenabwägung vor diesem Hintergrund zu einem anderen Ergebnis führen könnten, sind nicht ersichtlich. Insoweit genügt aufgrund der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit des Erlaubniswiderrufs insbesondere nicht allein das wirtschaftliche Interesse an einer Geschäftsfortführung. Es kann daher dahinstehen, dass es hinsichtlich der konkreten wirtschaftlichen Situation der Antragstellerin an substantiiertem Vortrag und einer Glaubhaftmachung bzgl. der vorgetragenen drohenden Insolvenz fehlt. Dahinstehen kann auch, dass insoweit auch jedenfalls erläuterungsbedürftig gewesen wäre, warum die Beschwerde erst mehr als einen Monat nach der vorab bereits per Telefax erfolgten Übersendung des erstinstanzlichen Beschlusses und unter fast vollständiger Ausschöpfung der Rechtsmittelfrist eingelegt worden ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_30">30</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a SGG iVm § 154 Verwaltungsgerichtsordnung. Danach trägt der unterliegende Beteiligte, hier die Antragstellerin, die Kosten des Verfahrens.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_31">31</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">3. Der Streitwert richtet sich nach § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Senat hält den Auffangstreitwert von EUR 5.000 ohne Abschlag für geboten, weil die Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzantrags die vorläufige Einstellung der gewerblichen Tätigkeit der Antragstellerin zur Folge hat, die wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens für die Antragstellern also praktisch der eines Hauptsachverfahrens entspricht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_32">32</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">4. Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.</p></dd>
</dl>
</div></div>
</div></div>
<a name="DocInhaltEnde"><!--emptyTag--></a><div class="docLayoutText">
<p style="margin-top:24px"> </p>
<hr style="width:50%;text-align:center;height:1px;">
<p><img alt="Abkürzung Fundstelle" src="/jportal/cms/technik/media/res/shared/icons/icon_doku-info.gif" title="Wenn Sie den Link markieren (linke Maustaste gedrückt halten) können Sie den Link mit der rechten Maustaste kopieren und in den Browser oder in Ihre Favoriten als Lesezeichen einfügen." onmouseover="Tip('<span class="contentOL">Wenn Sie den Link markieren (linke Maustaste gedrückt halten) können Sie den Link mit der rechten Maustaste kopieren und in den Browser oder in Ihre Favoriten als Lesezeichen einfügen.</span>', WIDTH, -300, CENTERMOUSE, true, ABOVE, true );" onmouseout="UnTip()"> Diesen Link können Sie kopieren und verwenden, wenn Sie <span style="font-weight:bold;">genau dieses Dokument</span> verlinken möchten:<br>http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid=JURE190000822&psml=bsndprod.psml&max=true</p>
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171,169 | ovgsn-2018-12-21-2-m-11718 | {
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} | 2 M 117/18 | 2018-12-21T00:00:00 | 2019-01-29T12:49:40 | 2019-02-12T13:44:15 | Beschluss | <div class="docLayoutText">
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Gründe<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:90pt">I.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Die Antragsteller wenden sich gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Anbau und die Aufstockung einer Doppelhaushälfte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks Gemarkung A-Stadt, Flur A, Flurstück 362/39 mit der Lagebezeichnung A-Straße 19. Die Beigeladenen sind Eigentümer des unmittelbar südlich angrenzenden Grundstücks Gemarkung A-Stadt, Flur A, Flurstück 363/39 mit der Lagebezeichnung A-Straße 17 (Lageplan: GA Bl. 70). Die Grundstücke liegen im unbeplanten Innenbereich der Stadt A-Stadt und sind mit einem Doppelhaus bebaut. Das Doppelhaus besteht aus einem zweigeschossigen Haupthaus mit traufständigem Satteldach, das im Bereich des Grundstücksgrenzverlaufs mittig geteilt ist. Beide Haushälften wiesen bislang eine spiegelbildliche, symmetrische Straßenansicht auf (Lichtbild: GA Bl. 25). Im rückwärtigen Bereich wurde auf beiden Grundstücken ein grenzständiger, eingeschossiger Anbau mit einer Breite von ca. 5 m und einem Flachdach errichtet. Dahinter befindet sich in einem Winkel von 90° zum Haupthaus ein zweigeschossiges ehemaliges Stallgebäude mit Satteldach, das auf der Seite der Antragsteller ausgebaut wurde. Die Grundstücksgrenze verläuft mittig entlang des Firstes.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Die Beigeladenen planen, auf ihrem Grundstück den zwischen dem Haupthaus und dem ehemaligen Stallgebäude liegenden Anbau abzubrechen und durch einen zweigeschossigen Neubau zu ersetzen (Lageplan: BA A Bl. 30 und 31). Der Neubau hat eine Grundfläche von ca. 64,45 m² (6,30 m x 10,23 m), eine Höhe von 6,95 m und tritt hinter dem Haupthaus seitlich etwa 3 m hervor, so dass er von der Straße aus sichtbar ist (Ansicht: BA A Bl. 36; Lichtbilder: GA Bl. 38, 107 und 112). Zur Herstellung einer Verbindung zwischen dem Haupthaus und dem Anbau soll die rückwärtige Dachfläche des Haupthauses teilweise aufgebrochen werden. Der Neubau überragt den auf dem Grundstück der Antragsteller befindlichen Anbau auf einer Länge von ca. 7 m um ca. 4 m (Lichtbild: GA Bl. 111). Hierdurch kommt es auf dem Grundstück der Antragsteller zu einer Verschattung des im rückwärtigen Bereich des Haupthauses befindlichen Dachflächenfensters, des Kuppelfensters auf dem Flachdach des Anbaus sowie des zum Haupthaus ausgerichteten Fensters im Obergeschoss des ehemaligen Stallgebäudes (Lichtbilder: GA Bl. 29 – 32). Das Bauvorhaben der Beigeladenen ist mittlerweile im Rohbau fertiggestellt (GA Bl. 107).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>In der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks in der A-Straße befinden sich überwiegend Doppelhäuser mit ein- oder zweigeschossigen Anbauten im rückwärtigen Bereich (Lageplan: BA A Bl. 1 und 2).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Mit Baugenehmigung vom 16.04.2018 erteilte die Antragsgegnerin den Beigeladenen eine Baugenehmigung für ihr Bauvorhaben. Hiergegen legten die Antragsteller Widerspruch ein, über den – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Mit Beschluss vom 20.09.2018 – 4 B 116/18 MD – hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung vom 16.04.2018 anzuordnen, abgelehnt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, das geplante Gebäude der Beigeladenen füge sich in die Eigenart der näheren Umgebung i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB ein. Es verletze nicht das im Tatbestandsmerkmal des "Einfügens" enthaltene Gebot der Rücksichtnahme. Das Vorhaben der Beigeladenen verstoße auch nicht im Hinblick auf die "Doppelhaus-Rechtsprechung" des Bundesverwaltungsgerichts gegen das Gebot der Rücksichtnahme, denn in der Umgebung des Baugrundstücks sei eine einseitig grenzständige Bebauung mit zweigeschossigen, zu Wohnzwecken genutzten Anbauten in den rückwärtigen Grundstücksbereichen bereits vorhanden. Auch von einer rechtlich relevanten Verschattung könne nicht ausgegangen werden. Das Dachgeschoss der vorderen Doppelhaushälfte der Antragsteller werde jedenfalls auch durch die dort befindlichen Giebelfenster belichtet. Die Belichtung durch das Dachflächenfenster sei im Wesentlichen zur Mittagszeit eingeschränkt, erfolge dann aber gegen Nachmittag wieder, denn der Anbau der Beigeladenen verdecke (nur) die Südseite und zu einem geringen Teil die Westseite des rückwärtigen Teils des Gebäudes der Antragsteller. Die Verschattung des flachen Anbaus betreffe lediglich den Dielenbereich und ein Badezimmer. Der wesentliche Bereich des flachen Anbaus werde durch seitliche Fenster belichtet. Das Obergeschoss des hinteren Gebäudes werde durch zwei Fenster belichtet, die sich an gegenüberliegenden Seiten befänden. Für das Eilverfahren werde davon ausgegangen, dass der Anbau nicht zu einer völligen Verdunkelung des Raumes führen werde. Die endgültige Klärung der Belichtungssituation könne erst im Hauptsacheverfahren erfolgen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p style="margin-left:90pt">II.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Die zulässige Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>1. Der Antrag der Antragsteller ist inzwischen unzulässig geworden. Das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO ist entfallen, weil das Bauvorhaben der Beigeladenen mittlerweile im Rohbau fertiggestellt ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Nachbarantrag auf vorläufigen Rechtsschutz entfällt regelmäßig mit Fertigstellung des Rohbaus des angegriffenen Bauvorhabens. Denn das mit dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs verbundene Ziel, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern, ist nach Fertigstellung der baulichen Anlage nicht mehr zu erreichen. Ausreichend ist insoweit die Fertigstellung des Rohbaus (vgl. BayVGH, Beschl. v. 17.11.2015 – 9 CS 15.1762 –, juris RdNr. 18; OVG BBg, Beschl. v. 10.04.2018 – OVG 10 S 40.17 –, juris RdNr. 3). Hiernach ist das Rechtsschutzinteresse der Antragsteller infolge der Fertigstellung des Rohbaus des Bauvorhabens der Beigeladenen entfallen. Zwar kann trotz Fertigstellung des Rohbaus des angegriffenen Vorhabens das Rechtsschutzbedürfnis des Nachbarn im Hinblick auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ausnahmsweise fortbestehen, sofern daneben eine Verletzung in eigenen Rechten auch durch die Nutzung der genehmigten Anlage geltend gemacht wird (vgl. BayVGH, Beschl. v. 17.11.2015 – 9 CS 15.1762 –, a.a.O. RdNr. 18; OVG BBg, Beschl. v. 10.04.2018 – OVG 10 S 40.17 –, a.a.O. RdNr. 3). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, da sich die Antragsteller ausschließlich gegen die Ausmaße des Baukörpers des Neubaus wenden und insoweit eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme geltend machen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>2. Die Beschwerde der Antragsteller hat auch deshalb keinen Erfolg, weil die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung rechtfertigen. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung vom 16.04.2018 im Ergebnis zu Recht abgelehnt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Entscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind: Die, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts, oder die, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten. Das Gericht nimmt somit eine eigene Interessenbewertung vor. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), spricht dies für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind die Erfolgsaussichten offen, findet eine reine Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. Beschl. d. Senats v. 10.10.2018 – 2 M 53/18 –, juris RdNr. 10; BayVGH, Beschl. v. 23.02.2012 – 14 CS 11.2837 –, juris RdNr. 38; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl., RdNr. 964). In Anwendung dieser Grundsätze überwiegt das Interesse der Antragsteller an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs das gegenläufige Interesse insbesondere der Beigeladenen an einem sofortigen Vollzug der angefochtenen Baugenehmigung nicht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>1. Die angefochtene Baugenehmigung verstößt – bei summarischer Prüfung – nicht gegen das planungsrechtliche – und nachbarschützende – Gebot der Rücksichtnahme, weil sich in die Eigenart der näheren Umgebung i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB nur ein Vorhaben in offener Bauweise (§ 22 Abs. 2 BauNVO) einfügt, das Vorhaben der Beigeladenen aber nicht mehr Teil eines Doppelhauses ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme kann vorliegen, wenn sich ein Vorhaben entgegen § 34 Abs. 1 BauGB nach den dort genannten Merkmalen nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies für Doppelhäuser konkretisiert: Ist ein unbeplanter Innenbereich in offener Bauweise bebaut, weil dort nur Einzelhäuser, Doppelhäuser und Hausgruppen im Sinne von § 22 Abs. 2 BauNVO den maßgeblichen Rahmen bilden, fügt sich ein grenzständiges Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB grundsätzlich nicht nach der Bauweise ein, das unter Beseitigung eines bestehenden Doppelhauses grenzständig errichtet wird, ohne mit dem verbleibenden Gebäude ein Doppelhaus zu bilden. Ein solches Vorhaben verstößt gegenüber dem Eigentümer der bisher bestehenden Doppelhaushälfte grundsätzlich gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.12.2013 – 4 C 5.12 –, juris RdNr. 22; Urt. v. 19.03.2015 – 4 C 12.14 –, juris RdNr. 11).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>a) Die nähere Umgebung des Baugrundstücks, die aus den Grundstücken A-Straße 1a/3, 2/4, 5/6, 6/8, 9/11, 10/12, 13/15, 14/16, 13/15, 18/20, 17/19 sowie 22/24 bestehen dürfte, ist nach den vorliegenden Lageplänen und Lichtbildern durch eine Bebauung mit Doppelhäusern in offener Bauweise i.S.d. § 22 Abs. 2 BauNVO geprägt. Eine "Gemengelage" in Bezug auf das Merkmal der Bauweise ist in der näheren Umgebung nicht gegeben. Hiervon gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>b) Das Vorhaben der Beigeladenen fügt sich nach der Bauweise in diese nähere Umgebung ein, weil das auf den Grundstücken A-Straße 17/19 befindliche Gebäude auch nach Realisierung des Vorhabens der Beigeladenen ein Doppelhaus ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Ein Doppelhaus i.S.d. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO ist eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden. Doppelhäuser zeichnen sich dadurch aus, dass sie gemeinsame Grundstücksgrenzen ohne seitlichen Grenzabstand überwinden. Bauplanungsrechtlich sind sie gleichwohl in der offenen Bauweise zulässig. Ein Doppelhaus entsteht dann, wenn zwei Gebäude derart zusammengebaut werden, dass sie einen Gesamtbaukörper bilden. Nicht erforderlich ist, dass die Doppelhaushälften gleichzeitig oder deckungsgleich (spiegelbildlich) errichtet werden. Kein Doppelhaus bilden dagegen zwei Gebäude, die sich zwar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze noch berühren, aber als zwei selbständige Baukörper erscheinen. Ein Doppelhaus verlangt ferner, dass die beiden Haushälften in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.02.2000 – 4 C 12.98 –, juris RdNr. 16 ff.; BVerwG, Urt. v. 05.12.2013 – 4 C 5.12 –, a.a.O. RdNr. 13; OVG BBg, Beschl. v. 09.01.2018 – OVG 2 S 48.17 –, juris RdNr. 10). Diese Begriffsbestimmung bezeichnet den Begriff des Doppelhauses im Sinne bauplanungsrechtlicher Vorschriften, also auch für den unbeplanten Innenbereich (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.12.2013 – 4 C 5.12 –, a.a.O.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>Hierbei lässt sich weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual festlegen, in welchem Umfang die beiden Haushälften an der Grenze zusammengebaut sein müssen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.03.2015 – 4 C 12.14 –, a.a.O. Rdnr. 15). Es geht um eine spezifische Gestaltung des Orts- und Straßenbildes, die darin liegt, dass das Doppelhaus den Gesamteindruck einer offenen, aufgelockerten Bebauung nicht stört, eben weil es als ein Gebäude erscheint. Es kommt also für die Frage, ob grenzständige Gebäude ein Doppelhaus bilden, auf die wechselseitige Verträglichkeit dieser Gebäude an. Hierbei bedarf es einer Würdigung des Einzelfalls unter Betrachtung quantitativer und qualitativer Gesichtspunkte (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.03.2015 – 4 C 12.14 –, a.a.O. RdNr. 19 f.). Ein Gebäude, soll es Teil eines Doppelhauses sein, muss ein Mindestmaß an Übereinstimmung mit dem zugehörigen Nachbarhaus aufweisen, indem es zumindest einzelne der ihm Proportionen und Gestalt gebenden baulichen Elemente aufgreift. Regelmäßig geben Höhe, Breite und Tiefe, sowie die Zahl der Geschosse und die Dachform einem Haus seine maßgebliche Gestalt. Diese Kriterien können daher im Einzelfall Anhaltspunkte für die Beurteilung des wechselseitigen Abgestimmtseins geben (vgl. OVG NW, Beschl. v. 21.08.2015 – 10 B 758/15 –, juris RdNr. 8; Beschl. v. 18.01.2016 – 10 A 2574/14 –, juris Rdnr. 10).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>Für die Frage, ob grenzständige Gebäude ein Doppelhaus bilden, kommt es allein auf die wechselseitige Verträglichkeit des Vorhabens mit der anderen "Doppelhaushälfte" an. Die Bebauung anderer Grundstücke (in der näheren Umgebung) ist hierfür ohne Belang. Maßgeblich ist allein, ob das Bauvorhaben mit der vorhandenen grenzständigen Bebauung ein Doppelhaus bildet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.03.2015 – 4 B 65.14 –, juris RdNr. 6). Die Umgebungsbebauung ist allein für die Frage maßgeblich, ob das Einfügen in die nähere Umgebung gemäß § 34 Abs. 1 BauGB eine offene Bauweise erfordert (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.03.2015 – 4 B 65.14 –, a.a.O. RdNr. 9). Bei der Prüfung, ob ein Doppelhaus vorliegt, ist auch nicht isoliert das angegriffene Bauvorhaben in den Blick zu nehmen. Es muss vielmehr auf die Wechselwirkung zwischen dem angegriffenen Bauvorhaben und der anderen "Doppelhaushälfte" abgestellt werden (vgl. OVG NW, Urt. v. 03.09.2015 – 7 A 1276/13 –, juris RdNr. 44).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>Nach diesem Maßstab dürften die Haushälften der Antragsteller und der Beigeladenen auch nach dem geplanten Anbau und der Aufstockung noch ein Doppelhaus bilden. Bei einer wertenden Gesamtbetrachtung dürften nach wie vor zwei hinreichend aufeinander abgestimmte Teile des Gesamtbaukörpers Doppelhaus gegeben sein. Das Gebäude stört als Doppelhaus auch nach dem Anbau und der Aufstockung nicht den offenen, aufgelockerten Bebauungszusammenhang der näheren Umgebung. Maßgebend für diese Beurteilung ist, dass mit dem Bauvorhaben der Beigeladenen die wichtigsten Bestandteile des bislang bestehenden Doppelhauses unberührt gelassen und nur in einem relativ geringfügigen Ausmaß Veränderungen vorgenommen werden. Die Bausubstanz des an der Straße liegenden, zweigeschossigen Haupthauses sowie des hinter dem eingeschossigen Anbau liegenden ehemaligen Stallgebäudes und damit die ganz überwiegende Bausubstanz des bislang bestehenden Doppelhauses bleiben erhalten. Allein der im rückwärtigen Bereich des Grundstücks der Beigeladenen befindliche Anbau wird durch einen Neubau ersetzt. Dieser tritt zwar seitlich etwa 3 m hinter dem Haupthaus hervor. Auch überragt er den auf dem Grundstück der Antragsteller befindlichen Anbau – nach den Angaben der Antragsteller – auf einer Länge von ca. 7 m um ca. 4 m. Hierbei handelt es sich jedoch, gemessen an den Ausmaßen des Gesamtgebäudes, um eher untergeordnete Änderungen, die den Gesamteindruck von zwei hinreichend aufeinander abgestimmten Teilen des Gesamtbaukörpers Doppelhaus nicht beeinträchtigen, zumal die Höhe des Neubaus die Firsthöhe des an der Straße gelegenen Haupthauses nicht übersteigt. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nach den Bauvorlagen (BA A Bl. 36) die Straßenansicht des Haupthauses auf der Seite der Beigeladenen dahin geändert wird, dass statt der auch auf der Gebäudehälfte der Antragsteller spiegelbildlich vorhandenen Dachgaube zwei Dachflächenfenster eingesetzt und in der Außenwand die beiden kleinen Fenster durch ein größeres Fenster ersetzt werden. Diese Eingriffe führen zwar dazu, dass sich die linke und die rechte Haushälfte nicht mehr spiegelbildlich entsprechen werden, zumal auch der etwa 3 m seitlich heraustretende Neubau von der Straße aus sichtbar ist. Insgesamt bleibt das Ausmaß der Übereinstimmung der beiden Gebäudeteile aber so groß, dass dem Erfordernis einer baulichen Einheit im Sinne eines Gesamtbaukörpers noch genügt ist. Die Abweichungen sind demgegenüber nur geringfügig, so dass nicht die Rede davon sein kann, die beiden Gebäude träten als zwei selbständige Baukörper in Erscheinung.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p>Für diese Einschätzung spricht ferner, dass die beiden Haushälften nach Errichtung des Anbaus an die Doppelaushälfte der Beigeladenen nach wie vor in erheblichem Maße an der Grundstücksgrenze zusammengebaut sind. Dies zeigt die von den Beigeladenen als Anlage 2 zu ihrem Schreiben vom 16.11.2018 vorgelegte und grundsätzlich plausible Abbildung 1 (GA Bl. 71), wonach die Schnittfläche zwischen den beiden Gebäudehälften nach Ausführung des Bauvorhabens noch 106 m² (130 m² - 24 m²) beträgt, während der Anbau der Beigeladenen die Gebäudehälfte der Antragsteller (nur) auf einer Fläche von 24 m² überragt. Zwar können die Ausführungen der Beigeladenen – wie die Antragsteller grundsätzlich zu Recht geltend machen – im Beschwerdeverfahren wegen des beim Oberverwaltungsgericht bestehenden Vertretungszwangs nicht berücksichtigt werden. Der Vertretungszwang gemäß § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO soll sicherstellen, dass nur Streitstoff in das Verfahren eingeführt wird, der von einem Rechtsanwalt gesichtet und geprüft worden ist. Aufgrund dieses Normzwecks erstreckt sich der Vertretungszwang auf den gesamten Sachvortrag eines Verfahrensbeteiligten. Antrags- und Beschwerdegegner sowie Beigeladene sind nur dann vom Vertretungszwang ausgenommen, wenn und soweit sie ihre prozessualen Gestaltungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten nicht wahrnehmen, d.h. sich passiv verhalten (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.2007 – 2 A 3.05 –, juris Rdnr. 16; Beschl. d. Senats v. 09.12.2014 – 2 M 102/14 –, juris Rdnr. 42). Davon unberührt bleibt die Heranziehung zur Mitwirkung an der gerichtlichen Ermittlung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ebenso ist das Gericht nicht gehindert, die von einem anwaltlich nicht vertretenen Beteiligten vorgelegten Unterlagen im Wege der Amtsaufklärung zu sichten und zu würdigen. Hiernach bestehen keine rechtlichen Hindernisse dagegen, dass der beschließende Senat die von den Beigeladenen vorgelegte Darstellung der Schnittfläche des Doppelhauses A-Straße 17/19 ergänzend berücksichtigt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>2. Das Gebot der Rücksichtnahme wird – soweit derzeit ersichtlich – auch nicht aufgrund einer unzumutbaren Verschattung des Nachbargrundstücks verletzt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p>Eine Abstandsfläche ist im vorliegenden Fall gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 BauO LSA nicht erforderlich. Nach dieser Vorschrift ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf. Wie bereits ausgeführt, darf das Vorhaben der Beigeladenen planungsrechtlich gemäß § 34 Abs. 1 BauGB grenzständig errichtet werden, weil es sich als Bestandteil eines Doppelhauses in die durch offene Bauweise geprägte nähere Umgebung einfügt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p>Sind die landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften eingehalten, kommt eine Verletzung des drittschützenden Gebots der Rücksichtnahme in der Regel nicht mehr in Betracht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.01.1999 – 4 B 128.98 –, juris RdNr. 3 f.). Eine bestimmte Dauer oder "Qualität" der Tagesbelichtung eines Grundstücks wird im Baurecht nicht gewährleistet. Diese Frage wird nur mittelbar über das Abstandsflächenrecht erfasst. Durch Abstandsflächen nach § 6 BauO LSA sollen eine ausreichende Belichtung und Besonnung im Regelfall sichergestellt werden. Das Maß der aus diesen Gründen einzuhaltenden Abstände ist damit vom Gesetzgeber vorgegeben. Ein Nachbar, der sich gegen die Verwirklichung eines Bauvorhabens zur Wehr setzt, kann eine über den Schutz des § 6 BauO LSA hinausgehende Rücksichtnahme in der Regel nicht beanspruchen. Weitergehende baunachbarrechtliche Abwehrrechte sind nur in Extremfällen zu erwägen (vgl. OVG SH, Urt. v. 20.01.2005 – 1 LB 23/04 –, juris Rdnr. 44; Beschl. d. Senats v. 20.06.2012 – 2 M 38/12 –, juris Rdnr. 23). Insbesondere ist es in bebauten Ortslagen in Mitteleuropa regelmäßig unvermeidlich und daher von den Nachbarn hinzunehmen, dass nördlich gelegene Grundstücke von Bebauung auf südlich gelegenen Nachbargrundstücken verschattet werden (vgl. HessVGH, Beschl. v. 20.11.2006 – 4 TG 2391/06 –, juris Rdnr. 17). Gemessen daran geht die von den Antragstellern geltend gemachte Verschattung nicht über das hinaus, womit der Nachbar eines südlich gelegenen Grundstücks durch eine auf diesem Grundstück verwirklichte Bebauung grundsätzlich zu rechnen hat. Es ist auch nicht mit einer übermäßigen Verschattung des Obergeschosses des Haupthauses, des Anbaus sowie des Obergeschosses des ausgebauten ehemaligen Stallgebäudes auf dem Grundstück der Antragsteller zu rechnen. Diese Gebäudeteile werden jeweils – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – auch von Fenstern belichtet, auf die sich der von dem Neubau der Beigeladenen verursachte Schattenwurf nicht auswirkt. Eine abschließende Klärung der Zumutbarkeit der Verschattung des Grundstücks der Antragsteller durch das Bauvorhaben der Beigeladenen muss vor diesem Hintergrund einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_24">24</a></dt>
<dd><p>Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Der Senat stellt bei der nach § 162 Abs. 3 VwGO zu treffenden Billigkeitsentscheidung in ständiger Rechtsprechung in erster Linie auf die Stellung des Beigeladenen in dem zur Entscheidung anstehenden Interessenskonflikt ab. Er hält daher die Kosten des notwendig beigeladenen Bauherrn, unabhängig davon, ob er einen Antrag gestellt hat, in der Regel für erstattungsfähig, weil er ohne sein Zutun mit einem solchen Verfahren überzogen wird (vgl. Beschl. d. Senats v. 09.12.2014 – 2 M 102/14 –, a.a.O. RdNr. 44).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_25">25</a></dt>
<dd><p>Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_26">26</a></dt>
<dd><p>Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).</p></dd>
</dl>
</div></div>
<br>
</div>
|
|
161,461 | vg-koln-2018-12-21-9-l-169918 | {
"id": 844,
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} | 9 L 1699/18 | 2018-12-21T00:00:00 | 2019-01-16T07:00:16 | 2019-01-17T12:06:27 | Beschluss | ECLI:DE:VGK:2018:1221.9L1699.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.</p>
<p>Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.</p>
<p>2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500.000,- Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Gründe</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">1. Der Antrag ist unzulässig.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Zwar ist aufgrund der Verschmelzung der ursprünglichen Antragstellerin auf die Antragstellerin diese wegen der insoweit gemäß § 20 Abs. 1 UmwG kraft Gesetzes eintretenden Rechtsnachfolge, die keine Klageänderung im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO darstellt,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks"><em>Kopp/Schenke</em>, Verwaltungsgerichtsordnung, 24. Aufl. 2018, § 91, Rn. 13,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">in das vorliegende Verfahren eingetreten.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen einer von der Antragstellerin erstrebten Klageänderung gemäß § 91 Abs. 1 VwGO infolge der Übertragung der vormals ihr zugeteilten Frequenzen auf die Antragstellerin im Verfahren 9 L 1698/18 in Gestalt eines (weiteren) gewillkürten Parteiwechsels lagen hingegen nicht vor, da die Antragsgegnerin insoweit nicht eingewilligt hat. Das Gericht konnte einen weiteren Parteiwechsel auch nicht für sachdienlich im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO halten. Denn nach § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann derjenige, an den die streitbefangene Sache veräußert oder der geltend gemachte Anspruch abgetreten wird, den Prozess anstelle des Rechtsvorgängers als Hauptpartei nur übernehmen, wenn der Gegner zustimmt. Eine Veräußerung oder Abtretung der streitbefangenen Sache oder des geltend gemachten Anspruchs im Sinne des § 265 Abs. 1 ZPO liegt vor bei jeder Rechtsnachfolge eines Dritten, gleichgültig ob gewillkürt, kraft Hoheitsakts oder kraft Gesetzes, unmittelbar oder als Folge eines anderen rechtlichen Vorgangs.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"><em>Greger</em>, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 265 ZPO, Rn. 5.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die demnach vorliegend erforderliche Zustimmung im Sinne der gemäß § 173 Satz 1 VwGO entsprechend anwendbaren,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">siehe auch BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 2011 – 6 C 11/10 –, juris (Rn. 3),</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Vorschrift des § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann nicht dadurch ersetzt werden, dass das Prozessgericht die Übernahme als sachdienlich erachtet. Das ist in der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt. Zu einer anderen Beurteilung im Verwaltungsprozess besteht kein Anlass. Im Gegensatz zum gewillkürten Parteiwechsel auf der Klägerseite im Allgemeinen, der als Unterfall der Klageänderung entsprechend der Regelung des § 91 Abs. 1 VwGO grundsätzlich auch ohne Einwilligung des Beklagten zulässig ist, wenn das Gericht die Änderung für sachdienlich hält, ist dies im Sonderfall des § 265 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 2000 – 7 B 68/00 –, juris (Rn. 6).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Antragstellerin fehlt jedoch die erforderliche Antragsbefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog. Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Klagebefugnis im Hinblick auf die Anordnung eines Vergabeverfahrens nach § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG ausgeführt, dass als Konsequenz einer durch Frequenzbewirtschaftung zu bewältigenden Knappheitssituation die Anordnung eines Vergabeverfahrens den Anspruch auf Einzelzuteilung von Frequenzen in einen Anspruch auf chancengleiche Teilnahme am Vergabeverfahren umwandelt. Sie berühre – so das Bundesverwaltungsgericht – (daher) die materielle Rechtsposition von Unternehmen, die einen noch nicht bestandskräftig abgelehnten Antrag auf Einzelzuteilung gestellt haben. Auf die Rechte von Unternehmen, die sich nicht um die Zuteilung der zu vergebenden Frequenzen bewerben, sondern als Drittbetroffene lediglich Störungen durch die spätere Nutzung der zu vergebenden Frequenzen befürchten, könne sich die Anordnung des Vergabeverfahrens hingegen nicht auswirken.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 6 C 36/11 –, juris (Rn. 19).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Ausgehend von diesen Maßgaben ist die Antragstellerin nicht antragsbefugt. Denn ihr sind gegenwärtig keine in die streitgegenständliche Entscheidung der Bundesnetzagentur vom 14. Mai 2018, ein Vergabeverfahren für im Einzelnen benannte Frequenzbereiche anzuordnen, einbezogene Frequenzen (mehr) zugeteilt. Da mithin die Möglichkeit einer Verlängerung im Sinne von § 55 Abs. 9 Satz 3 TKG grundsätzlich auszuschließen ist, kann die Antragstellerin eine erforderliche Antragsbefugnis nicht geltend machen. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die einzelnen Entscheidungen über die Vergabe von Frequenzen das sachliche Fundament für die abschließende Frequenzzuteilungen bilden, weswegen bei deren Anfechtung eine etwaige Bestandskraft vorangegangener Entscheidungen zu berücksichtigen ist.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Siehe dazu BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 6 C 40.10 –, juris (Rn. 12).</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">In Bezug auf die Auswahl des Versteigerungsverfahrens kommt hinzu, dass innerhalb eines nach § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG angeordneten Vergabeverfahrens nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Diskriminierungsverbot des § 55 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 61 Abs. 8 Satz 1 TKG drittschützende Wirkung (nur) für denjenigen entfaltet, der sich an der Frequenzvergabe beteiligt oder beteiligen will, und sich auf seinen Anspruch auf chancengleiche Teilnahme beruft.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 1. September 2009 – 6 C 4.09 –, juris (Rn. 18).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Diese Voraussetzungen sind im Falle der Antragstellerin ebenfalls nicht gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn die Antragstellerin mit Blick auf die Rechtsfolgen des § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO für antragsbefugt erachtet würde, ist der Antrag jedenfalls aus den in dem Beschluss des Gerichts vom heutigen Tage im Verfahren 9 L 1698/18 genannten Gründen unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">2. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">In Ermangelung anderer Anhaltspunkte hat das Gericht den in telekommunikationsrechtlichen Gerichtsverfahren regelmäßig im Falle großer Telekommunikationsunternehmen herangezogenen Streitwert zugrunde gelegt und unter Berücksichtigung von Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit halbiert.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 137 Abs. 3 Satz 1 TKG.</p>
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} | 9 L 1698/18 | 2018-12-21T00:00:00 | 2019-01-16T07:00:15 | 2019-01-17T12:06:27 | Beschluss | ECLI:DE:VGK:2018:1221.9L1698.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.</p>
<p>Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.</p>
<p>2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500.000,- Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Gründe</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">1. Der Antrag ist zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Statthaft ist vorliegend ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Dem steht nicht entgegen, dass das Begehren der Antragstellerin (auch) darauf gerichtet ist, die Frequenzen im Bereich von 3700 bis 3800 MHz in die streitgegenständliche Entscheidung der Bundesnetzagentur vom 14. Mai 2018, ein Vergabeverfahren für im Einzelnen benannte Frequenzbereiche anzuordnen, einzubeziehen. Denn dies ist – ausweislich des von der Antragstellerin im zugehörigen Hauptsacheverfahren angekündigten Klageantrags – bei verständiger Würdigung ihres Vorbringens (§ 88 VwGO) nicht der Fall. Die Antragstellerin versucht (lediglich), die Rechtswidrigkeit der Anordnung eines Vergabeverfahrens im vorliegenden Fall damit zu begründen, dass der Frequenzbereich von 3700 bis 3800 MHz nicht in die streitgegenständliche Entscheidung der Bundesnetzagentur einbezogen wurde. Ihr Begehren ist hingegen nicht auf die Einbeziehung der Frequenzen im Bereich von 3700 bis 3800 MHz in das durch die streitgegenständliche Entscheidung der Bundesnetzagentur angeordnete Vergabeverfahren gerichtet.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Statthaftigkeit des Antrags steht überdies § 44a VwGO nicht entgegen, wonach Rechtsschutz nur im Zusammenhang mit der abschließenden Sachentscheidung in Anspruch genommen werden kann. Denn diese Vorschrift findet mit Blick auf die streitgegenständliche Entscheidung der Bundesnetzagentur keine Anwendung.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Grundlegend BVerwG, Urteil vom 1. September 2009 – 6 C 4.09 –, juris; siehe ferner BVerwG, Urteile vom 10. Oktober 2012 – 6 C 36.11 –, juris (Rn. 43); und vom 23. März 2011 – 6 C 6.10 –, juris (Rn. 14).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Des Weiteren ist die Antragstellerin antragsbefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog. Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Klagebefugnis im Hinblick auf die Anordnung eines Vergabeverfahrens nach § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG ausgeführt, dass als Konsequenz einer durch Frequenzbewirtschaftung zu bewältigenden Knappheitssituation die Anordnung eines Vergabeverfahrens den Anspruch auf Einzelzuteilung von Frequenzen in einen Anspruch auf chancengleiche Teilnahme am Vergabeverfahren umwandelt. Sie berührt – so das Bundesverwaltungsgericht – (daher) die materielle Rechtsposition von Unternehmen, die einen noch nicht bestandskräftig abgelehnten Antrag auf Einzelzuteilung gestellt haben. Auf die Rechte von Unternehmen, die sich nicht um die Zuteilung der zu vergebenden Frequenzen bewerben, sondern als Drittbetroffene lediglich Störungen durch die spätere Nutzung der zu vergebenden Frequenzen befürchten, kann sich die Anordnung des Vergabeverfahrens hingegen nicht auswirken.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 6 C 36/11 –, juris (Rn. 19).</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Ausgehend von diesen Maßgaben ist die Antragstellerin antragsbefugt. Denn ihr sind gegenwärtig in die streitgegenständliche Entscheidung der Bundesnetzagentur, ein Vergabeverfahren für im Einzelnen benannte Frequenzbereiche anzuordnen, einbezogene Frequenzen zugeteilt. Da mithin insoweit die Möglichkeit einer Verlängerung im Sinne von § 55 Abs. 9 Satz 3 TKG zumindest nicht grundsätzlich auszuschließen ist, kann die Antragstellerin die erforderliche Antragsbefugnis geltend machen. Des Weiteren wird die materielle Rechtsposition der Antragstellerin auch durch die Auswahl des Versteigerungsverfahrens (§ 61 Abs. 1, 5 TKG) berührt. Denn die Wahl des Versteigerungsverfahrens verengt den Frequenzzugang auf einen Erwerb im Wege des Höchstgebotes. Auch insoweit scheidet eine subjektive Rechtsverletzung jedenfalls nicht von vornherein aus.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Allgemein dazu BVerwG, Urteile 23. März 2011 – 6 C 6/10 –, juris (Rn. 13); und vom 1. September 2009 – 6 C 4/09 –, juris (Rn. 16, 19).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Antrag ist jedoch unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen, die wie hier gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 137 Abs. 1 TKG entfallen ist. Die dabei im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem individuellen Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung der streitgegenständlichen Entscheidung der Bundesnetzagentur und dem öffentlichen Interesse an deren sofortiger Vollziehung fällt hier zu Lasten der Antragstellerin aus. Die streitgegenständliche Entscheidung der Bundesnetzagentur ist nach summarischer Prüfung nicht offensichtlich rechtwidrig, sondern rechtmäßig. Abgesehen davon fällt auch eine Interessenabwägung zulasten der Antragstellerin aus.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Anordnung eines Vergabeverfahrens in Ziffer I der streitgegenständlichen Entscheidung der Bundesnetzagentur stößt nicht auf durchgreifende rechtliche Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG. Danach kann die Bundesnetzagentur unbeschadet des § 55 Abs. 5 TKG anordnen, dass der Zuteilung von Frequenzen ein Vergabeverfahren nach § 61 TKG vorauszugehen hat, wenn für Frequenzzuteilungen nicht in ausreichendem Umfang verfügbare Frequenzen vorhanden oder für bestimmte Frequenzen mehrere Anträge gestellt sind. Die in diesen Alternativen vorausgesetzte Frequenzknappheit kann sich entweder aus der bereits feststehenden Tatsache eines Antragsüberhangs oder aus der Prognose einer mangelnden Verfügbarkeit von Frequenzen ergeben. Diese Prognose bezieht sich unter Berücksichtigung des Gesetzeswortlautes wie auch des systematischen Zusammenhangs der beiden Fallvarianten des § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG darauf, dass im Zuteilungszeitpunkt eine das verfügbare Frequenzspektrum übersteigende Anzahl von Zuteilungsanträgen gestellt sein wird. Grundlage dieser Prognose ist die Feststellung eines überschießenden Frequenzbedarfs. Bei dieser Feststellung als solcher steht der Bundesnetzagentur anders als bei der Prognose ein Beurteilungsspielraum nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Ausführlich BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 6 C 3/10 –, juris (Rn. 26, 28).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Bei bestehender Knappheit schließt § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG die Einzelzuteilung der betreffenden Frequenzen in der Regel aus. In einer solchen Situation ist die Entscheidung der Bundesnetzagentur infolge der Grundrechtsbindung gegenüber der Gesamtheit der Zuteilungspetenten wie auch des unionsrechtlichen Diskriminierungsverbotes regelmäßig im Sinne des Erlasses einer Anordnung eines Vergabeverfahrens vorgeprägt; nur ausnahmsweise darf unter Berücksichtigung der Regulierungsziele trotz Frequenzknappheit vom Erlass der Anordnung eines Vergabeverfahrens abgesehen werden.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Siehe dazu BVerwG, Urteile vom 22. Juni 2011 – 6 C 3.10 –, juris (Rn. 35); und vom 23. März 2011 – 6 C 6.10 –, juris (Rn. 23).</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Vorliegend besteht eine Knappheit im vorstehenden Sinne. Dies ergibt sich aus dem – hinsichtlich seines Ergebnisses von der Antragstellerin nicht in Zweifel gezogenen und insoweit auch nicht zweifelhaften,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">zum diesbezüglichen gerichtlichen Prüfungsmaßstab BVerwG, Beschluss vom 9. Juni 2015 – 6 B 59/14 –, juris (Rn. 26),</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">– von der Bundesnetzagentur durchgeführten förmlichen Bedarfsermittlungsverfahrens.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Zum Ergebnis des durchgeführten förmlichen Bedarfsermittlungsverfahrens BNetzA, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14. Mai 2018 über Anordnung und Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang, Rn. 233.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Dieses förmliche Bedarfsermittlungsverfahren wurde vorliegend – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – auch nicht in rechtswidriger Weise durchgeführt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben die Betroffenen – auf der Grundlage des § 55 Abs. 1 Satz 3 TKG, wonach eine Frequenzzuteilung zweckgebunden nach Maßgabe des Frequenzplanes und diskriminierungsfrei auf der Grundlage nachvollziehbarer und objektiver Verfahren erfolgt – zwar einen Anspruch auf Teilnahme an einem diskriminierungsfreien Vergabeverfahren.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 6 C 3.10 –, juris (Rn. 36); siehe aber auch BVerwG, Urteil vom 1. September 2009 – 6 C 4.09 –, juris (Rn. 18), wonach das Diskriminierungsverbot des § 55 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 61 Abs. 8 Satz 1 TKG <em>innerhalb</em> eines nach § 55 Abs. 9 Satz 1 TKG angeordneten Vergabeverfahrens drittschützende Wirkung für denjenigen entfaltet, der sich an der Frequenzvergabe beteiligt oder beteiligen will, und sich auf seinen Anspruch auf chancengleiche Teilnahme beruft (Hervorhebungen hinzugefügt).</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Im Allgemeinen wird die Bundesnetzagentur diesem Anspruch indes grundsätzlich durch die Durchführung eines förmlichen Bedarfsermittlungsverfahrens gerecht, bei dem sie zur Vorbereitung ihrer Entscheidung über den Erlass der Anordnung eines Vergabeverfahrens öffentlich dazu auffordert, innerhalb einer angemessenen Frist Bedarfsmeldungen in Bezug auf die fraglichen Frequenzen einzureichen. Ein solches Verfahren genügt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts den (unionsrechtlich vorgegebenen) Kriterien der Objektivität, Transparenz und Diskriminierungsfreiheit.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 6 C 3.10 –, juris (Rn. 28).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Ein solches Verfahren im vorstehenden Sinne hat die Bundesnetzagentur durchgeführt.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Vorliegend ergeben sich Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verfahrens auch nicht aus dem Umstand, dass – wie die Antragstellerin meint – namentlich die ihr in der Vergangenheit zugeteilten Frequenzen und überdies auch weitere in die Anordnung eines Vergabeverfahrens einbezogene Frequenzen gegenwärtig und noch für einen längeren Zeitraum zugeteilt sind und deshalb rechtlich nicht verfügbar sind. Zwar werden Frequenzen nach § 55 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 TKG nur zugeteilt, wenn sie verfügbar sind. Hieran fehlt es, wenn die zu vergebende Frequenz bereits einem anderen Nutzer wirksam zugeteilt ist. Für die Auffassung der Antragstellerin, die Zuteilungsvoraussetzung der rechtlichen Verfügbarkeit müsse bereits im Zeitpunkt der Anordnung eines Vergabeverfahrens nach § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG gegeben sein, findet sich im Gesetzeswortlaut indes kein Anhaltspunkt. Vielmehr müssen die in § 55 TKG normierten Voraussetzungen (erst) gegeben sein, bevor Frequenzen zugeteilt werden.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Mit Blick auf die Rechte Drittbetroffener BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 6 C 36.11 –, juris (Rn. 20).</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Etwas anderes lässt sich – nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – auch nicht mit der Erwägung begründen, die Bundesnetzagentur könne die zur Vergabe gestellten Frequenzen anderenfalls nur unter Verletzung der Nutzungsrechte Dritter zuteilen. Denn in der Zeit zwischen dem Erlass der Anordnung eines Vergabeverfahrens und der Zuteilung der betreffenden Frequenzen können sich schon in Folge eines Widerrufs früherer Frequenzzuteilungen, Änderungen ergeben.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Dazu in vorliegendem Zusammenhang mit Blick auf den Frequenzbereich zwischen 3400 bis 3700 MHz BNetzA, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14. Mai 2018 über Anordnung und Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang, Rn. 170 f.,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit – auf den das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung maßgeblich Bezug genommen hat – kann dabei dadurch Rechnung getragen werden, dass das Vorhandensein anderer Frequenznutzungsrechte für die Zuteilungspetenten – wie hier,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">BNetzA, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14. Mai 2018 über Anordnung und Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang, Rn. 65 ff.,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">– aufgrund eines Hinweises in der Anordnung eines Vergabeverfahrens erkennbar ist. Müsste die Voraussetzung der Verfügbarkeit der Frequenzen bereits im Zeitpunkt der Anordnung des Vergabeverfahrens erfüllt sein, hätte dies nach dem Bundesverwaltungsgericht zur Folge, dass die zu vergebenden Frequenzen während des gesamten Vergabe- und Zuteilungsverfahrens nicht genutzt werden könnten. Dies stünde aber in einem durch sachliche Gründe nicht gerechtfertigten Widerspruch zum Grundsatz der effizienten Frequenznutzung.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Grundlegend BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 6 C 36.11 –, juris (Rn. 20).</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Dass das Bundesverwaltungsgericht dabei auf den Aspekt der Nichtnutzung von Frequenzen während eines Vergabe- und Zuteilungsverfahrens rekurriert, lässt sich – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – ebenfalls nicht dahingehend verstehen, dass zwischen einer Bedarfsanmeldung im Rahmen eines förmlichen Bedarfsermittlungsverfahrens und der Zuteilung der betreffenden Frequenzen lediglich ein (bestimmter) Zeitabstand liegen darf.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Anders <em>Fetzer</em>, NVwZ 2018, 190 (191 f.).</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Denn das Bundesverwaltungsgericht hat auch ausgeführt, dass sich Bedarfsmeldungen (im Rahmen eines förmlichen Bedarfsermittlungsverfahrens) auf erst noch zu erwartende Zuteilungsanträge beziehen, und deswegen nicht schon die Voraussetzungen einer Zuteilung nach § 55 Abs. 5 Satz 1 TKG erfüllen müssen, um bei der Feststellung eines Bedarfsüberhangs berücksichtigt werden zu können. Da § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG allein die Stellung mehrerer Anträge ausreichen lasse, um eine Frequenzknappheit zu belegen, ohne dass es in diesem Stadium schon darauf ankäme, ob sie zuteilungsreif sind, können an Bedarfsmeldungen als tatsächliche Grundlage für erst noch zu erwartende Anträge auch keine höheren Anforderungen gestellt werden.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Beschluss vom 9. Juni 2015 – 6 B 59/14 –, juris (Rn. 25).</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Zudem verfügt die Bundesnetzagentur nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Prognose, dass im Zuteilungszeitpunkt eine das verfügbare Frequenzspektrum übersteigende Anzahl von Zuteilungsanträgen gestellt sein wird, über einen Beurteilungsspielraum.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Ausführlich BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 6 C 3/10 –, juris (Rn. 26, 28).</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Auch aus den Fristen der §§ 55 Abs. 4 Satz 4 TKG, § 61 Abs. 7 Satz 1 TKG lässt sich nicht ableiten, dass im Falle der Durchführung eines Vergabeverfahrens die Einbeziehung von noch nicht verfügbaren Frequenzen unzulässig ist. Denn das Gesetz gibt zwar, worauf auch die Antragstellerin im Rahmen ihrer Argumentation hinweist, Fristen vor, innerhalb derer über einen vollständigen Frequenzzuteilungsantrag zu entscheiden ist. Die Frist beträgt sechs Wochen (§ 55 Abs. 4 Satz 4 TKG), innerhalb derer eine Entscheidung über einen vollständigen Antrag auf Einzelzuteilung zu treffen ist; sie kann bei Durchführung des Vergabeverfahrens um längstens acht Monate verlängert werden (§ 61 Abs. 7 Satz 1 TKG), wodurch die Interessen der beteiligten Zuteilungspetenten gewahrt werden sollen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Allgemein OVG NRW, Urteil vom 10. März 2016 – 13 A 2395/07 –, juris (Rn. 97 f.).</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Diese gesetzlich vorgesehenen Fristen gelten allerdings ausdrücklich nur für die Entscheidung über einen Antrag auf Frequenzzuweisung, nicht aber für die Anordnung eines Vergabeverfahrens.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Siehe dazu auch BVerwG, Beschluss vom 8. April 2010 – 6 VR 2.10 –, juris (Rn. 6) unter Hinweis darauf, dass der Beginn der betreffenden Frist nicht schon an den Erlass der Anordnung eines Vergabeverfahrens, sondern an den Zuteilungsantrag anknüpft; anders wohl <em>Hahn/Hartl/Dorsch</em>, in: Scheurle/Mayen (Hrsg.), TKG, 3. Aufl. 2018, § 61, Rn. 68.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Denn § 61 Abs. 1 Satz 3 TKG bestimmt, dass die Zuteilung der Frequenzen nach § 55 TKG erfolgt, nachdem das Vergabeverfahren nach § 61 Abs. 1 Satz 1 TKG durchgeführt worden ist. Sofern – wie hier – die Feststellung der Frequenzknappheit nicht auf die Stellung mehrerer Anträge für bestimmte Frequenzen sondern auf die Durchführung eines Bedarfsermittlungsverfahrens zurückzuführen ist, haben die Fristen der §§ 55 Abs. 4 Satz 4, 61 Abs. 7 Satz 1 TKG mithin keine Bedeutung. Dagegen, dass die gesetzlichen Vorschriften – worauf die Antragstellerin hinweist – im Hinblick auf eine „konkrete Knappheit“ einerseits und eine „abstrakte Knappheit“ andererseits divergieren, gibt es daher rechtlich nichts zu erinnern. Demzufolge lassen sich aus den gesetzlichen Fristen der §§ 55 Abs. 4 Satz 4, 61 Abs. 7 Satz 1 TKG keine Vorgaben im Hinblick darauf herleiten, inwiefern zugeteilte Frequenzen zum Gegenstand der Anordnung eines Vergabeverfahrens gemacht werden dürfen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Der Einwand der Antragstellerin auf eine – vermeintliche – Vereitelung des Anspruchs auf Verlängerung der Zuteilung von Frequenzen verfängt ebenso wenig. Denn die durch die Anordnung eines Vergabeverfahrens bewirkte Umwandlung des Anspruchs auf Einzelzuteilung in einen Anspruch auf chancengleiche Teilnahme am Vergabeverfahren ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht dadurch auflösend bedingt, dass es die Bundesnetzagentur versäumt, über den Zuteilungsantrag rechtzeitig zu entscheiden. Eine derartige Konsequenz ist – so das Bundesverwaltungsgericht – im Gesetz nicht vorgesehen. Sie wäre auch erkennbar zweckwidrig, da der gesetzliche Grund der Frequenzbeschränkung, der Nachfrageüberhang, von der Fristüberschreitung unberührt bleibt.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 6 C 3.10 –, juris (Rn. 33); ferner BVerwG, Urteil vom 1. September 2009 – 6 C 4.09 –, juris (Rn. 16).</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Ausgehend davon hat das Bundesverwaltungsgericht ferner angenommen, dass es nicht darauf ankommt, ob Frequenzen im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergabeverfahrens für eine Zuteilung zur Verfügung stehen, da sich die Anordnung eines Vergabeverfahrens nach dem Vorstehenden auch verneinendenfalls nicht auf die Rechtsposition der Betroffenen auswirken kann.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 6 C 36.11 –, juris (Rn. 21).</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Des Weiteren muss nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Anordnung eines Vergabeverfahrens auch nicht wegen der Überschreitung der in § 55 Abs. 4 Satz 4 i.V.m. § 61 Abs. 7 Satz 1 TKG geregelten Frist (zu einem späteren Zeitpunkt) aufgehoben werden. Ein Vergabeverfahren kann nach Fristablauf auch ohne erneute Feststellung der Frequenzknappheit und ohne neu zu erlassenden Anordnung eines Vergabeverfahrens fortgesetzt werden.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Beschluss vom 8. April 2010 – 6 VR 2.10 –, juris (Rn. 6); Urteil vom 22. Juni 2011 – 6 C 3.10 –, juris (Rn. 34); ferner OVG NRW, Urteil vom 10. März 2016 – 13 A 2395/07 –, juris (Rn. 97 f.), wonach sich – gewissermaßen umgekehrt – ein Rechtsanspruch auf Einzelzuteilung von Frequenzen nicht aus dem Ablauf der Fristen des § 55 Abs. 4 Satz 4 TKG und des § 61 Abs. 7 Satz 1 TKG herleiten lässt.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Dies zugrunde gelegt, kann die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren auch unter Hinweis auf §§ 55 Abs. 4 Satz 4, 61 Abs. 7 Satz 1 TKG nicht mit Erfolg geltend machen, dass einzelne zur Vergabe gestellte Frequenzen nicht verfügbar sind, weil sie erst zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt zugeteilt werden können. Denn ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Anordnung eines Vergabeverfahrens im Sinne des § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG nach den Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes gerade nicht an Fristen gebunden. Auch die für die Entscheidung über Anträge auf die Zuteilung von Frequenzen geltenden gesetzlichen Fristen der §§ 55 Abs. 4 Satz 4, 61 Abs. 7 Satz 1 TKG wirken sich auf die Anordnung eines Vergabeverfahrens nicht aus.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Europäisches Recht steht dem nicht entgegen. Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste (Genehmigungsrichtlinie) statuiert lediglich, dass die Mitgliedstaaten bei wettbewerbsorientierten oder vergleichenden Auswahlverfahren die in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie genannte Höchstfrist von sechs Wochen so lange wie nötig, höchstens jedoch um acht Monate, verlängern können, um für alle Beteiligten ein faires, angemessenes, offenes und transparentes Verfahren sicherzustellen. Diese Fristen lassen geltende internationale Vereinbarungen über die Nutzung von Funkfrequenzen und die Satellitenkoordinierung unberührt. Die dem zugrunde liegenden Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie bestimmt, dass Entscheidungen über Nutzungsrechte von der nationalen Regulierungsbehörde so schnell wie möglich nach Erhalt des vollständigen Antrags getroffen, mitgeteilt und veröffentlicht werden, und zwar innerhalb von drei Wochen im Fall von Nummern, die im Rahmen des nationalen Nummerierungsplans für spezielle Zwecke vergeben worden sind, und innerhalb von sechs Wochen im Fall von Funkfrequenzen, die im Rahmen des nationalen Frequenzvergabeplans für spezielle Zwecke zugeteilt worden sind. Die letztgenannte Frist lässt geltende internationale Vereinbarungen über die Nutzung von Funkfrequenzen und Erdumlaufpositionen unberührt. Diesen Vorgaben des Europäischen Rechts lassen sich ebenfalls Maßstäbe lediglich im Hinblick auf Anträge betreffend Nutzungsrechte an Nummern und Funkfrequenzen abgewinnen, nicht aber hinsichtlich der Anordnung eines Vergabeverfahrens. Daher steht die streitgegenständliche Entscheidung der Bundesnetzagentur nicht im Widerspruch zum Europäischen Recht. Auch die Vorschriften der §§ 55 Abs. 4 Satz 4, 61 Abs. 7 Satz 1 TKG lassen – unabhängig von deren Relevanz im vorliegenden Verfahren – europarechtlich fundierte Defizite nicht erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Ein Mangel des Bedarfsermittlungsverfahrens ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass Bedarfsanmeldungen für erst zu einem späteren Zeitpunkt verfügbare Frequenzen abgegeben werden mussten. Sofern die Antragstellerin meint, dass die Maßstäbe, die das Bundesverwaltungsgericht für länger zurückliegende Bedarfsermittlungen herangezogen hat, erst recht für Bedarfsermittlungen gelten müssen, die sich auf Frequenzen beziehen, die erst in der Zukunft verfügbar im Sinne des § 55 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 TKG sind, verhilft dies ihrem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht zum Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Anordnung eines Vergabeverfahrens aufgrund der mit dem Vergabeverfahren verbundenen Kosten und Risiken für alle Antragsteller nur gerechtfertigt, wenn ein Bedarfsüberhang an Frequenzen tatsächlich besteht. Sofern diesbezüglich ein Bedarfsermittlungsverfahren nicht zeitnah vor dem Erlass der Anordnung eines Vergabeverfahrens durchgeführt wird, ist die Bundesnetzagentur gehalten, auf Erkenntnisse zurückzugreifen, die eine vergleichbare Gewähr für die zutreffende Erfassung des aktuellen Frequenzbedarfs bieten und somit als Grundlage für die Prognose einer (nicht) ausreichenden Verfügbarkeit von Frequenzen nicht weniger geeignet sind. Dies schließt einen Rückgriff auf teilweise lange zurückliegende Bedarfsabfragen, bestimmte neuere Bedarfsmeldungen und eigene Bedarfsabschätzungen nicht schon grundsätzlich aus. Voraussetzung ist – worauf die Antragstellerin mit ihrer Argumentation wohl Bezug nimmt – insoweit allerdings, dass ein Bedarfsüberhang auf dieser Grundlage nachgewiesen werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 23. März 2011 – 6 C 6.10 –, juris (Rn. 21 f.).</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Aus dieser Rechtsprechung lässt sich aber nichts für die Einbeziehung von erst künftig verfügbaren Frequenzen in ein förmliches Bedarfsermittlungsverfahren herleiten, das einer Vergabeanordnung unmittelbar vorausgeht. Die Rechtsprechung nimmt nämlich lediglich die zutreffende Erfassung des aktuellen Frequenzbedarfs zum Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung eines Vergabeverfahrens in den Blick.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Des Weiteren besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht auch keine Verpflichtung, die Bedarfsmeldungen einer abschließenden fachlichen frequenztechnischen und frequenzökonomischen Bewertung zu unterziehen, die über die Prüfung hinausgeht, ob die angemeldeten Bedarfe den gültigen Frequenznutzungsbestimmungen entsprechen, ob ihnen weder eine offensichtliche Hortungsabsicht noch sachfremde Gründe zugrunde liegen sowie ob die Zuteilungsvoraussetzungen offenkundig nicht vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Beschluss vom 9. Juni 2015 – 6 B 59.14 –, juris (Rn. 25).</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Das Bundesverwaltungsgericht hat auch keine Aussage dazu getroffen, ob und gegebenenfalls unter welchen weiteren Voraussetzungen (subjektive) Angaben von Wettbewerbern über ihren Bedarf geeignet sind, die erforderliche eigene Überzeugungsbildung des Gerichts vom Vorliegen eines überschießenden Frequenzbedarfs zu tragen.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Beschluss vom 9. Juni 2015 – 6 B 59.14 –, juris (Rn. 15 f.); zur Vereinbarkeit des Abstellens auf subjektive Bedarfsabschätzungen mit der Maßgabe eines diskriminierungsfreien, objektiven und transparenten Verfahrens auch <em>Hahn/Hartl/Dorsch</em>, in: Scheurle/Mayen (Hrsg.), TKG, 3. Aufl. 2018, § 55, Rn. 76.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Ferner hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass die Zahl zu erwartender Zuteilungsanträge von den individuellen wettbewerblichen Besonderheiten der betreffenden Unternehmen abhängt. Ein Frequenzbedarf kann sich danach etwa daraus ergeben, dass ein Unternehmen eine aggressive Geschäftsstrategie verfolgt, welche auf die Gewinnung neuer Kunden oder die Vermarktung zunehmend breitbandiger Dienste gerichtet und daher auf ein hohes Wachstum der Kapazität angewiesen ist.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Dazu schon BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2014 – 6 B 43.13 –, juris (Rn. 13).</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Auf dieser Grundlage konkretisierten die betreffenden Unternehmen mithin ihren Bedarf an weiteren Frequenzen, der in Zuteilungsanträge einmündet, wenn Frequenzen für eine Zuteilung freiwerden. In diesem Sinne ist der zu ermittelnde Bedarf eine subjektive, nämlich von den Unternehmen eigenverantwortlich festgelegte Größe. Ausgehend hiervon kann sich ein Bedarfsüberhang insbesondere durch aktuelle, auf den Zeitpunkt der Anordnung eines Vergabeverfahrens bezogene Bedarfsabfragen bei den Unternehmen und deren Bedarfsmeldungen ergeben.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Dazu (nochmals) BVerwG, Urteil vom 23. März 2011 – 6 C 6.10 –, juris (Rn. 22).</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Weil derartige Bedarfsmeldungen sich auf erst noch zu erwartende Zuteilungsanträge beziehen, müssen sie – wie gezeigt – auch nicht schon die Voraussetzungen einer Zuteilung nach § 55 Abs. 5 Satz 1 TKG erfüllen, um bei der Feststellung eines Bedarfsüberhangs berücksichtigt werden zu können.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Siehe (nochmals) BVerwG, Beschluss vom 9. Juni 2015 – 6 B 59.14 –, juris (Rn. 25); zum Ganzen auch BVerwG, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 6 B 36/16 –, juris (Rn. 14).</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Nach diesen Maßgaben stellt die hier von der Bundesnetzagentur durchgeführte Bedarfsabfrage eine ausreichende Grundlage für ihre Prognose dar, dass im Zuteilungszeitpunkt eine das verfügbare Frequenzspektrum übersteigende Anzahl von Zuteilungsanträgen gestellt sein wird.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Anders <em>Fetzer</em>, NVwZ 2018, 190 (192 f.).</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Dem stehen auch weder die von der Antragstellerin in Bezug genommenen – möglichen – Veränderungen auf dem Telekommunikationsmarkt entgegen, noch der Vorwurf, dass der Standardisierungsprozess im Bereich der 5G-Technologie bislang noch nicht abgeschlossen sei. Zwar zählt die Bedarfsfeststellung als solche zu den entscheidungserheblichen Tatsachengrundlagen, die wirklich gegeben und nicht nur vertretbar angenommen worden sein muss.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteile vom 22. Juni 2011 – 6 C 3.10 –, juris (Rn. 28); und vom 23. März 2011 – 6 C 6.10 –, juris (Rn. 21),</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Indes lässt sich weder aus § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG noch aus der (diesbezüglichen) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ableiten, dass dies dahingehend zu verstehen ist, dass auch sämtliche Tatsachen, auf denen die Bedarfsfeststellung und im Falle der Durchführung eines Bedarfsermittlungsverfahrens die Bedarfsanmeldungen beruhen, wirklich vorliegen müssen. Nach dem Bundesverwaltungsgericht ist der „Bedarf“ im Ausgangspunkt eine von den Unternehmen eigenverantwortlich festgelegte Größe. Es ist Sache der betreffenden Unternehmen, ihre Netze eigenverantwortlich zu planen und auszugestalten. Die für die Bedarfsfeststellung maßgeblichen Bedarfsanmeldungen der Unternehmen können in Anbetracht der üblicherweise langfristigen Frequenzzuteilungen naturgemäß mitbeeinflusst sein durch Planungen und Entwicklungen, die einen in der Zukunft liegenden Zeitraum betreffen. Es obliegt den Unternehmen selbst, ihren zukünftigen Frequenzbedarf auf der Grundlage eigenverantwortlicher geschäftlicher Planungen einzuschätzen und zu beziffern. Dies schließt die Möglichkeit einer Fehlkalkulation ein. Da die Abschätzung eines unternehmensindividuellen Frequenzbedarfs in der Verantwortung des jeweiligen Unternehmens liegt, kann es naturgemäß auch nicht ausgeschlossen werden, dass sich eine der Bedarfsbemessung zu Grunde liegende unternehmerische Erwartung nicht erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Siehe dazu auch BVerwG, Beschluss vom 9. Juni 2015 – 6 B 59.14 –, juris (Rn. 38 ff.); ferner BVerwG, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 6 B 36.16 –, juris (Rn. 8); siehe auch VG Köln, Urteil vom 3. September 2014 – 21 K 4413/11 –, juris (Rn. 126), wonach auch der Umstand, dass Mobilfunkunternehmen von ihnen erworbene Frequenzen nicht nutzen, der Berücksichtigung eines zuvor angemeldeten Bedarfs nicht entgegensteht. Denn der Frequenzbedarf kann sich – so die Argumentation – gerade auch aus dem beabsichtigten zukünftigen Netzaufbau und -ausbau ergeben. Dessen zeitliche Umsetzung hängt insbesondere bei neuen Mobilfunktechnologien aber nicht nur davon ab, wann die von dem jeweiligen Betreiber präferierte Netztechnik kommerziell verfügbar ist. Der Netzausbau wird vielmehr – vorbehaltlich etwaiger Versorgungsverpflichtungen und der Sicherstellung einer effizienten Frequenznutzung – auch nachfragegetrieben erfolgen. Im Allgemeinen können sich angenommene Frequenzbedarfe ferner naturgemäß zu einem späteren Zeitpunkt als irrig herausstellen, was nach dem Ermessen der Bundesnetzagentur zu einem Widerruf der Frequenzzuteilung nach § 63 Abs. 1 TKG führen kann und ggf. führen muss. Da die Abschätzung eines unternehmensindividuellen Frequenzbedarfs in der Verantwortung des jeweiligen Unternehmens liegt, kann es auch nicht ausgeschlossen werden, dass sich eine der Bedarfsbemessung zu Grunde liegende unternehmerische Erwartung nicht erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Es obliegt folglich allein dem den Zugang zu Frequenzen nachsuchenden Unternehmen, die maßgeblichen Entscheidungen zur Nutzung der Frequenzen – ausgerichtet an seinem jeweiligen Geschäftsmodell – zu treffen, soweit diese Nutzung den geltenden Frequenznutzungsbestimmungen entspricht. Diese Entscheidungs- und Dispositionsfreiheit des Unternehmens ist ein maßgeblicher Wettbewerbsparameter und entzieht sich behördlicher Einflussnahme im Rahmen der Bedarfsfeststellung nach § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Beschluss vom 9. Juni 2015 – 6 B 59.14 –, juris (Rn. 46 ff.).</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Ausgehend davon sind die von der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Umstände ohne Belang.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Antragstellerin in Bezug genommenen Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A EU. Diese Vorschrift ist vorliegend weder unmittelbar noch analog anwendbar und der darin zum Ausdruck gebrachte Rechtsgedanke der Unzulässigkeit eines ungewöhnlichen Wagnisses findet in § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG ersichtlich keinen Anklang.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Nach alledem hat die Bundesnetzagentur im vorliegenden Fall ein rechtlich nicht zu beanstandendes förmliches Bedarfsermittlungsverfahren durchgeführt.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Des Weiteren hat die Bundesnetzagentur auch die Grenzen des ihr hinsichtlich der Prognose, dass im Zuteilungszeitpunkt eine das verfügbare Frequenzspektrum übersteigende Anzahl von Zuteilungsanträgen gestellt sein wird, eingeräumten Beurteilungsspielraums, gewahrt.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Soweit darauf hingewiesen wird, dass das Prognoserisiko im Rahmen einer Entscheidung nach § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten soweit zu reduzieren ist, wie dies vor dem Hintergrund der übrigen Regulierungsziele des Telekommunikationsgesetzes möglich sei, siehe <em>Fetzer</em>, NVwZ 2018, 190 (193), trägt dies schon nicht dem Umstand Rechnung, dass die gerichtliche Kontrolle in Fällen von Beurteilungsspielräumen beschränkt ist.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Dass im Zuteilungszeitpunkt eine das verfügbare Frequenzspektrum übersteigende Anzahl von Zuteilungsanträgen gestellt sein wird, muss aufgrund des der Bundesnetzagentur insoweit eingeräumten Beurteilungsspielraums (lediglich) vertretbar angenommen worden sein.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteile vom 22. Juni 2011 – 6 C 3.10 –, juris (Rn. 28); und vom 23. März 2011 – 6 C 6.10 –, juris (Rn. 21).</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Die gerichtliche Kontrolle ist demgemäß darauf beschränkt, ob die Bundesnetzagentur – von der Einhaltung der Verfahrensbestimmungen abgesehen – von einem richtigen Verständnis der gesetzlichen Begriffe ausgegangen ist, den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend in den Blick genommen hat und bei der eigentlichen Bewertung widerspruchsfrei und plausibel argumentiert und insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt hat.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Grundlegend BVerwG, Urteile vom 22. Juni 2011 – BVerwG 6 C 40.10 –, juris (Rn. 16); vom 22. Juni 2011 – 6 C 41.10 –, juris (Rn. 14); vom 23. März 2011 – BVerwG 6 C 6.10 –, juris (Rn. 37); und vom 10. Oktober 2012 – 6 C 36.11 –, juris (Rn. 38).</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Nach dem Bundesverwaltungsgericht ist zwar auch insoweit eine komplexe Gesamtabwägung durchzuführen. Die einzustellenden Belange sind indes durch Inhalt und Zweck der Entscheidung begrenzt. Abwägungsrelevant sind nur solche privaten und öffentlichen Belange, die von der Entscheidung berührt werden. Sonstige Belange sind hingegen nicht erfasst.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 6 C 36.11 –, juris (Rn. 38).</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Nach diesen Maßgaben hat die Bundesnetzagentur die Grenzen des ihr eingeräumten Beurteilungsspielraums nicht überschritten.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Indem die Bundesnetzagentur namentlich der Antragstellerin zugeteilte Frequenzen in die streitgegenständliche Anordnung eines Vergabeverfahrens einbezogen hat, hat sie zunächst weder den erheblichen Sachverhalt unvollständig oder unzutreffend ermittelt, noch hat sie insbesondere das Willkürverbot verletzt. Insoweit bedarf keiner Entscheidung, ob die abseits des förmlichen Bedarfsermittlungsverfahrens seitens der Bundesnetzagentur formulierten Erwägungen,</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">BNetzA, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14. Mai 2018 über Anordnung und Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang, Rn. 245 ff.,</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">zu überzeugen vermögen. Denn diese Erwägungen erweisen sich nicht als evident,</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">zur Maßgeblichkeit des Maßstabes der Evidenz im Zusammenhang mit dem Willkürverbot (im Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 GG) grundlegend BVerfG, Beschluss vom 9. Mai 1961 – 2 BvR 49/60 –, juris (Rn. 20),</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">unsachlich.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Die Bundesnetzagentur hat des Weiteren auch nicht dadurch die Grenzen des ihr eingeräumten Beurteilungsspielraums überschritten, dass sie die Frequenzen im Bereich zwischen 3700 und 3800 MHz nicht in die streitgegenständliche Anordnung eines Vergabeverfahrens einbezogen hat. Der Sache nach handelt es sich insoweit um eine Entscheidung über den von der Anordnung eines Vergabeverfahrens erfassten Frequenzumfang. Eine derartige Entscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Bestandteil der Prognose einer mangelnden Verfügbarkeit von Frequenzen nach § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG. Diese schließt – so das Bundesverwaltungsgericht – nämlich die Bewertung ein, dass der betreffende Frequenzumfang zur Erbringung von Leistungen in einem wettbewerblichen Umfeld ausreichend ist.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 6 C 3.10 –, juris (Rn. 28).</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Diesbezüglich bestehen zunächst an der Einhaltung der einschlägigen Verfahrensbestimmungen keine Zweifel. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Antragstellerin, die Bundesnetzagentur habe im Hinblick darauf, dass die Frequenzen im Bereich von 3700 bis 3800 MHz nicht in die streitgegenständliche Anordnung eines Vergabeverfahrens einbezogen wurden, durch Verwaltungsakt handeln müssen. Denn die streitgegenständliche Anordnung eines Vergabeverfahrens der Bundesnetzagentur nimmt ausdrücklich den Frequenzbereich zwischen 3400 MHz und 3700 MHz in Bezug und trifft damit gerade eine Entscheidung über den von der Anordnung eines Vergabeverfahrens erfassten Frequenzumfang im Rahmen des förmlichen Beschlusskammerverfahrens. Sofern sich die Antragstellerin auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beruft, wonach die Entscheidung der Bundesnetzagentur, (seinerzeit auf der Grundlage des sog. GSM-Konzepts) von einer Vergabe frei gewordenen Frequenzen abzusehen, gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1 TKG von der Beschlusskammer aufgrund mündlicher Verhandlung durch Verwaltungsakt zu treffen war,</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2011 – 6 C 2.10 –, juris (Rn. 30) unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 1. September 2009 – 6 C 4.09 –, juris (Rn. 23 ff.),</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">verhilft dies ihrem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ebenso wenig zum Erfolg. Die Bundesnetzagentur hat mit der streitgegenständlichen Anordnung eines Vergabeverfahrens eine dahingehende Entscheidung nämlich nicht getroffen. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin darauf hinweist, dass es sich insoweit offensichtlich um zwei Bausteine eines koordinierten Gesamtkonzepts handele. Zum Frequenzbereich zwischen 3700 MHz und 3800 MHz verhält sich die Inbezugnahme des Frequenzbereichs (lediglich) zwischen 3400 MHz und 3700 MHz nämlich nicht.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Siehe zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2011 – 6 C 2.10 –, juris (Rn. 29 f.) mit dem Hinweis, dass Entscheidungen, die gewissermaßen noch im Vorfeld der Entscheidung über die Anordnung eines Vergabeverfahrens liegen, abgeschichtet und vorab geklärt werden können, bevor die Beschlusskammer mit der Angelegenheit befasst wird, während dann, wenn ein funktionell zusammengehöriger Frequenzbereich gleichzeitig frei geworden ist, der als solcher dem Markt nach objektiven Kriterien – erforderlichenfalls unter Zwischenschaltung eines Vergabeverfahrens – ohne Weiteres zur Verfügung gestellt werden kann, und die Bundesnetzagentur die Entscheidung trifft, bezüglich frei gewordener Frequenzen ausnahmsweise von einer Vergabe abzusehen, der Anwendungsbereich des § 50 Abs. 10 Satz 1 TKG bereits dadurch und nicht etwa erst durch den zeitlich aufgeschobenen Erlass der Anordnung eines Vergabeverfahrens betroffen ist und ein förmliches Beschlusskammerverfahren durchzuführen ist.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Auch im Übrigen hat die Bundesnetzagentur den ihr eingeräumten Beurteilungsspielraum gewahrt. Nach dem Vorstehenden vermag die Antragstellerin nicht geltend zu machen, dass die von der Bundesnetzagentur getroffene Entscheidung zu einer künstlichen Frequenzknappheit und zu einer Verschärfung des Bieterwettbewerbs führe. Darauf, dass nicht der gesamte Frequenzbereich zwischen 3400 und 3800 MHz zum Gegenstand der Anordnung eines Vergabeverfahrens gemacht wurde, kommt es für sich genommen nach dem Vorstehenden nämlich nicht an.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Des Weiteren hat die Bundesnetzagentur die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums auch nicht dadurch überschritten, dass sie der streitgegenständlichen Anordnung eines Vergabeverfahrens eine Differenzierung zwischen einer bundesweiten Nutzung der Frequenzen im Bereich zwischen 3400 und 3700 MHz einerseits und lokalen sowie regionalen Nutzungen betreffend den Frequenzbereich zwischen 3700 und 3800 MHz andererseits zugrunde gelegt hat.</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Grundlegend dazu BNetzA, Eckpunkte für den Ausbau digitaler Infrastrukturen und Bedarfsermittlung für bundesweite Zuteilungen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz, Mit-Nr. 484/2017, Abl. BNetzA 13/2017 vom 12. Juli 2017, S. 2726 ff.</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Es kann – anders als die Antragstellerin mit ihrem Hinweis, alle Frequenzen unterlägen derselben frequenzplanerischen Nutzung, meint – zunächst dahinstehen, welche Bedeutung dem Frequenznutzungszweck betreffend die genannten Frequenzbereiche beizumessen ist. Auch bedarf keiner Entscheidung, ob die Differenzierung der Antragsgegnerin zwischen dem Nutzungszweck einerseits und einem „Zuteilungszweck“ andererseits eine Stütze im Telekommunikationsgesetz findet. Denn der Nutzungszweck betreffend die Frequenzen im Bereich zwischen 3400 und 3700 MHz und erst recht hinsichtlich des Frequenzbereichs zwischen 3700 und 3800 MHz ist in der hier streitgegenständlichen Entscheidung der Bundesnetzagentur selbst nicht geregelt.</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Die Rechtsgrundlage des § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG gibt für eine Regelung eines entsprechenden Nutzungszwecks nichts her. Solche Regelungen haben der Anordnung eines Vergabeverfahrens vielmehr (auf planerischer Ebene) voranzugehen bzw. ihr (im Zusammenhang mit der abschließenden Frequenzzuteilung) nachzufolgen: So werden im Frequenzbereichszuweisungsplan, den die Bundesregierung durch Rechtsverordnung erlässt (§ 53 Abs. 1 Satz 1 TKG), die Frequenzbereiche den Funkdiensten zugewiesen (§ 53 Abs. 2 Satz 1 TKG); der von der Bundesnetzagentur auf der Grundlage des Frequenzbereichszuweisungsplans zu erstellende Frequenzplan enthält die weitere Aufteilung der Frequenzbereiche auf die Frequenznutzungen sowie Festlegungen für diese Frequenznutzungen (§ 54 Abs. 1, 2 TKG). Innerhalb des Vergabeverfahrens weist erst die Festlegung der Vergabebedingungen einen Bezug zum Nutzungszweck insofern auf, als darin die Frequenznutzung, für die die zu vergebenden Frequenzen unter Beachtung des Frequenzplanes verwendet werden dürfen (§ 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 TKG), sowie die Frequenznutzungsbestimmungen (§ 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG) festgelegt werden. Die Frequenzzuteilung schließlich, die nach Abschluss des Vergabeverfahrens und außerhalb desselben durch gesonderten Verwaltungsakt ausgesprochen wird (§ 61 Abs. 1 Satz 3 TKG), ist gemäß § 55 Abs. 1 Satz 3 TKG zweckgebunden nach Maßgabe des Frequenzplans.</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Dazu, dass namentlich der Frequenzplan im Rahmen verwaltungsgerichtlicher Verfahren gegen Frequenzzuteilungsentscheidungen nach § 55 TKG inzident überprüft werden kann, BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 6 C 36.11 –, juris (Rn. 47).</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">Aufgrund dieser Einbindung der Anordnung eines Vergabeverfahrens in Entscheidungen, die ihr vorangehen bzw. nachfolgen, besteht schon keine Notwendigkeit für eine (weitere) regelnde Festsetzung des Frequenznutzungszwecks in der Anordnung eines Vergabeverfahrens selbst.</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">Siehe BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 6 C 3.10 –, juris (Rn. 39); etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Bundesverwaltungsgericht zum förmlichen Bedarfsermittlungsverfahren ausgeführt hat, dass die Anmeldung eines Bedarfs insoweit unberücksichtigt bleiben muss, wenn die beabsichtigte Nutzung nicht den Frequenznutzungsbestimmungen entspricht, siehe (nochmals) BVerwG, Beschluss vom 9. Juni 2015 – 6 B 59/14 –, juris (Rn. 25).</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Demgemäß enthält auch die hier streitgegenständliche Anordnung eines Vergabeverfahrens keine objektiven Anhaltspunkte für eine dahingehende Regelungsabsicht der Bundesnetzagentur. Die bloße Beschreibung künftiger Nutzungen der Frequenzen im Bereich zwischen 3700 und 3800 MHz genügt hierfür nicht.</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Allerdings ist die Prognose der Bundesnetzagentur, dass der von der vorliegenden Anordnung eines Vergabeverfahrens erfasste Frequenzumfang zur Erbringung von Leistungen in einem wettbewerblichen Umfeld ausreichend ist, gerichtlich – wie gezeigt – (auch) darauf zu überprüfen, ob die Bundesnetzagentur von einem richtigen Verständnis der gesetzlichen Begriffe ausgegangen ist, den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend in den Blick genommen hat und bei der eigentlichen Bewertung widerspruchsfrei und plausibel argumentiert und insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt hat.</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Dies ist vorliegend der Fall.</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">Die Bundesnetzagentur ist zunächst von einem richtigen Verständnis der gesetzlichen Begriffe ausgegangen. Unabhängig davon, ob der Frequenzplan eine Verwaltungsvorschrift, eine quasi-dingliche Allgemeinverfügung oder eine Rechtsform eigener Art darstellt,</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">dazu BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 6 C 36.11 –, juris (Rn. 46),</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">und ob es in vorliegendem Zusammenhang überhaupt auf ein richtiges Verständnis (gerade) der gesetzlichen Begriffe im Hinblick auf den Frequenzbereich zwischen 3700 und 3800 MHz ankommt, ist ein diesbezüglich fehlerhaftes Verständnis jedenfalls nicht erkennbar. Schon nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schränkt der – im Frequenzplan enthaltene – Begriff des drahtlosen Netzzugangs zum Angebot von Telekommunikationsdiensten die Angebote nicht auf mobile Anwendungen ein, sondern umfasst auch feste und nomadische Anwendungen, sofern sie die Frequenznutzungsbestimmungen einhalten.</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 6 C 40.10 –, juris (Rn. 27, 36).</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">Ferner enthält der Frequenzplan selbst die Festlegung, dass die Frequenznutzung „drahtloser Netzzugang zum Angebot von Telekommunikationsdiensten“ über das Angebot von Telekommunikationsdiensten hinaus auch Anwendungen für innerbetrieblicher Zwecke oder Infrastrukturanwendungen umfasst.</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">BNetzA, Frequenzplan, 2018, S. 4.</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">Des Weiteren hat die Bundesnetzagentur auch den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend in den Blick genommen. Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus dem Vorwurf der Antragstellerin, die Bundesnetzagentur habe durch den Verzicht auf die Durchführung eines förmlichen Bedarfsermittlungsverfahrens im Frequenzbereich zwischen 3700 und 3800 MHz den Frequenzbedarf nicht ordnungsgemäß ermittelt. Denn soweit es – wie hier – um die Bewertung geht, ob der maßgebliche Frequenzumfang (nämlich derjenige zwischen 3400 und 3700 MHz) zur Erbringung von Leistungen in einem wettbewerblichen Umfeld ausreichend ist, kommt es auf die Feststellung des Frequenzbedarfs im Bereich zwischen 3700 und 3800 MHz gar nicht an. Demzufolge bedarf auch die – von der Antragstellerin für erheblich gehaltene – Frage keiner Beantwortung, ob im Falle der Bereitstellung des (gesamten) Frequenzbereichs zwischen 3400 und 3800 MHz davon auszugehen wäre, dass gemäß § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG für Frequenzzuteilungen nicht in ausreichendem Umfang verfügbare Frequenzen vorhanden sind.</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Bei der eigentlichen Bewertung hat die Bundesnetzagentur schließlich auch widerspruchsfrei und plausibel argumentiert und insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt. Die Bundesnetzagentur hat die von ihr vorgenommene Differenzierung vornehmlich damit begründet, dass bestehende regionale Zuteilungen im Bereich zwischen 3400 und 3700 MHz in den Frequenzbereich zwischen 3700 und 3800 MHz verlagert werden sollen, um die Verfügbarkeit der Frequenzen im Bereich zwischen 3400 und 3700 MHz vorzeitig im Jahr 2019 herzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">BNetzA, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14. Mai 2018 über Anordnung und Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang, Rn. 70 f., 144.</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">Des Weiteren solle auch kleinen und mittleren Unternehmen ausreichend Spektrum im Frequenzbereich zwischen 3700 und 3800 MHz zur Realisierung von lokalen und regionalen Geschäftsmodellen in Entsprechung mit den Regulierungszielen des Telekommunikationsgesetzes bereitgestellt werden, wobei die Bereitstellung von 100 MHz für derartige lokale und regionale Geschäftsmodelle damit begründet wurde, dass derzeitige regionale Zuteilungen von bis zu 80 MHz bestehen.</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">BNetzA, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14. Mai 2018 über Anordnung und Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang, Rn. 69 ff., 144.</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">Auch diene die Bereitstellung von 100 MHz im Frequenzbereich zwischen 3700 und 3800 MHz dazu, allen Interessenten Zugang zu Frequenzen zu ermöglichen, was ebenfalls zur Verwirklichung der Regulierungsziele des Telekommunikationsgesetzes beitrage.</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">BNetzA, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14. Mai 2018 über Anordnung und Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang, Rn. 150 f., 154.</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">Die Aufteilung des Frequenzbereichs zwischen 3400 und 3800 MHz entspreche – so die Bundesnetzagentur weiter – auch (im Übrigen) den Regulierungszielen des Telekommunikationsgesetzes.</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">BNetzA, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14. Mai 2018 über Anordnung und Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang, Rn. 129.</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">Zugrunde gelegt worden sei überdies, dass in Umsetzung internationaler Verlautbarungen bis zu 100 MHz zur Umsetzung regionaler und lokaler Geschäftsmodelle für erforderlich gehalten werden.</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">BNetzA, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14. Mai 2018 über Anordnung und Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang, Rn. 145 ff.</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">Diese Erwägungen sind nicht willkürlich. Dies ergibt sich schon daraus, dass eine Differenzierung zwischen bundesweiten Zuteilungen einerseits und regionalen sowie lokalen Zuteilungen andererseits dem Umfang derzeitiger regionaler Zuteilungen, Nachfragen nach Frequenzen und dem Umstand, dass ein etwaiger Schutzabstand zu den Frequenzen im Bereich zwischen 3400 und 3700 MHz seitens der Inhaber von Zuteilungen im Frequenzbereich zwischen 3700 und 3800 MHz einzuhalten ist, Rechnung trägt.</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">BNetzA, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14. Mai 2018 über Anordnung und Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang, Rn. 126, 146, 235.</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">Eine Verletzung des Willkürverbotes ist auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Antragstellerin nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">Soweit die Antragstellerin moniert, in der Bereitstellung der Frequenzen im Bereich zwischen 3400 und 3700 MHz könne kein Ausgleich für die Beeinträchtigung ihrer Interessen dadurch, dass die Frequenzen im Bereich zwischen 3700 und 3800 MHz nicht in die streitgegenständliche Anordnung eines Vergabeverfahrens einbezogen wurden, gesehen werden, liegt dies neben der Sache.</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">Darauf, ob die Entscheidung der Bundesnetzagentur, die Frequenzen im Bereich zwischen 3700 und 3800 MHz nicht in die streitgegenständliche Anordnung eines Vergabeverfahrens einzubeziehen, zur Erreichung von Regulierungszielen – was die Beteiligten unterschiedlich beurteilen – geboten ist und den Regulierungszielen zuwiderläuft, kommt es in Ansehung des der Bundesnetzagentur nach dem Vorstehenden eingeräumten Beurteilungsspielraums überdies nicht an.</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">Des Weiteren kann im Zusammenhang mit dem Willkürverbot dahinstehen, ob die Bundesnetzagentur im Hinblick auf die Zuteilung der Frequenzen im Bereich zwischen 3700 und 3800 MHz von einem Vergabeverfahren abzusehen beabsichtigt,</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">BNetzA, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14. Mai 2018 über Anordnung und Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang, Rn. 129, 157,</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">ist dies doch jedenfalls weder Regelungsgegenstand der hier streitgegenständlichen Entscheidung der Bundesnetzagentur noch Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">Es bedarf daher auch keiner Entscheidung, ob ein Absehen von einem Vergabeverfahren im Frequenzbereich zwischen 3700 und 3800 MHz an den von der Antragstellerin herangezogenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Beschluss vom 8. April 2010 – 6 C 2.10 –, juris (Rn. 25 ff.),</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">zu messen ist und die dort entwickelten Anforderungen erfüllt sind. Ob ein Absehen von einem Vergabeverfahren im Frequenzbereich zwischen 3700 und 3800 MHz eine – von der Antragstellerin behauptete – Diskriminierung bundesweiter Anbieter von Telekommunikationsdiensten bedeutet, bedarf schließlich ebenfalls keiner Betrachtung.</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">Die Bundesnetzagentur hat die Grenzen des ihr im Anwendungsbereich des § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG zustehenden Beurteilungsspielraums nach alledem nicht überschritten.</p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">Die Bundesnetzagentur hat auch das ihr im Anwendungsbereich des § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG zustehende Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG eröffnet der Bundesnetzagentur Ermessen, dessen Ausübung bei bestehender Frequenzknappheit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts infolge der Grundrechtsbindung gegenüber der Gesamtheit der Zuteilungspetenten wie auch des unionsrechtlichen Diskriminierungsverbotes regelmäßig im Sinne des Erlasses der Anordnung eines Vergabeverfahrens vorgeprägt ist.</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">Grundlegend BVerwG, Urteile vom 22. Juni 2011 – 6 C 3.10 –, juris (Rn. 35); vom 26. Januar 2011 – 6 C 2.10 –, juris (Rn. 25).</p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks">Demgemäß bedarf es ausdrücklicher Ermessenserwägungen nicht im Regel-, sondern nur im Ausnahmefall.</p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 23. März 2011 – BVerwG 6 C 6.10 –, juris (Rn. 23); zum Ganzen auch BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 6 C 36/11 –, juris (Rn. 36).</p>
<span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">Ausgehend davon – sowie dem Umstand, dass die Bundesnetzagentur das ihr eingeräumte Ermessen vorliegend erkannt hat,</p>
<span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">BNetzA, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14. Mai 2018 über Anordnung und Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang, Rn. 261 ff.,</p>
<span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks">– ist ein Ermessensfehler entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht etwa darin zu sehen, dass die Bundesnetzagentur gegen ihre bisherige ständige Verwaltungspraxis verstoßen hat. Zwar kann sich eine Behörde im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens dadurch binden, dass sie bei der Behandlung vergleichbarer Fälle gleichbleibend nach einem System verfährt, von dem sie dann nicht im Einzelfall nach Belieben abweichen darf, ohne dadurch (objektiv) willkürlich zu handeln und damit gegen den Gleichheitssatz zu verstoßen.</p>
<span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks">Grundlegend etwa BVerwG, Urteil vom 28. April 1978 – IV C 49.76 –, juris (Rn. 12).</p>
<span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks">Eine in diesem Sinne ständige Verwaltungspraxis der Bundesnetzagentur dahingehend, dass Frequenzen, die noch für mehrere Jahre zugeteilt sind, nicht in ein Verfahren nach § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG einbezogen werden, ist – anders als die Antragstellerin meint – indes nicht erkennbar. Unabhängig von der Frage, ob im Anwendungsbereich des § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG angesichts der bisherigen Anzahl von Anwendungsfällen überhaupt (schon) von einem System im vorstehenden Sinne ausgegangen werden kann, sind jedenfalls in der Vergangenheit Frequenzen zum Gegenstand von Verfahren nach § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG gemacht worden, die für einen gemessen an den der Antragstellerin zugeteilten Frequenzen (noch) längeren Zeitraum zugeteilt und deren Zuteilung zumindest nicht bestandkräftig widerrufen worden war.</p>
<span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks">Siehe etwa BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 6 C 36.11 –, juris.</p>
<span class="absatzRechts">148</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn insoweit dem Umstand, dass die Zuteilung der betreffenden Frequenzen widerrufen worden war, und mithin den Vorstellungen der Bundesnetzagentur hinsichtlich des Zeitpunkts der Verfügbarkeit von Frequenzen maßgebliche Bedeutung beizumessen sein sollte, wäre ein Ermessensfehler vorliegend nicht gegeben. Zwar wurde in der streitgegenständlichen Entscheidung der Bundesnetzagentur mit Blick auf die der Antragsgegnerin zugeteilten Frequenzen (lediglich) eine Verlagerung in Aussicht gestellt und klarstellend gerade hinzugefügt, dass mit einer etwaigen Verlagerung der Frequenznutzungen keine Änderung der befristeten Zuteilungen einhergehe, weswegen entsprechende Maßnahmen keine vorzeitige Verfügbarkeit dieser Frequenzen zur Folge hätten.</p>
<span class="absatzRechts">149</span><p class="absatzLinks">BNetzA, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14. Mai 2018 über Anordnung und Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang, Rn. 67 f.</p>
<span class="absatzRechts">150</span><p class="absatzLinks">Es ist jedoch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gesichert, dass eine Behörde ihre bisherige Praxis aus willkürfreien, d. h. sachlichen Gründen ändern kann.</p>
<span class="absatzRechts">151</span><p class="absatzLinks">Im Anwendungsbereich des Telekommunikationsgesetzes allgemein dazu BVerwG, Urteil vom 25. September 2013 – 6 C 13/12 –, juris (Rn. 55).</p>
<span class="absatzRechts">152</span><p class="absatzLinks">Jedenfalls so liegt der Fall hier. Denn das Bestreben der Bundesnetzagentur, im Wege der gemeinsamen Vergabe aller Frequenzen namentlich im Bereich von 2 GHz Planungs- und Investitionssicherheit herzustellen,</p>
<span class="absatzRechts">153</span><p class="absatzLinks">BNetzA, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14. Mai 2018 über Anordnung und Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang, Rn. 37 f.,</p>
<span class="absatzRechts">154</span><p class="absatzLinks">und des Weiteren zur Vermeidung von Frequenzknappheit an der bisherigen Vergabepraxis festzuhalten,</p>
<span class="absatzRechts">155</span><p class="absatzLinks">BNetzA, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14. Mai 2018 über Anordnung und Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang, Rn. 57 ff.,</p>
<span class="absatzRechts">156</span><p class="absatzLinks">stellt einen sachlichen Grund im vorstehenden Sinne dar. Dies folgt schon daraus, dass die Zuteilung von Frequenzen im Bereich von 2 GHz ursprünglich einheitlich bis zum 31. Dezember 2020 befristet erfolgte und aufgrund eines weiteren (nachträglichen) Vergabeverfahrens die Zuteilung der der Antragstellerin zugeteilten Frequenzen bis zum 31. Dezember 2025 befristet wurde. Dass die Bundesnetzagentur bei der nunmehrigen Anordnung eines Vergabeverfahrens auf den ursprünglichen Befristungszeitraum abstellt, führt dabei nicht zur Unsachlichkeit. Denn eine gemeinsame Vergabe aller Frequenzen namentlich im Bereich von 2 GHz erweist sich ausgehend vom Maßstab der Evidenz,</p>
<span class="absatzRechts">157</span><p class="absatzLinks">dazu (nochmals) BVerfG, Beschluss vom 9. Mai 1961 – 2 BvR 49/60 –, juris (Rn. 20),</p>
<span class="absatzRechts">158</span><p class="absatzLinks">nicht als willkürlich. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Bundesnetzagentur im Rahmen des (nachträglichen) Vergabeverfahrens seinerzeit gerade auf die Einbeziehung weiterer Frequenzen verzichtete, wurde eine Vergabe der der Antragstellerin zugeteilten Frequenzen doch nur deswegen angeordnet, weil einzelne zugeteilte Frequenzen zurückgegeben beziehungsweise widerrufen worden waren.</p>
<span class="absatzRechts">159</span><p class="absatzLinks">Siehe BNetzA, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 12. Oktober 2009 über die Verbindung der Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 790 bis 862 MHz sowie 1710 bis 1725 MHz und 1805 bis 1820 MHz mit dem Verfahren zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang zum Angebot von Telekommunikationsdiensten sowie über die Durchführung des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 800 MHz, 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang zum Angebot von Telekommunikationsdiensten, S. 18.</p>
<span class="absatzRechts">160</span><p class="absatzLinks">Dass sich die Bundesnetzagentur – wie die Antragstellerin meint – (in der Vergangenheit) insoweit widersprüchlich verhalten oder sie – die Antragstellerin – in die Irre geführt hat, ist abgesehen von der Frage, ob sich die Antragstellerin darauf im vorliegenden Verfahren überhaupt berufen kann, insoweit nicht erkennbar.</p>
<span class="absatzRechts">161</span><p class="absatzLinks">Darauf, dass die Bundesnetzagentur – wie die Antragstellerin meint – zur Erreichung der von ihr mit der Einbeziehung der der Antragstellerin zugeteilten Frequenzen beabsichtigten Zielsetzung(en) andere Zuteilungen von Frequenzen verlängern und ein Verfahren nach § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG zu einem späteren Zeitpunkt einleiten könnte, kommt es nach dem Vorstehenden ebenfalls schon nicht an. Abgesehen davon ist – wie gezeigt – bei bestehender Frequenzknappheit das Ermessen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts infolge der Grundrechtsbindung gegenüber der Gesamtheit der Zuteilungspetenten wie auch des unionsrechtlichen Diskriminierungsverbotes ohnehin im Sinne des Erlasses der Anordnung eines Vergabeverfahrens vorgeprägt und nur ausnahmsweise darf unter Berücksichtigung der Regulierungsziele trotz Frequenzknappheit vom Erlass der Anordnung eines Vergabeverfahrens abgesehen werden.</p>
<span class="absatzRechts">162</span><p class="absatzLinks">Siehe nochmals BVerwG, Urteile vom 22. Juni 2011 – 6 C 3.10 –, juris (Rn. 35); vom 26. Januar 2011 – 6 C 2.10 –, juris (Rn. 25).</p>
<span class="absatzRechts">163</span><p class="absatzLinks">Ein derartiger Ausnahmefall ist vorliegend nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">164</span><p class="absatzLinks">Ferner entspricht es gerade entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht der Verwaltungspraxis der Bundesnetzagentur, anstelle der Durchführung eines Vergabeverfahrens Zuteilungen von Frequenzen zu verlängern. Soweit sich die Antragstellerin insoweit auf das sog. GSM-Konzept beruft, regelte dieses einen Sonderfall. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu ausdrücklich ausgeführt, dass die Bundesnetzagentur in einem bestimmten historischen Einzelfall ausnahmsweise von dem bei Frequenzknappheit sonst gebotenen Vergabeverfahren abgewichen sei; daraus folge aber unter keinem Gesichtspunkt, dass eine spätere Ermessensausübung, die dem gesetzlichen Regelfall folgt, ihrerseits besonders begründungsbedürftig wäre.</p>
<span class="absatzRechts">165</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 23. März 2011 – 6 C 6/10 –, juris (Rn. 24).</p>
<span class="absatzRechts">166</span><p class="absatzLinks">Aus dem sog. GSM-Konzept vermag die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren mithin nichts für sich herzuleiten.</p>
<span class="absatzRechts">167</span><p class="absatzLinks">Ein Ermessensfehler der Bundesnetzagentur folgt des Weiteren auch nicht daraus, dass es nach dem Bundesverwaltungsgericht unter dem Gesichtspunkt der in wesentlicher Hinsicht vollständigen und zutreffenden Ermittlung des Sachverhalts zu den Grundlagen der Ermessensentscheidung nach § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG gehört, dass die berechtigten Interessen der übrigen Marktteilnehmer durch einen Ausgleich an anderer Stelle angemessen berücksichtigt werden, was eine Abwägung zwischen einer Laufzeitverlängerung und einem Verfahren gemäß § 55 Abs. 10 Abs. 1 TKG erforderlich macht.</p>
<span class="absatzRechts">168</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2014 – 6 B 50/13 –, juris (Rn. 15) mit dem Hinweis, dass berechtigte Interessen durch ein Versteigerungsverfahren, an dem die betreffenden Unternehmen grundsätzlich teilnehmen können, angemessen berücksichtigt werden.</p>
<span class="absatzRechts">169</span><p class="absatzLinks">Da die Antragstellerin nicht zu den übrigen Marktteilnehmern im vorstehenden Sinne zählt, vermag sie daraus nichts für sich herzuleiten.</p>
<span class="absatzRechts">170</span><p class="absatzLinks">Auch unter dem von der Antragstellerin herangezogenen Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ein Ermessensfehler der Bundesnetzagentur nicht erkennbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht grundsätzlich gemäß § 55 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 TKG ein subjektives öffentliches Recht auf eine Frequenzzuteilung, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind und keine Hinderungsgründe entgegenstehen. An dieser Konstellation ändert sich nichts Wesentliches dadurch, dass ein Zuteilungspetent die betreffenden Frequenzen bereits befristet zugeteilt erhalten hatte und mit einem vor Fristende gestellten Antrag die Verlängerung erstrebt. Denn nach § 55 Abs. 9 Satz 1 TKG werden Frequenzen in der Regel befristet zugeteilt, wobei eine Verlängerung der Befristung möglich ist. Die positive Entscheidung über einen Verlängerungsantrag, soweit der bisherige Inhaber die Zuteilungsvoraussetzungen nach Ablauf der Befristung weiter erfüllt, ist der Sache nach nichts anderes als eine Zuteilung, die sich zeitlich an eine vorherige Zuteilung anschließt und mit ihr gleichsam eine Kette bildet.</p>
<span class="absatzRechts">171</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 1. September 2009 – 6 C 4.09 –, juris (Rn. 15).</p>
<span class="absatzRechts">172</span><p class="absatzLinks">Nicht anders als bei einem Antrag auf Erstzuteilung kann auch in diesem Fall indes der Zuteilungsanspruch dadurch gehemmt sein, dass für die Frequenzzuteilung nicht in ausreichendem Umfang verfügbare Frequenzen vorhanden sind. Auch unter den Voraussetzungen des § 55 Abs. 9 Satz 1 TKG wandelt sich dann der Anspruch auf Zuteilung gemäß § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG zunächst in einen Anspruch auf Teilnahme an einem diskriminierungsfreien Vergabeverfahren, und er wandelt sich erst dann, wenn sich der bisherige Zuteilungsinhaber im Vergabeverfahren gegen die Mitbewerber durchsetzt, in einen Anspruch auf Zuteilung zurück. Dabei verhindert die Befristung der Frequenzzuteilung gerade die Bildung schutzwürdigen Vertrauens des bisherigen Zuteilungsinhabers darauf, die Frequenzen nach Fristablauf exklusiv weiter nutzen zu können.</p>
<span class="absatzRechts">173</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 6 C 3.10 –, juris (Rn. 36).</p>
<span class="absatzRechts">174</span><p class="absatzLinks">Demzufolge kann sich die Antragstellerin hinsichtlich der ihr zugeteilten Frequenzen nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen.</p>
<span class="absatzRechts">175</span><p class="absatzLinks">Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Anordnung eines Vergabeverfahrens im Sinne von § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG vor dem Ablauf der Befristung der Zuteilung von Frequenzen erfolgt. Da die hier streitgegenständliche Entscheidung der Bundesnetzagentur die Zuteilung der der Antragstellerin zugeteilten Frequenzen unberührt lässt, ist nicht ersichtlich, dass dem Gedanken des Vertrauensschutzes insoweit eine weitergehende Bedeutung beizumessen ist. Auch daraus, dass nach dem Vorbringen der Antragstellerin in der Vergangenheit kein Bedarf für eine fusionsbedingte Änderung der Frequenzausstattung erblickt wurde, lässt sich ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht herleiten. Ebenso wie im Hinblick auf die Verlängerung der Zuteilung von Frequenzen,</p>
<span class="absatzRechts">176</span><p class="absatzLinks">dazu allgemein BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 6 C 3.10 –, juris (Rn. 37),</p>
<span class="absatzRechts">177</span><p class="absatzLinks">fallen entsprechende Erwartungen in den alleinigen Risikobereich der Antragstellerin.</p>
<span class="absatzRechts">178</span><p class="absatzLinks">Aus denselben Gründen kann die Antragstellerin auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass es einem Vergabeverfahren an der – aus Gründen des Europarechtes – erforderlichen Objektivität mangelt, sofern unklar ist, zu welchem Zeitpunkt Frequenzen (erneut) zum Gegenstand eines entsprechenden Verfahrens gemacht werden. Abgesehen davon, dass unter Zugrundelegung dieser Argumentation im Falle der Antragstellerin allenfalls dasjenige Vergabeverfahren in Zweifel zu ziehen wäre, auf dessen Grundlage die ihr zugeteilten Frequenzen vormals zugeteilt wurden, ist nach dem Vorstehenden auch insoweit eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes nicht erkennbar.</p>
<span class="absatzRechts">179</span><p class="absatzLinks">Ein Ermessensfehler der Bundesnetzagentur in dem Sinne, dass der streitgegenständlichen Entscheidung – wie die Antragstellerin meint – sachfremde Erwägungen zugrunde lagen, liegt ebenso wenig vor. Anhaltspunkte dafür, dass durch die Einbeziehung der der Antragstellerin zugeteilten Frequenzen in die streitgegenständliche Anordnung eines Vergabeverfahrens nach § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG vornehmlich Interessen von Wettbewerbern der Antragstellerin Rechnung getragen werden sollten, sind nicht erkennbar.</p>
<span class="absatzRechts">180</span><p class="absatzLinks">Die streitgegenständliche Entscheidung der Bundesnetzagentur verletzt schließlich nicht das Diskriminierungsverbot. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes verlangt der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz, der zu den Grundprinzipien des Unionsrechts gehört und dessen besondere Ausprägung das Diskriminierungsverbot ist,</p>
<span class="absatzRechts">181</span><p class="absatzLinks">zu Art. 21 der EU-Grundrechtecharta etwa EuGH, Urteil vom 22. Mai 2014 – C-356/12 –, juris (Rn. 43),</p>
<span class="absatzRechts">182</span><p class="absatzLinks">dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist.</p>
<span class="absatzRechts">183</span><p class="absatzLinks">Grundlegend EuGH, Urteil vom 19. Oktober 1977 – C-117/76 –, juris.</p>
<span class="absatzRechts">184</span><p class="absatzLinks">Ausgehend davon ist eine Verletzung des Diskriminierungsverbotes vorliegend nicht gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">185</span><p class="absatzLinks">Eine solche ergibt sich nicht bereits aus dem Umstand, dass die in die streitgegenständliche Anordnung eines Vergabeverfahrens einbezogenen Frequenzen eine unterschiedliche Zuteilungsdauer aufweisen. Denn die Verfügbarkeit von Frequenzen ist – wie gezeigt – für die Anordnung eines Vergabeverfahrens grundsätzlich ohne Belang.</p>
<span class="absatzRechts">186</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin kann – gewissermaßen umgekehrt – ebenso wenig mit Erfolg geltend machen, dass Frequenzen aus weiteren Frequenzbändern nicht in die streitgegenständliche Anordnung eines Vergabeverfahrens einbezogen wurden. Denn unabhängig vom Nutzungszweck der betreffenden Frequenzen und ihrer physikalischen Eigenschaften,</p>
<span class="absatzRechts">187</span><p class="absatzLinks">dass sich Frequenzen in ihren physikalischen Ausbreitungseigenschaften unterscheiden, ist eine naturwissenschaftliche Tatsache, siehe BVerwG, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 6 B 36/16 –, juris (Rn. 10),</p>
<span class="absatzRechts">188</span><p class="absatzLinks">ist – wie gezeigt – die Entscheidung über den von der Anordnung eines Vergabeverfahrens erfassten Frequenzumfang Bestandteil der Prognose einer mangelnden Verfügbarkeit von Frequenzen nach § 55 Abs. 10 Satz 1 Alt. 1 TKG.</p>
<span class="absatzRechts">189</span><p class="absatzLinks">Siehe nochmals BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 6 C 3.10 –, juris (Rn. 28).</p>
<span class="absatzRechts">190</span><p class="absatzLinks">Dass die Bundesnetzagentur namentlich die der Antragstellerin zugeteilten Frequenzen und mithin sämtliche die Frequenzen im Bereich von 2 GHz, nicht aber Frequenzen aus weiteren Frequenzbändern in die streitgegenständliche Anordnung eines Vergabeverfahrens einbezogen hat, vermag eine Verletzung des Diskriminierungsverbotes mithin nicht zu begründen.</p>
<span class="absatzRechts">191</span><p class="absatzLinks">Eine Verletzung des Diskriminierungsverbotes folgt entgegen der Argumentation der Antragstellerin auch nicht daraus, dass eine Finanzierung von Investitionen notwendig ist, die sich – so ihr Vorbringen – aufgrund der Anordnung eines Vergabeverfahrens nach § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG im Hinblick auf die ihr zugeteilten Frequenzen für sie gerade zu einem wesentlichen früheren Zeitpunkt ergebe. Unabhängig von der Frage, ob die Antragstellerin mit ihrer Argumentation das Ergebnis eines künftigen Versteigerungsverfahrens in unzulässiger Weise vorwegnimmt, ist ganz grundsätzlich eine Verletzung des Diskriminierungsverbotes diesbezüglich nicht ersichtlich. Denn die Notwendigkeit der Finanzierung von Investitionen im Hinblick auf die der Antragstellerin zugeteilten Frequenzen entsteht nicht lediglich der Antragstellerin, sondern auch konkurrierenden Unternehmen. Auch folgt eine Diskriminierung der Antragstellerin nicht daraus, dass sich insoweit – wie sie geltend macht – in ihrem Falle die Notwendigkeit der Finanzierung von Investitionen bereits zu einem Zeitpunkt ergibt, in dem ihr Frequenzen noch für einen längeren Zeitraum befristet zugeteilt sind. Denn diesen Umstand bedingt nicht die streitgegenständliche Anordnung eines Vergabeverfahrens, er resultiert vielmehr aus den unternehmerischen Entscheidungen der Antragstellerin in der Vergangenheit sowie (mit Blick auf das vorliegende Verfahren) in der Zukunft.</p>
<span class="absatzRechts">192</span><p class="absatzLinks">Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den ökonomischen Erwägungen der Antragstellerin im Übrigen. Abgesehen davon, dass diese allenfalls mittelbar mit der streitgegenständlichen Anordnung eines Vergabeverfahrens in Zusammenhang stehen, prägt das diesbezügliche Vorbringen der Antragstellerin die Erwartung, für die Dauer der Befristung der ihr zugewiesenen Frequenzen nicht erneut mit Investitionskosten belastet zu werden. Ausgehend davon, dass – wie bereits gezeigt – dem Gedanken des Vertrauensschutzes im Anwendungsbereich des § 55 Abs. 10 Satz 1 TKG grundsätzlich keine Bedeutung beizumessen ist, fällt allerdings die von der Antragstellerin formulierte Erwartung (ebenfalls) in ihren alleinigen Risikobereich.</p>
<span class="absatzRechts">193</span><p class="absatzLinks">Im Hinblick auf die Verlängerung der Zuteilung von Frequenzen dazu (nochmals) BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 6 C 3.10 –, juris (Rn. 37).</p>
<span class="absatzRechts">194</span><p class="absatzLinks">Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts soll die Befristung der Zuteilung von Frequenzen gerade (auch) die erforderliche Flexibilität für eine innovationsoffene und effiziente Frequenzplanung sicherstellen.</p>
<span class="absatzRechts">195</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 6 C 40/10 –, juris (Rn. 38); siehe auch BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 6 C 3/10 –, juris (Rn. 37).</p>
<span class="absatzRechts">196</span><p class="absatzLinks">Dies zugrunde gelegt erweist sich die Erwartung der Antragstellerin, für die Dauer der Befristung der ihr zugewiesenen Frequenzen nicht erneut mit Investitionskosten belastet zu werden, nicht als maßgeblich und eine Verletzung des Diskriminierungsverbotes mithin als ausgeschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">197</span><p class="absatzLinks">Soweit sich die Antragstellerin ferner darauf beruft, gemäß § 55 Abs. 9 Satz 2 TKG müsse eine Befristung der Zuteilung von Frequenzen für die betreffende Nutzung angemessen sein und die Amortisation der dafür notwendigen Investitionen angemessen berücksichtigen, ist bereits nicht ersichtlich, dass eine entsprechende Amortisation unmöglich gemacht wird. Die hier streitgegenständliche Entscheidung der Bundesnetzagentur lässt nämlich – wie gezeigt – die Zuteilung der der Antragstellerin zugeteilten Frequenzen unberührt.</p>
<span class="absatzRechts">198</span><p class="absatzLinks">Dazu, dass überdies technische und ökonomische Schwierigkeiten, die einer Amortisation von Investitionen entgegengestehen, in den Risikobereich des betreffenden Unternehmens fallen, BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 6 C 3.10 –, juris (Rn. 37).</p>
<span class="absatzRechts">199</span><p class="absatzLinks">Schließlich ist das Diskriminierungsverbot nicht deswegen verletzt, weil die streitgegenständliche Entscheidung der Bundesnetzagentur – wie die Antragstellerin meint – strategisches Bieten zu ihren Lasten ermöglicht. Denn dies ist unabhängig davon, ob die Antragstellerin auch insoweit mit ihrer Argumentation das Ergebnis eines künftigen Versteigerungsverfahrens in unzulässiger Weise vorwegnimmt, nicht der Fall. Einem bedarfsunabhängigen Frequenzerwerb sind nämlich bereits aus unternehmerischer Sicht enge wirtschaftliche Grenzen gesetzt,</p>
<span class="absatzRechts">200</span><p class="absatzLinks">dazu BVerwG, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 6 B 36.16 –, juris (Rn. 9),</p>
<span class="absatzRechts">201</span><p class="absatzLinks">und eine effiziente und störungsfreie Frequenznutzung im Sinne des § 55 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 TKG vermag nur ein Antragsteller sicherzustellen, der das Kriterium der finanziellen Leistungsfähigkeit erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">202</span><p class="absatzLinks">Siehe BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 6 C 40.10 –, juris (Rn. 20).</p>
<span class="absatzRechts">203</span><p class="absatzLinks">Überdies wird ein von der Antragstellerin befürchtetes strategisches Bieten konkurrierender Unternehmen nicht schon dadurch ermöglicht, dass die der Antragstellerin zugeteilten Frequenzen in die streitgegenständliche Anordnung eines Vergabeverfahrens einbezogen wurden und konkurrierende Unternehmen Kenntnis davon haben. Offen bleiben kann, ob diejenigen Gegebenheiten, die die Antragsgegnerin zum Anlass ihrer Befürchtung strategischen Bietens konkurrierender Unternehmen nimmt, zu einem späteren Zeitpunkt weiterhin und gegebenenfalls in gesteigertem Ausmaß vorliegen. Denn ein von der Antragstellerin befürchtetes strategisches Bieten konkurrierender Unternehmen wäre erst dann möglich und gegebenenfalls zu erwarten, wenn die Wettbewerber auch Kenntnis vom Frequenzbedarf der Antragstellerin haben. (Erst) die Kenntnis der Höhe des Frequenzbedarfs verschafft konkurrierenden Unternehmen in einem Versteigerungsverfahren nämlich strategische Vorteile, da sie ihr eigenes Bietverhalten hierauf einstellen können.</p>
<span class="absatzRechts">204</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2014 – 6 B 43.13 –, Rn. 13, juris)</p>
<span class="absatzRechts">205</span><p class="absatzLinks">(Allein) durch die Einbeziehung der der Antragstellerin zugeteilten Frequenzen in die streitgegenständliche Anordnung werden derartige strategische Vorteile hingegen nicht geschaffen.</p>
<span class="absatzRechts">206</span><p class="absatzLinks">Da mithin Ermessensfehler nicht ersichtlich sind, erweist sich die Anordnung eines Vergabeverfahrens in Ziffer I der streitgegenständlichen Entscheidung der Bundesnetzagentur insgesamt als rechtmäßig.</p>
<span class="absatzRechts">207</span><p class="absatzLinks">Die in Ziffer II der streitgegenständlichen Entscheidung der Bundesnetzagentur enthaltene Regelung, dass das Vergabeverfahren als Versteigerungsverfahren durchgeführt werden wird, ist ebenfalls rechtmäßig.</p>
<span class="absatzRechts">208</span><p class="absatzLinks">Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 61 Abs. 1 Satz 1 TKG. Danach kann die Bundesnetzagentur, wenn nach § 55 Abs. 10 TKG angeordnet wurde, dass der Zuteilung von Frequenzen ein Vergabeverfahren voranzugehen hat, nach Anhörung der betroffenen Kreise das Versteigerungsverfahren oder das Ausschreibungsverfahren durchführen. § 61 Abs. 2 Satz 1 TKG bestimmt, dass grundsätzlich das Versteigerungsverfahren durchzuführen ist, es sei denn, dieses Verfahren ist nicht geeignet, die Regulierungsziele nach § 2 TKG sicherzustellen. Dies kann nach § 61 Abs. 2 Satz 2 TKG insbesondere der Fall sein, wenn für die Frequenznutzung, für die die Frequenzen unter Beachtung des Frequenzplans verwendet werden dürfen, bereits Frequenzen ohne Versteigerungsverfahren zugeteilt wurden, oder wenn ein Antragsteller für die zuzuteilenden Frequenzen eine gesetzlich begründete Präferenz geltend machen kann.</p>
<span class="absatzRechts">209</span><p class="absatzLinks">Bei der gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 TKG vorzunehmenden Bestimmung der Durchführung des Vergabeverfahrens als Versteigerungsverfahren oder als Ausschreibungsverfahren steht der Bundesnetzagentur nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kein Ermessen zu. Denn nach § 61 Abs. 2 Satz 1 TKG ist grundsätzlich das Versteigerungsverfahren durchzuführen, falls dieses Verfahren nicht ausnahmsweise ungeeignet zur Erreichung der Regulierungsziele ist. Allerdings ist im Hinblick auf diese Bewertung – auf der Tatbestandsseite der Norm – ein Beurteilungsspielraum der Bundesnetzagentur anzuerkennen, der sich aus der Notwendigkeit rechtfertigt, zur Bestimmung der Geeignetheit bzw. Ungeeignetheit des Versteigerungsverfahrens in eine komplexe Abwägung der Regulierungsziele einzutreten, was die Gewichtung und den Ausgleich gegenläufiger öffentlicher und privater Belange einschließt.</p>
<span class="absatzRechts">210</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteile vom 22. Juni 2011 – 6 C 5.10 –, juris (Rn. 12); und vom 23. März 2011 – 6 C 6.10 –, juris (Rn. 27).</p>
<span class="absatzRechts">211</span><p class="absatzLinks">Dieser Beurteilungsspielraum ist dadurch eingeschränkt, dass § 61 Abs. 2 Satz 1 TKG ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des Versteigerungsverfahrens vorgibt, also grundsätzlich von der Geeignetheit dieses Verfahrens zur Erreichung der Regulierungsziele ausgeht. Der Gesetzgeber unterstellt generalisierend, dass das erfolgreiche Gebot die Bereitschaft und die Fähigkeit belegt, die zuzuteilenden Frequenzen im marktwirtschaftlichen Wettbewerb optimal einzusetzen. Eine gegenläufige Einschränkung ergibt sich aus § 61 Abs. 2 Satz 2 TKG. Dort heißt es mit Blick auf die ausnahmsweise fehlende Eignung des Versteigerungsverfahrens zur Sicherstellung der Regulierungsziele, dass dies – insbesondere – der Fall sein kann, wenn für die Frequenznutzung, für die die Funkfrequenzen unter Beachtung des Frequenzplanes verwendet werden dürfen, bereits Frequenzen ohne Versteigerungsverfahren zugeteilt wurden, oder wenn ein Antragsteller für die zuzuteilenden Frequenzen eine gesetzlich begründete Präferenz geltend machen kann.</p>
<span class="absatzRechts">212</span><p class="absatzLinks">Dazu BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 6 C 5.10 –, juris (Rn. 12 f.); zum Ganzen auch BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 6 C 36.11 –, juris (Rn. 37).</p>
<span class="absatzRechts">213</span><p class="absatzLinks">Diese gesetzliche Regelung ist als ein qualifizierter Prüfauftrag in dem Sinne zu verstehen, dass die Bundesnetzagentur die Verfahrensart in den angesprochenen Fallkonstellationen mit Blick auf die Sicherstellung der Regulierungsziele einer detaillierten Eignungsprüfung zu unterziehen hat. Dabei führt das Vorliegen eines der Regelbeispiele zwar nicht zu einer Umkehrung, wohl aber zu einer Aufhebung des in § 61 Abs. 2 Satz 1 TKG angelegten Regel-Ausnahme-Verhältnisses, so dass die Geeignetheit des Versteigerungsverfahrens in dieser Situation ohne gesetzliche Vorsteuerung anhand der Regulierungsziele zu beurteilen ist.</p>
<span class="absatzRechts">214</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteile vom 22. Juni 2011 – 6 C 5.10 –, juris (Rn. 14); und vom 23. März 2011 – 6 C 6.10 –, juris (Rn. 27 f.).</p>
<span class="absatzRechts">215</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass ein Fallbeispiel des § 61 Abs. 2 Satz 2 TKG vorliegt,</p>
<span class="absatzRechts">216</span><p class="absatzLinks">BNetzA, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14. Mai 2018 über Anordnung und Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang, Rn. 299,</p>
<span class="absatzRechts">217</span><p class="absatzLinks">oder sich aus sonstigen Gründen die fehlende Eignung des Versteigerungsverfahrens zur Sicherstellung der Regulierungsziele ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">218</span><p class="absatzLinks">Eine von der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Entscheidung der Bundesnetzagentur losgelöste Abwägung zwischen dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung der von ihr erhobenen Klage einerseits und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der angegriffenen Entscheidung andererseits geht ebenfalls zu Ungunsten der Antragstellerin aus. Bei dieser Interessenabwägung ist der Rechtsschutzanspruch umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerer die dem Betroffenen auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken. Für die vorzunehmende Interessenabwägung ist allerdings eine gesetzgeberische Wertentscheidung für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung, wie sie auch hier in Gestalt des § 137 Abs. 1 TKG vorliegt, von erheblicher Bedeutung. Um eine Entscheidung zu rechtfertigen, die zu einer Abweichung von dem durch den Gesetzgeber angeordneten grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses führt, bedarf es besonderer Umstände. Dabei ist das Gericht zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundsatzentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist. Dementsprechend muss der Antragsteller die Wertung des Gesetzgebers mit Besonderheiten seiner Situation entkräften und Wege aufzeigen, die gleichwohl den öffentlichen Belangen noch Rechnung tragen. Dabei sind die Folgen, die sich für den Antragsteller mit dem Sofortvollzug verbinden, nur insoweit beachtlich, als sie nicht schon als regelmäßige Folge der gesetzlichen Anordnung des Sofortvollzuges in der gesetzgeberischen Grundentscheidung Berücksichtigung gefunden haben.</p>
<span class="absatzRechts">219</span><p class="absatzLinks">Siehe zum Ganzen VG Köln, Beschluss vom 26. Mai 2015 – 9 L 1284/15 –, juris (Rn. 29 ff.).</p>
<span class="absatzRechts">220</span><p class="absatzLinks">Ausgehend von diesem Maßstab ergibt sich, dass die Nachteile, die voraussichtlich für die Antragstellerin eintreten werden, wenn der vorliegende Antrag abgelehnt wird, die Klage jedoch später Erfolg hat, nicht die nachteiligen Folgen für das öffentliche Interesse überwiegen, die sich ergeben, wenn dem Aussetzungsantrag stattgegeben, die Klage später hingegen abgewiesen würde. Eine möglicherweise notwendige Rückabwicklung im Falle eines Obsiegens der Antragstellerin in der Hauptsache nimmt der Gesetzgeber mit der in § 137 Abs. 1 TKG getroffenen Entscheidung in Kauf. Die Gefahr der Rückabwicklung spricht daher nicht gegen ein öffentliches Interesse an der Vollziehung der streitgegenständlichen Entscheidung. Das öffentliche Interesse an deren sofortiger Vollziehung erwächst hier insbesondere aus den in § 2 Abs. 2 TKG festgeschriebenen Regulierungszielen, insbesondere der Sicherstellung einer effizienten und störungsfreien Nutzung von Frequenzen im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 7 TKG. Diesem Regulierungsziel liefe eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die streitgegenständliche Entscheidung der Bundesnetzagentur zuwider. Demgegenüber droht der Antragstellerin durch die sofortige Vollziehung der streitgegenständlichen Entscheidung kein unmittelbarer, gegenwärtiger Rechtsverlust. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass im Falle einer sofortigen Vollziehung die Durchführung des Versteigerungsverfahrens droht. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass der Antragstellerin ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar wäre. Dringt die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Entscheidung in der Hauptsache durch und wird ihrer Klage stattgegeben, müsste die Bundesnetzagentur ein zwischenzeitlich durchgeführtes Versteigerungsverfahren gegebenenfalls rückabwickeln oder wiederholen.</p>
<span class="absatzRechts">221</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">222</span><p class="absatzLinks">2. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">223</span><p class="absatzLinks">In Ermangelung anderer Anhaltspunkte hat das Gericht den in telekommunikationsrechtlichen Gerichtsverfahren regelmäßig im Falle großer Telekommunikationsunternehmen herangezogenen Streitwert zugrunde gelegt und unter Berücksichtigung von Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit halbiert.</p>
<span class="absatzRechts">224</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 137 Abs. 3 Satz 1 TKG.</p>
|
161,459 | vg-dusseldorf-2018-12-21-6-l-274118 | {
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} | 6 L 2741/18 | 2018-12-21T00:00:00 | 2019-01-16T07:00:12 | 2019-01-17T12:06:27 | Beschluss | ECLI:DE:VGD:2018:1221.6L2741.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p><strong>Der Antrag wird abgelehnt.</strong></p>
<p><strong>Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.</strong></p>
<p><strong>Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.</strong></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Gründe:</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><strong>I.</strong></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin begehrt die vorläufige Feststellung ihrer Zuverlässigkeit i.S.d. § 7 Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Sie ist als Flugbegleiterin bei der E.        M.         B.  an den Flughäfen G.         , C.      , I.       und N.       angestellt. Mit Bescheid vom 13. Dezember 2013 stellte die Bezirksregierung E1.          (Bezirksregierung) ihre luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit fest.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts X.         vom 11. August 2015 wurde gegen die Antragstellerin wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2 StGB) in Tatmehrheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort (§ 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB) tateinheitlich mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 StGB) eine Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen, gebildet aus zwei Einzelgeldstrafen von je 50 Tagessätzen, festgesetzt. Das Amtsgericht stützte den Strafbefehl auf die folgenden Sachverhaltsfeststellungen: Die Antragstellerin habe am 5. Juni 2015 gegen 18.40 Uhr mit einem PKW die Q.---straße in X.         befahren, wobei ihre Blutalkoholkonzentration mindestens 2,67 Promille betragen habe. Infolge Alkoholgenusses sei sie nicht in der Lage gewesen, den PKW sicher zu führen. Sie sei gegen einen PKW gestoßen, so dass ein Fremdschaden in Höhe von ca. 1.400,00 Euro entstanden sei. Obwohl sie den Unfall bemerkt habe, habe sie die Unfallstelle verlassen, ohne ihren Pflichten zu genügen. Nach dem Unfall sei ihr bekannt gewesen, dass sie infolge des Alkoholgenusses fahruntüchtig gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Am 16. Juli 2018 beantragte die Antragstellerin über ihre Arbeitgeberin bei der Bezirksregierung die Durchführung der turnusmäßigen Wiederholung der Zuverlässigkeitsüberprüfung nach dem LuftSiG. Daraufhin informierte die Bezirksregierung die Antragstellerin, dass die Verurteilung vom 11. August 2015 von sicherheitsrelevanter Bedeutung sei und dazu führen könne, dass die Zuverlässigkeit der Antragstellerin i.S.v. § 7 LuftSiG nicht bejaht werde. Die Antragstellerin teilte der Behörde mit, dass sie im Juni 2015 massive familiäre und gesundheitliche Probleme gehabt habe. Sie habe Alkohol getrunken und sei dann leider Auto gefahren. Das bereue sie sehr. Dabei habe sie – von ihr unbemerkt – ein parkendes Auto seitlich touchiert, wodurch der Vorwurf der Fahrerflucht entstanden sei. Sie könne mit Sicherheit sagen, dass ihr so etwas nie wieder passieren werde.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 15. August 2018 versagte die Bezirksregierung der Antragstellerin die luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, aufgrund der Verurteilung der Antragstellerin zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen sei davon auszugehen, dass es ihr an der erforderlichen Zuverlässigkeit zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs fehle. Denn in der Regel fehle nach § 7 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 LuftSiG die erforderliche Zuverlässigkeit, wenn der Antragsteller wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe verurteilt worden sei, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen seien. Eine Gesamtwürdigung des Einzelfalls der Antragstellerin habe keine entlastenden Momente ergeben, die geeignet seien, die Bedenken hinsichtlich der erforderlichen Zuverlässigkeit auszuräumen. Die Verurteilung sei von sicherheitsrelevanter Bedeutung, da die Antragstellerin durch die abgeurteilte Straftat gezeigt habe, dass sie nicht gewillt sei, die Rechtsvorschriften zu achten. Dadurch, dass sie ein Kraftfahrzeug geführt habe, obwohl sie habe erkennen müssen, dass sie hierzu aufgrund ihrer erheblichen Alkoholisierung nicht mehr in der Lage gewesen sei, habe sie verantwortungslos gehandelt und sich und Dritte in große Gefahr gebracht. Deshalb bestünden erhebliche Zweifel, dass sie in der Lage und gewillt sei, das besonders hohe Maß an Verantwortung aufzubringen, das die Tätigkeit in sicherheitsrelevanten Bereichen erfordere. Da der Luftverkehr mit besonderen Risiken verbunden sei, deren Bewältigung in besonderem Maße verantwortungsvolles Verhalten, Selbstbeherrschung und Bereitschaft zur Einhaltung von Rechtsvorschriften des dort beschäftigten Personals voraussetze, stelle bereits der Zweifel an der Redlichkeit und charakterlichen Eignung einer Person ein Sicherheitsrisiko dar.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin wurde infolge der Verneinung ihrer luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit ohne Bezug von Arbeitsentgelt von der E.        M.         B.  suspendiert. Sie verlor ihr Jobticket und ihre Parkmarke für den G1.           Flughafen und wurde von ermäßigten Mitarbeiterflügen ausgeschlossen. Die E.        M.         B.  stellt ihr die Kündigung ihres Beschäftigungsverhältnisses in Aussicht.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin hat gegen den ablehnenden Bescheid am 13. September 2018 Klage erhoben (6 K 7503/18), über die noch nicht entschieden ist. Zugleich hat sie einen Antrag auf Gewährung von Eilrechtsschutz gestellt.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung trägt sie vor, dass die Regelvermutung des § 7 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 LuftSiG nicht einschlägig sei. Die Regelvermutung verlange, dass der zu Überprüfende wegen einer Vorsatztat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen verurteilt worden sei. Eine aus mehreren Einzelstrafen gebildete Gesamtstrafe sei deshalb nur zu berücksichtigen, sofern es sich bei allen Straftaten um Vorsatztaten handele. Auch die zweite Alternative des § 7 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 LuftSiG sei nicht erfüllt. Denn sie setze eine zweimalige rechtskräftige Verurteilung – also zwei unterschiedliche Urteile – voraus. Hier existiere jedoch nur ein einziger – einem Urteil gleichstehender – Strafbefehl. Zwar bejahe die Rechtsprechung in Bezug auf § 5 Waffengesetz (WaffG) in der vorliegenden Konstellation die Verwirklichung eines Regelbeispiels. Diese Rechtsprechung sei aber nicht auf § 7 LuftSiG übertragbar. Zum einen seien die Hürden der luftsicherheitsrechtlichen Unzuverlässigkeitsvermutung höher als die der waffenrechtlichen, denn die Negierung oder der Verlust des Rechts zum Führen von Waffen sei erheblich weniger grundrechtsrelevant als das existenzgefährdende faktische Verbot der (weiteren) Berufsausübung, das gegebenenfalls aus der Verneinung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit folge. Zum anderen enthalte der Regelkatalog des § 7 Abs. 1a Satz 2 LuftSiG im Gegensatz zu § 5 Abs. 2 WaffG gerade keine fahrlässig verwirklichten Straftaten, so dass diese bei dem Erreichen der Tagessatzhöhe nicht berücksichtigungsfähig seien. Der Gesetzgeber habe sich hier – im Gegensatz zu § 5 WaffG – dazu entschieden, strafrechtliche Unwerturteile, die sich auf Fahrlässigkeitstaten bezögen, nicht im Rahmen der Regelvermutung zu berücksichtigen. Auch eine Gesamtwürdigung unabhängig von der Verwirklichung eines der gesetzlichen Regelbeispiele führe nicht zu der Annahme einer fehlenden Zuverlässigkeit der Antragstellerin.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><strong>dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache (6 K 7503/18) ihre luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit festzustellen.</strong></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><strong>den Antrag abzulehnen.</strong></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Er trägt vor, dass es für die Verwirklichung des Regelbeispiels des § 7 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 LuftSiG ausreiche, dass der Betroffene zu einer Gesamtgeldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen verurteilt worden sei und jedenfalls eine der gesamtstrafenfähigen Straftaten eine Vorsatztat darstelle. Anderenfalls werde die Regelung im Falle einer gesamtstrafenfähigen Fahrlässigkeitstat ad absurdum geführt. Denn dann komme eine Unzuverlässigkeit auf Grund der Regelvermutung nicht mehr in Betracht, sobald mehrere kleinere Vorsatztaten mit einer einzigen Fahrlässigkeitstat zu einer Gesamtstrafe von über 60 Tagessätzen abgeurteilt würden. Der Gesetzgeber habe die Verwirklichung des Regelbeispiels aber nicht von der dogmatischen Einordnung abhängig machen wollen, ob eine Straftat gesamtstrafenfähig sei oder nicht. Vielmehr sei es ihm nur darauf angekommen, ob es aufgrund von jedenfalls einer Vorsatztat zu einer Verurteilung zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen gekommen sei. Anderenfalls bleibe das erhebliche Unwerturteil, dass eine Verurteilung zu einer Gesamtgeldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen aufgrund einer Fahrlässigkeits- und einer Vorsatztat zur Folge habe, außer Betracht. Aufgrund der identischen Einzelgeldstrafen trete hier die Vorsatztat auch nicht hinter der Fahrlässigkeitstat zurück. Vielmehr überwögen die vorsätzlichen Elemente, da die Antragstellerin aufgrund von nur einer Fahrlässigkeits- aber wegen zwei Vorsatztaten zu der Gesamtstrafe verurteilt worden sei. Auf die zutreffende Feststellung der Antragstellerin, dass das Regelbeispiel des § 7 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 Alt. 2 LuftSiG nicht verwirklicht sei, komme es daher nicht an.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Bezirksregierung ergänzend Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><strong>II.</strong></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Er ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die Notwendigkeit der einstweiligen Anordnung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte materielle Anspruch (Anordnungsanspruch) sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Die einstweilige Anordnung dient damit lediglich der Sicherung von Rechten des Antragstellers, nicht aber ihrer Befriedigung. Sie darf grundsätzlich nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorweg nehmen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann geboten, wenn ein wirksamer Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht zu erreichen ist und dies für den Antragsteller zu unzumutbaren Folgen führen würde. Letzteres setzt allerdings voraus, dass ein Erfolg in der Hauptsache ganz überwiegend wahrscheinlich ist.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht mit dem für eine – auch teilweise – Vorwegnahme der Hauptsache zu fordernden hohen Grad an Gewissheit glaubhaft gemacht. Die Versagung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeitsfeststellung durch die Bezirksregierung ist nach der im Eilverfahren allein möglichen überschlägigen Prüfung nicht zu beanstanden. Der geltend gemachte Anspruch auf Feststellung ihrer luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit steht der Antragstellerin voraussichtlich nicht zu. Sie wird sich wahrscheinlich als nicht zuverlässig im luftsicherheitsrechtlichen Sinne erweisen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit im Sinne von § 7 LuftSiG stellt einen – durch die Gerichte voll überprüfbaren – unbestimmten Rechtsbegriff dar,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Juli 2018 – 20 A 145/15 –, n.v., B.A. S. 7 und vom 15. Juni 2009 – 20 B 148/09 –, juris Rn. 7 m.w.N.,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">der durch die Rechtsprechung bereits vor Ergänzung der Vorschrift um den Absatz 1a weitreichend konkretisiert worden war.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Danach ist zuverlässig im Sinne von § 7 LuftSiG,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">vgl. zur formellen und materiellen Verfassungsmäßigkeit: BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2010– 2 BvL 8/07, 2 BvL 9/07 –, NVwZ 2010, 1146 ff.,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">wer die Gewähr dafür bietet, die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen, Sabotageakten und terroristischen Anschlägen (vgl. § 1 LuftSiG) in vollem Umfang zu erfüllen. Bezugspunkt der Überprüfung der Zuverlässigkeit muss dabei sein, ob Grund zu der Annahme besteht, bei dem Überprüften sei aktuell oder künftig ein Verstoß gerade gegen die Anforderungen zur Wahrung der Sicherheit des Luftverkehrs zu befürchten. Der Überprüfte muss nach dem Gesamtbild seiner Persönlichkeit das erforderliche Maß an Verantwortungsbewusstsein und Selbstbeherrschung aufbringen, um selbst bei Inaussichtstellen von Vorteilen oder der Androhung von Nachteilen die Belange der Sicherheit des Luftverkehrs zu wahren.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 9. Februar 2005 – 20 B 111/05 –, juris und vom 4. Mai 2005– 20 B 2825/04 –, zur Vorgängerregelung des § 29 d Luftverkehrsgesetz: BVerwG, Urteil vom 15. Juli 2004 – 3 C 33.03 –, juris.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 7 Abs. 1a Satz 1 LuftSiG ist die Zuverlässigkeit des Betroffenen aufgrund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalles zu bewerten. Der Zuverlässigkeitsbegriff wird durch § 7 Abs. 1a Satz 2 LuftSiG anhand von Regelbeispielen konkretisiert, deren Vorliegen die Zuverlässigkeit in der Regel ausschließen. Bei den Regeltatbeständen handelt es sich stets um typisierte Fallgruppen, die ausweislich der Gesetzesbegründung keinesfalls abschließenden oder ausschließenden Charakter besitzen. Der Katalog orientiert sich dabei inhaltlich an § 18 Abs. 2 der Verordnung über Luftfahrtpersonal (LuftPersV) sowie an § 5 WaffG und trägt der besonderen Gefährdung des Luftverkehrs durch mögliche Innentäter Rechnung.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Vgl. BT-Drs. 18/9752, S. 53.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Nach § 7 Abs. 1a Satz 2 LuftSiG fehlt die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel, wenn der Betroffene wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe oder Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe verurteilt worden ist, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind (Nr. 1), wenn der Betroffene wegen eines Verbrechens oder wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind (Nr. 2), oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Betroffene Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes verfolgt oder unterstützt oder in den letzten zehn Jahren verfolgt oder unterstützt hat (Nr. 3). § 7 Abs. 1a Satz 3 LuftSiG bestimmt, dass bei sonstigen Verurteilungen oder beim Vorliegen sonstiger Erkenntnisse im Wege der Gesamtwürdigung nach Satz 1 zu prüfen ist, ob sich daraus im Hinblick auf die Sicherheit des Luftverkehrs Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen ergeben. § 7 Abs. 1a Satz 4 LuftSiG enthält eine Aufzählung der in Betracht kommenden sonstigen Erkenntnisse im Sinne von Satz 3.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Des Weiteren gilt, dass wegen des hohen Gefährdungspotentials des Luftverkehrs bei der Überprüfung der persönlichen Zuverlässigkeit von zu überprüfenden Personen an den Grad der Wahrscheinlichkeit eines von ihnen zu verantwortenden Schadenseintritts nur geringe Anforderungen gestellt werden dürfen. Die Zuverlässigkeit ist zu verneinen, wenn daran Zweifel verbleiben (vgl. § 7 Abs. 6 LuftSiG), wobei die Rechtsprechung mit Blick auf die Wertigkeit der in Rede stehenden Rechtsgüter schon geringe Zweifel ausreichen lässt.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">So unter anderem OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Juni 2009 – 20 B 148/09 – und vom 23. Februar 2007 – 20 B 44/07 –, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 15. Juli 2004 – 3 C 33.03 – und vom 11. November 2004 – 3 C 8.04 –.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Auf Grund des gerade im Bereich des Luftverkehrs hohen Gefahrenpotentials und der Hochrangigkeit der zu schützenden Rechtsgüter bestehen im Hinblick auf Art. 12 GG keine Bedenken, insoweit strenge Anforderungen an die Zuverlässigkeit zu stellen, die auch in anderen Rechtsgebieten für die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit als subjektive Zulassungsvoraussetzung gefordert wird und deren Normierung vor dem Hintergrund des dem Gesetzgeber bei der Einschätzung von der Allgemeinheit drohenden Gefahren und der Beurteilung der ihrer Verhütung und Bewältigung dienenden Maßnahmen zustehenden weiten Einschätzungs‑ und Prognosespielraums,</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. März 2006 – 20 B 1985/05 – und Urteil vom 28. April 2005– 20 A 4721/03 –, juris,</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">als verhältnismäßige Berufsausübungsregelung anzusehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 15. Juli 2004 – 3 C 33.03 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 28. April 2005 – 20 A 4721/03 –, juris.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Dabei entspricht es den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts, umso strengere Anforderungen an die Zuverlässigkeit von Bewerbern für eine entsprechende berufliche Tätigkeit zu stellen, je schutzwürdiger die Rechtsgüter sind, die gefährdet werden können, und je höher der mögliche Schaden ist. Wenn wie bei Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs hochrangige Rechtsgüter wie das Leben und die Gesundheit zahlreicher Menschen gefährdet werden können, kann der Normgeber auch bereits die geringe Eintrittswahrscheinlichkeit eines solchen Schadens ausreichen lassen.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juli 2004 – 3 C 33.03 –, juris Rn. 21.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat die Bezirksregierung die luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit der Antragstellerin nach Aktenlage voraussichtlich zu Recht verneint. Es deutet nach summarischer Prüfung Vieles darauf hin, dass die Antragstellerin nicht über die erforderliche luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit verfügt.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Insoweit kann dahinstehen, ob die Verurteilung vom 11. August 2015 zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen das Regelbeispiel des § 7 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 LuftSiG erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Dem steht zwar aller Voraussicht nach nicht entgegen, dass die für die Verwirklichung des Regelbeispiels erforderliche Schwelle von 60 Tagessätzen hier erst im Wege einer Gesamtstrafenbildung gemäß § 54 StGB überschritten wurde. Denn es sprechen gute Gründe dafür, dass der Regeltatbestand des § 7 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 LuftSiG auch dann erfüllt ist, wenn der Betroffene wegen einschlägiger Straftaten (lediglich) zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt wurde, die die gesetzliche Schwelle von 60 Tagessätzen überschreitet.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Dies nimmt die obergerichtliche Rechtsprechung in Bezug auf § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG, der die (waffenrechtliche) Zuverlässigkeit ebenfalls in der Regel verneint, wenn der Betroffene zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen verurteilt worden ist, weitgehend an.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 9. Oktober 2015 – 20 A 2653/15 –, n.v., B.A. S. 3 und vom 8. Januar 2018 – 20 B 502/17 –, n.v., B.A. S. 5 f.; BayVGH, Beschluss vom 7. Oktober 2005 – 19 ZB 05/2148 –, juris; VGH Hessen, Beschluss vom 14. Oktober 2004 – 11 TG 2490/04 –, juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 4. September 2006 – 8 LA 114/06 –, juris Rn. 7.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Denn ausweislich der Gesetzesmaterialien zu § 5 WaffG,</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">BT-Drs. 14/7758, S. 54, 105, 128,</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">hat der Gesetzgeber die Verwirklichung des Regelbeispiels allein an den Strafausspruch bei der (Erst-)Verurteilung wegen einer einschlägigen Tat geknüpft und dabei lediglich „geringfügige Strafaussprüche“ nicht in den Katalog der Regelbeispiele aufnehmen wollen. Denn während derartige geringfügige Strafaussprüche der Ahndung von Bagatelldelikten dienen, enthalten Verurteilungen zu mindestens 60 Tagessätzen nach der Praxis der Gerichte ein erhebliches Unwerturteil. Auf die strafrechtliche Einordnung, ob einzelne Straftatbestände in Tateinheit oder Tatmehrheit zu einander stehen, kommt es vor diesem Hintergrund demgegenüber nicht an. Denn durch die Gesamtstrafenbildung erfolgt in einer Gesamtschau eine zusammenfassende Würdigung der Person des Täters und der einzelnen Straftaten untereinander – also des (Gesamt-)Unwertes der Tat. Daher kann allein auf die Gesamtstrafe abgestellt werden, ohne die jeweiligen Einzelstrafen zu berücksichtigen.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Vgl. BayVGH, Beschluss vom 7. Oktober 2005 – 19 ZB 05/2148 –, juris Rn. 7 f.; VGH Hessen, Beschluss vom 14. Oktober 2004 – 11 TG 2490/04 –, juris Rn. 6.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Diese Rechtsprechung dürfte auf § 7 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 LuftSiG übertragbar sein, da der Gesetzgeber sich bei der Schaffung der Regeltatbestände ausweislich der Gesetzesbegründung insbesondere an § 5 WaffG orientiert,</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">vgl. BT-Drs. 18/9752, S. 53,</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">und § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a WaffG nahezu wörtlich übernommen hat.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Allerdings ist zweifelhaft, ob die jeweiligen Einzelstrafen auch dann noch außer Betracht bleiben können, wenn sie sich nicht ausschließlich auf vorsätzliche – und damit i.S.d. § 7 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 LuftSiG einschlägige – Straftaten beziehen, sondern unter anderem auch – wie hier – auf fahrlässig verwirklichte Straftaten,</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">ausdrücklich offengelassen zu § 5 WaffG: BayVGH, Beschluss vom 7. Oktober 2005 – 19 ZB 05/2148 –, juris Rn. 9; bejahend: VG Saarlouis, Urteil vom 15. Dezember 2009 – 1 K 50/09 –, juris Rn. 58.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Dafür spricht zwar, dass bei einer Verurteilung zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen auch im Falle einer aus Einzelstrafen für Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten gebildeten Gesamtgeldstrafe nicht lediglich von einem nur geringfügigen Strafausspruch, sondern von einer Verurteilung mit einem erheblichen Unwerturteil auszugehen ist. Dieses erhebliche Unwerturteil beruht jedoch nicht nur auf vorsätzlichen Straftaten, sondern auch auf mindestens einer fahrlässigen Straftat. Der Gesetzgeber geht jedoch augenscheinlich nur in Bezug auf vorsätzliche und nicht auch im Hinblick auf fahrlässige Straftaten davon aus, dass die luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit bei einer Verurteilung zu mindestens 60 Tagessätzen im Regelfall zu verneinen ist. Denn anderenfalls hätte er den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 LuftSiG nicht ausdrücklich auf vorsätzliche Straftaten eingeschränkt und sich so von der Vorbildnorm des § 5 WaffG entfernt. Ferner beziehen sich auch die in § 7 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2 und 3 LuftSiG genannten Regeltatbestände ausschließlich auf vorsätzlich verwirklichte (Straf-)Taten.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Bei einer Gesamtstrafe, die aus vorsätzlichen und fahrlässigen Straftaten gebildet worden ist, sind jedoch Fallgestaltungen denkbar, bei denen aus dem Strafurteil nicht hervorgeht, wie die einzelnen vorsätzlichen und fahrlässigen Straftaten bei der Gesamtstrafenbildung gewichtet worden sind. Denn abgesehen von der gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB als Einsatzstrafe voll in Ansatz zu bringenden höchsten Einzelstrafe ist der Strafrichter bei der Bildung der Gesamtstrafe durch Erhöhung der Einsatzstrafe weitgehend frei. Er muss lediglich die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend würdigen (§ 54 Abs. 1 Satz 3 StGB), wobei die gebildete Gesamtstrafe die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen darf (§ 54 Abs. 2 Satz 1 StGB). Deshalb ist bei einer sowohl aufgrund vorsätzlicher als auch aufgrund fahrlässiger Straftaten gebildeten Gesamtstrafe für die Behörde und das Gericht nicht nachvollziehbar, ob allein die vorsätzlich verwirklichten Straftatbestände im Rahmen der Gesamtstrafenbildung zusammen die gesetzliche Schwelle von 60 Tagessätzen erreichen. Beispielsweise ist bei einer Gesamtstrafe von 70 Tagessätzen, die aus zwei Einzelstrafen zu je 30 Tagessätzen (wegen Diebstahls sowie wegen fahrlässiger Körperverletzung) und einer Einzelstrafe von 40 Tagessätzen (wegen unerlaubtem Entfernen vom Unfallort) gebildet wurde, nicht ersichtlich, mit welcher Tagessatzhöhe der Diebstahl in die Gesamtstrafe eingeflossen ist und ob die 60-Tagessätze-Schwelle bereits allein durch die beiden Vorsatztaten erreicht ist.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Erst recht bei der Antragstellerin ist zweifelhaft, ob sie das Regelbeispiel verwirklicht. Denn da die Gesamtstrafe aufgrund zweier in Tateinheit stehender Vorsatztaten und einer dazu in Tatmehrheit stehenden Fahrlässigkeitstat gebildet wurde, erreichen die vorsätzlich verwirklichten Straftatbestände allein unzweifelhaft nicht die 60-Tagessätze-Schwelle, sondern erst unter Hinzunahme der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs. Das erhebliche Unwerturteil der Verurteilung, das nach dem Willen des Gesetzgebers erst mit Überschreiten der 60-Tagessätze-Schwelle erreicht ist, beruht bei der Antragstellerin nicht nur auf vorsätzlichen Straftaten, sondern auch auf einer fahrlässigen Straftat.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Ob die angesprochenen Erwägungen dazu führen, dass die Verwirklichung eines Regelbeispiels zu verneinen ist, bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn unabhängig davon begründen die in dem Strafbefehl vom 11. August 2015 festgestellten tatsächlichen Gegebenheiten voraussichtlich jedenfalls im Rahmen einer Gesamtwürdigung nach § 7 Abs. 1a Satz 3 LuftSiG Zweifel an der Zuverlässigkeit der Antragstellerin.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Liegt – wie hier – eine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat unterhalb der gesetzlichen Schwelle der Verwirklichung eines Regelbeispiels von 60 Tagessätzen in § 7 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 LuftSiG bzw. eine Verurteilung wegen einer fahrlässig verwirklichten Straftat vor, können sich gleichwohl aus den Gesamtumständen der Tat hinreichende Zweifel an der Zuverlässigkeit des zu Überprüfenden ergeben. Wie geschildert, haben die Regelbeispiele des § 7 Abs. 1a Satz 2 LuftSiG keinen abschließenden Charakter. Vielmehr ist gemäß § 7 Abs. 1a Satz 3 LuftSiG bei sonstigen – d.h. gerade nicht in den Regeltatbeständen genannten – Verurteilungen oder bei Vorliegen sonstiger Erkenntnisse im Wege einer Gesamtwürdigung des Einzelfalls zu prüfen, ob sich daraus im Hinblick auf die Sicherheit des Luftverkehrs Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen ergeben. Liegt das Strafmaß unterhalb der Schwelle der Verwirklichung eines Regelbeispiels, bedeutet das also nicht, dass von der Zuverlässigkeit des Betroffenen auszugehen ist. Die Zuverlässigkeit des Betroffenen ist in diesen Fällen nicht in Richtung auf eine negative Entscheidung gesetzlich vorgezeichnet. Vielmehr verbleibt es bei einer Gesamtwürdigung im Einzelfall. Dabei darf die in den Regelbeispielen zum Ausdruck gekommene gesetzgeberische Wertung nicht überspielt werden.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Vgl. Kammerbeschluss vom 7. Juni 2017 – 6 L 2506/17 –, juris Rn. 46 ff.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Wie auch § 7 Abs. 1a Satz 3 LuftSiG zum Ausdruck bringt, bietet jede strafgerichtliche Verurteilung Anlass, die luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit des Verurteilten in Frage zu stellen. Denn die Begehung von Straftaten ist grundsätzlich geeignet, Zweifel zu begründen, ob sich der Betroffene auch in Zukunft jederzeit rechtreu verhalten und hinreichende Gewähr dafür bieten wird, die Belange der Luftsicherheit zu bewahren. Straftatbestände kennzeichnen Kernanforderungen der Rechtsordnung an die öffentliche Sicherheit. Die Straftat muss dabei keinen spezifischen luftsicherheitsrechtlichen Bezug aufweisen. Denn eine Gefährdung kann auch dadurch eintreten, dass eine Person, die Zugang zu den nicht allgemein zugänglichen oder sicherheitsempfindlichen Bereichen eines Flughafens hat oder die aufgrund ihrer Tätigkeit Einfluss auf die Sicherheit des Luftverkehrs hat, ihre Kenntnisse von Betriebsabläufen und Sicherheitsmaßnahmen an außenstehende Dritte weitergibt oder diesen den Zutritt zum Flughafen ermöglicht, sei es mit oder ohne Kenntnis der wahren Motive der Dritten. Eine Verurteilung gebietet deshalb grundsätzlich eine weitere Gesamtwürdigung des Einzelfalls dahin, ob sich aus den festgestellten Vorgängen Bedenken ergeben, der Betreffende könne aus eigenem Antrieb oder aufgrund fremder Manipulation die Sicherheit des Luftverkehrs beeinträchtigen.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 1. März 2018 – 20 B 1340/17 –, juris Rn. 20 ff. und vom 17. Dezember 2008 – 20 B 1431/08 – sowie Urteil vom 28. April 2005 – 20 A 4721/03 –, juris; vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 12. Juli 2005 – 20 CS 05.1674 –, juris Rn. 9.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Bei der weiteren Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls sind neben dem in der Höhe des Strafauspruchs zum Ausdruck kommenden Gewicht der abgeurteilten Verfehlung deren indizielle Aussagekraft für das in Rede stehende besondere Gefährdungspotential in den Blick zu nehmen. Der indizielle Aussagewert der Verurteilung ist regelmäßig anhand der Gesamtumstände der Tat zu beurteilen, wie sie sich aus den Feststellungen des Strafurteils ergeben.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Vgl. <em>Meyer</em>, in: Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, Stand: 20. Ergänzungslieferung Januar 2018, § 7 LuftSiG, Rn. 37.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Ferner können sich gemäß § 7 Abs. 1a Satz 3 LuftSiG im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen auch bei Vorliegen sonstiger Erkenntnisse ergeben. Als solche kommen gemäß Satz 4 Nr. 1 insbesondere Alkoholabhängigkeit oder regelmäßiger Alkoholmissbrauch in Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">So bereits vor Einfügung des Abs. 1a: VG Würzburg, Beschluss vom 12. August 2015 – W 6 S 15.646 –, juris; Kammerurteil vom 9. Juni 2005 – 6 K 7954/04 –, juris Rn. 32.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">In Anwendung dieser Maßstäbe bietet die strafrechtliche Verurteilung vom 11. August 2015 jedenfalls in der Zusammenschau mit den konkreten Umständen des Vorfalls und der nach Aktenlage indizierten Alkoholproblematik der Antragstellerin bei summarischer Prüfung hinreichende Anhaltspunkte für Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Die Gesamtumstände der durch die Antragstellerin am 5. Juni 2015 begangenen Tat weisen auf das Vorliegen charakterlicher und persönlicher Schwächen hin, die sich auf die Luftsicherheit gefährdend auswirken können. Sie hat durch die Straftat gezeigt, dass sie nicht fähig oder willens ist, die Rechtsordnung stets zu respektieren und dass sie ihre persönlichen Interessen über die Rechtsgüter anderer (hier das Eigentum sowie Leib und Leben Dritter) bzw. der Allgemeinheit (hier die Sicherheit des Straßenverkehrs) stellt, wobei sie nicht vor der Begehung einer Straftat zurückschreckt. Eine derartige Einstellung lässt befürchten, dass die Antragstellerin auch ihre Pflichten im Luftverkehr den eigenen Interessen nachordnet und dass sie nicht das erforderliche Maß an Verantwortungsbewusstsein und Selbstbeherrschung aufbringt, um die Belange der Sicherheit des Luftverkehrs zu wahren.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Erschwerend kommt hinzu, dass die Antragstellerin sowohl fahrlässig als auch vorsätzlich Straftaten begangen hat, die geeignet sind, eine unbestimmte Vielzahl fremder Rechtsgüter zu verletzen. Ihr Verhalten offenbart daher eine fehlende Einsicht oder Einsichtsfähigkeit in die besonderen Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit und Gemeinwohlbelange, die durch das missachtete Verbot geschützt werden sollen. Die Antragstellerin hat gezeigt, dass sie im Bereich des Straßenverkehrs nicht willens oder in der Lage ist, den Grad ihrer Alkoholisierung zu hinterfragen und die damit einhergehenden möglichen Folgen für die Rechtsgüter Dritter und die Sicherheit der Allgemeinheit hinreichend zu berücksichtigen. Deshalb liegt es nahe, dass ihr dieser Wille bzw. diese Fähigkeit auch im luftsicherheitsrelevanten Bereich fehlt. Denn ebenso wie im Straßenverkehr können im Bereich des Luftverkehrs kleinste Nachlässigkeiten weitreichende Folgen für eine nicht eingrenzbare Vielzahl an (Luft-)Verkehrsteilnehmern haben. Ihr Verhalten begründet deshalb die Befürchtung, sie könne sich in beruflichen Zusammenhängen ebenfalls entsprechend unreflektiert und eigeninteressiert verhalten und dabei – sei es auch nur in Verkennung der Tragweite ihres Verhaltens – die Luftsicherheitsinteressen der Allgemeinheit aus den Augen verlieren.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Vgl. Kammerbeschlüsse vom 19. Juli 2011 – 6 L 1002/11 –, juris Rn. 36 (zum Fahren ohne Fahrerlaubnis) und vom 10. Februar 2010 – 6 L 81/10 –, n.v., B.A. S. 8 (zu vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr).</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Das gilt umso mehr, also die Antragstellerin – obwohl ihr infolge des Unfalls klar geworden war, dass sie fahruntüchtig war – nach dem Unfall im fahruntüchtigen Zustand weitergefahren ist und damit erneut – nun sogar bewusst – die Verletzung von Rechtsgütern Dritter bzw. der Allgemeinheit in Kauf genommen und ihren eigenen Interessen nachgeordnet hat.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Hinzu kommt, dass die bei der Antragstellerin anlässlich der von ihr begangenen Straftaten festgestellte Blutalkoholkonzentration von 2,67 Promille nach Aktenlage jedenfalls einen Alkoholmissbrauch begründet. Denn nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung der Bundesanstalt für Straßenwesen,</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Bundesanstalt für Straßenwesen, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Stand: 24. Mai 2018, S. 74,</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">ist bereits bei einer einmaligen Fahrt unter hoher Alkoholkonzentration – wie hier – von Alkoholmissbrauch auszugehen. Die Begutachtungsleitlinien geben den aktuellen Stand der verkehrsmedizinischen Alkoholforschung wieder und können so über den Bereich des Straßenverkehrs hinaus als sachverständige Erkenntnisquelle auch im luftsicherheitsrechtlichen Verfahren herangezogen werden. Aufgrund der hohen Dunkelziffer nicht entdeckter Trunkenheitsfahrten ist zudem nicht ausgeschlossen, dass die Antragstellerin deutlich häufiger fahruntüchtig ein Kraftfahrzeug geführt hat, als es in der strafrechtlichen Verurteilung zum Ausdruck kommt. Ferner liegt der begründete Verdacht einer bereits verfestigten Alkoholproblematik und damit eines chronischen Missbrauchs im klinischen Sinn umso näher, je höher die festgestellte Blutalkoholkonzentration 1,1 Promille überschreitet.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Vgl. zum Verdacht des chronischen Missbrauchs im klinischen Sinn: Schubert u.a., Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Auflage 2018, S. 249.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Der hohe Alkoholkonzentrationswert der Antragstellerin bei der Trunkenheitsfahrt begründet überdies objektive Anhaltspunkte für eine Alkoholabhängigkeit. Kriterien für eine Alkoholabhängigkeit sind nach 3.13.2 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung die Diagnosekriterien nach der sog. Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme-10 (ICD-10). Maßgebend sind danach ein süchtiges Verlangen des Betroffenen nach Alkohol, eine verminderte Fähigkeit, den Alkoholkonsum zu steuern, ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Alkoholkonsums, eine Toleranzbildung, eine Interessenseinengung und anhaltender Konsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen. Diese Kriterien lassen sich in der Regel ohne aktive Mithilfe des Betroffenen nicht objektivieren. Objektive Anknüpfungstatsachen sind aber bei dem Betroffenen festgestellte Atem- bzw. Blutalkoholkonzentrationen. Dabei können aus der Höhe der anlässlich von Auffälligkeiten bestimmten Blut- oder Atemalkoholkonzentrationen Rückschlüsse auf das Kriterium Toleranzbildung gezogen werden. Der Nachweis einer Toleranz bedeutet, dass zunehmend höhere Alkoholdosen erforderlich sind, um die ursprünglich durch niedrigere Dosen erreichten Wirkungen hervorzurufen. Es gibt dabei keine feste Grenze, ab wann von einer Toleranzbildung ausgegangen werden muss. In der Literatur wird häufig als Grenze 2,0 Promille vorgeschlagen, sofern adäquate Trunkenheitssymptome fehlen. Werden Kraftfahrer im Straßenverkehr mit Werten um oder über 1,5 Promille angetroffen, so ist die Annahme eines chronischen Alkoholkonsums mit besonderer Gewöhnung anzunehmen. Als objektive Anknüpfungstatsache für eine Alkoholabhängigkeit kann also insbesondere ein hoher ermittelter Blutalkoholwert des Betroffenen in Zusammenhang mit seinem körperlichen und geistigen Befinden und Verhalten herangezogen werden. Dabei sind umso weniger Zusatzinformationen notwendig, je näher der festgestellte Blutalkoholkonzentrationswert einem Wert von 3,0 Promille kommt. Denn ein Blutalkoholkonzentrationswert von 3,0 Promille spricht nach medizinischen Erkenntnissen mit einer großen Sicherheit für eine Alkoholabhängigkeit.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Vgl. Kammerbeschluss vom 15. Januar 2018 – 6 L 6017/17 –, n.v., B.A. S. 5; BayVGH, Beschlüsse vom 2. Juli 2013 – 11 CS 13.1064 –, juris Rn. 14, vom 2. September 2016 – 11 ZB 16.1359 –, juris Rn. 21 und vom 27. März 2017 – 11 CS 17.420 –, juris Rn. 16; Bundesanstalt für Straßenwesen, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Stand: 24. Mai 2018, S. 76 f.; Schubert u.a., Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Auflage 2018, S. 280 ff.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Nach diesen Maßstäben bietet die bei der Antragstellerin am 5. Juni 2015 festgestellte Blutalkoholkonzentration von 2,67 Promille in Zusammenschau mit dem Umstand, dass sie trotz der sich an den Schwellenwert von 3,0 Promille annähernden Blutalkoholkonzentration in der Lage war – wenn auch unter Touchierung eines parkenden Autos – ein Kraftfahrzeug zu führen, hinreichende objektive Anhaltspunkte für eine Alkoholabhängigkeit.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Auch unabhängig von einem Alkoholmissbrauch bzw. einer Alkoholabhängigkeit zeigt das Verhalten der Antragstellerin im Jahr 2015, dass sie zumindest in schwierigen Situationen die Kontrolle verliert und Alkohol in ungewöhnlich hohen Mengen konsumiert, um diese zu bewältigen. Diese Umstände weisen auf eine erhebliche Charakterschwäche hin. Auch vor diesem Hintergrund ist nicht auszuschließen, dass die Antragstellerin auch künftig in für sie schwierigen Situationen übermäßig Alkohol konsumieren wird.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Aufgrund der bei der Antragstellerin anlässlich der Trunkenheitsfahrt festgestellten erheblichen Blutalkoholkonzentration bestehen Anhaltspunkte dafür, dass sie nicht jederzeit in der Lage ist, die Belange des Luftverkehrs zu wahren. Übermäßiger Alkoholkonsum beeinflusst die Steuerungsfähigkeit, Selbstkontrolle und Selbstbeherrschung. Deshalb besteht die Gefahr, dass die Antragstellerin in angetrunkenem oder betrunkenem Zustand von dritter Seite dahingehend beeinflussbar ist, die Belange des Luftverkehrs außer Acht zu lassen.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Vgl. Kammerbeschluss vom 10. Februar 2010 – 6 L 81/10 –, n.v., B.A. S. 8; VG Würzburg, Beschluss vom 12. August 2015 – W 6 S 15.646 –, juris Rn. 29; VG Cottbus, Beschluss vom 21. März 2017 – VG 3 L 115/17 –, juris Rn. 21.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Aus der Zusammenschau der oben angeführten Umstände ergeben sich mithin Indizien für eine – unter Umständen auch durch Alkoholabhängigkeit krankheitsbedingte – Persönlichkeit der Antragstellerin, die jedenfalls bei summarischer Prüfung Zweifel daran begründen, ob sie tatsächlich unbedingt fähig und bereit ist, sich im Bereich der Luftsicherheit so zu verhalten, wie es die Sicherheitsanforderungen gebieten.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Umstände, die demgegenüber durchgreifend die Annahme rechtfertigen, dass die Antragstellerin zukünftig gleichwohl ohne jeden – auch nur geringen – Zweifel die Gewähr bietet, die Belange der Luftsicherheit zu wahren, fehlen. Solche hat die Antragstellerin weder vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich. Insbesondere kann nicht ohne Weiteres angenommen, werden, dass die Antragstellerin einen etwaig 2015 bestehenden regelmäßigen Alkoholmissbrauch bzw. eine Alkoholabhängigkeit mittlerweile überwunden hat. Denn aus der vorwiegend straßenverkehrsrechtlichen Forschung ist bekannt, dass bei einer Alkoholproblematik aufgrund der allgemeinen Verfügbarkeit von Alkohol eine hohe Rückfallgefahr besteht. Zudem verschwindet die einmal erreichte Giftfestigkeit nicht mehr vollständig aus dem Organismus, sondern bleibt bestehen, selbst wenn größere Trinkpausen bestehen oder der Konsum längerfristig erheblich reduziert wurde. Dadurch fehlen die natürlichen alarmierenden Reaktionen des Organismus, die normalerweise durch den Konsum größerer Alkoholmengen ausgelöst werden bzw. sind nur gering ausgeprägt. Voraussetzung für eine positive Verhaltensprognose ist deshalb neben einer stabilen Änderung des Trinkverhaltens, dass diese Toleranzbildung dem Betroffenen bewusst ist. Eine einmal bestehende Alkoholabhängigkeit kann sogar erst nach einer stabilen, mindestens einjährigen Alkoholabstinenz als therapiert angesehen werden.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Vgl. Schubert u.a., Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Auflage 2018, S. 263 ff., 296; Bundesanstalt für Straßenwesen, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Stand: 24. Mai 2018, S. 77.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn man den Ausgang des Klageverfahrens und damit die Frage der Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheids als offen ansehen wollte, müsste die Gewährung von Eilrechtsschutz auch im Rahmen einer Interessenabwägung in Gestalt einer Folgenabwägung ausscheiden.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Lässt sich nicht hinreichend zuverlässig abschätzen, ob dem Antragsteller der begehrte Anspruch in der Hauptsache zusteht, kann das Gericht lediglich eine Interessenabwägung in Form einer Folgenabschätzung vornehmen. Dabei sind die Folgen, die eintreten, wenn der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt wird, der geltend gemachte Anspruch aber besteht, gegen die Folgen abzuwägen, die eintreten, wenn der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes Erfolg hat, sich die Versagung des Antrags aber später als rechtmäßig erweist. Auf die betroffenen Grundrechte ist in besonderer Weise Bedacht zu nehmen.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 –, NVwZ 2005, 927 (= juris Rn. 23 ff.).</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Diese Abwägung fällt zulasten der Antragstellerin aus.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Für die Antragstellerin streitet ihr durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes Interesse an einer weiteren Beschäftigung bei der E.        M.         B.  . Hiergegen steht das öffentliche Interesse an der Sicherheit des Luftverkehrs zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen, Sabotageakten und terroristischen Anschlägen. Sollte die Antragstellerin nicht zuverlässig im luftsicherheitsrechtlichen Sinn sein, dürfte sie aber gleichwohl im sicherheitsrelevanten Bereich eines Flughafens arbeiten, würde dies ein erhebliches Gefährdungspotential der Antragstellerin für die Luftsicherheit und damit für Leib und Leben einer nicht eingrenzbaren Zahl von Teilnehmern am Luftverkehr bedeuten. Wird umgekehrt die luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit der Antragstellerin nicht vorläufig festgestellt, obwohl sie zuverlässig ist, muss sie zwar die für sie persönlich schwerwiegende Folgen in Gestalt des Verlustes ihres Arbeitsplatzes hinnehmen. Im Vergleich dazu wiegt aber der möglicherweise eintretende Schaden an der potentiellen Vielzahl der geschützten hoch- und höchstwertigen Rechtsgüter der Luftverkehrsteilnehmer zu schwer, als dass es verantwortbar wäre, der Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihrer Zuverlässigkeit vorerst die weitere Beschäftigung im sicherheitsrelevantem Bereich eines Flughafens zu ermöglichen.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Das Interesse an der Feststellung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit wird im Hauptsacheverfahren mit dem Betrag des Auffangstreitwertes des § 52 Abs. 2 GKG angesetzt. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ermäßigt sich der Hauptsachestreitwert wegen der Vorläufigkeit der erstrebten Entscheidung um die Hälfte (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai, 1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen).</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung:</strong></p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">(1)       Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –).</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">(2)       Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.</p>
|
161,458 | ovgnrw-2018-12-21-8-a-276317 | {
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<p>Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 29. September 2017 wird abgelehnt.</p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.</p>
<p>Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 500,- EUR festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e :</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegt ist und vorliegt. Das ist hier nicht der Fall.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">1. Es bestehen nicht die vom Kläger der Sache nach geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">a) Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Gewährung einer Parkerleichterung für Schwerbehinderte ist § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO. Danach kann die Straßenverkehrsbehörde in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen genehmigen von den Verboten oder Beschränkungen, die durch Vorschriftzeichen, Richtzeichen, Verkehrseinrichtungen oder Anordnungen erlassen sind.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Den Straßenverkehrsbehörden ist dabei ein Ermessen eingeräumt. Das Merkmal der Ausnahmesituation ist Bestandteil der Ermessensentscheidung. Diese wiederum unterliegt nach § 114 Satz 1 VwGO nur einer eingeschränkten richterlichen Überprüfung. Das Gericht kann insoweit nur prüfen, ob die Behörde das Ermessen überhaupt ausgeübt hat, ob sie bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat oder ob sie von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Das Ermessen der Straßenverkehrsbehörden wird durch die aufgrund Art. 84 Abs. 2 GG erlassene Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) gelenkt und gebunden. Es handelt sich dabei nicht um eine Rechtsnorm, sondern um innerdienstliche Richtlinien, die keine unmittelbaren Rechte und Pflichten für den Bürger begründen. Sie entfalten im Verhältnis zum Bürger nur deshalb Wirkungen, weil die Verwaltung zur Wahrung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet ist und sich demgemäß durch die pflichtgemäße Anwendung der Verwaltungsvorschriften selbst bindet. Maßgeblich ist die bestehende Verwaltungspraxis.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. August 2011 - 8 A 2247/10 -, NWVBl. 2012, 117 = juris Rn. 24 ff. m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Nach Ziffer I Nr. 1 der VwV-StVO zu § 46 Nr. 11 StVO können Parkerleichterungen grundsätzlich nur schwerbehinderten Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung gestattet werden. Allerdings sind nach Ziffer II Nr. 3 VwV-StVO zu § 46 Nr. 11 StVO die ermessenslenkenden Vorschriften über die Gestattung von Parkerleichterungen sinngemäß auch auf folgende Personengruppen anzuwenden:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">a)      Blinde Menschen;</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">b)     Schwerbehinderte Menschen mit beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder mit vergleichbaren Funktionseinschränkungen, wobei die zeitlichen Begrenzungen, die eine Betätigung der Parkscheibe voraussetzen, nicht gelten;</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">c)      Schwerbehinderte Menschen mit den Merkzeichen G und B und einem Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 80 allein für Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen (und der Lendenwirbelsäule, soweit sich diese auf das Gehvermögen auswirken);</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">d)     Schwerbehinderte Menschen mit den Merkzeichen G und B und einem GdB von wenigstens 70 allein für Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen (und der Lendenwirbelsäule, soweit sich diese auf das Gehvermögen auswirken) und gleichzeitig einem GdB von wenigstens 50 für Funktionsstörungen des Herzens oder der Atmungsorgane;</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">e)      Schwerbehinderte Menschen, die an Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa erkrankt sind, wenn hierfür ein GdB von wenigstens 60 vorliegt;</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">f)       Schwerbehinderte Menschen mit künstlichem Darmausgang und zugleich künstlicher Harnableitung, wenn hierfür ein GdB von wenigstens 70 vorliegt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Mit Erlass vom 30. November 2015 hat das Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen angeordnet, dass für die Inanspruchnahme von Parkerleichterungen das Merkzeichen B zukünftig in Nordrhein-Westfalen nicht mehr erforderlich ist.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Soweit es für die Entscheidung über die Ausnahmegenehmigung auf die Feststellung des (Gesamt-)Grades der Behinderung oder das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen von Merkzeichen ankommt, sind die Straßenverkehrsbehörden an die Feststellungen der für Aufgaben des Schwerbehindertenrechts zuständigen Behörden (in Nordrhein-Westfalen die Kreise und kreisfreien Städte) gebunden. Das ergibt sich hier aus § 69 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. § 69 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung (a. F.). Danach dient der Schwerbehindertenausweis dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen und sonstigen Hilfen, die schwerbehinderten Menschen nach Teil 2 des SGB IX oder nach anderen Vorschriften zustehen. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, über das Vorliegen und den Grad der Behinderung sowie über das Vorliegen weiterer gesundheitlicher Merkmale in einem einheitlichen Verfahren zu entscheiden und durch die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises sicherzustellen, dass der behinderte Mensch gegenüber jedermann die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen nachweisen kann.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Bindungswirkung kommt dabei nicht nur den im Schwerbehindertenausweis dokumentierten positiven Feststellungen über gesundheitliche Merkmale im Sinne des § 69 Abs. 4 SGB IX a. F. zu, sondern auch den negativen Feststellungen, dass solche Merkmale nicht vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Eine über die Feststellungen des Schwerbehindertenausweises hinausgehende Bindungswirkung besteht hingegen nicht. Die Straßenverkehrsbehörden sind insbesondere nicht an die Stellungnahmen der Sozialbehörden gebunden, die diese im Wege der Amtshilfe nach Aktenlage abgeben. Die Bindungswirkung des § 69 Abs. 5 Satz 2 SGB IX a. F. bezieht sich allein auf die in den Schwerbehindertenausweis einzutragenden Feststellungen, also das Vorliegen einer Behinderung und den (Gesamt‑)Grad der Behinderung (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX a. F.) sowie die weiteren gesundheitlichen Merkmale (§ 69 Abs. 4 SGB IX a. F.), nicht auch auf sonstige Stellungnahmen der Sozialverwaltung zum Vorliegen bestimmter Krankheiten oder Funktionsbeeinträchtigungen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Eine Bindung an versorgungsbehördliche Stellungnahmen ergibt sich auch nicht aus der VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Urteil vom 23. August 2011 - 8 A 2247/10 -, NWVBl. 2012, 117 = juris Rn. 80 ff.; krit. Dau, jurisPR-SozR 4/2014 Anm. 4.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">b) Gemessen daran ist der von der Beklagten auf dieser Grundlage erlassene Ablehnungsbescheid vom 10. August 2016 nicht zu beanstanden.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Klägers ist hier nicht davon auszugehen, dass sich die Beklagte zu Unrecht und zu seinen Lasten an die Stellungnahme des Amtes 50/1 des S.     -F.    -Kreises (Amt für Familien, Generationen und Soziales) vom 5. August 2016 gebunden gefühlt habe. Es ist nicht zu beanstanden, dass sie ihrer Entscheidung im Wesentlichen die im Wege der Amtshilfe eingeholte Stellungnahme des Sozialamts zugrunde gelegt hat. Abgesehen davon, dass sie ausweislich der Begründung des Ablehnungsbescheids darüber hinaus das Vorliegen besonderer Umstände geprüft hat, die eine den Kläger begünstigende Entscheidung hätten rechtfertigen können, hatte die Beklagte keinen begründeten Anlass, die Richtigkeit der Stellungnahme des Sozialamts vom 5. August 2016 in Frage zu stellen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Ein solcher Anlass ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht daraus, dass seine im Befundbericht des Universitätsklinikums Bonn vom 14. Januar 2016 beschriebenen körperlichen Beeinträchtigungen im Sinne der Ziffer II Nr. 3 Buchstabe b) VwV-StVO zu § 46 Nr. 11 StVO einer beidseitigen Amelie oder Phokomelie vergleichbar seien und er deshalb entgegen der Einschätzung des Sozialamts zum berechtigten Personenkreis gehöre.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Befundbericht vom 14. Januar 2016 bescheinigt dem Kläger im Wesentlichen eine Funktionsbeeinträchtigung der unteren Gliedmaßen. Infolge häufiger Blutungen, insbesondere in die Gelenke, und aufgrund fehlender Behandlungsmöglichkeiten habe er in früheren Jahren ausgeprägte, arthropathische Veränderungen, insbesondere beider Knie- und Ellenbogengelenke, erlitten. Darüber hinaus sei im November 2013 infolge eines Arbeitsunfalls eine Knie-TEP-Implantation rechts erfolgt. Seither sei die Beweglichkeit des rechten Kniegelenks erheblich eingeschränkt. Der Kläger habe dadurch nicht nur in den betroffenen Gelenken Schmerzen, sondern auch fehlhaltungsbedingte Rückenschmerzen und belastungsabhängige Beschwerden im rechten Sprunggelenk. Aus sei das Risiko weiterer Einblutungen in die hämarthropathisch veränderten Gelenke deutlich erhöht. Im Hinblick auf die Schwere der Gelenkveränderungen und der damit verbundenen schweren Gehbehinderung sei der Kläger zum Teil nur unter starken Schmerzen in der Lage, Wegstrecken über 400 bis 500 m aus eigener Kraft zurückzulegen. Beim Tragen von Lasten über 5 kg verkürze sich die schmerzfreie Gehstrecke auf 20 bis 30 m. Da die Belastungen jederzeit weitere Blutungen hervorrufen könnten, die eine weitere Verschlechterung der aktuellen Situation zur Folge hätten, sei ärztlicherseits eine Meidung längerer Wegstrecken, insbesondere auch auf unebenem Terrain, zu empfehlen. Deshalb bestehe beim Kläger eine erhebliche Gehbehinderung.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Nach Auswertung dieses Befundberichts wurde dem Kläger das Merkzeichen „G“ zuerkannt. Das Sozialamt nahm einen Gesamtgrad der Behinderung von 100 an, der sich ausweislich der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Gutachtlichen Stellungnahme vom 26. April 2016 aus einem Einzelgrad der Behinderung von 100 für die Blutungskrankheit des Klägers und von 20 für sein künstliches Kniegelenk rechts ergab. Diese Beurteilung hat der Kläger nicht beanstandet.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Diese dem Kläger attestierte Funktionsbeeinträchtigung ist entgegen seiner Auffassung nicht mit einer beidseitigen Amelie oder Phokomelie im Sinne der Ziffer II Nr. 3 Buchstabe b) VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO vergleichbar.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Vergleichbarkeit in Sinne dieser Regelung setzt (jedenfalls auch) voraus, dass sich die Funktionseinschränkung aus einem Krankheitsphänomen ergibt, das einer beidseitigen Amelie oder Phokomelie ähnelt. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau der drei Fallgruppen von Funktionsbeeinträchtigungen an den unteren Gliedmaßen, die die VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO in Ziffer II Nr. 3 Buchstaben b) bis d) regelt, gestützt durch den Wortlaut der Regelung („vergleichbaren“) und den Willen des Gesetzgebers zum teilweise wortgleichen § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG („schwerbehinderte Menschen mit … beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder vergleichbaren Funktionseinschränkungen“).</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die auf eine beidseitige Amelie oder Phokomelie oder eine vergleichbare Funktionseinschränkung zugeschnittene Regelung in Buchstabe b) fordert weder ein Merkzeichen noch einen bestimmten Grad der Behinderung, weil die genannten körperlichen Einschränkungen typischerweise mit besonders schwerwiegenden Funktionsstörungen oder sogar einem völligen Ausfall der betroffenen Gliedmaßen verbunden sind. Geht es um die beidseitige Amelie oder Phokomelie der unteren Gliedmaßen, leuchtet das unmittelbar ein; soweit die oberen Gliedmaßen betroffen sind, wollte der Gesetzgeber den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit solchen körperlichen Einschränkungen Rechnung tragen: Wenn die Füße die Funktion der Hände übernehmen, werden ihre Gelenke verstärkt beansprucht und müssen daher besonders geschont werden, z. B. durch Vermeiden längerer Wegstrecken.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Vgl. BT-Drs. 16/10534, S. 1, 6 f., zu § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die in Buchstaben c) und d) aufgeführten Fälle erfassen demgegenüber Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen ohne das in Buchstabe b) genannte besondere Krankheitsphänomen und setzen sowohl das Merkzeichen „G“ als auch einen bestimmten Grad der Behinderung gerade für diese Funktionsstörung voraus. Den Grundfall einer Funktionsstörung an den unteren Gliedmaßen ohne Hinzutreten weiterer Umstände regelt dabei Ziffer II Nr. 3 Buchstabe c) VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO, der einen auf diese Störung bezogenen Grad der Behinderung von wenigstens 80 voraussetzt. Ist der Grad der Behinderung geringer (mindestens 70), muss nach Buchstabe d) eine weitere Funktionsstörung hinzukommen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Daraus folgt, dass die Bestimmung in Ziffer II Nr. 3 Buchstabe b) VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO keine Auffangregelung für alle sonstigen Fälle einer Funktionsstörung an den unteren Gliedmaßen ist, die weder mit dem Krankheitsphänomen der beidseitigen Amelie oder Phokomelie vergleichbar ist noch unter die Voraussetzungen von Ziffer II Nr. 3 Buchstaben c) und d) VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO fällt.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Unstreitig erfüllt der Kläger nicht die Voraussetzungen der Ziffer II Nr. 3 Buchstabe c) und d) VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO. Auch geht weder aus dem Befundbericht des Universitätsklinikums Bonn vom 14. Januar 2016 hervor noch ist sonst ersichtlich, dass die schwerwiegenden Erkrankungen des Klägers dem Krankheitsbild der beidseitigen Amelie oder Phokomelie vergleichbar sind oder sein könnten.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt a. M. vom 5. Juni 2013- 4 K 4243/12.F - (NZV 2014, 191 = juris), dessen Erwägungen sich der Kläger offenbar zu eigen machen möchte, folgt bereits deswegen nichts anderes, weil dort der Fall eines Mannes zu entscheiden war, dessen Armlängen beidseits ca. ein 1/3 bis 1/2 der normalen Länge mit nicht regelgerechter Ausbildung beider Hände betrug. Dieses Krankheitsbild trifft auf den Kläger nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">2. Der der Sache nach geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen einer behaupteten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt ebenfalls nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger allgemein behauptet, das Verwaltungsgericht habe sich mit den Ausführungen seiner Klagebegründung vom 13. September 2016 nicht auseinandergesetzt, ist das Vorbringen nur pauschal und zeigt keine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung auf.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Seine weitere Behauptung, das Verwaltungsgericht habe die vorgelegten ärztlichen Befundberichte (gemeint sind offenbar die Befundberichte vom 14. Januar 2016 und vom 19. Juli 2016) nicht gewürdigt, trifft dies nicht zu. Ausweislich des Tatbestands (S. 3 des Urteilsabdrucks) und der Entscheidungsgründe (S. 6 des Urteilsabdrucks) hat das Verwaltungsgericht diese Befunde zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigt. Tatsächlich macht der Kläger lediglich im Gewand der Gehörsrüge eine - nach dem Vorstehenden nicht anzunehmende - fehlerhafte Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts geltend.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG. Die Bedeutung der Sache ist nach der Rechtsprechung des Senats mit 500,- EUR ausreichend bewertet.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Januar 2011- 8 E 23/11 -, NVwZ-RR 2011, 423 = juris Rn. 11.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 6 Satz 3 GKG).</p>
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161,457 | ovgnrw-2018-12-21-8-b-133518 | {
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<p>Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 23. August 2018 wird zurückgewiesen.</p>
<p>Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.</p>
<p>Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.000 Euro festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e</span> :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Sein Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt den erstinstanzlichen Beschluss nicht durchgreifend in Frage.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 12. Oktober 2017 zum Rückbau einer befestigten Fläche und Ersatzpflanzung von Sträuchern wiederherzustellen bzw. anzuordnen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Ordnungsverfügung sei trotz der Falschbezeichnung des Flurstücks hinreichend bestimmt i. S. v. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW, weil für den Antragsteller aus den objektiven Umständen ohne Weiteres erkennbar gewesen sei, welche konkrete Fläche der Bescheid betreffe. Auch im Übrigen sei die Ordnungsverfügung rechtmäßig.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">1. Der Antragsteller trägt mit seiner Beschwerde ohne Erfolg vor, der angefochtene Beschluss verstoße gegen seinen Anspruch auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, weil ein Einzelrichter anstelle der Kammer entschieden habe, ohne dass der Einzelrichterübertragungsbeschluss zuvor wirksam geworden sei. Der Übertragungsbeschluss und der Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes seien ihm gleichzeitig zugestellt worden.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG kann sich aus der Entscheidung durch den Einzelrichter an Stelle der Kammer ergeben. Dafür reicht jedoch nicht jede irrtümliche Überschreitung der den Fachgerichten gezogenen Grenzen aus. Die Grenze zur Verfassungswidrigkeit ist erst überschritten, wenn die fehlerhafte Auslegung und Anwendung einfachen Rechts willkürlich oder offensichtlich unhaltbar ist. Eine verfassungsrechtlich relevante Entziehung des gesetzlichen Richters liegt nicht schon dann vor, wenn ein aktenkundig intern vor der Sachentscheidung gefasster Übertragungsbeschluss lediglich deshalb nicht rechtzeitig wirksam geworden ist, weil er irrtümlich den Beteiligten erst zusammen mit oder nach der Sachentscheidung formlos bekannt gegeben worden ist. Ein lediglich die Bekanntgabe und deren Zeitpunkt betreffender Mangel stellt die Gewährleistung des gesetzlichen Richters mangels objektiver Willkür und mangels jeglicher Manipulationsabsicht nicht in Frage.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2001 - 8 B 104.01 -, juris Rn. 7 f.; OVG NRW, Beschluss vom 2. November 2017 - 4 B 891/17 -, juris Rn. 12 ff., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Ausgehend davon hat der Einzelrichter hier seine Zuständigkeit nicht unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angenommen. Der Einzelrichterübertragungsbeschluss stammt ausweislich seines Datums vom 2. August 2018. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dieses Datum unzutreffend sein könnte und die Richter diesen Beschluss tatsächlich etwa gleichzeitig mit dem Eilbeschluss am 23. August 2018 oder noch später unterschrieben haben könnten, sind weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das bloße Bestreiten in der Beschwerdebegründung genügt insoweit nicht. Der Einzelrichterübertragungsbeschluss ist zwar – aus nicht erkennbaren Gründen – den Beteiligten erst zusammen mit dem Eilbeschluss vom 23. August 2018 zugestellt worden. Darin liegt ein Bekanntgabefehler. Es ist aber nicht objektiv willkürlich oder manipulativ, dass der Einzelrichter schon von seiner Zuständigkeit ausgegangen ist, nachdem die Kammer den Einzelrichterübertragungsbeschluss unterschrieben hatte, der Beschluss aber noch nicht zugestellt worden war.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">2. Die Rüge, die angefochtene Entscheidung verletze den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, führt nicht zum Erfolg der Beschwerde. Der Antragsteller meint, das Verwaltungsgericht hätte ihn aufgrund seiner Bitte darauf hinweisen müssen, wenn es seinen „formalen“ Einwendungen gegen die Ordnungsverfügung nicht folgen sollte; in diesem Fall hätte er erstinstanzlich zur materiellen Rechtslage vorgetragen. Dies greift nicht durch.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Hinweispflicht des Gerichts nach § 86 Abs. 3 VwGO konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und zielt mit dieser Funktion insbesondere darauf, Überraschungsentscheidungen zu vermeiden. Allerdings folgt daraus keine Pflicht des Gerichts, die Beteiligten schon vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinzuweisen und offenzulegen, wie es seine Entscheidung im Einzelnen zu begründen beabsichtigt. Eine Ausnahme hiervon gilt dann, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt oder auf eine bestimmte Bewertung des Sachverhalts abstellen will, mit dem bzw. mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. März 2016 - 5 B 11.16 -, juris Rn. 20, m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Gemessen daran ist das rechtliche Gehör nicht verletzt worden. Das Verwaltungsgericht musste den Antragsteller trotz seiner Bitte nicht darauf hinweisen, wie es die Bestimmtheit der Ordnungsverfügung beurteilen würde. Jedenfalls nachdem die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 6. Februar 2018 die Meinung vertreten hatte, dass die Ordnungsverfügung trotz der Falschbezeichnung des Grundstücks hinreichend bestimmt sei, musste der Antragsteller auch ohne einen Hinweis des Gerichts damit rechnen, dass diese Argumentation bei der gerichtlichen Entscheidung relevant sein könnte.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Unabhängig vom Vorstehenden führte eine Gehörsverletzung nicht zum Erfolg der vorliegenden Beschwerde, weil der Senat deren Erfolg auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens eigenständig prüft und dabei auch die erstmals vorgetragenen Einwände gegen die materiell-rechtliche Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Ordnungsverfügung berücksichtigt.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">3. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Ordnungsverfügung inhaltlich hinreichend bestimmt ist i. S. v. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Hinreichende inhaltliche Bestimmtheit im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass insbesondere für den Adressaten des Verwaltungsakts die von der Behörde getroffene Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann. Es reicht aus, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheides, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren den Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt. Der Verwaltungsakt muss eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bilden. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2012- 7 VR 10.12 -, juris Rn. 10, und Urteil vom 20. April 2005 - 4 C 18.03 -, juris Rn. 53.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die in Rede stehende Ordnungsverfügung hinsichtlich der Bezeichnung des Flurstücks noch hinreichend bestimmt. Die Antragsgegnerin hat das Grundstück in der Ordnungsverfügung zwar falsch bezeichnet. Statt auf dem Flurstück X der Flur X, Gemarkung E.       , sollte der Antragsteller eine befestigte Fläche auf dem Flurstück Y der Flur Y, Gemarkung C.      , zurückbauen. Dass dieses Flurstück gemeint war, konnte der Antragsteller aber aus dem gesamten Inhalt des Bescheides, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren ihm bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen schließen. Dies ergibt sich aus Folgendem: Die beiden genannten, dem Antragsteller gehörenden Grundstücke grenzen unmittelbar aneinander. Die im Bescheid genannte Adresse „I.        Straße Z“ lässt sich ohne Weiteres auch auf das Flurstück Y beziehen, weil die Zufahrt für Besucher des Hotels bzw. der Gaststätte sowie für die Feuerwehr über den straßennahen Teil des Flurstücks Y auf das Flurstück X führt. Dass es um die Fläche geht, die auf dem Flurstück Y für weitere Parkplätze angelegt worden ist, ergibt sich für den Antragsteller, der als Grundstückseigentümer und Betreiber des dortigen Hotels mit den örtlichen Verhältnissen vertraut ist, auch aus der Begründung des Bescheides. Dort hat die Antragsgegnerin angeführt, dass sie im Oktober 2016 festgestellt habe, dass eine zusätzlich befestigte Fläche von etwa 130 m² frisch angelegt und von Aufwuchs/Gehölzbestand befreit worden sei. Nach den insoweit unbestrittenen Angaben der Antragsgegnerin war dies die einzige dort neu angelegte befestigte Fläche. Außerdem hat die Antragsgegnerin in der Begründung des Bescheides auf den Bauantrag „Umbau und Erweiterung eines bestehenden Gastronomiebetriebes“ verwiesen. In dem entsprechenden Antrag des Ingenieurbüros I1.         sei bereits angekündigt worden, dass durch ein erhöhtes Gästeaufkommen weitere Flächen, die sich [auf dem Flurstück Y] im Landschaftsschutzgebiet befänden, in Anspruch genommen werden sollten. Auch daraus konnte der Antragsteller entnehmen, dass es um die Fläche auf dem Flurstück Y ging. Vor diesem Hintergrund kann entgegen der Auffassung des Antragstellers auch ein objektiver Dritter ermitteln, welches Grundstück von dem angegriffenen Bescheid erfasst ist, und kann dieser deshalb Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung sein.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">4. Soweit der Antragsteller behauptet, er habe lediglich die Fläche im Grenzbereich der beiden Flurstücke wiederhergestellt, die sein Vater bereits im letzten Jahrhundert befestigt habe, führt dies schon deswegen nicht zum Erfolg der Beschwerde, weil er dies in keiner Weise belegt oder glaubhaft gemacht hat (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO). Abgesehen davon widerspricht diese Behauptung den historischen Luftbildern zu diesem Grundstück. Auf Luftbildern aus den Jahren 1999 und 2007, einem Luftbild aus dem Jahre 2005 und dem im Verwaltungsvorgang enthaltenen Luftbild aus dem Jahre 2014 ist klar zu erkennen, dass die in Rede stehende Fläche jeweils dicht bewachsen war, insbesondere auch im Jahre 2005, als der Landschaftsplan Wuppertal-Nord in Kraft trat.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts. Die Zwangsgeldandrohung bleibt bei der Festsetzung des Streitwerts nach Nr. 1.7.2 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 außer Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).</p>
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} | 6 K 4230/17 | 2018-12-21T00:00:00 | 2019-01-16T07:00:10 | 2019-01-17T12:06:26 | Urteil | ECLI:DE:VGMS:2018:1221.6K4230.17.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Bescheid des Beklagten vom 29. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Mai 2017 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin für den von ihr belegten Heimplatz Pflegewohngeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 10. Juli 2016 bis zum 31. Dezember 2016 zu gewähren.</p>
<p>Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.</p>
<p>Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">T a t b e s t a n d</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin lebt seit dem 10. Juli 2016 vollstationär im N2.             T.  . N.      in E.             . Am 5. Juli 2016 beantragte Herr G.         N1.       , dem die Klägerin am 15. Oktober 2015 eine Vorsorgevollmacht ausgestellt hatte, beim Beklagten für den von der Klägerin belegten Heimplatz die Gewährung von Pflegewohngeld.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 29. September 2016 lehnte der Beklagte den Antrag ab und gab zur Begründung an: Nach den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen übersteige ihr einzusetzendes Vermögen In Höhe von insgesamt 21.009,29 € den maßgeblichen Vermögensfreibetrag von 10.000,00 € zuzüglich max. 4.000,00 € für die angemessene Bestattungsvorsorge um 7.009,29 €. Es sei der Klägerin zuzumuten, diesen Betrag einzusetzen und das ab ihrer Aufnahme im N2.             anfallende Pflegewohngeld bis zum Verbrauch des einzusetzenden Vermögens aufzubringen. Eine angemessene Bestattungsvorsorge liege bei 4.000,00 €. Dieser Betrag werde als angemessene Bestattungsvorsorge anerkannt. Auch im Fall der Klägerin werde dieser Betrag berücksichtigt. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass eine angemessene Bestattung in ihrem Fall diesen Betrag übersteige. Weiter habe die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Verwertung der Bestattungsvorsorgeverträge unwirtschaftlich sei. Eine unwirtschaftliche Verwertung sei gegeben, wenn die Verwertung des Vermögens einen Verlust von mehr als 50 % bedeuten würde. Eine solche Problematik sei bislang bei der Verwertung von Bestattungsvorsorgeverträgen nicht bekannt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2017 zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen habe sie zum Zeitpunkt der Antragstellung über Vermögen in Form von Beträgen auf dem Girokonto (845,40 €) und einem Sparbuch (9.563,89 €) sowie in Form von Forderungen aus zwei Bestattungsvorsorge-Treuhandverträgen (7.000,00 € bzw. 3.500,00 €), insgesamt i.H.v. 21.009,29 € verfügt. Die Bestattungsvorsorgeverträge stellten Forderungen und grundsätzlich Vermögen dar. Unter Berücksichtigung des geschützten Betrages verbleibe ein Vermögen i.H.v. 11.009,29 €. Die Bestattungsvorsorge-Treuhandverträge seien nicht nach § 90 Abs. 2 SGB XII geschützt. Im Kreis X.         würden für Bestattungen, die aus Sozialhilfemitteln finanziert würden, durchschnittlich Kosten i.H.v. 2.500,00 € als angemessen für eine würdevolle Bestattung übernommen. Bei der Beurteilung, ob es sich um eine angemessene Bestattungsvorsorge handele, würden auch besondere Wünsche einbezogen. Gleichwohl müssten sich die Gestaltungswünsche im Rahmen des Angemessenen bewegen. Unter Berücksichtigung des Sparsamkeitsgebots der Sozialhilfe als auch der persönlichen Wünsche sei es angemessen und ausreichend, als Härteregelung im besonderen Einzelfall der Klägerin einen Betrag von 4.000,00 € anrechnungsfrei zu stellen. Dieser Betrag liege deutlich über dem Betrag, der dem sozialhilferechtlichen Mindeststandard entspreche. Es seien keine Gründe zu erkennen, dass der Betrag von 4.000,00 € nicht ausreichend sei, um damit eine würdevolle und deutlich über dem sozialhilferechtlichen Mindeststandard liegende Bestattung zu finanzieren. Die von der Klägerin vorgelegte Kostenaufstellung des Bestatters liege mit 9.541,31 € zwar ganz erheblich über den im Kreis X.         anfallenden Kosten für eine Bestattung. Aus der bisherigen Lebensführung der Klägerin sei aber nicht zu schließen, dass so hohe Kosten für eine dereinstige Bestattung angemessen seien. Mit monatlichen Einkünften in Höhe von knapp 850,00 € und Unterkunftskosten von 380,00 € habe sie immer schon in bescheidenen Verhältnissen gelebt. Die in den Treuhandverträgen festgelegten Beträge seien ausschließlich für die Finanzierung der Kosten des Bestatters angelegt. Ein Grabpflegevertrag sei nicht abgeschlossen worden. Im Übrigen bestehe auch keine Notwendigkeit, Beträge für die Grabpflege zu schützen. Weder die angemessene Lebensführung noch die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung seien durch den Einsatz des Bestattungsvorsorgevertrages wesentlich erschwert. Es sei keine Härte darin zu sehen, den Bestattungsvorsorgevertrag zumindest teilweise zu kündigen und die Mittel für die Heimkosten zu verwenden. Auch in Ausübung des eingeräumten Ermessens und unter Berücksichtigung der individuellen Situation der Klägerin sei keine andere Entscheidung zu treffen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat am 14. Juni 2017 Klage erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Sie macht im Wesentlichen geltend: Nach zwischenzeitlich herrschender verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung stehe fest, dass der Einsatz und die Verwertung von Mitteln im Rahmen der Bewilligung von Pflegewohngeld, die für eine angemessene Bestattung und eine angemessene Grabpflege zurückgelegt würden, eine unzumutbare Härte darstelle. Der Wunsch vieler alter Menschen, für die Zeit nach dem Tod vorzusorgen, sei unter dem Gesichtspunkt der Menschenwürde und der allgemeinen Handlungsfreiheit zu beachten. Nach der einschlägigen Rechtsprechung sei zur Ermittlung der Angemessenheit einer Bestattungsvorsorge zunächst als Grundbetrag der Betrag heranzuziehen, der den einfachen Standard einer Bestattung gewährleiste. Dieser Betrag sei um den so genannten Erhöhungsbetrag bis zur Grenze der Angemessenheit zu erhöhen. Dieser Erhöhungsbetrag richte sich zum einen nach den individuellen Wünschen der vorsorgenden Person, zum anderen nach dem tatsächlichen Preisniveau einer durchschnittlichen bürgerlichen Bestattung an dem vorgesehenen Bestattungsort. Im Hinblick darauf, dass sie, die Klägerin, nicht nur die dereinstigen Bestattungs- und Friedhofsgebühren, sondern auch die dereinstigen Steinmetzkosten absichern wolle, sei der hinterlegte Betrag i.H.v. 10.500,00 € hinsichtlich seiner Angemessenheit nicht zu beanstanden. Die im Kostenvoranschlag des Vertragsbestatters aufgeführten Kosten entsprächen einem nur durchschnittlichen Preisniveau. Darüber hinaus sei es anerkannt, dass es im Rahmen einer Bestattungsvorsorge zulässig sei, für zukünftige Kostensteigerungen einen den Kostenvoranschlag des Vertragsbestatters überschießenden Betrag vorzusehen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 29. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Mai 2017 zu verpflichten, ihr für den von ihr belegten Heimplatz vom 10. Juli 2016 bis 31. Dezember 2016 Pflegewohngeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Er verweist zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle der Kammer ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 29. September 2016 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2017 erfolgte Ablehnung von Pflegewohngeld ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5, Abs. 1 VwGO). Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten der für die Zeit vom 10. Juli 2016 bis zum 31. Dezember 2016 geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Pflegewohngeld in gesetzlicher Höhe zu.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 des Alten- und Pflegegesetzes Nordrhein-Westfalen (APG NRW, vom 2. Oktober 2014, GV.NRW. S. 619) wird Pflegewohngeld in vollstationären Dauerpflegeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen als Unterstützung der Personen (Anspruchsberechtigte) gewährt, die gemäß § 14 des Elften Buches Sozialgesetzbuch pflegebedürftig und nach § 43 des Elften Buches Sozialgesetzbuch oder im Rahmen einer privaten Pflegeversicherung anspruchsberechtigt sind und deren Einkommen und Vermögen unter Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens ihrer nicht getrennt lebenden Ehegattinnen, Ehegatten, eingetragenen Lebenspartnerinnen oder Lebenspartnern oder der mit ihnen in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebenden Personen zur Finanzierung der von ihnen ansonsten zu tragenden förderungsfähigen Aufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 ganz oder teilweise nicht ausreicht. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 APG NRW wird Pflegewohngeld nicht gezahlt, wenn unter anderem durch Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens die Zahlung der Investitionskosten möglich ist. Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 APG NRW erfolgt die Ermittlung des einzusetzenden monatlichen Einkommens und Vermögens unter anderem entsprechend der Regelungen des Elften Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Nach der danach anzuwendenden Vorschrift des § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Zum Vermögen in diesem Sinn gehören bewegliche und unbewegliche Güter und Rechte, sofern der zum Vermögenseinsatz Verpflichtete Eigentümer oder Rechtsinhaber ist, sie in Geld schätzbar sind und eine gewisse Wertbeständigkeit aufweisen. Hiervon erfasst werden auch Forderungen bzw. Ansprüche gegen Dritte. Die Verwertbarkeit des Vermögens setzt voraus, dass der Vermögensinhaber unter rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten über das Vermögen verfügen kann und auch in der Lage ist, es rechtzeitig zur Bedarfszeit zu realisieren.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Vgl. BSG, Urteil vom 18. März 2008 - B 8/9b SO 9/06 R -, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge (ZEV) 2008, 539, mit weiteren Nachweisen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">In Anwendung dieser Maßgaben stand der Klägerin in dem hier in Rede stehenden Zeitraum kein hinreichendes einzusetzendes Vermögen im Sinn der genannten Vorschriften zur Deckung der Investitionskosten zur Verfügung.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Insbesondere kann von der Klägerin nicht verlangt werden, die im Hinblick auf ihre dereinstige Bestattung auf die geschlossenen Bestattungsvorsorge-Treuhandverträge gezahlten Beträge in Höhe von insgesamt 10.500,00 € für die Investitionskosten einzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Zwar gehörten diese Beträge im streitigen Zeitraum zum verwertbaren Vermögen der Klägerin, weil die beiden Verträge – was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist - hätten gekündigt werden können und der Klägerin dann entsprechende Rückzahlungsanspruche zugestanden hätten. Jedoch stellte der Einsatz dieses Vermögens für die Klägerin eine Härte im Sinne des § 14 Abs. 3 S. 1 APG NRW i.V.m. § 90 Abs. 3 S. 1 SGB XII dar.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen ist geklärt, dass die Verwertung des zum Zweck der angemessenen Bestattungsvorsorge und der angemessenen Grabpflege vorgesehenen Vermögens eines Heimbewohners in Anlehnung an die sozialhilferechtliche Rechtsprechung auch im Pflegewohngeldrecht grundsätzlich eine Härte bedeuten würde.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Februar 2013</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">– 12 A 1255/12 -, juris, Rn. 3, mit weiteren Nachweisen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Wunsch vieler Menschen, für die Zeit nach ihrem Tod vorzusorgen, dahin zu respektieren, dass ihnen die Mittel erhalten bleiben, die sie für eine angemessene Bestattung (und eine angemessene Grabpflege) zurückgelegt haben. Denn nur auf diese Weise, d.h. nur dann, wenn die für Bestattung und Grabpflege zurückgelegten Mittel zu Lebzeiten nicht zu einem anderen Zweck eingesetzt werden müssen, stehen sie nach dem Tod für Bestattung und Grabpflege zur Verfügung.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 – 5 C 84.02 –, juris, Rn. 22 = NJW 2004, 2914.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Ob die Bestattungsvorsorge der Höhe nach angemessen ist, beurteilt sich anhand der vorgesehenen Leistungen und der örtlichen Preise für eine Bestattung. Zur Bestimmung der Angemessenheit einer Bestattungsvorsorge ist zunächst auf die Kosten abzustellen, die die örtlich zuständige Behörde als erforderliche Kosten der Bestattung nach § 74 SGB XII zu übernehmen hat (Grundbetrag). Insofern wird den örtlichen Besonderheiten sowie den unterschiedlichen Friedhofskosten Rechnung getragen. Dabei ist hinsichtlich der Art der Bestattung (Erdbestattung, Feuerbestattung etc.) in der Regel die Entscheidung des Heimbewohners zugrunde zu legen. Der sich daraus ergebende Kostenbetrag, der lediglich den einfachen Standard repräsentiert und darüber hinaus auf vertraglichen Rabattvereinbarungen der Behörde mit den örtlichen Bestattern beruhen kann, ist unter Berücksichtigung etwaiger Gestaltungswünsche des Heimbewohners bis zur Grenze der Angemessenheit zu erhöhen (Erhöhungsbetrag). Dabei können die Kosten einer durchschnittlichen Bestattung als Richtschnur dienen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Februar 2013 – 12 A 1255/12 -, juris, Rn. 12.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">In Anwendung dieser Grundsätze sind die für die Klägerin geschlossenen Bestattungsvorsorge-Treuhandverträge für ihre dereinstige Erdbestattung (ohne Grabpflege) auf dem Friedhof E.             in Höhe von insgesamt 10.500,00 € als angemessene Bestattungsvorsorge zu bewerten.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Auch wenn dem Vorbringen des Beklagten zufolge die durchschnittlichen Kosten für eine Bestattung nach § 74 SGB XII im Kreis X.         bei 2.500,00 € liegen, bestehen keine Bedenken an der Angemessenheit der für die dereinstige Bestattung der Klägerin vorgesehenen Beträge. Weder lässt sich feststellen, dass die in der „Kostenaufstellung zum Bestattungsvorsorgevertrag“ des Bestattungsunternehmens vom 21. August 2015 aufgeführten Positionen den Rahmen des Angemessenen überschreiten noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die errechneten Gesamtkosten der dereinstigen Bestattung der Klägerin unangemessen hoch wären. Die in der Kostenaufstellung aufgeführten einzelnen Leistungen entsprechen den Gestaltungswünschen der Klägerin und sind auch nicht unüblich für eine Erdbestattung. Ebenso hält sich der Gesamtbetrag der Bestattungskosten von 9.541,31 € mit Blick darauf, dass die Gesamtkosten einer Erdbestattung im Jahr 2013 zwischen 4.287,- (durchschnittliche einfache Erdbestattung) und 12.152,- € (durchschnittliche gehobene Erdbestattung) betrugen,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">vgl. Stiftung Warentest, Spezial, Bestattungen (März 2013), www.bestattungen.de,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">durchaus noch im Rahmen des Üblichen. Daran ändert sich nichts dadurch, dass für die Klägerin ein über die veranschlagten Bestattungskosten hinausgehender Betrag in Höhe von insgesamt 10.500 € hinterlegt worden ist. Insoweit weist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu Recht darauf hin, dass es im Rahmen einer Bestattungsvorsorge zulässig sei, für zukünftige Kostensteigerungen einen den Kostenvoranschlag des Vertragsbestatters überschießenden Betrag vorzusehen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. September 2017 – L 1 SO 75/11 –, zitiert nach: Niemeyer, Bisping, Naumann in: Steuerberater Branchenhandbuch, 205. Lieferung 2018, Bestattungsunternehmen, juris, Rn. 23.1.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Soweit der Beklagte anführt, aus der bisherigen Lebensführung der Klägerin, die schon immer in bescheidenen Verhältnissen gelebt habe, sei nicht zu schließen, dass so hohe Kosten für eine Bestattung angemessen seien, greift dies nicht durch. Da die Anerkennung eines angemessenen Bestattungsvorsorgevertrages als Schonvermögen im Sinne der Härteregelungen auf dem Gedanken der Selbstbestimmung und Menschenwürde auch für die Zeit nach dem Ableben beruht,</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">vgl. BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 8/9b SO 9/06 R – juris, Rn. 24,</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">können die konkreten finanziellen Lebensumstände des Betroffenen nicht dazu führen, die Gestaltungswünsche und Kosten für seine Bestattung – etwa bis auf Sozialhilfeniveau - einzuschränken. Die Grenze des Angemessenen ist danach vielmehr erst dann überschritten, wenn sich die konkreten Gestaltungswünsche und deren Kosten im Einzelfall als völlig überzogen oder luxuriös erweisen oder Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass vorhandenes Vermögen zielgerichtet allein deshalb für die Bestattungsvorsorge verwendet wurde, um Leistungsansprüche zu erwerben,</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">vgl. BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 8/9b SO 9/06 R – juris, Rn. 23, 24.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Derartiges ist im Fall der Klägerin nicht ersichtlich und wird auch vom Beklagten nicht dargetan.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Steht der Klägerin mithin für die Zeit vom 10. Juli 2016 bis zum 31. Dezember 2016 ein Anspruch auf Gewährung von Pflegewohngeld gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 APG NRW in gesetzlicher Höhe zu, wird bei der entsprechenden Nachbetrachtung dieses Zeitraums indes zu berücksichtigen sein, dass die Klägerin jedenfalls zu Beginn des genannten Zeitraums über – den Schonbetrag nach § 14 Abs. 3 Satz 3 APG NRW in Höhe von 10.000,00 € übersteigendes - Vermögen im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 1 APG NRW i.V.m. § 90 Abs. 1 SGB XII in Form eines Bankguthabens in Höhe von 509,29 € verfügte.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist. Gerichtskosten werden nach § 188 S. 2 VwGO nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.</p>
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142,311 | ovgnrw-2018-12-21-4-a-91118a | {
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<p>Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 3.1.2018 wird abgelehnt.</p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels, nämlich einer Versagung des rechtlichen Gehörs, liegt nicht vor (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG in Verbindung mit § 138 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht dadurch verletzt, dass es ‒ so das Zulassungsvorbringen ‒ in dem angegriffenen Urteil Erkenntnisquellen verwendet habe, die ihm zuvor nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben worden seien.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Gebot des rechtlichen Gehörs verlangt, dass das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt wird, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO). Die Verwertung von Tatsachen und Beweisergebnissen setzt deshalb voraus, dass diese von den Verfahrensbeteiligten oder vom Gericht im Einzelnen bezeichnet zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht oder sonst in das Verfahren eingeführt worden sind, und dass sich die Beteiligten hierzu äußern konnten. Dies gilt auch für die im Asylverfahren verwendeten Erkenntnisse.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.7.2001 ‒ 2 BvR 982/00 ‒, InfAuslR 2001, 463 = juris, Rn. 15 ff.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Dass das Verwaltungsgericht gegen diese Verpflichtung verstoßen haben könnte, legt der Kläger schon nicht dar. Das Verwaltungsgericht hat den in den Urteilsgründen zitierten Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand Mai 2016, dadurch zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, dass es die Beteiligten mit der Ladungsverfügung vom 21.8.2017 darauf hingewiesen hat, die Liste der Erkenntnisquellen, die berücksichtigt werden und zu denen der genannte Lagebericht gehört, sei auf der Internetseite des Gerichts unter <span style="text-decoration:underline">www.vg-aachen.nrw.de</span> (Aufgaben/Erkenntnislisten) einsehbar; auf Anfrage werde eine Erkenntnisliste übersandt. Zudem hat es in der mündlichen Verhandlung, bei der auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers zugegen war, die Auskünfte, Berichte und Gutachten, auf die die Beteiligten mit der Ladung hingewiesen worden sind, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Damit hatte der Kläger ausreichend Gelegenheit, sich Kenntnis über die relevanten Erkenntnisquellen im Internet, durch Anforderung in Papierform, Einsichtnahme oder durch Nachfrage in der mündlichen Verhandlung zu verschaffen. Unterlässt er dies, ist ihm die Gehörsrüge verwehrt. Denn ein Rechtssuchender muss die nach der jeweiligen prozessualen Lage gegebenen und zumutbaren prozessualen Möglichkeiten ausschöpfen, um sich das rechtliche Gehör zu verschaffen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.6.2017 ‒ 2 WD 6/17 u. a. ‒, Buchholz 450.2 § 121a WDO 2002 Nr. 1 = juris, Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 1.2.2018 ‒ 4 A 1763/15.A ‒, juris, Rn. 6 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Schon deshalb greift auch der Einwand des Klägers nicht durch, ihm habe zumindest die Möglichkeit eröffnet werden müssen, Kopien der in der Erkenntnisliste aufgeführten Materialien anzufertigen. Er macht nicht geltend, gegenüber dem Verwaltungsgericht um diese Möglichkeit nachgesucht zu haben. Im Übrigen reicht es nach Bezeichnung der in einem Verfahren möglicherweise zu verwertenden Erkenntnisse für die Gewährung rechtlichen Gehörs aus, wenn den Parteien eine Einsichtnahme möglich und zumutbar war.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.3.1997 ‒ 14 A 990/97.A ‒, NVwZ 1997, Beilage Nr. 11, 81 = juris, Rn. 8.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Kläger legt nicht dar, aufgrund welcher Umstände es ihm nicht zumutbar gewesen sein sollte, sich von dem Inhalt der Erkenntnisquellen durch eine vom Verwaltungsgericht ausdrücklich als Möglichkeit benannte Einsichtnahme bei Gericht Kenntnis zu verschaffen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus fehlt jeglicher Vortrag dazu, was der Kläger bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwieweit der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1.2.2018 ‒ 4 A 1763/15.A ‒, juris, Rn. 8 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Das Gebot des rechtlichen Gehörs ist auch nicht dadurch verletzt, dass das Verwaltungsgericht das vom Kläger vorgelegte Länderkurzinfo Pakistan von Amnesty International, Zitate von der Internetseite des Auswärtigen Amtes und Angaben des UNHCR nicht ausdrücklich in den Urteilsgründen berücksichtigt hat.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO verpflichten das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist indes grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht diesen Anforderungen genügt. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedes Vorbringen in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17.8.2017 – 4 A 1904/17.A –, juris, Rn. 2 ff., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Aus der Antragsbegründung ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht hiergegen verstoßen haben könnte. Eine Verpflichtung des Gerichts, sich mit allen von den Verfahrensbeteiligten angeführten Erkenntnisquellen ausdrücklich zu befassen, besteht nicht. Maßgeblich ist, dass das Gericht inhaltlich auf die relevanten und die von den Verfahrensbeteiligten vorgetragenen Gesichtspunkte eingeht.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27.3.2017 ‒ 2 BvR 681/17 ‒, NVwZ 2017, 1702 = juris, Rn. 12.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Dies hat das Verwaltungsgericht getan. Es hat die vom Kläger mit den vorgelegten bzw. benannten Informationen geltend gemachte Verschlechterung der Sicherheitslage in Pakistan sowohl im Tatbestand (Urteilsabdruck, Seite 3, zweiter Absatz) angeführt als auch in den Entscheidungsgründen (Urteilsabdruck, Seite 9, erster Absatz, bis Seite 10, erster Absatz) ausführlich gewertet. Dass es diesen Vortrag auf eine Weise gewürdigt hat, die nicht mit den subjektiven Vorstellungen des Klägers übereinstimmt, führt nicht auf einen Gehörsverstoß.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Auch der weitere Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht hätte den Sachverhalt von Amts wegen gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforschen müssen, beinhaltet keinen Verstoß gegen das rechtliche Gehör. Ein Aufklärungsmangel begründet grundsätzlich ‒ so auch hier ‒ weder einen Gehörsverstoß noch gehört er zu den sonstigen Verfahrensmängeln im Sinne der §§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, 138 VwGO. Dies gilt auch insoweit, als der gerichtlichen Aufklärungsverpflichtung verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.12.2016 ‒ 4 A 2203/15.A ‒, juris, Rn. 24 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">2. Die mit dem Zulassungsvorbringen geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellung bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem angestrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Für die Darlegung dieser Voraussetzungen ist neben der Formulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage erforderlich, dass der Zulassungsantrag konkret auf die Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Rechts- bzw. Tatsachenfrage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29.1.2016 – 4 A 2103/15.A –, juris, Rn. 2 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Eine auf tatsächliche Verhältnisse gestützte Grundsatzrüge erfordert überdies die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind. Insoweit ist es Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung von bestimmten begründeten Informationen, Auskünften, Presseberichten oder sonstigen Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Bewertungen in der Zulassungsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.2.2017 – 4 A 685/14.A –, juris, Rn. 5 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Antragsbegründung nicht. Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">ob in Pakistan aufgrund einer beabsichtigten Zwangsrekrutierung durch die Taliban oder Mullahs für den Jihad eine Möglichkeit besteht, Schutz durch die pakistanische Polizei zu erhalten,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">ob die Taliban und Mullahs ihren Krieg in die Städte und weitere Regionen in Pakistan, damit auch im Punjap, getragen haben und aufgrund einer Nachrichtensperre der Regierung kein Zugang zu Kampfgebieten ermöglicht wird,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">ob die terroristische Bedrohung durch die Taliban sich im Wesentlichen auf Teile der sogenannten Stammesgebiete in den FATA und in der Provinz Khyber-Pakhtunkhwa konzentriert oder Gesamt-Pakistan durch eine terroristische Bedrohung durch die Taliban betroffen ist,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">ob der Kläger als Privatperson Angriffen der Taliban ausgesetzt ist,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">führen nicht zur Berufungszulassung.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Der ersten Frage fehlt bereits die Entscheidungserheblichkeit. Der Kläger hatte weder gegenüber dem Bundesamt noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltend gemacht, vor seiner Ausreise aus Pakistan von einer Zwangsrekrutierung betroffen gewesen zu sein oder bei einer Rückkehr hiermit rechnen zu müssen. Vielmehr hatte er eine Verfolgung durch Mullahs wegen seiner Freundschaft mit Ahmadis angegeben. Insoweit hat das Verwaltungsgericht sein Vorbringen als unglaubhaft befunden (Urteilsabdruck, Seite 7, vorletzter Absatz) und ist überdies von einer unabhängig von polizeilichem Schutz bestehenden internen Schutzmöglichkeit ausgegangen (Urteilsabdruck, Seite 7, letzter Absatz, bis Seite 8). Dieser Annahme ist der Kläger nicht mit durchgreifenden Zulassungsgründen entgegen getreten.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Der Kläger legt die Klärungsbedürftigkeit der zweiten und dritten Frage nicht schlüssig dar. Es fehlt eine Auseinandersetzung mit der auf entsprechenden Erkenntnissen aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Mai 2016, beruhenden Annahme des Verwaltungsgerichts, für ihn bestehe bei Rückkehr nach Pakistan keine konkrete Gefahr, Opfer von Angriffen der Taliban oder anderer terroristischer Organisationen auf die Zivilbevölkerung zu werden oder in Auseinandersetzungen der staatlichen Sicherheitskräfte mit den Taliban einbezogen zu werden (Urteilsabdruck, Seite 9, zweiter Absatz). Auch unter Berücksichtigung der vom Kläger im Zulassungsantrag benannten Anschläge besteht angesichts der Größe und Bevölkerungszahl Pakistans kein Anhalt dafür, dass für ihn landesweit die konkrete Gefahr bestünde, Opfer eines entsprechenden Übergriffs zu werden. Er benennt nämlich schon keine entsprechenden Erkenntnisquellen, die die von ihm vorgetragenen Anschläge belegen, sondern verweist nur allgemein auf „öffentlich zugängliche Quellen“. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Senats, sondern obliegt aufgrund seiner Darlegungslast gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dem Kläger, diejenigen öffentlichen Quellen konkret zu benennen, die aus seiner Sicht für die Beantwortung der von ihm aufgeworfenen Fragen von Bedeutung sind.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der letzten Frage fehlt es an der Darlegung ihrer über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung. Darüber hinaus fehlen auch insoweit Darlegungen zu Erkenntnisquellen, aus denen sich ausreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass für Privatpersonen generell oder für eine Gruppe von Privatpersonen, zu der der Kläger gehört, landesweit die konkrete Gefahr bestehen könnte, Angriffen durch die Taliban ausgesetzt zu werden.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">3. Soweit der Kläger schließlich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend macht, scheitert eine Zulassung bereits daran, dass das Asylgesetz ‒ anders als § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ‒ einen daran anknüpfenden Zulassungsgrund nicht kennt.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 83b AsylG.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.</p>
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<p>Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 3.1.2018 wird abgelehnt.</p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 VwGO) liegt nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht dadurch verletzt, dass es ‒ so das Zulassungsvorbringen ‒ in dem angegriffenen Urteil Erkenntnisquellen verwendet habe, die ihm zuvor nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben worden seien.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Gebot rechtlichen Gehörs verlangt, dass das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt wird, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO). Die Verwertung von Tatsachen und Beweisergebnissen setzt deshalb voraus, dass diese von den Verfahrensbeteiligten oder vom Gericht im Einzelnen bezeichnet zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht oder sonst in das Verfahren eingeführt worden sind, und dass sich die Beteiligten hierzu äußern konnten. Dies gilt auch für die im Asylverfahren verwendeten Erkenntnisse.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.7.2001 ‒ 2 BvR 982/00 ‒, InfAuslR 2001, 463 = juris, Rn. 15 ff.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Dass das Verwaltungsgericht gegen diese Verpflichtung verstoßen haben könnte, legt der Kläger schon nicht dar. Das Verwaltungsgericht hat den in den Urteilsgründen zitierten Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand Mai 2016, dadurch zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, dass es die Beteiligten mit der Ladungsverfügung vom 21.8.2017 darauf hingewiesen hat, die Liste der Erkenntnisquellen, die berücksichtigt würden und zu denen der genannte Lagebericht gehört, sei auf der Internetseite des Gerichts unter <span style="text-decoration:underline">www.vg-aachen.nrw.de</span> (Aufgaben/Erkenntnislisten) einsehbar; auf Anfrage werde eine Erkenntnisliste übersandt. Zudem hat es in der mündlichen Verhandlung, bei der auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers zugegen war, die Auskünfte, Berichte und Gutachten, auf die die Beteiligten mit der Ladung hingewiesen worden sind, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Damit hatte der Kläger ausreichend Gelegenheit, sich Kenntnis über die relevanten Erkenntnisquellen im Internet, durch Anforderung in Papierform, Einsichtnahme oder durch Nachfrage in der mündlichen Verhandlung zu verschaffen. Unterlässt er dies, ist ihm die Gehörsrüge verwehrt. Denn ein Rechtssuchender muss die nach der jeweiligen prozessualen Lage gegebenen und zumutbaren prozessualen Möglichkeiten ausschöpfen, um sich das rechtliche Gehör zu verschaffen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.6.2017 ‒ 2 WD 6/17 u. a. ‒, Buchholz 450.2 § 121a WDO 2002 Nr. 1 = juris, Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 1.2.2018 ‒ 4 A 1763/15.A ‒, juris, Rn. 6 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Schon deshalb greift auch der Einwand des Klägers nicht durch, ihm habe zumindest die Möglichkeit eröffnet werden müssen, Kopien der in der Erkenntnisliste aufgeführten Materialien anzufertigen. Er macht nicht geltend, gegenüber dem Verwaltungsgericht um diese Möglichkeit nachgesucht zu haben. Im Übrigen reicht es nach Bezeichnung der in einem Verfahren möglicherweise zu verwertenden Erkenntnisse für die Gewährung rechtlichen Gehörs aus, wenn den Parteien eine Einsichtnahme möglich und zumutbar war.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.3.1997 ‒ 14 A 990/97.A ‒, NVwZ 1997, Beilage Nr. 11, 81 = juris, Rn. 8.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Kläger legt nicht dar, aufgrund welcher Umstände es ihm nicht zumutbar gewesen sein sollte, sich von dem Inhalt der Erkenntnisquellen durch eine vom Verwaltungsgericht ausdrücklich als Möglichkeit benannte Einsichtnahme bei Gericht Kenntnis zu verschaffen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus fehlt jeglicher Vortrag dazu, was der Kläger bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwieweit der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1.2.2018 ‒ 4 A 1763/15.A ‒, juris, Rn. 8 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Das Gebot des rechtlichen Gehörs ist auch nicht dadurch verletzt, dass das Verwaltungsgericht das vom Kläger vorgelegte Länderkurzinfo Pakistan von Amnesty International, Zitate von der Internetseite des Auswärtigen Amtes und Angaben des UNHCR nicht ausdrücklich in den Urteilsgründen berücksichtigt hat.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO verpflichten das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist indes grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht diesen Anforderungen genügt. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedes Vorbringen in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17.8.2017 – 4 A 1904/17.A –, juris, Rn. 2 ff., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Aus der Antragsbegründung ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht hiergegen verstoßen haben könnte. Eine Verpflichtung des Gerichts, sich mit allen von den Verfahrensbeteiligten angeführten Erkenntnisquellen ausdrücklich zu befassen, besteht nicht. Maßgeblich ist, dass das Gericht inhaltlich auf die relevanten und die von den Verfahrensbeteiligten vorgetragenen Gesichtspunkte eingeht.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27.3.2017 ‒ 2 BvR 681/17 ‒, NVwZ 2017, 1702 = juris, Rn. 12.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Dies hat das Verwaltungsgericht getan. Es hat die vom Kläger mit den vorgelegten bzw. benannten Informationen geltend gemachte Verschlechterung der Sicherheitslage in Pakistan sowohl im Tatbestand (Urteilsabdruck, Seite 3, dritter Absatz) angeführt als auch in den Entscheidungsgründen (Urteilsabdruck, Seite 9, letzter Absatz, bis Seite 10, vorletzter Absatz) ausführlich gewertet. Dass es diesen Vortrag auf eine Weise gewürdigt hat, die nicht mit den subjektiven Vorstellungen des Klägers übereinstimmt, führt nicht auf einen Gehörsverstoß.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Auch der weitere Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht hätte den Sachverhalt von Amts wegen gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforschen müssen, beinhaltet keinen Verstoß gegen das rechtliche Gehör. Ein Aufklärungsmangel begründet grundsätzlich ‒ so auch hier ‒ weder einen Gehörsverstoß noch gehört er zu den sonstigen Verfahrensmängeln im Sinne der §§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, 138 VwGO. Dies gilt auch insoweit, als der gerichtlichen Aufklärungsverpflichtung verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.12.2016 ‒ 4 A 2203/15.A ‒, juris, Rn. 24 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">2. Die von dem Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellung bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem angestrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Für die Darlegung dieser Voraussetzungen ist neben der Formulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage erforderlich, dass der Zulassungsantrag konkret auf die Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Rechts- bzw. Tatsachenfrage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29.1.2016 – 4 A 2103/15.A –, juris, Rn. 2 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Eine auf tatsächliche Verhältnisse gestützte Grundsatzrüge erfordert überdies die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind. Insoweit ist es Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung von bestimmten begründeten Informationen, Auskünften, Presseberichten oder sonstigen Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Bewertungen in der Zulassungsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.2.2017 – 4 A 685/14.A –, juris, Rn. 5 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Antragsbegründung nicht. Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">ob in Pakistan aufgrund einer beabsichtigten Zwangsrekrutierung durch die Taliban oder Mullahs für den Jihad eine Möglichkeit besteht, Schutz durch die pakistanische Polizei zu erhalten,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">ob die Taliban und Mullahs ihren Krieg in die Städte und weitere Regionen in Pakistan, damit auch im Punjap, getragen haben und aufgrund einer Nachrichtensperre der Regierung kein Zugang zu Kampfgebieten ermöglicht wird,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">ob die terroristische Bedrohung durch die Taliban sich im Wesentlichen auf Teile der sogenannten Stammesgebiete in den FATA und in der Provinz Khyber-Pakhtunkhwa konzentriert oder Gesamt-Pakistan durch eine terroristische Bedrohung durch die Taliban betroffen ist,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">ob der Kläger als Privatperson Angriffen der Taliban ausgesetzt ist,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">führen nicht zur Berufungszulassung.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Der ersten Frage fehlt bereits die Entscheidungserheblichkeit. Der Kläger hatte weder gegenüber dem Bundesamt noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltend gemacht, vor seiner Ausreise aus Pakistan von einer Zwangsrekrutierung betroffenen gewesen zu sein oder bei einer Rückkehr hiermit rechnen zu müssen. Vielmehr hatte er familiäre Streitigkeiten sowie wirtschaftliche Nöte als Fluchtgründe angegeben. Insoweit hat das Verwaltungsgericht sein Vorbringen als unglaubhaft befunden (Urteilsabdruck, Seite 7, vorletzter Absatz, bis Seite 8, zweiter Absatz) und ist überdies von einer unabhängig von polizeilichem Schutz bestehenden internen Schutzmöglichkeit ausgegangen ist (Urteilsabdruck, Seite 8, letzter Absatz, bis Seite 9, erster Absatz). Dieser Annahme ist der Kläger nicht mit durchgreifenden Zulassungsgründen entgegen getreten.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Er legt die Klärungsbedürftigkeit der zweiten und dritten Frage nicht schlüssig dar. Es fehlt eine Auseinandersetzung mit der auf entsprechenden Erkenntnissen aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Mai 2016, beruhenden Annahme des Verwaltungsgerichts, für ihn bestehe bei Rückkehr nach Pakistan keine konkrete Gefahr, Opfer von Angriffen der Taliban oder anderer terroristischer Organisationen auf die Zivilbevölkerung zu werden oder in Auseinandersetzungen der staatlichen Sicherheitskräfte mit den Taliban einbezogen zu werden (Urteilsabdruck, Seite 10, zweiter Absatz). Auch unter Berücksichtigung der vom Kläger im Zulassungsantrag benannten Anschläge besteht angesichts der Größe und Bevölkerungszahl Pakistans kein Anhalt dafür, dass für ihn landesweit die konkrete Gefahr bestünde, Opfer eines entsprechenden Übergriffs zu werden. Er benennt nämlich schon keine entsprechenden Erkenntnisquellen, die die von ihm vorgetragenen Anschläge belegen, sondern verweist nur allgemein auf „öffentlich zugängliche Quellen“. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Senats, sondern obliegt aufgrund seiner Darlegungslast gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dem Kläger, diejenigen öffentlichen Quellen konkret zu benennen, die aus seiner Sicht für die Beantwortung der von ihm aufgeworfenen Fragen von Bedeutung sind.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der letzten Frage fehlt es an der Darlegung ihrer über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung. Darüber hinaus fehlen auch insoweit Darlegungen zu Erkenntnisquellen, aus denen sich ausreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass für Privatpersonen generell oder für eine Gruppe von Privatpersonen, zu der der Kläger gehört, landesweit die konkrete Gefahr bestehen könnte, Angriffen durch die Taliban ausgesetzt zu werden.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">3. Soweit der Kläger schließlich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend macht, scheitert eine Zulassung bereits daran, dass das Asylgesetz ‒ anders als § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ‒ einen daran anknüpfenden Zulassungsgrund nicht kennt.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 83b AsylG.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.</p>
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<p>Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 7.2.2018 wird abgelehnt.</p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die mit dem Zulassungsvorbringen ausschließlich geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellung bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem angestrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Für die Darlegung dieser Voraussetzungen ist neben der Formulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage erforderlich, dass der Zulassungsantrag konkret auf die Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Rechts- bzw. Tatsachenfrage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29.1.2016 – 4 A 2103/15.A –, juris, Rn. 2 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Eine auf tatsächliche Verhältnisse gestützte Grundsatzrüge erfordert überdies die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind. Insoweit ist es Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung von bestimmten begründeten Informationen, Auskünften, Presseberichten oder sonstigen Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Bewertungen in der Zulassungsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.2.2017 – 4 A 685/14.A –, juris, Rn. 5 f., m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Antragsbegründung nicht. Die vom Kläger aufgeworfene Frage,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">„ob in vergleichbaren Fällen in Bezug auf die Rückkehr von Asylsuchenden nach Pakistan auf die mangelnde Gewährung des Existenzminimums eine Abschiebung rechtmäßig ergehen kann im Hinblick auf einen Verstoß gegen Art. 3 und 8 EMRK i. V. m. § 60 Abs. 5 AufenthG“,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">führt nicht zur Berufungszulassung. Der Kläger legt die Klärungsbedürftigkeit der Frage nicht schlüssig dar.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Mit den Schilderungen zu den politischen, gesellschaftlichen und sozialen Verhältnissen in Pakistan, die dazu führten, dass für den Kläger kein lebenswertes Leben im Hinblick auf Ernährung, Arbeit, medizinische Versorgung und Wohnung in Pakistan bestehe, erschüttert er nicht die der Begründung des Ablehnungsbescheids des Bundesamts folgende Einschätzung des Verwaltungsgerichts, er könne sein Existenzminimum aufgrund seiner Jugend, Arbeitsfähigkeit und der Möglichkeit einer Wiederaufnahme der vor der Ausreise ausgeübten handwerklichen Tätigkeit sicherstellen. Es besteht auch unter Berücksichtigung seiner Schilderung zu den Verhältnissen in Pakistan kein Anhalt dafür, dass einem Rückkehrer nach Pakistan die Sicherstellung seines Existenzminimums generell nicht möglich oder unzumutbar sein oder aber die konkrete Gefahr einer Verletzung seines Privat- und Familienlebens bestehen könnte. Insoweit benennt der Kläger bereits keine Erkenntnisquellen, aus denen sich eine generell fehlende Existenzsicherungsmöglichkeit für junge und arbeitsfähige Rückkehrer ergeben könnte. Es ist nicht Aufgabe des Senats, sondern obliegt aufgrund seiner Darlegungslast gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dem Kläger, diejenigen Informationen aufzufinden und konkret zu benennen, die aus seiner Sicht für die Beantwortung der von ihm aufgeworfenen Frage von Bedeutung sind.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 83b AsylG.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.</p>
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<a name="focuspoint"><!--BeginnDoc--></a><div id="bsentscheidung"><div>
<h4 class="doc">Tenor</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - Einzelrichterin der 4. Kammer - vom 6. März 2018 geändert.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Klage wird vollumfänglich abgewiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Beschluss ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Beschlusses vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in der Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
</div></div>
<h4 class="doc">Gründe</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>I.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Der Kläger, dem in Italien der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig sowie die Androhung seiner Abschiebung nach Italien und begehrt die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in Bezug auf Italien.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Der Kläger, der Personalpapiere seines Heimatlands nicht vorgelegt hat, ist somalischer Staatsangehöriger und wurde nach seinen Angaben im vorliegenden Verfahren 1990 in C. geboren. Der Kläger reiste am 27. Februar 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wobei er in Begleitung einer ebenfalls somalischen Staatsangehörigen war, die er während seines Aufenthaltes in den Niederlanden kennengelernt und dort traditionell geheiratet hatte. Das Paar meldete sich am selben Tag als asylsuchend. Am 18. August 2015 wies der Landkreis Diepholz, dem der Kläger und seine Partnerin zugewiesen worden waren, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) darauf hin, dass noch kein Asylantrag aufgenommen worden sei. Am 25. April 2016 konnte das Paar beim Bundesamt einen Asylantrag stellen. Der Kläger gab in dem dort geführten persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens an, sein Heimatland im Jahr 2013 verlassen zu haben und über verschiedene afrikanische Staaten zunächst nach Libyen gereist zu sein. Im Mai 2014 sei er über Sizilien nach Italien eingereist, wo er sich etwa sieben Monate in Rom aufgehalten habe. Er habe weder in einem anderen Mitgliedstaat internationalen Schutz beantragt oder zuerkannt bekommen noch seien ihm in einem anderen Mitgliedstaat Fingerabdrücke abgenommen worden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Eine Anfrage vom selben Tag ergab für den Kläger drei Eurodac-Treffer, einen für Italien (Sassari auf Sardinien 7. Juni 2011) und zwei für die Niederlande (Ter Apel 20. Juni 2012 sowie 23. Juni 2014).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Bei seiner erneuten Befragung am 26. Mai 2016 erklärte der Kläger, nicht nach Italien überstellt werden zu wollen. Er sei dort ein Jahr gewesen. Er habe bei jedem Wetter draußen geschlafen. Er habe dort nichts erhalten. Er habe dort weder zur Schule noch arbeiten gehen können. Die Situation würde bei seiner Rückkehr genauso sein. Er habe in Italien ein Interview gehabt und sei auch anerkannt worden. Anschließend habe er von den Behörden nichts mehr gehört. Sie hätten ihm keine Unterstützung, keine Arbeit, nichts gegeben. Er habe in Italien durch Betteln und einmaliges tägliches Essen bei der Kirche gelebt. Das sei kein Leben. Er habe sich in einer Schlange anstellen müssen. Arbeit habe er in Italien nicht gefunden, obwohl er überall angeklopft habe. Seine beiden in den Niederlanden gestellten Asylanträge seien abgelehnt worden, mit welcher Begründung, wisse er nicht. In den Niederlanden sei es noch schlimmer gewesen. Es sei kalt gewesen, sie hätten auf dem kalten Boden schlafen müssen. Er sei 2012 in den Niederlanden gewesen und habe dort Asyl beantragt. Nach einem Monat habe er die Antwort bekommen, dass er die Niederlande verlassen müsse, sonst würde er mit Polizeigewalt nach Italien überstellt. Er habe dann dort zwei Jahre auf der Straße gelebt. 2014 sei er erneut abgelehnt worden. Man habe ihn bedroht und er habe die Flucht ergriffen. Er wolle noch sagen, dass er aus seiner Heimat geflohen und seit sechs Jahren in Europa nur am Durchhängen sei. Ein Land schmeiße ihn in das nächste. Er wolle, dass ihm Deutschland eine Chance gebe. Er bitte darum, dass er sein Leben in Würde organisieren, dass er hier lernen und arbeiten könne. Der Kläger führte bei seiner Anhörung auch noch an, eine Schilddrüsenunterfunktion zu haben, die in Deutschland medikamentös eingestellt worden sei. Schon in Somalia habe er psychische Probleme gehabt, gegen die er in Italien Beruhigungstabletten bekommen habe. Seitdem es ihm mit seiner Schilddrüse bessergehe, nehme er keine Medikamente gegen psychische Beschwerden mehr ein. Er habe allerdings noch Magenprobleme. So bekomme er bei Stress Magenschmerzen und nach dem Essen Durchfall.</p></dd>
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<dl class="RspDL">
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<dd><p></p></dd>
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<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Auf ein an Italien gerichtetes Wiederaufnahmegesuch teilten die dortigen Asylbehörden mit Schreiben vom 17. Juni 2016 mit, dass dem Kläger unter Aliaspersonalien und mit dem angegebenen Geburtsjahr 1993 am 22. Juli 2014 der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt und eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden sei.</p></dd>
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<dl class="RspDL">
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<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Nach Abtrennung des Asylverfahrens der Partnerin des Klägers lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 5. September 2017 (Gesch.-Z.: 5924962-273) dessen Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass in seinem Falle Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2), drohte ihm für den Fall der Nichteinhaltung einer auf 30 Tage festgelegten Ausreisefrist die Abschiebung nach Italien oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat an (Ziffer 3 Sätze 1 bis 3), stellte hinsichtlich Somalias ein Abschiebungsverbot fest (Ziffer 3 Satz 4) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4). Auf die Begründung des Bescheides wird Bezug genommen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
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<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Am 8. September 2017 hat der Kläger Klage erhoben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne ein vor dem 20. Juli 2015 gestellter Asylantrag nicht allein deswegen als unzulässig behandelt werden, weil dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits subsidiärer Schutz gewährt worden sei (BVerwG, Beschluss vom 23.10.2015 - 1 B 41.15 -, juris Leitsatz 1 und Rn. 11 f.). Er, der Kläger, habe noch vor dem Stichtag sein Asylgesuch geäußert. Auf die formelle Antragstellung am 25. April 2016 komme es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht an (EuGH, Urteil vom 26.07.2017 - C-670/16 -, juris Leitsatz 3 und Rn. 75 ff.). Auch sei ihm in Italien nur der subsidiäre Schutz zuerkannt worden. Die Anerkennung als Flüchtling könne er daher weiterhin begehren. Darüber hinaus drohe ihm im Fall seiner Rückführung nach Italien dort eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (im Folgenden: EMRK) sowie ernsthafte und konkrete Gefahren für Leib und Leben. Wie er bereits beim Bundesamt angeführt habe, habe ihm nach der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus keinerlei sozialrechtliche Absicherung mehr zugestanden. Dies entspräche den allgemeinen Erkenntnissen über das italienische Aufnahmesystem. Zumindest sei die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu dem Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2017 im Verfahren 1 C 26.16 (BVerwG, Vorlagebeschluss vom 27.06.2017 - 1 C 26/16 -, juris) abzuwarten. Der Kläger hat zudem ein Ärztliches Attest einer hausärztlichen Praxis vom 3. Juni 2016 vorgelegt, nach dem er sich dort seit April 2015 aufgrund einer chronischen Schilddrüsenerkrankung in Behandlung befand. Bescheinigt wird, dass der Kläger regelmäßige Blutkontrollen und die dauerhafte Einnahme von Schilddrüsenmedikamenten benötige.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
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<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p style="margin-left:72pt">1. den Bescheid der Beklagten vom 5. September 2017 (Gesch.-Z.: 5924962-273) bis auf dessen Ziffer 3 Satz 4 aufzuheben,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p style="margin-left:72pt">2. festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthaltG vorliegen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p style="margin-left:54pt">die Klage abzuweisen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Durch Urteil vom 6. März 2018 (4 A 8102/17), das im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, hat das Verwaltungsgericht Hannover - Einzelrichterin der 4. Kammer - die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 2, 3 Sätze 1 bis 3 und 4 des Bundesamtsbescheids vom 5. September 2017 verpflichtet festzustellen, dass für den Kläger hinsichtlich Italiens ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Den Asylantrag des Klägers habe das Bundesamt auf der Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zu Recht als unzulässig abgelehnt. Der Kläger habe seinen Asylantrag erst nach dem Stichtag 20. Juli 2015 gestellt. Der Kläger habe jedoch hinsichtlich Italiens einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Daher erweise sich auch die auf §§ 34, 35, 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestützte Abschiebungsandrohung als rechtswidrig. Die Abschiebung des Klägers nach Italien verstoße gegen Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden dürfe. Eine solche Behandlung drohe dem Kläger im Falle seiner Überstellung nach Italien aufgrund der dortigen Lebensverhältnisse für Personen, denen in Italien internationaler Schutz gewährt worden sei und die vollständig auf staatliche Hilfe angewiesen seien, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Auf Antrag der Beklagten hat der Senat durch Beschluss vom 24. April 2018 (10 LA 173/18) die Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil wegen (nachträglicher) Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) zugelassen, soweit der Klage stattgegeben worden ist. Denn der Senat hatte mit - zwischenzeitlich rechtskräftigem - Grundsatzurteil vom 6. April 2018 entschieden, dass die Aufnahmebedingungen für in Italien bereits anerkannte Schutzberechtigte keine systemischen Mängel aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) und Art. 3 EMRK bei ihrer Rücküberstellung nach Italien begründen (Senatsurteil vom 06.04.2018 - 10 LB 109/18 -, juris Leitsatz und Rn. 25 ff.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>Mit Schriftsatz vom 26. April 2018, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat die Beklagte die Berufung begründet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p style="margin-left:54pt">das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 6. März 2018 (Az.: 4 A 8102/17) zu ändern und die Klage abzuweisen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>Der Kläger beantragt schriftsätzlich,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p style="margin-left:54pt">die Berufung zurückzuweisen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p>Der Rechtsprechung des Senats könne nicht in allen Punkten gefolgt werden. Zudem habe er - anders als der Kläger in dem Verfahren 10 LB 109/18 - schon zu seiner Zeit in Italien keinen Zugang mehr zu sozialer Absicherung gehabt, weil er den ihm zugestandenen Zeitraum in der Unterkunft überschritten habe.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>Der Kläger hat zudem am 18. Mai 2018 Anschlussberufung gegen den klageabweisenden Teil des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 6. März 2018 (Az.: 4 A 8102/17) eingelegt. Die erkennende Einzelrichterin habe verkannt, dass die Beklagte deswegen an der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig gehindert sein könnte, weil die Ausgestaltung des internationalen Schutzes, namentlich die Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge in Italien, den Anforderungen der Art. 20 ff. der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (im Folgenden: Qualifikationsrichtlinie) nicht genüge, ohne bereits gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK zu verstoßen. Es sei bisher höchstrichterlich nicht geklärt, ob die sozialrechtliche Ausgestaltung der Lebensbedingungen in Italien der Ablehnung des Asylantrags eines dort anerkannten Flüchtlings entgegenstehe. Insoweit werde nochmals auf das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2017 im Verfahren 1 C 26.16 (a.a.O.) hingewiesen. Auch habe das Bundesverwaltungsgericht dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob ein Antrag als unzulässig abgelehnt werden könne, obwohl in dem anderen Mitgliedstaat aufgrund fehlender Integrationsprogramme allenfalls eine formale Inländergleichbehandlung bestehe und die Rechte aus der Qualifikationsrichtlinie daher faktisch nicht gewährleistet würden (BVerwG, Vorlagebeschluss vom 02.08.2017 - 1 C 2/17 -, juris).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p>Der Kläger beantragt schriftsätzlich,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p style="margin-left:54pt">Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 5. September 2017 aufzuheben und das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben, soweit es dem entgegensteht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_24">24</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte hat zu der ihr am 30. Mai 2018 zugestellten Anschlussberufung des Klägers keine Stellungnahme abgegeben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_25">25</a></dt>
<dd><p>Mit Schreiben vom 14. November 2018 ist den Beteiligten unter Verweis auf das Senatsurteil vom 6. April 2018 (10 LB 109/18, a.a.O.) angekündigt worden, dass der Senat beabsichtige, sowohl über die Berufung der Beklagten als auch über die Anschlussberufung des Klägers durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO zu entscheiden. Im Falle des Klägers abweichende Besonderheiten seien nicht ersichtlich. Die von ihm angeführten Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2017 (1 C 26.16, a.a.O.) und 2. August 2018 (1 C 2/17, a.a.O.) seien nicht einschlägig.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_26">26</a></dt>
<dd><p>Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2018 hat der Kläger geltend gemacht, bei der Entscheidung sei noch zu berücksichtigen, dass die italienische Regierung ihrem Unwillen, Geflüchtete adäquat zu versorgen, nunmehr auch durch das - zwischenzeitlich Gesetz gewordene - so genannte Salvini-Dekret (Dekret n. 113 vom 4. Oktober 2018) Ausdruck verliehen habe. Das Dekret habe insbesondere massive Einschränkungen beim Zugang zu einer Unterbringung (v.a. für anerkannte Schutzberechtigte) zur Folge. Nach alledem könne nicht mehr von der Einhaltung der Garantien aus der Qualifikationsrichtlinie die Rede sein. Zumindest bleibe die Bewertung der Lage durch den Europäischen Gerichtshof abzuwarten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_27">27</a></dt>
<dd><p>Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>II.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_28">28</a></dt>
<dd><p>Die Berufung der Beklagten hat Erfolg (I.); die Anschlussberufung des Klägers bleibt erfolglos (II.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_29">29</a></dt>
<dd><p>Der Senat trifft diese Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss (§ 130a Satz 1 VwGO), weil er die Berufung einstimmig für begründet und die Anschlussberufung einstimmig für unbegründet und jeweils eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Hierzu sind die Beteiligten - wie von § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO gefordert - vorher gehört worden. Die Beklagte hat sich schriftsätzlich mit dem angekündigten Vorgehen ausdrücklich einverstanden erklärt. Der Kläger hat nur in der Sache vorgetragen. Dass er eine mündliche Verhandlung für erforderlich hält, hat er in dem Schriftsatz vom 16. Dezember 2018 nicht geltend gemacht. Einer Entscheidung des Senats nach § 130a Satz 1 VwGO steht auch nicht entgegen, dass schon vor dem Verwaltungsgericht keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begründen weder Art. 103 Abs. 1 GG noch § 108 Abs. 2 VwGO einen Anspruch darauf, dass das rechtliche Gehör gerade in der mündlichen Verhandlung gewährt werden muss. Allerdings ergibt sich aus den Vorschriften zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid (§ 84 Abs. 2 und 3 VwGO), dass der Gesetzgeber dem Rechtssuchenden im Verwaltungsprozess einen mit wenigstens einer mündlichen Verhandlung versehenen Rechtszug gewährleisten wollte. Dies kann zu einer Einschränkung des dem Berufungsgericht im Rahmen von § 130a VwGO zustehenden Ermessens in der Weise führen, dass es u.a. dann von der Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss absehen muss, wenn das Verwaltungsgericht verfahrensfehlerhaft ohne mündliche Verhandlung entschieden hat. Haben die Beteiligten dagegen in der ersten Instanz freiwillig und ausdrücklich auf eine mündliche Verhandlung verzichtet (§ 101 Abs. 2 VwGO), steht dem Berufungsgericht die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 130a VwGO offen (BVerwG, Beschluss vom 12.09.2018 - 1 B 50.18 u.a., juris Rn. 24 m.w.N.). Dies war hier der Fall. Kläger und Beklagte hatten auf eine entsprechende Anfrage der Berichterstatterin erstinstanzlich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts nach § 101 Abs. 2 VwGO erklärt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_30">30</a></dt>
<dd><p>Maßgebliche Frage im vorliegenden Berufungsverfahren ist, wie auch schon im Verfahren der ersten Instanz, ob in Italien systemische Mängel vorliegen, die einer Abschiebung des Klägers dorthin entgegenstehen. Der Senat hat in dem bereits angeführten Verfahren 10 LB 109/18 aufgrund der dortigen mündlichen Verhandlung vom 6. April 2018 mit in juris veröffentlichtem Urteil vom selben Tag grundsätzlich entschieden, dass dies für anerkannte Schutzberechtigte ohne wesentliche gesundheitliche Einschränkungen - wie den Kläger - nicht der Fall ist. Wegen der Grundsatzentscheidung des Senats ist vorliegend bereits durch Beschluss vom 24. April 2018 (10 LA 173/18) die Berufung zugelassen worden. Zuletzt wurde der Kläger mit der Anhörung gemäß § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf sie hingewiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_31">31</a></dt>
<dd><p>Der Kläger hat keine Rechtsfragen aufgeworfen oder Tatsachen benannt, die eine Erörterung, seine persönliche Anhörung oder gar eine Beweisaufnahme in einer mündlichen Verhandlung erforderlich machen würden. Die allgemeine Lage für zurückkehrende anerkannte Schutzberechtigte in Italien hat der Senat mit seiner Entscheidung vom 6. April 2018 festgestellt. Zwar vertritt der Kläger im Berufungsverfahren die Auffassung, der Rechtsprechung des Senats könne nicht in allen Punkten gefolgt werden. Er hat aber - wie noch näher dargelegt werden wird - keine in dem Senatsurteil nicht bereits berücksichtigten relevanten Umstände oder entscheidungserhebliche individuelle Gesichtspunkte vorgetragen. Soweit der Kläger eigene Erfahrungen in Italien geschildert hat, kann aus diesen bereits nicht auf die Gesamtsituation in Italien für zurückkehrende anerkannte Schutzberechtigte geschlossen werden, so dass sie nicht geeignet sind, die grundsätzliche Beurteilung des Senats zur Lage in Italien in Frage zu stellen. Die Glaubhaftigkeit der Ausführungen des Klägers kann daher dahingestellt bleiben, wenngleich anzumerken ist, dass sich der Kläger, der nach seinen Angaben bei seiner zweiten Anhörung vor dem Bundesamt am 26. Mai 2016 bereits sechs Jahre zuvor nach Europa gekommen sein will und im Juni 2012 seinen ersten Asylantrag in den Niederlanden gestellt hat, insgesamt erheblich länger als ein Jahr in Italien aufgehalten haben muss. Auch ist nicht ersichtlich - wie ebenfalls noch ausgeführt werden wird -, dass sich die Umstände in Italien seit dem Urteil des Senats vom 6. April 2018 in entscheidungserheblicher Weise verändert hätten (vgl. bereits Senatsbeschlüsse vom 06.08.2018 - 10 LA 320/18 -, juris Leitsatz und Rn. 6 f. - zu Dublin-Rückkehrern -, und vom 12.09.2018 - 10 LA 345/18 -, nicht veröffentlicht, Urteilsabdruck Seite 4/5 - zu anerkannten Schutzberechtigten -). Eine sachgerechte Entscheidung des Streitfalls ist dem Senat daher aufgrund der Aktenlage und der vorhandenen Erkenntnismittel möglich (vgl. dazu auch BVerwG, Beschluss vom 03.12.2012 - 2 B 32.12 -, juris Rn. 6, und Urteil vom 09.12.2010 - 10 C 13.09 -, juris Rn. 23).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_32">32</a></dt>
<dd><p>I. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht unter Aufhebung der Ziffern 2, 3 Sätze 1 bis 3 und 4 des Bescheids des Bundesamts vom 5. September 2017 verpflichtet, für den Kläger hinsichtlich Italiens das Vorliegen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG festzustellen. Der angefochtene Bescheid verletzt den Kläger (auch) bezüglich seiner Ziffern 2, 3 Sätze 1 bis 3 und 4 nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5, Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insbesondere ist die Feststellung, dass im Falle des Klägers Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, auch in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats rechtmäßig. Insoweit ist Folgendes auszuführen:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_33">33</a></dt>
<dd><p>1. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dem Kläger stehe ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zur Seite, weil seine Abschiebung nach Italien gegen Art. 3 EMRK verstoße, überzeugt nicht. Denn es sind keine hinreichenden Gründe für die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC bzw. dem übereinstimmenden Art. 3 EMRK bei Rückkehr nach Italien feststellbar. Hierzu hat der Senat in seinem Urteil vom 6. April 2018 (10 LB 109/18, a.a.O., Rn. 27 ff.) ausgeführt:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_34">34</a></dt>
<dd><table class="Rsp" style="margin-left:18pt">
<tr><th colspan="1" rowspan="1"></th></tr>
<tr><td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="text-align:left"> „Bei der Prüfung, ob Italien hinsichtlich der Behandlung von rücküberstellten Schutzberechtigten gegen Art. 3 EMRK verstößt, ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 –, juris Rn. 28). Denn Italien unterliegt als Mitgliedstaat der Europäischen Union deren Recht und ist den Grundsätzen einer gemeinsamen Asylpolitik sowie den Mindeststandards des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verpflichtet. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden. Daraus hat der Europäische Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 –, Rn. 80). Diese Vermutung ist zwar nicht unwiderleglich. Eine Widerlegung der Vermutung hat der Europäische Gerichtshof aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU (Abl. 2013, L 180/96), die Qualifikationsrichtlinie oder die Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU (Abl. 2013, L 180/60) genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bzw. anerkannte Schutzberechtigte im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Personen im Sinne von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 – 10 B 6.14 –, juris Rn. 6).<br>Für das in Deutschland – im Unterschied zu anderen Rechtssystemen – durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 – 10 C 5.09 –, BVerwGE 136, 377, Rn. 22 m.w.N.) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Dies entspricht dem Maßstab des „real risk“ in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28.02.2008 – Nr. 37201/06, Saadi –, NVwZ 2008, 1330, Rn. 129; BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 – 10 C 23/12 –, juris Rn. 32). Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 –, Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der oben genannten Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 – 10 B 6.14 –, juris Rn. 9).<br>Das erfordert eine aktuelle Gesamtwürdigung der zur jeweiligen Situation vorliegenden Berichte und Stellungnahmen, wobei regelmäßigen und übereinstimmenden Berichten von internationalen Nichtregierungsorganisationen besondere Bedeutung zukommt (BVerfG, Beschluss vom 21.04.2016 – 2 BvR 273/16 –, juris Rn. 11; vgl. auch EuGH, Urteil vom 21.12.2011, – C-411/10 und C-493/10 –, juris Rn. 90 f.). Das gilt insbesondere für die Stellungnahmen des UNHCR angesichts der Rolle, die diesem in Hinblick auf die Überwachung der Einhaltung der GFK (vgl. dort Art. 35) übertragen worden ist (vgl. EuGH, Urteil vom 30.05.2013 – C-528/11 –, juris Rn. 44).<br>Zur Bestimmung der wesentlichen Kriterien für das Vorliegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ist auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu dem mit Art. 4 EUGrCh übereinstimmenden Art. 3 EMRK zurückzugreifen (Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 –, juris Rn. 31; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 25.06.2015 – 11 LB 248/14 –, juris Rn. 43; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 – 1 A 21/12.A –, juris Rn. 112). Eine Behandlung ist unmenschlich, wenn sie absichtlich über Stunden erfolgt und entweder tatsächliche körperliche Verletzungen oder schwere körperliche oder psychische Leiden verursacht. Als erniedrigend ist eine Behandlung dann anzusehen, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert oder wenn sie Gefühle der Furcht, Angst oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder psychischen Widerstand der Person zu brechen (EGMR, Urteil vom 21.01.2011 – 30696/09 –, M.S.S./Belgium and Greece, NVwZ 2011, 413, Rn. 220). Die Behandlung bzw. Misshandlung muss dabei, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen, einen Mindestgrad an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist allerdings relativ, hängt also von den Umständen des Falles ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung und ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie mitunter auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers (EGMR, Urteil vom 21.01.2011, a.a.O., Rn. 219).<br>Im Hinblick auf die Situation rücküberstellter Schutzberechtigter ist ferner zu beachten, dass Art. 3 EMRK die Vertragsstaaten nicht aus sich heraus dazu verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen und Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch den Vertragsstaat zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Personen auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen. Anerkannte Schutzberechtigte müssen sich deshalb auf den für alle italienischen Staatsangehörigen vorhandenen Lebensstandard verweisen lassen (vgl. Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 –, juris Rn. 32; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.08.2016 – 3 L 94/16 –, juris Rn. 9 und 11). Durch Missstände im sozialen Bereich wird die Eingriffsschwelle von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EUGrCh mithin nur unter strengen Voraussetzungen überschritten (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 10.03.2017 – 2 ME 63/17 –). Es ist aber jedenfalls mit Art. 3 EMRK unvereinbar, wenn sich ein Asylbewerber, der von staatlicher Unterstützung vollständig abhängig ist und sich in einer gravierenden Mangel- oder Notsituation befindet, staatlicher Gleichgültigkeit ausgesetzt sieht (vgl. EGMR, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 53). Die Verpflichtung zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung kann sich ferner aus europarechtlichen Verpflichtungen wie der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) ergeben (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011, a.a.O., Rn. 249-250; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 15.11.2016 – 8 LB 92/15 –, juris, und Beschluss vom 20.12.2016 – 8 LB 184/15 –, juris Rn. 57 m.w.N.). Die Qualifikationsrichtlinie garantiert anerkannten Flüchtlingen den Zugang zu Sozialhilfeleistungen und zu medizinischer Versorgung zu denselben Bedingungen wie Staatsangehörigen des aufnehmenden Staats (Art. 29 Abs. 1 und 30 Abs. 1) sowie den Zugang zu Wohnraum zu gleichwertigen Bedingungen wie sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörigen (Art. 32 Abs. 1).<br>Zusammenfassend liegt eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK (insbesondere) vor, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung mit Blick auf das Gewicht und das Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass der Betroffene in dem Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) - im Unterschied zu den Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats - nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 –, juris Rn. 32 und 34; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 20.12.2016 – 8 LB 184/15 –, juris Rn. 36) und der betreffende Mitgliedstaat dem mit Gleichgültigkeit begegnet, weil er auf die gravierende Mangel- und Notsituation nicht mit (geeigneten) Maßnahmen reagiert (Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 32 und 40).<br>Nach diesen strengen Maßstäben bestehen in Italien keine grundlegenden Defizite im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte, da diese in ihrer Gesamtheit zur Überzeugung des Senats nicht die Annahme rechtfertigen, dass anerkannten Schutzberechtigten – wie dem Kläger – bei einer Abschiebung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK droht (ebenfalls eine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK für rücküberstellte anerkannte Schutzberechtigte verneinend: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.08.2016 – 13 A 63/16. A –, juris Rn. 51 ff; VG Braunschweig, Urteil vom 26.09.2017 – 7 A 338/16 –, juris Rn. 57 ff.).<br>Für Dublin-Rückkehrer, die in Italien noch keinen Schutzstatus erhalten haben, hat der Senat in seinem Urteil vom 4. April 2018 (- 10 LB 96/17 -, juris) systemische Mängel in den Aufnahmebedingungen und die beachtliche Wahrscheinlichkeit von Verstößen gegen Art. 4 EUGrCh und Art. 3 EMRK ebenfalls verneint. Anerkannte Schutzberechtigte befinden sich nach ihrer Rückkehr nach Italien hinsichtlich des Zugangs zu Wohnraum und zu den Leistungen zum Lebensunterhalt zwar in einer schwierigeren Situation als Dublin-Rückkehrer, die noch keinen Schutzstatus erhalten haben, doch auch in ihrem Fall können systemische Mängel in den Aufnahmebedingungen, die eine Verletzung von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK begründen, nicht festgestellt werden. Auch die Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie sind für diesen Personenkreis erfüllt. Dies ergibt sich aus Folgendem:<br>Anerkannte Schutzberechtigte erhalten eine Aufenthaltsbewilligung, die 5 Jahre gültig ist, bei Ablauf in der Regel automatisch verlängert wird (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, Seite 31, und Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 34) und Zugang zum Arbeitsmarkt bzw. zu einer Berufsausbildung verschafft (BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, Seite 3). Sie können mit dieser Aufenthaltsbewilligung ein- und ausreisen und sich in Italien ohne Einschränkungen bewegen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 33).<br>Sie sind bezüglich der sozialen Rechte und dem Zugang zu Sozialleistungen den italienischen Staatsangehörigen völlig gleichgestellt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 35, und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 3). Angesichts dessen, dass das italienische Sozialsystem nicht dem deutschen Sozialsystem vergleichbar ausgestaltet ist und sowohl für anerkannte Flüchtlinge als auch für italienische Staatsangehörige gleichermaßen deutlich weniger Fürsorgeleistungen vorhält, bedeutet dies aber auch, dass von ihnen grundsätzlich erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seiten 35 und 49, und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 1). Soweit es danach im Bereich der Versorgung mit einer Unterkunft und mit den Leistungen zum Lebensunterhalt – wie im Folgenden dargestellt wird – zu Problemen kommen kann, ergeben sich daraus keine systemischen Mängel in den Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte, die eine Verletzung von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK begründen (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.08.2016 – 13 A 63/16. A –, juris Rn. 55 ff.). Denn Art. 3 EMRK ist nach dem oben dargestellten Maßstab im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Verhalten eines Staates, der mit Gleichgültigkeit auf eine gravierende Mangel- und Notsituation reagiert, und begründet beispielsweise keinen individuellen Anspruch auf Versorgung mit einer Wohnung oder die allgemeine Verpflichtung, Flüchtlinge finanziell zu unterstützen. Anerkannte Schutzberechtigte müssen sich insbesondere auf die für alle italienischen Staatsangehörigen geltenden Voraussetzungen und Einschränkungen hinsichtlich des Empfangs von Sozialleistungen verweisen lassen (sogenannte Inländergleichbehandlung).<br>Höhere Anforderungen an die Versorgung von anerkannten Flüchtlingen ergeben sich auch nicht aus der Qualifikationsrichtlinie. Denn nach deren Art. 29 Abs. 1 tragen die Mitgliedstaaten “nur“ dafür Sorge, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, in dem Mitgliedstaat, der diesen Schutz gewährt hat, die notwendige Sozialhilfe – wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats – erhalten. Nach Art. 30 Abs. 1 der Richtlinie tragen die Mitgliedstaaten ferner dafür Sorge, dass diese Personen zu denselben Bedingungen – wie Staatsangehörige des ihren Schutz gewährenden Mitgliedstaats – Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Schließlich muss nach Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie auch der Zugang zu Wohnraum “nur“ unter den Bedingungen gewährleistet werden, die den Bedingungen gleichwertig sind, die für andere Drittstaatsangehörige gelten, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufhalten. Da Italien anerkannte Schutzberechtigte im Hinblick auf die Sozialleistungen genauso behandelt wie seine eigenen Staatsangehörigen, scheidet deshalb auch ein Verstoß gegen die Qualifikationsrichtlinie von vornherein aus (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.08.2016 – 13 A 63/16. A –, juris Rn. 58).<br>Demgegenüber kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass Flüchtlinge, die die Landessprache oft nur unzureichend beherrschen, über kein familiäres Netzwerk in Italien verfügen, das sie bei fehlenden staatlichen Leistungen auffangen könnte, und sie insofern faktisch schlechter gestellt sind als die italienischen Staatsangehörigen. Denn dies ändert nichts daran, dass sie den Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie entsprechend dieselben rechtlichen und tatsächlichen Zugangsmöglichkeiten zu den Sozialleistungen haben wie italienische Staatsangehörige. Im Unterschied beispielsweise zu der Lage in Bulgarien (siehe hierzu Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 36 ff, 45 ff. und 49 ff.) werden sie nämlich nicht durch die rechtliche und tatsächliche Ausgestaltung des Zugangs zu den Sozialleistungen von diesen ausgeschlossen.<br>Davon abgesehen dürften auch viele italienische Staatsangehörige in der heutigen Zeit über kein ausreichendes familiäres Netzwerk mehr verfügen, das sie im Falle der Bedürftigkeit auffängt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass gerade auch anerkannte Flüchtlinge Zugang zu den Hilfeleistungen kommunaler und karitativer Einrichtungen sowie der Nichtregierungsorganisationen (NGO’s) haben, die das fehlende familiäre Netzwerk zumindest teilweise ausgleichen. Denn diese versorgen sie nicht nur mit Lebensmitteln und Unterkunftsplätzen (Auswärtiges Amt, Anfragebeantwortung an OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.02.2016 zum Az. 13 A 516/14.A, Seite 5; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 80), sondern bieten auch andere, speziell auf anerkannte Flüchtlinge zugeschnittene und durch staatliche sowie europäische Mittel geförderte Hilfen wie Jobtrainings, Praktika und Sprachkurse (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 53; BAMF, Länderinformation: Italien, Mai 2017, Seite 3) und auch Projekte an, die beim Übergang zur Selbstständigkeit nach der Beendigung der Unterbringung in einem SPRAR-Zentrum unterstützen sollen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 51).<br>Über die Hilfen durch kommunale und karitative Einrichtungen sowie NGO’s hinaus sind rücküberstellte anerkannte Schutzberechtigte aber auch im Hinblick auf staatliche Hilfen keineswegs gänzlich auf sich selbst gestellt. Unabhängig von dem oben genannten Gesichtspunkt der sogenannten Inländergleichbehandlung kann deshalb auch aus diesem Grund eine Verletzung der Rechte aus Art. 4 EUGrCh und Art. 3 EMRK nicht festgestellt werden, zumal der italienische Staat auf die Situation anerkannter Flüchtlinge nicht mit Gleichgültigkeit reagiert.<br>Anerkannte Flüchtlinge haben im Rahmen der bestehenden Kapazitäten und sofern die maximale Aufenthaltsdauer von 6 Monaten, die unter bestimmten Voraussetzungen (bei Gesundheitsproblemen oder im Hinblick auf bestimmte Integrationsziele) um weitere 6 Monate verlängert werden kann, noch nicht ausgeschöpft ist, Zugang zum Zweitaufnahmesystem SPRAR, das zurzeit über 31.313 Plätze verfügt. (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 1, Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 1, und Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seiten 29, 35 f. und 39; BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, Seite 3). Bei den SPRAR handelt es sich um eine dezentrale auf lokaler Ebene organisierte (Zweit-)Unterbringung, die aus einem Netzwerk von Unterkünften und überwiegend aus Wohnungen besteht, auf einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Gemeinden und verschiedenen NGO‘s basiert und die Teilhabe am kommunalen Leben fördern soll. Die Unterbringung wird von Unterstützungs- und Integrationsmaßnahmen (Rechtsberatung, Sprachkurse, psychosoziale Unterstützung, Jobtrainings, Praktika, Unterstützung bei der Suche einer Stelle auf dem Arbeitsmarkt) begleitet (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seiten 35 f. und 53, und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 6; BAMF, Länderinformation: Italien, Mai 2017, Seiten 1 und 2). Neben Lebensmitteln erhalten die Bewohner auch ein Taschengeld je nach SPRAR-Projekt zwischen 1,50 Euro/Tag und 3 Euro/Tag (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 50, und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 3; BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, Seiten 1 und 2).<br>Soweit (in der Vergangenheit) die Plätze in den SPRAR-Einrichtungen (wie möglicherweise auch in anderen Einrichtungen) nicht ausreichend (gewesen) sein sollten, ergibt sich daraus schon deshalb keine Verletzung der Rechte aus Art. 4 EUGrCh und Art. 3 EMRK, weil diese Rechte die Staaten weder verpflichten, eine absolut bestimmbare Mindestanzahl von Unterkünften zur Verfügung zu stellen, noch dazu, rein vorsorglich Unterkunftskapazitäten im Umfang einer "Spitzenbelastung" vorzuhalten (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.07.2016 – 13 A 2302/15.A –, juris Rn. 90).<br>Deshalb und weil von dem Einzelfall des Klägers ausgehend nicht auf die gesamte Unterkunftssituation in Italien geschlossen werden kann, führt auch der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass während seines 15-tägigen Aufenthalts in Italien im Jahr 2014 in den Unterkunftszentren, in denen er untergebracht gewesen sei, katastrophale Zustände geherrscht hätten, zu keiner anderen Beurteilung der gegenwärtigen Unterkunftssituation in Italien, zumal der italienische Staat die Unterkunftskapazitäten in den letzten Jahren erheblich ausgebaut hat. Denn Ende Februar 2015 waren lediglich 67.128 Plätze vorhanden, davon 9.504 im Erstaufnahmesystem, 20.596 im SPRAR-System und 37.028 in den Notfallzentren (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 23.04.2015, Anfragebeantwortung an VG Schwerin, Seite 2; Auswärtiges Amt vom 25.03.2015, Anfragebeantwortung an VG Schwerin, Seite 2), nunmehr bestehen 183.225 Plätze im Unterkunftssystem (siehe hierzu ausführlich das Senatsurteil vom 04.04.2018 – 10 LB 96/17 -, juris), davon 31.313 Plätze im SPRAR-System (SFH, Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 2).<br>Allerdings haben anerkannte Schutzberechtigte in der Regel keinen Zugang zum SPRAR-System mehr, wenn sie einmal in einer SPRAR- Unterkunft aufgenommen worden sind und diese wieder verlassen haben. Von dieser Regel kann nur abgewichen werden, wenn die betroffene Person einen Antrag beim Innenministerium einreicht und neue “Verletzlichkeiten“ vorbringt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 36, und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 1). In diesem Fall ebenso wie in dem Fall, dass die maximale Aufenthaltsdauer in einer SPRAR-Einrichtung abgelaufen ist, haben die betroffenen Personen, sofern sie nicht in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen und eine Wohnung zu mieten, und auch keinen Unterkunftsplatz in den bereits erwähnten kommunalen und karitativen Einrichtungen oder mit Hilfe der NGO’s erhalten, ebenso wie italienische Staatsangehörige in vergleichbarer Situation nur Zugang zu Notschlafstellen und zu Unterkünften in besetzten Häusern (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 2). Daraus ergibt sich aber kein systemisches Versagen bezüglich der Aufnahmebedingungen für rücküberstellte anerkannte Schutzberechtigte und keine Verletzung von Art. 3 EMRK und Art. 4 EUGrCh. Denn auch nach diesen rechtlichen Maßgaben ist der italienische Staat nicht gehindert, den Zugang zu den SPRAR-Einrichtungen von bestimmten - von den Schutzberechtigten erfüllbaren - Voraussetzungen abhängig zu machen und den Anspruch auf Unterkunft in einer solchen Einrichtung entfallen zu lassen, wenn der Schutzberechtigte die Unterkunft “eigenmächtig“ verlässt (vgl. Art 20 Abs. 1 a) der Aufnahmerichtlinie, wonach einem Antragsteller die gewährten materiellen Leistungen entzogen werden können, wenn dieser den von der zuständigen Behörde bestimmten Aufenthaltsort eigenmächtig verlässt), bzw. die Aufenthaltsdauer in einer solchen Einrichtung zu begrenzen. Aus diesem Verhalten des italienischen Staates kann deshalb auch nicht auf dessen Gleichgültigkeit gegenüber anerkannten Schutzberechtigten geschlossen werden.<br>Abgesehen davon sind anerkannte Flüchtlinge, sofern sie weder in einer staatlichen noch in einer kommunalen oder karitativen Einrichtung einen Unterkunftsplatz finden, genauso gestellt wie italienische Staatsangehörige in vergleichbarer Situation. Schon aus diesem Grund folgen – wie oben ausgeführt – aus den dargestellten Schwierigkeiten keine systemischen Mängel in den Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte, die eine Verletzung von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK begründen.<br>Schließlich ergibt sich aus den verfügbaren Erkenntnisquellen auch nicht, dass tatsächlich der größte Teil der anerkannten Schutzberechtigten über einen längeren Zeitraum obdachlos ist. Denn danach ist ein im Verhältnis zu ihrer Gesamtzahl eher kleiner Teil der Migranten tatsächlich obdachlos bzw. lebt in besetzten Häusern. Nach Schätzung der MÈDECINS SANS FRONTIÈRES (= Ärzte ohne Grenzen) gibt es nämlich “nur“ ungefähr 10.000 obdachlose Menschen unter den Asylsuchenden und Schutzgenehmigungsinhabern (MSF, „OUT of sight“ – Second edition, Stand: 08.02.2018).<br>Einen Anspruch auf staatliche Sozialhilfe, die mit der in Deutschland gewährten Sozialhilfe vergleichbar ist, haben außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen lebende und mangels hinreichender Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt oft auf Schwarzarbeit (beispielsweise in der Landwirtschaft) angewiesene Schutzberechtigte (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 52) ebenso wenig wie italienische Staatsangehörige (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 49). Es gibt ein Arbeitslosengeld, wenn jemand seine (legale) Arbeit verloren hat. Personen mit sehr geringem oder keinem Einkommen – wie viele anerkannte Schutzberechtigte – haben ferner die Möglichkeit, sich für einen “finanziellen Beitrag“ zu bewerben, dessen Höhe je nach Region bzw. Gemeinde sehr unterschiedlich ist (beispielsweise in Rom bis zu 500 Euro im Jahr, in Mailand 250 Euro pro Monat für einen Zeitraum von 6 Monaten) und dessen Gewährung von der Anzahl der Anfragen und dem verfügbaren Budget abhängt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seiten 49 f., und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 4). Da der italienische Staat die anerkannten Schutzberechtigten demnach auch in dieser Hinsicht genauso behandelt wie seine eigenen Staatsangehörigen, können auch insoweit systemische Mängel in den Aufnahmebedingungen, die eine Verletzung von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK begründen, nicht festgestellt werden.<br>Sowohl die innerhalb eines Unterkunftszentrums als auch die außerhalb einer solchen Einrichtung lebenden Schutzberechtigten haben schließlich einen Anspruch auf eine den Anforderungen aus Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK jedenfalls genügenden kostenfreien Grund- und Notfallversorgung bei Krankheit oder Unfall sowie auf eine Präventivbehandlung zur Wahrung der individuellen und öffentlichen Gesundheit (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 54, und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 4). Das beinhaltet einen in der Regel kostenlosen Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen wie Arzt, Zahnarzt und Krankenhaus (Auswärtiges Amt, Anfragebeantwortung an OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.02.2016, zum Az. 13 A 516/14.A, Seite 6). Sie haben in Bezug auf die medizinische Versorgung dieselben Rechte und Pflichten wie italienische Staatsbürger (BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, Seite 3).<br>Hinsichtlich des aufgrund Art. 4 EUGrCh und Art. 3 EMRK nicht zu fordernden Zugangs zu dem weiterführenden medizinischen Leistungsangebot in Italien hat der Senat in seinem Urteil vom 4. April 2018 (- 10 LB 96/17 -, juris) ausgeführt:</p></td></tr>
</table></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_35">35</a></dt>
<dd><table class="Rsp" style="margin-left:36pt">
<tr><th colspan="1" rowspan="1"></th></tr>
<tr><td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="text-align:left"> „Um von einem weiterführenden Leistungsangebot profitieren zu können müssen sich Schutzsuchende in den SSN („Servizio Sanitario Nazionale) einschreiben. Nach der Einschreibung in den SSN erhalten Schutzsuchende - und damit auch Dublin-Rückkehrer wie der Kläger - dieselbe medizinische Behandlung wie (arbeitslose) italienische Staatsbürger (vgl. dazu Aida, Country Report: Italy, 2016 Update, S. 79, 80 und SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 54).</p></td></tr>
</table></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_36">36</a></dt>
<dd><table class="Rsp" style="margin-left:36pt">
<tr><th colspan="1" rowspan="1"></th></tr>
<tr><td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="text-align:left"> In der praktischen Umsetzung bestehen Hürden und Einschränkungen dieses Rechts auf medizinische Behandlung, insbesondere für anerkannte Schutzberechtigte mit Aufenthaltserlaubnis als auch andere Migranten in informellen Unterkünften und Obdachlose. MSF gibt mit Verweis auf bürokratische Hürden an, dass diese Personengruppen reduzierte Möglichkeiten beim Zugang zum Gesundheitssystem hätten, was Allgemeinmedizin einschließe. Die Notaufnahme der Krankenhäuser sei häufig die einzige Zugangsmöglichkeit zum Italian National Healthcare Service (SSN) (MSF, Stand: 08.02.2018, „OUT of sight“ – Second edition). MSF hat deshalb in den Jahren 2016 und 2017 sein Engagement in Italien insbesondere für Migranten in informellen Unterkünften erhöht und unterhält in Como und Ventimiglia psychologische Notfallbehandlung und in Ventimiglia gynäkologische Behandlungen. In Rom wird primäre Gesundheitsversorgung und psychologische Unterstützung geleistet. In Bari und Turin half MSF bei der Kontaktherstellung zum SSN. Dabei kritisiert MSF, dass ehrenamtliche Nothilfe mitunter unter Verweis auf das Verbot der Unterstützung illegaler Einreise und Aufenthalts kriminalisiert werde (MSF, Stand: 08.02.2018, „OUT of sight“ – Second edition). Weitere NGOs, die vor allem auch Asylsuchende und Schutzberechtigte in besetzten Häusern und auf der Straße unterstützen, sind MEDU, Cittadini del Mondo und Naga (SFH, Länderinformation Italien, August 2016, S. 57 f.).<br>AIDA erklärt, dass Asylsuchende zwar theoretisch denselben Zugang zum Gesundheitssystem haben sollten wie Italiener, dies aber de facto erst geschehe, wenn die jeweilige Questura den Asylantrag formalisiert habe. Dies verzögere sich teilweise um mehrere Monate. In dieser Zeit hätten Asylsuchende jedoch Zugang zur Notfallversorgung. Eine große praktische Hürde sei die Sprachbarriere (AIDA, 02/2017, S. 79 f.). Problematisch sei auch das Vorgehen bei der Beantragung einer Gesundheitskarte. Hierfür würden ein Ausweis und ein dauerhafter Wohnsitz verlangt. Es gebe einen Selbstbehalt, der in vielen Fällen von den Patienten getragen werden müsse und der das Budget Asylsuchender und von Personen mit Schutzstatus oft übersteige (SFH, Länderinformation Italien, August 2016, S. 55-57).<br>Erkenntnisse darüber, dass kranken Dublin-Rückkehrern die erforderliche Behandlung vorenthalten worden ist und sie deshalb ernsthafte Schäden an Leib oder Leben erlitten haben, liegen dem Senat nicht vor. Folglich sind auch die dargestellten Mängel und Defizite im Bereich der medizinischen Versorgung für Asylbewerber weder für sich genommen noch insgesamt als so gravierend zu bewerten, dass ein grundlegendes systemisches Versagen des Mitgliedstaates festgestellt werden kann, welches für einen Dublin-Rückkehrer nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Artikel 3 EMRK oder Artikel 4 EUGrCh mit dem dafür notwendigen Schwergrad zur Folge hätte.“</p></td></tr>
</table></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_37">37</a></dt>
<dd><table class="Rsp" style="margin-left:18pt">
<tr><th colspan="1" rowspan="1"></th></tr>
<tr><td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="text-align:left"> Können demnach schon aus den oben genannten Gründen systemische Mängel in den Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK oder Art. 4 EUGrCh begründen könnten, weder im Hinblick auf deren Unterkunftssituation noch bezüglich der medizinischen Versorgung und der Bereitstellung der übrigen materiellen Leistungen festgestellt werden, ist eine Verletzung dieser Rechte bzw. die Annahme systemischer Mängel auch deshalb zu verneinen, weil der italienische Staat auf die Situation der anerkannten Schutzberechtigten keineswegs mit Gleichgültigkeit reagiert.</p></td></tr>
</table></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_38">38</a></dt>
<dd><table class="Rsp" style="margin-left:18pt">
<tr><th colspan="1" rowspan="1"></th></tr>
<tr><td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="text-align:left"> Denn zum einen hat er nach den obigen Feststellungen die Unterkunftskapazitäten insgesamt nahezu verdreifacht und auch die Zahl der Unterkunftsplätze im SPRAR-System erheblich um 10.000 Plätze auf nunmehr 31.313 Plätze erhöht (SFH, Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 2).<br>Zum anderen hat er im Oktober 2017 einen Nationalen Integrationsplan erlassen, der insbesondere Hilfen für anerkannte Schutzberechtigte enthält. Der Plan wird durch EU-Gelder finanziert und wurde mithilfe lokaler Regierungen und NGOs entwickelt (The Local, „Italy launches forst official migrant integration plan: Five Things you need to know“, 27.09.2017).<br>Er beinhaltet eine Verpflichtung anerkannter Schutzberechtigter zu italienischen Werten (Verfassung), Rechten und zum Erlernen der italienischen Sprache. Er sieht spezielle Hilfen für Analphabeten, die Aufnahme anerkannter Schutzberechtigter in regionale Notfallunterkünfte nach Verlassen der Aufnahmezentren sowie die Unterstützung bei der Arbeitssuche und eine Bekräftigung des Rechts auf Zugang zum Gesundheitssystem vor. Nach diesem Plan ist Italien bestrebt, das CAS-System weitestgehend in das SPRAR-System zu überführen, um effektive nationale Integration zu ermöglichen (Nationaler Integrationsplan, „FOR PERSONS ENTITLED TO INTERNATIONAL PROTECTION, October 2017, http://www.interno.gov.it/sites/default/files/piano_nazionale_integrazione_eng.pdf<span style="text-decoration:underline">, </span>Seite 17). Ferner möchte Italien laut dem Nationalen Integrationsplan eine vollständige Umsetzung der Übereinkunft zwischen der Zentralregierung und den Regionen zur Gesundheit von Migranten von 2012 erreichen, wobei der Zugang zum nationalen Gesundheitsdienst verbessert werden und eine Überwachung auf nationaler und regionaler Ebene erfolgen soll, ob die Vereinbarung von 2012 umgesetzt wird. Im Übrigen ist geplant, die Organisationen und das Angebot im Bereich der Gesundheitsversorgung zu stärken, indem spezifische Wege für jede Krankheit aufgezeigt werden, besonders auch für psychiatrische Fälle und PTBS. Die Zahl kostenloser Dienste soll angepasst und Präventionsprogramme mit Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen und für die Gesundheit von Mutter und Kind sollen gestärkt werden (Nationaler Integrationsplan, „FOR PERSONS ENTITLED TO INTERNATIONAL PROTECTION, October 2017, Seite 25). Des Weiteren will Italien Anreize für Sprachkurse schaffen, die außerhalb der Unterbringungseinrichtungen angeboten werden. Zu diesem Zweck sollen Sprachkurse mit Lehrern angeboten werden, die spezialisiert sind und interaktive und experimentelle Methoden nutzen (Nationaler Integrationsplan, „FOR PERSONS ENTITLED TO INTERNATIONAL PROTECTION, October 2017, Seite 22). Ziel ist es, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um Zugang zu sekundärer und höherer Bildung zu ermöglichen und die Anerkennung vorheriger Kompetenzen und Abschlüsse zu garantieren (Nationaler Integrationsplan, „FOR PERSONS ENTITLED TO INTERNATIONAL PROTECTION, October 2017, Seite 23).<br>In diesen gerade auf die Situation anerkannter Schutzberechtigter reagierenden Hilfebemühungen und in den bereits tatsächlich umgesetzten Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Lage (Erhöhung der Zahl der Unterkunftsplätze im SPRAR-System um 10.000 Plätze) liegt auch ein wesentlicher Unterschied zu der Situation anerkannter Schutzberechtigter in Bulgarien, die sich dort letztlich staatlicher Gleichgültigkeit ausgesetzt sehen (Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 –, juris Rn. 40). Außerdem besteht ein maßgeblicher Unterschied darin, dass der bulgarische Staat seinen Staatsangehörigen soziale Leistungen anbietet, zu denen anerkannte Schutzberechtigte jedoch keinen Zugang haben (Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 36 ff., 46 f. und 50), während der italienische Staat anerkannte Schutzberechtigte in jeder Hinsicht gleich behandelt mit italienischen Staatsangehörigen.“</p></td></tr>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_39">39</a></dt>
<dd><p>Diese Ausführungen gelten in vollem Umfang auch für den Kläger. Abweichende Besonderheiten sind entgegen seiner Auffassung insofern nicht ersichtlich. Auch im Berufungsverfahren 10 LB 109/18 war klägerseits geltend gemacht worden, dass anerkannte Schutzberechtigte lediglich die Möglichkeit einer auf sechs Monate befristeten Aufnahme im sogenannten SPRAR-System hätten (a.a.O., Rn. 14). Von einer grundsätzlich maximalen Aufenthaltsdauer von sechs Monaten ist der Senat auch ausgegangen (a.a.O., Rn. 41, 44), hat aber trotzdem ein systemisches Versagen bezüglich der Aufnahmebedingungen für rücküberstellte anerkannte Schutzberechtigte verneint (a.a.O., Rn. 44 ff.). Auch die weitere im Berufungsverfahren geäußerte Kritik des Klägers an dem Senatsurteil vom 6. April 2018 greift nicht durch. Darin ist sehr wohl ausgeführt, warum der Senat zu dem Schluss kommt, dass „der italienische Staat auf die Situation der anerkannten Schutzberechtigten keineswegs mit Gleichgültigkeit reagiert“ (a.a.O.; Rn. 54 ff.). Ebenso wird die Annahme des Senats, dass rücküberstellte anerkannte Schutzberechtigte auch im Hinblick auf staatliche Hilfen keineswegs gänzlich auf sich allein gestellt sind, entgegen der Ansicht des Klägers, nämlich in den nachfolgenden Absätzen (a.a.O., Rn. 40 ff.) erläutert. Dem Einwand des Klägers, der Senat habe die tatsächliche Umsetzung des im Oktober 2017 erlassenen Nationalen Integrationsplans nicht überprüft, die Erfahrungen mit Bulgarien zeigten, dass ein Plan allein nicht dazu führe, dass bestimmte Maßnahmen auch umgesetzt würden, ist entgegenzuhalten, dass Erkenntnisse zur Nicht-umsetzung des Integrationsplans, der durch EU-Gelder finanziert wird, nicht vorlagen und auch in diesem Verfahren weder vom Kläger benannt noch sonst ersichtlich sind.</p></dd>
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<dt><a name="rd_40">40</a></dt>
<dd><p>Auch ist nicht zu erkennen, dass sich die Umstände in Italien seit dem Urteil des Senats vom 6. April 2018 in entscheidungserheblicher Weise verändert hätten. Dies hat der Senat bereits in zwei Nichtzulassungsbeschlüssen aus August bzw. September 2018 entschieden, in denen zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG insbesondere Äußerungen des zum 1. Juni 2018 ernannten Ministerpräsidenten Italiens Giuseppe Conte und des neuen italienischen Innenministers Matteo Salvini angeführt worden waren. Ob es tatsächlich zu einer Kürzung der Leistungen für Asylbewerber bzw. der Mittel für die Flüchtlingsbetreuung komme und ob sich daraus systemische Mängel ergeben würden, sei derzeit noch nicht absehbar (Senatsbeschlüsse vom 06.08.2018 - 10 LA 320/18 -, juris Leitsatz und Rn. 6 f. - zu Dublin-Rückkehrern -, und vom 12.09.2018 - 10 LA 345/18 -, nicht veröffentlicht, Urteilsabdruck Seite 5 - zu anerkannten Schutzberechtigten -). Eine maßgebende Veränderung ergibt sich auch nicht aus dem im Schriftsatz des Klägers vom 16. Dezember 2018 in Bezug genommenen so genannten Salvini-Dekret (Dekret n. 113 vom 4. Oktober 2018). Das nicht näher konkretisierte Vorbringen des Klägers, das Dekret habe insbesondere massive Einschränkungen beim Zugang zu einer Unterbringung (v.a. für anerkannte Schutzberechtigte) zur Folge, findet schon keine Bestätigung. Die mit dem Dekret verbundene Verschärfung des Asylrechts in Italien betrifft den Kläger als bereits anerkannten Schutzberechtigten nicht. Richtig ist, dass es eine Neuorganisation der Verteilung und Unterbringung von Asylbewerbern geben soll. Die meisten von ihnen sollen in großen Auffangzentren untergebracht werden. Gerade aber anerkannte Flüchtlinge (und ledige unbegleitete Minderjährige) sollen auf kleinere Unterkünfte verteilt werden, um ihre Integration zu erleichtern (https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-09/italien-migrationspolitik-aslyrecht-verschaerfung-matteo-salvini). Für diesen Personenkreis sollen die SPRAR erhalten bleiben (https://www.borderline-europe.de/sites/default/files/projekte_files/2018_09_25_Italien-Salvinis%20Dekret%20der%20Asylrechtsverschärfungen_JIAN_0.pdf). Ungeachtet dessen hat der Senat seiner Entscheidung vom 6. April 2018 ohnehin zugrunde gelegt, dass grundsätzlich die maximale Aufenthaltsdauer in einer SPRAR-Einrichtung nur sechs Monate beträgt (a.a.O., Rn. 44).</p></dd>
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<dt><a name="rd_41">41</a></dt>
<dd><table class="Rsp">
<tr><th colspan="1" rowspan="1"></th></tr>
<tr><td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="text-align:left">Der Kläger gehört schließlich auch nicht zu einem besonders schutzbedürftigen Personenkreis, bei dem nach dem Urteil des EGMR vom 4. November 2014 im Verfahren Tarakhel ./. Schweiz (Az. 29217/12, NVwZ 2015, 127 ff.) eine Abschiebung nach Italien nur zulässig ist, wenn zuvor besondere Garantien von den italienischen Behörden eingeholt worden sind. Der EGMR hat in diesem Verfahren entschieden, dass die Schweizer Behörden die Abschiebung einer Familie nach Italien nicht vornehmen dürfen, ohne vorher individuelle Garantien von den italienischen Behörden erhalten zu haben, dass die Antragsteller in Italien in einer dem Alter der Kinder adäquaten Art und Weise behandelt werden und die Familie zusammenbleiben darf. Dieses Urteil enthält demnach lediglich eine Einschränkung für die Abschiebung von Familien nach Italien und keine Aussage zu systemischen Mängeln in Italien, die der EGMR auch nicht in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2015 im Verfahren A.M.E./. Niederlande (Az. 51428/10) festgestellt hat. Nach letzterer Entscheidung sind vielmehr die Struktur und die Gesamtsituation des italienischen Flüchtlings- und Asylbewerberaufnahmesystems kein genereller Grund dafür, eine Überstellung im Zuge des sogenannten Dublin-Verfahrens zu verbieten. Die Situation des Klägers ist mit derjenigen, die der Entscheidung des EGMR vom 4. November 2014 zugrunde gelegen hat, nicht vergleichbar. Mit der ihn bei seiner Einreise in das Bundesgebiet am 27. Februar 2015 begleitenden somalischen Staatsangehörigen ist der Kläger nach eigenen Angaben nur traditionell verheiratet. Dass aus der Beziehung zwischenzeitlich Kinder hervorgegangen sind, ist nicht dargetan. Auch bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger unter gesundheitlichen Einschränkungen leidet, die ihn als besonders schutzbedürftig erscheinen lassen. Selbst wenn man von der Fortgeltung des erstinstanzlich vorgelegten Ärztlichen Attestes vom 3. Juni 2016 ausgeht, bedarf der Kläger wegen seiner chronischen Schilddrüsenerkrankung nur regelmäßiger Blutkontrollen und der Einnahme von Schilddrüsenmedikamenten. Dass hierdurch seine Fähigkeiten, seine Rechte in Italien wahrzunehmen und dort für sich selbst zu sorgen, in erheblicher Weise eingeschränkt wären, ist weder geltend gemacht noch ersichtlich.</p></td></tr>
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<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_42">42</a></dt>
<dd><p>2. Die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG, die das Verwaltungsgericht wegen der Anerkennung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht mehr zu prüfen hatte, sind ebenfalls nicht gegeben. Nach Satz 1 dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG allerdings nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vor. Für eine derart schwerwiegende Erkrankung fehlen im Falle des Klägers jegliche Anhaltspunkte.</p></dd>
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<dt><a name="rd_43">43</a></dt>
<dd><p>3. Das Bundesamt hat in seinem Bescheid vom 5. September 2017 auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angedroht. Denn gemäß § 35 AsylG droht das Bundesamt dem Ausländer die Abschiebung in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG an, also in den Fällen, in denen ein anderer Mitgliedsstaat dem Ausländer - wie hier dem Kläger - bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Eine Abschiebungsandrohung gemäß § 35 AsylG kann nur unter den Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG erlassen werden. Sie setzt also unter anderem voraus, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen. Da hier Abschiebungsverbote nach diesen Vorschriften in Bezug auf den Zielstaat der Abschiebung (Italien) nicht vorliegen, ist die Abschiebungsandrohung rechtmäßig.</p></dd>
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<dt><a name="rd_44">44</a></dt>
<dd><p>Dass das Bundesamt die dem Kläger gesetzte Ausreisefrist entgegen § 36 Abs. 1 AsylG an der Auffangregelung des § 38 Abs. 1 AsylG orientiert und damit von einer Woche auf 30 Tage verlängert hat, vermag den Kläger nicht in seinen Rechten zu verletzen, da mit der Fristverlängerung unmittelbar lediglich rechtliche Vorteile (Verlängerung der Frist und aufschiebende Wirkung der Klage) verbunden sind und die in der Rechtsprechung (u.a. VG Bayreuth, Urteil vom 01.12.2017 - B 3 K 17.33153 -, juris) teilweise angeführten mittelbaren „Nachteile“ (Wegfall der Rechtsfolgen nach § 37 Abs. 1 AsylG) völlig ungewiss, nämlich vom für den Kläger positiven Ausgang des betreffenden gerichtlichen Eilverfahrens abhängig sind, falls der Kläger im Falle der Frist nach § 36 Abs. 1 AsylG einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt hätte (vgl. hierzu ausführlich VG Göttingen, Urteil vom 15.10.2018 - 3 A 745/17 -, juris Leitsatz 1 und 2 sowie Rn. 40 ff.). Schließlich begegnet auch die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 AufenthG keinen rechtlichen Bedenken. Auch der Kläger selbst hat gegen die in dem angefochtenen Bundesamtsbescheid vom 5. September 2017 angenommene Angemessenheit einer 30monatigen Frist keine Einwände erhoben.</p></dd>
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<dt><a name="rd_45">45</a></dt>
<dd><p>II. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Klage des Klägers gegen Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamts vom 5. September 2017 abgewiesen. Der angefochtene Bundesamtsbescheid ist auch insoweit rechtmäßig. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG hat die erkennende Einzelrichterin zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden, zumal der Kläger seine Auffassung, er habe seinen Asylantrag bereits vor dem Stichtag 20. Juli 2015 gestellt, im Anschlussberufungsverfahren nicht mehr wiederholt hat. Mit seinem zur Begründung der Anschlussberufung erfolgten Vorbringen vermag der Kläger aber ebenfalls nicht durchzudringen.</p></dd>
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<dt><a name="rd_46">46</a></dt>
<dd><p>Auf die Vorlagefragen des zum Drittstaat Bulgarien ergangenen Vorabentscheidungsersuchens des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. August 2017 (1 C 2/17, juris) kommt es entgegen seiner Auffassung nicht an. Die Frage, ob ein Mitgliedstaat unionsrechtlich gehindert ist, einen Antrag auf internationalen Schutz wegen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Mitgliedstaat in Umsetzung der Ermächtigung in Art. 33 Abs. 2 Buchst, a Richtlinie 2013/32/EU bzw. der Vorgängerregelung in Art. 25 Abs. 2 Buchst, a Richtlinie 2005/85/EG als unzulässig abzulehnen, wenn die Ausgestaltung des internationalen Schutzes, namentlich die Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge, in dem anderen Mitgliedstaat, der dem Antragsteller bereits internationalen Schutz gewährt hat, a) nicht den Anforderungen der Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU entspricht und/oder b) gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK verstößt, stellt sich vorliegend nicht. Denn in seinem Urteil vom 6. April 2018 ist der Senat nicht nur zu dem Ergebnis gekommen, dass die Aufnahmebedingungen für in Italien bereits anerkannte Schutzberechtigte keine systemischen Mängel aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4: GRC und Art. 3 EMRK bei ihrer Rücküberstellung nach Italien begründen. Er hat darüber hinaus ausdrücklich festgestellt, dass auch die Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie für diesen Personenkreis eingehalten werden (a.a.O., Rn. 34). Hiernach ist auch der zum Drittstaat Italien ergangene Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2017 (1 C 26/16, juris) nicht einschlägig. Denn die mit ihm zur Vorabentscheidung gestellte Frage 1 legt ebenfalls zugrunde, dass die Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge, in dem anderen Mitgliedstaat, der dem Antragsteller bereits internationalen Schutz gewährt hat, den Anforderungen der Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU nicht genügt.</p></dd>
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<dd><p></p></dd>
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<dt><a name="rd_47">47</a></dt>
<dd><p>III. Nach alledem ist der Berufung stattzugeben und ist die Anschlussberufung zurückzuweisen mit der Folge, dass das erstinstanzliche Urteil zu ändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen ist.</p></dd>
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<dt><a name="rd_48">48</a></dt>
<dd><p>Die Kostenentscheidung in dem nach § 83b AsylG gerichtskostenfreien Verfahren folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.</p></dd>
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<dd><p></p></dd>
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<dt><a name="rd_49">49</a></dt>
<dd><p>Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.</p></dd>
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<dt><a name="rd_50">50</a></dt>
<dd><p>Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.</p></dd>
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</div></div>
</div></div>
<a name="DocInhaltEnde"><!--emptyTag--></a><div class="docLayoutText">
<p style="margin-top:24px"> </p>
<hr style="width:50%;text-align:center;height:1px;">
<p><img alt="Abkürzung Fundstelle" src="/jportal/cms/technik/media/res/shared/icons/icon_doku-info.gif" title="Wenn Sie den Link markieren (linke Maustaste gedrückt halten) können Sie den Link mit der rechten Maustaste kopieren und in den Browser oder in Ihre Favoriten als Lesezeichen einfügen." onmouseover="Tip('<span class="contentOL">Wenn Sie den Link markieren (linke Maustaste gedrückt halten) können Sie den Link mit der rechten Maustaste kopieren und in den Browser oder in Ihre Favoriten als Lesezeichen einfügen.</span>', WIDTH, -300, CENTERMOUSE, true, ABOVE, true );" onmouseout="UnTip()"> Diesen Link können Sie kopieren und verwenden, wenn Sie <span style="font-weight:bold;">genau dieses Dokument</span> verlinken möchten:<br>http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid=MWRE190000080&psml=bsndprod.psml&max=true</p>
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188,443 | bgh-2018-12-20-i-zr-10417 | {
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<div>
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<p>Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 31. Mai 2017 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.</p>
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<p>Von Rechts wegen</p>
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<h2>Tatbestand</h2>
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<a name="rd_1">1</a>
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<p>Die Klägerin betreibt das Reiss-Engelhorn-Museum in Mannheim. Sie hat Fotografien (Anlage K 1) von Gemälden und Bildern ihrer Museumssammlung im Jahr 1992 in einer Publikation veröffentlicht. Sie ist Inhaberin der Nutzungsrechte an diesen Fotografien. Die fotografierten Gemälde und Bilder sind wegen Ablaufs der urheberrechtlichen Schutzfrist urheberrechtlich nicht mehr geschützt (gemeinfrei).</p>
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<a name="rd_2">2</a>
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<p>Der Beklagte hat diese Fotografien eingescannt. Ferner hat er bei einem Besuch des Museums der Klägerin im Jahr 2007 weitere Fotografien (Anlage K 2) von im Eigentum der Klägerin stehenden, gemeinfreien Kunstwerken angefertigt. Der Beklagte hat Dateien mit sämtlichen Fotografien in die mit dem Internetportal Wikipedia verknüpfte Mediendatenbank Wikimedia Commons hochgeladen.</p>
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<a name="rd_3">3</a>
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<p>Die Klägerin sieht im Hochladen der eingescannten Fotografien (Anlage K 1) eine Verletzung von nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechten an den in ihrer Publikation abgebildeten Fotografien. Sie ist weiter der Ansicht, der Beklagte habe durch das Anfertigen von Fotografien der in ihrem Museum ausgestellten Kunstwerke (Anlage K 2) gegen den mit dem Beklagten geschlossenen Besichtigungsvertrag und das danach bestehende Fotografierverbot verstoßen; darüber hinaus habe er dadurch ihr Eigentum an den Kunstwerken verletzt.</p>
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<a name="rd_4">4</a>
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<p>Die Klägerin hat den Beklagten auf Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung der von ihm eingescannten Fotografien (Anlage K 1) und der von ihm im Museum angefertigten Fotografien (Anlage K 2) sowie auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen.</p>
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<a name="rd_5">5</a>
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<p>Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG Stuttgart, ZUM-RD 2017, 161). Die Berufung des Beklagten ist - soweit für die Revision von Bedeutung - ohne Erfolg geblieben (OLG Stuttgart, GRUR 2017, 905). Der Beklagte verfolgt mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, seinen auf Abweisung der Klage gerichteten Antrag weiter.</p>
</dd>
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<h2>Entscheidungsgründe</h2>
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<a name="rd_6">6</a>
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<p>A. Das Berufungsgericht hat der Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - stattgegeben und ausgeführt:</p>
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<a name="rd_7">7</a>
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<p>Die Klage sei zulässig, insbesondere die Klägerin als kommunale Gebietskörperschaft parteifähig. Der Beklagte schulde Unterlassung und Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, weil er die Bilder durch das Hochladen öffentlich zugänglich gemacht habe. Das Hochladen der aus der Publikation der Klägerin eingescannten Fotografien (Anlage K 1) verletze das der Klägerin zustehende ausschließliche Nutzungsrecht. Diese Fotografien genössen Schutz als Lichtbilder. Das Hochladen der vom Beklagten selbst angefertigten Lichtbilder (Anlage K 2) stelle eine Verletzung des Eigentums- und Hausrechts der Klägerin sowie des zwischen den Parteien zustande gekommenen Besichtigungsvertrags dar, nach dem die Anfertigung von Fotos verboten gewesen sei. Die vom Beklagten diesbezüglich behauptete Erlaubnis des Museumspersonals sei nicht bewiesen.</p>
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<p>B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Beklagten hat keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig (dazu B I). Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch hinsichtlich der in Anlage K 1 abgebildeten Fotos aus ihrer Publikation ebenso zu (dazu B II) wie der auf die in Anlage K 2 abgebildeten Fotos bezogene Unterlassungsanspruch (dazu B III). Infolgedessen hat die Klägerin auch Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (dazu B IV).</p>
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<p>I. Die Klage ist zulässig.</p>
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<p>1. Die Revision wendet sich zu Recht nicht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Klägerin gemäß § 1 Abs. 4 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg parteifähig ist und im Rechtsstreit nach § 6 des Gesetzes über die Eigenbetriebe der Gemeinden des Landes Baden-Württemberg ordnungsgemäß vertreten wird.</p>
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<p>2. Die Unterlassungsanträge sind hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.</p>
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<a name="rd_12">12</a>
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<p>a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung - nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist; der Mangel der Bestimmtheit des Klageantrags ist auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 108/09, GRUR 2011, 1043 Rn. 36 = WRP 2011, 1454 - TÜV II; Urteil vom 15. März 2012 - I ZR 128/10, GRUR-RR 2012, 475 Rn. 16). Bei mehreren Streitgegenständen wird die Bestimmtheit des Klageantrags durch die Benennung der Reihenfolge hergestellt, in der diese zur Überprüfung durch das Gericht gestellt werden. Diese Benennung kann noch im Laufe des Verfahrens, und zwar auch noch in der Revisionsinstanz nachgeholt werden (BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rn. 9 und 13 - TÜV I).</p>
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<a name="rd_13">13</a>
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<p>b) Die Revision rügt ohne Erfolg, dass die Klägerin ihren hinsichtlich der in Anlage K 1 abgebildeten Fotografien verfolgten Unterlassungsanspruch sowohl auf den Schutz als Lichtbildwerk gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 UrhG als auch auf den Lichtbildschutz des § 72 UrhG stütze, ohne die Reihenfolge der Geltendmachung klarzustellen. Entgegen der Ansicht der Revision handelt es sich hierbei um einen einheitlichen Streitgegenstand.</p>
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<a name="rd_14">14</a>
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<p>Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag und den Lebenssachverhalt bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Geht der Kläger aus mehreren Schutzrechten vor, bildet ein jedes einen gesonderten Streitgegenstand (BGHZ 189, 56 Rn. 3 f. - TÜV I; Teplitzky/Schwippert, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 11. Aufl., Kap. 46 Rn. 5a).</p>
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<p>Im Falle des Urheberrechts an einem Lichtbildwerk und dem Schutzrecht des Lichtbildners besteht die Besonderheit, dass jedes Lichtbildwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 UrhG stets die Tatbestandsmerkmale des Lichtbilds im Sinne von § 72 UrhG erfüllt. Andererseits ist das fotografische Werk gemäß § 64 UrhG für die Dauer von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers, das Lichtbild nach § 72 Abs. 3 UrhG nur 50 Jahre nach seinem Erscheinen geschützt. Zudem kommt mit Blick auf das Fehlen einer persönlichen geistigen Schöpfung ein gegenüber dem fotografischen Werk lediglich abgestufter Schutz des Lichtbilds in Betracht, auch wenn § 72 Abs. 1 UrhG für den Lichtbildschutz die analoge Anwendung der für Werke geltenden Vorschriften anordnet (vgl. Vogel in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 5. Aufl., § 72 UrhG Rn. 41; Wandtke/Bullinger/Thum, Urheberrecht, 4. Aufl., § 72 UrhG Rn. 22; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 8. Aufl., Rn. 724; Erdmann, Festschrift Bornkamm, 2014, S. 761, 762).</p>
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<p>Allerdings lag der Schaffung des Lichtbildschutzes das Bestreben des Gesetzgebers zugrunde, mit Blick auf das für den Werkbegriff geltende Erfordernis einer persönlichen geistigen Schöpfung "unüberwindliche Abgrenzungsschwierigkeiten" bei der urheberrechtlichen Einordnung von Lichtbildern zu vermeiden (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, BT-Drucks. IV/270, S. 89; dazu Schack aaO Rn. 720). Diesem Schutzzweck liefe eine Differenzierung des Streitgegenstands zuwider. Der Senat hält daher daran fest, dass die Einordnung als Lichtbildwerk oder Lichtbild lediglich als unterschiedliche rechtliche Aspekte eines Streitgegenstands zu beurteilen sind (BGH, Urteil vom 3. November 1999 - I ZR 55/97, GRUR 2000, 317, 318 [juris Rn. 12] = WRP 2000, 203 - Werbefotos; OLG Köln, GRUR 2015, 167, 169; BeckOK UrhR/Lauber-Rönsberg, 21. Edition, § 72 UrhG Rn. 3b; Zigann/Werner in Cepl/Voß, Praxiskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl., § 253 ZPO Rn. 102; aA Wandtke/Bullinger/Thum aaO § 72 UrhG Rn. 64).</p>
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<a name="rd_17">17</a>
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<p>c) Der auf die in Anlage K 2 abgebildeten Fotografien bezogene Unterlassungsantrag ist ebenfalls hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.</p>
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<p>Die Klägerin stützt ihren Anspruch einerseits auf eine Beeinträchtigung ihres Eigentums (§ 1004 BGB), andererseits auf eine Verletzung der mit dem Beklagten anlässlich seines Museumsbesuchs zustande gekommenen vertraglichen Vereinbarung. Bei der Geltendmachung eines auf Verletzung eines absoluten Rechts und eines auf die Verletzung einer vertraglichen Pflicht gestützten Unterlassungsanspruchs handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - I ZR 60/11, GRUR 2013, 397 Rn. 13 f. = WRP 2013, 499 - Peek und Cloppenburg III; Urteil vom 22. März 2018 - I ZR 118/16, GRUR 2018, 1161 Rn. 23 = WRP 2018, 1329 - Hohlfasermembranspinnanlage II).</p>
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<a name="rd_19">19</a>
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<p>Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz klargestellt, dass dieser Klageantrag in erster Linie auf eine Verletzung des Besichtigungsvertrags und hilfsweise auf eine Eigentumsverletzung gestützt wird.</p>
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<p>II. Der Klägerin steht hinsichtlich der Fotografien der Anlage K 1 der Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1, § 72 UrhG zu. Diese Fotografien sind jedenfalls als Lichtbilder im Sinne von § 72 Abs. 1 UrhG geschützt (dazu B II 1). Diese Vorschrift erfasst auch Fotografien gemeinfreier Werke (dazu B II 2). Der Lichtbildschutz ist noch nicht erloschen (dazu B II 3). Der Klägerin wurden die Rechte an den Fotografien wirksam übertragen und auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen liegen vor (dazu B II 4).</p>
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<a name="rd_21">21</a>
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<p>1. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Einordnung der in Anlage K 1 abgebildeten Fotografien als Lichtbilder im Sinne von § 72 Abs. 1 UrhG.</p>
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<a name="rd_22">22</a>
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<p>a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die möglichst exakte Fotografie eines Gemäldes genieße eigenständigen Schutz als Lichtbild. Durch die Anfertigung der Fotografien sei eine eigenständige Fixierung in eine neue Werkform erfolgt. Bei den in der Publikation der Klägerin enthaltenen Fotografien handele es sich nicht lediglich um technische Reproduktionen, sondern um Vervielfältigungsstücke der ursprünglich mit Schöpfungswillen gefertigten Fotografien. Eine teleologische Reduktion des § 72 UrhG mit dem Ziel, Fotografien gemeinfreier Werke aus dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift auszuschließen, komme nicht in Betracht, weil dies mit ihrem Schutzzweck nicht vereinbar sei. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.</p>
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<a name="rd_23">23</a>
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<p>b) Der Schutz des § 72 UrhG bezieht sich auf Lichtbilder und Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden. Danach kommt rein technisch jedes Verfahren in Betracht, bei dem ein Bild unter Benutzung strahlender Energie erzeugt wird. Der technische Reproduktionsvorgang allein begründet aber noch keinen Lichtbildschutz. Vielmehr ist ein Mindestmaß an - zwar nicht schöpferischer, aber doch - persönlicher geistiger Leistung erforderlich, das schon bei einfachen Fotografien regelmäßig erreicht ist, allerdings im Falle von Lichtbildern fehlt, die sich lediglich als bloße Vervielfältigung anderer Lichtbilder darstellen, bei denen also ein Original-Lichtbild so getreu wie möglich lediglich reproduziert (kopiert) wird. Der Lichtbildschutz erfordert, dass das Lichtbild als solches originär, das heißt als Urbild, geschaffen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 1989 - I ZR 14/88, GRUR 1990, 669, 673 [juris Rn. 86 f.] - Bibel-Reproduktion; Urteil vom 3. November 1999 - I ZR 55/97, GRUR 2000, 317 = WRP 2000, 203 [juris Rn. 16] - Werbefotos; Urteil vom 7. Dezember 2000 - I ZR 146/98, GRUR 2001, 755, 757 f. = WRP 2001, 804 [juris Rn. 29] - Telefonkarte; Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 72 UrhG Rn. 30; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 72 Rn. 10; Schack aaO Rn. 720; W. Nordemann, GRUR 1987, 15, 17).</p>
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<a name="rd_24">24</a>
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<p>c) Im Streitfall beansprucht die Klägerin den Schutz der Fotografien von Kunstwerken, die von einem ihrer Mitarbeiter angefertigt wurden, und nicht den Schutz der Abbildungen dieser Fotografien, die in ihrer Publikation enthalten sind. Der Beklagte hat dadurch, dass er die in der Publikation abgebildeten Fotografien eingescannt und ins Internet eingestellt hat, (mittelbar) die von dem Mitarbeiter der Klägerin angefertigten Fotografien der Kunstwerke vervielfältigt und öffentlich zugänglich gemacht. Er hat damit auf Lichtbilder zugegriffen, die der Mitarbeiter der Klägerin als Urbilder geschaffen hat. Zu Recht hat das Berufungsgericht diesen Lichtbildern das erforderliche Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung zugesprochen.</p>
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<p>Die Revision beruft sich vergeblich auf den in der Literatur vertretenen Standpunkt, die Fotografie eines Gemäldes oder anderen zweidimensionalen Werkes sei durch § 72 UrhG nicht geschützt, weil Ziel der Aufnahme nur eine möglichst große Ähnlichkeit mit dem Original sei, so dass es an dem auch für den Lichtbildschutz erforderlichen Mindestmaß einer persönlichen geistigen Leistung fehle (Ohly, Festschrift Schricker, 1995, S. 427, 455; W. Nordemann, GRUR 1987, 15, 17).</p>
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<p>Die Aufnahme einer Fotografie von einem (auch zweidimensionalen) Werk erfordert - wie auch die Revision nicht in Abrede stellt - Entscheidungen des Fotografen über eine Reihe von gestalterischen Umständen, zu denen Standort, Entfernung, Blickwinkel, Belichtung und Ausschnitt der Aufnahme zählen (Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 72 Rn. 30; Schulze in Dreier/Schulze aaO § 72 Rn. 10; Schack, Kunst und Recht: Bildende Kunst, Architektur, Design und Fotografie im deutschen und internationalen Recht, 3. Aufl. Rn. 873; Bullinger, Festschrift Raue, 2006, S. 379, 382; Erdmann, Festschrift Bornkamm, 2014, S. 761, 766; Katzenberger, GRUR Int. 1989, 116, 117). Auch wenn - wie die Revision betont - der Fotograf diese Entscheidungen an handwerklich-technischen Fragestellungen ausrichtet und das Ziel einer möglichst originalgetreuen Abbildung verfolgt, spricht dies nicht gegen das Vorliegen einer persönlichen geistigen Leistung. Auch die handwerkliche Leistung ohne künstlerische Aussage kann in den Schutzbereich des § 72 UrhG fallen (vgl. Schack, Festschrift Pfennig, 2012, S. 207, 208). Gegenstand des Lichtbildschutzes ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers gerade auch die "rein technische Leistung" des Lichtbildners, "die nicht einmal besondere Fähigkeiten voraussetzt" (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, BT-Drucks. IV/270, S. 88; Talke, ZUM 2010, 846, 849; ferner BGH, Urteil vom 4. November 1966 - Ib ZR 77/65, GRUR 1967, 315, 316 [juris Rn. 25] = WRP 1967, 212 - scai-cubana).</p>
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<p>Damit erreicht die Fertigung einer Fotografie eines Gemäldes regelmäßig - so auch im Streitfall - das für den Schutz nach § 72 UrhG erforderliche Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung. Dies entspricht auch der im Zusammenhang mit der Neufassung des § 51 Satz 3 UrhG geäußerten Sichtweise des Gesetzgebers (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft [Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz - UrhWissG], BT-Drucks. 18/12329, S. 32).</p>
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<p>2. Ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, Fotografien von gemeinfreien Kunstwerken seien im Wege einer teleologischen Reduktion aus dem Anwendungsbereich des § 72 UrhG auszuschließen.</p>
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<p>Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist eine solche teleologische Reduktion erforderlich, weil andernfalls der gesetzlich vorgesehene Urheberschutz faktisch über die nach § 64 UrhG vorgesehene Schutzdauer von 70 Jahren hinaus verlängert werde. Der Inhaber des Nutzungsrechts könne den Zugang zum Kunstwerk von einem Fotografierverbot abhängig machen und gleichzeitig nur eigene fotografisch angefertigte Reproduktionen in Verkehr bringen, die dann einen Lichtbildschutz von (weiteren) 50 Jahren genössen (vgl. W. Nordemann, GRUR 1987, 15, 18; Graf, Kunstchronik 2008, 206, 207; Yang, ZUM 2017, 951, 953). Die Fotografie eines Kunstwerkes berühre als Vervielfältigung einer Vorlage allein die Verwertungsrechte des Urheberrechtsinhabers; nach dem Ablauf der Schutzfrist solle die Vervielfältigung aber jedermann freistehen (vgl. Stang, Zeitschrift für geistiges Eigentum 2009, 168, 213 ff.; ders., Das urheberrechtliche Werk nach Ablauf der Schutzfrist, Diss. Bonn 2011, 183 ff.).</p>
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<p>Der Senat teilt diese Auffassung nicht. Im Ausgangspunkt hindert der Lichtbildschutz nach § 72 UrhG die Allgemeinheit nicht an der geistigen Auseinandersetzung mit einem gemeinfreien Werk, weil er lediglich der Vervielfältigung des konkret betroffenen Lichtbilds entgegensteht (vgl. BGH, GRUR 1967, 315, 316 [juris Rn. 25] - scai-cubana; Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 72 UrhG Rn. 37; BeckOK UrhR/Lauber-Rönsberg aaO § 72 UrhG Rn. 16b; Schulze in Dreier/Schulze aaO § 72 Rn. 10; Maaßen, Festschrift Pfennig 2012, S. 135, 146). Zudem lässt nunmehr das durch das Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die Erfordernisse der Wissensgesellschaft (BGBl. 2017 I, S. 3346) mit Wirkung vom 1. März 2018 eingeführte Zitatrecht nach § 51 Satz 3 UrhG die Nutzung einer Abbildung des zitierten Werkes zum Zwecke des Zitats nach § 51 Satz 1 und 2 UrhG zu, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist (vgl. Schack aaO Rn. 550; ders., Festschrift Pfennig, 2012, S. 207, 212 ff.).</p>
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<p>Im Streitfall wird das Hochladen der in Anlage K 1 enthaltenen Bilder in die Datenbank Wikimedia Commons allerdings nicht von der Schrankenregelung des § 51 UrhG erfasst, weil es nicht zum Zwecke des Zitats erfolgte. Hierfür muss eine innere Verbindung zwischen den verwendeten fremden Werken oder Werkteilen und den eigenen Gedanken des Zitierenden hergestellt werden, weil Zitate als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbstständige Ausführungen des Zitierenden und der Erleichterung der geistigen Auseinandersetzung dienen sollen. Es genügt nicht, wenn die Verwendung des fremden Werks dieses dem Endnutzer nur leichter zugänglich machen will (BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, BGHZ 185, 291 Rn. 26 - Vorschaubilder I). Das Hochladen der Bilder in Wikimedia Commons sollte lediglich den Zugriff der Nutzer der Plattform Wikipedia ermöglichen, ohne dass eine Verbindung zu eigenen Gedanken des Beklagten erkennbar ist.</p>
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<p>3. Die im Jahr 1992 erschienenen Fotografien der Anlage K 1 sind noch als Lichtbilder geschützt. Zwar sah § 72 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 UrhG in der im Jahr 1992 geltenden Fassung lediglich eine Schutzdauer von 25 Jahren nach dem Erscheinen des Lichtbilds vor. Da der Schutz der hier in Rede stehenden Lichtbilder danach am 1. Juli 1995 noch nicht erloschen war, sind auf sie aber gemäß § 137f Abs. 1 Satz 2 UrhG die Vorschriften über die Schutzdauer in der ab dem 1. Juli 1995 geltenden (aktuellen) Fassung des Urheberrechtsgesetzes anzuwenden. Gemäß § 72 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 UrhG erlischt das Recht nach § 72 Abs. 1 UrhG 50 Jahre nach dem Erscheinen des Lichtbilds. Danach ist die Schutzdauer der streitgegenständlichen Lichtbilder nicht abgelaufen.</p>
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<p>4. Die Revision wendet sich zu Recht nicht dagegen, dass das Berufungsgericht auch die übrigen Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG bejaht hat. Dies gilt zum einen für die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin sei Inhaberin der Nutzungsrechte an den Fotografien der Anlage K 1, weil der bei ihr angestellte Fotograf der Bilder ihr diese eingeräumt habe. Zum anderen erhebt die Revision zu Recht keine Rügen gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe die Fotografien der Anlage K 1 durch Hochladen bei Wikimedia gemäß § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht, so dass Wiederholungsgefahr bestehe (vgl. dazu BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 - I ZR 55/12, GRUR 2013, 1235 Rn. 16 = WRP 2014, 75 - Restwertbörse II, mwN).</p>
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<p>III. Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten der gegen das öffentliche Zugänglichmachen der in der Anlage K 2 abgebildeten Fotografien geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen einer Verletzung des mit dem Beklagten geschlossenen Besichtigungsvertrags zu. Ob in dem unbefugten Anfertigen von Fotografien der ausgestellten Kunstwerke eine Eigentumsverletzung liegt, kann daher offenbleiben.</p>
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<p>1. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, zwischen den Parteien sei durch den Besuch des Museums konkludent ein Besichtigungsvertrag unter Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zustande gekommen, nach denen das Fotografieren der Bilder nur nach Ausnahmegenehmigung durch die Direktion erlaubt gewesen sei. Dem stehe auch die Grundrechtsbindung der Klägerin nicht entgegen. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass im Museum auch zur Zeit des Besuchs des Beklagten im Mai 2007 Schilder mit einer durchgestrichenen Kamera angebracht und eine Besuchsordnung mit einem Fotografierverbot aufgehängt gewesen sei. Der Besucher wisse, dass das Betreten eines Museums regelmäßig nur unter Einhaltung bestimmter Bedingungen zum Schutz der Ausstellungsobjekte gewährt werde. Grundrechtliche Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse der Klägerin bestünden nicht, weil die Herstellung von Fotografien eine über den Gemeingebrauch und die Zugangsmöglichkeit hinausgehende besondere Nutzung sei, die reglementiert werden dürfe. Hinsichtlich der Behauptung des Beklagten, eine Aufsichtsperson habe ihm das Fotografieren gestattet, sei der Beklagte beweisfällig geblieben. Das Hochladen der unberechtigt gefertigten Bilder setze die Vertragsverletzung fort und begründe daher einen Unterlassungsanspruch. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.</p>
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<p>2. Die Revision wendet sich zu Recht nicht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, zwischen den Parteien sei konkludent ein Besichtigungsvertrag geschlossen worden, der nach Ziffer I der Benutzungsordnung privatrechtlich ausgestaltet ist.</p>
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<p>3. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass das als Allgemeine Geschäftsbedingung einzuordnende Fotografierverbot wirksam in den Besichtigungsvertrag einbezogen worden ist.</p>
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<p>a) Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, ein durch Piktogramme und die Benutzungsordnung angeordnetes Fotografierverbot stelle eine Allgemeine Geschäftsbedingung dar, erhebt die Revision keine Rügen. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich. Insbesondere können Piktogramme Teil von Allgemeinen Geschäftsbedingungen sein. Der Begriff der Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfordert keine Schriftform; auch Zahlen oder Zeichen, denen ein vertraglicher Regelungsgehalt zukommt, werden erfasst (vgl. Pfeifer in Wolf/Lindacher/Pfeifer, AGB-Recht, 6. Aufl., § 305 BGB Rn. 21).</p>
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<p>b) Die Revision wendet sich weiter nicht gegen die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Anbringung der das Fotografierverbot enthaltenden Besuchsordnung und von Piktogrammen, die dieses Verbot mittels einer durchgestrichenen Kamera symbolisieren. Danach begegnet auch die Beurteilung des Berufungsgerichts keinen Bedenken, dass das Fotografierverbot durch hinreichend deutlich sichtbaren Aushang in den Vertrag einbezogen worden ist (§ 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB).</p>
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<p>c) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Fotografierverbots ist frei von Rechtsfehlern.</p>
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<p>aa) Die Auslegung von allgemeinen Vertragsbedingungen durch das Berufungsgericht ist revisionsrechtlich in vollem Umfang überprüfbar (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2012 - XI ZR 500/11, BGHZ 195, 298 Rn. 15). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind im Unterschied zu individuellen Vertragsbestimmungen objektiv ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und des Willens der konkreten Parteien auszulegen. Besondere Bedeutung kommt daher dem Wortlaut einer Klausel und seinem Verständnis durch die typischerweise beteiligten redlichen Verkehrskreise unter Berücksichtigung derer Interessen zu (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - I ZR 156/12, NJW-RR 2014, 215 Rn. 24 f.).</p>
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<p>bb) Das Berufungsgericht hat die Piktogramme mit durchgestrichener Kamera und die ausgehängte Benutzungsordnung zutreffend dahingehend ausgelegt, dass damit ein generelles Fotografierverbot für Museumsbesucher ausgesprochen wird.</p>
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<p>Entgegen der Auffassung der Revision begründet die in der Benutzungsordnung vorgesehene Ausnahme vom Fotografierverbot für den Fall einer vorherigen Erlaubnis durch die Direktion keine Auslegungszweifel im Sinne von § 305c Abs. 2 BGB. Zweifel an der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestehen nur, wenn diese mehrdeutig und damit mindestens zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind, wobei völlig fernliegende Auslegungsmöglichkeiten außer Betracht bleiben (BGH, NJW-RR 2014, 215 Rn. 25). Bei verständiger Auslegung der Benutzungsordnung erkennt der durchschnittliche Museumsbesucher ebenso wie beim Betrachten der Piktogramme, dass Fotografieren in diesem Museum nicht gestattet ist. Die Benutzungsordnung weist ihn zusätzlich auf die Möglichkeit hin, bei der Direktion um eine Ausnahmegenehmigung nachzusuchen, nach deren Erteilung fotografiert werden darf. Dass die Voraussetzungen der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht genannt werden, führt nicht zur Unklarheit der Klausel. Die Benutzungsordnung weist mit dieser Formulierung lediglich auf die - gemäß § 305b BGB stets gegebene - Möglichkeit einer individualvertraglichen Aufhebung des Fotografierverbots hin.</p>
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<a name="rd_44">44</a>
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<p>4. Ohne Erfolg greift die Revision die Beurteilung des Berufungsgerichts an, das Fotografierverbot halte der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand.</p>
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<p>a) Das Fotografierverbot unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB.</p>
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<p>aa) Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind die Absätze 1 und 2 dieser Vorschrift ebenso wie § 308 und § 309 BGB nur auf Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen anzuwenden, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Hingegen unterfallen Abreden unmittelbar über den Gegenstand des Vertrags, seinen Leistungsinhalt oder das Entgelt nicht der Inhaltskontrolle (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 307 Rn. 41; MünchKomm.BGB/Wurmnest, 7. Aufl., § 307 Rn. 1). Danach sind Klauseln, die Art, Güte und Umfang der Hauptleistung unmittelbar festlegen, einer Inhaltskontrolle entzogen, nicht aber Bestimmungen, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1994 - IV ZR 107/93, BGHZ 127, 35, 41 [juris Rn. 15]; Urteil vom 28. November 2017 - X ZR 42/16, NJW 2018, 1157 Rn. 9 mwN).</p>
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<p>bb) Der zwischen Besucher und Museumsbetreiber abgeschlossene Besichtigungsvertrag ist ein Vertrag mit im Wesentlichen mietvertraglichen Elementen, weil dem Besucher der Gebrauch der Museumsräumlichkeiten zum Zwecke der Wahrnehmung dort vorhandener Exponate gestattet wird. Mit der Bereitstellung kunstwissenschaftlicher Informationen oder der Erbringung museumspädagogischer Dienstleistungen durch den Museumsbetreiber können dienstvertragliche Elemente hinzutreten (vgl. [zum Fitnessstudiovertrag] BGH, Urteil vom 8. Februar 2012 - XII ZR 42/10, NJW 2012, 1431 Rn. 17). Der Inhaltskontrolle entzogener Gegenstand der (miet-)vertraglichen Hauptleistung ist die Gewährung des Zutritts durch den Betreiber, der hierfür - jedenfalls im Streitfall - Zahlung des Eintrittspreises vom Besucher verlangt. Bei der Verhängung eines Fotografierverbots handelt es sich demgegenüber um eine bloße Modifikation des Hauptleistungsversprechens, das mithin einer Inhaltskontrolle unterliegt.</p>
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<p>b) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Nach § 307 Abs. 2 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist (Nr. 1) oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (Nr. 2).</p>
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<p>Voraussetzung ist zunächst eine Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders von einigem Gewicht (BGH, Urteil vom 6. November 2013 - KZR 58/11, BGHZ 199, 1 Rn. 66 - VBL-Gegenwert I). Eine solche Benachteiligung ist im Sinne von § 307 BGB unangemessen, wenn der Verwender durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH, Urteil vom 18. Februar 2016 - III ZR 126/15, BGHZ 209, 52, 58 Rn. 17; Urteil vom 7. Juni 2018 - III ZR 351/17, NJW 2018, 2788 Rn. 23; jeweils mwN). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist mittels einer umfassenden Würdigung der Art des konkreten Vertrags, der typischen Interessen der Vertragschließenden und der die jeweilige Klausel begleitenden Regelung zu beurteilen (BGH, Urteil vom 24. März 2010 - VIII ZR 304/08, NJW 2010, 2793 Rn. 33 mwN). Bei der Interessenabwägung können auch die objektiven Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die Grundrechte zu berücksichtigen sein (BGH, Urteil vom 1. Juni 2005 - IV ZR 100/02, NJW-RR 2005, 1161 Rn. 21 mwN).</p>
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<p>c) Ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt nicht vor. Das durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ausgesprochene generelle Fotografierverbot ist klar und verständlich. Insoweit kommt es - entgegen der Auffassung der Revision - nicht darauf an, dass die Voraussetzungen für eine Ausnahmeerlaubnis in der Benutzungsordnung nicht näher konkretisiert werden.</p>
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<p>d) Die Revision macht nicht geltend, dass mit dem Fotografierverbot vom wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung des Mietvertragsrechts abgewichen werde (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Dies ist auch nicht der Fall, weil das Verbot des Fotografierens das gesetzliche Leitbild des Mietvertragsrechts, insbesondere die in § 535 Abs. 1 und § 536 BGB vorgesehene Gewährung des Gebrauchs der Mietsache in vertragsgemäßen Zustand, nicht berührt.</p>
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<p>Die Voraussetzungen des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegen ebenfalls nicht vor. Die Natur eines Vertrags über die Besichtigung eines Museums wird durch die Bereitstellung der Räumlichkeiten und Exponate zur Wahrnehmung durch den Besucher geprägt. Die Erreichung dieses Vertragszwecks wird durch das Verbot, von ausgestellten Werken Fotografien zu fertigen, nicht gefährdet.</p>
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<p>e) Die Revision rügt, das Fotografierverbot stelle eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Hierzu verweist sie auf den satzungsmäßigen Zweck des Museums der Klägerin, der Öffentlichkeit Zugang zur Sammlung zu verschaffen. Es bestehe ein großes Interesse daran, Gemälde nicht nur bei einem Ausstellungsbesuch, sondern auch über das Internet wahrzunehmen. Der Satzungszweck müsse mit Blick auf die Sozialbindung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG und die von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Informationsfreiheit ausgelegt werden. Jedenfalls Fotografien zu privaten, wissenschaftlichen und allgemeinbildenden Zwecken seien zuzulassen. Hiermit dringt die Revision nicht durch.</p>
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<p>aa) Die Auferlegung eines Fotografierverbots stellt zwar einen hinreichend bedeutsamen Nachteil im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Diese Benachteiligung ist jedoch nicht unangemessen, wie eine umfassende Würdigung der relevanten Umstände ergibt. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, welche das Verbot rechtfertigenden Interessen die Klägerin geltend gemacht oder das Berufungsgericht festgestellt hat. Im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB ist vielmehr im Wege einer objektivierten Betrachtungsweise auf die typische Interessenlage abzustellen.</p>
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<p>bb) Es besteht ein berechtigtes Interesse der Betreiber von Museen, Regeln für das Verhalten der Besucher während des Museumsbesuchs aufzustellen, zu denen auch ein Fotografierverbot zählen kann. Ein solches Verbot kann dem Schutz der Kunstwerke, dem ordnungsgemäßen Ablauf des Museumsbetriebs, der Einhaltung rechtlicher Verpflichtungen des Museums gegenüber Dritten oder eigenen Interessen des Museums dienen (vgl. Stang, Das urheberrechtliche Werk nach Ablauf der Schutzfrist, S. 325; Stieper, Rechtfertigung, Rechtsnatur und Disponibilität der Schranken des Urheberrechts, 2009, S. 413 f., 419; Bullinger in Festschrift Raue, 2006, S. 379, 395; Schack, JZ 2011, 375, 376; ders., JZ 2013, 743, 744). Dies gilt nicht nur dann, wenn sich der Betreiber des Museums gegenüber Leihgebern verpflichtet hat, urheberrechtswidrige Vervielfältigungen geliehener Werke zu unterbinden, oder Werke vor der Beschädigung durch Lichtblitze oder dem Hantieren mit Stativen geschützt werden sollen. Die allgemeine Freigabe des Fotografierens ist - nicht zuletzt angesichts der großen Beliebtheit von Mobiltelefonen und der mit ihnen angefertigten Fotos - geeignet, den geordneten Museumsbetrieb zu beeinträchtigen.</p>
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<p>cc) Das Interesse der Besucher eines Museums ist jedenfalls in erster Linie auf die unmittelbare Wahrnehmung der dargebotenen Ausstellungsstücke gerichtet. Darüber hinaus ist aber auch das Interesse der Besucher anzuerkennen, den Wahrnehmungseindruck in geeigneter Weise zu perpetuieren. Dieses Interesse kann durch die Anfertigung eigener Fotografien, aber auch durch den Erwerb von Bildmaterial befriedigt werden, soweit solches etwa im Museumsgeschäft verfügbar ist. Zugunsten der Revision kann unterstellt werden, dass auch solche Personen Interesse an Fotografien von Ausstellungsstücken haben, die das Museum nicht selbst aufsuchen, sondern seine Exponate über das Internet wahrnehmen möchten.</p>
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<p>Grundrechtlich ist das Interesse, in einem von der öffentlichen Hand unterhaltenen Museum nicht durch ein Verbot an der Anfertigung von Fotografien gehindert zu werden, jedoch - entgegen der Auffassung der Revision - nicht durch die Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) oder aufgrund der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG), sondern allenfalls durch die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützt.</p>
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<p>Es trifft zwar zu, dass eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, die ein Museum betreibt, sich ihrer Grundrechtsbindung nicht durch eine - im Streitfall gegebene - privatrechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses entziehen kann (vgl. [zur Grundrechtsbindung öffentlicher Unternehmen in Privatrechtsform] BVerfGE 128, 226 245 f. [juris Rn. 50]; BVerwGE 113, 208, 211 [juris Rn. 11]; BVerwG, NVwZ 1991, 59 [juris Rn. 5] mwN). Jedoch ist weder mit Blick auf die Informationsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG noch mit Blick auf die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) im Streitfall eine allgemeine Freigabe des Fotografierens im Museum der Klägerin zu verlangen.</p>
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<p>(1) Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verbürgt neben der Meinungsäußerungsfreiheit das Recht eines jeden, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.</p>
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<p>Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erst nach Herstellung der allgemeinen Zugänglichkeit und nur in ihrem Umfang betroffen sein, soweit der so hergestellte Zugang hoheitlich beeinträchtigt wird. Eine Informationsquelle ist allgemein zugänglich, wenn sie geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, das heißt einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen. Dieses Grundrecht gewährleistet aber nur das Recht, sich ungehindert aus einer schon für die allgemeine Zugänglichkeit bestimmten Quelle zu unterrichten. Fehlt es hingegen an dieser Bestimmung, fällt die Informationsbeschaffung nicht in den Schutzbereich der Informationsfreiheit (BVerfGE 103, 44, 60 [juris Rn. 56] mwN).</p>
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<p>Über die Zugänglichkeit und die Art der Zugangseröffnung entscheidet, wem die Rechtsordnung ein entsprechendes Bestimmungsrecht zuweist. Die Ausübung dieses Rechts stellt keinen Eingriff in den Schutzbereich dar. Das Bestimmungsrecht ist nach den allgemeinen Vorschriften zu beurteilen, richtet sich für Privatpersonen insbesondere nach denen des bürgerlichen Rechts, für den Staat vornehmlich nach denen des öffentlichen Rechts. Der Bestimmungsberechtigte kann sein Bestimmungsrecht in differenzierender Weise ausüben und Modalitäten des Zugangs festlegen, indem etwa die Zahlung von Eintritt oder eine Einwilligung in Fotoaufnahmen bei Zutritt zu einem Konzert verlangt wird. Dies gilt auch für den Staat. Soweit er bestimmungsberechtigt ist, kann er im Rahmen seiner Aufgaben und Befugnisse Art und Umfang des Zugangs bestimmen (BVerfGE 103, 44, 60 f. [juris Rn. 57]). Durch die Festlegung der Zugänglichkeit und des Ausmaßes der Öffnung einer Informationsquelle wird in diesem Umfang zugleich der Schutzbereich der Informationsfreiheit eröffnet (BVerfGE 103, 44, 61 [juris Rn. 58]; kritisch hierzu Stieper aaO S. 423 f.).</p>
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<p>Nach bürgerlichem Recht steht die Befugnis über die Entscheidung, wem der Zutritt zu einer Örtlichkeit gestattet oder verweigert wird, dem Inhaber des aus dem Grundeigentum oder -besitz folgenden Hausrechts zu. Sie schließt das Recht ein, den Zutritt nur zu bestimmten Zwecken zu erlauben oder rechtswirksam von Bedingungen wie der Zahlung eines Entgelts abhängig zu machen. Dem Hausrecht unterfällt danach auch die Gestattung, Hörfunk-, Film- oder Fotoaufnahmen in den Räumlichkeiten des Hausrechtsinhabers vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2005 - KZR 37/03, BGHZ 165, 62, 69 f. [juris Rn. 24 f.] - Hörfunkrechte; Urteil vom 28. Oktober 2010 - I ZR 60/09, BGHZ 187, 255 Rn. 22 - Hartplatzhelden.de). Diese Grundsätze sind bei der Anwendung auf Körperschaften des öffentlichen Rechts oder privatrechtlich organisierte Unternehmen der öffentlichen Hand allerdings nicht ohne weiteres übertragbar, weil diese zwar selbst an die Grundrechte gebunden sind, sich gegenüber dem Bürger aber nicht auf Grundrechte - etwa das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) - berufen können. Ein Rückgriff auf die aus § 903 Satz 1 BGB folgenden Befugnisse des Eigentümers, also auch auf das Hausrecht, steht aber auch öffentlichen Stellen oder von ihnen dominierten privatrechtlichen Unternehmen offen, wenn dies dem Schutz individueller Rechtsgüter oder der Verfolgung legitimer, hinreichend gewichtiger öffentlicher Zwecke des gemeinen Wohls dient (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2015 - V ZR 227/14, NJW 2015, 2892 Rn. 18). Im Falle des Fotografierverbots stellt das Ordnungs- und Schutzinteresse eines Museumsbetreibers einen solchen hinreichenden Gemeinwohlgrund dar, so dass der Klägerin im Streitfall insoweit die Berufung auf ihr Hausrecht offensteht.</p>
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<p>Danach ist ein Eingriff in den Schutzbereich der Informationsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu verneinen, wenn ein öffentlich-rechtlicher Museumsträger den Zugang zum Museum nur mit der Maßgabe eines Fotografierverbots eröffnet (vgl. H. Lehment, Das Fotografieren von Kunstgegenständen, Diss. Göttingen 2008, 151; Stang aaO S. 318 f.; Euler, AfP 2009, 459, 461 f.; aA Stieper aaO S. 423 f.). So verhält es sich im Streitfall. Eröffnet das Museum ferner nicht selbst den Zugang zu seiner Sammlung über das Internet, berührt dies nach den vorstehenden Grundsätzen ebenfalls nicht die Informationsfreiheit von Personen, die an der Wahrnehmung von Ausstellungsstücken über das Internet interessiert sind. Die Revision macht weder geltend noch ist ersichtlich, dass im Streitfall ein solcher Zugang über das Internet besteht.</p>
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<p>(2) Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) entfaltet im Streitfall zugunsten des Beklagten ebenfalls keine Schutzwirkung. Sie ist begrenzendes Korrelat der Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) und richtet sich mithin an Träger dieses Grundrechts. Zu diesen zählt die Klägerin als juristische Person des öffentlichen Rechts nicht (vgl. H. Lehment aaO S. 152; Stieper aaO S. 421).</p>
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<p>(3) Mit dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) ist das Fotografierverbot vereinbar. Die Revision zieht die formelle verwaltungsrechtliche Rechtmäßigkeit der dem Verbot zugrundeliegenden Rechtsgrundlagen nicht in Zweifel. Die Verhältnismäßigkeit des Verbots ist mit Blick auf das Schutz- und Ordnungsinteresse des Museumsbetreibers sowie die Möglichkeit gewahrt, im Ausnahmefall bei der Direktion des Museums eine Erlaubnis zu beantragen.</p>
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<p>dd) Die Revision macht vergeblich geltend, das Fotografierverbot widerspreche dem Widmungszweck des Museums der Klägerin.</p>
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<p>Die Revision beruft sich ohne Erfolg darauf, dass der Zweck des Museums nach § 1 Abs. 3 der Betriebssatzung "die Pflege und Förderung der Kunst- und Kulturgeschichte, der Photographie, der Archäologie und der Denkmalpflege, der Kulturen der Welt und der Umwelt- und Naturkunde, der Theater- und Musikgeschichte sowie der Stadt- und Regionalgeschichte in Form von Sammeln, Bewahren, Forschen, Präsentieren und Vermitteln" ist.</p>
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<p>Die Widmung legt als hoheitliche Zweckbestimmung zwar den zulässigen Gebrauch einer öffentlichen Einrichtung fest (Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht, Bd. II, 7. Aufl., § 75 Rn. 1; Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl., § 30 Rn. 9; Stang aaO S. 319), so dass sie ein im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB zu berücksichtigender Umstand ist. Es kann aber im Streitfall nicht festgestellt werden, dass das Fotografierverbot gegen den Widmungszweck verstößt.</p>
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<p>Das in der Widmung niedergelegte Ziel der Präsentation und Vermittlung von Kunst und Kultur erfolgt in hergebrachter Weise dadurch, dass Besuchern die Wahrnehmung von Ausstellungsobjekten in den Räumlichkeiten eines Museums ermöglicht wird. Das Fotografierverbot steht im Einklang mit diesem Zweck, weil es dazu dient, das Interesse des Betreibers am Schutz der Exponate und an der störungsfreien Durchführung von Ausstellungen sicherzustellen. Sofern im Einzelfall dieses berechtigte Interesse des Museumsbetreibers hinreichend gewahrt werden kann, besteht nach der Benutzungsordnung die Möglichkeit einer Ausnahme vom Fotografierverbot. Soweit im Zeitalter des Internets durch veränderte, über den herkömmlichen Museumsbesuch hinausgehende Rezeptionsgewohnheiten der Allgemeinheit das Bedürfnis nach fotografischer Dokumentation von Ausstellungsobjekten steigt (dazu Stang, aaO S. 322), kann auch diesem Interesse durch Anwendung des in der Benutzungsordnung niedergelegten Erlaubnistatbestands Rechnung getragen werden.</p>
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<p>ee) Insgesamt ist das Fotografierverbot danach nicht als unangemessene Benachteiligung der Museumsbesucher im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB anzusehen. Angesichts berechtigter Interessen der Klägerin am Schutz der ausgestellten Kunstwerke und der ordnungsgemäßen Durchführung von Ausstellungen und des Umstands, dass besonderen Interessen der Besucher durch die ausnahmsweise Erteilung einer Erlaubnis Rechnung getragen werden kann, handelt es sich hierbei nicht um eine missbräuchliche einseitige Vertragsgestaltung des Verwenders auf Kosten der anderen Vertragspartei.</p>
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<p>5. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Zuerkennung des Unterlassungsanspruchs. Dieser folgt aus § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB.</p>
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<p>Nach § 280 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger Schadensersatz verlangen, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, sofern es nicht am Verschulden fehlt. Der im Falle der Verletzung des § 280 Abs. 1 BGB zu leistende Schadensersatz ist gemäß § 249 Abs. 1 BGB darauf gerichtet, den vor Eintritt der Verletzungshandlung bestehenden Zustand wiederherzustellen. Ausgenommen sind lediglich Folgeschäden, die außerhalb des Schutzzwecks der verletzten Pflicht liegen. Bei wertender Betrachtung muss sich ergeben, dass der geltend gemachte Schaden in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage steht; ein "äußerlicher", gleichsam "zufälliger" Zusammenhang genügt nicht (BGH, Urteil vom 17. September 2015 - I ZR 47/14, GRUR 2016, 526 Rn. 31 = WRP 2016, 489 - Irreführende Lieferantenangabe, mwN).</p>
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<p>Im Streitfall stellt das öffentliche Zugänglichmachen der unter Verletzung des vertraglichen Fotografierverbots hergestellten Bildaufnahmen ein äquivalent und adäquat kausales Schadensgeschehen dar, das einen hinreichenden inneren Zusammenhang mit der Vertragsverletzung aufweist. Auf die Annahme des Verschuldens des Beklagten bezogene Rügen erhebt die Revision nicht. Das Bereitstellen im Museum gefertigter Bildaufnahmen im Internet ist mit Blick auf die Bedeutung und verbreitete Nutzung der durch das Internet eröffneten Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten als typische Folge des Verstoßes gegen das Fotografierverbot anzusehen. Ein solches Geschehen zählt bei wertender Betrachtung zu den nachteiligen Folgen, vor denen das Fotografierverbot die Klägerin bewahren soll.</p>
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<p>IV. Die Verurteilung des Beklagten zum Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hat ebenfalls Bestand.</p>
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<p>Hinsichtlich des öffentlichen Zugänglichmachens der eingescannten Fotos (Anlage K 1) aus der Publikation der Klägerin folgt der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten aus § 97a Abs. 3 Satz 1 UrhG. Hinsichtlich des öffentlichen Zugänglichmachens der in Anlage K 2 abgebildeten Fotos ergibt sich die Ersatzpflicht des Beklagten aus § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB. Aus Sicht der Klägerin war die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur außergerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche erforderlich und zweckmäßig (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 - XI ZR 148/11, juris Rn. 35; Urteil vom 22. März 2018 - I ZR 265/16, GRUR 2018, 914 Rn. 16 = WRP 2018, 1087 - Riptide; jeweils mwN). Gegen die Höhe des geltend gemachten Anspruchs und den Zinsausspruch erhebt die Revision keine Rügen.</p>
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<a name="rd_76">76</a>
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<p>C. Danach ist die Revision des Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.</p>
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<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Koch     </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">      </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Kirchhoff     </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">      </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Löffler</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">      </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Feddersen     </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">      </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Schmaltz     </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">      </p>
</td>
</tr>
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180,210 | bsg-2018-12-20-b-3-kr-2418-b | {
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} | B 3 KR 24/18 B | 2018-12-20T00:00:00 | 2019-02-07T14:18:00 | 2019-02-07T14:18:00 | Beschluss | ECLI:DE:BSG:2018:201218BB3KR2418B0 | <h2>Tenor</h2>
<div>
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<dd>
<p>Auf die Beschwerde der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württem-berg vom 21. Februar 2018 aufgehoben, soweit die Beklagte zur Zahlung von Krankengeld an den Kläger für den Zeitraum vom 16. Dezember 2014 bis 10. Juni 2015 sowie für den Zeitraum vom 16. Juni 2015 bis 31. August 2015 verurteilt worden ist.</p>
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<p>Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.</p>
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<h2>Gründe</h2>
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<dt>
<a name="rd_1">1</a>
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<dd>
<p>I. Im Streit stand ursprünglich, ob der Kläger mit Anspruch auf Krankengeld (Krg) bei der Beklagten versichert war und für die Zeit vom 23.10.2014 bis 31.8.2015 Anspruch auf Krg hat. Das SG hat - unter Aufhebung entgegenstehender Bescheide - ausgeführt, die Beklagte habe einen Bescheid über die Feststellung einer freiwilligen Versicherung ab 1.7.2014 mit Anspruch auf Krg nicht wirksam zurückgenommen. Anspruch auf Krg habe der Kläger allerdings nicht. Für die Zeit vom 23.10.2014 bis 31.10.2014 habe der Krg-Anspruch wegen verspäteter Meldung nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V geruht und ab 1.11.2014 könne Krg nicht gezahlt werden, weil der Kläger seit diesem Tag nicht mehr selbstständig erwerbstätig gewesen sei.</p>
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<a name="rd_2">2</a>
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<p>Auf die dagegen nur vom Kläger eingelegte Berufung hat das LSG die Beklagte zur Krg-Zahlung für die Zeit vom 13.11.2014 bis 31.8.2015 verurteilt und im Übrigen die Berufung zurückgewiesen. Es hat ua ausgeführt, dem Krg-Anspruch stehe nicht die erst nach dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit (AU) erfolgte Einstellung der selbstständigen Erwerbstätigkeit ab 1.11.2014 entgegen. Nur wenn die selbstständige Erwerbstätigkeit bereits vor Eintritt der AU eingestellt und kein regelmäßiges Arbeitseinkommen mehr erzielt werde, könne kein Krg beansprucht werden. Der Krg-Anspruch des Klägers ab der 7. Woche der AU habe aber gemäß § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V wegen verspäteter Meldung vom 23.10.2014 bis (gemeint) 12.11.2014 geruht. Am 13.11.2014 sei der Beklagten die AU durch Vorlage der ärztlichen Bescheinigung erstmals gemeldet worden. Der Anspruch stehe dem Kläger bis 31.8.2015 zu, weil bis dahin seine AU - unter Berücksichtigung eines zeitweiligen Krankenhausaufenthaltes - lückenlos ärztlich bescheinigt worden sei. Die Frage der Rechtzeitigkeit der Meldung der ärztlich attestierten AU-Zeiten ab 13.11.2014 bei der Beklagten hat das LSG nicht thematisiert <em>(Urteil vom 21.2.2018)</em>.</p>
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<a name="rd_3">3</a>
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<p>Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG richtet sich die nach dem Beschwerdevorbringen auf die Zeiträume vom 16.12.2014 bis 10.6.2015 und vom 16.6.2015 bis 31.8.2015 beschränkte Beschwerde der Beklagten <em>(zur Beschränkung siehe S 5 der Beschwerdebegründung)</em>. Sie beruft sich neben einer Abweichung von der Rechtsprechung des BSG auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln <em>(§ 160 Abs 2 Nr 2 und 3 SGG) </em>und macht insbesondere eine Überraschungsentscheidung geltend, weil das LSG in der Berufungsentscheidung für den Zeitraum ab 13.11.2014 die Ruhensvorschrift nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V nicht mehr berücksichtigt habe.</p>
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<a name="rd_4">4</a>
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<p>II. Die zulässige Beschwerde der Beklagten führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG gemäß § 160a Abs 5 SGG, soweit die Krg-Zahlung für die Zeiträume vom 16.12.2014 bis 10.6.2015 und vom 16.6.2015 bis 31.8.2015 im Streit steht. Für diesen Zeitraum hat die Beklagte einen Verfahrensmangel geltend gemacht, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann <em>(§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG)</em>. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 160a Abs 5 SGG Gebrauch, wonach in solchen Fällen durch Beschluss das LSG-Urteil aufgehoben und eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung erfolgen kann.</p>
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<a name="rd_5">5</a>
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<p>Die Beklagte rügt, dass das LSG in der Berufungsentscheidung das Ruhen des Krg-Anspruchs nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V für den Zeitraum ab 13.11.2014 nicht thematisiert habe. Dies sei insbesondere deshalb überraschend, weil diese Ruhensvorschrift dem Krg-Anspruch des Klägers nach dem Berufungsurteil bis zum 12.11.2014 entgegengestanden und daher stetig im Mittelpunkt des Rechtsstreits gestanden habe. Nachdem der Kläger vom 22.11.2014 bis 15.12.2014 stationär behandelt worden sei, sei ihr (der Beklagten) die weitere AU vom 16.12.2014 bis 15.6.2015 erst am 11.6.2015 gemeldet worden und weitere AU-Zeiten bis zum 31.8.2015 seien erst im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens am 12.7.2016 gemeldet worden. Dies ergebe sich aus den Ausführungen im Widerspruchsbescheid und werde auch im Tatbestand des Berufungsurteils so wiedergegeben. Die Verurteilung zur durchgängigen Krg-Zahlung für den Zeitraum vom 16.12.2014 bis 31.8.2015 sei daher überraschend. Letzteres trifft nach der Würdigung des Sach- und Streitstandes durch den Senat zu.</p>
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<p>Den Beteiligten ist vor jeder Entscheidung rechtliches Gehör zu gewähren <em>(§ 62 SGG)</em>. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs verbietet sog Überraschungsentscheidungen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll ua verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten. Er soll sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen wird <em>(BVerfGE 22, 267, 274; BVerfGE 96, 205, 216 f)</em>. Art 103 Abs 1 GG gebietet zwar nicht, dass das Gericht vor seiner Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist <em>(BVerfG vom 27.11.2008 - 2 BvR 1012/08 - Juris RdNr 6; BVerfGE 86, 133, 145 mwN)</em>. Auch aus § 62 SGG ergibt sich keine Pflicht des Prozessgerichts, vor einer Entscheidung die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte mit den Beteiligten zu erörtern, soweit sie bereits aus dem Verfahrensstand ersichtlich sind <em>(vgl BSG SozR 3-1500 § 112 Nr 2)</em>. Eine Überraschungsentscheidung liegt aber dann vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bislang nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht rechnen musste <em>(BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 17; BSG Beschluss vom 18.1.2011 - B 2 U 268/10 B - Juris RdNr 6)</em>. Das ist hier der Fall.</p>
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<a name="rd_7">7</a>
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<p>Für die Zeit ab 16.12.2014 ist im Berufungsurteil die Frage des Ruhens des Krg-Anspruchs nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V nicht erörtert worden, obwohl nach den Ausführungen im Tatbestand des Berufungsurteils von verspäteten Meldungen der festgestellten AU betreffend die Zeiträume vom 16.12.2014 bis 10.6.2015 und vom 16.6.2015 bis 31.8.2015 ausgegangen werden konnte, es sei denn, das Berufungsgericht hätte sich diesbezüglich zu weiteren Ermittlungen gedrängt gefühlt.</p>
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<p>Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist die Gewährung von Krg bei verspäteter Meldung auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben sind und den Versicherten keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung trifft <em>(vgl zB BSGE 85, 271, 276 = SozR 3-2500 § 49 Nr 4 S 15 f; BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4, RdNr 18 mwN).</em> Die AU muss der Krankenkasse vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krg auch dann angezeigt werden, wenn sie seit ihrem Beginn ununterbrochen bestanden hat, aber wegen der Befristung der bisherigen Attestierung der AU über die Weitergewährung des Krg neu zu befinden ist <em>(stRspr, vgl nur BSGE 85, 271, 275 </em>
<em>f = SozR 3-2500 § 49 Nr 4 S 15; BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4, RdNr 18)</em>. Auch dann muss der Versicherte die Fortdauer der AU grundsätzlich rechtzeitig vor Fristablauf ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse melden, will er das Erlöschen oder das Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden <em>(vgl zum Ganzen zuletzt auch Urteil des Senats vom 25.10.2018 - B 3 KR 23/17 R - mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen)</em>.</p>
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<p>Vor diesem rechtlichen Hintergrund und auf der Grundlage der Feststellungen des LSG war es überraschend, dass das Berufungsgericht die Frage des Ruhens des Krg-Anspruchs nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V für die Zeit ab 16.12.2014 nicht erörtert und dem Rechtsstreit damit eine Wende gegeben hat, mit der ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf nicht rechnen musste. Denn wenn das Berufungsgericht von dem Vorbringen der Beklagten, dass ihr die AU des Klägers nach seinem Krankenhausaufenthalt vom 16.12.2014 bis 15.6.2015 erst am 11.6.2015 und weitere AU-Zeiten bis zum 31.8.2015 erst im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens am 12.7.2016 gemeldet worden seien, nicht überzeugt gewesen wäre, hätte es hierzu entweder weiterer Ermittlungen bedurft oder das LSG hätte den Beteiligten zumindest rechtliches Gehör gewähren müssen, um deren Vorbringen hierzu hinreichend berücksichtigen zu können. Einer solchen Gewährung rechtlichen Gehörs hätte es auch dann bedurft, wenn das LSG in Abweichung von der oben dargestellten ständigen Rechtsprechung des BSG zur Erforderlichkeit zeitgerechter Meldungen jeder erneut festgestellten AU-Zeit entscheiden oder vom Vorliegen eines Ausnahmefalls ausgehen wollte.</p>
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<p>Die Gewährung rechtlichen Gehörs wird das Berufungsgericht im wieder eröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben.</p>
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<a name="rd_11">11</a>
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<p>Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung des LSG vorbehalten.<br/>
</p>
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} | 1 BvR 1155/18 | 2018-12-20T00:00:00 | 2019-02-01T13:09:25 | 2019-02-01T13:09:25 | Stattgebender Kammerbeschluss | ECLI:DE:BVerfG:2018:rk20181220.1bvr115518 | <h2>Tenor</h2>
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<dd>
<p>1. Das Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 7. Dezember 2017 - 112 C 427/17 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben.</p>
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<p>2. Die Sache wird an das Amtsgericht Braunschweig zurückverwiesen.</p>
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<p>3. Der Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 1. März 2018 - 112 C 427/17 - wird damit gegenstandslos.</p>
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<p>4. Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu ersetzen.</p>
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<h2>Gründe</h2>
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<dd>
<p>A.</p>
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<a name="rd_1">1</a>
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<p>
Der Beschwerdeführer richtet sich dagegen, dass ein Beweisangebot in einem Schadensersatzprozess als verspätet zurückgewiesen wurde.</p>
</dd>
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<p>I.</p>
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<a name="rd_2">2</a>
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<dd>
<p>
Nach einem Autounfall verklagte der Beschwerdeführer die Versicherung des Schädigers vor dem Amtsgericht unter anderem auf Schadensersatz wegen Mietwagenkosten in Höhe von 316,49 Euro. Das schriftliche Vorverfahren nach § 276 ZPO wurde angeordnet.</p>
</dd>
</dl>
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<dt>
<a name="rd_3">3</a>
</dt>
<dd>
<p>
In der Klageerwiderung bestritt die Versicherung eine Ersatzpflicht, weil der Beschwerdeführer während der viertägigen Mietdauer nur 67 km zurückgelegt habe, was einer täglichen Fahrtstrecke von 16,75 km entspreche, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln hätte bewältigt werden können. Das Amtsgericht übermittelte dem Beschwerdeführer den Klageerwiderungsschriftsatz "mit der Bitte um Stellungnahme"; eine Fristsetzung unterblieb. Der Beschwerdeführer trug schriftsätzlich nichts weiter vor.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_4">4</a>
</dt>
<dd>
<p>
In der mündlichen Verhandlung wies das Gericht auf den Vortrag der Versicherung zu den Mietwagenkosten hin. Der Anwalt des Beschwerdeführers erwiderte, dass dieser um 5:45 Uhr zur Arbeit fahren müsse und aufgrund der Verkehrsanbindung keine andere Möglichkeit habe, zur Arbeit zu kommen. Die (nicht anwesende) Ehefrau könne dies bezeugen. Die Versicherung bestritt diesen Vortrag "vorsorglich mit Nichtwissen".</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_5">5</a>
</dt>
<dd>
<p>
Das Amtsgericht wies die Klage hinsichtlich der Mietwagenkosten ab. Vor dem Termin habe der Beschwerdeführer trotz rechtzeitig versandter Klageerwiderung nichts zum Problem der geringen Fahrleistung vorgetragen, sondern erst in der mündlichen Verhandlung auf die Anreise zu seiner Arbeitsstelle verwiesen. Soweit er sich dabei auf die Ehefrau als Zeugin berufen habe, sei der Beweisantritt verspätet: Eine "etwaige Beweisaufnahme würde zur Verzögerung des Verfahrens führen (§ 296 ZPO)".</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_6">6</a>
</dt>
<dd>
<p>
Die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers blieb erfolglos. Die Zurückweisung des Beweisantritts sei nach § 296 Abs. 1 ZPO zutreffend erfolgt.</p>
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<p>II.</p>
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<a name="rd_7">7</a>
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<dd>
<p>
Der Beschwerdeführer rügt insbesondere die Verletzung rechtlichen Gehörs und der verfassungsrechtlichen Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung sowie einen Verstoß gegen das Willkürverbot.</p>
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<p>III.</p>
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<a name="rd_8">8</a>
</dt>
<dd>
<p>
Der Versicherung, dem Niedersächsischen Justizministerium sowie dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit zur Stellungnahme zur Verfassungsbeschwerde gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.</p>
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<h2>B.</h2>
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<a name="rd_9">9</a>
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<dd>
<p>
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr nach § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG statt. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).</p>
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<p>I.</p>
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<a name="rd_10">10</a>
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<dd>
<p>
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Die Zurückweisung des Beweisangebots verletzt den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_11">11</a>
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<dd>
<p>
1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen des einschlägigen Prozessrechts die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge (vgl. BVerfGE 50, 32 <35>; 60, 247 <249>). Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebotes verstößt daher dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie aus Gründen erfolgt, die im Prozessrecht keine Stütze mehr finden (vgl. BVerfGE 50, 32 <35 f.>; 69, 141 <143 f.>; BVerfGK 13, 303 <304>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 2. Juli 2018 - 1 BvR 612/12 -, www.bverfg.de, Rn. 31).</p>
</dd>
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<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_12">12</a>
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<dd>
<p>
Die fehlerhafte Anwendung einer einfachrechtlichen Präklusionsvorschrift stellt nicht stets eine Gehörsverletzung dar. Sie wird aber unter anderem dann bejaht, wenn die Anwendung der Präklusionsvorschrift "offenkundig unrichtig" ist (vgl. BVerfGE 69, 145 <149>; 75, 302 <312>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Oktober 2016 - 2 BvR 1313/16 -, www.bverfg.de, Rn. 9) und die Entscheidung hierauf beruht. Das ist der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die zu Unrecht unterbliebene Anhörung das Gericht zu einer anderen Beurteilung des Sachverhalts oder in einem wesentlichen Punkt zu einer anderen Würdigung veranlasst oder im Ganzen zu einer anderen, günstigeren Entscheidung geführt hätte (vgl. BVerfGE 112, 185 <206>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Februar 2018 - 2 BvR 549/17 -, www.bverfg.de, Rn. 7).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_13">13</a>
</dt>
<dd>
<p>
2. Die Zurückweisung des Beweisangebots ist hier das Ergebnis einer offenkundig unrichtigen Rechtsanwendung.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_14">14</a>
</dt>
<dd>
<p>
Das Amtsgericht hat die Zurückweisung ausweislich des Beschlusses über die Anhörungsrüge auf "§ 296 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 277 Abs. 4, 277 Abs. 2 und 3 ZPO" gestützt. Dabei hat es übersehen, dass die Zurückweisung nach § 296 Abs. 1 ZPO die Versäumung einer richterlichen Frist erfordert (vgl. BVerfGE 69, 126 <137>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 16. März 1989 - 1 BvR 1433/88 -, juris, Rn. 19; Greger, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 296 Rn. 8, 8c), eine solche aber nicht gesetzt wurde. § 277 ZPO normiert hiervon keine Ausnahme. Die Vorschrift setzt eine richterliche Fristsetzung voraus (s. dazu Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2018, § 277 Rn. 1).</p>
</dd>
</dl>
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<a name="rd_15">15</a>
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<dd>
<p>
Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf der offenkundig fehlerhaften Rechtsanwendung. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Durchführung der Beweisaufnahme für den Beschwerdeführer erfolgreich verlaufen wäre und das Gericht deswegen der Klage hinsichtlich der Mietwagenkosten entsprochen hätte.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<p>II.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_16">16</a>
</dt>
<dd>
<p>
Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG angezeigt, weil die Zurückweisung des Beweisangebots Ausdruck leichtfertigen Umgangs mit der Gewährleistung rechtlichen Gehörs ist (dazu BVerfGE 90, 22 <25>). Da eine Zurückweisung nach der die Entscheidung tragenden Norm des § 296 Abs. 1 ZPO offensichtlich nicht in Betracht kam, hätte sich dem Amtsgericht aufdrängen müssen, dass die Zurückweisung verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen ist. Gleichwohl hat es noch auf die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers an ihr festgehalten.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<br/>
</dd>
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<dt/>
<dd>
<p>III.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_17">17</a>
</dt>
<dd>
<p>
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.</p>
</dd>
</dl>
</div>
|
171,322 | olgham-2018-12-20-4-rbs-38718 | {
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} | 4 RBs 387/18 | 2018-12-20T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:54 | 2019-02-12T13:44:40 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:2018:1220.4RBS387.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluss wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.</p>
<p>Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels - an das Amtsgericht Lüdinghausen zurückverwiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Gründe</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen im Beschlusswege nach § 72 OWiG wegen Anordnens bzw. Zulassens einer verbotswidrigen Fahrt am Sonntag mit einem LKW mit Anhänger sowie der Anordnung der Inbetriebnahme bzw.  des Zulassens der Inbetriebnahme eines Lastkraftwagens bzw. dessen Anhänger, obwohl die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Ladung wesentlich beeinträchtigt war, eine Geldbuße von 720 Euro festgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der auf die Sachrüge gestützten Rechtsbeschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Begründung eines Beschlusses nach § 72 OWiG entspricht der eines Urteils in Strafsachen (Seitz/Bauer in: Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 72 Rdn. 63). Eine fehlende Beweiswürdigung führt bei einem solchen auf die Sachrüge hin zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (BGH NStZ-RR 1999, 45). Der angefochtene Beschluss enthält keinerlei Beweiswürdigung und war mithin bereits deswegen aufzuheben. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass im Rechtsbeschwerdeverfahren betreffend einen Beschluss nach § 72 OWiG dem Rechtsbeschwerdegericht in gewissem Umfang die Kenntnisnahme des Akteninhalts möglich ist (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 05.01.2016 – III – 4 RBs 320/15 – juris; Seitz/Bauer a.a.O. Rdn. 79 m.w.N.). Wollte man auf das Erfordernis einer Beweiswürdigung des Tatrichters völlig verzichten, weil er sich selbst aus den Akten eine Überzeugung bzgl. der Richtigkeit der Feststellungen verschaffen könnte, so würde dies dazu führen, dass  die Rechtsbeschwerdeinstanz – contra legem (vgl. § 79 Abs. 3 OWiG) – von einer Rechtsüberprüfungsinstanz zu einer Berufungsinstanz würde.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die getroffenen Feststellungen auch die o.g. Verurteilung nicht hinreichend belegen. So bleibt unklar, in welchem Verhältnis der Betroffene und der Fahrzeugführer stehen, inwieweit der Betroffene also tatsächlich dessen Fahrzeugführung zugelassen hat, und es bleibt unklar, ob es sich bei dem „LKW“ um einen solchen i.S.v. § 30 Abs. 3 StVO handelt. Nähere Feststellungen zur Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit fehlen ebenfalls. Die Wertung, dass die Zurrbänder „ablegereif“ gewesen sein, wird nicht näher belegt.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Weiter weist der Senat ergänzend darauf hin, dass der Tenor auf eine Verurteilung auf wahldeutiger Grundlage hindeutet („Anordnens bzw. Zulassens“), während die Urteilsgründe offenbar auf ein Zulassen abstellen. Insoweit besteht ein Widerspruch.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Angesichts der ohnehin gebotenen Aufhebung auf die allein erhobene Sachrüge hin, kann dahinstehen, ob eine Beschlussentscheidung, deren Voraussetzung ist, dass das Gericht eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich hält, auch noch möglich ist, wenn – wie hier – kurz zuvor eine Hauptverhandlung stattgefunden hat.</p>
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171,321 | vg-dusseldorf-2018-12-20-15-l-323718 | {
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} | 15 L 3237/18 | 2018-12-20T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:54 | 2019-02-12T13:44:40 | Beschluss | ECLI:DE:VGD:2018:1220.15L3237.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p><strong>Der Antrag wird abgelehnt.</strong></p>
<p><strong>Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.</strong></p>
<p><strong>Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.</strong></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Gründe:</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der am 7. November 2018 sinngemäß gestellte Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><strong>festzustellen, dass die Klage 15 K 8375/18 gegen die Entscheidung der dortigen Beklagten über das Absehen von der Weiterführung des Amtes als Präsidentin der Antragsgegnerin aufschiebende Wirkung hat,</strong></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks"><strong>hilfsweise im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass die Antragstellerin berechtigt und verpflichtet ist, das Amt der Präsidentin kommissarisch auszuüben,</strong></p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks"><strong>hilfsweise der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, der Antragstellerin die kommissarische Ausübung des Amtes der Präsidentin zu ermöglichen,</strong></p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">1. Der Antrag ist mit seinem Hauptbegehren bereits nicht statthaft.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Ein Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen einen belastenden Verwaltungsakt ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft, wenn die Behörde einen Verwaltungsakt vollzieht, obwohl der gegen ihn erhobenen Klage aufschiebende Wirkung zukommt.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Klage 15 K 8375/18, inhaltlich gerichtet gegen den unter dem Tagesordnungspunkt 6 gefassten Beschluss der Hochschulwahlversammlung vom 24. September 2018, die Antragsgegnerin zu bitten, von der Fortführung des Amtes als Präsidentin der Antragsgegnerin abzusehen (im Folgenden: Beschluss der Hochschulwahlversammlung), kommt – ungeachtet der Frage, ob richtiger Klagegegner die Antragsgegnerin oder die Hochschulwahlversammlung der Antragsgegnerin ist – keine aufschiebende Wirkung zu. Aufschiebende Wirkung hat nach § 80 Abs. 1 VwGO allein die Anfechtungsklage, und zwar auch bei rechtsgestaltenden oder feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin hat unter dem genannten Aktenzeichen bereits keine Anfechtungsklage, sondern eine Feststellungsklage erhoben. Selbst wenn die Antragstellerin den angekündigten Antrag noch auf einen Anfechtungsantrag umstellen sollte, änderte dies nichts. Eine Anfechtungsklage gegen den Beschluss der Hochschulwahlversammlung wäre unstatthaft und würde als offensichtlich unzulässig deshalb keine aufschiebende Wirkung entfalten.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Vgl. Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 80 Rdnr. 32 m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Anfechtungsklage ist eine Gestaltungsklage, die auf die Aufhebung eines den Kläger beschwerenden Verwaltungsaktes gerichtet ist.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1967 – I C 49.64 –, juris, Rdnr. 17, und Urteil vom 25. Februar 1969 – I C 65.67 –, juris, Rdnr. 35</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Hier fehlt es jedoch an einem die Antragstellerin belastenden Verwaltungsakt.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Nach § 35 Satz 1 VwVfG NRW ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Es spricht bereits alles dafür, dass dem Beschluss der Hochschulwahlversammlung die Qualität eines Verwaltungsaktes fehlt, weil die Hochschulwahlversammlung nicht als Behörde zum Zwecke des Vollzugs der Gesetze (§ 1 Abs. 2 VwVfG NRW), sondern im Rahmen der Selbstverwaltung der Hochschule als Körperschaft des öffentlichen Rechts als deren Organ und in diesem Sinne hochschulpolitisch tätig geworden ist.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Jedenfalls aber fehlt es an einer die Antragstellerin belastenden Maßnahme. Die von der Hochschulwahlversammlung ausgesprochene Bitte, von der Fortführung des Amtes als Präsidentin abzusehen, entbindet sie unmittelbar lediglich von ihr kraft Gesetzes obliegenden Aufgaben und hat insoweit allein begünstigenden Charakter.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob die Abwahl der Antragstellerin durch die Hochschulwahlversammlung rechtmäßig und sie deshalb gemäß § 20 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes über die Hochschulen für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. September 2014, GV.NRW. S. 547, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Oktober 2017, GV.NRW. S. 806, (HG NRW i.V.m.) § 31 Abs. 3 Halbsatz 2 des Gesetzes über die Beamtinnen und Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen (LBG NRW) kraft Gesetzes entlassen ist. Denn die Antragstellerin hat am 28. August 2018 ihren Rücktritt vom Amt der Präsidentin der Antragsgegnerin erklärt. Infolge dieser einseitigen, rechtsverbindlich gestaltenden Erklärung ist die Antragstellerin nicht länger Inhaberin des Amtes mit der Folge, dass ihr die aus der Amtsinhaberschaft folgenden Rechte nicht mehr zustehen und sie die mit der Amtsstellung verbundenen Pflichten nicht mehr treffen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Mit dem Rücktritt ist die Amtsstellung der Antragstellerin als Präsidentin beendet. Nach den Regelungen in §§ 10 Abs. 1 Satz 4, 20 Abs. 4 Satz 2 HG NRW steht der Rücktritt sowohl dem Ablauf der Amtszeit und als auch allen anderen Beendigungsgründen, wie etwa der Abwahl, gleich.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Soweit die Antragstellerin versucht, ihre Rücktrittserklärung zu ihren Gunsten dahingehend einschränkend zu interpretieren, dass sie lediglich vom konkret-funktionellen Amt zurückgetreten, das Statusamt aber unberührt geblieben sei, geht dies fehl. Dabei bedarf keiner Klärung, ob die Rücktrittserklärung zugleich als Antrag auf Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Zeit nach § 23 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (BeamtStG) verstanden werden musste.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Jedenfalls ist das Amt der Präsidentin einer Hochschule des Landes Nordrhein-Westfalen nicht bloß ein Laufbahnamt, sondern ein sogenanntes funktionsgebundenes Amt. Ein solches Amt wird nicht abstrakt, sondern nach der damit konkret verbundenen Funktion umschrieben.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 2. September 1999 – 2 C 36.98 –, juris, Rdnr. 16.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Das Amt im statusrechtlichen Sinne fällt beim funktionsgebundenen Amt mit dem konkret-funktionellen Amt zusammen. So ist auch das Amt der Präsidentin einer – in der Ernennungsurkunde zu bestimmenden – Hochschule nach Anlage 4 zum Besoldungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Juni 2016, GV.NRW. 2016 S. 642, der Besoldungsgruppe W3 zugeordnet; zugleich sind gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 HG NRW die Vorschriften über die Laufbahnen – soweit Mitglieder des Rektorats in ein Beamtenverhältnis auf Zeit berufen sind – nicht anzuwenden. Beides zusammen lässt die mit der Kategorie des funktionsgebundenen Amtes beschriebene enge Verbindung zwischen dem Amt im funktionellen und im statusrechtlichen Sinne erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. April 2018 – 2 BvL 10/16 –, juris, Rdnr. 52 (zum Amt des Hochschulkanzlers nach brandenburgischem Hochschulrecht).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Auch ein Recht auf – kommissarische – Fortführung des Amtes als Präsidentin bis zur Bestellung eines Nachfolgers oder einer Nachfolgerin steht der Antragstellerin offensichtlich nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Vorschrift des § 20 Abs. 4 HG NRW begründet ein solches Recht nicht. Nach Satz 1 der genannten Vorschrift sind hauptberufliche Rektoratsmitglieder, zu denen der jeweilige Präsident bzw. die Präsidentin der Hochschule der Antragsgegnerin gemäß §§ 14 Abs. 2 Satz 1, 15 Abs. 1 Nr. 1 HG NRW i.V.m § 3 der Grundordnung der Antragsgegnerin zählt, verpflichtet, soweit andere Gesetze oder Verordnungen nicht etwas anderes bestimmen, im Falle ihres Rücktritts oder nach Ablauf oder nach einer sonstigen Beendigung ihrer Amtszeit, das Amt bis zur Ernennung einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers weiterzuführen. Wie bereits der Wortlaut erkennen lässt, begründet die Vorschrift eine Pflicht des Präsidenten oder der Präsidentin, dessen/deren Amtszeit – aus welchen Gründen auch immer – beendet ist, das Amt für eine Übergangszeit fortzuführen. Ein Recht vermittelt sie dem ehemaligen Amtsinhaber nicht.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Soweit die Antragstellerin – wie sie mit den anhängig gemachten gerichtlichen Verfahren dokumentiert – offenkundig ein Interesse daran hat, die Position der Präsidentin für den Übergangszeitraum weiter auszuüben, ist dieses Interesse rechtlich nicht geschützt. Die Vorschrift des § 20 Abs. 4 Satz 1 HG NRW dient allein den Interessen der Hochschule und damit dem öffentlichen Interesse an einem kontinuierlichen Funktionieren der Selbstverwaltung der Hochschule hier an einem geordneten Übergang.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Haase, in: Leuze/Epping, Hochschulgesetz Nordrhein-Westfalen, Stand April 2018, § 10 Rdnr. 10.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">So soll sie verhindern, dass eine hauptamtliche Position im Rektorat über eine längere Zeit unbesetzt bleibt und der Hochschule aus der Notwendigkeit Schaden entsteht, die mit der vakanten Stelle verbundenen Befugnisse über einen längeren Zeitraum durch den oder die nach den gesetzlichen Vorgaben berufenen Vertreter oder Vertreterin ausüben lassen zu müssen. Soweit die Anwendung der Vorschrift dazu führt, dass der ehemalige Amtsinhaber im Falle der Erfüllung der Pflicht zur Amtsfortführung Ansprüche auf Vergütung seiner Tätigkeit erwirbt, handelt es sich nicht um eine vom Gesetz zum Schutz der finanziellen Interessen des ehemaligen Amtsinhabers mit der Pflichtenbegründung bezweckte Folge, sondern lediglich um einen jenen faktisch begünstigenden Rechtsreflex.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">2. Der Antrag bleibt auch mit den Hilfsbegehren erfolglos.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Anordnungsgrund und der Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Für ihr auf kommissarische Fortführung des Amtes als Präsidentin der Antragsgegnerin  gerichtetes Begehren fehlt es – wie bereits gezeigt – an einer Anspruchsgrundlage.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Von einer Reduzierung des Streitwerts sieht die Kammer aufgrund der mit einer Umsetzung der begehrten vorläufigen Entscheidung wegen des Zeitablaufs notwendigerweise einhergehenden endgültigen Vorwegnahme der Hauptsache ab.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung:</strong></p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">(1)       Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –).</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">(2)       Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.</p>
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171,320 | vg-dusseldorf-2018-12-20-15-nc-4818 | {
"id": 842,
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} | 15 Nc 48/18 | 2018-12-20T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:54 | 2019-02-12T13:44:40 | Beschluss | ECLI:DE:VGD:2018:1220.15NC48.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p><strong>Der Antrag wird abgelehnt.</strong></p>
<p><strong>Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.</strong></p>
<p><strong>Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.</strong></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Das vorläufige Rechtsschutzgesuch, das auf die Zulassung zum Studium im Bachelorstudiengang Psychologie zum Wintersemester 2018/2019 durch die Antragsgegnerin außerhalb der festgesetzten Ausbildungskapazität gerichtet ist, hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Unbeschadet etwaiger Bedenken gegen seine Zulässigkeit ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung jedenfalls unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Diese Voraussetzungen sind hier schon mangels eines glaubhaft gemachten Anordnungsanspruchs nicht erfüllt (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der geltend gemachte Anspruch auf vorläufige Zulassung zum Hochschulstudium bzw. auf Beteiligung an einem gerichtlich anzuordnenden Losverfahren zur Verteilung solcher Studienplätze, der auf Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Sozialstaatsprinzip beruht, ist nicht gegeben. Die für den Studiengang Psychologie (Bachelor) festgesetzten Zulassungszahlen erschöpfen die Ausbildungskapazität der Hochschule.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Wissenschaftsverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen hat die Zahl der Studienplätze für den Bachelorstudiengang Psychologie an der Antragsgegnerin mit der Verordnung über die Festsetzung von Zulassungszahlen und die Vergabe von Studienplätzen im ersten Fachsemester für das Wintersemester 2018/2019 vom 26. Juni 2018 (GV. NRW. S. 338), zuletzt geändert durch die Änderungsverordnung vom 22. November 2018 (GV. NRW. S. 591), für das 1. Fachsemester auf 125 festgesetzt. Diese Zulassungszahl erschöpft die Ausbildungskapazität der Lehreinheit für den Bachelorstudiengang.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Kapazitätsberechnung für das Studienjahr 2018/2019 hat für Studiengänge, deren Plätze - wie hier im Studiengang Psychologie (Bachelor und Master) - durch die Hochschulen vergeben werden, nach den Vorgaben der Verordnung zur Ermittlung der Aufnahmekapazität an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen für Studiengänge außerhalb des zentralen Vergabeverfahrens (Kapazitätsverordnung Nordrhein-Westfalen 2017 ‑ KapVO NRW 2017) vom 8. Mai 2017 (GV. NRW. S. 591) zu erfolgen (§§ 12 S. 1, 13 KapVO NRW 2017). Ihr sind dabei nach § 2 Abs. 1 und Abs. 3 KapVO NRW 2017 die gemäß dem Kapazitätserlass der Wissenschaftsverwaltung vom 23. Januar 2018 (213-7.01.02.02.06.03) zum Stichtag 1. März 2018 erhobenen und gemäß dem Kapazitätserlass vom 2. Juli 2018 (213-7.01.02.02.06) zum 15. September 2018 überprüften Daten zu Grunde zu legen. Gemäß § 3 S. 1 KapVO NRW 2017 ergibt sich dabei die jährliche Aufnahmekapazität eines einer Lehreinheit (§ 4 KapVO NRW 2017) zugeordneten Studiengangs aus dem bereinigten Lehrangebot je Jahr (§ 5 KapVO NRW 2017) (I.), dividiert durch den gewichteten Curriculareigenanteil (§ 6 KapVO NRW 2017) aller der Lehreinheit zugeordneten Studiengänge und multipliziert mit der jeweiligen Anteilquote (§ 7 KapVO NRW 2017) (II.) sowie der abschließenden Überprüfung gemäß den §§ 8 und 9 KapVO NRW 2017 (III.).</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><strong>I. Lehrangebot</strong></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das in Deputatstunden (DS) gemessene Lehrangebot einer Lehreinheit errechnet sich aus dem Lehrdeputat der verfügbaren Stellen (§ 5 Abs. 2 S. 1 KapVO NRW 2017) (1.) und dem durch Lehrauftragsstunden zusätzlich zur Verfügung stehenden Deputat (§ 5 Abs. 3 KapVO NRW 2017) (2.) abzüglich etwaiger Verminderungen des Lehrdeputats nach § 5 Abs. 2 S. 2 KapVO NRW 2017 (3.).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">1. Unbereinigtes Lehrdeputat:</span></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das in Deputatstunden (DS) gemessene unbereinigte Lehrangebot einer Lehreinheit ist gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 KapVO NRW 2017 anhand der für die verschiedenen Stellengruppen jeweils geltenden Regellehrverpflichtungen zu ermitteln.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Durch die der Antragsgegnerin nach dem Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen und anderen Finanzierungsquellen zugewiesenen und der Lehreinheit Psychologie zugeordneten Finanzmittel stehen der Lehreinheit Psychologie nach dem vorgelegten Stellenplan für Lehrpersonal 37,00 Stellen zur Verfügung. Das anhand dieser Stellenzuweisung und der zuletzt durch die Verordnung vom 1. Juli 2016 (GV. NRW. S. 526) geänderten Verordnung über die Lehrverpflichtung an Universitäten und Fachhochschulen (Lehrverpflichtungsverordnung - LVV) vom 24. Juni 2009 (GV. NRW. S. 409) durch die Antragsgegnerin ermittelte Lehrdeputat von 195 DS lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Es ergibt sich aus folgenden Festlegungen:</p>
<span class="absatzRechts">13</span><table class="absatzLinks" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td><p><strong>Stellenart</strong></p>
</td>
<td><p><strong>Stellen</strong></p>
</td>
<td><p><strong>Deputat je Stelle gemäß § 3 LVV</strong></p>
</td>
<td><p><strong>Angebot in DS</strong></p>
</td>
</tr>
<tr><td><p>W3 Universitätsprofessor</p>
</td>
<td><p>4</p>
</td>
<td><p>9</p>
</td>
<td><p>36</p>
</td>
</tr>
<tr><td><p>W2 Universitätsprofessor</p>
</td>
<td><p>4</p>
</td>
<td><p>9</p>
</td>
<td><p>36</p>
</td>
</tr>
<tr><td><p>Akademischer Oberrat auf Zeit</p>
</td>
<td><p>1</p>
</td>
<td><p>7</p>
</td>
<td><p>7</p>
</td>
</tr>
<tr><td><p>Akademischer Rat auf Zeit</p>
</td>
<td><p>5,5</p>
</td>
<td><p>4</p>
</td>
<td><p>22</p>
</td>
</tr>
<tr><td><p>Wissenschaftlicher Angestellter;befristet</p>
</td>
<td><p>21,5</p>
</td>
<td><p>4</p>
</td>
<td><p>86</p>
</td>
</tr>
<tr><td><p>Wissenschaftliche Angestellte;unbefristet</p>
</td>
<td><p>1</p>
</td>
<td><p>8 oder 9</p>
</td>
<td><p>8</p>
</td>
</tr>
<tr><td><p><strong>Summe</strong></p>
</td>
<td><p>37</p>
</td>
<td></td>
<td><p>195</p>
</td>
</tr>
</tbody>
</table>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Deputatstundenzahl von 195 ist rechtlich nicht zu beanstanden.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Weder aus dem Gebot zur umfassenden Erschöpfung der Ausbildungskapazität noch aus dem Teilhaberecht Studierwilliger ergibt sich ein Anspruch des einzelnen Studienbewerbers darauf, dass die Hochschule ihre wissenschaftlichen Lehrkräfte in einer einem bestimmten Studiengang zu Gute kommenden Weise einsetzt. Rechtlich ohne Bedeutung für die Berechnung des Lehrangebots - und auch die Bemessung der im Weiteren in die Kapazitätsberechnung einzustellenden Parameter - sind in der Regel damit sowohl die der Antragsgegnerin nach dem Gesetz zur Verbesserung der Qualität in Lehre und Studium an nordrhein-westfälischen Hochschulen (Studiumsqualitätsgesetz) vom 1. März 2011 (GV. NRW. S. 165) und nach der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern über den Hochschulpakt 2020 vom 5. September 2007 (Bundesanzeiger Nr. 171 vom 12. September 2007, S. 7480) zustehenden Mittel als auch die der Antragsgegnerin aus dem Hochschulpakt II und dem Masterprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen (HPMA) zur Verfügung gestellten finanziellen Ressourcen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Vgl. zuletzt etwa: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 13. Oktober 2018 – 13 C 50/18 –, www.nrwe.de und juris (dort Rdnr. 16).</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 Studiumsqualitätsgesetz werden den Hochschulen vom Land die Mittel nach diesem Gesetz nicht zur Ausweitung der Ausbildungskapazität zugewiesen, sondern zweckgebunden zur Verbesserung der Lehr‑ und der Studienbedingungen. Mit der auf die Steigerung der Qualität der Ausbildung abzielenden Zweckbestimmung ist ein Mitteleinsatz nicht vereinbar, der die Ausweitung der Quantität an Studienplätzen bezweckt. Dies gilt nicht nur für Sach‑, sondern auch für Personalmittel.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">OVG NRW, Beschluss vom 11. August 2015 – 13 C 16/15 –, www.nrwe.de und juris.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der zwischen dem Bund und den Ländern geschlossene Hochschulpakt 2020 enthält keine Regelungen mit subjektiv-öffentlichem Charakter, so dass sich auf die getroffenen Abreden weder Hochschulen noch Studienbewerber berufen können, die mit einer Hochschule einen Kapazitätsrechtsstreit führen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Vgl. zuletzt etwa Beschlüsse der Kammer vom 27. November 2017 – 15 Nc 13/17 – u. a., vom 6. Dezember 2016 – 15 Nc 13/16 – u. a., und vom 18. November 2016 – 15 Nc 37/156 –  u. a., jeweils www.nrwe.de und juris; ebenso in ständiger Rechtsprechung OVG NRW, etwa Beschlüsse vom 26. August 2013 – 13 C 88/13 – und – 13 C 98/13 –, www.nrwe.de und juris.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Nichts anderes gilt für den Hochschulpakt II, den Hochschulpakt III und das Masterprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen. Sofern eine Hochschule allerdings solche Mittel in Anspruch nimmt und zusätzliche Ausbildungskapazitäten für Studienanfänger schafft, ist die Verwendung der Mittel kapazitätsrelevant.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Vgl. zu den Paktmitteln zuletzt etwa OVG NRW, Beschluss vom 31. Mai 2016 – 13 C 22/16 –, www.nrwe.de und juris.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Antragsgegnerin Mittel aus den vorbezeichneten Finanzierungsquellen zur Ausweitung der Ausbildungskapazität verwandt hat, ohne diesen Umstand in die Kapazitätsberechnung einzustellen, bestehen nicht.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Ein über 195 DS hinausgehendes Lehrangebot, für das die Antragsgegnerin keine Ermäßigungen i.S.d. § 5 LVV in Ansatz gebracht hat, ist der Kapazitätsberechnung nicht zu Grunde zu legen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Nach den in § 5 Abs. 1 S. 1 und S. 2, Abs. 2 KapVO NRW 2017 getroffenen Regelungen folgt das unbereinigte Lehrangebot einer Lehreinheit kapazitätsrechtlich aus der Verknüpfung der nach Gruppen geordneten Lehrpersonalstellen mit der den jeweiligen Stellen zugeordneten Regellehrverpflichtung, die ihrerseits durch den Dienst‑ bzw. Amtsinhalt der Stellengruppe bestimmt wird. Gerade dieses der Kapazitätsberechnung zu Grunde liegende (abstrakte) Stellenprinzip verwehrt es (vgl. § 5 Abs. 1 S. 2 KapVO NRW 2017), bei der Ermittlung des Lehrangebots Stellenvakanzen zu Lasten der Ausbildungskapazität der Hochschule zu berücksichtigen oder in die Bemessung der Lehrleistung Besonderheiten einzustellen, die sich aus der Besetzung einer konkreten Stelle mit einer bestimmten Lehrperson im Hinblick auf ihre individuelle Lehrverpflichtung oder Qualifikation ergeben.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Vgl. hierzu etwa: OVG NRW Beschlüsse vom 14. März 2005 – 13 C 1773/04 – und vom 14. April 2005 – 13 C 119/05 – u. a., jeweils juris und www.nrwe.de.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Das bei der Lehrangebotsberechnung damit prinzipiell anzuwendende (abstrakte) Stellenprinzip gilt indes nicht ausnahmslos. Es ist etwa dann zu durchbrechen, wenn eine Lehrpersonalstelle, die nach ihrer Gruppenzugehörigkeit mit einer bestimmten (niedrigeren) Regellehrverpflichtung versehen ist, "dauerhaft" mit einer Lehrperson besetzt ist, für die individuell eine höhere Lehrverpflichtung gilt, weil die Stelle durch eine solche Besetzung faktisch einer Stellengruppe zugeordnet wird, für die nach ihrem Amts- bzw. Dienstinhalt eine höhere Regellehrverpflichtung gilt.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Vgl. hierzu etwa: OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Juli 2013 – 13 C 50/13 –, vom 15. Mai 2009 – 13 C 20/09 –, und vom 27. April 2009 – 13 C 10/09 –, jeweils juris und www.nrwe.de, sowie Beschlüsse der Kammer vom 7. November 2008 – 15 Nc 15/08 – u. a., und vom 3. November 2006, - 15 Nc 21/06 – u. a, jeweils www.nrwe.de und juris, und vom 8. November 2007 – 15 Nc 19/07 – u. a., n. v.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Anhaltspunkte für eine solche Annahme bieten die von der Antragsgegnerin vorgelegten Berechnungsunterlagen nicht.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Ob die mit den befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeitern geschlossenen Arbeitsverträge für sich genommen den gesetzlichen Vorgaben für die zeitliche Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse entsprechen, ist kapazitätsrechtlich regelmäßig ohne Bedeutung.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. Juli 2016 – 13 C 30/16 –, www.nrwe.de und juris (dort Rdnr. 10 ff.); zu der im Ausnahmefall gegebenen kapazitätsrechtlichen Bedeutung dieses Umstandes etwa: Beschluss der Kammer vom 18. November 2015 – 15 Nc 37/15 –, www.nrwe.de und juris.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Auch verpflichten weder das (abstrakte) Stellenprinzip noch das Kapazitätserschöpfungsgebot die Hochschule zu dem Nachweis, dass sich ein bestimmter Stelleninhaber im Einzelfall tatsächlich (noch) in der Weiterbildung befindet und deshalb die Befristung des Arbeitsvertrages gerechtfertigt ist.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. Juli 2016 – 13 C 30/16 –, www.nrwe.de und juris (dort Rdnr. 7).</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Deshalb besteht in diesem Zusammenhang der vereinzelt geltend gemachte Aufklärungsbedarf nicht; namentlich gilt dies für die verschiedentlich beantragte Vorlage der Arbeitsverträge der befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter und die Forderung, diese zur Abgabe eidesstattlicher Versicherungen des Inhalts aufzufordern, dass sie weniger als 50 % ihrer vertraglichen Arbeitszeit für eine Lehrtätigkeit aufwenden.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Abgesehen davon wahren aber die sämtlich nach dem 17. April 2007 geschlossenen Arbeitsverträge nach der den übersandten Berechnungsunterlagen der Antragsgegnerin beigefügten dienstlichen Versicherung, an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht, alle die Befristungshöchstgrenzen, die sich für solche Verträge aus dem Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitvertragsgesetz ‑ WissZeitVG) vom 12. April 2007 (BGBl. I S. 506) für nicht promovierte bzw. promovierte wissenschaftliche Mitarbeiter ergeben. Danach ist die Befristung von Verträgen mit wissenschaftlichen Mitarbeitern, die nicht promoviert sind, gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 WissZeitVG für die Dauer von sechs Jahren und nach abgeschlossener Promotion bis zu einer Dauer von ebenfalls sechs Jahren zulässig (§ 2 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 WissZeitVG), wobei sich die zulässige Befristungshöchstdauer von promovierten wissenschaftlichen Mitarbeitern in dem Umfang verlängert, in dem Zeiten einer befristeten Beschäftigung und Promotionszeiten ohne Beschäftigung i. S. des § 2 Abs. 1 S. 1 WissZeitVG zusammen weniger als sechs Jahre betragen (§ 2 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 WissZeitVG).</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Auch im Übrigen spricht nichts für eine rechtlich gebotene Ausweitung des in die Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin eingestellten Lehrangebots. Insbesondere bietet die durch die Antragsgegnerin vorgelegte Übersicht zur tatsächlichen Besetzung der verfügbaren Stellen keinen Anlass für die Annahme, dass der Lehreinheit abweichend von der Lehrangebotsberechnung tatsächlich ein "Mehr" an Lehrleistung zur Verfügung steht. Dass die der Stellengruppe der befristet beschäftigten wissenschaftlichen Angestellten zugeordneten Lehrpersonen im für die Kapazitätsberechnung maßgeblichen Zeitpunkt sämtlich auch über befristete Arbeitsverträge verfügten, ist nicht ernstlich zweifelhaft. Da nichts dafür spricht, dass die diesbezüglichen Angaben der Antragsgegnerin unzutreffend sind, war entgegen der vereinzelt erhobenen Forderung auch nicht weiter aufzuklären, ob und welche der Angestellten entgegen der Darstellung in den Kapazitätsberechnungsunterlagen entfristet worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">2. Lehrauftragsstunden:</span></p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Soweit das Lehrangebot in der Kapazitätsberechnung rechnerisch um Lehrauftragsstunden im Umfang von 11 DS erhöht worden ist, weil der Lehreinheit entsprechende Lehrkapazität aufgrund temporär eingerichteter Stellen zur Verfügung gestanden hat, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Nach § 5 Abs. 3  KapVO NRW 2017 werden als Lehrauftragsstunden solche Lehrveranstaltungsstunden in die Kapazitätsberechnung einbezogen, die der Lehreinheit in dem dem Berechnungsstichtag vorausgehenden Jahr für das Pflicht- oder Wahlpflichtcurriculum zur Verfügung gestanden haben und nicht auf einer Regellehrverpflichtung oder unentgeltlichen Lehrleistungen beruhen oder eine Regellehrverpflichtung ersetzen. Ausweislich der durch die Antragsgegnerin hierzu vorgelegten Übersicht, hinsichtlich deren Richtigkeit Zweifel weder ersichtlich noch Bedenken erhoben sind, sind diese Voraussetzungen in einem Umfang von insgesamt ([11 DS + 11 DS] / 2 =) 11 DS erfüllt:</p>
<span class="absatzRechts">40</span><table class="absatzLinks" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td><p><strong>Stellengruppe</strong></p>
</td>
<td><p><strong>Stellenanteil</strong></p>
</td>
<td><p><strong>Umfang (SWS) pro Semester</strong></p>
</td>
</tr>
<tr><td><p>WB befr.</p>
</td>
<td><p>0,50</p>
</td>
<td><p>2,00</p>
</td>
</tr>
<tr><td><p>WB befr.</p>
</td>
<td><p>0,25</p>
</td>
<td><p>2,00</p>
</td>
</tr>
<tr><td><p>WB befr.</p>
</td>
<td><p>0,75</p>
</td>
<td><p>3,00</p>
</td>
</tr>
<tr><td><p>WB befr.</p>
</td>
<td><p>1,00</p>
</td>
<td><p>4,00</p>
</td>
</tr>
<tr><td><p><strong>Summe</strong></p>
</td>
<td></td>
<td><p><strong>11,00</strong></p>
</td>
</tr>
</tbody>
</table>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Die weiteren in den Kapazitätsberechnungsunterlagen bezeichneten und durch Lehrauftragsstunden abgedeckten Lehrveranstaltungen sind sämtlich kapazitätsneutral, weil sie entweder nicht zum Ausbildungsaufwand im Sinne der Kapazitätsverordnung gehören („Kolloquium kognitive Neurowissenschaften", „Methoden und Statistiken der Neurobildgebung“ sowie „Psychologische Psychotherapie“) oder von Dozenten unentgeltlich bzw. drittmittelfinanziert erbracht worden sind („Neurowissenschaftliche Psychologie“).</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Entgegen vereinzelt erhobener Forderungen bedarf keiner Klärung, ob weitere Lehrauftragsstunden freiwillig und unentgeltlich und damit im Rahmen der sogenannten Titellehre erbracht worden sind. Denn solche Lehrauftragsstunden bleiben kapazitätsrechtlich außer Ansatz.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juli 1987 – 7 C 10.86 –, juris; OVG NRW, etwa Beschlüsse vom 8. Juli 2013 – 13 C 50/13 –, www.nrwe.de und juris (dort Rdnr. 7), vom 20. November 2009 – 13 C 362/09 –, vom 8. Juli 2009 – 13 C 93/09 –, und vom 12. Februar 2008 – 13 C 4/08 –, jeweils juris und www.nrwe.de; ständige Rechtsprechung der Kammer: vgl. zuletzt etwa Beschlüsse vom 6. Dezember 2016 – 15 Nc 13/16 –, und vom 14. November 2012 – 15 Nc 30/12 –, jeweils www.nrwe.de und juris.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Dem Gebot erschöpfender Nutzung öffentlicher Mittel können freiwillig und unentgeltlich erbrachte Lehrleistungen nicht zuwider laufen. Diese in die Berechnung des Lehrangebots einzustellen hieße, die das Lehrangebot um Aspekte der Praxis und der spezialisierten Forschung bereichernde und damit hochschulpolitisch wünschenswerte Titellehre zu gefährden.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juli 1987 – 7 C 10.86 –, juris.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Der weiteren Kapazitätsüberprüfung ist danach ein Lehrangebot von (195,00 DS + 11,00 DS =) 206,00 DS zu Grunde zu legen.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">3. Dienstleistungsexport:</span></p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Ein Dienstleistungsbedarf für nicht der Lehreinheit zugeordnete Studiengänge, der sich gemäß § 5 Abs. 4 S. 1 KapVO NRW 2017 kapazitätsmindernd auswirkt, ist nicht in Ansatz gebracht.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">4. Bereinigtes Lehrangebot:</span></p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Unter Verwendung der unter Ziffer 1., 2. und 3. ermittelten Werte beträgt damit das der Kapazitätsberechnung zu Grunde zu legende bereinigte Lehrangebot der Lehreinheit</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">195,00 DS + 11,00 DS - 0,00 DS = 206,00 DS.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks"><strong>II. Lehrnachfrage und Aufnahmekapazität</strong></p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Den für die ordnungsgemäße Ausbildung einer oder eines Studierenden in dem Studiengang erforderlichen und gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 KapVO NRW 2017 durch den Curricularnormwert (CN-Wert) bestimmten Aufwand aller an der Ausbildung beteiligten Lehreinheiten haben die Hochschulen nach § 6 Abs. 1 S. 2 KapVO NRW 2017 im Rahmen der in Anlage 1 zu dieser Verordnung für den jeweiligen Studiengang vorgegebenen Bandbreite zu berechnen. Nach Anmerkung 1 zu der vorgenannten Anlage können die Hochschulen dabei entweder die aus den bisher geltenden Curricularnormwerten (für Diplomstudiengänge) abgeleiteten Werte verwenden und 80 % hiervon für einen Bachelor-Studiengang bzw. für einen Masterstudiengang 40 % ansetzen oder aber den Curricularwert für einen Studiengang auf der Grundlage des Studienplans selbst ableiten.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Gemessen daran ist der durch die Antragsgegnerin für den Bachelorstudiengang Psychologie in die Kapazitätsberechnung eingestellte CN-Wert von 2,26 rechtlich nicht zu beanstanden. Er liegt kapazitätsfreundlich nicht nur am unteren Ende der innerhalb der in Anlage 1 zur KapVO NRW 2017 normativ ohne Anlass zu Beanstandungen vorgegebenen,</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. März 2012 – 13 B 55/12 –, www.nrwe.de und juris (dort Rdnr. 21 ff.),</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Bandbreite (2,20 - 3,40), sondern - weil insoweit einen niedrigeren Ausbildungsaufwand ausweisend - auch kapazitätsfreundlich unter dem CN-Wert, der sich - angesichts des vormals für den Diplomstudiengang Psychologie geltenden CN-Wertes von 4,0 (vgl. Nr. 32 der Anlage zu § 13 Abs. 1 KapVO 1994) - durch die Anwendung der nach Anmerkung 1 zu der Anlage 1 der KapVO NRW 2017 bei der alternativ möglichen pauschalierenden Berechnungsmethode mit (80 % von 4,0 =) 3,2 ergibt. Von dem CN-Wert 2,26 für den Bachelorstudiengang in Abzug zu bringen (vgl. § 6 Abs. 2 S. 1 KapVO NRW 2017) ist ein seinerseits dem Grunde und der Höhe nach bei summarischer Prüfung ohne Anlass zu Beanstandungen gebliebener Curricularfremdanteil (CA<sub>q</sub>) von 0,23 für Dienstleistungsimporte zentraler Einrichtungen der Antragsgegnerin.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Auch der für den Masterstudiengang berücksichtigte CN-Wert 1,7 liegt noch innerhalb der in Anlage 1 zur KapVO NRW 2017 vorgegebenen Bandbreite (1,10 – 1,70). Er ist ausweislich der Angaben in den Berechnungsunterlagen, die auch insoweit dem Grunde und der Höhe nach unbeanstandet geblieben sind und bei summarischer Prüfung Rechtsfehler nicht erkennen lassen, um (0,13 + 0,04 =) 0,17 Curricularfremdanteile (CA<sub>q</sub>) zu mindern.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Unter Berücksichtigung des Curriculareigenanteils für den der Lehreinheit Psychologie zugeordneten Masterstudiengang Psychologie errechnet sich nach Maßgabe der Anteilquoten (Zp) von 0,489 für den Bachelorstudiengang und 0,511 für den Masterstudiengang Psychologie ein gewichteter Curriculareigenanteil der der Lehreinheit zugeordneten Studiengänge von gerundet:</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">CA = ([2,26 - 0,23] x 0,489) + ([1,7 ‑ 0,17] x 0,511) = 1,77.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Dabei ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die vorbezeichneten Anteilquoten (Zp) nicht dem Verhältnis zwischen der Zahl der Studienbewerber für den Bachelor-Studiengang (4.401) und der Zahl der Studienbewerber für den Master-Studiengang (1.031) aus dem Vorjahr entsprechen. Gemäß § 7 S. 2 KapVO NRW 2017 bildet die Hochschule die Anteilquoten aufgrund sachlicher Kriterien unter Berücksichtigung der jeweiligen Nachfrage in den Studiengängen sowie planerischen Gesichtspunkten im Einvernehmen mit dem Ministerium. Dabei sind nach Satz 3 dieser Vorschrift bei – wie hier – zulassungsbeschränkten Studiengängen die Bewerberzahlen des Vorjahres (nur) <span style="text-decoration:underline">ein</span> geeignetes Kriterium. Die im gerichtlichen Verfahren kundgetane (vgl. Bl. 3 der Berechnungsunterlagen) Einschätzung der Antragsgegnerin, dass der überwiegende Teil der Studierenden der Psychologie den Masterabschluss als Voraussetzung für die Ausbildung zum "psychologischen Psychotherapeuten" anstrebe und es zwecks Deckung dieses Ausbildungsbedarfs auch der Bereitstellung einer entsprechenden Ausbildungskapazität für das Masterstudium bedürfe, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die an diesem sachlichem Kriterium orientierte Festlegung der Anteilquoten ist auch im Sinne des § 7 S. 2 KapVO NRW 2017 im Einvernehmen mit dem Ministerium erfolgt, nachdem die durch die Antragsgegnerin für das 1. Fachsemester des Bachelor- und des Masterstudiengangs berechneten Ausbildungskapazitäten ‑ und damit zugleich die zu Grunde liegenden Berechnungsgrößen ‑ als gebilligt Eingang in die Zulassungszahlenverordnung gefunden hat.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Vgl. noch zu § 7 KapVO NRW 2010: OVG NRW, Beschluss vom 26. Juni 2013 – 13 C 47/13 –, juris, Rdnr. 2 ff; VG Düsseldorf, Beschluss vom 11. November 2013 – 15 Nc 145/13 –, juris, Rdnr. 42 ff.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Rechtsfehler sind hinsichtlich der Bildung der Anteilquoten als Maßnahme, die in das Organisationsermessen der Antragsgegnerin fällt, nach summarischer Prüfung weder ersichtlich noch von Antragstellerseite geltend gemacht. Namentlich spricht nichts dafür, dass ihr willkürliche oder sonst sachfremde Erwägungen zu Grunde gelegen haben.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Vgl. hinsichtlich des Prüfungsmaßstabs in Bezug auf Vorgaben der Wissenschaftsverwaltung zur Bildung von Anteilquoten nach § 12 Abs. 2 KapVO 1994 etwa OVG NRW, Beschluss vom 26. Juni 1996, 13 C 12/96, n. v.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Aus dem gewichteten Curriculareigenanteil von 1,77 und dem bereinigten Bruttolehrdeputat von 206,00 DS je Semester ergibt sich (§ 3 KapVO NRW 2017) eine jährliche Aufnahmekapazität der Lehreinheit von</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">2 x  206,00 DS----------------------               = 232,77          1,77</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">bzw. eine Jahresausbildungskapazität von 233 Studierenden, von denen unter Berücksichtigung der jeweils zugehörigen Anteilsquoten (Zp) auf den Bachelorstudiengang</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">0,489, x 233 = 113,94</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">bzw. 114 Studienplätze entfallen, und auf den Masterstudiengang</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">0,511 x 233 = 119,06</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">bzw. 119 Studienplätze.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks"><strong>III. Überprüfung des Berechnungsergebnisses</strong></p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Aufgrund der gemäß § 9 S. 1 KapVO NRW 2017 durchzuführenden Überprüfung des Berechnungsergebnisses erhöht sich die Zahl der Studienplätze im Bachelorstudiengang von 114 auf 123 und im Masterstudiengang von 119 auf 120.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Die mit 1/0,93 für den Bachelorstudiengang und für den Masterstudiengang mit 1/0,99 in die Überprüfung eingestellten Schwundausgleichsfaktoren begegnen bei summarischer Überprüfung auch ohne weitere Sachaufklärung rechtlich keinen durchgreifenden Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Ihre Berechnung, die mangels normativer Vorgaben sachangemessen nach dem die Grundprinzipien der Kapazitätsverordnung wahrenden "Hamburger Modell" erfolgt ist und nicht mehr als die vergangenen 4 Semester einschließen muss,</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, etwa Beschlüsse vom 25. Juli 2014 – 13 C 13/14 –, vom 4. November 2013– 13 A 455/13 –, vom 15. April 2010 – 13 C 133/10 – 13 C 137/10 –, vom 8. Mai 2008 – 13 C 75/08 –, und vom 17. März 2003 – 13 C 11/03 –, jeweils www.nrwe.de und juris,</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">ist rechtsfehlerfrei. Dass der jeweilig anhand der amtlichen Statistik zu errechnende Schwundausgleichsfaktor die Quote derjenigen, die bis zum Ende der Regelstudienzeit im Studiengang verbleiben, entgegen den tatsächlichen Gegebenheiten und damit unzutreffend wiedergibt, ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dabei fehlt dem in die Berechnung eingestellten Schwundausgleichsfaktor nicht schon per se die innere Plausibilität, wenn in dessen Berechnung etwa aus Anlass von Höherstufungen, Fach‑ und Hochschulwechseln semesterliche Übergangsquoten eingestellt werden, die über 1 liegen und zur Folge haben, dass trotz der Tatsache, dass die Zahl an Abgängen in ein höheres Fachsemester die Zahl an Zugängen aus dem jeweils vorangegangenen Semester überwiegt, keine Entlastung in der Lehrnachfrage zu verzeichnen ist, die gemäß § 9 S. 1KapVO NRW 2017 zu berücksichtigen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Vgl. hierzu etwa: OVG NRW, Beschlüsse vom 2. Juni 2010 – 13 C 243/10 –, juris und www.nrwe.de, vom 26. Januar 2007 – 13 C 158/06 – u. a., n. v., und vom 1. März 2006 – 13 C 38/06 –, www.nrwe.de und juris.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Zudem ist wegen der gebotenen praktikablen Anwendung der Grundsätze der KapVO entgegen verschiedentlich erhobener Forderungen "schwundfremden Faktoren" kein Einfluss auf die Berechnung des Schwundausgleichsfaktors einzuräumen.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Ständige Rechtsprechung des OVG NRW; vgl. etwa Beschlüsse vom 15. April 2010 – 13 C 133/10 – 13 C 137/10 –, vom 26. Januar 2007 – 13 C 158/06 – u. a., und vom 1. März 2006 – 13 C 38/06 –, jeweils www.nrwe.de und juris.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Namentlich gilt dies entgegen verschiedentlicher Beanstandungen auch für Beurlaubungen von Studierenden. Solche fallen nicht unter den nach § 9 S. 1 KapVO NRW 2017 zu berücksichtigenden Schwund, weil Studierende, die beurlaubt sind, Lehrveranstaltungen lediglich zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch nehmen und deshalb keine Schwundentlastung der Lehreinheit bei der studentischen Nachfrage begründen können.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Vgl. hierzu etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 31. Mai 2016 – 13 C 22/16 – und 26. August 2013, - 13 C 88/13 –, jeweils www.nrwe.de und juris (dort Rdnr. 11 bzw. Rdnr. 21).</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Weiterer Aufklärungsbedarf besteht insoweit deshalb nicht. Damit ergibt die Überprüfung des Berechnungsergebnisses hinsichtlich des Bachelorstudiengangs angesichts der Schwundquotenberechnung mit</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">                                          114 x 1/0,93 = 122,58</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">eine Zahl von 123 Studienplätzen für Studienanfänger und für den Masterstudiengang mit</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">                                          119 x 1/0,99 = 120,20</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">120 Studienplätze.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Die Studienplätze entfallen bei dem jeweils jährlich organisierten Lehrbetrieb in dem Bachelor‑ und Masterstudiengang Psychologie sämtlich auf das Wintersemester 2018/2019.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Dass die Wissenschaftsverwaltung die Zahl der in das 1. Fachsemester des Bachelorstudiengangs aufzunehmenden Studierenden abweichend von dem Berechnungsergebnis von 123 auf 125 festgesetzt hat, ist rechtlich unbedenklich. Die Erhöhung ist kapazitätsfreundlich und angesichts ihrer Größenordnung von nur 2 Studienplätzen auch nicht geeignet, die Richtigkeit der Kapazitätsberechnung sowie die tatsächlichen Annahmen, auf denen sie beruht, ernstlich in Zweifel zu ziehen.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks"><strong>IV. Besetzung</strong></p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Nach der dienstlichen Erklärung der Antragsgegnerin vom 10. Oktober 2018, die entgegen verschiedentlich erhobener Forderungen nicht durch die Vorlage von Namenslisten der Immatrikulierten zu belegen ist,</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. Juli 2016 – 13 C 30/16 –, www.nrwe.de und juris (dort Rdnr. 13),</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">waren am 10. Oktober 2018 im 1. Fachsemester des Bachelorstudiengangs Psychologie 151 Studierende (ohne Beurlaubte) eingeschrieben, so dass keine Studienplätze zur gerichtlichen Vergabe zur Verfügung stehen.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Die Überbuchung im 1. Fachsemester um (151 - 123 =) 28 Studienplätze weckt keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit der der Kapazitätsberechnung sowie ihrer gerichtlichen Überprüfung zugrunde liegenden tatsächlichen Angaben der Antragsgegnerin. Die Praxis der Antragsgegnerin, einer Zahl an Studienbewerbern Immatrikulationsangebote zu machen, die über die für das 1. Fachsemester festgesetzte Zulassungszahl hinausgeht, verfolgt den mit den §§ 23 Abs. 2 S. 1 der Verordnung über die Vergabe von Studienplätzen in Nordrhein-Westfalen (Vergabeverordnung NRW ‑ VergabeVO NRW) vom 15. Mai 2008 (GV. NRW. S. 386) in der zuletzt durch die Verordnung vom 9. April 2018 (GV. NRW. S. 198) geänderten Fassung normativ verankerten und rechtlich zu billigenden Zweck, die für Studienanfänger verfügbaren Studienplätze im Interesse eines jeden Studienbewerbers an einer Aufnahme des Studiums zu Beginn eines Semesters möglichst ohne Nachrückverfahren in einem Vergabedurchgang zu besetzen. Mithin darf dem Umstand Rechnung getragen werden, dass - wenn in der Rückschau auf die Verfahren der Vergangenheit zur Vergabe von Studienplätzen im 1. Fachsemester hierzu Anlass besteht - erfahrungsgemäß nicht alle der Bewerber um einen Studienplatz das ihnen schließlich unterbreitete Einschreibeangebot auch tatsächlich annehmen. Dass eine aus den Erfahrungen der Vergangenheit abgeleitete Prognose über das Annahmeverhalten der Studienbewerber für das kommende Semester auch mit Unwägbarkeiten verbunden ist, liegt in der Natur der Sache mit der Folge, dass, sollte die Prognose sich als unzutreffend erweisen, dies nicht zu Lasten der Hochschule im Rahmen der Kapazitätsüberprüfung zu berücksichtigen ist, wenn mehr Studienbewerber von ihrem Immatrikulationsangebot Gebrauch machen, als erwartet.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Während die Überbuchung durch die Zulassung von mehr Bewerbern, als dies nach der festgesetzten Zulassungszahl geboten ist, es den Hochschulen ermöglichen soll, die Studienplätze möglichst vollständig im ersten Zulassungsdurchgang zu besetzen, dient die Bindung der Hochschule an die Zulassungszahl - ausgehend davon, dass die Zulassungszahl entsprechend den Vorgaben der Kapazitätsverordnung kapazitätserschöpfend festgesetzt ist - der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Hochschulbetriebes, also dem Schutz der Rechte von Hochschule, Hochschullehrern und eingeschriebenen Studenten. Die infolge eines - selbst verfahrensfehlerhaft durchgeführten - Überbuchungsverfahrens erfolgte Besetzung von Studienplätzen jenseits der festgesetzten Kapazität führt deshalb grundsätzlich weder zu einer Rechtsverletzung des Bewerbers um einen "außerkapazitären" Studienplatz, noch vermittelt sie diesem einen Rechtsanspruch auf Zuweisung eines solchen.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">So OVG NRW, Beschlüsse vom 17. März 2016 – 13 C 20/16 –, und vom 28. Januar 2013 – 13 B 971/12 –, beide www.nrwe.de und juris (dort Rdnr. 4 bzw. Rdnr. 14).</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Anhaltspunkte dafür, dass die Überbuchung des Bachelorstudiengangs Folge sachfremder Erwägungen der Antragsgegnerin ist, sind weder substantiiert dargetan noch sonst ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt die Streitwertpraxis des OVG NRW, nach der auch in vorläufigen Rechtsschutzverfahren betreffend die Zulassung zum Studium, deren Ziel sich selbst bei der (nur) angestrebten Beteiligung an einem Losverfahren weitestgehend auf die Vorwegnahme der Hauptsache richtet, der für das Hauptsacheverfahren maßgebliche Streitwertbetrag von 5.000,00 Euro anzusetzen ist.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. März 2009 – 13 C 1/09 –, juris und www.nrwe.de.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks"><strong>Rechtsmittelbelehrung:</strong></p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">(1)       Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –).</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">(2)       Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.</p>
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<p>Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die im Jugendhilfefall C.   A.      , geb. 26. März 2009, vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2015 angefallenen Jugendhilfekosten in Höhe von 16.484,- Euro zu zahlen.</p>
<p>Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin gegenüber bei unveränderten Umständen auch über den 31. Dezember 2015 hinaus für die Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege für C.   A.      , geboren am 26. März 2009, bis zur Vollendung dessen 18. Lebensjahres kostenerstattungspflichtig ist.</p>
<p>Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen; diese sind nicht erstattungsfähig.</p>
<p>Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% vorläufig vollstreckbar.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">T a t b e s t a n d :</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung und zukünftige Kostentragung wegen Jugendhilfeleistungen im Fall C.   A.      .</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin gewährt seit dem 1. November 2012 Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege für den im März 2009 geborenen C.   A.      , der seit dem 13. Dezember 2010 bei seinem mittlerweile personensorgeberechtigten Onkel lebt. Aufgrund einer Klage des Onkels von C.   A.      (1 K 1010/14) über die Gewährung von Pflegeld bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 1. April 2011 bis 31. Oktober 2012 die begehrte Leistung und erkannte gegenüber der Klägerin ihre Kostenerstattungspflicht für die Zeit vom 1. November 2012 bis zum 31. Dezember 2013 an. Eine Kostenerstattungspflicht über diesen Zeitraum hinaus ist zwischen den Beteiligten streitig.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Mutter von C.   ist seit ihrem 18. Lebensjahr drogenabhängig und war aufgrund von Beschaffungskriminalität mehrere Jahre inhaftiert. Im Juli 2009 zog sie mit C.   nach Heinsberg und war dort bis zum 1. Juli 2011 gemeldet. Ihre Betreuerin informierte Frau H.      vom Jugendamt der Beklagten am 21. September 2010, dass der Mutter von C.   klargemacht worden sei, dass sie eine stationäre Therapie durchstehen müsse, sonst könne sie C.   nicht länger bei sich behalten. C.   befand sich zu diesem Zeitpunkt vorübergehend im Haushalt seines Onkels und wurde von dessen Lebensgefährtin versorgt. Diese erkundigte sich bei Frau H.      am 2. November 2010 telefonisch nach dem Sachstand. Den Vorschlag der Betreuerin, C.   weitere drei Monate bei dem Onkel und dessen Lebensgefährtin zu belassen, lehnte die Kindsmutter laut Vermerk am 11. November 2010 ab. In der Zeit vom 13. November 2010 bis zum 13. Dezember 2010 verweilte C.   mit seiner Mutter in einer Klinik in Lippstadt, seitdem lebt C.   im Haushalt von Herrn A.      .</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Nachdem sich dieser zur Übernahme der Pflegschaft bereit erklärt hatte, beantragte das Jugendamt der Beklagten unter dem 23. Dezember 2010 bei dem Amtsgericht Heinsberg, der Kindsmutter die elterliche Sorge zu entziehen und den Onkel zum Pfleger zu bestellen. In der Sitzung des Amtsgerichts am 20. Januar 2011 bestätigte der Onkel seine Bereitschaft, C.   auf Dauer aufzunehmen. Im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen müssten seine Lebensgefährtin und er Kindergeld und weitere Leistungen für C.   beantragen. Auch die Kindsmutter befürwortete das Vorhaben. Mit Beschluss vom 27. Januar 2011 wurde Herr A.      zum Vormund bestellt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Laut einem Gesprächsvermerk der Klägerin beantragte er dort am 30. März 2011 die Bewilligung von Pflegegeld, weil Herr N.      vom Jugendamt der Beklagten ihn an das dortige Jugendamt verwiesen habe. Die Mitarbeiterin der Klägerin ging demgegenüber von der Zuständigkeit der Beklagten aus, weil die Mutter von C.   dort ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hätte. Zu einer Vorsprache beim Jugendamt der Beklagten ist es nach Aktenlage in der nachfolgenden Zeit nicht gekommen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Unter dem 26. November 2012 beantragte Herr A.      die Bewilligung einer Vollzeitpflege bei dem Jugendamt der Klägerin. Diese lehnte ihre Zuständigkeit mit Vermerk vom 4. Juni 2013 ab. Das Verwaltungsgericht Aachen habe in einem vergleichbaren Fall festgehalten, mit dem Zeitpunkt des Entzugs der elterlichen Sorge liege ein pädagogischer Bedarf für das Kind vor, so dass zu diesem Zeitpunkt auch der Leistungsbeginn liege. Vor diesem Hintergrund beantragte die KIägerin bei dem Jugendamt der Beklagten unter dem 18. Juni 2013 die Übernahme der Bearbeitung des Falles C.   A.      in eigener Zuständigkeit. Mit dem Entzug des Sorgerechts ergebe sich automatisch eine Erziehungsnotwendigkeit im Sinne des § 33 SGB VIII für das betroffene Kind. Diese pädagogische Notwendigkeit sei der Beklagten bereits im Januar 2011 bekannt gewesen. Gleichwohl habe sie unverständlicherweise Bens Onkel an sie, die Klägerin, verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Unter dem 5. Juli 2013 lehnte die Beklagte die Übernahme des Falles ab. Das Bundesverwaltungsgericht habe am 19. Oktober 2011 geurteilt, dass Beginn der Leistung im Sinne des § 86 SGB VIII das Einsetzen der Hilfegewährung und damit grundsätzlich der Zeitpunkt sei, ab dem die konkrete Hilfe tatsächlich erbracht werde. Das Jugendamt der Beklagten habe zu keiner Zeit Hilfe geleistet. Die Klägerin erwiderte mit Schreiben vom 16. Juli 2013, es sei offensichtlich, das für C.   A.      sofort nach dem Sorgerechtsentzug ein Leistungsanspruch nach dem SGB VIII bestanden habe. Anscheinend versuche die Beklagte, die Zuständigkeit der Klägerin zu erwirken.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Am 18. Juli 2013 wandte sich Herr A.      mit anwaltlichem Schreiben an die beklagte Stadt und machte Ansprüche für den Zeitraum von Dezember 2010 bis Oktober 2012 geltend. Man habe C.   auf Initiative des Jugendamtes der Beklagten aufgenommen. Das Jugendamt habe auch vor dem Amtsgericht Heinsberg das Sorgerechtsverfahren eingeleitet. Gleichwohl sei er nicht über die Möglichkeit beraten worden, Pflegegeld zu beantragen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Laut Aktenvermerk sprachen Herr A.      und seine Lebensgefährtin am 19. Juli 2013 beim Jugendamt der Klägerin vor und erklärten, das Jugendamt der Beklagten habe sie am 13. Dezember 2010 angerufen und gebeten, C.   aus der Suchtklinik abzuholen und unterzubringen. Kurz nach der dauerhaften Unterbringung von C.   habe man sich beim Jugendamt der Beklagten - bei Herrn N1.     - nach finanzieller Unterstützung erkundigt. Dem sei entgegnet worden, dass es sich bei der Aufnahme von C.   um eine Gefälligkeit in der Familie gehandelt habe, für die keine Leistungen des Jugendamtes gewährt würden.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 22. Juli 2013 bewilligte die Klägerin nach Durchführung einer Eignungsprüfung und eines Hausbesuchs gemäß § 86d SGB VIII vorläufig die Gewährung von Jugendhilfe nach § 33 SGB VIII in Form der Vollzeitpflege für C.   ab dem 1. November 2012 in einer Höhe von 644,- Euro monatlich.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 26. Juli 2013 verwies die Beklagte Herrn A.      darauf, dass die Aufnahme Bens in den Haushalt nicht auf Bitten ihres Jugendamtes erfolgt sei. Die Betreuerin der Kindsmutter habe vielmehr die zuständige Sozialarbeiterin gebeten, im Rahmen eines familiengerichtlichen Verfahrens den Antrag auf Entzug der elterlichen Sorge zu stellen und diese auf den Onkel zu übertragen. Ein Verwaltungsverfahren zur Prüfung einer Hilfe zur Erziehung nach dem SGB VIII sei nicht thematisiert worden. Erst im April 2011 habe Bens Onkel einen solchen erzieherischen Bedarf geltend gemacht und sei dementsprechend an die Klägerin verwiesen worden.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Am 4. November 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erfolglos die Kostenerstattung für die ab 1. November 2012 geleistete Hilfe.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 19. Dezember 2013 wandte sich Herr A.      an die Beklagte und forderten die Gewährung von Pflegegeld für den ausstehenden Zeitraum ab Aufnahme des Kindes in den Haushalt. Wäre er ordnungsgemäß beraten worden, hätte er seinerzeit einen Antrag gestellt. Die Beklagte entgegnete am 9. Januar 2014, dass C.   bereits im September 2010 auf Veranlassung der Betreuerin mit Zustimmung der sorgeberechtigten Mutter in den Haushalt seines Onkels verbracht worden sei. Im November 2010 habe Frau H.      explizit nachgefragt, ob ein Bedarf an erzieherischer Hilfe bestehe, und dies habe der Onkel ausdrücklich verneint. Dementsprechend habe man aufgrund der Zuständigkeitsregelung der §§ 87b, 50 SGB VIII ein familiengerichtlichen Verfahren eingeleitet. Eine Betreuung durch das Jugendamt im Rahmen der Hilfe zur Erziehung sei von dem Onkel von vornherein abgelehnt worden. Erstmals im April 2011 habe dieser Pflegegeld nach dem SGB VIII gefordert.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 28. April 2014 lehnte die Beklagte den Antrag von Bens Onkel auf Gewährung von Pflegegeld für die Zeit vom 13. Dezember 2010 bis 31. Oktober 2012 ab.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Unter dem 14. Mai 2014 wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, dass diese Hilfe zur Erziehung hätte gewähren müssen. In Einzelfällen müsse von dem erwähnten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der generellen Bestimmung des Beginns der Leistung abgewichen werden. Ein solcher Ausnahmefall liege auch hier vor, weil der Onkel von C.   glaubhaft versichert habe, dass er bereits kurz nach der dauerhaften Aufnahme von C.   bei Herrn N.      vom Jugendamt Heinsberg vorgesprochen habe. Die Frage nach einer Gewährung von Hilfe zur Erziehung sei mit dem Hinweis darauf, die Aufnahme Bens sei eine Familiengefälligkeit, beantwortet worden. Dabei sei zu diesem Zeitpunkt bereits der pädagogische Hilfebedarf bekannt gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">In dem von ihm im Mai 2014 eingeleiteten Klageverfahren VG Aachen 1 K 1010/14 gegen die Beklagte erläuterte Herr A.      , dass seine Bestellung zum Vormund für C.   mit Zustimmung der Eltern und des Jugendamtes erfolgt sei. Die Anfrage nach Unterstützung bei der Durchführung der Pflege einschließlich laufender Gelder wie Pflegegeld sei abschlägig beschieden worden. Dabei habe ein offenkundiger Beratungsbedarf bestanden. Die Übertragung der Vormundschaft durch das Familiengericht hätte Anlass gegeben, ihn auf seine Rechte hinzuweisen. Bis zum 1. Januar 2011 sei die Beklagte nach § 86 Abs. 1 S. 1 SGB VIII zuständig gewesen. Darüber hinaus habe eine Zuständigkeit nach § 86 Abs. 3 und Abs. 2 S. 2 SGB VIII bestanden, die Kindeseltern hätten ihren Wohnsitz in Heinsberg gehabt. C.   sei zunächst vorübergehend von Anfang Oktober 2010 bis Mitte November 2010 bei ihm untergebracht worden. Nach Ablauf dieser Zeit sei das Kind wieder zu seiner Mutter in die Klinik zurückgekehrt und dort bis Mitte Dezember verblieben. Unstreitig habe sich die Beklagte an der anschließenden Unterbringung von C.   beteiligt.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte entgegnete in dem Verfahren, dass sie sich an der erstmaligen Unterbringung des Kindes im Haushalt seines Onkels nicht beteiligt habe. Vielmehr habe die Betreuerin der Kindsmutter mit deren Zustimmung die Unterbringung veranlasst. Auch habe am 13. Dezember 2010 diese Betreuerin den Onkel und seine Lebensgefährtin telefonisch kontaktiert und um Abholung des Kindes aus der Klinik gebeten. Im November 2010 habe sich der Onkel an die zuständige Sozialarbeiterin des Jugendamtes, Frau H.      , mit der Bitte um Beratung gewandt. An diesem Gespräch habe auch der zuständige Sachgebietsleiter, Herr N1.     , teilgenommen. Die Möglichkeit, beim Familiengericht Heinsberg die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Onkel zu beantragen, sei erörtert worden. In diesem Gespräch habe Herr N1.     nachgefragt, ob auch eine Begleitung im Rahmen der Hilfe zur Erziehung benötigt werde. Dies sei ausdrücklich verneint worden, weil es mit der Betreuung und Erziehung Bens keine Schwierigkeiten gebe. Dem Vortrag des Onkels, er und seine Lebensgefährtin seien nicht hinreichend informiert worden, werde ausdrücklich widersprochen. Erst im April 2011 habe er die Zahlung von Pflegegeld und, nach entsprechender Belehrung, die Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII beantragt. C.   habe auch seit September 2010 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Hückelhoven bei dem Onkel begründet, daher sei nach § 86 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 4 SGB VIII das Jugendamt der Klägerin zuständig gewesen. Die Übertragung der elterlichen Sorge zur rechtlichen Vertretung eines Kindes lasse für sich keine Erziehungsnotwendigkeit nach § 33 SGB VIII vermuten. Im November 2010 sei der Onkel ausreichend belehrt worden, zudem sei er für den Antrag auf Hilfe zur Erziehung zum damaligen Zeitpunkt nicht aktivlegitimiert gewesen. Erst im Januar 2011 sei ihm die Personensorge übertragen worden. Als der Onkel im April 2011 einen Bedarf geltend gemacht habe, habe es an der eigenen örtlichen Zuständigkeit gefehlt. Auch dürfe das Vormundschaftsverfahren nicht mit einem Jugendhilfeverfahren verwechselt werden.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin führte in dem besagten Verfahrens als Beigeladene aus, dass die Beklagte zuständig gewesen sei. Die Unterbringung von C.   bei seinem Onkel sei am 13. Dezember 2010 auf Veranlassung des Jugendamtes der Beklagten erfolgt. Vom Fehlen eines erzieherischen Bedarfs könne offenkundig nicht die Rede sein. Da zu diesem Zeitpunkt beide Elternteile ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Stadtgebiet der Beklagten gehabt hätten, ergebe sich deren Zuständigkeit aus § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. Selbst wenn man spätere Zeitpunkte in den Blick nehmen würde, verbliebe es bei einer Zuständigkeit der Beklagten. Aufgrund des Wegzugs des Kindsvaters zum 1. Januar 2011 bei gleichzeitigem Verbleib der Kindsmutter im Stadtgebiet der Beklagten und Übertragung des Sorgerechts auf Herrn A.      am 27. Januar 2011 folge die Zuständigkeit der Beklagten in diesem Fall aus § 86 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 SGB VIII. Denn C.   habe während der letzten sechs Monate vor diesem Zeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei seiner Mutter gehabt. Gleiches gelte, wenn man - wie die Beklagte - auf den Zeitpunkt der Antragstellung Anfang April 2011 abstellen würde. In diesem Fall ergebe sich die Zuständigkeit ebenfalls aus § 86 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 SGB VIII. § 86 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII sei nicht anwendbar, denn C.   habe nicht seit September 2010 den gewöhnlichen Aufenthalt im Haushalt seines Onkels gehabt, sondern erst seit Dezember 2010. Damit sei nach wie vor der Zeitraum von sechs Monaten eingehalten, in dem der gewöhnliche Aufenthalt der Mutter maßgeblich sei.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Auf den richterlichen Hinweis, dass ein Anspruch von C1.s    Onkel gegen die Beklagte unstreitig ab 1. April 2011 bestanden haben dürfte, hob diese ihren Ablehnungsbescheid vom 28. April 2014 auf und gewährte das begehrte Pflegegeld für die Zeit bis 31. Oktober 2012. In Nachgang wurde der Rechtsstreit VG Aachen 1 K 1010/14 im Juni 2015 in der Hauptsache für erledigt erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Unter dem 25. Juni 2015 wandte sich die Klägerin an die Beigeladene und machte einen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 89a SGB VIII ab dem 1. Januar 2014 geltend. Die Kindsmutter lebe im Gebiet der Beigeladenen, und für den Fall, dass mit der Neuregelung von § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII eine dynamische Zuständigkeit festgestellt worden sei, sei die Beigeladene erstattungspflichtig. Die Beigeladene erklärte den Verzicht auf die Einrede der Verjährung.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Mit weiterem Schreiben vom 26. Juni 2015 wurde von der Klägerin der Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Beklagten erhoben. Diese erkannte den Anspruch für die Zeit bis 31. Dezember 2013 mit Schreiben vom 24. Juli 2015 an und verwies für die Zeit danach auf die Zuständigkeit der Beigeladenen wegen der Neuregelung von § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat am 26. April 2016 Klage erhoben und begehrt die Erstattung der für C.   A.      aufgewandten Leistungen durch die Beklagte für die Zeit ab 1. Januar 2014. Unstreitig erbringe sie allein aufgrund der Sonderzuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII Jugendhilfeleistungen und habe daher einen Anspruch aus § 89a SGB VIII. Streitentscheidend sei die Frage, zu welchem Zeitpunkt von einem Beginn der Leistung im Sinne des § 86 SGB VIII ausgegangen werden könne. Hierzu habe das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 19. Oktober 2011 im Verfahren 5 C 25.10 ausgeführt, dass es auf das tatsächliche Einsetzen der die Leistung ausmachenden Maßnahmen und Hilfen gegenüber dem Bedürftigen - dies könne nur das Kind oder der Jugendliche sein - ankomme. Danach sei vorliegend die von der Beklagten veranlasste Unterbringung von C.   A.      im Haushalt seines Onkels am 13. Dezember 2010 der Leistungsbeginn. Der Standpunkt der Beklagten, erst die formale Bewilligung der Vollzeitpflege im April 2011 sei der Beginn der Leistung, verkenne die Rechtsprechung. Schließlich habe es mit der Unterbringung von C.   einen Hilfebedarf gegeben, den dessen Onkel deutlich gemacht habe. Zu Unrecht hätte die Beklagte entsprechende Ansinnen zurückgewiesen. Da zum Zeitpunkt der Unterbringung sowohl die Kindsmutter als auch der Kindsvater ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Stadtgebiet der Beklagten gehabt hätten, sei diese nach § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zuständig gewesen. Die Abmeldung des Kindsvaters zum 1. Januar 2011 habe eine Zuständigkeit nach § 86 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII begründet, da nunmehr allein die Kindsmutter bestimmend gewesen sei. Mit dem Entzug des Sorgerechts am 27. Januar 2011 sei die Zuständigkeit der Beklagten nach § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII festgeschrieben worden. Der Umzug der Kindsmutter im Juni 2013 in das Gebiet der Beigeladenen sei daher ohne Auswirkungen für die Zuständigkeit. Dies gelte auch vor dem Hintergrund der geänderten Vorschrift zum 1. Januar 2014.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">1.              die Beklagte zu verurteilen, an sie die im Jugendhilfefall C.   A.      , geb. 26. März 2009, vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2015 angefallenen Jugendhilfekosten in Höhe von 16.484,- Euro zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">2.              festzustellen, dass die Beklagte ihr gegenüber bei unveränderten Umständen auch über den 31. Dezember 2015 hinaus für die Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege für C.   A.      , geboren am 26. März 2009, bis zur Vollendung dessen 18. Lebensjahres kostenerstattungspflichtig ist.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">              die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Sie ist der Auffassung, dass Beginn der Leistung nur der 1. April 2011 sein könne. Pflegegeld sei erstmalig ab diesem Zeitpunkt gewährt worden. Da die Eltern im April 2011 nicht mehr sorgeberechtigt gewesen seien, gelte über § 86 Abs. 3 SGB VIII die Vorschrift des § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII, die auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Kindsmutter abstelle. Diese habe sich in Heinsberg aufgehalten, so dass sie nach § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII alter Fassung zuständig gewesen sei. Der Umzug der Kindsmutter nach Bonn im April 2013 und nach Wesel im Juni 2013 habe deshalb nicht zu einer Zuständigkeitsänderung geführt. Diese sei aber mit der Neuregelung des § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII eingetreten. Die Vorschrift gelte ab Januar 2014 für sie nicht mehr, denn es handele sich vorliegend gerade nicht um einen Fall von Aufenthaltsänderungen nach Beginn der Leistung.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Beigeladene stellt keinen Antrag und führt aus, der Anspruch der Klägerin sei begründet. Das Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 19. Oktober 2011 (5 C 25.10) zum Beginn der Leistung lasse ausdrücklich offen, ob auf das Einsetzen der Hilfe auch dann abgestellt werden müsse, wenn eine objektive Verzögerung der Leistungsbewilligung mit der Folge eines Zuständigkeitswechsels vorliege. Hier habe die Beklagte die Antragsaufnahme verweigert, so dass Leistungsbeginn der Dezember 2010 sei. Zudem müsse der Zeitpunkt "<span style="text-decoration:underline">vor</span> Beginn der Leistung" maßgeblich sein, dies sei regelmäßig der Zeitpunkt der Antragstellung. Da der Antrag auf Bewilligung von Jugendhilfeleistungen auch schlüssig gestellt werden könne, habe bereits am 13. Dezember 2010 ein ausreichender Antrag vorgelegen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Klage ist begründet.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat einen Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 89a Abs. 1 SGB VIII für den geltend gemachten Zeitraum gegen die Beklagte<em>,</em> auch ist ihr Feststellungsbegehren hinsichtlich der zukünftig entstehenden Kosten begründet. Diese muss die Beklagte bei unveränderten Umständen bis zum 18. Lebensjahr von C.   erstatten.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">§ 89a SGB VIII regelt die Kostenerstattung bei fortdauernder Vollzeitpflege. Gemäß § 89a Abs. 1 S. 1 SGB VIII sind die Kosten, die ein örtlicher Träger aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre. Nach § 89a Abs. 3 SGB VIII wird, wenn sich während der Gewährung der Leistung nach Absatz 1 der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt ändert, der örtliche Träger kostenerstattungspflichtig, der ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständig wäre.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Nach § 86 Abs. 6 SGB VIII ist oder wird abweichend von § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson lebt und sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten ist.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Seit Dezember 2010 ist C.   bei seinem Onkel in Hückelhoven untergebracht, somit wurde die Klägerin ab Dezember 2012 gem. § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständig. In der Zeit vor Dezember 2010 ist noch nicht von einem gewöhnlichen Aufenthalt von C.   bei seinem Onkel auszugehen, weil diese Aufenthalte immer nur vorübergehend waren und die Kindsmutter bestrebt war, C.   bei sich zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat aufgrund ihrer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege gem. §§ 27, 33 SGB VIII erbracht, und in Anwendung von § 89a SGB VIII erstattete die Beklagte die Jugendhilfeaufwendungen der Klägerin für die Zeit bis 31. Dezember 2013, weil sie als örtlicher Träger der Jugendhilfe zuvor zuständig gewesen war.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Erstattungspflicht der Beklagten geht aber über diesen Zeitpunkt hinaus. Sie ist auch zukünftig bei unveränderten Umständen gegenüber der Klägerin kostenerstattungspflichtig hinsichtlich der Aufwendungen, die im Jugendhilfefall C.   A.      bis zu dessen 18. Lebensjahr erbracht werden.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Zwar hat die Beklagte zu Recht darauf verwiesen, dass mit der Neuregelung des § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII zum 1. Januar 2014 ein Wechsel von einer statischen zu einer dynamischen Zuständigkeitsbestimmung einherging.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Der Gesetzgeber hat in § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII mit Wirkung zum 1. Januar 2014 drei Worte eingefügt und die Norm wie folgt gefasst: „Solange <span style="text-decoration:underline">in diesen Fällen</span> die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen.“ § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII ist nunmehr dahingehend zu verstehen, dass die bisherige Zuständigkeit nur dann bestehen bleibt, wenn die Elternteile nach § 86 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII verschiedene gewöhnliche Aufenthalte erstmals nach Beginn der Leistung begründen; § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII bezieht sich demnach nur noch auf Fälle, in denen auch § 86 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII tatbestandlich gegeben ist; die bisher hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist aufgrund des geänderten Gesetzeswortlauts nicht mehr anwendbar.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fand, sofern keinem Elternteil das Sorgerecht zustand (§ 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII a.F.), die Vorschrift in allen Fallgestaltungen Anwendung, in denen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte besaßen. Anders verhielt es sich nur für die Fälle des - hier nicht vorliegenden - gemeinsamen Sorgerechts der Eltern, weil § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 SGB VIII a.F. dahin auszulegen war, dass die Vorschrift auf die Voraussetzungen des § 86 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VIII in vollem Umfang Bezug nahm und damit auch ein (erstmaliges) Begründen verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte nach Leistungsbeginn voraussetzte. § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII a.F., der die Fälle des fehlenden Sorgerechts beider Elternteile nach Leistungsbeginn regelte, fand hingegen auch dann Anwendung, wenn die Elternteile zu Beginn der Leistung bereits verschiedene gewöhnliche Aufenthalte besaßen und nicht erstmalig nach Beginn der Leistung begründeten.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2013 - 5 C 34.12 -, BVerwGE 148, 242, juris, m.w.N.; kritisch hierzu Lange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl. 2018, § 86 SGB VIII, Rn. 127.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Der § 86 SGB VIII a.F. zugrunde liegenden Konzeption wäre es zuwidergelaufen, den Geltungsbereich des Absatzes 5 Satz 2 Alt. 2 a.F. durch eine entsprechende Inbezugnahme nicht nur des Merkmals „nach Beginn der Leistung“ im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 Halbsatz 1, sondern auch der darin vorgesehenen weiteren Anknüpfungstatsache der erstmaligen Begründung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte der Elternteile auf die zuvor allein von Absatz 1 Satz 1 erfassten Fallgestaltungen zu reduzieren. Die Konzeption des § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII a.F. gründete auf dem Umstand, dass die individuellen Jugendhilfeleistungen nach dem SGB VIII, die Eltern in Anerkennung ihrer in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG beruhenden Verantwortung gewährt werden, darauf ausgerichtet sind, die Erziehungsfähigkeit der Elternteile zu stärken und ihre erzieherische Kompetenz zu fördern, um auf diese Weise eine eigenständige Wahrnehmung der elterlichen Erziehungsverantwortung zu ermöglichen (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Die Bestimmungen verfolgten das Ziel, durch eine grundsätzliche Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Erziehungsverantwortlichen eine effektive Aufgabenwahrnehmung sicherzustellen. Die regelmäßig erforderliche enge und kontinuierliche Zusammenarbeit des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe mit den Eltern wird gerade durch dessen räumliche Nähe zu ihrem Aufenthaltsort ermöglicht und begünstigt. Hingegen bedurfte es eben dieser räumlichen Nähe im Falle, dass kein Elternteil (mehr) das Sorgerecht hatte (§ 86 Abs. 5 Satz 2 Art. 2 SGB VIII a.F.), regelmäßig nicht. Gerade in Fällen, in denen die Erziehungsverantwortung (vgl. § 1626 Abs. 1, § 1631 Abs. 1 BGB) infolge des Entzugs der elterlichen Sorge nicht bei den Eltern lag und sich das Kind oder der Jugendliche regelmäßig auch nicht bei einem Elternteil aufhielt, bestand keine Notwendigkeit, die örtliche Zuständigkeit weiterhin an den (künftigen) gewöhnlichen Aufenthalt eines Elternteils zu binden und sie mit diesem „mitwandern“ zu lassen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Oktober 2011 - 5 C 25.10 -, BVerwGE 141, 77, juris, und vom 14. November 2013 - 5 C 34.12 -, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 15. Dezember 2015 - 12 A 2645/14 -, juris; VG Aachen, Urteil vom 11. März 2010 - 1 K 265/07 -, juris, Rn. 26.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Diese Rechtsprechung ist aufgrund der neuen Rechtslage nicht mehr anzuwenden. Durch die Gesetzesänderung regelt § 86 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 SGB VIII daher nicht mehr alle Fälle, in denen die Eltern keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben und keinem Elternteil das Sorgerecht zusteht, unabhängig davon, wann die unterschiedlichen gewöhnlichen Aufenthalte begründet wurden. Vielmehr greift bei einem Wohnortwechsel eines Elternteils, wenn schon zu Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte der Eltern vorlagen, § 86 Abs. 3 SGB VIII und sorgt mit seiner Verweisung nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII dafür, dass die Zuständigkeit grundsätzlich dynamisch an den gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils gebunden ist, bei dem das Kind vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Vgl. hierzu VG Würzburg, Urteil vom 18. Mai 2017 - W 3 K 16.332 -, juris, Rn. 39, m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Dies gilt auch für die Fälle, in denen die Gesetzesänderung - wie hier - laufende Jugendhilfeleistungen betrifft und ohne Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen der involvierten Personen allein auf Grund einer Gesetzesergänzung ein Zuständigkeitswechsel eintreten soll. Eine Ausschlussregelung für bestehende Fälle wurde nicht geschaffen.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Vgl. Lange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl. 2018, § 86 SGB VIII, Rn. 133, mit Verweis auf das DIJuF-Rechtsgutachten vom 12. Januar 2015 - J 8.110/J 9.230 DE -, JAmt 2015, 200 ff.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Gleichwohl bleibt die Zuständigkeit der Beklagten auch unter Beachtung der obigen Maßstäbe weiterhin nach § 86 Abs. 5 Satz 2 2. Alt. SGB VIII bestehen, denn die Elternteile haben verschiedene gewöhnliche Aufenthalte nach Beginn der Leistung im Sinne von Abs. 5 Satz 1 begründet. Der Ansatz der Beklagten, dies sei bereits vor Beginn der Leistung erfolgt, weil Leistungsbeginn nur der April 2011 sein könne, geht fehl.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Als Beginn der Leistung i. S. v. § 86 SGB VIII ist das Einsetzen der Hilfegewährung und damit grundsätzlich der Zeitpunkt anzusehen, ab dem die konkrete Hilfeleistung tatsächlich gegenüber dem Hilfeempfänger erbracht wird.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - 5 C 25.10 -, BVerwGE 141, 77; OVG NRW, Beschluss vom 21. März 2014 - 12 A 1211/12 -, juris, m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Nach diesem Ansatz kann nur die tatsächliche Zahlung von Pflegegeld ab April 2011 als Beginn der Leistung angesehen werden mit der Folge, dass - die Personensorge stand zu diesem Zeitpunkt keinem Elternteil zu - über § 86 Abs. 3 SGB VIII die Vorschrift des § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII zur Anwendung kommt, so dass mit dem Fortzug der Kindsmutter in das Gebiet der Beigeladenen deren Zuständigkeit ab 1. Januar 2014 begründet wurde. § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII ist nicht einschlägig, weil die Eltern bereits vor April 2011 verschiedene gewöhnliche Aufenthalte begründet hatten.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Vorliegend gilt jedoch ein anderer Zeitpunkt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 19. Oktober 2011 ausdrücklich offen gelassen, ob von dem grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungsgewährung eine Ausnahme zu machen ist für den Fall, dass eine objektive Verzögerung der Leistungsbewilligung durch den Jugendhilfeträger feststellbar ist und dies zu einer anderen Zuständigkeit bzw. Kostenträgerschaft führen würde. Ein solcher Fall liegt hier vor.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Herr A.      hat bereits im November 2010 das Jugendamt der Beklagten um Unterstützung gebeten und damit einen konkludenten Antrag gestellt. Wenn die Beklagte sich darauf beruft, die konkrete Frage nach einer Hilfe zur Erziehung sei von C1.    Onkel im Nachgang abschlägig beschieden worden, verkennt sie, dass aus dessen Sicht damit (nur) eine tatsächliche pädogische Erziehungshilfe und nicht auch eine finanzielle Hilfe verbunden gewesen wäre. Spätestens mit der Unterbringung C1.    im Haushalt des Onkels im Dezember 2010 wäre die Beklagte gehalten gewesen, auf den Bezug von Pflegegeld hinzuweisen. Dies folgt bereits aus den Mitwirkungspflichten der §§ 16 und 17 SGB I. Nach ihren eigenen Angaben im Verfahren 1 K 1010/14 hat die Beklagte Herrn A.      jedoch erst im April 2011 dahingehend belehrt, dass die Zahlung von Geldleistungen das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 27 ff. SGB VIII voraussetzt mit der Folge, dass dieser nunmehr die Erziehungsnotwendigkeit bejahte, um finanzielle Unterstützung zu erhalten. Warum die Beklagte diese Belehrung nicht bereits im November oder Dezember 2010 vorgenommen hat, erschließt sich nicht. Angesichts des Einverständnisses der Kindsmutter mit der Übertragung der Personensorge auf ihren Bruder im Januar 2011 ist zudem davon auszugehen, dass sie für ihren Bruder einen entsprechenden Antrag auch Ende 2010 gestellt hätte. Schließlich hätte die Beklagte anlässlich ihres Antrags an das Amtsgericht Heinsberg vom 23. Dezember 2010, den Entzug der elterlichen Sorge der Kindsmutter betreffend, Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe gewähren müssen. Der Antrag erläutert umfassend den notwendigen Bedarf der Unterbringung des Kindes bei seinem Onkel und macht deutlich, dass - anders als in den Zeiträumen davor, in denen das Kind nur vorübergehend bei Herrn A.      und dessen Lebensgefährtin verweilte - nunmehr C.   auf Dauer dort bleiben solle. Bestätigt wird diese Annahme durch das Protokoll der Anhörung vom 20. Januar 2011 vor dem Amtsgericht Heinsberg hinsichtlich des Sorgerechtsentzugs. In Anwesenheit von Vertretern der Beklagten wies Herr A.      laut Protokoll auf den finanziellen Bedarf hin, der durch die Aufnahme C1.    entstanden sei, und führte ausdrücklich aus, es müssten noch Kindergeld und weitere Leistungen für C.   beantragt werden.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Trotz dieses offenkundigen Bedarfs und der konkludenten Antragstellung in der Zeit, bevor der Kindsmutter mit Beschluss vom 27. Januar 2011 die Personensorge entzogen worden war, leistete die Beklagte keine Hilfe, so dass ein Fall der objektiven Verzögerung der Leistungsbewilligung festzustellen ist, der angesichts des geänderten § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII zum Wechsel der Kostenträgerschaft ab 1. Januar 2014 - zu Lasten der Beigeladenen - führt. In einem solchen Fall hält die Kammer eine Abweichung von der grundsätzlichen Maßgeblichkeit der tatsächlichen Leistungsgewährung für geboten. Der Beginn der Leistung muss insoweit vorverlagert werden auf den Zeitpunkt, zu dem die Beklagte gehalten gewesen wäre, zu leisten. Dies ist hier zumindest der Dezember 2010. Die Eltern von C.   haben bei einem solchen Ansatz gemäß § 86 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII nach Beginn der Leistung verschiedene Aufenthalte begründet - der Vater wurde zum 1. Januar 2011 nach unbekannt abgemeldet, die (noch) personensorgeberechtigte Kindsmutter hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Heinsberg -, und über § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII verbleibt es auch mit der Neuregelung der Vorschrift bei der Zuständigkeit der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Ungeachtet dessen ist die Beklagte auch dann gegenüber der Klägerin erstattungspflichtig, wenn man unter Beginn der Leistung nur die tatsächliche Leistungsgewährung versteht. Denn mit der Unterbringung von C.   bei seinem Onkel am 13. Dezember 2010 erbrachte die Beklagte eine eigenständige Leistung der Hilfe zur Erziehung nach § 33 SGB VIII gegenüber der Kindsmutter. Die Erziehungsnotwendigkeit war offensichtlich, denn die Lage von C.   und seinen Eltern waren der Beklagten bekannt. Dies ergibt sich bereits nach Aktenlage aus den Aufzeichnungen der zuständigen Mitarbeiterin der Beklagten, Frau H.      . Diese erhielt schon im September 2010 einen Anruf der Betreuerin der Kindsmutter und vermerkte, dass im Notfall Herr A.      und seine Lebensgefährtin bereit seien, C.   aufzunehmen. Es folgen weitere Vermerke über die Schwierigkeit der Kindsmutter, eine Therapie durchzustehen, über die Frage, wo und wie lange C.   untergebracht werden könne und ob C.   bei seiner Mutter in einer Klinik sein solle. Auch ist vermerkt, wie die Lebensgefährtin von Herrn A.      die vorübergehende Unterbringung von C.   mit ihrer Arbeitstätigkeit vereinbaren könne, zudem ihre Auffassung, C.   sei nicht altersentsprechend entwickelt. Schließlich ist festgehalten, dass die Kindsmutter im November 2010 den Jungen bei sich in der Klinik haben möchte, gegen den Willen der C.   bis dahin betreuenden Lebensgefährtin von Herrn A.      . Angesichts dieser Erkenntnisse auf Seiten der Beklagten kann sich diese nachträglich nicht darauf berufen (so ihr Vortrag im Verfahren 1 K 1010/14 vom 9. Juli 2014), die mit Antrag vom 23. Dezember 2010 begehrte Übertragung der elterlichen Sorge zum Zwecke der rechtlichen Vertretung eines Kindes lasse keine Erziehungsnotwendigkeit im Sinne des § 33 SGB VIII vermuten, im Gegensatz zum Sorgerechtsentzug wegen Erziehungsunfähigkeit der Eltern, und die gerichtliche Antrag folge nur aufgrund der Zuständigkeitsregelungen in §§ 87b, 50 SGB VIII. Vielmehr musste sich in einem Fall wie hier die Erziehungsnotwendigkeit gerade aufdrängen.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Dem stehen auch nicht die gerichtlichen Feststellungen im Verfahren 1 K 1010/14 entgegen. Soweit in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen wurde, Herr A.      habe unstreitig ab 1. April 2011 deutlich gemacht, den Anspruch auf Pflegegeld und Vollzeitpflege gegenüber der Beklagten durchsetzen zu wollen, besagt dies nicht, dass im Zeitraum davor eine entsprechende Antragstellung auszuschließen ist.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3, 188 Satz 2 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.</p>
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} | L 1 KR 601/18 B | 2018-12-20T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:52 | 2019-02-12T13:44:39 | Beschluss | ECLI:DE:LSGNRW:2018:1220.L1KR601.18B.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 21.08.2018 wird als unzulässig verworfen. Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Gründe:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.
Der 1967 geborene Kläger wendet sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren S 9 KR 632/18 beim Sozialgericht Köln. In diesem Klageverfahren rügt er die Beitragseinstufung der Beklagten hinsichtlich der von ihm zu zahlenden Beiträge für seine bei der Beklagten bestehende freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit Beschluss vom 21.08.2018 hat das Sozialgericht die Bewilligung von PKH abgelehnt. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil die Beitragseinstufung durch die Beklagte nicht zu beanstanden sei.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Gegen den ihm am 25.08.2018 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit einfacher E-Mail vom 26.08.2018 beim Sozialgericht Köln "Berufung" eingelegt. Er hat für das Berufungsverfahren und die Begründung der Berufung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat den Kläger mit Schreiben vom 03.09.2018 darauf hingewiesen, dass die per einfacher E-Mail eingelegte Beschwerde nicht zulässig sei. Die bei Erhebung der Beschwerde einzuhaltenden Formerfordernisse ergäben sich aus der dem angefochtenen Beschluss beigefügten Rechtsmittelbelehrung. Es werde anheim gestellt, die Beschwerde formgerecht einzulegen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">II.
Der Senat verwirft die vom Kläger als "Berufung" bezeichnete Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 21.08.2018 gemäß § 202 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 572 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) als unzulässig, weil die Beschwerde nicht innerhalb der gesetzlichen Frist erhoben worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 173 Satz 1 SGG ist die Beschwerde binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Der Beschluss ist dem Kläger am 25.08.2018 zugestellt worden. Der Kläger hat jedoch innerhalb der am 25.09.2018 endenden Beschwerdefrist (§ 64 Abs. 1, 2 und 3 SGG), keine dem Schriftformerfordernis genügende Beschwerde eingelegt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Zwar kann die Beschwerde gemäß § 65a Abs. 1 SGG in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung nach Maßgabe der Abs. 2 bis 6 auch als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden. Allerdings muss das elektronische Dokument für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein (§ 65a Abs. 2 Satz 1 SGG). Das elektronische Dokument muss zudem mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 65a Abs. 3 und 4 SGG). Ein elektronisches Dokument ist eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs und die geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen (§ 65a Abs. 6 SGG).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die am 26.08.2018 beim Sozialgericht eingegangene E-Mail des Klägers, mit welcher dieser - ohne entsprechende Signatur und ohne Nutzung eines sicheren Übermittlungswegs - sinngemäß Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt hat, genügt diesen Anforderungen nicht. Der Senat hat dies dem Kläger auch unverzüglich mitgeteilt und darauf hingewiesen, dass die Beschwerde damit nicht wirksam erhoben ist und ihn erneut auf die geltenden technischen Rahmenbedingungen aufmerksam gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Antrag auf PKH für das vorliegende Beschwerdeverfahren war ebenfalls abzulehnen. Nach § 73a SGG i. V. m. § 114 ZPO kann PKH für die "Prozessführung" gewährt werden. Hierunter ist das eigentliche Streitverfahren zu verstehen, nicht aber das PKH-Prüfungsverfahren, in welchem lediglich über die Gewährung staatlicher Hilfe für den Antragsteller zu befinden ist (vgl. LSG NRW, Beschl. v. 17.01.2014 - L 1 KR 536/13 B -, juris Rn.; BayLSG, Beschl. v. 28.11.2011 - L 11 AS 606/11 B PKH -, juris Rn. 10; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 73a Rn. 2b).&8232;&8232;</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 127 Abs. 4 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).</p>
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} | 36 O 147/18 | 2018-12-20T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:52 | 2019-02-12T13:44:39 | Urteil | ECLI:DE:LGK:2018:1220.36O147.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 66.640,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.08.2018 zu zahlen, abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 0,266 € für jeden ab Kilometerstand 0 km mit dem nachbezeichneten Fahrzeug bis zur Rückgabe gefahrenen Kilometer, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeuges VW Touareg Edition, 3.0 l V-6 TDI, FIN: #####.</p>
<p>Die Beklagte zu 2) wird weiter verurteilt, an den Kläger 3.718,53 EUR  nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.08.2018 zu zahlen.</p>
<p>Die Beklagte zu 2) wird weiter verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.954,46 EUR  nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.08.2018 zu zahlen.</p>
<p>Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) sich mit der Rücknahme des Pkw des Klägers, VW Touareg Edition, 3.0 l V-6 TDI, FIN: #####, in Annahmeverzug befindet.</p>
<p>Im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p>              Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger zu zwei Dritteln und die Beklagte zu 2) zu einem Drittel. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und zu 3) trägt der Kläger, die Beklagte zu 2) trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.</p>
<p>              Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">T a t b e s t a n d</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger macht gegen die Beklagten einen Rückabwicklungsanspruch betreffend den Kauf eines Reimport-Pkw der Marke VW Touareg geltend.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger, von Beruf selbstständiger Diplom-Ingenieur, bestellte mit Kaufvertrag über ein Neufahrzeug vom 22.07.2015 (Bl. 101, 101 R GA) bei dem Beklagten zu 1), der gewerblich mit Fahrzeugen handelt, einen Neuwagen des Typs VW Touareg Edition V6 3,0 TDI, Schadstoffnorm Euro 6, zu einem Kaufpreis von 66.640,00 € brutto. Das Fahrzeug sollte als Reimportfahrzeug von dem Beklagten zu 1) aus Finnland importiert und sodann an den Kläger übereignet werden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nachdem der Kläger mit dem Beklagten zu 1) den Kaufvertrag über das vorbezeichnete Fahrzeug abgeschlossen hatte wurde im September 2015 in den Medien der sog. „VW Abgasskandal“ bekannt. Dieser bezog sich zunächst auf den nachfolgend zusammengefassten Sachverhalt, der dem Gericht aus der Berichterstattung in den allgemein zugänglichen Medien sowie aus anderen, diesbezüglich anhängigen Rechtsstreitigkeiten bekannt ist :</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Zum Nachweis, dass ein Kraftfahrzeug bei seinem Betrieb die europaweit einheitlich festgesetzten Abgasgrenzwerte einhält, muss das Fahrzeug über eine Typgenehmigung gemäß Art. 4 Abs. 1 der "Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (...) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge" (im Folgenden:  VO (EG) 715/2007) verfügen. Die zur Erteilung dieser Typgenehmigung durchgeführte Prüfung der Abgasgrenzwerte erfolgt nicht durch Messungen der tatsächlichen Werte während des Regelbetriebes eines Fahrzeugs, sondern in einem europaweit festgelegten einheitlichen Testverfahren, dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ), auf einem Prüfstand.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Im Zusammenhang mit diesem Prüfstandsverfahren kam zunächst im Jahr 2015 ans Licht, dass die von der Beklagten zu 2) und ihren Konzerntöchtern hergestellten Fahrzeuge mit Motoren der Baureihe EA 189 eine spezielle Motorsteuerungssoftware implementiert worden war, welche erkannte, wann ein Fahrzeug das Prüfstandsverfahren durchlief und daraufhin den Schadstoffausstoß durch den Wechsel in einen besonderen Betriebsmodus reduzierte. Hinsichtlich dieser bei den Motoren der EA 189-Baureihe implementierten Software kam das Kraftfahrt-Bundesamt (im Folgenden: KBA) mit Bescheid vom 15.10.2015 zu dem Ergebnis, dass es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele, und erlegte der Beklagten zu 2) deshalb auf, die Software aus allen betroffenen Kfz zu entfernen sowie geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge zu ergreifen. Die Beklagte zu 2) entwickelte daraufhin in der Folgezeit für die betroffenen Fahrzeugtypen jeweils Software-Updates, welche die nach Auffassung des KBA aufgrund der Abschalteinrichtung mit einem technischen Mangel behafteten Fahrzeuge wieder in einen ordnungsgemäßen Zustand versetzen sollen. Die betroffenen Fahrzeuge wurden sodann seitens der Beklagten zu 2) chargenweise zurückgerufen, um das Software-Update durchführen zu können. Soweit die Eigentümer der Fahrzeuge in Einzelfällen die Durchführung des Software-Updates verweigerten, ist es gerichtsbekannt mittlerweile zu Stilllegungsverfügungen der zuständigen Kfz-Zulassungsämter betreffend diese Fahrzeuge gekommen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Motor des streitbefangenen Pkw gehört nicht zur Baureihe EA 189, was auch dem Kläger bekannt war. Nachdem jedoch der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt noch auf das bei dem Beklagten zu 1) bestellte Fahrzeug wartete, von dem vorstehend beschriebenen "VW-Abgasskandal" Kenntnis erlangt hatte richtete er mit E-Mail vom 22.09.2015 (Bl. 103 GA) an einen Mitarbeiter des Beklagten zu 1) die Anfrage, ob es möglich sei, dass die derzeit in der Presse besprochene “Schummelei bei den Abgaswerten im Hause VW“ auch auf sein Fahrzeug zutreffen könne und ihm hierdurch Nachteile entstehen könnten. Mit E-Mail vom gleichen Tage antwortete der Mitarbeiter des Beklagten zu 1), dass es sich bei dem Motor in dem von dem Kläger bestellten Fahrzeug nicht um denjenigen handelte, der von dem Abgasskandal betroffen sei; man gehe davon aus, dass es sich VW nicht erlauben könne, die betroffenen Motoren in der aktuellen Produktion weiter zu verwenden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Mit weiterer E-Mail vom 22.09.2015 (Bl. 105 GA) wandte sich der Kläger an die Beklagte zu 2) mit der Anfrage, ob das von ihm bestellte Fahrzeug mit einer Software versehen sei,  „die über Verbrauchswerte täuscht“, oder ob er einen Neuwagen mit einer korrekt arbeitenden Software erhalte. Da die Beklagte zu 2) diese Anfrage zunächst nicht beantwortete, begehrte der Kläger vor Abnahme des Fahrzeugs von dem  Beklagten zu 1) die Unterzeichnung einer vorformulierten schriftlichen Erklärung, derzufolge der Kläger das Fahrzeug, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass es „fehlerhafte Abgaswerte“ aufweise, nur unter Vorbehalt annehme und sich „für den Fall fehlerhafter Abgaswerte“ die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vorbehalte; wegen des genauen Wortlauts wird auf die Ablichtung Bl. 106 GA Bezug genommen. Nachdem sowohl der Kläger als auch der Beklagte zu 1) diese Erklärung mit Datum vom 03.11.2015 unterzeichnet hatten, nahm der Kläger das Fahrzeug am 20.11.2015 entgegen. Mit E-Mail vom 04.12.2015 beantwortete sodann die Beklagte zu 2) die E-Mail des Klägers vom 22.09.2015, und zwar unter anderem mit folgenden Ausführungen (Bl. 107 GA): „Daher möchten wir Ihnen mit diesem Schreiben versichern, dass Ihr Volkswagen Touareg nicht von der Abweichung der Abgaswerte betroffen sind ist.“</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Am 08.12.2017 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt auch für Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs VW Touareg 3.0 l Diesel Euro 6 einen verpflichtenden Rückruf an. In der Verlautbarung hierzu (Bl. 126 GA) teilte das KBA mit:</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">"Bei der Überprüfung des VW Touareg 3,0 l Diesel Euro 6 durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wurden zwei unzulässige Abschalteinrichtungen nachgewiesen. Im Prüfzugzyklus NEFZ springt bei diesen Fahrzeugen zum einen eine sogenannte schadstoffmindernde Aufwärmstrategie an, die überwiegend im realen Verkehr nicht aktiviert wird. Zum anderen wurde bei Fahrzeugen mit SCR-Katalysator eine Strategie eingesetzt, die die Nutzung von AdBlue unter bestimmten Bedingungen unzulässig einschränkt. Dass KBA hat deshalb am 8. Dezember 2017 einen verpflichtenden Rückruf dieser Fahrzeuge angeordnet, um die Vorschriftsmäßigkeit der produzierten Fahrzeuge wieder herzustellen."</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Kläger erfuhr zunächst im Januar 2018 aus der Presse, dass auch in den von ihm erworbenen PKW eine vom KBA als verbotene Abschalteinrichtung eingestufte Software implementiert war. Mit Schreiben aus Februar 2018 (Bl. 125, 125 R GA) informierte die Beklagte zu 2) den Kläger, dass sein Fahrzeug von der Rückrufaktion betroffen sei und teilte ihm mit, dass er sich zur Durchführung eines Software-Updates an einen VW-Vertragspartner wenden möge. Der Kläger hat dieses Software-Update bislang nicht durchführen lassen, zum einen, weil er meint, dass auch nach Durchführung des Updates die Abgasgrenzwerte nicht vorschriftsmäßig eingehalten würden, zum anderen, weil er Folgeschäden für sein Fahrzeug befürchtet.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Mit anwaltlichen Schreiben vom 31.01.2018 erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten zu 1) die Anfechtung seiner Vertragserklärung zum streitgegenständlichen Kaufvertrag sowie den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit anwaltlichen Schreiben vom gleichen Tage an die Beklagten zu 2) und zu 3) forderte er diese zur Schadensersatzleistung im Hinblick auf die in dem Fahrzeug eingebaute Motorsteuerungssoftware erfolglos auf. Die Beklagten wiesen die geltend gemachten Ansprüche zurück. Eine Frist zur Nacherfüllung hat der Kläger den Beklagten zuvor nicht gesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Kläger erwarb für das streitbefangene Fahrzeug einen Satz Winterreifen zum Preis von 1.846,53 €. Unter dem 29.12.2015 schloss er für das Fahrzeug eine Garantieversicherung zum Preis von 1.872,00 € ab (Bl. 109 GA).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Kläger trägt vor, dass in dem von ihm erworbenen streitgegenständlichen Pkw entsprechend den Feststellungen des Kraftfahrt-Bundesamtes mindestens eine verbotene Abschaltinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 a) der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 verwendet werde. Zum einen springe die sogenannte "schadstoffmindernde Aufwärmstrategie" des Fahrzeugs nur im Prüfstandsverfahren an, während im realen Verkehrsbetrieb die entsprechende Schadstoffminderung unterbleibe. Zum anderen werde bei der Motorsteuerung eine Strategie eingesetzt, welche die Schadstoffreduzierung durch die Zuführung von AdBlue - einer beim Betrieb des Motors zugesetzte künstlichen Harnstofflösung - unzulässig einschränke.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Kläger meint, dass der Beklagte zu 1) aufgrund der erklärten Anfechtung sowie auch unter dem Gesichtspunkt der kaufrechtlichen Sachmängelhaftung zur Rückgängigmachung des streitgegenständlichen Kaufvertrages verpflichtet sei. Kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche seien vorliegend auch nicht verjährt: In der ergänzenden Vereinbarung vom 03.11.2015 sei ein Garantievertrag zu sehen, welcher der Regelverjährung gemäß § 195 BGB unterliege. Im Übrigen habe der Beklagte zu 1) dem Kläger den dem Fahrzeug anhaftenden Mangel auch arglistig, nämlich bedingt vorsätzlich, verschwiegen. Der Setzung einer Nachfrist zur Mängelbeseitigung habe es vorliegend nicht bedurft, da die Durchführung des Software-Updates, die allein als Mängelbeseitigung angeboten werde, ihm sowohl wegen arglistigen Verhaltens des Beklagten zu 1) als auch deshalb nicht zumutbar sei, weil das Software-Update nicht dazu geeignet sei, den vorhandenen Mangel vollumfänglich, insbesondere ohne verbleibenden merkantilen Minderwert des Fahrzeugs, zu beseitigen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Kläger behauptet, dass die Beklagte zu 2) den streitgegenständlichen Motor in das von ihr hergestellte Fahrzeug eingebaut und mit diesem in den Verkehr gebracht habe. Der Vorstand der Beklagten zu 2) sei seit dem Zeitpunkt der ersten Lieferung der betroffenen Motoren, spätestens jedoch mit Bekanntwerden des Abgasskandals um den Motorentyp EA 189, darüber im Bilde gewesen, dass in dem Motor eine verbotene Abschalteinrichtung verwendet werde, und habe dies billigend in Kauf genommen. Es habe letztlich keine legalen Abgasverminderungssysteme gegeben, mit denen die Beklagte zu 2) in der Lage gewesen wäre, die Stickoxidgrenzwerte einzuhalten.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Kläger trägt weiter vor, dass die Beklagte zu 3) den streitgegenständlichen Motor, dessen Steuerungssoftware und das streitgegenständliche Fahrzeug mit Wissen und Wollen ihres Vorstandes hergestellt und in Verkehr gebracht habe. Die Beklagte zu 3) habe den streitgegenständlichen Motor hergestellt und zur weiteren Verwendung an die Beklagte zu 2) geliefert; dabei sei auch der Vorstand der Beklagten zu 3) insbesondere über die Art und Weise, wie die Abgasreinigung im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp funktionieren solle, informiert gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Schließlich behauptet der Kläger, dass für den streitgegenständliche PKW von einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 500.000 km auszugehen sei.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Zu dem ergänzend gestellten Feststellungsantrag trägt der Kläger vor, dass er an der begehrten Feststellung ein berechtigtes Interesse habe, dies im Hinblick auf mögliche künftige Schäden, die infolge der Abschalteinrichtungen oder des Entfernens derselben an dem streitgegenständlichen Fahrzeug entstehen könnten, insbesondere einer Beeinträchtigung der Lebensdauer einzelner Fahrzeugkomponenten.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">1.,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 66.640,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.08.2018, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeuges VW Touareg Edition, 3.0 l V-6 TDI, FIN: #####, abzüglich der Zahlung einer Nutzungsentschädigung in EUR pro gefahrenem km seit dem 20.11.2015 (Laufleistung zum Zeitpunkt des Kaufvertrages: 0 km), die sich nach folgender Formel berechnet:</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">(66.640,00 EUR x gefahrene Kilometer) : 500.000 km</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">2.,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 3.718,53 EUR  nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.08.2018 zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">3.,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.954,46 EUR  nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.08.2018 zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">4.,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">festzustellen, dass sich die Beklagten mit der Rücknahme des Pkw's des Klägers,  VW Touareg Edition, 3.0 l V-6 TDI, FIN: #####, in Annahmeverzug befinden,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">5.,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, an den Kläger Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus der Ausstattung des Fahrzeuges VW Touareg Edition, 3.0 l V-6 TDI, FIN: #####, mit der manipulierenden Motorsoftware resultieren.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 1) erhebt die Einrede der Verjährung. Darüber hinaus trägt er vor, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mangelfrei sei, da es in dem allein  maßgeblichen Verfahren des NEFZ die vorgegebenen Stickstoffgrenzwerte einhalte. Auf den Schadstoffausstoß im realen Fahrbetrieb komme es nach den gesetzlichen Vorgaben nicht an. Soweit derzeit auf Anordnung des KBA für Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs eine Aktualisierung der Motorsoftware durch Installation eines Software-Updates vorgenommen werde, könne der Kläger diese Maßnahme jederzeit kostenfrei durchführen lassen; das KBA habe in der Freigabebestätigung betreffend diese Software ausdrücklich bestätigt, dass die Maßnahme nicht zu negativen Auswirkungen im Hinblick auf Kraftstoffverbrauchswerte, CO2-Immissionswerte, Motorleistung, Drehmoment, Geräuschimmissionen und Dauerhaltbarkeit der emissionsmindernden Einrichtungen führe, sowie dass nach Durchführung des Software-Updates alle geltenden Grenzwerte bezüglich der Schadstoffimmissionen sowie die sonstigen Anforderungen eingehalten würden.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 1) trägt weiter vor, dass er den Kläger in keinerlei Hinsicht getäuscht habe; als freier Händler habe auch er nur auf die öffentlichen Stellungnahmen des Fahrzeugherstellers zurückgreifen können, von den von den Manipulationen des Herstellers habe er keinerlei Kenntnis gehabt und insbesondere auch gegenüber dem Kläger nicht mit Täuschungsvorsatz gehandelt. Er habe auch mit dem Kläger nicht eine bestimmte Beschaffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs vereinbart. Der schriftlichen Erklärung vom 03.11.2015 sei doch gerade zu entnehmen, dass der Kläger schon selbst damit gerechnet habe, dass das Fahrzeug fehlerhafte Abgaswerte aufweisen würde; eine Beschaffenheitsvereinbarung sei deshalb nicht getroffen worden. Zudem fehle es an der für einen wirksamen Rücktritt vom Kaufvertrag erforderlichen Nachfristsetzung zur Mängelbeseitigung.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu 2) trägt vor, dass sie den streitgegenständlichen Motor nicht hergestellt habe, weshalb sie für eine etwaige Fehlerhaftigkeit dieses Motors auch nicht einstehen müsse. Zudem habe der Kläger das Fahrzeug als Reimport aus Finnland erworben; der Pkw sei folglich für den Verkauf im Ausland bestimmt gewesen, weshalb der Kläger schon nicht zum Adressatenkreis einer etwaigen Täuschung im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs gehöre. Zudem sei eine etwaige Täuschung nicht kausal für den Kaufentschluss des Klägers gewesen und ein Schaden sei dem Kläger ebenfalls nicht entstanden.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Der in das Fahrzeug implementierte und vom KBA als unzulässige Abschalteinrichtung beurteilte sogenannte "Warmlauf-Modus" des SCR-Katalysators habe mit dem Regelbetrieb des Fahrzeugs nichts zu tun; es handele sich allerdings auch nicht um einen alternativen Betriebsmodus für den Motor im Prüfstandsbetrieb. Der Warmlauf-Modus verfolge lediglich den Zweck, dass sich der SCR-Katalysator nach einem Kaltstart des Fahrzeugs schneller aufheize, damit die Stickstoffemissionen auch bereits in den ersten Betriebsminuten nach einem Kaltstart effizient reduziert würden. Auch die ebenfalls vom KBA als unzulässige Abschalteinrichtung eingestufte optimierte Dosierungsstrategie betreffend die Zuführung von AdBlue beim Betrieb des Motors verfolge lediglich das Ziel, ein rechtzeitiges Nachtanken und eine jederzeitige ausreichende Versorgung  des Fahrzeugs mit AdBlue sicherzustellen. Man habe deshalb die optimierte Dosierungsstrategie implementiert, um sicherzustellen, dass dem Fahrzeugführer rechtzeitig – nämlich bei einer noch verbleibenden Fahrstrecke von 2.400 km – angezeigt werde, dass er AdBlue nachtanken müsse.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Soweit das KBA diese Einzelheiten der Motorsteuerungssoftware beanstandet habe, habe es das von der Beklagten zu 2) entwickelte Software-Update für den streitgegenständlichen Fahrzeug-Typ zwischenzeitlich freigegeben. Der Kläger könne diese Maßnahme jederzeit kostenfrei durchführen lassen; das KBA habe in der Freigabebestätigung  ausdrücklich bestätigt, dass die Maßnahme nicht zu negativen Auswirkungen im Hinblick auf Kraftstoffverbrauchswerte, CO2-Immissionswerte, Motorleistung, Drehmoment, Geräuschimmissionen und Dauerhaltbarkeit der emissionsmindernden Einrichtungen führe, sowie dass nach Durchführung des Software-Updates alle geltenden Grenzwerte bezüglich der Schadstoffimmissionen sowie die sonstigen Anforderungen eingehalten würden.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu 2) trägt weiter vor, dass sie den Kläger nicht getäuscht habe. Das Fahrzeug verfüge über alle erforderlichen Genehmigungen und halte im allein maßgeblichen Prüfstandsverfahren auch die Abgasgrenzwerte ein; dass die Abgaswerte in der täglichen Fahrpraxis höher seien als im Prüfstandsverfahren, sei allgemein bekannt und gebe keinen Anlass zu Beanstandungen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Ein Schaden sei dem Kläger ohnehin nicht entstanden: Das Fahrzeug sei technisch einwandfrei, verfüge über alle erforderlichen Genehmigungen und das Verbleiben eines merkantilen Minderwerts sei ebenfalls nicht zu erwarten.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Zudem habe der Kläger nicht substantiiert vorgetragen, dass Personen, deren Kenntnisse der Beklagten zu 2) zuzurechnen wären, mit Vorsatz hinsichtlich einer Täuschung oder eines Schadens des Klägers gehandelt hätten. Erst recht fehle es an einer Sittenwidrigkeit des Handelns der Beklagten zu 2).</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu 3) meint, dass sie keine taugliche Anspruchsgegnerin für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche sei, da sie weder Herstellerin noch Verkäuferin des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei und es auch zu keiner Zeit einen direkten Kontakt zwischen ihr und dem Kläger gegeben habe. Ein den Kläger täuschendes, erst recht sittenwidriges Verhalten der Beklagten zu 3) dem Kläger gegenüber sei mithin unter keinem denkbaren Gesichtspunkt gegeben, zumal das streitgegenständliche Fahrzeug - was als solches unstreitig ist - auch nicht über die bei den Motoren der Baureihe EA 189 verwendete Umschaltlogik verfüge.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger könne auch ein ersatzfähiger Schaden nicht entstanden sein, da das streitgegenständliche Fahrzeug stets technisch sicher und fahrbereit gewesen sei, zudem verfüge es  nach wie vor über die erforderliche EG-Typengenehmigung und die Einstufung in die Abgasnorm EU 6. Soweit die Beklagte auf Anordnung des KBA für Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs eine Aktualisierung der Motorsoftware durch Installation eines Software-Updates vornehme, könne der Kläger diese Maßnahme jederzeit kostenfrei durchführen lassen; das KBA habe in der Freigabebestätigung betreffend diese Software ausdrücklich bestätigt, dass diese Maßnahme nicht zu negativen Auswirkungen im Hinblick auf Kraftstoffverbrauchswerte, CO2-Immissionswerte, Motorleistung, Drehmoment, Geräuschimmissionen und Dauerhaltbarkeit der emissionsmindernden Einrichtungen führe, sowie dass nach Durchführung des Software-Updates alle geltenden Grenzwerte bezüglich der Schadstoffimmissionen sowie die sonstigen Anforderungen eingehalten würden.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</span></p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist zulässig und in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang - nämlich im Wesentlichen gegen die Beklagte zu 2) - auch begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat zunächst gegen die Beklagte zu 2) unter dem Gesichtspunkt einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB einen Anspruch auf Erstattung des für den streitgegenständlichen Pkw gezahlten Kaufpreises, abzüglich einer Entschädigung für die zwischenzeitlich gezogenen Nutzungen, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs. Im Einzelnen:</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat durch ein Verhalten der Beklagten zu 2), nämlich durch die vorsätzliche Inverkehrbringung des wegen der - ebenfalls vorsätzlichen - Implementierung zweier unzulässiger Abschalteinrichtungen in die Motorsteuerungssoftware technisch mangelbehafteten streitgegenständlichen Pkw, einen Schaden erlitten. Ein Schaden im Sinne des § 826 BGB ist nicht nur die Verletzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter oder eine nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses (BGH, Urteil vom 19.07.2004, Az. II zR 402/02, juris Rz. 41; LG Offenburg, Urteil vom 12.05.2017, Az. 6 O 119/16, juris Rz. 28). Es genügt jede Schadenszufügung im weitesten Sinne, also jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage in ihrer Gesamtheit. Nach dem subjektbezogenen Schadensbegriff stellt auch der Abschluss eines Geschäfts, welches nicht den Zielen des Geschädigten entspricht, einen Schaden im Rahmen des § 826 BGB dar, ohne dass es darauf ankäme, ob die erhaltene Leistung wirtschaftlich betrachtet hinter der Gegenleistung zurückbleibt (so auch LG Offenburg a. a. O.).</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat einen von der Beklagten hergestellten Pkw erworben, welcher  in einem bedeutsamen Gesichtspunkt anders beschaffen war, als ein vernünftiger Durchschnittskäufer dies erwarten durfte. Ein vernünftiger Durchschnittskäufer darf nämlich davon ausgehen, dass ein von ihm erworbener PKW entweder zu Recht zugelassen oder zulassungsfähig ist. Hierzu gehört, dass der Hersteller die für das Fahrzeug erforderliche Typgenehmigung nicht durch Täuschung erwirkt hat. Das gilt auch, wenn der Käufer sich bis zum Bekanntwerden einer solchen Täuschung keine konkreten Vorstellungen von den technischen Einrichtungen und den rechtlichen Voraussetzungen für die Typgenehmigung gemacht hat (so auch OLG Köln, Beschluss vom 20.12.2017, Az. 18 U 112/17, juris Rz. 36, 38). Die von der Beklagten in das streitgegenständliche Fahrzeug implementierte Motorsteuerungssoftware beinhaltet gleich in zweifacher Hinsicht nach der zutreffenden und von der erkennenden Kammer geteilten Beurteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes eine verbotene Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007, nämlich zum einen in Form des sogenannten „Warmlauf-Modus“, der vordergründig für eine effizientere Reduzierung der Stickstoffemissionen des Pkw auch bei geringer Betriebstemperatur sorgen soll, jedoch nach den Feststellungen des KBA im Wesentlichen nur beim Durchlaufen des Prüfstandsverfahrens des NEFZ anspringt, im realen Verkehr hingegen überwiegend nicht aktiviert wird, zum anderen in Form der Dosierungsstrategie des zugesetzten AdBlue, die vordergründig der Einhaltung der Anforderungen der Euro 6 - Norm<a href="36_O_147_18_Urteil_20181220.html${__hash__}_ftn1">[1]</a> dienen soll, nach den Feststellungen des KBA jedoch im Ergebnis die Nutzung von AdBlue in unzulässiger Weise einschränkt, mit entsprechender Verminderung von dessen schadstoffmindernder Wirkung.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die Kammer legt insoweit ihrer Entscheidungsfindung die Beurteilung der Motorsteuerungssoftware durch das Kraftfahrt-Bundesamt als unzulässige Abschalteinrichtung als zutreffend zugrunde, ohne sich insoweit zur Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens gehalten zu sehen, dies aus folgenden Gründen:</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Bereits anlässlich des eingangs dieses Urteils beschriebenen, im September 2015 zutage getretenen sogenannten „VW-Abgasskandals“ betreffend die Motoren der Baureihe EA 189 war sowohl für die Beklagte zu 2) als Herstellerin der betroffenen Fahrzeuge als auch für das Kraftfahrt-Bundesamt ersichtlich, dass die Bejahung des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu ganz erheblichen Konsequenzen sowohl für den Leumund des Konzerns der Beklagten zu 2) als auch - insbesondere - für Millionen von Fahrzeugeigentümern führen würde. Entsprechend darf davon ausgegangen werden, dass das KBA sich über die weitreichenden Konsequenzen der Bejahung des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung vor der Verlautbarung entsprechender verpflichtender Rückrufe vollumfänglich im Klaren war und die Bewertung der Software als unzulässige Abschalteinrichtung nur in solchen Fällen getroffen hat, in denen dies unausweichlich war. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass ein Kraftfahrzeughersteller, der sich verbotener Abschalteinrichtungen bedient, diese in der Regel nicht - wie bei den EA 189-Motoren - so ausgestalten wird, dass sie ersichtlich betrügerischen Zwecken dienen, sondern in der Regel - wie vorliegend - Steuerungsstrategien implementieren wird, die vordergründig legitimen Zwecken dienen, tatsächlich jedoch die Funktion einer unzulässigen Abschalteinrichtung erfüllen.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Wenn die Beklagte zu 2) die Einschätzung des Kraftfahrt-Bundesamts als einer Bundesbehörde, deren hoheitliche Akte jederzeit gerichtlicher Überprüfung zugänglich sind, als fehlerhaft oder zumindest angreifbar beurteilt hätte, hätte sie als Adressatin des Hoheitsaktes die Möglichkeit gehabt, diesen gerichtlich überprüfen und gegebenenfalls aufheben zu lassen. Hiervon hat die Beklagte zu 2) indes keinen Gebrauch gemacht - nach Angabe ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung möglicherweise mit Blick auf die gesteigerte mediale Aufmerksamkeit, der sie sich seit Bekanntwerden des sog. Abgasskandals ausgesetzt sieht. Die Konsequenzen der nunmehr bestandskräftigen Einschätzung und Anordnung des Kraftfahrt-Bundesamtes treffen jedoch nunmehr – was für die Beklagte zu 2) als selbstverständliche Konsequenz von vorneherein erkennbar war und von ihr entsprechend wissentlich in Kauf genommen wurde – nicht diese selbst, sondern die Käufer der von ihr in großer Zahl hergestellten und mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehenen Pkws. Insoweit erachtet es die Kammer als ein Gebot von Treu und Glauben, dass die Beklagte zu 2), wenn sie die ihr mögliche gerichtliche Überprüfung der verpflichtenden Rückrufanordnung des Kraftfahrt-Bundesamtes unterlässt und die entsprechenden Hoheitsakte bestandskräftig werden lässt, dann auch im Rechtsstreit mit den Millionen Käufern ihrer Produkte, die die Folgen dieser Entscheidung zu tragen haben, an die Bestandskraft der von ihr nicht angegriffenen behördlichen Beurteilung gebunden bleibt.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus hat die Beklagte zu 2) zwar im Rechtsstreit dargelegt, welche (vordergründigen) Zwecke die vom Kraftfahrt-Bundesamt als unzulässige Abschalteinrichtungen beurteilten Motorsteuerungsstrategien verfolgen; daraus folgt allerdings noch nicht - und hierzu hat die Beklagte zu 2) auch nichts weiter dargelegt - dass es sich nicht darüber hinaus, wie vom Kraftfahrt-Bundesamt zutreffend erkannt, um unzulässige Abschalteinrichtungen handelt, die letztlich, wenn auch auf technisch andere Weise, den gleichen Zwecken dienen wie die in die EA 189-Motoren eingebaute Umschaltlogik.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Das Vorhandensein der nach alledem vom Kraftfahrt-Bundesamt zu Recht als solchen eingestuften unzulässigen Abschalteinrichtungen in dem streitgegenständlichen Pkw begründet eine technische Mangelhaftigkeit des von dem Kläger erworbenen Fahrzeugs mit potentieller Gefahr seiner Stilllegung, was als Schaden im Sinne des § 826 BGB vollkommen ausreicht. Zudem entsprechen die Schadstoffimmissionen des Fahrzeugs nicht jenen, die der Kläger aufgrund der gesetzlichen Grenzwerte und des erfolgreichen Durchlaufens des NEFZ-Prüfstandsverfahrens erwarten durfte. Zwar trifft der Einwand der Beklagten zu, dass allgemein bekannt ist, dass die auf dem Prüfstand ermittelten Abgaswerte im realen Straßenverkehrsbetrieb regelmäßig nicht erreicht werden. Allerdings dürfen die Käufer von Kraftfahrzeugen berechtigterweise erwarten, dass diese übliche Abweichung nicht durch den Einsatz einer Manipulationssoftware noch vergrößert wird  (so auch LG Offenburg, Urteil vom 12.05.2017, Az. 6 O 119/16, juris Rz. 32). Die schädigende Handlung der Beklagten lag hier gerade darin, dass sie die Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs in einem Zustand hergestellt und auf den Markt und an ihre Kunden gebracht hat, in welchem durch die eingebaute unzulässige Abschalteinrichtung dem Prüfstandsverfahren die Aussagekraft in Bezug auf den realen Fahrbetrieb des Fahrzeugs genommen wurde und damit die ohnehin durch die Beschränkung auf die Prüfstandswerte nur eingeschränkte staatliche Kontrolle der Abgasgrenzwerte ihre Wirksamkeit vollends verloren hat (ähnlich - für die EA 189-Motoren - LG Aachen, Urteil v. 07.07.2017, Az. 8 O 12/16, zitiert nach: juris Rz. 29; LG Osnabrück, Urteil v. 09.05.2017, Az. 1 O 29/17, zitiert nach: juris Rz. 42; LG Arnsberg, Urteil v. 14.06.2017, Az. 1 O 25/17, zitiert nach: juris Rz. 22; jeweils m. w. N.).</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Dieses Ergebnis ist auch nicht unter Schutzzweckgesichtspunkten zu korrigieren (so auch LG Offenburg a. a. O., Rz. 38 ff.). Die im Rahmen des §§ 826 BGB verletzte Verhaltensnorm, in deren Schutzzweckzusammenhang der Schaden fallen muss, um zurechenbar zu sein, ist hier nicht nur die öffentlich-rechtliche Vorschrift des  Art. 4 Abs. 1  VO (EG) 715/2007, die möglicherweise nicht dem Individualschutz dient, sondern die Anforderung an einen Fahrzeug- und Motorenhersteller, nur solche Fahrzeuge herzustellen und in Verkehr zu bringen, deren Betriebsgenehmigung er nicht durch Täuschung erwirkt hat und die nicht aufgrund einer solchen Täuschung technisch und rechtlich mängelbehaftet und von der Gefahr einer Stilllegung bedroht sind. Bereits der Erwerb eines solchen Fahrzeugs stellt für den Kunden - hier den Kläger - einen Schaden dar, der der Beklagten vollumfänglich zuzurechnen ist.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Die Frage, ob dem Kläger angesonnen werden kann, zur Behebung oder Minderung dieses Schadens, der ihm bereits durch den Erwerb des technisch mangelbehafteten Fahrzeugs entstanden ist, das von der Beklagten zu 2) angebotene Software-Update durchzuführen, ändert nichts an der rechtlichen Bewertung, dass dem Kläger zunächst einmal durch das Verhalten der Beklagten zu 2) ein Schaden entstanden ist. Die Durchführung eines Software-Updates stellt demgegenüber eine nachträgliche Schadensbehebungs- oder Schadensminderungsmaßnahme dar, zu deren Durchführung der Kläger allenfalls wegen der ihn treffenden Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB gehalten sein könnte - was indes, wie noch auszuführen sein wird, nicht der Fall ist.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Das schädigende Verhalten der Beklagten zu 2) ist auch als sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB zu beurteilen. Denn die Beklagte zu 2) hat in großem Umfang vorsätzlich gesetzliche Umweltschutzvorschriften ausgehebelt und zugleich ihre Kunden getäuscht und geschädigt. Sie hat dabei nicht nur gesetzliche Abgaswerte außer Acht gelassen, sondern mit den unzulässigen Abschalteinrichtungen zugleich ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern geschaffen, welches sich mit Blick auf die erheblichen Folgen einerseits für die Fahrzeugeigentümer, die sich drohenden Stillegungsverfügungen, verpflichtenden Rückrufaktionen und Software-Updates, und einem - sich mittlerweile auch sichtbar auf dem Kfz-Markt abzeichnenden - rapiden Wertverfall ihrer Dieselfahrzeuge ausgesetzt sehen, andererseits für die Allgemeinheit, die aufgrund der millionenfachen Verkehrsteilnahme von Dieselfahrzeugen, die höhere Abgasemissionen ausstoßen als nach dem Einhalten der Schadstoffnormen auf dem Prüfstand zu erwarten war, erhöhter Umweltbelastung und drohenden Fahrverboten in stark belasteten Innenstadtzonen ausgesetzt ist, als sittenwidrig zu beurteilen ist. Zudem gilt der Grundsatz, dass eine bewusste Täuschung zur Herbeiführung eines Vertragsschlusses regelmäßig bereits den Vorwurf der Sittenwidrigkeit begründet (BGH, Urteil vom 28.06.2016, Az. I ZR 536/15, juris Rz. 17; LG Offenburg a. a. O.) und im vorliegenden Fall liegt eine solche zudem auch in der wahrheitswidrigen Angabe der Beklagten zu 2) im Schreiben vom 04.12.2015 an den Kläger, dass das von ihm erworbene Fahrzeug nicht von der Abweichung der Abgaswerte betroffen sei.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Das gegen die guten Sitten verstoßende Verhalten der Beklagten zu 2) hat den Schaden des Klägers auch kausal und zurechenbar ausgelöst. Denn die durch die Beklagte zu 2) manipulierten Werte des Prüfstandsverfahrens zur Untersuchung der Abgaswerte haben neben dem Bezug zur Umweltverträglichkeit auch Einfluss auf die Zulassung, bzw. Zulassungsfähigkeit des Fahrzeugs. Insoweit ist bereits nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass die Gesetzmäßigkeit und Zulassungsfähigkeit eines Fahrzeugs für die Kaufentscheidung eines potentiellen Käufers von wesentlicher Bedeutung ist, ohne dass es darauf ankommt, ob der Käufer konkrete Vorstellungen über die für die Zulassung und Zulassungsfähigkeit im Einzelnen erforderlichen technischen Einrichtungen, rechtlichen Voraussetzungen und Zulassungs- bzw. Genehmigungsverfahren macht. Denn ein Fahrzeugkäufer darf auch ohne solche detaillierten Vorstellungen davon ausgehen, dass ein von ihm für den Inlandsbetrieb erworbener Pkw eines namhaften Herstellers entweder zu Recht zugelassen oder zulassungsfähig ist (vgl. OLG Köln, Beschluss v. 20.12.2017, Az. 18 U 112/17, zitiert nach juris Rz. 36 ff.; ähnlich auch LG Arnsberg, Urteil vom 14.06.2017, Az. 1 O 25/17, juris Rz. 53). Da eine Täuschung in dem für den erlaubten Betrieb und die Zulassung des Fahrzeugs bedeutsamen Bereich sowohl die Allgemeine Betriebserlaubnis des Fahrzeugs gefährdet als auch erhebliche Einbußen des Verkehrswerts zur Folge haben kann, ist bereits nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn er von der Manipulation gewusst hätte. Die Kammer teilt insoweit die Beurteilung des LG Hildesheim, dass „kein verständiger Kunde ein Fahrzeug mit dieser Motorsteuerungssoftware erwerben würde, wenn die Beklagte ihn vor dem Kauf darauf hinweisen würde, dass die Software nicht gesetzeskonform sei und er deshalb jedenfalls mit Problemen für den Fall der Entdeckung der Manipulation durch das KBA rechnen müsse.“ (LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, Az. 3 O 139/16, juris, Rz. 31).</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu 2) hat auch sämtliche vorbeschriebenen Merkmale der Schadenszufügung im Sinne des § 826 BGB in ihrer Person verwirklicht. Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB setzt voraus, dass einer ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektien Tatbestand dieser Anspruchsgrundlage verwirklicht hat (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2016, Az. VI ZR 536/15, juris Rz. 13). Dabei zählen allerdings zu den verfassungsmäßig berufenen Vertretern einer Gesellschaft im Sinne des § 31 BGB entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur die satzungs- oder gesetzmäßigen Organe einer juristischen Person, wie etwa Vorstandsvorsitzende und Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft, sondern alle Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Personen zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind und die die juristische Person insoweit repräsentieren. Es ist weder erforderlich, dass die Tätigkeit des verfassungsmäßig berufenen Vertreters satzungs- oder gesetzmäßig vorgesehen ist, noch muss er rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht für das Unternehmen besitzen. Der personelle Anwendungsbereich des § 31 BGB deckt sich damit in etwa mit dem Begriff des leitenden Angestellten im arbeitsrechtlichen Sinne (Palandt/Ellenberger, § 31 Rz. 6).</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Es ist der Entscheidung gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig zugrunde zu legen, dass leitende Mitarbeiter der Beklagten zu 2) mit Organstellung im Sinne des § 31 BGB Kenntnis von dem Einbau der Manipulationssoftware gehabt haben. Denn die Beklagte zu 2) ist dem diesbezüglichen, hinreichend substantiierten Vortrag des Klägers ihrerseits nicht substantiiert entgegengetreten. Der Kläger hat eine der Beklagten zu 2) zurechenbare Kenntnis ihrer leitenden Organe um die Funktionsweise sowie die Eigenschaften der in ihre Fahrzeuge eingebauten Dieselmotoren hinreichend substantiiert behauptet. Hiernach oblag es der Beklagten zu 2), ihrerseits darzulegen, welche Personen in ihrem Unternehmen Kenntnis von der Software hatten, bzw. wie es ggfs. möglich war, dass der millionenfache und kostenintensive Einbau der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware in ihrem gesamten Unternehmensgeflecht nicht einem einzigen leitenden Mitarbeiter, dessen Position im Unternehmen ausreichen würde, um ihn als verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten zu 2) im Sinne des § 31 BGB einzustufen,  bekannt gewesen sein soll. Wie der Kläger zutreffend vorträgt, ist dies angesichts der systematischen und flächendeckenden Implementation der Software kaum vorstellbar und die Beklagte zu 2) hat auch diesbezüglich keinen konkreten Vortrag gehalten.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">In subjektiver Hinsicht ist es im Rahmen des § 826 BGB nicht erforderlich, dass der Schädiger selbst zur Bewertung seines Tuns als sittenwidrig gelangt, es genügt die Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände. Eine solche Kenntnis der Beklagten zu 2) ist - wie dargelegt - zu bejahen. Die Beklagte zu 2) handelte auch mit Schädigungsvorsatz im Sinne des § 826 BGB. Insoweit muss der Schädiger nicht im Einzelnen wissen, wer der durch sein Verhalten Geschädigte sein wird. Er muss nur die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer auswirken könnte, und die Art des möglichen Schadens vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen haben (BGH, Urteil vom 19. Juli 2004, Az. II ZR 402/02, juris Rz. 47; LG Offenburg, Urteil vom 12.05.2017, Az. 6 O 119/16, juris Rz. 48). Für die beteiligten Organe der Beklagten zu 2) im Sinne des § 31 BGB war aufgrund ihrer Kenntnis von der Implementation der Motorsteuerungssoftware mit den unzulässigen Abschalteinrichtungen offensichtlich, dass die Kunden der Beklagten zu 2) künftig Fahrzeuge erwerben würden, welche ihren berechtigten Erwartungen an den gesetzeskonformen Erwerb der Typgenehmigung und die technische Mangelfreiheit nicht entsprachen und ihnen deshalb einen Schaden im Sinne des § 826 BGB zufügten.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Da - wie erörtert - alle Anspruchsmerkmale des § 826 BGB verwirklicht sind, hat der Kläger gegen die Beklagte zu 2) aus dieser Norm in Verbindung mit § 249 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens, der hier auf Rückabwicklung des streitgegenständlichen Kaufvertrages gerichtet ist, da der Kläger, wenn er von der Täuschung gewusst hätte, den streitgegenständlichen Pkw nicht erworben hätte. Der Kläger muss sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 BGB darauf einlassen, das von der Beklagten zu 2) entwickelte Software-Update durchzuführen, weil zum einen nicht auszuschließen ist, dass die Durchführung des Software-Updates zu nachteiligen Folgen für die Lebensdauer des streitgegenständlichen Pkw führen wird, vor allem aber davon auszugehen ist, dass dem</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">dem Fahrzeug allein wegen der Betroffenheit von dem VW-Abgasskandal ein merkantiler Minderwert verbleiben wird. Im Einzelnen:</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hegt zunächst berechtigterweise die Befürchtung, dass das von der Beklagten zu 2) angebotene Software-Update den vorhandenen technischen Mangel des streitgegenständlichen Pkw entweder nicht dauerhaft beheben oder aber wieder zu neuen Problemen führen wird: Diese berechtigten Zweifel ergeben sich bereits daraus, dass es der Beklagten zu 2) offenbar seit mehr als 10 Jahren nicht gelungen ist, Dieselfahrzeuge herzustellen, die - ohne Manipulationen - einerseits die Abgasgrenzwerte wenigstens im Prüfstandsverfahren einhalten und andererseits die am Markt erwünschte und beworbene Leistung bringen, während sie nunmehr geltend macht, dass ihr kurz nach Bekanntwerden der Manipulationen die Lösung dieses Problems mittels eines einzigen Software-Updates - ohne die Notwendigkeit von Hardware-Nachrüstungen, ohne erneute Unterwanderung der Aussagekraft der Prüfstandswerte und ohne jegliche nachteilige Folgen im Hinblick auf Kraftstoffverbrauchswerte, CO2-Immissionswerte, Motorleistung, Drehmoment, Geräuschimmissionen und Dauerhaltbarkeit der emissionsmindernden Einrichtungen und das zudem für sämtliche betroffenen Fahrzeugtypen - gelungen sei. Zumindest über mögliche nachteilige Folgen für die Dauerhaltbarkeit des Motors oder sonstiger Fahrzeugkomponenten jenseits der emissionsmindernden Einrichtungen verhält sich auch die Freigabebescheinigung des KBA nicht, weil solche Folgen gar nicht Gegenstand der Prüfung durch das KBA sind. Zudem handelt es sich um langfristige Prozesse, die sich erst im Laufe der Zeit erweisen werden. Schon diese naturgemäß prognostische Natur sämtlicher Angaben der Beklagten zu 2) betreffend mögliche Auswirkungen des Software-Updates auf die Dauerhaltbarkeit und/oder den Verschleiß einzelner Komponenten des Fahrzeugs berechtigt aus Kundensicht zu Zweifeln, die noch verstärkt werden, durch die "naheliegende Frage, warum die Beklagte (...) die jetzt beabsichtigten technischen Lösungen nicht von vornherein implementiert hat" (LG Arnsberg a. a. O., Rz. 35), sondern zu einer Manipulationssoftware greifen musste. Die von dem Kläger geäußerten Bedenken hinsichtlich möglicher negativer Folgewirkungen des Software-Updates sind also berechtigt, weshalb der Kläger sich auf das Update nicht einlassen muss - zumal sich im Ernstfall auch kaum beweisen lassen wird, dass ein etwaiger frühzeitiger Verschleiß des Motors, der Feinstaubpartikelfilter oder sonstiger Fahrzeugkomponenten auf das Software-Update zurückzuführen ist, weshalb ein solcher Schaden voraussichtlich ersatzlos bei dem Käufer verbleiben wird.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Schließlich ist dem Kläger die Durchführung des Software-Updates auch deshalb nicht zumutbar, weil er zu Recht befürchtet, dass dem Fahrzeug auch nach Durchführung des Software-Updates allein wegen der Betroffenheit von dem Abgasskandal und der Veränderung des Originalzustandes durch das Update mit der Gefahr von Folgeproblemen ein merkantiler Minderwert verbleiben wird (vgl. hierzu auch OLG Köln, Beschluss v. 20.12.2017, Az. 18 U 112/17, juris Rz. 48).</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Auf den im Wege des Schadensersatzes Zug um Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu erstattenden Kaufpreis muss der Kläger sich im Wege des Vorteilsausgleichs den Geldwert der zwischenzeitlichen Nutzung des Pkw nach der üblichen Formel</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">gefahrene Kilometer x Bruttokaufpreis</span></p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">voraussichtliche Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">anrechnen lassen.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Auf dieser Basis schätzt die Kammer im vorliegenden Fall - ausgehend von einem unstreitigen Kilometerstand Null bei Übergabe des Neufahrzeugs sowie von einer geschätzten voraussichtlichen Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Pkw von 250.000 km (so auch LG Aachen, Urteil v. 07.07.2017, Az. 8 O 12/16, zitiert nach: juris Rz. 38, m. w. N.) - die von dem Kläger für die Zeit bis zur Durchführung der Rückübereignung zu leistende Nutzungsentschädigung auf</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">gefahrene Kilometer x 66.640,00 €</span>     =  0,266  €/km.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">          250.000 km</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Zu dem nach dem Vorstehenden von der Beklagten gemäß §§ 826, 249 ff. BGB zu ersetzenden Schaden gehört auch der Ersatz der mit dem Klageantrag zu 2) geltend gemachten, jetzt nutzlosen Aufwendungen des Klägers in Höhe von insgesamt 3.718,53 € für Winterreifen und Garantieversicherung.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus hat der Kläger gegen die Beklagte zu 2) auch Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten (Klageantrag zu 3)) nach einem Gegenstandswert von 70.358,53 € in geltend gemachter Höhe unter dem Gesichtspunkt der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung. Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Zu entsprechen war zudem dem Klageantrag zu 4) auf Feststellung, dass sich die Beklagte zu 2) mit der Rücknahme des streitbefangenen Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet; der Annahmeverzug ist gemäß § 293 BGB aufgrund des erfolglosen vorgerichtlichen Angebots des Klägers zur Durchführung der Rückabwicklung eingetreten.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Unbegründet war hingegen der mit dem Klageantrag zu 5) geltend gemachte weitere Feststellungsantrag, der auf eine Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 2) hinsichtlich solcher Schäden gerichtet war, die nach der Befürchtung des Klägers künftig noch infolge des Vorhandenseins der unzulässigen Abschalteinrichtungen oder infolge der Entfernung derselben durch das Software-Update entstehen können. Da das Rückabwicklungsbegehren des Klägers begründet ist, treffen solche Schäden, so sie denn in Zukunft entstehen, nicht mehr den Kläger, sondern die Beklagte zu 2), welche dann die Eigentümerin des streitbefangenen Fahrzeugs ist.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Unbegründet ist die gegen den Beklagten zu 1) erhobene Klage, da die von diesem erhobene Einrede der Verjährung durchgreift. Sämtliche denkbaren kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche gegen den Beklagten zu 1) – auch aus einer etwaigen Beschaffenheitsvereinbarung – sind gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB mit Ablauf des 31.12.2017 verjährt. Für ein arglistiges Verhalten des Beklagten zu 1) ist entgegen der Auffassung des Klägers hier nichts ersichtlich, vielmehr hat sich der Beklagte zu 1) über seinen Mitarbeiter lediglich dahingehend geäußert, dass in das streitgegenständliche Fahrzeug kein Motor der Baureihe EA 189 eingebaut sei - was zutreffend ist – und dass er selbst von dem aufgedeckten Abgasskandal betroffen und schockiert sei.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Auch die von dem Kläger und dem Beklagten zu 1) unterzeichnete Erklärung vom 03.11.2015 führt hinsichtlich der eingetretenen Verjährung nicht zu einer anderen Beurteilung. Es handelt sich bei dieser Erklärung nicht um eine selbstständige Garantieerklärung des Beklagten zu 1), sondern allenfalls um eine Beschaffenheitsvereinbarung dahingehend, dass das streitgegenständliche Fahrzeug von einer Manipulation der Prüfstand-Abgaswerte nicht betroffen sei. Die Vereinbarung nimmt insoweit ausdrücklich auf den bereits abgeschlossenen Kaufvertrag vom 22./24.07.2015 Bezug und ergänzt diesen. Dass der Beklagte zu 1) darüber hinaus eine</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">selbstständige Garantieerklärung – erst recht mit einer eigenständigen Garantiefrist, zu der in der schriftlichen Erklärung nichts erwähnt ist – hätte abgeben wollen, lässt sich der Erklärung nicht entnehmen, und es ist auch nicht ersichtlich, weshalb der Beklagte zu 1), der nicht der Hersteller des Fahrzeugs ist, angesichts des bereits zu Tage getretenen „VW-Abgasskandals“ auf eigenes Risiko eine solche Garantie hätte übernehmen sollen.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Unbegründet ist auch die gegen die Beklagte zu 3) erhobene Klage. Die Beklagte zu 3) ist die Herstellerin des streitgegenständlichen Motors, der jedoch als solcher - hinsichtlich der „hardware“ - nicht mangelbehaftet ist, sondern erst durch den Betrieb mit der die Motorleistung gezielt manipulierenden Software Anlass zur Beanstandung gibt. Soweit der Kläger auf entsprechenden Hinweis des Gerichts mit Schriftsatz vom 15.11.2018 erstmals - und gänzlich unsubstantiiert - vorgetragen hat, dass auch die Steuerungssoftware des Motors und damit die unzulässigen Abschalteinrichtungen von der Beklagten zu 3) angefertigt worden seien und hierzu auf einen Bußgeldbescheid unbekannten Inhalts Bezug nimmt (Bl. 400 GA), steht dieser Vortrag im Widerspruch zu dem Vortrag in der Klageschrift, wonach die Beklagte zu 2) den Motor in den streitgegenständlichen Pkw eingebaut hat und mithin bei der Fertigung des Fahrzeugs auch die zugehörige Software implementiert haben muss. Selbst wenn die Beklagte zu 3) zusammen mit dem Motor auch eine Steuerungssoftware an die Beklagte zu 2) geliefert haben sollte, so oblag doch letztlich der Beklagten zu 2) als Herstellerin des Fahrzeugs die Implementation der Software in die Bordelektronik des Pkw, weshalb auch sie allein letztlich für die Inverkehrbringen des mit der unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs verantwortlich zeichnet.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 100 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Streitwert:</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Klageantrag zu 1):              66.640,00 €</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Klageantrag zu 2):                3.718,53 €</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Klageantrag zu 3):                         -,-- € (kein selbständiger Streitwert neben dem Klageantrag zu 1))</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Klageantrag zu 4):                          -,-- € (kein selbständiger Streitwert neben dem Klageantrag zu 1))</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Klageantrag zu 5):              <span style="text-decoration:underline">  3.000,00 €</span></p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Insgesamt:                            <span style="text-decoration:underline">73.358,53 €</span></p>
<hr /><span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks"><a href="36_O_147_18_Urteil_20181220.html${__hash__}_ftnref1">[1]</a> = Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge</p>
|
171,216 | lsgrlp-2018-12-20-l-5-kr-12518 | {
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"name": "Landessozialgericht Rheinland-Pfalz",
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} | L 5 KR 125/18 | 2018-12-20T00:00:00 | 2019-01-29T12:50:08 | 2019-02-12T13:44:23 | Urteil | <div class="docLayoutText">
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tenor<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 11.04.2018 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>3. Die Revision wird nicht zugelassen.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tatbestand<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Die Klägerin begehrt die Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Die 1986 geborene und bei der Beklagten als Rentnerin krankenversicherte Klägerin leidet an Morbus Crohn und (wohl) einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS). Am 22.07.2015 wurde ihr seitens des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs 2 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) zum Erwerb von Medizinal-Cannabisblüten (Sorten Bedrocan, Bedica, Bedrobinol, Bediol, Bedrolite) im Rahmen einer medizinisch betreuten und begleiteten Selbsttherapie erteilt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Ua unter Vorlage eines Attestes der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. M vom 13.05.2015 und eines Schreibens des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. S vom 24.06.2015 hatte die Klägerin zunächst die Erstattung aufgewandter Kosten sowie die Versorgung mit Cannabisblüten beantragt. Dr. M hatte angegeben, dass von 2011 bis 2012 bezüglich der ADHS ein Therapieversuch mit Medikinet durchgeführt, jedoch aufgrund von Nebenwirkungen wie Bauchkrämpfen, Hyperhidrosis, Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme, beendet worden sei. Die Klägerin sei bereits vor Beginn der Therapie untergewichtig gewesen. Der Morbus Crohn werde mit Budesonid, Mesalazin und Cortison behandelt; unter deren Einnahme hätten erhebliche Nebenwirkungen bestanden; Erfolg hätte die Therapie allerdings nicht gebracht. Die Klägerin leide unter 16 bis 18 Stuhlfrequenzen täglich, bis zu viermal auch nachts, starken Unterbauchschmerzen, -krämpfen und Nachtschweiß. Zudem bestünden Rückenschmerzen bei Skoliose, die – wie auch die Symptome der ADHS und des Morbus Crohn – unter Einnahme von Cannabis besser geworden seien. Dr. S hatte eine zu diesem Zeitpunkt bestehende schwere Verlaufsform eines Morbus Crohn bestätigt, die letzte gastroenterologische Untersuchung habe im „Dezember 2014“ im Mutterhaus stattgefunden. Der Antrag hatte keinen Erfolg (Bescheid vom 17.09.2015, Stellungnahme der Ärztin im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung <MDK> Dr. L vom 21.04.2016, Stellungnahme des Arztes im MDK Dr. S vom 15.09.2016, Stellungnahme von Dr. L vom 19.01.2017, Widerspruchsbescheid vom 23.06.2017; einen am 19.04.2016 bei dem Sozialgericht <SG> Trier - S 5 KR 68/16 ER - gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat die Klägerin im Beschwerdeverfahren - L 5 KR 129/16 B ER - vor dem Landessozialgericht <LSG> Rheinland-Pfalz am 13.06.2016 für erledigt erklärt).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Mit Schreiben vom 19.01.2017 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass der Bundestag die notwendigen Gesetzesänderungen beschlossen habe, die ein Verschreiben von Medizinal-Cannabis auf Kosten der Krankenkassen ermöglichten. Es werde daher um Mitteilung gebeten, wie die Beklagte bei Patienten, die bereits eine Genehmigung der Bundesopiumstelle besäßen, vorgehen werde und ob eine Kostenzusage für voraussichtlich März 2017 bzw ab Geltung des Gesetzes abgegeben werden könne. Mit Schreiben vom 22.02.2017 übersandte die Klägerin sodann ein Attest von Dr. M vom 20.01.2017 sowie einen Bericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie S vom 02.02.2017 und bat erneut um Mitteilung, wie das Vorgehen der Beklagten zur Verschreibung von Cannabis-Präparaten sei; nach der Zustimmung des Bundesrates zu der Gesetzesänderung sei nunmehr mit einer baldigen Verkündung im Bundesgesetzblatt und damit dem Inkrafttreten des Gesetzes zu rechnen. Mit Schreiben vom 06.03.2017 bat die Klägerin erneut um Mitteilung des Vorgehens der Beklagten zur Verschreibung von Medizinal-Cannabis nach den „inzwischen geltenden“ gesetzlichen Bestimmungen. Alle drei vorgenannten Schreiben übersandte die Klägerin zu dem Aktenzeichen der Beklagten in dem Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 17.09.2015. In der Folgezeit legte die Klägerin weitere ärztliche Unterlagen vor. Mit Schreiben vom 16.03.2017, welches am gleichen Tag versandt wurde, teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie die von der Klägerin eingereichten Unterlagen zur Prüfung des Antrags auf Genehmigung einer Therapie mit Cannabis-Arzneimitteln erhalten und dem MDK vorgelegt habe. Sobald das Gutachten des MDK vorliege, werde sie über den Leistungsantrag der Klägerin entscheiden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>In einer nach Aktenlage erstellten Stellungnahme vom 24.03.2017 gelangte der Arzt im MDK A zu dem Ergebnis, dass die Kriterien des am 10.03.2017 in Kraft getretenen § 31 Abs 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vorliegend nicht erfüllt seien. Zwar liege eine ärztliche Verordnung vor und die Erkrankung der Klägerin mit diagnostiziertem Morbus Crohn sowie Schmerzen sei als schwerwiegende Erkrankung zu betrachten. In „der“ ärztlichen Bescheinigung werde auch der Erfolg der Cannabis-Therapie attestiert, allerdings stünden weitere leitliniengerechte Therapieoptionen zur Verfügung. Insbesondere könne die bedarfsgerechte Eskalationsbehandlung des Morbus Crohn eine Verbesserung bewirken und hinsichtlich der Schmerzsymptomatik stehe die interdisziplinäre Evaluation im Rahmen der Behandlung durch ein Schmerzzentrum zur Verfügung. Im Hinblick auf die Aufmerksamkeitsproblematik sei neurologischerseits Atomoxetin erwogen worden, es finde sich in den Unterlagen aber keine medizinische Begründung dafür, warum ein derartiger Behandlungsversuch von vornherein nicht zielführend sein solle.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Gestützt auf die Stellungnahme von Dr. A lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 03.04.2017 die Übernahme der Kosten für eine ambulante Arzneimitteltherapie mit Cannabis-Arzneimitteln ab.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Den hiergegen unter Vorlage eines Attestes von Dr. M vom 05.04.2017 sowie einer Stellungnahme von Dr. S vom 07.04.2017 zu den Ausführungen des MDK erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass die seitens des MDK vorgeschlagenen Therapiealternativen mit zu erwartenden Nebenwirkungen verbunden seien, die die Symptome der jeweils anderen Erkrankungen und damit ihren Krankheitszustand massiv verschlimmern könnten. Diese Nebenwirkungen zu riskieren, könne ihr aufgrund ihres labilen Krankheitszustandes nicht zugemutet werden. Dass die seitens des MDK angesprochenen Therapiealternativen nicht zumutbar seien, ergebe sich aus den Stellungnahmen von Dr. M vom 05.04.2017 und Dr. S vom 07.04.2017. Dr. S führte insoweit aus, dass die vorgeschlagene Therapie mit Infliximab (Remicade®) bei 1 % bis 10 % der damit behandelten Patienten Depressionen und Schlaflosigkeit sowie Nervosität und Kopfschmerzen auslöse. Dies seien Beschwerden, unter denen die Klägerin sowieso schon im Zusammenhang mit der ADHS leide. Auch Atomoxetin habe ein erhebliches Nebenwirkungsprofil: Bis zu 10 % der mit Strattera® behandelten Patienten litten unter Appetitlosigkeit bis hin zu Anorexie. Aufgrund des Gewichts der Klägerin von aktuell 48,3 kg sei eine Therapie mit Strattera® daher nicht weiter in Betracht gezogen worden. Die Medikamente für die eine Krankheit würden daher mit hoher Wahrscheinlichkeit die Symptome der anderen Krankheit verschlimmern. Dass keine zumutbaren Therapiealternativen bestünden, zeige auch die ihr, der Klägerin, seitens der Bundesopiumstelle erteilte Genehmigung. § 31 Abs 6 SGB V regele ganz klar, dass eine Erstattungsfähigkeit der Cannabis-Therapie auch dann gegeben sei, wenn zwar abstrakt noch andere, allgemein anerkannte Leistungen in Erwägung gezogen werden könnten, der behandelnde Arzt im konkreten Fall aber zu der Einschätzung gelangt sei, dass diese Leistungen nicht anwendbar seien. Dabei sei die Therapiefreiheit des behandelnden Arztes zu berücksichtigen. Es müsse sichergestellt sein, dass der betroffene Patient nicht erst langwierige und schwerwiegende Nebenwirkungen ertragen müsse, bevor ein Arzt medizinisches Cannabis verschreiben dürfe. Ziel der Gesetzesänderung sei es gewesen, schwerkranken Menschen den Zugang zu Cannabis als Therapiemittel finanziert über die Krankenkassen zu ermöglichen. Dabei habe vor allem Personen geholfen werden sollen, die bisher zwar Inhaber einer Ausnahmeerlaubnis nach § 3 BtMG gewesen seien, sich das Cannabispräparat aufgrund der Kosten aber nicht hätten leisten können. Der Gesetzgeber sei in der Gesetzesbegründung davon ausgegangen, dass diese Personen künftig Cannabis verschrieben erhalten würden (Hinweis auf BT-Drs 18/8965, S 24). Demnach dürfe eine Ablehnung der Krankenkassen auch nur in ganz begründeten Ausnahmefällen erfolgen. Die Genehmigung stelle folglich den Grundsatz und die Ablehnung die Ausnahme dar. Gründe für eine Ablehnung lägen vorliegend nicht vor.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Der hierauf erneut eingeschaltete MDK führte in einer nach Aktenlage erstellten Stellungnahme vom 25.04.2017 durch Dr. L aus, dass die Klägerin nach wie vor die allgemein anerkannte und arzneimittelrechtlich zugelassene Therapie zum Morbus Crohn nicht durchführe. In den vorgelegten Attesten werde behauptet, dass Arzneimittel-Wechselwirkungen dem im Wege stünden; dies sei aber weder belegt noch lasse sich dies objektiv ermitteln. Das bei der Klägerin bestehende Untergewicht sei ein typisches Symptom eines – seit längerer Zeit – unzureichend behandelten Morbus Crohn. Nebenwirkungen von Remicade® würden ausweislich der vorgelegten Atteste nur befürchtet, das Mittel sei aber nie erprobt worden. Sofern Remicade® nicht vertragen würde, stehe als Alternative Azathioprin oder Humira® zur Verfügung. Diese würden zB in der Leitlinie „Diagnostik & Therapie des M. Crohn“ der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) angeraten. Arzneimittelrechtlich seien diese Alternativen trotz möglicher Nebenwirkungen zugelassen und somit zumutbar. Dass die arzneimittelrechtlich zugelassenen Alternativen nicht ausgeschöpft seien, ergebe sich etwa auch aus einem Bericht des Klinikums M in T vom 14.01.2015, wonach auf Wunsch der Klägerin eine Antikörper-Therapie zurückgestellt worden sei. Die Morbus-Crohn-Symptomatik sei damals nach einer vorübergehenden Corticoid-Behandlung deutlich zurückgegangen; die Klägerin habe sich aber zu einer empfohlenen Dauermedikation, einer „Antikörper-Therapie“, nicht entschließen können. Die „Antikörper-Therapie“ bestünde in Adalimumab (Humira®) oder Infliximab (Remicade®), die nach der fachärztlichen Einschätzung somit für die Klägerin geeignet seien. Dies stehe der Meinung der allgemeinärztlichen Behandler entgegen. Die von der Klägerin angenommene Therapiefreiheit des Arztes finde sich in § 31 Abs 6 SGB V nicht, vielmehr verlange die Regelung gerade die erfolglose Ausschöpfung von Alternativen. Soweit zudem mit der ADHS argumentiert werde, sei die Diagnose nicht hinreichend belegt. Arzneimittel aufgrund dieser Diagnose dürften nach der Arzneimittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) nur von einem Spezialisten für Verhaltensstörungen bei Kindern und/oder Jugendlichen verordnet und nur unter dessen Aufsicht angewendet werden. Die vorliegend eine ADHS attestierende Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. M habe keine Befunde einer sachgerechten ADHS-Diagnostik übersandt, so dass eine ADHS nicht hinreichend gesichert sei. Zudem sei nicht belegt, dass Methylphenidat tatsächlich unverträglich sei; dazu im Jahr 2015 attestierte Symptome entsprächen denen des Morbus Crohn. Die – bereits in Vorgutachten – aufgezeigten Alternativen in Form von Methylphenidat (zB Ritalin adult® oder Medikinet adult®) oder, falls tatsächlich unverträglich, mit einem anderen Wirkstoff wie Atomoxetin (Strattera®), stünden nach wie vor zur Verfügung. Eine psychotherapeutische Behandlung der – ungesicherten – ADHS sei ebenfalls nicht erfolgt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Hierauf stellte die Klägerin am 25.04.2017 bei dem SG Trier einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (S 1 KR 59/17 ER); durch Beschluss vom 08.05.2017 verpflichtete das SG Trier die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung die Klägerin für die Zeit ab dem 25.04.2017 vorläufig und längstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens gemäß § 31 Abs 6 SGB V mit Cannabisblüten entsprechend der jeweils verordneten Dosierung zu versorgen. Beschwerde gegen den Beschluss wurde nicht eingelegt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Mit Schreiben vom 06.05.2017 übersandte die Klägerin – bereits im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 17.09.2015 übersandte - Berichte der Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie H vom 09.11.2011 sowie vom 25.10.2012, aus denen sich sowohl die gesicherte Diagnose einer ADHS als auch eines Behandlungsversuchs mit Medikinet ergebe. Entsprechend habe auch Dr. A in der Stellungnahme vom 24.03.2017 die Diagnose nicht mehr angezweifelt, so dass die Einschätzung von Dr. L in der Stellungnahme vom 25.04.2017 nicht nachvollziehbar und widersprüchlich sei. Dass Nebenwirkungen vorgeschlagener Medikamente für die Behandlung der einen Erkrankung als Symptome der anderen Erkrankung anzusehen seien, sei vorliegend gerade das Problem. Genau aus diesen Gründen sei bei Einsatz der von dem MDK vorgeschlagenen Alternativpräparate von der Verschlimmerung der Symptome der anderen Erkrankung auszugehen und aufgrund dessen habe sie auch die Durchführung der „Antikörper-Therapie“ zur Behandlung des Morbus Crohn abgelehnt. Der Einsatz der Cannabis-Blüten führe hingegen zu einer Verbesserung aller Symptome, wirke also sowohl beruhigend als auch schmerzlindernd bei der Morbus-Crohn-Erkrankung als auch ausgleichend bei der ADHS.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Gestützt auf die Einschätzung des MDK wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 03.04.2017 durch Widerspruchsbescheid vom 23.06.2017 zurück.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>Gegen den ihrer Prozessbevollmächtigten am 05.07.2017 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 01.08.2017 Klage vor dem SG Trier erhoben. Ergänzend zu ihrem Vortrag aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren hat sie vorgetragen, dass es keine Standardtherapie zur Behandlung von Morbus Crohn und einer ADHS gleichzeitig gebe, eine getrennte Behandlung aber nicht möglich sei. Die von der Beklagten vorgeschlagenen Therapiealternativen seien ihr nicht zumutbar; dies habe ihr Hausarzt medizinisch begründet. Auch sei das Suchtpotential von Cannabis nicht extrem hoch. Cannabis führe zu keiner körperlichen und nur in wenigen Fällen zu einer psychischen Abhängigkeit.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Das SG Trier hat durch Urteil vom 11.04.2018 den Bescheid der Beklagten vom 03.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2017 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin mit Cannabisblüten entsprechend der jeweiligen ärztlich verordneten Dosierungen zu versorgen. Die Klägerin habe auf der Grundlage von § 13 Abs 3a SGB V einen Anspruch auf die Versorgung mit Cannabisblüten. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei nicht erst das klägerische „Erinnerungsschreiben“ vom 06.03.2017, sondern bereits das Schreiben vom 22.02.2017 als konkludenter, erneuter Antrag auf Versorgung mit einer Cannabis-Therapie anzusehen gewesen. Zudem sei bereits anhand der Überschrift des Schreibens vom 19.01.2017 „Übernahme der Kosten für Medizinal-Cannabis; heutiger Gesetzesbeschluss des Bundestages“ zweifelsfrei deutlich, dass im Hinblick auf die bevorstehende gesetzliche Neuregelung über den Rahmen des laufenden Widerspruchsverfahrens hinaus die Versorgung mit Medizinal-Cannabis begehrt werde. Ausgehend von einem Antrag vom 19.01.2017 habe die Beklagte aber offensichtlich nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs 3a SGB V entschieden, weshalb die Versorgung mit dem ärztlich verordneten Cannabis als genehmigt gelte. Im Übrigen lägen aber auch die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der begehrten Leistung der Sache nach gemäß § 31 Abs 6 SGB V vor. Dass die Klägerin unter einer schwerwiegenden Erkrankung im Sinne von (iSv) § 31 Abs 6 SGB V leide, werde auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Nicht zutreffend sei aber die Ansicht der Beklagten, der Gesetzgeber habe bei Einführung des § 31 Abs 6 SGB V bewusst eine Behandlung mit Cannabis nur als ultima ratio vorgesehen, wenn alle anderen Alternativen ausgeschöpft oder nach medizinisch begründeter Einschätzung des behandelnden Arztes nicht anzuwenden seien. Zwar bedürfe die Leistung bei der ersten Verordnung für einen Versicherten der Genehmigung der Krankenkasse, diese könne aber nur in begründeten Ausnahmefällen abgelehnt werden. Schon aus der Normierung eines solchen „Regel-Ausnahme-Verhältnisses“ könne nur der Schluss gezogen werden, dass Cannabis im Zweifel an den Versicherten abzugeben sei. Der Gesetzgeber habe explizit „die Erstattung von Arzneimitteln auf Cannabisbasis ermöglichen“ wollen, „obwohl nicht das Evidenzlevel vorliegt, das üblicherweise für die Erstattung der GKV verlangt wird! (vgl. BT-Drs. 18/8965, S. 25)“. Dabei habe sich der Gesetzgeber der offenkundig sogar äußerst dünnen Studienlage bewusst sein müssen (Hinweis auf Bericht des Deutschen Ärzteblattes vom 21.02.2018). Der Gesetzgeber habe auch der Bedeutung der Therapiehoheit des Vertragsarztes Rechnung getragen. Vorliegend liege eine begründete vertragsärztliche Einschätzung zugunsten der Sinnhaftigkeit der Cannabis-Therapie bei der Klägerin vor. Dabei sei auch, wie aus den vorgelegten Attesten von Dr. M vom 13.05.2015 und vom 05.04.2017 sowie Dr. M vom 15.06.2016 und Dr. S vom 15.03.2017 hervorgehe, eine Abwägung mit den zu erwartenden Nebenwirkungen und eine Berücksichtigung des Krankheitszustandes erfolgt und es sei zu Recht eine nicht nur ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome angenommen worden. Gerade im Falle der bei der Klägerin angenommenen Komorbidität von Morbus Crohn und der ADHS werde die Behandlung mit Cannabis als echte Behandlungsalternative gesehen. Auch der langjährige, bis dato positive Verlauf der Therapie bestätige diese Einschätzung. Die Klägerin selbst habe in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt, dass ihre früheren Beschwerden und Beeinträchtigungen durch den Morbus Crohn und die ADHS erheblich gebessert seien und sich durch die Cannabis-Therapie ihr Leben deutlich zum Besseren gewendet habe; sie benötige auch keine anderen Medikamente mehr. Die Behandlung des Morbus Crohn mit Budesonid, Mesalazin und Cortison sei in der Vergangenheit ohne den gewünschten Erfolg geblieben; sie habe unter 16 bis 18 Stuhlfrequenzen täglich und starken Unterbauchschmerzen sowie -krämpfen und Nachtschweiß gelitten. Zudem sei sie tagsüber erschöpft und kaum in der Lage gewesen, ihre Hausarbeit zu verrichten. Das alles habe sich nach den glaubhaften Schilderungen der Klägerin unter der Cannabis-Einnahme deutlich gebessert, ohne dass dadurch – bis dato – andere Probleme (Abhängigkeit, Sucht oder psychotische Entwicklung) aufgetreten seien. Angesichts dieser konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalles sei daher nicht erkennbar, warum sich die Klägerin noch auf eine Antikörper-Therapie zur Behandlung des Morbus Crohn einlassen solle, wenn sie nach jahrelangen anderen Therapieversuchen mit Cortison ua Medikamenten nunmehr einen für sie im Ergebnis zufriedenstellenden Weg gefunden habe. Es sei dann nicht erkennbar, warum gleichwohl ein „Ausnahmefall“ vorliegen solle, in welchem die Beklagte von der Einschätzung gleich mehrerer behandelnder Ärzte abweichen und die Leistung/Genehmigung dennoch verweigern können solle. Gerade im vorliegenden Fall könne auch schon angesichts der langjährig praktizierten Therapie sowie der vorliegenden Genehmigung der Bundesopiumstelle nicht mehr von einer bloßen „Wunschverordnung“ ausgegangen werden (Hinweis auf Hessisches LSG, Beschluss vom 27.11.2017 – L 8 KR 396/17 B ER – juris Rn 13).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Gegen das ihr am 19.04.2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 15.05.2018 Berufung eingelegt. Entgegen der Ansicht des SG Trier habe die Klägerin keinen Anspruch auf Versorgung mit Cannabisblüten aufgrund einer Genehmigungsfiktion. Nachdem der im September 2015 gestellte Antrag auf Kostenübernahme abgelehnt worden sei, habe sich das Verfahren im Widerspruchsverfahren befunden, auf das sich die Schreiben der Klägerin vom 19.01.2017, vom 22.02.2017 und vom 06.03.2017 bezogen hätten. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass ihr, der Beklagten, Aktenzeichen aus dem Widerspruchsverfahren angegeben sei, zum anderen daraus, dass in den Schreiben der Begriff „Widerspruchsführerin“ und nicht „Antragstellerin“ verwendet worden sei. Soweit die Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem SG angegeben habe, „dass sie davon ausgegangen ist, dass in jedem Fall ein Antrag gestellt wurde“ lasse sich dies der Akte nicht entnehmen. Vielmehr habe die Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie davon ausgegangen sei, „dass das bereits laufende Verfahren in jedem Fall fortgeführt und auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt werden soll.“ Somit habe zwar in jedem Fall ein Antragsverfahren geführt werden sollen, dies könne aber nicht dahingehend gedeutet werden, dass mit den Schreiben vom 19.01.2017 bzw vom 22.02.2017 ein zweites, neues Verfahren habe begonnen werden sollen. Der Klägerin sei auch telefonisch am 24.01.2017 mitgeteilt worden, dass die Neuregelung noch nicht umgesetzt sei mit der Folge, dass zu diesem Zeitpunkt keine Kostenzusage möglich sei. Wie sich aus der Verwaltungsakte ergebe, sei man in Folge des Schreibens vom 06.03.2017, eingegangen bei ihr, der Beklagten am 14.03.2017, und dem zu diesem Zeitpunkt bereits in Kraft getretenen § 31 Abs 6 SGB V überein gekommen, ein neues Antragsverfahren einzuleiten; diese Vorgehensweise sei mit der Klägerin telefonisch abgesprochen worden. Da die Klägerin mit Schreiben vom 16.03.2017 über die Einholung eines MDK-Gutachtens informiert worden sei, habe die Frist von fünf Wochen gegolten, innerhalb derer der Bescheid vom 03.04.2017 rechtzeitig vor Fristablauf am 04.04.2017 zugestellt worden sei. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass vor dem 10.03.2017 Cannabisblüten nicht ärztlich hätten verordnet werden dürfen mit der Folge, dass die begehrte Leistung ganz offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung gelegen habe und daher auch aus diesem Grund eine Genehmigungsfiktion nicht habe eintreten können. Entgegen der Auffassung des SG Trier lägen auch die Voraussetzungen des § 31 Abs 6 SGB V vorliegend nicht vor. Der Gesetzgeber habe eine Behandlung mit Cannabis nur als ultima ratio vorgesehen, wenn alle anderen Alternativen bereits ausgeschöpft oder nach medizinisch begründeter Einschätzung des behandelnden Arztes nicht anzuwenden seien. An eine solche Einschätzung sei nach der bisherigen Rechtsprechung zumindest die Anforderung zu stellen, dass eine qualifizierte Abwägung der Nebenwirkungen von Cannabis und der Nebenwirkungen der zugelassenen Behandlungsmöglichkeiten vorgenommen werde. Es müsse also begründet werden, weshalb im Einzelfall ein besonders hohes Risiko für Nebenwirkungen bestehe bzw weshalb die möglichen Nebenwirkungen im Einzelfall eine besondere Gefährlichkeit aufwiesen, so dass das Risiko für Nebenwirkungen von Cannabis aufgewogen werde. Diese Anforderungen müssten umso strenger beurteilt werden, wenn es sich bei der Alternative um die durch Leitlinien empfohlene Standardtherapie handele. Zudem ergebe sich aus dem Erfordernis einer Genehmigung durch die Krankenkassen, dass eine eigene und unabhängige Prüfung zu erfolgen habe. Allein das Vorliegen einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs 2 BtMG genüge nicht, um das Vorliegen eines Anspruchs nach § 31 Abs 6 SGB V zu begründen (Hinweis auf BT-Drs 18/13352). Die Verordnung von Cannabis zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung solle sehr wohl einen Ausnahmefall darstellen. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Voraussetzung der Alternativlosigkeit und diejenige der Aussicht auf einen Behandlungserfolg nicht alternativ gelten würden, sondern nebeneinander stünden. Es genüge daher nicht allein, dass die bisherige Behandlung mit Cannabis positive Wirkungen gezeigt habe, es müsse vielmehr klar sein, dass dieser Effekt nur mit Cannabis und nicht auch mit anderen Arzneimitteln erreicht werden könne (Hinweis auf SG Düsseldorf, Beschluss vom 08.08.2017 – S 27 KR 698/17 ER). Genau das Erfordernis der Alternativlosigkeit von Cannabis sei vorliegend indes nicht erfüllt. Es stünden, wie in den Stellungnahmen des MDK ausgeführt worden sei, arzneimittelrechtlich zugelassene Alternativen zur Verfügung, bei denen es sich um die allgemein anerkannten Standardtherapien für die Erkrankung der Klägerin handele und die den aktuellen Behandlungsleitlinien für Morbus Crohn entsprächen. Diese Alternativen würden auch von den Fachärzten des Klinikums M T empfohlen (Hinweis auf die Stellungnahme des MDK vom 25.04.2017). Entgegen der Ansicht des SG Trier sei hier damit davon auszugehen, dass der Patientenwunsch im Vordergrund stehe und nicht die medizinische Notwendigkeit. Soweit die Klägerin eingewandt habe, den Ärzten in vorgenanntem Klinikum sei die Diagnose ADHS nicht bekannt gewesen, könne dies nicht nachvollzogen werden. Auch könnten den Fachinformationen der als Alternativen genannten Arzneimittel keine Warnhinweise oder Kontraindikationen entnommen werden, obwohl es sich bei der ADHS um eine relativ weit verbreitete Erkrankung handele. Stelle die Diagnose ADHS tatsächlich bereits ein generelles Ausschlusskriterium für eine Behandlung mit den genannten Medikamenten dar, müsse sich dies auch aus den Fachinformationen ergeben. Der Hinweis auf die möglichen Nebenwirkungen durch Dr. S könne nicht überzeugen. Dieser gebe an, dass die Nebenwirkungen in 1 % bis 10 % der Fälle auftreten könnten, was im Umkehrschluss bedeute, dass über 90 % der Patienten mit diesen Alternativen ohne schwerwiegende Nebenwirkungen behandelt werden könnten. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass es wohl kaum ein Arzneimittel auf dem Markt gebe, bei dem kein Risiko von Nebenwirkungen bestehe. Allein das generelle Risiko von Nebenwirkungen könne aber nicht genügen, um eine alternative Behandlungsmöglichkeit auszuschließen und damit die Voraussetzungen des § 31 Abs 6 SGB V zu erfüllen. Insoweit lasse sich auch der Gesetzesbegründung entnehmen, dass ein Anspruch nach § 31 Abs 6 SGB V nur dann entstehen könne, wenn Nebenwirkungen im Ausmaß einer behandlungsbedürftigen Krankheit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einträten. Dies sei vorliegend gerade nicht der Fall; es sei keine Begründung vorgebracht worden, warum bei der Klägerin das individuelle Risiko für das Auftreten von Nebenwirkungen besonders hoch sein solle. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass Dr. S Allgemeinarzt sei, während die behandelnden Ärzte am Klinikum M Fachärzte für Rheumatologie seien, zu deren Fachgebiet die Erkrankung Morbus Crohn gehöre. Schließlich sei auch keine Auseinandersetzung mit den möglichen Nebenwirkungen und insbesondere dem sehr wohl bestehenden Suchtpotential von Cannabis erkennbar. Durch die von dem MDK genannten Arzneimittel könne im Übrigen eine Behandlung der Grunderkrankung Morbus Crohn erfolgen, während Cannabis nur rein symptomatisch wirke und keine nachhaltige Verbesserung des Gesundheitszustandes bewirken und auch kein Fortschreiten der Grunderkrankung verhindern könne. Insoweit sei schon fraglich, ob die Therapie mit Cannabis als gleichwertig anzusehen sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der ADHS. Die behaupteten Nebenwirkungen der Behandlung der ADHS seien auch mit den Symptomen des Morbus Crohn in Einklang zu bringen, so dass schon unklar sei, ob tatsächlich eine Nebenwirkung der bereits erfolgten Arzneimitteltherapie vorliege. Selbst wenn dies der Fall sei, würde mit Atomoxetin nach wie vor eine zugelassene Behandlungsalternative zur Verfügung stehen, die noch nicht eingesetzt worden sei. Im Übrigen sei auch insoweit nicht dargelegt, dass im individuellen Einzelfall eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Nebenwirkungen vorliege; in der Fachinformation zu Atomoxetin sei nicht aufgeführt, dass Morbus Crohn eine Kontraindikation darstelle. Vor diesem Hintergrund könne offen bleiben, ob die weitere Voraussetzung des § 31 Abs 6 SGB V, die Aussicht auf einen Behandlungserfolg, erfüllt sei.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">das Urteil des Sozialgericht Trier vom 11.04.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>Die Klägerin beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">die Berufung zurückzuweisen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>Sie erachtet die Entscheidung des SG als zutreffend. Ergänzend hat sie ein Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 30.07.2017, gerichtet an das K , Dr. R , vorgelegt, mit welchem sie bei diesem angefragt hat, ob er die Therapieempfehlung mit Infliximab auch ausgesprochen hätte, wenn er Kenntnis von der ADHS gehabt hätte. Ferner hat die Klägerin ein Schreiben von Dr. R vom 21.08.2017 vorgelegt, in welchem dieser antwortet, dass seit dem Jahr 2014 weitere hocheffektive und nebenwirkungsarme Medikamente zugelassen worden seien, so dass eine etablierte, zugelassene Therapie bestehe. Inwieweit diese Medikamente eine Verschlechterung der ADS-Erkrankung herbeiführten, sei ihm unbekannt. Insbesondere die neuen Antikörper (zB Ustekinumab) stünden aber seines Erachtens nicht im Verdacht, die ADS-Erkrankung zu verschlechtern, so dass er nicht uneingeschränkt eine Stellungnahme bezüglich einer Befürwortung der Therapie mit Cannabis ausstellen könne.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p>Auf Nachfrage des Senats hat die Klägerin das Schreiben von Dr. R vom 14.01.2015 und ergänzend eine Bescheinigung des Facharztes für Innere Medizin, Gastroenterologie Dr. K vom 17.10.2017 vorgelegt. Dr. K führt aus, dass er über den Status der Darmerkrankung keine Angaben machen könne, da eine geplante Darmspiegelung noch nicht erfolgt sei. In einer im März 2013 durch das M durchgeführten Koloskopie habe sich makroskopisch ein Befund gezeigt, der mit einem Initialstadium eines Morbus Crohn vereinbar gewesen sei; auch histologisch habe sich ein entsprechender Befund gezeigt. Seiner Einschätzung nach sei eine erneute Koloskopie nötig, um den aktuellen Status der Erkrankung zu erheben und festzulegen, ob überhaupt ein therapiebedürftiger Zustand vorliege. Unter der Therapie mit Prednisolon, Budesonid und Mesalazin sei es nach Angaben der Klägerin zu Unverträglichkeitsreaktionen gekommen. Bis dato sei aber keine Therapie mit anderen immunsuppressiv wirkenden Substanzen durchgeführt worden; dies seien im Einzelnen die anti-TNF-Antikörper, Azathioprin oder neuerdings auch die Therapie mit Ustekinumab. Letzterer Wirkstoff sei indiziert für die Behandlung erwachsener Patienten mit mittelschwerem bis schwerem Morbus Crohn, die entweder auf eine konventionelle Therapie oder einen der Tumornekrosefaktor-alpha-Antagonisten unzureichend angesprochen hätten. Unklar sei, ob es bei der Klägerin bei einem Wechsel der aktuellen Therapie mit Cannabis-Blüten auf einen der genannten Wirkstoffe zu Nebenwirkungen komme; diese seien vielfältig und in den jeweiligen Fachinformationen nachzulesen. Außerdem scheine die Cannabis-Therapie einen günstigen Einfluss auf die ADHS zu haben. Insgesamt empfehle er zunächst die Durchführung einer erneuten Dickdarmdiagnostik.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>Der Senat hat bei Dr. S angefragt, ob in der Therapie mit Ustekinumab vorliegend eine Alternative zu der Behandlung mit Cannabisblüten gesehen werde und um Begründung der Einschätzung gebeten. Hierauf hat Dr. S mit Schreiben vom 03.10.2018 ausgeführt, dass zwischenzeitlich neue Therapieverfahren (ua Ustekinumab) entwickelt worden seien, die allerdings mit einer höheren Wahrscheinlichkeit mit Unverträglichkeitsreaktionen verbunden seien. Die Klägerin habe diese therapeutische Option bis dato noch nicht in Anspruch genommen und stehe ihr aufgrund negativer Erfahrungen ängstlich und ablehnend gegenüber. Es sei ihm aber nicht möglich zu prognostizieren, ob es bei der Klägerin im Falle einer Behandlung mit Ustekinumab zu relevanten Nebenwirkungen komme oder nicht. Die Wahrscheinlichkeit sei aber aufgrund der Vorgeschichte höher als bei anderen Patienten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p>Hierauf hat die Beklagte ausgeführt, dass sich der Hausarzt der Klägerin offenbar nicht in der Lage sehe, zu beurteilen, ob eine Behandlung der Klägerin mit den zugelassenen Behandlungsalternativen grundsätzlich möglich und medizinisch auch sinnvoll bzw vertretbar wäre. Der Wunsch des Patienten bzw dessen Angst vor Nebenwirkungen sei allein nicht ausreichend, um eine Behandlungsalternative auszuschließen. Dies gelte erst Recht, wenn es, wie vorliegend, keine konkreten Anhaltspunkte dafür gebe, dass im Einzelfall ein besonders hohes Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen bestehe.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p>Die Beklagte hat mit Schreiben vom 18.09.2018 bei der Gemeinsamen Prüfungseinrichtung Rheinland-Pfalz einen Antrag auf Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise nach § 106 SGB V gegenüber Dr. S betreffend die Klägerin gestellt. Dr. S hat mit Schreiben vom 02.11.2018 mitgeteilt, dass er nach dem Eingang des Regressantrages kein Cannabis mehr verordnet habe.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_24">24</a></dt>
<dd><p>Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands nimmt der Senat Bezug auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die beigezogenen Prozessakten der Verfahren S 5 KR 68/16 ER (L 5 KR 129/16 B ER) und S 1 KR 59/17 ER, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung war.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Entscheidungsgründe<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_25">25</a></dt>
<dd><p>Die nach §§ 143 f, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG Trier hat der Klage zu Unrecht stattgegeben; das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabis.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_26">26</a></dt>
<dd><p>Die Klägerin hat keinen Anspruch auf der Grundlage von § 13 Abs 3a SGB V. Gemäß § 13 Abs 3a Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachterliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und den Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachterlich Stellung (Satz 3). Kann die Krankenkasse die Frist nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies nach Satz 5 dem Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung gemäß Satz 6 nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_27">27</a></dt>
<dd><p>Die Voraussetzungen von § 13 Abs 3a SGB V sind vorliegend nicht erfüllt. Das Schreiben der Klägerin vom 22.02.2017 war entgegen der Ansicht des SG Trier nicht als neuer Antrag auf Versorgung mit Medizinal-Cannabis zu verstehen. Vorgenanntes Schreiben wurde ausweislich des in dem Betreff angegebenen Aktenzeichens zu dem zu diesem Zeitpunkt laufenden Widerspruchsverfahren betreffend den gegen den Bescheid vom 17.09.2015 erhobenen Widerspruch übersandt. Auch die zusätzlich verwendete Formulierung „in obiger Angelegenheit“ lässt dabei erkennen, dass die Klägerin ausdrücklich Bezug auf dieses Verfahren nehmen wollte. Soweit die Klägerin inhaltlich auf die erfolgte Zustimmung des Bundesrates und das aufgrund dieser angenommene baldige Inkrafttreten des Gesetzes – namentlich des § 31 Abs 6 SGB V – verweist, wird hieraus nicht erkennbar, dass ein neuer Antrag gestellt werden sollte. Vielmehr wurde diese Information zu dem bereits laufenden Verfahren erteilt, in welchem – und insoweit erweist sich dieses Vorgehen auch als sachgerecht und konsequent – eine neue Rechtslage von der Beklagten mit Blick auf die begehrte Versorgung mit Medizinal-Cannabis auch zu beachten gewesen wäre. Gleiches gilt mit Blick auf das Schreiben der Klägerin vom 19.01.2017, welches ebenfalls ausdrücklich zu dem Aktenzeichen des Widerspruchsverfahrens übersandt worden war und im Rahmen dieses Verfahrens nach objektiver Betrachtung gleichsam als Information über das laufende Gesetzgebungsverfahren zu betrachten ist. Ein neuer Antrag lässt sich auch diesem Schreiben nicht entnehmen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Angabe der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Trier vom 11.04.2018, wonach diese „davon ausgegangen ist, dass in jedem Fall ein Antrag gestellt wurde“. Zum einen wird hierdurch nicht erkennbar, welches von ihr übersandte Schreiben ihrer Ansicht nach einen neuen Antrag dargestellt hat, zum anderen – und dies ist maßgeblich – hätte sie dies entsprechend formulieren müssen, was gerade, wie dargelegt, nicht erfolgt ist. Soweit die Beklagte schließlich das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 06.03.2017 als neuen Antrag gewertet hat, kann offen bleiben, ob dies ausgehend von einem objektiven Empfängerhorizont entsprechend zu verstehen war. Jedenfalls hat die Beklagte bezüglich des von ihr entsprechend ausgelegten Schreibens unter Wahrung der Fristen des § 13 Abs 3a SGB V einen Bescheid erlassen. Das Schreiben vom 06.03.2017 ging am 07.03.2017 bei der Beklagten ein mit der Folge, dass die Frist von drei Wochen am 08.03.2017 begann (§ 26 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch <SGB X> iVm § 187 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>) und am 28.03.2017 (Dienstag) endete (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 188 Abs 2 BGB). Innerhalb dieser Frist hat die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 16.03.2017 darüber informiert, dass der MDK mit einer Prüfung beauftragt worden ist mit der Folge, dass sich die Frist zur Entscheidung auf fünf Wochen, mithin bis zum 11.04.2017 (Dienstag), verlängerte. Der ausweislich der Postzustellungsurkunde am 04.04.2017 zugestellte Bescheid vom 03.04.2017 ging der Klägerin mithin fristwahrend zu.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_28">28</a></dt>
<dd><p>Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabis auf der Grundlage von § 31 Abs 6 SGB V. Gemäß § 31 Abs 6 Satz 1 SGB V haben Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_29">29</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_30">30</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">a) nicht zur Verfügung steht oder<br>b) im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_31">31</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_32">32</a></dt>
<dd><p>Offen bleiben kann vorliegend, ob die Klägerin an einer schwerwiegenden Erkrankung iSv § 31 Abs 6 SGB V leidet. § 31 Abs 6 SGB V definiert den Begriff der „schwerwiegenden Erkrankung“ nicht. Nach der Gesetzesbegründung soll der Anspruch auf Versorgung mit Cannabisarzneimitteln nur in „eng begrenzten Ausnahmefällen“ gegeben sein (BT-Drs 18/8965 S 14, 23). Da die Versorgung mit Cannabis als Ersatz für eine nicht zur Verfügung stehende oder im Einzelfall nicht zumutbare allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung konzipiert ist, spricht nach Auffassung des Senats viel dafür, den Begriff der schwerwiegenden Erkrankung entsprechend desjenigen im Bereich der Rechtsprechung zum off-label-use zu verstehen (so Hessisches LSG, Beschluss vom 21.11.2017 – L 8 KR 406/17 B ER – juris Rn 23; vgl auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.09.2017 – L 11 KR 3414/17 ER-B - juris Rn 28, das Anleihe an dem Begriff der schwerwiegenden Erkrankung in § 35c Abs 2 Satz 1 SGB V nimmt). Ein off-label-use kommt ebenfalls nur in Betracht, wenn es ua um die Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung geht, die in diesem Zusammenhang als lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung definiert wird (stRspr des BSG, vgl nur Urteil vom 13.12.2016 – B 1 KR 1/16 R – juris Rn 15). Entsprechend hat auch der GBA eine schwerwiegende Erkrankung iSv § 34 Abs 1 Satz 1 SGB V in § 12 Abs 3 der Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie – AM-RL) definiert. Insoweit findet sich in Nr 18 der Anlage I zu dem Abschnitt F der AM-RL als schwerwiegende Erkrankung ua Morbus Crohn. Stellt damit Morbus Crohn grundsätzlich eine „schwerwiegende Erkrankung“ dar, ergibt sich vorliegend aus der Bescheinigung von Dr. K vom 17.10.2017, dass der im Rahmen einer im Jahr 2013 durchgeführten Koloskopie gewonnene makroskopische und histologische Befund „nur“ mit dem Befund eines Morbus Crohn im Initialstadium vergleichbar war. Nachvollziehbar empfiehlt er daher zunächst die Durchführung einer Koloskopie zur Abklärung, ob überhaupt ein therapiebedürftiger Zustand vorliegt. Dieser Frage brauchte der Senat aber ebenso wenig nachzugehen wie der sich vor diesem Hintergrund ggf stellenden Frage, ob ein Morbus Crohn, gleich welchen Stadiums, eine schwerwiegende Erkrankung darstellt, weil jedenfalls die weitere Voraussetzung des § 31 Abs 6 Satz 1 Nr 1 SGB V nicht erfüllt ist. Ebenfalls offen bleiben kann, ob eine ADHS eine schwerwiegende Erkrankung im vorgenannten Sinne darstellt und ob eine solche bei der Klägerin tatsächlich vorliegt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_33">33</a></dt>
<dd><p>Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung iSv § 31 Abs 6 Satz1 Nr 1 Buchst a SGB V sowohl zur Behandlung des Morbus Crohn als auch der ADHS grundsätzlich zur Verfügung steht. Dr. L hat in der Stellungnahme vom 25.04.2017 insoweit zur Behandlung des Morbus Crohn auf Remicade® (Infliximab) oder – soweit dies nicht verträglich sein sollte – den Arzneistoff Azathioprin oder Humira® (Adalimumab) hingewiesen. Hierbei handelt es sich nach den Angaben von Dr. L um die Empfehlung der DGVS in der Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn“. Die vorgenannte, im Internet frei zugängliche (https://www.dgvs.de/wissen-kompakt/leitlinien/leitlinien-der-dgvs/morbus-crohn/), S3-Leitlinie aus 2014 enthält unter Punkt „2. Allgemeine Hinweise zur immunsuppressiven Therapie“ Ausführungen zu Therapien mit Infliximab und insbesondere zu einer Behandlung mit Anti-TNF-α-Antikörpern (Infliximab, Adalimumab), die auch seitens Dr. R ausweislich seines Schreibens vom 14.01.2015 empfohlen, jedoch auf Wunsch der Klägerin zurückgestellt wurde. In seinem Schreiben vom 21.08.2017 führt Dr. R im Übrigen aus, dass seit 2014 weitere hocheffektive Medikamente zugelassen worden sind; ausdrücklich benannt wird der Antikörper Ustekinumab. Dieser steht nach Einschätzung von Dr. R auch nicht in Verdacht, die ADHS zu verschlechtern. Es ist auch im Übrigen weder ersichtlich noch wird dies von den die Klägerin behandelnden Ärzten vorgetragen, dass die vorgenannten Arzneistoffe generell im Falle des Vorliegens einer ADHS kontraindiziert wären. Zur Behandlung der ADHS stehen ausweislich der Angaben von Dr. L Methylphenidat (Ritalin adult® oder Medikinet adult®) oder – falls tatsächlich unverträglich – der Wirkstoff Atomoxetin (Strattera®) sowie eine psychotherapeutische Behandlung zur Verfügung. Auch insoweit ist nicht erkennbar, dass diese bei gleichzeitigem Vorliegen eines Morbus Crohn generell kontraindiziert wären.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a class="Overl" name="rd_34" title="zum Leitsatz">34</a></dt>
<dd><p>Soweit die Klägerin vorträgt, die angeführten Therapien könnten in ihrem Einzelfall aufgrund der zu erwartenden Nebenwirkungen nicht zur Anwendung kommen, vermag der Senat dieser Argumentation nicht zu folgen. Dr. S hat in seiner Stellungnahme vom 07.04.2017 ausgeführt, dass eine Therapie mit Infliximab (Remicade®) bei 1 % bis 10 % der damit behandelten Patienten Depressionen und Schlaflosigkeit sowie Nervosität und Kopfschmerzen und damit Beschwerden auslöse, unter denen die Klägerin ohnehin schon aufgrund der ADHS leide. Auch Atomoxetin habe ein erhebliches Nebenwirkungsprofil: Bis zu 10 % der mit Strattera® behandelten Patienten litten unter Appetitlosigkeit bis hin zu Anorexie, so dass aufgrund des Gewichts der Klägerin eine Therapie mit Strattera® nicht weiter in Betracht gezogen worden sei. Die Medikamente für die eine Krankheit verschlimmerten daher mit hoher Wahrscheinlichkeit die Symptome der anderen Krankheit. Mit Blick auf die von Dr. R angeführte Therapie mit dem Antikörper Ustekinumab hat Dr. S auf Nachfrage des Senats mit Schreiben vom 03.10.2018 ausgeführt, dass die neuen Therapieverfahren (ua Ustekinumab) mit „einer höheren Wahrscheinlichkeit von Unverträglichkeitsreaktionen“ verbunden seien, dies jedoch weder weiter begründet noch belegt. Plausibel weist Dr. S insoweit darauf hin, dass es ihm nicht möglich sei, zu prognostizieren, ob es bei der Klägerin bei einer Behandlung mit Ustekinumab zu relevanten Nebenwirkungen kommen könne. Die damit seitens Dr. S angeführten allgemeinen – unabhängig von dem Einzelfall – Wahrscheinlichkeiten bei der Behandlung mit Infliximab oder Atomoxetin und die nur allgemein als mit „einer höheren Wahrscheinlichkeit“ ihres Eintritts bewerteten Nebenwirkungen einer Behandlung mit Ustekinumab reichen indes nicht aus, um die Voraussetzung einer „begründeten Einschätzung“ iSv § 31 Abs 6 Satz 1 Nr 1 Buchst b SGB V zu erfüllen. Nur mögliche – also nicht aufgrund individueller Umstände konkret zu erwartende und aufgrund einer individuellen Abschätzung als unzumutbar bewertete – Nebenwirkungen eines Medikaments sind nicht zur Begründung geeignet, dass eine anerkannte Standardtherapie iSv § 31 Abs 6 Satz 1 Nr 1 Buchst b SGB V „nicht zur Anwendung kommen kann“ (so auch Hessisches LSG, Beschluss vom 16.10.2017 – L 8 KR 366/17 B ER – juris Rn 11). Bestätigt wird dies durch die Gesetzesbegründung, wonach es dem oder der Versicherten zwar nicht zugemutet werden soll, langjährig schwerwiegende Nebenwirkungen ertragen zu müssen, bevor die Therapiealternative eines Cannabisarzneimittels genehmigt werden kann. Cannabisarzneimittel als Therapiealternative sollen aber erst dann zur Anwendung kommen, „wenn die durch Studien belegten schulmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten auch unter Berücksichtigung von Nebenwirkungen im Ausmaß einer behandlungsbedürftigen Krankheit, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eintreten werden, ausgeschöpft“ worden sind; dabei sind von der Ärztin oder dem Arzt auch die Nebenwirkungen von Cannabisarzneimitteln zu berücksichtigen (BT-Drs 18/8965, S 24). Deutlich wird damit, dass der Hinweis auf die generell möglichen Nebenwirkungen und deren allgemeine Eintrittswahrscheinlichkeit nicht genügt, um die Voraussetzungen des § 31 Abs 6 Satz 1 Nr 1 Buchst b SGB V zu erfüllen. Dies geht auch mit dem Sinn und Zweck der Regelung des § 31 Abs 6 SGB V einher: Der Gesetzgeber wollte, wie bereits erwähnt, nur für „eng begrenzte Ausnahmefälle“ einen Anspruch auf Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon schaffen. Deutlich angelehnt hat sich der Gesetzgeber, wie auch anhand der Gesetzesbegründung deutlich wird, an den Voraussetzungen des § 2 Abs 1a SGB V (BT-Drs 18/8965, S 24), der ebenfalls nur besondere Ausnahmefälle zum Gegenstand hat. Vor diesem Hintergrund sind die Voraussetzungen des § 31 Abs 6 Satz 1 Nr 1 SGB V nach Ansicht des Senats nicht erfüllt. Nur ergänzend erwähnt sei daher, dass sich Dr. S – ebenso wie Dr. M – auch nicht mit den konkreten Nebenwirkungen von Cannabisarzneimitteln auseinandergesetzt hat, was nach der Gesetzesbegründung und auch nicht zuletzt angesichts des noch recht jungen Lebensalters der Klägerin ebenfalls von Nöten gewesen wäre.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a class="Overl" name="rd_35" title="zum Leitsatz">35</a></dt>
<dd><p>Offen bleiben kann daher, ob die Voraussetzung einer „nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder schwerwiegende Symptome“ iSv § 31 Abs 6 Satz 1 Nr 2 SGB V erfüllt ist. Diese weit gefasste Formulierung verlangt zwar keinen Wirksamkeitsnachweis nach den Maßstäben evidenzbasierter Medizin, vielmehr genügen schon (Wirksamkeits)Indizien, die sich auch außerhalb von Studien oder vergleichbaren Erkenntnisquellen oder von Leitlinien der ärztlichen Fachgesellschaften finden können (vgl mit Blick auf § 2 Abs 1a SGB V: BSG, Urteil vom 02.09.2014 – B 1 KR 4/13 R - juris Rn 17 mit weiteren Nachweisen; vgl auch BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 – 1 BvR 347/98 - juris Rn 66). Dabei ist je nach Schwere der Erkrankung ein abgestufter Evidenzgrad zu verlangen; das subjektive Empfinden des Versicherten, ggf gestützt durch die entsprechende Einschätzung oder Empfehlung behandelnder Ärzte oder deren Erfahrungen bei Behandlungen der in Rede stehenden Art im Einzelfall, genügt für sich allein genommen indes nicht. Eine solche Mindestevidenz im Sinne des Vorliegens erster wissenschaftlicher Erkenntnisse, dass bei der Erkrankung Morbus Crohn oder einer ADHS durch den Einsatz von Cannabinoiden ein therapeutischer Erfolg zu erwarten ist, wurde aber weder von den die Klägerin behandelnden Ärzten angegeben noch lässt sich dies aus den Stellungnahmen des MDK ableiten (zu Zweifeln bezüglich des Nutzens von Cannabis bei Einsatz zur Behandlung einer ADHS: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 27.11.2018 – L 16 KR 504/18 B ER – juris Rn 20).</p></dd>
</dl>
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<dt><a name="rd_36">36</a></dt>
<dd><p>Soweit die Klägerin schließlich auf die sich aus § 31 Abs 6 Satz 2 SGB V ergebende Therapiehoheit des behandelnden Arztes hinweist, von der die Krankenkassen nur in begründeten Fällen abweichen dürfte, folgt hieraus kein anderes Ergebnis. Die Beklagte kann sich für ihre abweichende Entscheidung auf einen solche Fall berufen, da die Ausführungen der behandelnden Ärzte die Darlegungen des MDK zu den vorhandenen Standardtherapien, wie dargelegt, nicht in Zweifel ziehen.</p></dd>
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<dt><a name="rd_37">37</a></dt>
<dd><p>Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.</p></dd>
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<dt><a name="rd_38">38</a></dt>
<dd><p>Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs 2 SGG sind nicht gegeben.</p></dd>
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171,110 | bfh-2018-12-20-x-s-4118 | {
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"name": "Bundesfinanzhof",
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"city": null,
"state": 2,
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"level_of_appeal": "Bundesgericht"
} | X S 41/18 | 2018-12-20T00:00:00 | 2019-01-29T12:49:02 | 2019-01-29T12:49:02 | Beschluss | ECLI:DE:BFH:2018:B.201218.XS41.18.0 | <h2>Tenor</h2>
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<p>Die Vollziehung der in der Einspruchsentscheidung vom 13. Oktober 2011 enthaltenen Bescheide über die Festsetzung der Einkommensteuer und des Gewerbesteuermessbetrags für 2007 wird ab dem 1. Oktober 2018 bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren X B 128/18 ohne Sicherheitsleistung in der Weise ausgesetzt, dass von einer gewinnmindernden Teilwertabschreibung in Höhe von 68.497 € und einer gegenläufigen gewinnerhöhenden Minderung der Zuführung zur Gewerbesteuerrückstellung in Höhe von 9.484 € auszugehen ist.</p>
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<p>Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller als Gesamtschuldner zu 9 %, der Antragsteller zu weiteren 5 % und der Antragsgegner zu 86 %.</p>
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<h2>Tatbestand</h2>
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<p style="text-align:center">I. </p>
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<a name="rd_1">1</a>
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<p>Die Antragsteller sind Eheleute, die im Streitjahr 2007 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der Antragsteller erzielt mit einem Gebrauchtwagenhandel Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er ermittelt seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich.</p>
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<a name="rd_2">2</a>
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<p>Der Antragsteller begehrt zum 31. Dezember 2007 die Vornahme einer Teilwertabschreibung auf den Bilanzansatz für sein Betriebsgrundstück. Der Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) versagte dies in der Einspruchsentscheidung vom 13. Oktober 2011 und setzte die Einkommensteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2007 entsprechend höher fest. Dabei berücksichtigte er gegenläufig eine Gewerbesteuerrückstellung in Höhe von 10.995 €, die er nach der "5/6-Methode" schätzte.</p>
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<a name="rd_3">3</a>
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<p>Die Klage hatte im ersten Rechtsgang keinen Erfolg. Im anschließenden Revisionsverfahren hob der beschließende Senat das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) mit Urteil vom 21. September 2016 X R 58/14 (BFH/NV 2017, 275) auf und verwies die Sache an das FG zurück. Im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage erneut ab; dieses Urteil wurde den Antragstellern am 30. August 2018 zugestellt.</p>
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<a name="rd_4">4</a>
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<p>Das FA hatte den Antragstellern während der bisherigen Verfahrensabschnitte auf entsprechende Anträge jeweils Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt, zuletzt bis einen Monat nach Bekanntgabe des FG-Urteils im zweiten Rechtsgang (30. September 2018).</p>
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<a name="rd_5">5</a>
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<p>Die Antragsteller haben gegen das FG-Urteil Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Das FA hat einen Antrag, während des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde AdV zu gewähren, abgelehnt.</p>
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<a name="rd_6">6</a>
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<p>Die Antragsteller beantragen,<br/>AdV der Bescheide über Einkommensteuer 2007 und Gewerbesteuermessbetrag 2007 vom 13. Oktober 2011 zu gewähren.</p>
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<a name="rd_7">7</a>
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<p>Das FA beantragt,<br/>den Antrag abzulehnen.</p>
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<h2>Entscheidungsgründe</h2>
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<p style="text-align:center">II.</p>
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<p>1. Der Senat legt den nicht bezifferten AdV-Antrag dahingehend aus, dass die Antragsteller AdV im Umfang des --bereits eingeschränkten-- Klageantrags begehren, den sie vor dem FG im zweiten Rechtsgang gestellt haben. Danach ist noch eine Teilwertabschreibung in Höhe von 68.497 € im Streit.</p>
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<p>2. Der Antrag ist überwiegend begründet.</p>
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<a name="rd_10">10</a>
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<p>a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts u.a. aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Februar 2013 XI B 125/12, BFH/NV 2013, 615, unter II.2.b, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).</p>
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<a name="rd_11">11</a>
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<p>Wird ein AdV-Antrag --wie hier-- während der Anhängigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH gestellt, kann dieser allerdings wegen der im Falle der Erfolglosigkeit des Rechtsmittels sogleich eintretenden Rechtskraftwirkung nur dann Erfolg haben, wenn neben den ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts zusätzlich ernstlich mit einer Zulassung der Revision zu rechnen ist (diese Betrachtungsweise liegt sinngemäß auch den BFH-Beschlüssen vom 27. November 1997 IV S 7/97, BFH/NV 1998, 561, unter II.1., und vom 5. Oktober 2010 X S 27/10, BFH/NV 2011, 274 zugrunde). Gleiches muss gelten, wenn ernstlich damit zu rechnen ist, dass die Sache wegen eines Verfahrensmangels an das FG zurückverwiesen wird; hier kommt es zusätzlich auf die Erfolgsaussichten des aufgrund der Zurückverweisung fortzusetzenden Klageverfahrens an (so für einen während eines Revisionsverfahrens gestellten AdV-Antrag BFH-Beschlüsse vom 21. November 1973 I S 8/73, BFHE 110, 498, BStBl II 1974, 114, und vom 24. November 1995 VII S 21/95, BFH/NV 1996, 420).</p>
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<a name="rd_12">12</a>
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<p>b) Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.</p>
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<a name="rd_13">13</a>
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<p>aa) Die Antragsteller haben ihre Nichtzulassungsbeschwerde umfangreich begründet und dabei zahlreiche Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geltend gemacht. Ob diese Verfahrensrügen letztlich durchgreifen werden, bleibt der Beurteilung im --überdurchschnittlich komplexen und daher nicht kurzfristig zu erledigenden-- Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vorbehalten.</p>
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<a name="rd_14">14</a>
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<p>Jedenfalls erscheint ein Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde bei summarischer Beurteilung nicht bereits von vornherein als ausgeschlossen. Insbesondere hinsichtlich der Rüge der Antragsteller (Bl. 14 ihrer Beschwerdebegründung), das FG habe ihnen nicht mitgeteilt, dass es sich die --im Urteil tatsächlich verwertete-- Kaufpreissammlung beschafft habe, lässt sich der FG-Akte der erforderliche Hinweis des FG auf diese Maßnahme der Sachaufklärung nicht entnehmen. Auch das FA formuliert in seiner Beschwerdeerwiderung vom 22. November 2018 in diesem Zusammenhang, es könne nicht beurteilen, ob der Anspruch der Antragsteller auf Gewährung rechtlichen Gehörs hinsichtlich der Auszüge aus der Kaufpreissammlung, die sich der Vorsitzende des FG-Senats "selbst beschafft haben dürfte", gewahrt worden sei.</p>
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<a name="rd_15">15</a>
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<p>Bei der gebotenen summarischen Betrachtung ist daher für Zwecke des AdV-Verfahrens davon auszugehen, dass mit einem Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde zu rechnen sein kann.</p>
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<a name="rd_16">16</a>
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<p>bb) Darüber hinaus liegen auch in Bezug auf die --in der Sache streitentscheidende-- Schätzung des Teilwerts neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte sprechen, gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe vor. Die Beteiligten und das FG haben zahlreiche Einzelumstände in das Verfahren eingeführt, die für die Schätzung des Teilwerts von Bedeutung sein können. Darunter sind auch --jedenfalls nicht von vornherein außer Betracht zu lassende-- Umstände, die für den von den Antragstellern begehrten niedrigeren Teilwert sprechen könnten. Diese Umstände wird das FG erneut zu würdigen haben, sofern es bei einem Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde zu einem Klageverfahren im dritten Rechtsgang kommen sollte.</p>
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<p>c) Der AdV-Antrag kann allerdings insoweit keinen Erfolg haben, als bei einer Zuerkennung der begehrten Teilwertabschreibung gegenläufig auch die Zuführung zur Gewerbesteuerrückstellung zu mindern wäre.</p>
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<p>Diesen Minderungsbetrag schätzt der Senat summarisch wie folgt:</p>
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<a name="rd_19">19</a>
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</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">- </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Gewerbeertrag lt. Anlage zur Einspruchsentscheidung vom 13. Oktober 2011</p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="bottom">
<p style="text-align:right">110.815 €</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">- </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">abzüglich beantragte Teilwertabschreibung</p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="bottom">
<p style="text-align:right">./. 68.497 €</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">- </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">zzgl. bisher berücksichtigte Gewerbesteuer-Rückstellung</p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="bottom">
<p style="text-align:right">+ 10.995 €</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">- </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Gewerbeertrag für AdV-Zwecke (abgerundet)</p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="bottom">
<p style="text-align:right">53.300 €</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">- </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">abzüglich Freibetrag</p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="bottom">
<p style="text-align:right">./. 24.500 €</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">- </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">steuerpflichtiger Gewerbeertrag</p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="bottom">
<p style="text-align:right">28.800 €</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">- </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Gewerbesteuermessbetrag nach dem Staffeltarif</p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="bottom">
<p style="text-align:right">504 € </p>
</td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">- </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Gewerbesteuerfestsetzung für AdV-Zwecke (Hebesatz 360 %)</p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="bottom">
<p style="text-align:right">1.814 €</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">- </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">davon 5/6, um zu berücksichtigen, dass die Gewerbesteuer von ihrer eigenen Bemessungsgrundlage abziehbar ist</p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="bottom">
<p style="text-align:right">1.511 €</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">- </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">bisher vom FA berücksichtigte Gewerbesteuer-Rückstellung</p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="bottom">
<p style="text-align:right">./. 10.995 €</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">- </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Minderungsbetrag</p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="bottom">
<p style="text-align:right">9.484 €</p>
</td>
</tr>
</table>
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<a name="rd_20">20</a>
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<p>3. Die nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens zu treffende Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Antragsteller hinsichtlich des Unterliegens bei der Einkommensteuer die Kosten gesamtschuldnerisch tragen, während hinsichtlich des Gewerbesteuermessbetrags allein der Antragsteller Kostenschuldner ist.</p>
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"city": null,
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} | I ZR 112/17 | 2018-12-20T00:00:00 | 2019-01-29T12:48:16 | 2019-01-29T12:48:16 | Urteil | ECLI:DE:BGH:2018:201218UIZR112.17.0 | <h2>Tenor</h2>
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<p>Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 3. Mai 2017 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.</p>
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<p>Von Rechts wegen</p>
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<h2>Tatbestand</h2>
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<a name="rd_1">1</a>
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<p>Die Klägerin ist ein privates Verlagsunternehmen. Die Beklagte ist die große Kreisstadt Crailsheim. Die Klägerin gibt unter anderem eine kostenpflichtige Tageszeitung und ein kostenloses Anzeigenblatt heraus. Beide Publikationen erscheinen auch im Stadtgebiet der Beklagten.</p>
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<p>Die Beklagte veröffentlicht seit dem Jahr 1968 unter dem Titel "Stadtblatt" ein kommunales Amtsblatt. Seit dem Jahr 2003 erscheint das "Stadtblatt" unter Einschaltung eines privaten Verlagsunternehmens. Das "Stadtblatt" besteht aus einem amtlichen, einem redaktionellen sowie einem Anzeigenteil. Der redaktionelle Teil wird von der Beklagten selbst verantwortet. Der wöchentliche Vertrieb erfolgte zunächst kostenpflichtig im Abonnement sowie im Einzelhandel. Nach einem Gemeinderatsbeschluss vom 25. Juni 2015 lässt die Beklagte das "Stadtblatt" seit dem 1. Januar 2016 kostenlos an etwa 17.000 Haushalte im Stadtgebiet verteilen.</p>
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<p>In einem vorausgegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren ist der Beklagten mit Berufungsurteil vom 27. Januar 2016 die Gratisverteilung des "Stadtblatts" untersagt worden, wenn es wie die - wie auch im vorliegenden Verfahren angegriffene - Beispielsausgabe vom 11. Juni 2015 (Anlage K 21) gestaltet ist (OLG Stuttgart, GRUR-RR 2016, 453). Seitdem ist der redaktionelle Teil zurückhaltender gestaltet.</p>
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<p>Im vorliegenden Hauptsacheverfahren hat die Klägerin ihren Hauptantrag, der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu untersagen,</p>
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<p style="margin-left:36pt">das "Stadtblatt" wöchentlich gratis an alle Haushalte in der Großen Kreisstadt Crailsheim zu verteilen/verteilen zu lassen, wenn das "Stadtblatt" wie in der Anlage K 21 gestaltet ist,</p>
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<p>sowie verschiedene Hilfsanträge weiterverfolgt.</p>
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<p>Die Seiten 1 bis 5 der Ausgabe des "Stadtblatts" vom 11. Juni 2015, die in ihrer Gesamtheit Gegenstand des Klageantrags ist, sind wie nachfolgend eingeblendet gestaltet:</p>
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<a target="_blank" class="Overl" href="bild1_0.jpg" title="öffnet in neuem Fenster">
<br/>
<span>Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen</span>
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<a target="_blank" class="Overl" href="bild2_1.jpg" title="öffnet in neuem Fenster">
<br/>
<span>Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen</span>
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<p>Das Landgericht hat der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.</p>
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<p>Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.</p>
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<h2>Entscheidungsgründe</h2>
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<a name="rd_8">8</a>
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<p>A. Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsantrag der Klägerin für zulässig und begründet erachtet und hierzu ausgeführt:</p>
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<p>Der Klageantrag sei hinreichend bestimmt und die Klageerhebung nicht rechtsmissbräuchlich. Die Herausgabe des Stadtblatts durch die Beklagte sei eine geschäftliche Handlung und begründe ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien. Die Beklagte verstoße mit der Herausgabe eines Stadtblatts in der konkreten Gestaltung wie in Anlage K 21 gegen den aus dem Grundrecht der Pressefreiheit abzuleitenden Grundsatz der Staatsfreiheit beziehungsweise der Staatsferne der Presse, der als Marktverhaltensregelung einzuordnen sei. Weder die kommunale Selbstverwaltungsgarantie noch die allgemeine Handlungsfreiheit der Einwohner oder das Sozialstaatsprinzip legitimierten eine pressemäßige Berichterstattung in der Form redaktioneller Beiträge durch die Beklagte.</p>
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<a name="rd_10">10</a>
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<p>B. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Unterlassung verurteilt.</p>
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<p>I. Die Klage ist zulässig. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Hauptantrag hinreichend bestimmt ist.</p>
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<p>1. Ein Verbotsantrag darf im Hinblick auf § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich die beklagte Partei nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was ihr verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 9. November 2017 - I ZR 134/16, GRUR 2018, 417 Rn. 21 = WRP 2018, 466 - Resistograph, mwN). Dagegen abzuwägen ist das schutzwürdige Interesse der klagenden Partei an einem wirksamen Rechtsschutz (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2002 - I ZR 168/00, BGHZ 153, 69, 75 f. [juris Rn. 46] - P-Vermerk). In der Regel ist ein Unterlassungsantrag hinreichend bestimmt, wenn lediglich das Verbot der Handlung begehrt wird, so wie sie begangen worden ist (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 26. Oktober 2000 - I ZR 180/98, GRUR 2001, 453 [juris Rn. 16] = WRP 2001, 400 - TCM-Zentrum). Die Anforderungen an die Bestimmtheit eines Unterlassungsantrags unterscheiden sich bei der vorbeugenden Unterlassungsklage nicht von denjenigen einer Verletzungsunterlassungsklage (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2015 - I ZR 78/14, GRUR 2015, 1201 Rn. 42 = WRP 2015, 1487 - Sparkassen-Rot; vgl. auch BGH, Urteil vom 8. Februar 1963 - Ib ZR 76/61 GRUR 1963, 378, 381 - Deutsche Zeitung).</p>
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<a name="rd_13">13</a>
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<p>2. Danach ist der Hauptantrag hinreichend bestimmt. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin richtet sich gegen die von der Beklagten angekündigte kostenlose Verteilung des "Stadtblatts" ab dem 1. Januar 2016. Die Klägerin stützt ihren Unterlassungsanspruch damit entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht auf Wiederholungsgefahr, sondern auf eine Erstbegehungsgefahr. Anders als bei einem auf Wiederholungsgefahr gestützten Unterlassungsanspruch kann die Klägerin ihren Antrag nicht durch Verweis auf eine bereits begangene Verletzungshandlung konkretisieren. Mit der Bezugnahme auf die Ausgabe des Stadtblatts gemäß Anlage K 21 als drohende Verletzungshandlung sowie der Formulierung "wie … gestaltet" hat sie jedoch zum Ausdruck gebracht, dass von dem begehrten zukünftigen Verbot ein Verhalten erfasst sein soll, in dem sich - auch wenn nicht alle Einzelmerkmale übereinstimmen - das Charakteristische dieser konkreten Verletzungsform wiederfindet (zur Wiederholungsgefahr vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1997 - I ZR 62/95, GRUR 1998, 483, 484 [juris Rn. 17] = WRP 1998, 296 - Der M.-Markt packt aus). Aus dem Klagevorbringen, das zur Auslegung des Klageantrags heranzuziehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2012 - I ZR 40/11, GRUR 2013, 421 Rn. 42 = WRP 2013, 479 - Pharmazeutische Beratung über Call-Center, mwN), ergibt sich, dass die Klägerin das Charakteristische dieser Verletzungsform darin sieht, dass im Stadtblatt überwiegend nicht Öffentlichkeitsarbeit der Kommune stattfindet, sondern pressemäßige Berichterstattung über allgemeine Stadtereignisse. Weder dem Antrag selbst noch dem sonstigen Klagevorbringen ist zu entnehmen, dass das Klagebegehren in dem Sinne zu verstehen wäre, dass jedes dem beanstandeten auch nur ähnliche Verhalten untersagt werden soll (vgl. BGH, GRUR 1998, 483, 484 [juris Rn. 17] - Der M.-Markt packt aus, mwN).</p>
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<p>II. Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit dem aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Gebot der Staatsferne der Presse zu.</p>
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<a name="rd_15">15</a>
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<p>Der rechtlichen Beurteilung ist das zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz geltende Recht zu Grunde zu legen (dazu B II 1). Das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abzuleitende Gebot der Staatsferne der Presse stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG dar (dazu B II 2). Gegen dieses Gebot, dessen Umfang und Grenzen unter Berücksichtigung der aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) folgenden gemeindlichen Kompetenzen einerseits und der Garantie des Instituts der freien Presse (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) andererseits zu bestimmen sind (dazu B II 3), verstößt eine kostenlose Verteilung des Stadtblatts, das wie die Ausgabe vom 11. Juni 2015 (Anlage K 21) gestaltet ist (dazu B II 4). Die Herausgabe des Stadtblatts stellt eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar (dazu B II 5); die Parteien stehen auch in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis (dazu B II 6). Eine Erstbegehungsgefahr der kostenlosen Verteilung des "Stadtblatts" in der beanstandeten Form ist ebenfalls gegeben (dazu B II 7). Der Anspruch der Klägerin ist nicht verwirkt (dazu B II 8).</p>
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<p>1. Für den Anspruch der Klägerin ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb mit Wirkung vom 10. Dezember 2015 novellierten Fassung (BGBl. I 2015 S. 2158) maßgeblich. Ist ein Unterlassungsanspruch - wie hier - auf die Abwehr künftiger Rechtsverstöße im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 2 UWG gerichtet, ist er begründet, wenn auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2012 - I ZR 54/11, GRUR 2013, 301 Rn. 17 = WRP 2013, 491 - Solarinitiative).</p>
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<p>2. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass es sich bei dem aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abzuleitenden Gebot der Staatsferne der Presse um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG handelt.</p>
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<p>a) Die Bestimmung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fordert zur Sicherung der Meinungsvielfalt die Staatsferne der Presse. Dieser Grundsatz schließt es aus, dass der Staat unmittelbar oder mittelbar Presseunternehmen beherrscht, die nicht lediglich Informationspflichten öffentlicher Stellen erfüllen. Der Staat darf sich nur in engen Grenzen auf dem Gebiet der Presse betätigen (vgl. BVerfGE 20, 162, 175 [juris Rn. 37]; zur Rundfunkfreiheit vgl. BVerfGE 121, 30, 52 [juris Rn. 95] mwN). Das verfassungsrechtliche Gebot, die Presse von staatlichen Einflüssen freizuhalten, bezieht sich nicht nur auf manifeste Gefahren unmittelbarer Lenkung oder Maßregelung der im Bereich der Presse tätigen Unternehmen, sondern weitergehend auch auf die Verhinderung aller mittelbaren und subtilen Einflussnahmen des Staates (wiederum zur Rundfunkfreiheit vgl. BVerfGE 121, 30, 52 f. [juris Rn. 96] mwN).</p>
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<p>b) Das für den Staat bestehende, aus der Garantie des Instituts der freien Presse des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitete Gebot, sich nur in engen Grenzen auf dem Gebiet der Presse zu betätigen, regelt die Frage, wie sich Hoheitsträger und von Hoheitsträgern beherrschte Unternehmen im Falle ihrer Teilnahme am Wettbewerbsgeschehen auf dem Gebiet der Presse zu verhalten haben (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2011 - I ZR 129/10, GRUR 2012, 728 Rn. 9 und 11 = WRP 2012, 935 - Einkauf Aktuell). Dieses Gebot ist im Sinne des § 3a UWG zumindest auch dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (vgl. BGH, GRUR 2012, 728 Rn. 11 - Einkauf Aktuell; BGH, Urteil vom 30. April 2015 - I ZR 13/14, BGHZ 205, 195 Rn. 59 - Tagesschau-App; Kahl/Waldhoff/Walter/Degenhart, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: Juli 2017, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 256; aA LG Dortmund, Beschluss vom 26. Juni 2018 - 3 O 262/17, BeckRS 2018, 15932; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., § 3a Rn. 20). Das Gebot der Staatsferne der Presse setzt der am Markt tätigen öffentlichen Hand zugunsten der anderen Marktteilnehmer - insbesondere der institutionell geschützten Presse, aber auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger an einer unabhängigen Information und Meinungsbildung - enge Grenzen. Es soll nicht bestimmte Anbieter von bestimmten Märkten fernhalten (vgl. BGHZ 205, 195 Rn. 47 und 56 - Tagesschau-App, mwN), sondern lässt zu, dass private und staatliche Stellen sich in einem überschneidenden Bereich auf dem Markt begegnen.</p>
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<p>3. Umfang und Grenzen des Gebots der Staatsferne der Presse bestimmen sich bei gemeindlichen Publikationen unter Berücksichtigung der aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden gemeindlichen Kompetenzen einerseits und der Garantie des Instituts der freien Presse des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG andererseits.</p>
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<p>a) Das Berufungsgericht hat angenommen, staatliche Pressetätigkeit sei zulässig, soweit es um die Erfüllung öffentlicher Aufgaben wie amtliche Bekanntmachungen, Bekanntgabe von Vorschriften und Warnung vor Gefahren gehe oder in untergeordnetem Umfang redaktionelle Pressetätigkeit betrieben werde. Aus der Selbstverwaltungsgarantie folge keine Kompetenz für die Veröffentlichung eines redaktionell gestalteten Amtsblatts. Der Grundsatz örtlicher Aufgabenerledigung sei für die Gemeinde kein Zuständigkeitstitel, private Grundrechtsinitiative zu verdrängen oder einzuschränken. Die Selbstverwaltungsgarantie legitimiere weder eine pressemäßige Berichterstattung noch Einschränkungen der Pressefreiheit. Bezugspunkt der Allzuständigkeit aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG seien nicht alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, sondern sei nur die Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung.</p>
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<p>Inhaltlich müsse eine Aufgabe der handelnden Stelle betroffen sein. Redaktionelle Beiträge dürften nur veröffentlicht werden, wenn sie mit der staatlichen Aufgabe zusammenhingen oder von untergeordnetem Gewicht seien. Etwas anderes gelte nur bei einem Informationsungleichgewicht, das von den übrigen gesellschaftlichen Kräften nicht ausgeglichen werden könne. Als "Faustformel" gelte, dass Berichte aus der Verwaltung und dem Gemeinderat immer zulässig, Berichte über die lokale Wirtschaft sowie über Aktivitäten privater Personen oder Institutionen grundsätzlich unzulässig seien. Die Randbereiche blieben unscharf und bedürften einer wertenden Betrachtung im Einzelfall. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand.</p>
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<p>b) Das Gebot der Staatsferne der Presse lässt eine pressemäßige Betätigung von Hoheitsträgern nur im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgaben und nur insoweit zu, als die Garantie des Instituts der freien Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht gefährdet wird (vgl. Sachs/Bethge, GG, 8. Aufl., Art. 5 Rn. 80; Maunz/Dürig/Grabenwarter, GG, Stand: Januar 2018, Art. 5 Abs. 1 Rn. 375 f.). Ausgangspunkt für die rechtliche Beurteilung einer kommunalen Publikation unter dem Blickwinkel von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sowie in Art. 71 Abs. 1 Landesverfassung für Baden-Württemberg (LV BW) gewährleistete Selbstverwaltungsgarantie als Kompetenznorm, die hinsichtlich gemeindlicher Informationspflichten von § 20 Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GemO BW) konkretisiert wird.</p>
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<p>aa) Staatliche Teilhabe an öffentlicher Kommunikation bedeutet Kompetenzwahrnehmung im zugewiesenen Aufgabenbereich. Die Kompetenz zur Staatsleitung schließt als integralen Bestandteil die Befugnis zur Öffentlichkeitsarbeit ein. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit ist nicht nur zulässig, sondern notwendig, um den Grundkonsens im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu erhalten. Darunter fällt namentlich die Darlegung und Erläuterung der Politik hinsichtlich getroffener Maßnahmen und künftiger Vorhaben angesichts bestehender oder sich abzeichnender Probleme sowie die sachgerechte, objektiv gehaltene Information über den Bürger unmittelbar betreffende Fragen und wichtige Vorgänge auch außerhalb oder weit im Vorfeld der eigenen gestaltenden politischen Tätigkeit (vgl. BVerfGE 138, 102 Rn. 40 mwN; vgl. auch Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1555).</p>
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<p>bb) Äußerungs- und Informationsrechte der Gemeinden finden ihre Legitimation danach in der staatlichen Kompetenzordnung, namentlich der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 71 Abs. 1 LV BW (vgl. Degenhart, AfP 2018, 189, 195; Gersdorf, AfP 2016, 293, 294; Sachs/Bethge, GG, 8. Aufl., Art. 5 Rn. 80; Merten/Papier/Trute aaO § 104 Rn. 35; zum Äußerungsrecht des Oberbürgermeisters vgl. BVerwG, NVwZ 2018, 433 Rn. 16 und 18). Diese gewährleistet den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen (BVerfGE 79, 127, 151 f. [juris Rn. 59]; BVerfG, NVwZ 2018, 140 Rn. 70). Bezugspunkt der Allzuständigkeit der Gemeinden sind dabei jedoch immer die Angelegenheiten, die als Aufgaben der öffentlichen Verwaltung anzusehen sind (vgl. BeckOK.GG/Hellermann, Stand: 15. August 2018, Art. 28 Rn. 30 f.; Müller-Franken, K&R 2018, 73, 76). Die Vorschrift des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG hat als Kompetenznorm zudem ausschließlich staatsgerichtete Funktion und entfaltet keine Wirkung im Staat-Bürger-Verhältnis (vgl. Sachs/Nierhaus/Engels, GG, 8. Aufl., Art. 28 Rn. 40; Dreier in Dreier, GG, 3. Aufl., Art. 28 Rn. 98). Sie stellt, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, ein Aufgabenverteilungsprinzip zugunsten der Gemeinden im Bereich der Staatsorganisation (vgl. BVerfG, NVwZ 2018, 140 Rn. 59) und keine Verteilungsregel für das Verhältnis von Staat und Wirtschaft oder Staat und Bürger dar.</p>
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<p>cc) Für gemeindliche Informationspflichten enthält § 20 GemO BW konkretisierende Regelungen. Nach § 20 Abs. 1 GemO BW unterrichtet der Gemeinderat die Einwohner durch den Bürgermeister über die allgemein bedeutsamen Angelegenheiten der Gemeinde und sorgt für die Förderung des allgemeinen Interesses an der Verwaltung der Gemeinde. § 20 Abs. 2 GemO BW verlangt für wichtige Planungen und Vorhaben der Gemeinde eine möglichst frühzeitige Information der Einwohner. § 20 Abs. 3 GemO BW sieht vor, dass die Gemeinden in einem kommunalen Amtsblatt den Fraktionen des Gemeinderats Gelegenheit geben müssen, ihre Auffassung zu Angelegenheiten der Gemeinde darzulegen.</p>
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<p>Weitergehende Äußerungs- und Informationsrechte der Kommune folgen daraus nicht. Die gemeindlichen Unterrichtungspflichten des § 20 GemO BW bestehen allein hinsichtlich von "allgemein bedeutsamen Angelegenheiten" und bleiben damit hinter der staatsorganisationsrechtlich bestehenden gemeindlichen Allzuständigkeit des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zurück. Sie regeln insbesondere kein allgemeines Informationsrecht der Gemeinden. Allgemein bedeutsam ist nicht gleichzusetzen mit allgemein interessierend (Kunze/Schmidt, GemO BW, 4. Aufl., § 20 Rn. 2). Allgemein bedeutsame Angelegenheiten sind vielmehr (nur) die Vorgänge und Tatsachen, die nicht nur geringfügige Auswirkungen auf das Leben der örtlichen Gemeinschaft und seine Weiterentwicklung haben oder deren Kenntnis für das Verständnis der Kommunalpolitik der Gemeinde unentbehrlich ist (vgl. Kunze/Schmidt aaO § 20 Rn. 2).</p>
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<p>c) Die verfassungsrechtlich begründete staatliche Aufgabenzuweisung und die darin liegende Ermächtigung zur Information der Bürgerinnen und Bürger erlaubt den Kommunen allerdings nicht jegliche pressemäßige Äußerung, die irgendeinen Bezug zur öffentlichen Gemeinschaft aufweist (vgl. Maunz/Dürig/Grabenwarter aaO Art. 5 Abs. 1 Rn. 377; von Münch/Kunig/Wendt, GG, 6. Aufl., Art. 5 Rn. 43). Die innere Grenze wird durch den erforderlichen Bezug auf die Gemeinde und ihre Aufgaben gesetzt; die äußere Grenze zieht die Garantie des Instituts der freien Presse.</p>
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<p>aa) Kommunale Pressearbeit ist begrenzt durch das Erfordernis eines spezifischen Orts- und Aufgabenbezugs; die Gemeinde erlangt aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nur ein kommunalpolitisches, kein allgemeines politisches Mandat (vgl. BVerfGE 79, 127, 147 [juris Rn. 49]; BVerwGE 87, 228, 230 [juris Rn. 20]).</p>
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<p>bb) Ihre äußere Grenze finden kommunale Publikationen in der institutionellen Garantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, die ihrerseits nicht durch die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, Grundrechte Dritter oder das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) eingeschränkt wird.</p>
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<p>(1) Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthält nicht nur ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in die Pressefreiheit, sondern garantiert als objektive Grundsatznorm die Freiheitlichkeit des Pressewesens insgesamt (vgl. BVerfGE 20, 162, 175 [juris Rn. 37]). Der Staat muss in seiner Rechtsordnung überall, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 20, 162, 175 [juris Rn. 38]). Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates und für die Meinungsbildung in einer Demokratie unentbehrlich. Die Presse steht als Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seiner gewählten Vertretung (vgl. BVerfGE 20, 162, 174 [juris Rn. 36]; EGMR [GK], NJW 2006, 1645, 1648 Rn. 71; BGHZ 51, 236, 247 f. [juris Rn. 33] - Stuttgarter Wochenblatt I). Diese der Presse zufallende "öffentliche Aufgabe" kann von der organisierten staatlichen Gewalt, zu der auch die Kommune als mittelbare Staatsverwaltung zählt, nicht erfüllt werden (vgl. Ladeur, DÖV 2002, 1, 7). Presseunternehmen müssen sich im gesellschaftlichen Raum frei bilden können. Sie stehen miteinander in geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz, in die die öffentliche Gewalt grundsätzlich nicht eingreifen darf (vgl. BVerfGE 20, 162, 175 [juris Rn. 36]; Paulus/Nölscher, ZUM 2017, 177, 180). Eine ausufernde hoheitliche Öffentlichkeitsarbeit birgt Gefahren für die Neutralität der Kommunikationsprozesse; die öffentliche Hand muss sich in Art, Frequenz und Umfang in Zurückhaltung üben (BeckOK.InfoMedienR/Kühling, Stand: 1. Februar 2018, Art. 5 GG Rn. 54), zumal staatlichen Druckschriften eine erhöhte Glaubwürdigkeit und damit ein besonderes Beeinflussungspotential zukommt (vgl. Ricker, AfP 1981, 320, 322 und 325).</p>
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<p>(2) Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG schränkt die Garantie des Instituts der freien Presse des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht ein. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ist eine staatsorganisationsrechtliche Kompetenznorm, die den Gemeinden in Abgrenzung zu Bund und Ländern einen eigenen Aufgabenbereich zuweist (vgl. BVerfG, NVwZ 2018, 140 Rn. 59). Die Regelung hat ausschließlich staatsgerichtete Funktion (Sachs/Nierhaus/Engels aaO Rn. 40) und begründet keine grundrechtlich geschützte Position der Gemeinde, die gegen die Garantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abzuwägen wäre; die Beklagte kann als Teil des Staates nicht Trägerin von Grundrechten sein. Auch eine vermeintlich unzureichende Versorgung mit Informationen über das örtliche Geschehen durch die private Presse gibt staatlichen Stellen nicht die Befugnis, eine solche angeblich vorhandene Informationslücke durch eigene, von amtlichen Bezügen losgelöste Pressetätigkeit zu schließen, und zwar auch nicht unter Berufung auf die Allzuständigkeit der Gemeinde im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Im Gegenteil, eine Einflussnahme des Staates auf den Meinungsmarkt könnte mit dem Institut der freien Presse überhaupt nur vereinbar sein, wenn sie wegen der Konkurrenz mit der Fülle der vom Staat unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften am Bild der freien Presse substantiell nichts änderte (vgl. BVerfGE 12, 205, 260 [juris Rn. 182]). Diese Voraussetzung ist auf dem Markt der Lokalpresse aber regelmäßig nicht erfüllt.</p>
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<p>(3) Weder die allgemeine Handlungsfreiheit der Gemeindemitglieder (Art. 2 Abs. 1 GG) noch das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) setzen der Institutsgarantie aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Grenzen.</p>
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<p>Grundrechte Privater können die Garantie des Instituts der freien Presse nicht zu Gunsten der Beklagten beschränken. Nimmt die Gemeinde öffentliche Aufgaben im Allgemeininteresse wahr, wird sie dadurch nicht zum grundrechtsgeschützten "Sachwalter" der Einzelnen bei der Wahrnehmung ihrer Grundrechte, mag die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben auch der Verwirklichung ihrer Grundrechte (möglicherweise mittelbar) förderlich sein (vgl. BVerfGE 61, 82, 103 f. [juris Rn. 62]). Das Sozialstaatsprinzip als allgemeine, aus Art. 20 Abs. 1 GG abgeleitete Staatszielbestimmung ist schon nicht geeignet, die Institutsgarantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu beschränken (vgl. BVerfGE 59, 231, 263 [juris Rn. 67]). Das gilt umso mehr, als der Gesetzgeber den Erwerb von Zeitungen und Zeitschriften bei der Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums berücksichtigt hat (vgl. BT-Drucks. 17/3404, S. 61).</p>
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<p>d) Für die konkrete Beurteilung kommunaler Publikationen mit Blick auf das Gebot der Staatsferne der Presse sind Art und Inhalt der veröffentlichten Beiträge auf ihre Neutralität sowie Zugehörigkeit zum Aufgabenbereich der Gemeinde zu untersuchen und ist unter Einbeziehung des äußeren Erscheinungsbilds eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen.</p>
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<p>aa) Die Staatsferne der Presse verlangt unter Berücksichtigung des Grundsatzes einer vom Volk ausgehenden Meinungsbildung sowie des staatlichen Sachlichkeitsgebots, dass sich die Gemeinde in ihren Publikationen wertender oder meinungsbildender Elemente enthält und sich auf Sachinformationen beschränkt. Dazu gehört auch, dass sich gemeindliche Publikationen keiner (boulevard)pressemäßigen Illustration bedienen und das Layout nicht nach Art einer Tages- oder Wochenzeitung gestalten dürfen, um schon den Eindruck eines freien, von einem privaten Unternehmen stammenden Presseerzeugnisses zu vermeiden. Staatliche Publikationen müssen eindeutig als solche erkennbar sein; andernfalls wird die Unabhängigkeit der Informationsfunktion der Presse gefährdet (vgl. Maunz/Dürig/Grabenwarter aaO Art. 5 Abs. 1 Rn. 376).</p>
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<p>bb) Bezogen auf den Inhalt einer gemeindlichen Publikation besteht ein Bereich auf jeden Fall zulässigen Informationshandelns durch die Kommune, der die Garantie des Instituts der freien Presse nicht berührt. Staatliche Information mit dem Ziel, Politik verständlich zu machen, die Bevölkerung über Politik und Recht im jeweiligen Aufgabenkreis zu informieren und staatliche Tätigkeit transparent zu gestalten, ist auch in presseähnlicher Form zulässig (vgl. von Münch/Kunig/Wendt aaO Art. 5 Rn. 43; Kahl/Waldhoff/Walter/Degenhart aaO Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 253; Merten/Papier/Trute aaO § 104 Rn. 36). So erfüllt die Gemeinde mit der Veröffentlichung amtlicher Mitteilungen in legitimer Weise öffentliche Aufgaben (vgl. Gersdorf, AfP 2016, 293, 296). Auch Berichte über die kommunale Wirtschaftsförderung können Teil der zulässigen Öffentlichkeitsarbeit einer Gemeinde sein. Gleichfalls ohne weiteres zulässig - und sogar geboten, wenn die Information nur über die Gemeinde gewonnen werden kann - ist die Unterrichtung der kommunalen Öffentlichkeit über die aktuelle Tätigkeit und künftigen Vorhaben der Kommunalverwaltung und des Gemeinderats (vgl. Merten/Papier/Trute aaO § 104 Rn. 36; Gersdorf, AfP 2016, 293, 297; Ludyga, ZUM 2016, 706, 709 mwN; Müller-Franken, K&R 2018, 73, 76). Allerdings wird nicht jedes Ereignis durch die Anwesenheit eines Mitglieds der Gemeindeverwaltung zum Gegenstand zulässiger kommunaler Öffentlichkeitsarbeit.</p>
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<p>Daneben lässt sich eine die Grenzen zulässiger staatlicher Kommunikation klar überschreitende Tätigkeit ausmachen, die eine vom Staat unabhängige Meinungsbildung der Öffentlichkeit gefährdet. Hierzu zählen allgemeine Beiträge über ortsansässige Unternehmen, die Bewertung privater Initiativen oder die allgemeine Beratung der Leserinnen und Leser. Ebenso sind rein gesellschaftliche Ereignisse etwa aus den Bereichen Sport, Kunst und Musik in der Regel keine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung und kein zulässiger Gegenstand gemeindlicher Öffentlichkeitsarbeit (vgl. Gersdorf, AfP 2016, 293, 300 f.; Müller-Franken, K&R 2018, 73, 76). Diese Ereignisse tragen zwar zur Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Gemeinde bei und liegen damit auch im Interesse der Gemeinde; die pressemäßige Berichterstattung über das gesellschaftliche Leben in einer Gemeinde ist aber gerade originäre Aufgabe der lokalen Presse und nicht des Staates (Müller-Franken, K&R 2018, 73, 76).</p>
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<p>Jenseits dieser eindeutig zuzuordnenden Kategorien ist eine Öffentlichkeitsarbeit denkbar, die - wie Informationen über (aktuelle) Gefahrsituationen (Ludyga, ZUM 2016, 706, 709, insbesondere Fn. 84; für die unmittelbare Staatsverwaltung vgl. BVerfGE 105, 252, 268 f. [juris Rn. 53 f.]; 105, 279, 301 f. [juris Rn. 73 bis 75]) - nur in bestimmten Situationen zulässig ist. Aus dem Informationsauftrag des Staates bei besonderen Gefahrenlagen und aktuellen Krisen (vgl. BVerfGE 105, 252, 269 [juris Rn. 54]; 105, 279, 302 [juris Rn. 75]) lässt sich jedoch keine grenzenlose Ermächtigung der Gemeinden zu allgemeiner Öffentlichkeitsarbeit über alle nichtamtlichen Themen herleiten.</p>
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<p>cc) Einzelne, die Grenzen zulässiger staatlicher Öffentlichkeitsarbeit überschreitende Artikel allein begründen allerdings keine Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse. Notwendig ist vielmehr eine wertende Betrachtung der Publikation insgesamt, bei der sich jede schematische Betrachtungsweise verbietet. Im Rahmen einer Einzelfallprüfung ist entscheidend, ob der Gesamtcharakter des Presseerzeugnisses geeignet ist, die Institutsgarantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden (vgl. Gersdorf, AfP 2016, 293, 300 f.). Dabei ist neben den dargestellten inhaltlichen Kriterien insbesondere zu berücksichtigen, wie die Informationen den angesprochenen Gemeindemitgliedern präsentiert werden. Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Pressefreiheit bestehen zum Beispiel, wenn die Gemeinde als Teil des Staates auf den lokalen Kommunikationsprozess bestimmend Einfluss nimmt (vgl. Gersdorf, AfP 2016, 293, 300; Ricker, AfP 1981, 320, 322; vgl. auch BeckOK.InfoMedienR/Kühling aaO Art. 5 GG Rn. 54). Je stärker die kommunale Publikation den Bereich der ohne weiteres zulässigen Berichterstattung überschreitet und bei den angesprochenen Verkehrskreisen als funktionales Äquivalent zu einer privaten Zeitung wirkt (vgl. Maunz/Dürig/Grabenwarter aaO Art. 5 Abs. 1 Rn. 375 f.; Merten/Papier/Trute aaO § 104 Rn. 35; Ricker, AfP 1981, 320, 325; Kohl, AfP 1981, 326, 329; Bock, BWGZ 2005, 491, 495), desto eher ist die Institutsgarantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und die daraus abgeleitete Marktverhaltensregelung des Gebots der Staatsferne der Presse verletzt. Keinesfalls darf die kommunale Publikation den Lesern eine Fülle von Informationen bieten, die den Erwerb einer Zeitung - jedenfalls subjektiv - entbehrlich macht. Je deutlicher - in Quantität und Qualität - ein erweitertes Amtsblatt Themen besetzt, deretwegen Zeitungen gekauft werden, desto wahrscheinlicher ist der Leserverlust bei der privaten Presse und eine damit einhergehende, dem Institut der freien Presse zuwiderlaufende Meinungsbildung durch den Staat von oben nach unten.</p>
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<p>Bei der Beurteilung des Gesamtcharakters des Presseerzeugnisses sind auch die optische Gestaltung der Publikation, redaktionelle Elemente der meinungsbildenden Presse, wie Glossen, Kommentare oder Interviews und die Frequenz des Vertriebs zu berücksichtigen. Allein die Verwendung pressemäßiger Darstellungselemente und eine regelmäßige Erscheinungsweise führen zwar nicht automatisch zu einer Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse. Die Grenze wird aber überschritten, wenn das Druckwerk nicht mehr als staatliche Publikation erkennbar ist. Eine Anzeigenschaltung ist ebenfalls in die Gesamtwürdigung einzubeziehen. Sie ist nicht generell unzulässig, sondern kann zulässiger, fiskalisch motivierter Randnutzen sein (vgl. BGH, GRUR 1973, 530, 531 - Crailsheimer Stadtblatt). Erfolgt die Verteilung kostenlos, erhöht sich die Gefahr einer Substitution privater Presse; auch das ist zu berücksichtigen.</p>
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<p>4. Nach diesen Maßstäben ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, ein der Anlage K 21 entsprechendes "Stadtblatt" verstoße gegen die Marktverhaltensregelung der Staatsferne der Presse, nicht zu beanstanden.</p>
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<p>a) Das Berufungsgericht hat bei der Beurteilung der Ausgabe des "Stadtblatts", die in ihrer Gesamtheit Gegenstand des Klageantrags ist, angenommen, diese überschreite die Grenzen kommunaler Informationstätigkeit. Das werde durch eine Auswertung des vorgelegten Exemplars des "Stadtblatts" belegt. Dabei handele es sich um eine von der staatlichen Informationsaufgabe losgelöste pressemäßige Berichterstattung über Aktivitäten und Ereignisse mit und ohne Gemeindebezug. Es werde eine umfassende Darstellung auch der sonstigen Geschehnisse in der Gemeinde vorgenommen (Kirchen, Verbände, Bürgerinitiativen, Vereine, Sport, lokale Wirtschaftsnachrichten). Jedenfalls in dieser Kombination von zulässigen amtlichen Mitteilungen und allgemeiner Berichterstattung sei die Grenze überschritten und der Grundsatz der Staatsfreiheit der Presse verletzt. Im Rahmen einer Einzelauswertung verschiedener Beiträge kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass insgesamt elf Artikel mangels einer gemeindlichen Zuständigkeit sowie wegen der inhaltlichen und bildhaften Aufmachung gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit der Presse verstoßen. Diese Beurteilung ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.</p>
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<p>b) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Einzelbetrachtung und Gesamtwürdigung tragen die Annahme, dass die Öffentlichkeitsarbeit der Beklagten in Form des "Stadtblatts" die durch die Garantie des Instituts der freien Presse gesetzte Grenze überschreitet.</p>
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<p>aa) Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass ausgehend vom Unterlassungsantrag eine Einzelbetrachtung sämtlicher Artikel der als drohende Verletzungsform vorgelegten Ausgabe des "Stadtblatts" nicht erforderlich ist. Ein Verstoß gegen die Marktverhaltensregelung des Gebots der Staatsferne der Presse liegt bereits dann vor, wenn einzelne Artikel den Bereich der zulässigen Öffentlichkeitsarbeit eindeutig verlassen und die Publikation insgesamt bei einer Gesamtwürdigung einen pressesubstituierenden Gesamtcharakter aufweist.</p>
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<p>bb) Bereits die vom Berufungsgericht auf den ersten fünf Seiten des "Stadtblatts" als unzulässig beanstandeten Artikel tragen bei einer Gesamtwürdigung die Annahme eines Verstoßes gegen das Gebot der Staatsferne der Presse. Die Revision tritt dem nicht in erheblicher Weise entgegen. Sie ersetzt vielmehr in revisionsrechtlich unzulässiger Weise die tatgerichtliche Bewertung durch ihre eigene, ohne einen Rechtsfehler des Berufungsgerichts aufzuzeigen.</p>
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<p>(1) Auf Seite 1 der Ausgabe des "Stadtblatts" vom 11. Juni 2015 (Anlage K 21) wird unter der Überschrift "Mobilität steigern" über die Initiative "BürgerRad" und deren bevorstehende Veranstaltung auf dem Marktplatz berichtet. Das Berufungsgericht hat den redaktionell formulierten Beitrag als pressemäßig aufgemacht beanstandet und darauf hingewiesen, dass es sich um eine private Bürgerinitiative und nicht um eine Angelegenheit der Gemeindeverwaltung handele. Diese tatrichterliche Würdigung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Bereits das Layout des Artikels ist offensichtlich pressemäßig. Das zeigt sich in der Überschrift nebst Unterüberschrift, dem einleitenden ersten Absatz in Fettdruck, dem beigefügten Foto sowie dem Verweis auf weitere Informationen auf Seite 4 am Ende des Artikels. Die Feststellung des Berufungsgerichts, es werde über eine private Bürgerinitiative berichtet, ist nicht zu beanstanden. Auch wenn die Gemeinde die Arbeit des ehrenamtlichen Arbeitskreises begleitet, handelt es sich nicht um eine Aktivität der Kommunalverwaltung oder des Gemeinderats. Es geht vielmehr um gesellschaftliches Engagement auf kommunaler Ebene, über das typischerweise die Lokalzeitung berichtet. Entsprechendes gilt für das auf Seite 4 abgedruckte Veranstaltungsprogramm.</p>
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<p>(2) Während auf Seite 2 offensichtlich zulässige Berichte aus dem Gemeinderat abgedruckt sind, wird auf Seite 3 unter der Überschrift "Ausbildung Handwerk" nach den Feststellungen des Berufungsgerichts über die lokale Wirtschaft und nicht über kommunale Handwerksförderung berichtet. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beitrag betrifft eine private Veranstaltung. Soweit die Revision meint, die Beklagte könne die Aktivität aufgrund ihrer gemeindlichen Allzuständigkeit an sich ziehen, verkennt sie, dass die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG eine Kompetenzzuweisung im Staatsgefüge darstellt und keine Grundlage dafür bietet, privates Engagement zu "verstaatlichen". Schließlich weist das Layout dieses Beitrags die bereits genannten pressemäßigen Merkmale auf (Überschrift, Unterüberschrift, fett gedruckte Einleitung, Foto).</p>
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<p>(3) Auf Seite 4 wird - wiederum in pressemäßiger Aufmachung - unter dem Titel "Störche wurden beringt" über eine Aktion des NABU Ellwangen berichtet. Begleitet wird der Artikel von einem "Storchengedicht". Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, allein die Tatsache, dass die Störche auf einem von der Beklagten hergerichteten Horst auf dem Rathausdach nisten und sie die Aktion durch den Einsatz der Feuerwehr unterstützt hat, mache den Sachverhalt nicht zu einer Angelegenheit der Gemeinde. Hier handelt es sich vielmehr erneut um ein Ereignis, über das typischerweise die lokale Presse berichtet. Die Veröffentlichung im "Stadtblatt" schürt die Gefahr, dass die Publikation als private Presse wahrgenommen wird.</p>
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<p>(4) Auf Seite 5 wird unter den Überschriften "Antrag ist genehmigt", "Crailsheim beim Kirchentag" und "Welcome Center berät" über Aktivitäten berichtet, die nicht im Aufgabenkreis der Beklagten liegen. Der Bericht "Antrag ist genehmigt" betrifft Informationen zum Genehmigungsstand einer von einer privaten Gesellschaft geplanten Windparkanlage auf dem Gebiet einer Nachbargemeinde. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass es sich dabei nicht um eine originäre Aufgabe der Beklagten handelt; die Information darüber oblag dem Landkreis. Der Artikel über "Crailsheim beim Kirchentag" berichtet inhaltlich über den Stand des Evangelischen Kirchenbezirks und der Familienbildungsstätte beim Kirchentag. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist ein über den im Bericht erwähnten Crailsheimer Reformator Adam Weiss hinausgehender Bezug zur Beklagten, geschweige denn einer städtischen Aktivität, aus dem Beitrag nicht ersichtlich. Die Terminsmitteilung "Welcome Center berät" berichtet über eine Institution zur Gewinnung und Unterstützung von Fachkräften in der Region Heilbronn-Franken. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, Informationspflichten der Beklagten würden damit nicht abgedeckt; es handelt sich vielmehr um die Terminsankündigung für eine gemeindefremde Institution.</p>
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<p>c) Ebenfalls zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass es im Rahmen des § 3a UWG nicht auf eine konkrete Gefährdung der Presse, auch nicht auf der Ebene des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, ankommt. Bei der Institutsgarantie geht es um den Schutz der freien Presselandschaft als solcher. Wegen der objektiv-rechtlichen Grundrechtsdimension ist unerheblich, ob tatsächlich eine Konkurrenzsituation auf dem Pressemarkt vorliegt (aA Buhren, LKV 2001, 303, 305) und welche Folgen sich für das einzelne Presseorgan daraus ergeben. Aus demselben Grund ist auch die nach § 3a UWG erforderliche Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung der Interessen der institutionell geschützten Presse zu bejahen.</p>
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<p>5. Die Gratisverteilung des "Stadtblatts" stellt nach alledem auch eine geschäftliche Handlung der Beklagten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.</p>
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<p>a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die (kostenpflichtige ebenso wie die kostenfreie) Verteilung des Stadtblatts stelle den Vertrieb einer Ware dar, die jedenfalls auf dem Anzeigenmarkt und bezüglich der über die amtlichen Mitteilungen hinausgehenden redaktionellen Berichterstattung eine geschäftliche Handlung sei. Da die Beklagte als Herausgeberin fungiere und die redaktionellen Beiträge verantworte, sei sie für die gesamte Ausgabe verantwortlich. Soweit die Beklagte geltend mache, Ziel ihres Handelns sei nicht die Beteiligung am Wettbewerb, sei dies unerheblich. Mit der Produktion und Verteilung eines wöchentlichen Stadtblatts mit redaktionellen Beiträgen, Berichten über städtische Aktivitäten und Anzeigen sei die Beteiligung am Wettbewerb zwingend verbunden. Gegen diese rechtliche Einordnung wendet sich die Revision ohne Erfolg.</p>
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<p>b) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.</p>
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<p>c) Für die Frage, ob die öffentliche Hand eine geschäftliche Handlung vornimmt, muss zwischen rein erwerbswirtschaftlichen und hoheitlichen Tätigkeiten unterschieden werden. Die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand ist auch dann als geschäftliche Handlung anzusehen, wenn öffentliche Zwecke mitverfolgt werden (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 - I ZR 162/15, GRUR 2018, 196 Rn. 23 = WRP 2018, 186 - Eigenbetrieb Friedhöfe, mwN). Dagegen ist bei einer Tätigkeit zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben weiter danach zu unterscheiden, ob die öffentliche Hand aufgrund gesetzlicher Ermächtigung hoheitlich tätig wird. Ist dies der Fall, ist ihre Betätigung einer Überprüfung anhand des Wettbewerbsrechts entzogen, solange sich das Handeln innerhalb der Ermächtigungsgrundlage bewegt, die insoweit den Handlungsspielraum vorgibt (vgl. BGH, GRUR 2018, 196 Rn. 23 - Eigenbetrieb Friedhöfe, mwN; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., § 3a Rn. 2.21; MünchKomm.UWG/Bähr, 2. Aufl., § 2 Rn. 56). Handelt die öffentliche Hand zwar zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, wird sie aber ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung tätig, ist eine geschäftliche Handlung nicht ausgeschlossen. Eine geschäftliche Handlung ist allerdings auch in diesen Fällen nicht ohne weiteres zu vermuten, sondern anhand einer umfassenden Würdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls besonders festzustellen (vgl. BGH, GRUR 2013, 301 Rn. 20 f. - Solarinitiative; BGH, GRUR 2018, 196 Rn. 23 - Eigenbetrieb Friedhöfe).</p>
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<p>d) Ausgehend von diesen Maßstäben stellt sich die Herausgabe des "Stadtblatts" als eine geschäftliche Handlung der Beklagten dar. Die Beklagte nimmt mit dem "Stadtblatt" zwar auch gesetzliche Unterrichtungspflichten aus § 20 Abs. 1 GemO BW wahr und erfüllt insoweit eine öffentliche Aufgabe. Nach den Ausführungen unter B II 4 verstößt sie dabei aber gegen das Gebot der Staatsferne der Presse und bewegt sich damit deutlich erkennbar außerhalb des ihr zugewiesenen Aufgabenbereichs. Verlässt die Beklagte aber mit der Herausgabe eines Amtsblatts in erweiterter Form den öffentlich-rechtlichen Bereich, muss sie sich an den insoweit geltenden Regeln des Wettbewerbsrechts messen lassen.</p>
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<p>6. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe als Mitbewerberin der Beklagten gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG der Unterlassungsanspruch zu, lässt Rechtsfehler ebenfalls nicht erkennen.</p>
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<p>a) Die Eigenschaft als Mitbewerberin gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG erfordert ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Ein solches ist anzunehmen, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten der einen die andere beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann; auch wenn die Parteien keine gleichartigen Waren oder Dienstleistungen abzusetzen versuchen, besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, wenn zwischen den Vorteilen, die die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das Dritter zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann und die von den Parteien angebotenen Waren oder Dienstleistungen einen wettbewerblichen Bezug zueinander aufweisen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 - I ZR 217/15, GRUR 2017, 918 Rn. 16 und 19 = WRP 2017, 1085 - Wettbewerbsbezug, mwN). Diese Voraussetzungen liegen vor.</p>
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<p>b) Mit dem kostenlosen "Stadtblatt", das neben dem amtlichen auch einen redaktionellen sowie einen Anzeigenteil enthält, stellt sich die Beklagte in Wettbewerb zur Klägerin, die im Stadtgebiet der Beklagten eine Tageszeitung und ein kostenloses Anzeigenblatt herausgibt. Soweit die Parteien kostenlose Blätter mit Anzeigen herausgeben, versuchen sie gleichartige Waren innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen. Aber auch soweit die Klägerin eine kostenpflichtige Tageszeitung herausgibt, besteht der für die Annahme eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses erforderliche wettbewerbliche Bezug zu dem von der Beklagten herausgegebenen kostenlosen "Stadtblatt", weil dieses ebenso wie die Tageszeitung der Klägerin über einen Anzeigenteil verfügt und beide Parteien um Anzeigenkunden werben. Dass die von der Klägerin herausgegebene Tageszeitung auch überregionales tagespolitisches Geschehen zum Gegenstand hat, ändert nichts daran, dass das erweiterte "Stadtblatt" der Beklagten den Absatz der Klägerin stören kann, zumal wenn es kostenlos verteilt wird. Das betrifft jedenfalls die Abnehmerkreise, die entweder nur an regionalen Nachrichten interessiert sind oder sich über das überregionale tagespolitische Geschehen auf andere Weise informieren.</p>
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<p>7. Eine Erstbegehungsgefahr im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 2 UWG ist gegeben, weil eine kostenlose Abgabe des "Stadtblatts" in einer Gestaltung wie die als Anlage K 21 vorgelegte Ausgabe vom 11. Juni 2015 droht.</p>
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<p>a) Der Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG setzt eine bereits erfolgte oder drohende Zuwiderhandlung voraus. Ein auf Erstbegehungsgefahr gestützter vorbeugender Unterlassungsanspruch ist gegeben, wenn ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine in naher Zukunft konkret drohende Rechtsverletzung bestehen. Die eine Erstbegehungsgefahr begründenden Umstände müssen die drohende Verletzungshandlung so konkret abzeichnen, dass sich für alle Tatbestandsmerkmale zuverlässig beurteilen lässt, ob sie verwirklicht sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Versäumnisurteil vom 10. März 2016 - I ZR 183/14, GRUR 2016, 1187 Rn. 21 = WRP 2016, 1351- Stirnlampen, mwN). Allein eine Verteidigung im Prozess genügt nicht, um eine Erstbegehungsgefahr anzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 - I ZR 133/13, GRUR 2001, 1174, 1175 [juris Rn. 17] = WRP 2001, 1076 - Berühmungsaufgabe). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.</p>
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<p>b) Aufgrund des Verhaltens der Beklagten lagen im Zeitpunkt der Klageerhebung ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass das "Stadtblatt" ab Januar 2016 in der bisherigen Form kostenfrei vertrieben würde. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass das "Stadtblatt" nach dem Gemeinderatsbeschluss vom 25. Juni 2015 ab Januar 2016 in unveränderter Form kostenfrei an 17.000 Haushalte im Stadtgebiet verteilt werden sollte und ein Ausschreibungsverfahren durchgeführt wurde. Diese Ankündigungen ließen befürchten, das "Stadtblatt" werde in einer Gestaltung wie Anlage K 21, namentlich mit einer entsprechenden inhaltlichen Berichterstattung zu Ereignissen innerhalb und außerhalb der Gemeinde, künftig kostenlos vertrieben.</p>
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<p>c) Die Erstbegehungsgefahr der kostenlosen Verteilung des "Stadtblatts" in seiner bisherigen Form und seinem bisherigen Inhalt ist nicht entfallen.</p>
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<p>aa) An die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr sind grundsätzlich weniger strenge Anforderungen zu stellen als an den Fortfall der durch eine Verletzungshandlung begründeten Wiederholungsgefahr. Anders als für die Wiederholungsgefahr besteht für den Fortbestand der Erstbegehungsgefahr keine Vermutung (vgl. BGH, GRUR 2001, 1174, 1176 [juris Rn. 42] - Berühmungsaufgabe; BGH, Urteil vom 13. März 2008 - I ZR 151/05, GRUR 2008, 912 Rn. 30 = WRP 2008, 1353 - Metrosex, mwN). Für die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr genügt grundsätzlich ein "actus contrarius", also ein der Begründungshandlung entgegengesetztes Verhalten (BGH, GRUR 2008, 912 Rn. 30 - Metrosex; BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - I ZR 71/12, GRUR 2014, 382 Rn. 33 = WRP 2014, 452 - REAL-Chips). An einem solchen entgegengesetzten Verhalten der Beklagten fehlt es.</p>
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<p>bb) Der bloße Umstand, dass das ab dem 1. Januar 2016 vertriebene Stadtblatt (derzeit) eine andere Gestaltung aufweist, genügt nicht. Das gilt insbesondere mit Blick auf das im einstweiligen Verfügungsverfahren ausgesprochene Unterlassungsgebot. Es fehlt an einer uneingeschränkten und eindeutigen Erklärung, die die Annahme rechtfertigen könnte, die Beklagte werde das "Stadtblatt" künftig nicht in der angegriffenen Form vertreiben. Auch der Hinweis der Beklagten, ihre Ausführungen im Prozess erfolgten nur zum Zwecke der Rechtsverteidigung, genügen nicht. Sie hindern zwar die Annahme einer Berühmung, sind aber nicht geeignet, die Erstbegehungsgefahr zu beseitigen.</p>
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<p>8. Eine Verwirkung des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs (§ 242 BGB) ist ausgeschlossen, weil dieser als vorbeugender Unterlassungsanspruch auf zukünftiges Verhalten gerichtet ist.</p>
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<p>C. Danach ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.</p>
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<p style="text-align:left">Koch     </p>
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<p style="text-align:left">      </p>
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<p style="text-align:left">Kirchhoff     </p>
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<p style="text-align:left">      </p>
</td>
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<p style="text-align:left">Schwonke</p>
</td>
</tr>
<tr>
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<p style="text-align:left">      </p>
</td>
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<p style="text-align:left">Feddersen     </p>
</td>
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<p style="text-align:left">      </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:left">Schmaltz     </p>
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<p>Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. März 2018 aufgehoben.</p>
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<p>Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.</p>
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<p>Von Rechts wegen</p>
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<h2>Tatbestand</h2>
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<p>Der Kläger nimmt die Beklagte - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - auf Erteilung von Provisionsabrechnungen für näher bezeichnete, von ihm vermittelte Lebensversicherungsverträge in Anspruch.</p>
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<p>Der Kläger war auf der Grundlage des am 18. April 2008 geschlossenen Consultantvertrags bis zum 30. November 2013 als Versicherungsvertreter für die durch Verschmelzungsvertrag vom 28. August 2014 auf die Beklagte verschmolzene M.        C.    R.   -M.   AG (im Folgenden einheitlich: Beklagte) tätig. Im Rahmen des Consultantvertrags vermittelte der Kläger unter anderem die streitgegenständlichen Lebensversicherungsverträge, nach deren vertraglichen Bestimmungen während der Vertragslaufzeit planmäßig Erhöhungen der Beiträge und Versicherungsleistungen eintreten, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht (sogenannte dynamische Lebensversicherungen). Nach den mit den Kunden vereinbarten Versicherungsbedingungen wird ein konkludenter Widerspruch unwiderleglich vermutet, wenn der Versicherungsnehmer die erhöhte Prämie nicht zahlt. Mit Ausnahme von fünf Verträgen wurden die streitgegenständlichen Verträge nach Beendigung des Consultantvertrags weiter vom Kläger betreut, wobei streitig ist, ob der Kläger tatsächlich Betreuungsleistungen erbrachte.</p>
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<p>Der Kläger erhielt während der Vertragslaufzeit monatlich und auch nach Vertragsende einzelne Abrechnungen, mit denen ihm zustehende Provisionen gutgeschrieben und mit etwaigen Provisionsrückforderungen verrechnet wurden. Mit Schreiben vom 16. Juli 2015 forderte der Kläger die Beklagte auf, Auskunft darüber zu erteilen, für welche von ihm als Untervertreter vermittelten Versicherungsverträge sie nach Beendigung des Consultantvertrags Dynamikprovisionen erhalten habe und in welcher Höhe. Die Beklagte lehnte die Erteilung dieser Auskunft ab.</p>
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<p>Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei zur Erteilung entsprechender Provisionsabrechnungen verpflichtet, weil ihm für nach Vertragsende eintretende Summenerhöhungen eine Abschlussprovision zustehe. Er hat mit der Klage die Erteilung von Abrechnungen über Dynamikprovisionen für im Einzelnen näher bezeichnete, von ihm vermittelte Lebensversicherungsverträge für die Zeit ab dem 1. Dezember 2013 bis zum jeweiligen Ablauf des Versicherungsvertrags geltend gemacht.</p>
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<p>Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage erstrebt hat, ist erfolglos geblieben. Auf die vom Kläger mit Schriftsatz vom 15. November 2017 erhobene Anschlussberufung, mit der er im Wege der Stufenklage ergänzend begehrt hat, die Beklagte nach erfolgter Abrechnung zur Zahlung des sich aus den Abrechnungen ergebenden Betrags nebst Zinsen zu verurteilen, hat das Berufungsgericht über den auf Abrechnung der Provision gerichteten Klageantrag durch Teilurteil entschieden.</p>
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<p>Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.</p>
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<h2>Entscheidungsgründe</h2>
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<p>Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Teilurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht.</p>
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<p>Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Kläger könne von der Beklagten nach § 92 Abs. 2, § 87c Abs. 1 HGB die Abrechnung der Dynamikprovisionen verlangen, die auf den nach Beendigung des Consultantvertrags aufgrund der Dynamik eingetretenen oder eintretenden Erhöhungen der von ihm vermittelten Lebensversicherungsverträge beruhten, und zwar für die Zeit ab dem 1. Dezember 2013 bis zum jeweiligen Vertragsende. Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auszahlung dieser Dynamikprovisionen aus § 92 Abs. 2, Abs. 3, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB in Verbindung mit dem Consultantvertrag. Nach § 7 Abs. 1 der zum Bestandteil des Consultantvertrags gewordenen Provisionsordnung bestehe für Erhöhungen und Änderungen mit erhöhendem Charakter von Verträgen grundsätzlich ein Anspruch auf Abschlussprovision entsprechend der Regelungen für Neuabschlüsse. Dabei enthalte der Consultantvertrag, auf den vorrangig abzustellen sei, keine Regelung, auf welchen Zeitpunkt es für das Entstehen des Provisionsanspruchs ankomme.</p>
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<p>Nach § 92 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB habe der Versicherungsvertreter Anspruch auf Provision für alle während des Versicherungsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen seien. Unstreitig habe der Kläger während der Laufzeit des Consultantvertrags die im Klageantrag aufgeführten Lebensversicherungsverträge mit Dynamiken vermittelt. Unter die während des Consultantvertrags abgeschlossenen Geschäfte, die auf die Tätigkeit des Klägers zurückzuführen seien, fielen auch die Erhöhungen, die erst nach Beendigung des Handelsvertretervertrags aufgrund der Dynamiken eingetreten seien oder noch eintreten würden. Die Erhöhungen seien in den Verträgen dermaßen eingebettet und in ihnen angelegt, dass mit dem eigentlichen Vertragsschluss alles getan sei, damit die Erhöhung eintreten könne; insoweit bedürfe es weder neuer Verhandlungen noch neuer Vereinbarungen. Letztlich handele es sich bei der Dynamikprovision um eine verzögert ausgezahlte Abschlussprovision für eine Erhöhung der Lebensversicherung, die - wenn auch widerruflich - schon in dem Erstabschluss ihren Grund finde und als vereinbart anzusehen sei.</p>
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<p>Die Parteien hätten auch keine wirksame Vereinbarung getroffen, nach der der Kläger auf dem Grunde nach bereits entstandenen Provisionen nach Beendigung des Handelsvertretervertrags verzichtet hätte. Unstreitig enthalte der Consultantvertrag keine ausdrückliche Verzichtsvereinbarung. Die Beklagte könne auch nicht mit der Auffassung durchdringen, durch die Regelung in § 9 des Consultantvertrags (Ausgleichsanspruch / Abfindung bei Aufhebung dieses Vertrags) komme zum Ausdruck, dass der Vertrag einen Provisionsverzicht vorsehe.</p>
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<p>Die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede greife nicht durch. Die Fälligkeit der im Dezember 2013 möglicherweise entstandenen - und damit ältesten - Dynamikprovisionsansprüche sei frühestens am 31. Januar 2014 eingetreten. Die dreijährige Verjährungsfrist habe mit dem Schluss des Jahres 2014 zu laufen begonnen. Im Wege der Anschlussberufung sei mit Schriftsatz vom 15. November 2017 rechtzeitig innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist Stufenklage erhoben worden.</p>
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<p>Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.</p>
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<p>1. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass dem Kläger gemäß § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB aufgrund des mit der Beklagten geschlossenen Consultantvertrags Provisionsansprüche für nach Beendigung des Vertrags eintretende Erhöhungen der Versicherungssumme für von ihm vermittelte Lebensversicherungen zustehen, bei denen sich die Versicherungssumme nach dem Inhalt des Versicherungsvertrags in regelmäßigen Zeitabständen erhöht, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht und die erhöhte Prämie zahlt (sogenannte dynamische Lebensversicherungen). Er kann für diese nach Beendigung des Consultantvertrags bis zum jeweiligen Ablauf des Versicherungsvertrags fällig werdenden Provisionen gemäß § 92 Abs. 2, § 87c Abs. 1 HGB jeweils Abrechnungen von der Beklagten beanspruchen.</p>
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<p>Der Kläger ist nach § 259 ZPO berechtigt, die Abrechnung der künftig fällig werdenden Provisionen geltend zu machen. Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass sie zu einer Abrechnung dieser künftig fällig werdenden Provisionen nicht verpflichtet sei, so dass die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass sie sich der rechtzeitigen Leistung entziehen wird.</p>
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<p>a) Nach § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB gelten für das Vertragsverhältnis zwischen dem Versicherungsvertreter und dem Versicherer die Vorschriften für das Vertragsverhältnis zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer, wobei in Abweichung von § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB ein Versicherungsvertreter Anspruch auf Provision nur für die Geschäfte hat, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind. Vermittelt der Versicherungsvertreter dynamische Lebensversicherungen, bei denen sich die Versicherungssumme in regelmäßigen Zeitabständen erhöht, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht, gehen die Erhöhungen auf die Vermittlungstätigkeit bei Abschluss des Versicherungsvertrags zurück und sind gemäß § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB im Zweifel provisionspflichtig (vgl. BAG, VersR 1984, 897; VersR 1986, 251; OLG Köln, Urteil vom 28. November 2014 - 19 U 71/14; BeckRS 2015, 10251; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 4. Aufl., § 87 Rn. 61; Emde in Staub, Großkommentar HGB, 5. Aufl., § 92 Rn. 57; Oetker/Busche, HGB, 5. Aufl., § 87 Rn. 14; EBJS/Löwisch, HGB, 3. Aufl., § 87 Rn. 47; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, 38. Aufl., § 87 Rn. 12; a.A. OLG Nürnberg, Urteil vom 10. September 2003 - 12 U 896/03, n.v.). Der Eigenart dieses Vertragstyps entspricht es, die vereinbarungsgemäß eintretenden Erhöhungen bereits mit Abschluss des Versicherungsvertrags als vereinbart anzusehen, dem Versicherungsnehmer aber hinsichtlich der Erhöhungen ein Widerspruchsrecht zuzugestehen. Mit dem Abschluss des Versicherungsvertrags entsteht für die Beklagte einseitig eine Bindung für die gesamte Vertragslaufzeit einschließlich sämtlicher Erhöhungen, die auflösend dadurch bedingt ist, dass der Versicherungsnehmer von dem ihm eingeräumten Widerspruchsrecht Gebrauch macht (vgl. BAG, VersR 1984, 897, juris Rn. 40).</p>
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<p>Entgegen der Auffassung der Revision ist die Erhöhung der Versicherungssumme in diesen Fällen nicht von einer werbenden Tätigkeit eines Dritten abhängig, die nach § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 HGB, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB einen Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters ausschließt. Denn die Erhöhung wird aufgrund des geschlossenen Lebensversicherungsvertrags bereits dann wirksam, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht und die erhöhte Versicherungsprämie zahlt.</p>
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<p>Mit der Annahme einer Provisionspflicht für vom Versicherungsvertreter vermittelte dynamische Lebensversicherungsverträge über den Zeitpunkt der Beendigung des Consultantvertrags hinaus wird entgegen der Auffassung der Revision das systematische Verhältnis von Provisionsansprüchen einerseits und dem Ausgleichsanspruch gemäß § 89b Abs. 5 HGB andererseits nicht unterlaufen. Soweit dem Versicherungsvertreter aufgrund der von ihm während der Vertragszeit vermittelten Versicherungsverträge nach Beendigung des Vertrags noch Ansprüche auf Zahlung von Abschlussprovisionen gemäß § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB zustehen, tritt kein Provisionsverlust ein, der etwa für den Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 5 HGB zu berücksichtigen wäre. Die Beschränkungen des § 89b Abs. 5 HGB finden lediglich Anwendung, wenn dem Versicherungsvertreter ein Ausgleichsanspruch zusteht. Es besteht daher kein Grund, die Beschränkungen des § 89b Abs. 5 HGB auf vom Versicherungsvertreter nach § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 HGB, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB zu beanspruchende Abschlussprovisionen, die nach Beendigung des Vertrags fällig werden, zu erstrecken.</p>
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<p>b) Die Voraussetzungen der § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB liegen in Bezug auf die vom Kläger vermittelten dynamischen Lebensversicherungsverträge vor.</p>
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<p>aa) Nach den in der Revision zugrunde zu legenden Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei den streitgegenständlichen Lebensversicherungsverträgen, zu denen der Kläger jeweils Provisionsabrechnungen für den Zeitraum nach Beendigung des Consultantvertrags bis zum Ablauf des jeweiligen Versicherungsvertrags verlangt, unstreitig um vom Kläger vermittelte Lebensversicherungsverträge mit Dynamik. Mit Abschluss dieser Lebensversicherungsverträge entsteht damit der Anspruch des Klägers auf Abrechnung der jeweils fälligen Provision gemäß § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB. Wie das Berufungsgericht - von den Parteien unangegriffen - weiter festgestellt hat, enthält der Consultantvertrag keine vom dispositiven Recht abweichende Bestimmung über die Provisionspflicht der Beklagten für nach Beendigung des Vertrags aufgrund der vereinbarten Dynamik eintretende Erhöhungen der Versicherungssummen.</p>
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<a name="rd_20">20</a>
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<p>bb) Entgegen der Auffassung der Revision trifft den Kläger nicht die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es nach Beendigung des Consultantvertrags tatsächlich zu Erhöhungen der Versicherungssumme in den jeweiligen Verträgen gekommen ist. Da der Eintritt solcher Erhöhungen auflösend dadurch bedingt ist, dass der Versicherungsnehmer von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch macht, trägt die Beklagte für diesen für sie günstigen Umstand nach allgemeinen beweisrechtlichen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2005 - VI ZR 238/04, NJW-RR 2005, 1183, juris Rn. 13; Urteil vom 14. Januar 1991 - II ZR 190/89, BGHZ 113, 222, juris Rn. 16 m.w.N.; Baumgärtel/Prütting, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl., Kap. 11 Rn. 20 f.). Den Nachweis dafür, dass die Kunden der streitgegenständlichen Versicherungsverträge von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht haben, hat die Beklagte nicht geführt.</p>
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<p>2. Der Anspruch des Klägers auf Abrechnung der Provisionen für den Zeitraum nach Beendigung des Consultantvertrags bis zum Ende der jeweiligen Vertragslaufzeit gemäß § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1, § 87c Abs. 1 HGB ist nicht verjährt.</p>
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<a name="rd_22">22</a>
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<p>a) Mit der vom Kläger am 22. November 2017 wirksam erhobenen Anschlussberufung, mit der er im Wege der Stufenklage begehrt hat, die Beklagte nach erfolgter Abrechnung zur Zahlung des sich aus den Abrechnungen ergebenden Betrags nebst Zinsen zu verurteilen, ist die Verjährung der dem Anspruch auf Erteilung einer Abrechnung zugrunde liegenden Provisionsansprüche wirksam gehemmt worden, § 204 Nr. 1 BGB.</p>
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<p>aa) Nach § 261 Abs. 2 ZPO tritt die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht oder ein den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechender Schriftsatz zugestellt wird. Dies gilt auch für den Fall, dass die Klageerweiterung mittels einer Anschlussberufung geltend gemacht wird (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 261 Rn. 6).</p>
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<a name="rd_24">24</a>
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<p>bb) Die Anschlussberufungsschrift des Klägers vom 15. November 2017, die die Parteien, das Gericht, den Gegenstand und den Grund des Anspruchs hinreichend bezeichnete sowie einen bestimmten Antrag enthielt und damit den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 ZPO genügte, ist der Beklagten am 22. November 2017 zugestellt worden. Mit der Erhebung einer Stufenklage wird zugleich der von dem auf der ersten Stufe geltend gemachten Auskunftsanspruch abhängige Hauptanspruch rechtshängig (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 13. November 2014 - IX ZR 267/13 Rn. 9 m.w.N., NJW 2015, 1093). Nach den in der Revisionsinstanz nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts begann die dreijährige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB für die ältesten Provisionsansprüche mit Schluss des Jahres 2014 zu laufen und war selbst bei Zustellung des die Anschlussberufung enthaltenden Schriftsatzes des Klägers am 22. November 2017 noch nicht verstrichen.</p>
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<a name="rd_25">25</a>
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<p>b) Entgegen der Auffassung der Revision fehlt es im vorliegenden Fall nicht an der Voraussetzung, dass mit der Anschlussberufung eine Abänderung des angefochtenen Urteils zugunsten des Anschlussrechtsmittelklägers erstrebt wird.</p>
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<p>Die Anschlussberufung setzt, da sie kein selbständiges Rechtsmittel darstellt, nicht voraus, dass der Anschlussberufungskläger durch das angefochtene Urteil beschwert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2011 - VIII ZB 25/10 Rn. 12, NJW 2011, 1455; Urteil vom 7. Dezember 2007 - V ZR 210/06 Rn. 24 m.w.N., NJW 2008, 1953). Sie ist jedoch nur zulässig, wenn damit mehr erreicht werden soll als die Zurückweisung der Berufung (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 1987 - V ZR 42/86, NJW-RR 1988, 185, juris Rn. 10; Urteil vom 24. Februar 1958 - III ZR 184/56, NJW 1958, 868; vgl. zur Anschlussrevision auch BGH, Urteil vom 31. Mai 1995 - VIII ZR 267/94, MDR 1996, 522, juris Rn. 18; Beschluss vom 11. März 1981 - GSZ 1/80, BGHZ 80, 146, juris Rn. 8).</p>
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<p>Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Der Kläger hat mit der Anschlussberufung die Klage in der Weise erweitert, dass er nunmehr im Wege der Stufenklage eine Abrechnung der Provisionsansprüche auf der ersten Stufe und auf der zweiten Stufe die Zahlung der sich aus den Abrechnungen ergebenden Provisionen verlangt. Diese Klageerweiterung kann der Kläger zulässigerweise im Wege der Anschlussberufung verfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - VII ZR 145/12 Rn. 27 f., NJW 2015, 2812).</p>
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<p>3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Vertragsbestimmungen des Consultantvertrags enthielten keine Vereinbarung über einen Verzicht des Klägers auf nach Beendigung des Vertrags fällig werdende Provisionen. Da das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob es sich bei den Vertragsbestimmungen des Consultantvertrags um von der Beklagten gestellte Allgemeinen Geschäftsbedingungen handelt, ist zu ihren Gunsten in der Revisionsinstanz davon auszugehen, dass es sich bei dem Vertrag um eine Individualvereinbarung handelt.</p>
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<p>Die Auslegung des Berufungsgerichts, der Consultantvertrag enthalte keine Vereinbarung eines Provisionsverzichts für nach Beendigung des Vertrags fällig werdende Provisionen, lässt keine revisionsrechtlich beachtlichen Auslegungsfehler erkennen.</p>
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<p>a) Die Auslegung von Willenserklärungen ist grundsätzlich Angelegenheit des Tatrichters. Eine revisionsrechtliche Überprüfung findet allerdings dahin statt, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (BGH, Urteil vom 31. August 2017 - VII ZR 5/17 Rn. 24, NJW 2017, 3590; Urteil vom 22. Dezember 2011 - VII ZR 67/11 Rn. 12 m.w.N., BGHZ 192, 172). Zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen zählt der Grundsatz der beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung (vgl. BGH, Urteil vom 31. August 2017 - VII ZR 5/17 Rn. 24, NJW 2017, 3590; Urteil vom 5. März 2015 - IX ZR 133/14 Rn. 21, BGHZ 204, 231; Versäumnisurteil vom 22. Januar 2015 - VII ZR 87/14 Rn. 14, NJW 2015, 1107). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hält die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Consultantvertrags der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.</p>
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<p>b) Ein Verstoß gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB liegt nicht vor. Die Vereinbarung eines Verzichts auf nach Beendigung des Vertrags fällig werdende Provisionsansprüche des Klägers setzt voraus, dass der rechtsgeschäftliche Wille, einen solchen Verzicht zu vereinbaren, unmissverständlich zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2016 - V ZR 168/15 Rn. 34, BGHZ 211, 216; Urteil vom 4. Dezember 2015 - V ZR 142/14 Rn. 25, MDR 2016, 315). Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass es an einem solchen unmissverständlich erklärten rechtsgeschäftlichen Willen der Parteien fehlt.</p>
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<p>Soweit die Revision geltend macht, die Vereinbarung in § 9 Abs. 4 des Consultantvertrags, wonach die von den Spitzenverbänden der Versicherungswirtschaft und des Versicherungsaußendienstes vereinbarten Grundsätze zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs Anwendung finden sollen, ergebe nur einen Sinn, wenn die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen seien, dass für nach Vertragsbeendigung aufgrund der vereinbarten Dynamik eintretende Erhöhungen der Versicherungssummen keine Provisionen an den Kläger zu zahlen seien, wird ein Verstoß gegen §§ 133, 157 BGB nicht dargelegt. Ein stillschweigender Verzicht des Klägers auf nach Beendigung des Vertrags fällig werdende Provisionen ist im Zweifel nicht zu vermuten. Der Verweis auf die Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach den vorgenannten Grundsätzen bietet keinen zwingenden Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien einen solchen Verzicht vereinbaren wollten. Dass ein Ausgleichsanspruch zugunsten des Versicherungsvertreters nach den ihm entgehenden Provisionen zu berechnen ist, besagt nichts darüber, ob ein entsprechender Provisionsverzicht vorliegt. Die Vereinbarung der Modalitäten eines dem Versicherungsvertreter nach Vertragsbeendigung etwa zustehenden Ausgleichsanspruchs lässt daher nicht den Schluss auf einen zuvor vereinbarten Provisionsverzicht zu.</p>
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<a name="rd_33">33</a>
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<p>4. Gehörswidrig ist das Berufungsgericht jedoch dem unter Zeugenbeweis gestellten Sachvortrag der Beklagten nicht nachgegangen, dass nach dem gemeinsamen Verständnis der Vertragsparteien von dem Inhalt der vertraglichen Regelung dem Kläger nach Beendigung des Consultantvertrags keine Dynamikprovisionen mehr zustehen sollten. Die Beklagte übertrage die Bestände ausgeschiedener Vertreter auf die unter Vertrag stehenden Consultants und zahle diesen dann Dynamikprovisionen. Der Kläger habe diese Praxis gekannt und mitgetragen.</p>
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<p>a) Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt voraus, dass im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Berufungsgericht in den Gründen des Berufungsurteils auf den wesentlichen Kern des Verteidigungsvorbringens des Beklagten zu einer Frage nicht ein, das für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2016 - VII ZR 158/15 Rn. 7; Beschluss vom 23. Februar 2016 - VII ZR 28/15 Rn. 7, IHR 2016, 124; Beschluss vom 20. Mai 2014 - VII ZR 187/13 Rn. 6).</p>
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<p>b) Nach diesen Maßgaben liegt hier ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vor. Das Berufungsgericht hat den Inhalt des Vorbringens der Beklagten nicht vollständig ausgeschöpft, wenn es darauf verweist, dass die Beklagte diese Vertragspraxis beim Kläger nicht angewandt habe, der Kläger nach Ausscheiden bei der Beklagten vielmehr - von wenigen Ausnahmen abgesehen - Betreuer der von ihm vermittelten Lebensversicherungsverträge geblieben sei. Die Beklagte hat mit ihrem Vorbringen der Sache nach geltend gemacht, die Parteien seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass als Vertragsinhalt vereinbart war, dass dem ausscheidenden Versicherungsvertreter kein Anspruch auf Zahlung der Dynamikprovision für nach Beendigung des Vertrags eintretende Erhöhungen im Rahmen der von ihm vermittelten dynamischen Lebensversicherungsverträge zustehen sollte.</p>
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<p>Dieses Vorbringen ist erheblich. Trifft die Behauptung der Beklagten zu, wovon zugunsten der Beklagten für die Revision auszugehen ist, steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Abrechnung und Zahlung von Provisionen für von ihm vermittelte dynamische Lebensversicherungen für den Zeitraum nach Beendigung des Consultantvertrags nicht zu. Denn eine solche zeitliche Begrenzung der Provisionspflicht kann von den Vertragsparteien zulässigerweise vereinbart werden (vgl. BAG, VersR 1984, 897, juris Rn. 46 ff.; VersR 1986, 251, juris Rn. 18). Ein solcher übereinstimmender Wille der Vertragsparteien bei Vertragsschluss ginge der Auslegung der Vertragsbestimmungen vor.</p>
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<p>Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um diesem die Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.</p>
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<p style="text-align:justify">Sacher     </p>
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<p>Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 25. Januar 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.</p>
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<p>Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 84.616 € festgesetzt.</p>
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<p>Der am 23. September 1960 geborene Schuldner war bis 1997 als Handelsvertreter für die V.  Versicherungen (fortan: V.  ) tätig. Die V.  schloss zugunsten des Schuldners zwei Lebensversicherungen (fortan auch: Direktversicherungen) ab. Versicherungsnehmer war die L.                kasse, versicherte Person der Schuldner. Dem Schuldner wurde ein unwiderrufliches Bezugsrecht im Erlebensfall eingeräumt. Die vereinbarte Versicherungsleistung besteht in einer Kapitalzahlung, die beim Tode des Versicherungsnehmers sofort, spätestens bei Vollendung des rechnungsmäßigen 65. Lebensjahres fällig ist. Nach der Beendigung seiner Tätigkeit als Handelsvertreter für die V.  gingen die Lebensversicherungen auf den Schuldner als Versicherungsnehmer über. Seither sind die Versicherungen beitragsfrei gestellt.</p>
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<p>Das Amtsgericht Lüneburg eröffnete auf einen Eigenantrag des Schuldners mit Beschluss vom 3. Mai 2011 das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen und bestellte die weitere Beteiligte zur Insolvenzverwalterin. Die weitere Beteiligte verwertete die Direktversicherungen nicht, weil sie nach ihrer Auffassung von § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG (Betriebsrentengesetz) erfasst wurden. Mit ihrem Schlussbericht beantragte die weitere Beteiligte, hinsichtlich der zukünftig dem Schuldner zustehenden Ansprüche aus den Direktversicherungen die Nachtragsverteilung anzuordnen. Am 30. März 2016 fand der Schlusstermin statt. Mit Beschluss vom 25. Mai 2016 hob das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners auf, nachdem die Schlussverteilung vollzogen war.</p>
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<p>Mit Beschluss vom 9. September 2016 hat das Insolvenzgericht die Nachtragsverteilung hinsichtlich der zukünftig dem Schuldner zustehenden Ansprüche aus den Direktversicherungen angeordnet und die weitere Beteiligte zur Nachtragsinsolvenzverwalterin bestimmt. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht diesen Beschluss aufgehoben und den Antrag zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die weitere Beteiligte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses.</p>
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<p>Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.</p>
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<p>Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, bei den Ansprüchen auf Auszahlung der Versicherungssumme handele es sich um zukünftige Ansprüche, die nicht dem Insolvenzbeschlag unterlägen. Das Anwartschaftsrecht selbst sei nicht pfändbar. Eine Nachtragsverteilung gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO könne nur angeordnet werden, wenn die zu verwertende Forderung zur Insolvenzmasse gehöre. Dem Schuldner stünden zwar Anwartschaftsrechte hinsichtlich der Direktversicherungen zu. Diese seien jedoch nicht der Insolvenzmasse zuzurechnen, weil sie dem Pfändungsverbot des § 851 Abs. 1 ZPO unterlägen.</p>
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<p>Bei einer der Altersversorgung dienenden Direktversicherung könne der vor Eintritt des Versorgungsfalls aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidende Arbeitnehmer seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nach § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG weder abtreten noch beleihen. Der Versorgungszweck solle möglichst lückenlos gesichert werden. Zwar sei die künftige Forderung auf Auszahlung der Versicherungssumme im Versicherungsfall pfändbar. Sie gehöre jedoch nur dann zum Insolvenzbeschlag, wenn der Rechtsgrund definitiv und so weit verwirklicht worden sei, dass das betreffende Recht als sofort umsetzungsfähiger Bestandteil dem Vermögen des Erwerbers zuzurechnen sei und insbesondere kein Pfändungsverbot an der diesbezüglichen Anwartschaft bestehe. Daran fehle es, weil die Versorgungsanwartschaften aus den Direktversicherungen von dem Pfändungsverbot des § 851 Abs. 1 ZPO insgesamt erfasst würden. Die Verwertung künftiger Forderungen im Rahmen der Nachtragsinsolvenz sei nur möglich, wenn bereits die Anwartschaftsrechte selbst pfändbar seien.</p>
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<p>Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Beschwerdegerichts kann eine Nachtragsverteilung hinsichtlich der dem Schuldner aus den Direktversicherungen (§ 1b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG) zustehenden Ansprüche im Todes- und Erlebensfall nicht abgelehnt werden.</p>
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<p>1. Eine Nachtragsverwaltung gemäß § 203 InsO kann nur angeordnet werden, wenn der Gegenstand zur Insolvenzmasse gehört. Die Zugehörigkeit eines nachträglich ermittelten Gegenstands zur Masse des noch laufenden (§ 203 Abs. 1 InsO) oder bereits aufgehobenen (§ 203 Abs. 2 InsO) Insolvenzverfahrens ist tatbestandliche Voraussetzung der Anordnung einer Nachtragsverteilung nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO (BGH, Beschluss vom 27. April 2017 - IX ZB 93/16, ZIP 2017, 1169 Rn. 16). Sie kann deshalb nicht vom Insolvenzgericht offen gelassen und entsprechend § 47 Satz 2 InsO der Klärung im ordentlichen Verfahren überlassen werden. Vielmehr hat das Insolvenzgericht von Amts wegen die erforderlichen Ermittlungen anzustellen und kann dazu auch Beweise erheben (§ 5 Abs. 1 InsO).</p>
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<p>2. Die Annahme des Beschwerdegerichts, der Anspruch auf die Versicherungsleistung im Todes- und Erlebensfall gehöre nicht zur Insolvenzmasse, hält auf der Grundlage seiner Feststellungen rechtlicher Überprüfung nicht stand.</p>
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<a name="rd_10">10</a>
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<p>a) Die Insolvenzmasse erfasst gemäß § 35 Abs. 1 InsO das Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Insolvenzverfahrens erwirbt. Diese Voraussetzungen können auch bei Ansprüchen des Schuldners aus einer im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen Direktversicherung im Sinne des § 1b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG erfüllt sein.</p>
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<a name="rd_11">11</a>
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<p>aa) Ein Vermögensrecht gehört dann zur Masse, wenn sein Erwerbstatbestand im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung vollendet ist (MünchKomm-InsO/Peters, 3. Aufl., § 35 Rn. 71). "Gehören" bedeutet dem Rechte nach zustehen (MünchKomm-InsO/Peters, aaO Rn. 68 aE). Ob Forderungen zur Insolvenzmasse gehören, richtet sich danach, ob sie bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens bereits entstanden sind. Massebestandteil ist eine Forderung daher, wenn der Rechtsgrund so weit und endgültig verwirklicht worden ist, dass das betreffende Recht sofort als umsetzungsfähiger Bestandteil zum Vermögen des Schuldners zu rechnen ist. Entscheidend ist, ob vom Entstehungstatbestand bereits so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass die Vollendung nicht mehr von einem willensgesteuerten Verhalten des Schuldners abhängt (MünchKomm-InsO/Peters, aaO Rn. 71 aE). Dies kann auch der Fall sein, wenn dem Schuldner eine bedingte Forderung zusteht. Hier muss der Vermögensgegenstand insbesondere so in das Vermögen des Schuldners gelangt sein, dass weder für den Drittschuldner noch für einen Dritten eine Möglichkeit besteht, diesen aufgrund alleiniger Entscheidung zurückzuerhalten (vgl. auch für den umgekehrten Fall des Vermögensverlustes des Schuldners BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87, 93 zur Abtretung einer bedingten Forderung; vom 17. November 2005 - IX ZR 162/04, ZIP 2006, 87 Rn. 13 zum Erwerb von Nutzungsrechten).</p>
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<a name="rd_12">12</a>
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<p>bb) Ob diese Voraussetzungen bei Ansprüchen des Schuldners aus einer Direktversicherung im Sinne des § 1b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG erfüllt sind, richtet sich nach den versicherungsvertraglichen Regelungen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2014 - IX ZB 69/12, WM 2015, 138 Rn. 14; ebenso BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - IX ZR 41/14, WM 2014, 2183 Rn. 12 zum Aussonderungsrecht des Arbeitnehmers in der Insolvenz des Arbeitgebers). Diese bestimmen über den Zeitpunkt des Entstehens der jeweiligen Forderung. Ergibt sich aus den versicherungsvertraglichen Bestimmungen der Lebensversicherung bereits eine ausreichend gesicherte Rechtsposition des Schuldners, ist der Anspruch zu dem Zeitpunkt im Sinne des § 35 InsO entstanden, zu dem diese Voraussetzungen erfüllt sind. Liegt dieser Zeitpunkt vor der Beendigung des Insolvenzverfahrens, fällt der Anspruch auf die Versicherungsleistung in die Masse, sofern keine vorrangigen, wirksamen Rechte Dritter bestehen.</p>
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<p>(1) Ist der Schuldner Versicherungsnehmer der Lebensversicherung, fällt der Anspruch auf die Versicherungsleistung regelmäßig in die Insolvenzmasse. Bei einer Lebensversicherung ist der Anspruch des Versicherungsnehmers auf die Versicherungsleistung bereits mit Abschluss des Versicherungsvertrags begründet, jedoch aufschiebend bedingt durch den Eintritt des Versicherungsfalls (BGH, Urteil vom 28. April 2010 - IV ZR 73/08, BGHZ 185, 252 Rn. 35; Beschluss vom 18. Dezember 2014 - IX ZB 50/13, WM 2015, 251 Rn. 14 für eine Risikolebensversicherung auf das Leben eines Dritten). Der Versicherer schuldet die vertragliche Leistung im Versicherungsfall mit Abschluss des Versicherungsvertrags. Deshalb besteht hinsichtlich dieses Anspruchs ein Anwartschaftsrecht, das grundsätzlich zur Masse gehört (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2014 - IX ZA 20/14, WM 2014, 2235 Rn. 7 mwN; vom 18. Dezember 2014, aaO). Mit der Entstehung des in dem aufschiebend bedingten Anspruch auf die Versicherungsleistung liegenden Anwartschaftsrechts ist der nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen maßgebliche Rechtsgrund für den Anspruch gelegt (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014, aaO mwN). Handelt es sich um eine gemischte Lebensversicherung, bei der zwei unterschiedliche Versicherungsfälle vereinbart sind (Todesfall während der versicherten Zeit sowie Erleben eines vereinbarten Endalters), gilt dies sowohl für den Anspruch auf die Todesfallleistung als auch für den Anspruch auf die Erlebensfallleistung (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2010, aaO). In diesen Fällen ist unerheblich, ob der Versicherungsfall erst nach Beendigung des Insolvenzverfahrens eintritt.</p>
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<p>(2) Soweit der Schuldner nicht Versicherungsnehmer des Lebensversicherungsvertrags ist, kommt es auf seine versicherungsrechtliche Stellung an. Der einem als bezugsberechtigt benannten Dritten zustehende Anspruch auf die Leistung des Versicherers entsteht grundsätzlich erst mit Eintritt des Versicherungsfalls (§ 159 Abs. 2 VVG). Hier erwirbt der Dritte nur eine Hoffnung auf eine später fällig werdende Leistung (BGH, Urteil vom 27. September 2012 - IX ZR 15/12, WM 2012, 2294 Rn. 8 zu § 140 InsO; Prölss/Martin/Schneider, VVG, 30. Aufl., § 159 Rn. 15); ein solcher Anspruch des Schuldners als einfach bezugsberechtigter Dritter ist damit noch nicht im Sinne des § 35 InsO entstanden. Ist der Schuldner jedoch unwiderruflich als bezugsberechtigt benannt, steht ihm der Anspruch auf die Leistung des Versicherers bereits mit der wirksamen Bezeichnung als bezugsberechtigt zu (§ 159 Abs. 3 VVG). In diesem Fall ist der Anspruch mangels anderslautender Vereinbarung bereits mit Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts erworben (BGH, aaO mwN; Prölss/Martin/Schneider, aaO Rn. 18) und damit im Sinne des § 35 InsO entstanden.</p>
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<p>(3) Ist der Schuldner Versicherungsnehmer der Lebensversicherung, können Ansprüche auf die Versicherungsleistung im Versicherungsfall gleichwohl nicht zum Vermögen des Schuldners im Sinne des § 35 InsO gehören. Dies ist der Fall, wenn der Schuldner einen Dritten unwiderruflich als bezugsberechtigt bezeichnet hat. In diesem Fall erwirbt der Dritte die Ansprüche aus der Versicherung - soweit die unwiderrufliche Bezugsberechtigung reicht - regelmäßig sofort (BGH, aaO mwN). In gleicher Weise ist die Pfändung des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Versicherungssumme aus einer Direktversicherung im Sinne von § 1b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG insolvenzfest, wenn der Pfandrechtsgläubiger schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich der gepfändeten Forderung erlangt hat (BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2014 - IX ZB 69/12, WM 2015, 138 Rn. 10).</p>
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<p>Hat der Schuldner einen Dritten nur widerruflich als bezugsberechtigt bezeichnet, erwirbt der Dritte die Rechte erst mit Eintritt des Versicherungsfalls (BGH, Urteil vom 26. Januar 2012 - IX ZR 99/11, WM 2012, 517 Rn. 8 mwN). Im Falle einer widerruflichen Bezugsberechtigung des Dritten gehören die Ansprüche aus einer Lebensversicherung daher nur dann nicht zur Insolvenzmasse, wenn der Versicherungsfall vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintrat (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2010 - IV ZR 73/08, BGHZ 185, 252 Rn. 39; vom 22. Oktober 2015 - IX ZR 248/14, WM 2015, 2251 Rn. 10 mwN). Tritt der Versicherungsfall bei einem widerruflichen Bezugsrecht nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein, erwirbt der Begünstigte des Lebensversicherungsvertrages den Anspruch auf die Versicherungssumme mit Eintritt des Versicherungsfalls originär selbst (BGH, Urteil vom 28. April 2010, aaO; vom 9. Oktober 2014 - IX ZR 41/14, WM 2014, 2183 Rn. 24 mwN); bis dahin gehören die Ansprüche jedoch zur Insolvenzmasse, so dass insbesondere ein Widerruf des Bezugsrechts möglich ist (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014, aaO Rn. 13).</p>
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<a name="rd_17">17</a>
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<p>cc) Nachdem das Beschwerdegericht keine näheren Feststellungen zur versicherungsrechtlichen Lage zur Zeit des Insolvenzverfahrens getroffen hat, ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz zugunsten der Rechtsbeschwerdeführerin zu unterstellen, dass der Schuldner uneingeschränkt Versicherungsnehmer ist und kein unwiderrufliches Bezugsrecht eines Dritten besteht.</p>
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<p>b) Die Pfändungsschutzvorschriften stehen der Anordnung der Nachtragsverteilung entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht entgegen. Allerdings nimmt § 36 Abs. 1 InsO Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, von der Insolvenzmasse aus. Ist eine Forderung des Schuldners bereits vor Insolvenzeröffnung oder während des Insolvenzverfahrens entstanden, gehört sie nur insoweit zur Insolvenzmasse, als die Forderung pfändbar ist. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der Ansprüche im Todes- oder Erlebensfall bei einer Lebensversicherung dann erfüllt, wenn es sich um eine von § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG erfasste Lebensversicherung handelt.</p>
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<p>aa) Zugunsten des Schuldners kann unterstellt werden, dass § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG anwendbar ist. Allerdings gilt diese Bestimmung nur für Arbeitnehmer (§ 1 Satz 1, § 17 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG) und ihnen gleich gestellte Personen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG). Das Beschwerdegericht hat hierzu bislang keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Nach den bisherigen Feststellungen kommt in Betracht, dass der Schuldner als selbständiger Handelsvertreter tätig gewesen ist. Dann kann der Schuldner nur unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG in den Genuss der Pfändungsschutzvorschriften kommen, wonach die §§ 1 bis 16 BetrAVG entsprechend für Personen gelten, die nicht Arbeitnehmer sind, wenn ihnen Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind. Der Wortlaut des Gesetzes erfasst auch Selbständige, die nicht wirtschaftlich abhängig sind, allerdings nur dann, wenn sie nicht für sich, sondern für einen "anderen" tätig sind oder waren und von diesem eine Versorgungszusage erhalten (Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, 7. Aufl., § 17 Rn. 77). Dies kann auf selbständig tätige Handelsvertreter zutreffen (BGH, Urteil vom 21. Mai 2003 - VIII ZR 57/02, NJW 2003, 3350 unter II. 1.).</p>
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<p>bb) Das Beschwerdegericht geht zutreffend davon aus, dass Ansprüche des Schuldners aus dem Versicherungsvertrag in Höhe des durch Beitragszahlungen des Arbeitgebers gebildeten geschäftsplanmäßigen Deckungskapitals oder, soweit die Berechnung des Deckungskapitals nicht zum Geschäftsplan gehört, des nach § 169 Abs. 3 und 4 VVG berechneten Wertes gemäß § 851 Abs. 1 ZPO unpfändbar sind. Diese Ansprüche sind nicht übertragbar, weil der Schuldner sie gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG weder abtreten noch beleihen kann. Hieraus ergibt sich aber nur, dass die Verfügungsmacht des Arbeitnehmers, wenn die Versicherung auf ihn übergeht, in ihrem sachlichen Umfang in bestimmter Hinsicht beschränkt ist (BGH, Urteil vom 22. Juli 2015 - IV ZR 437/14, WM 2015, 1611 Rn. 23 mwN). Nur im Umfang dieser Beschränkung ist die Forderung unpfändbar.</p>
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<p>Demgemäß erfasst die Vorschrift Forderungen, die vor Eintritt des Versicherungsfalls fällig werden. Hingegen erstreckt sich die Vorschrift nicht auf die Ansprüche, die erst nach Eintritt des Versicherungsfalls fällig werden (BGH, Beschluss vom 11. November 2010 - VII ZB 87/09, WM 2010, 2366 Rn. 11). Der Gesetzeszweck des § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG hindert nicht, einen Gläubiger des Arbeitnehmers im Wege der Pfändung auf die mit Eintritt des Versicherungsfalls fälligen Ansprüche als zukünftige Forderungen zugreifen zu lassen (BGH, aaO). Der Anspruch auf die Versicherungsleistung im Versicherungsfall und der Anspruch auf den Rückkaufswert nach Kündigung sind keine Teile eines einheitlichen Anspruchs, sondern zwei getrennte Ansprüche (BGH, Urteil vom 28. April 2010 - IV ZR 73/08, BGHZ 185, 252 Rn. 37).</p>
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<p>cc) Das Pfändungsverbot des § 851 Abs. 1 ZPO, § 2 Abs. 2 Satz 4BetrAVG gibt auch keinen Grund dafür, dass die im Versicherungsfall bestehenden Ansprüche des Schuldners nicht in die Insolvenzmasse fallen. Das Beschwerdegericht folgert zu Unrecht aus dem Begriff des Anwartschaftsrechts, dass die Unpfändbarkeit hinsichtlich der vor dem Versicherungsfall bestehenden Ansprüche auch die Ansprüche auf die Erlebensfall- oder Todesfallleistung im Versicherungsfall erfasst.</p>
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<p>§ 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG will nach der gesetzgeberischen Zielsetzung verhindern, dass ein zur Alterssicherung gedachtes Vermögen diesem Zweck vor Eintritt des Versicherungsfalls wieder entzogen wird. Es soll für den Versorgungszweck erhalten bleiben (BT-Drucks. 7/1281 S. 26). Die Bestimmung enthält Regelungen hinsichtlich der von dem vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmer erworbenen Versorgungsanwartschaft, also für die Zeit vor Eintritt des Versicherungsfalls, und will verhindern, dass der Arbeitnehmer vor diesem Zeitpunkt die Anwartschaft liquidiert und für andere Zwecke verwendet (BGH, Beschluss vom 11. November 2010 - VII ZB 87/09, WM 2010, 2366 Rn. 11; vom 5. Dezember 2013 - IX ZR 165/13, ZIP 2014, 86 Rn. 2). Damit dient die Norm dazu, dem Schuldner eine Alterssicherung zu ermöglichen; die mit dem Abschluss der Direktversicherung angestrebte Vorsorge soll nicht dadurch unterlaufen werden, dass die angesparten Beträge verwertet werden, bevor der Versicherungsfall eingetreten ist. Hingegen enthält die Norm keine gesetzgeberische Entscheidung darüber, in welchem Umfang der Arbeitnehmer bei Eintritt des Versorgungsfalls tatsächlich in den Genuss der Alterssicherung kommen soll. Ist der Versorgungsfall eingetreten, richtet sich der Schutz des Schuldners nicht mehr nach § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG, sondern nach den allgemeinen Pfändungsschutzvorschriften (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 - VII ZB 16/08, WM 2008, 2265 Rn. 9 mwN; vom 11. November 2010, aaO Rn. 13). Dementsprechend hindert § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG einen Gläubiger des Arbeitnehmers nicht, im Wege der Pfändung auf die mit Eintritt des Versicherungsfalls fälligen Ansprüche zuzugreifen (BGH, Beschluss vom 11. November 2010, aaO Rn. 11).</p>
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<p>Aus den gleichen Gründen kann aus der Pfändungsschutzvorschrift des § 2 BetrAVG nichts für die Frage entnommen werden, ob der Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme im Versicherungsfall dem Insolvenzbeschlag unterfällt. Sind bestimmte Ansprüche pfändbar, kann die Zugehörigkeit der Ansprüche zur Insolvenzmasse nicht deshalb verneint werden, weil die Verwertung erst zukünftig möglich sein wird. Die uneingeschränkte, sofortige Verwertbarkeit ist keine Voraussetzung der Zugehörigkeit eines Vermögensgegenstands zur Masse (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2010 - IX ZB 184/09, ZIP 2011, 135 Rn. 9). Die Auffassung des Beschwerdegerichts führt dazu, dass pfändbare Ansprüche auch dann aus der Insolvenzmasse ausscheiden, wenn sie vor Beendigung des Insolvenzverfahrens entstanden waren. Richtig ist vielmehr, dass ein pfändbarer Anspruch zur Masse gehört, wenn der Anspruch bereits entstanden ist, mag dies auch nur unter einer aufschiebenden Bedingung der Fall sein. Erst recht kommt es nicht auf die Fälligkeit des Anspruchs an.</p>
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<p>Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 577 Abs. 5 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:</p>
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<p>1. § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO erfasst auch Gegenstände, die der Verwalter zunächst nicht für verwertbar hielt und deswegen nicht zur Masse gezogen hat. Zur Masse gehörende, vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht verwertete Gegenstände sind gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO der Nachtragsverteilung zuzuführen (BGH, Beschluss vom 27. April 2017 - IX ZB 93/16, ZIP 2017, 1169 Rn. 18). Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens steht der Anordnung der Nachtragsverteilung nicht entgegen (§ 203 Abs. 2 InsO). Daher kommt es nicht darauf an, dass die Direktversicherungen bereits bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens bekannt waren und dass eine Verwertung erst mit Eintritt des Versicherungsfalls möglich sein wird.</p>
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<p>2. Wird eine Nachtragsverteilung angeordnet, weil nachträglich Gegenstände der Masse ermittelt worden sind (§ 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO), müssen die betroffenen Gegenstände im Anordnungsbeschluss selbst ausreichend bestimmt bezeichnet werden (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2012 - IX ZB 111/10, WM 2012, 366 Rn. 9; vom 12. Februar 2015 - IX ZR 186/13, ZInsO 2015, 634 Rn. 2). Das Beschwerdegericht wird daher bei einer Anordnung einer Nachtragsverwaltung die erfassten Ansprüche aus den Direktversicherungen anhand der dargelegten Maßstäbe bestimmt zu bezeichnen haben.</p>
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<p>Dabei wird das Beschwerdegericht weiter zu beachten haben, dass die Ansprüche aus den Direktversicherungen nach Eintritt des Versicherungsfalls nur insoweit zur Masse gehören, als sie aus Mitteln bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens erlangt sind. Tritt die aufschiebende Bedingung für den Anspruch auf die Todesfallleistung oder Erlebensfallleistung erst nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ein, führt dies nicht dazu, dass die gesamte Versicherungsleistung Bestandteil der Masse ist. Wirtschaftlich ist bei einem solchen Anwartschaftsrecht nur das Bestandteil der Masse, was bereits bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens - sei es als Versicherungsleistung, sei es als Rückkaufswert - erlöst worden wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - IX ZB 50/13, WM 2015, 251 Rn. 15). Auch insoweit wird das Beschwerdegericht den erfassten Umfang der Ansprüche so bestimmt wie möglich zu bezeichnen haben.</p>
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<p style="text-align:left">Kayser     </p>
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<p style="text-align:left">      </p>
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<p style="text-align:left">Lohmann     </p>
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<p style="text-align:left">      </p>
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<p style="text-align:left">Pape   </p>
</td>
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<tr>
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<p style="text-align:left">      </p>
</td>
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<p style="text-align:left">Schoppmeyer     </p>
</td>
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<p style="text-align:left">      </p>
</td>
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<p style="text-align:left">Röhl     </p>
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171,057 | bgh-2018-12-20-iii-zr-1718 | {
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<p>Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 20. Dezember 2017 - 1 U 53/16 - wird zurückgewiesen.</p>
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<p>Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.</p>
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<p>Streitwert: bis 3.600.000 €</p>
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<h2>Gründe</h2>
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<p>I.</p>
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<p>Der Klägerinnen verlangen von der Beklagten aus einem Generalverwaltervertrag (im Folgenden nur: "GVV") die Zahlung von sogenannten Festgeldbeträgen (§§ 3, 4 GVV) für die Jahre 2007 bis 2009 und die Einzahlung von Instandhaltungsrücklagen auf ein Instandhaltungskonto (§ 8 Nr. 5 GVV) für die Jahre 2005 bis 2013.</p>
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<p>Die Beklagte erbrachte die vereinbarten monatlichen Festgeldzahlungen bis September 2006 und stellte sie sodann ein, weil sie den Standpunkt vertrat, dass der GVV nichtig sei. Sie leistete im Folgenden Zahlungen auf der Grundlage eines von ihr konzipierten "komplexen Abrechnungsmodells". Zwischen den Parteien ist streitig, ob und inwieweit hierdurch die (streitgegenständlichen) Ansprüche der Klägerinnen auf die Festgeldbeträge für die Jahre 2007 bis 2009 erloschen sind. Außerdem eröffnete die Beklagte Instandhaltungskonten. Hierauf zahlte sie keine Instandhaltungsrücklagen ein, erbrachte aber tatsächliche Instandhaltungsleistungen.</p>
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<p>In einem dem vorliegenden Prozess vorangegangenen Zivilrechtsstreit vor dem Landgericht Rostock (3 O 203/07) nahmen die Klägerinnen die Beklagte auf Zahlung von Festgeldbeträgen für Oktober 2006 und von Instandhaltungsrücklagen für die Jahre 1998 bis 2004 in Anspruch. Mit Urteil vom 28. November 2008 verpflichtete das Landgericht Rostock die Beklagte zur Zahlung der verlangten Festgeldbeträge und wies die weitergehende Klage (Instandhaltungsrücklagen für 1998 bis 2004) ab. Dagegen wandte sich die Beklagte mit der Berufung. Wegen der abgewiesenen Instandhaltungsrücklagen für 1998 bis 2004 legten die Klägerinnen Anschlussberufung ein. Ferner erweiterten sie ihre Klage um die Festgeldbeträge für die Zeit von November 2006 bis Dezember 2009 (Klägerin zu 1) beziehungsweise Dezember 2007 bis Dezember 2009 (Klägerin zu 2). Das Oberlandesgericht Rostock (1 U 75/09) wies die (Haupt-)Berufung der Beklagten mit Beschluss vom 22. Mai 2015 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Im Folgenden, mit Schriftsatz vom 27. November 2015, haben die Klägerinnen Festgeldansprüche für 2007 bis 2009 im Wege der Klageerweiterung in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt.</p>
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<a name="rd_4">4</a>
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<p>Die Klägerin zu 1 fordert von der Beklagten die Zahlung der Festgeldbeträge für den Zeitraum von Januar 2007 bis Dezember 2009 in Höhe von insgesamt 1.741.949,40 € und die Klägerin zu 2 für den Zeitraum von März 2008 bis Dezember 2009 in Höhe von insgesamt 1.674.132,47 €. Weiterhin verlangen die Klägerinnen zu 1 und 2 die Einzahlung von - der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten - Instandhaltungsrücklagen auf die von der Beklagten eingerichteten Konten für die Jahre 2005 bis 2013. Widerklagend hat die Beklagte die Feststellung der Unwirksamkeit von § 8 Ziff. 5 GVV begehrt.</p>
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<p>Die Beklagte hat sich hinsichtlich der Festgeldbeträge auf die (teilweise) Erfüllung dieser Forderungen durch die von ihr erbrachten Zahlungen sowie auf die Einrede der Verjährung berufen. Bezüglich der Instandhaltungsrücklagen hat sie gemeint, § 8 Ziff. 5 GVV sei nicht hinreichend bestimmt und deshalb unwirksam, sowie die Einrede der Verjährung erhoben. Jedenfalls seien tatsächlich von ihr getätigte Aufwendungen von den etwa zu leistenden Instandhaltungsrücklagen abzuziehen.</p>
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<a name="rd_6">6</a>
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<p>Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und auf die Widerklage die Unwirksamkeit von § 8 Ziff. 5 GVV festgestellt. Auf die Berufung der Klägerinnen hat das Oberlandesgericht die Beklagte zur Zahlung der verlangten Festgeldbeträge sowie zur Einzahlung einer Instandhaltungsrücklage von 157.548,55 € zugunsten der Klägerin zu 2 verurteilt; die weitergehende Klage (weitere Instandhaltungsrücklagen) und die Widerklage hat es abgewiesen.</p>
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<a name="rd_7">7</a>
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<p>Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Beschwerde.</p>
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<p>II.</p>
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<a name="rd_8">8</a>
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<p>1. Die Beschwerde der Beklagten ist unbegründet, weil die Zulassungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.</p>
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<a name="rd_9">9</a>
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<p>a) Zu Unrecht beanstandet die Beklagte die Würdigung des Berufungsgerichts, wonach die Festgeldforderungen für die Jahre 2007 bis 2009 nicht verjährt seien. Mit der Klageerweiterung im Berufungsverfahren des vorangegangenen Prozesses (OLG Rostock - 1 U 75/09) wurde die zu diesem Zeitpunkt noch laufende Verjährungsfrist gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB (in Verbindung mit § 261 Abs. 2, § 167 ZPO) gehemmt. Diese Hemmung endete gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Zurückweisung der dortigen (Haupt-)Berufung der Beklagten durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO, hier mithin Ende Dezember 2015. Rechtzeitig vor Ablauf dieser Frist wurde durch die Einführung dieser Ansprüche in den vorliegenden Rechtsstreit - im Wege der Klageerweiterung - erneut die Hemmung der Verjährung bewirkt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 261 Abs. 2, § 167 ZPO).</p>
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<a name="rd_10">10</a>
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<p>b) Die von der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob die Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB von erstmals im Wege der Anschlussberufung gerichtlich geltend gemachten Ansprüchen rückwirkend entfällt, wenn diese Anschließung nach § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung verliert, und damit die Hemmung der Verjährung als nicht erfolgt anzusehen ist oder ob die Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach Wegfall der Anschlussberufung endet, ist im zulassungsrechtlichen Sinne nicht klärungsbedürftig. Sie ist - entsprechend der einhelligen Ansicht im Schrifttum (BeckOK-BGB/Henrich, § 204 Rn. 56 [Stand: 1. August 2018]; BeckOGK-BGB/Meller-Hannich, § 204 Rn. 412 [Stand: 1. September 2018]; MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl., § 204 Rn. 96; MüKo-ZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl., § 522 Rn. 36; Baumert, NJ 2014, 145, 148 f; s. auch Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 15. Aufl., § 204 Rn. 39) - eindeutig und zweifelsfrei im Sinne der zweiten Alternative zu beantworten. Gegenmeinungen in der Rechtsprechung oder im Schrifttum werden von der Beschwerde nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.</p>
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<a name="rd_11">11</a>
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<p>aa) Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung durch eine wirksame Klageerhebung gehemmt. Zur Verjährungshemmung führt es auch, wenn der Anspruch - wie hier - (erstmals) klageerweiternd im Wege der Anschlussberufung geltend gemacht wird (RGZ 156, 291, 299; Erman/Schmidt-Räntsch aaO § 204 Rn. 6; MüKoBGB/Grothe aaO § 204 Rn. 5).</p>
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<a name="rd_12">12</a>
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<p>bb) Die Hemmung endet zufolge § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Um eine anderweitige Beendigung in diesem Sinne handelt es sich auch, wenn die Anschließung nach § 524 Abs. 4 ZPO durch die Zurückweisung der Hauptberufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO ihre Wirkung verliert. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB ("oder anderweitige Beendigung des eingeleiteten Verfahrens"), der eine Verfahrensbeendigung nach § 522 Abs. 2, § 524 Abs. 4 ZPO einschließt, vor allem aber aus dem Zweck dieser Norm und der damit korrespondierenden Regelungsabsicht des Gesetzgebers. Mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, den Gläubiger davor zu schützen, dass sein Anspruch verjährt, nachdem er ein förmliches Verfahren eingeleitet hat oder nachdem er den Anspruch mit der Möglichkeit, dass über ihn rechtskräftig entschieden wird, in das Verfahren eines anderen eingeführt hat (Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6040, S. 112). Die Hemmung sollte nach § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB auch über die Erledigung des Verfahrens hinaus noch weitere sechs Monate andauern, damit dem Gläubiger insbesondere bei Verfahren, die nicht mit einer Sachentscheidung enden, noch eine Frist bleibt, in der er - verschont von dem Lauf der Verjährung - weitere Rechtsverfolgungsmaßnahmen einleiten kann (BT-Drucks. 14/6040, S. 117). Der mit der Hemmung verbundene bloße Aufschub für die Dauer des Verfahrens und der sechsmonatigen Nachfrist sollte unabhängig von dessen Ausgang sein (BT-Drucks. 14/6040, S. 118; Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6857, S. 44; s. dazu auch BGH, Urteil vom 28. September 2004 - IX ZR 155/03, BGHZ 160, 259, 262 ff). Selbst bei einer Klagerücknahme sollte die Hemmung der Verjährung nicht mehr - wie nach früherem Recht (§ 212 Abs. 1 BGB a.F.) - rückwirkend entfallen, sondern bestehen bleiben und die sechsmonatige Nachfrist gelten (BT-Drucks. 14/6857 aaO). Wenn aber selbst bei einer Klagerücknahme, die vom Willen des Gläubigers abhängt, § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB Anwendung findet (s. dazu auch BGH, Urteile vom 28. September 2004 aaO S. 264 und vom 1. August 2013 - VII ZR 268/11, NJW 2014, 155, 157 Rn. 32 mwN), kann für die Wirkungslosigkeit der Anschlussberufung nach § 524 Abs. 4 ZPO, auf die der Gläubiger keinen Einfluss hat, nichts anderes gelten. Dem Schuldner ist mit der Geltendmachung des Anspruchs in einem gerichtlichen Verfahren deutlich gemacht worden, dass der Gläubiger diesen Anspruch ernstlich verfolgen will. Er bedarf daher keines Schutzes vor einer Verjährungshemmung, wenn das Verfahren ohne Zutun des Gläubigers endet, und kann in diesem Falle insbesondere nicht darauf vertrauen, dass der Gläubiger von der Durchsetzung der im Rahmen der Anschlussberufung anhängig gemachten Ansprüche vollends absehen wolle.</p>
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<a name="rd_13">13</a>
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<p>2. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.</p>
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<table class="Rsp">
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<p style="text-align:justify">Herrmann     </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:justify">      </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:justify">Tombrink     </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:justify">      </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:justify">Remmert</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:justify">      </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:justify">Arend     </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:justify">      </p>
</td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">
<p style="text-align:justify">Böttcher     </p>
</td>
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<p style="text-align:justify">      </p>
</td>
</tr>
</table>
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|
161,465 | olgd-2018-12-20-i-2-u-2618 | {
"id": 820,
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} | I-2 U 26/18 | 2018-12-20T00:00:00 | 2019-01-16T07:00:20 | 2019-02-12T12:22:36 | Urteil | ECLI:DE:OLGD:2018:1220.I2U26.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p><strong>I.</strong></p>
<p>Die Berufung der Beklagten gegen das am 3. Mai 2018 verkündete Urteil der4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen mit derMaßgabe, dass der Ausspruch zu I. 3. des landgerichtlichen Urteils unter Abweisung der weitergehenden Klage dahin gefasst wird, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin insgesamt 3.101,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.11.2017 zuzahlen.</p>
<p><strong>II.</strong>                                          </p>
<p>Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.</p>
<p><strong>III.</strong>                                          </p>
<p>Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,-- EUR abzuwenden, falls nicht dieKlägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p>
<p><strong>IV.</strong></p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
<p><strong>V.</strong></p>
<p>Der Streitwert für das Berufungsverfahren und – in Abänderung der im landgerichtlichen Urteil enthaltenen Wertfestsetzung – der Streitwert für den ersten Rechtszug werden auf 50.000,-- EUR festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e :</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">I.</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Patentberühmung auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Feststellung ihrer Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten für ein Abmahnschreiben und ein Abschlussschreiben in Anspruch.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist eine weltweit bekannte Herstellerin von Rennwagen. Neben Automobilen erzielt sie erhebliche Umsätze mit Merchandising-Artikeln.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte bietet an und vertreibt deutschlandweit unter der Marke „A“ Spielzeugautos (sog. A1) für Autorennbahnen, darunter Modelle, die bekannte Modelle der Klägerin nachahmen. Der Vertrieb erfolgt einzeln sowie in Rennbahnsets, und zwar über den Einzelhandel sowie über die Internetseite der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die von ihr vertriebenen Spielzeugautos und Rennbahnsets bewirbt die Beklagten auf Verpackungen von Spielzeugautos und Verpackungen von Rennbahnsets sowie in den Anleitungen und den Produktbeschreibungen mit dem Hinweis auf ein deutsches Patent mit der Nummer DE 197 41 XXX, wobei dies teilweise unter Bezugnahme auf einen „patentierten Stromabnehmer“ geschieht.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Das von der Beklagten angegebene deutsche Patent 197 41 XXX, dessen Inhaber der Vorstandsvorsitzende der Beklagten war, ist bereits am 03.04.2007 mangels Zahlung der Jahresgebühr erloschen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin sieht die Patenthinweise der Beklagten vor diesem Hintergrund als irreführend und deshalb wettbewerbswidrig an. Mit Anwaltsschreiben vom 22.06.2017 (Anlage rop 6) mahnte sie die Beklagte ohne Erfolg ab. Auf einen von der Klägerin daraufhin gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung untersagte das Landgericht der Beklagten durch Urteil vom 18.07.2017 (Az.: 4b O 80/17; Anlage rop 1), im geschäftlichen Verkehr mit Spielzeugautos zu Zwecken des Wettbewerbs die Angabe „DE-Patent 197 41 XXX.5-09“ und / oder „DE Patent-Nr. 197 41 XXX“ und / oder „mit einem patentierten Stromabnehmer“ zu benutzen. In der Folge forderte die Klägerin die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 09.08.2017 (Anlage rop 7) zur Abgabe einer Abschlusserklärung auf. Eine solche gab die Beklagte jedoch nicht ab.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat vor dem Landgericht geltend gemacht:</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Parteien seien Mitbewerber; zwischen ihnen bestehe ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Zu den von ihr, der Klägerin, vertriebenen Merchandisingartikeln gehörten auch Spielzeugautos, die Nachbildungen der von ihr hergestellten Automobile darstellten, sowie Rennbahnsets. Diese Rennbahnsets enthielten Spielzeugautos für die Rennbahnen. Außerdem habe sie ihre Marken und weitere Schutzrechte an namhafte Hersteller von Spielzeugautos lizenziert. Exklusive Lizenznehmerin für A1 sei die C Marketing + Vertrieb GmbH (im Folgenden nur: C GmbH), die solche Modelle unter der Marke „D“ vertreibe. Der Hinweis der Beklagten auf einen patentierten Stromabnehmer sei irreführend, weil der irrige Eindruck erweckt werde, dass das Patent nach wie vor in Kraft sei und Patentschutz für den Stromabnehmer verleihe.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte, die um Klageabweisung gebeten hat, hat einen Wettbewerbsverstoß in Abrede gestellt und geltend gemacht:</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin sei keine Mitbewerberin von ihr, es fehle an einem konkreten Wettbewerbsverhältnis. Das beanstandete Verhalten berühre nicht die wettbewerblich geschützten Interessen der Klägerin. Der Verkehr bringe die Klägerin generell nicht mit der Herstellung von Spielzeugautos oder -autorennbahnen in Verbindung. Er sehe in auf Spielzeugmodellen aufgebrachten Marken nämlich keinen Hinweis auf die Herkunft von Spielzeugmodellen. Der Verkehr setze daher auch den beanstandeten Hinweis auf das deutsche Patent 197 XXA im Zusammenhang mit Spielzeugautos weder unmittelbar noch mittelbar in Beziehung zum Unternehmen der Klägerin oder zu Spielzeugmodellen der Klägerin. Für die Beeinträchtigung des Lizenzierungsinteresses der Klägerin fehle jeder Anhaltspunkt. Dieses Interesse sei zudem nicht schützenswert. Die beanstandete Angabe sei außerdem nicht irreführend. Die mit dem Hinweis auf das Patent verbundene Aussage bleibe nämlich auch nach dessen Ablauf gültig. Im Übrigen sei der von der Klägerin angegebene Streitwert überhöht. Sie habe die von der Klägerin beanstandeten Hinweise lediglich zurückhaltend benutzt, und zwar auf Rückseiten ihrer Verpackungen sowie im Internet und nur auf geringen Restmengen. Auch habe sie mit den in Rede stehenden Spielzeugautos in den letzten Jahren nur einen Umsatz von wenigen Tausend Euro erzielt.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Durch Urteil vom 18.07.2017 hat das Landgericht dem Klagebegehren nach den zuletzt gestellten Anträgen entsprochen, wobei es in der Sache wie folgt erkannt hat:</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">„I.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte wird verurteilt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">im geschäftlichen Verkehr mit Spielzeugautos – unabhängig davon, ob sie einzeln oder konfektioniert mit Autorennbahnteilen vertrieben werden – zu Zwecken des Wettbewerbs die Angabe</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">„DE-Patent 197 41 XXX.5-09“</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">und / oder</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">„DE-Patent-Nr. 197 41 XXX“</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">und / oder</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">„mit einem patentierten Stromabnehmer“</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">zu benutzen;</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">der Klägerin über den Umfang der vorstehend unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 24.10.2007 begangenen Handlungen schriftlich Auskunft zu erteilen und zwar unterAngabe</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">a)              der mit dem Patenthinweis beworbenen Produkte unter Angabe der Artikelbezeichnung und Artikelnummer,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">b)              der einzelnen Lieferungen der mit dem Patenthinweis beworbenen Produkte, aufgeschlüsselt nach Artikelbezeichnung und -nummer, Liefermengen, -zeiten und-preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer und der Verkaufsstellen, für welche die Produkte bestimmt waren,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">c)              der Art der Werbung mit dem Patenthinweis, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern (insbesondere auf Produktverpackungen für Einzelfahrzeuge oder Rennbahnsets, in Gebrauchsanleitungen, Printmedien, Internet), deren Herstellungs- undVerbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, der Dauer der Internet-Werbung und der Anzahl der Zugriffe auf die Internetseite;</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">an die Klägerin insgesamt 4.630,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.11.2017 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 24.10.2007 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin stünden gegen die Beklagte die zuerkannten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach sowie Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten zu.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin und die Beklagte seien Mitbewerberinnen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Sie stünden in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis. Denn die Klägerin vertreibe über ihre Internetseite auch Autorennbahnen, welche dazugehörige A1 umfassten. Darüber hinaus habe die Klägerin der C GmbH eine Lizenz erteilt, ihre Marken und Modelle für die Entwicklung, Produktion, den Vertrieb, die Werbung, Verkaufsförderung und den Verkauf der Produkte weltweit zu verwenden. Nach dem Lizenzvertrag sei die C GmbH berechtigt, zusammengebaute, elektrisch betriebene A1, welche die Modelle nachbilden, zusammen mit einem elektrisch betriebenen Rennset und / oder einzeln zu verkaufen. Der Absatzerfolg der Klägerin als Lizenzgeberin hänge nach dem Lizenzvertrag (auch) vom Absatzerfolg der lizenzierten Produkte ab. Dadurch könne das beanstandete Wettbewerbsverhalten der Beklagten die Klägerin in ihrem Absatz mittelbar über ihre Lizenznehmerin sowie unmittelbar behindern oder stören. Die von der Beklagten in Bezug genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofs „E“ (GRUR 2010, 726 ff.) sei hier im Zusammenhang mit dem Lizenzierungsinteresse derKlägerin nicht einschlägig.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">In dem Hinweis der Beklagten auf das unstreitig abgelaufene Patent mit und ohne zusätzliche Erwähnung des angeblich patentierten Stromabnehmers liege eine Irreführung. Dass das Patent infolge nicht gezahlter Jahresgebühren vorzeitig erloschen ist, könnten die angesprochenen Verkehrskreise den angegriffenen Angaben nicht entnehmen. Dass die Produkte früher patentgeschützt gewesen seien, hebe sie heute technisch nicht von vergleichbaren Produkten ab, weil auch diese die früher geschützte Technik verwenden dürfen.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens macht sie geltend:</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Klageansprüche stünden der Klägerin schon deshalb nicht zu, weil sie – die Beklagte – entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht Mitbewerberin der Klägerin sei. Ihr Verhalten berühre die wettbewerblichen Interessen der Klägerin nicht; insbesondere könne dieses nicht den Absatz der Klägerin beeinträchtigen. Das Angebot der Klägerin umfasse, wenn überhaupt, nur eine einzige Spielzeugautorennbahn-Grundpackung, wobei dieses Angebot aus ihrer – der Beklagten – Sicht allenfalls aus kosmetischen Gründen erfolgt sein könne. In ihrem aktuellen Webshop biete die Klägerin überdies keine Spielzeugautorennbahn an. Das Landgericht habe übersehen, dass die Klägerin kein Händler von Spielzeug sei. Die von den Parteien angesprochenen „Endverbraucherkreise“ unterschieden sich. Außerdem biete die Klägerin keine Einzelfahrzeuge an. Hinzu komme, dass Gleichartigkeit, Austauschbarkeit und Wechselwirkung allenfalls in Bezug auf jeweils maßstabsgleiche Waren bestehen könnten. Für die Beeinträchtigung eines Lizenzierungsinteresses der Klägerin fehle jeglicher Anhaltspunkt. Die Benutzung einer Marke für Spielzeugmodelle sei, wie bereits in erster Instanz ausgeführt, keine lizenzpflichtige Benutzung „als Marke“. Die C GmbH zahle etwaige Lizenzgebühren nicht für die Benutzung der „F“-Marken auf Verpackungen, sondern – ohne rechtliche Grundlagen – für die beschreibende Benutzung auf den Automodellen, auf die sich die Lizenzverträge ausschließlich bezögen. Ein hierauf gestütztes „Lizenzierungsinteresse“ habe keine rechtliche Grundlage. Ein etwaiges Lizenzierungsinteresse der Klägerin sei im Übrigen auch deshalb nicht betroffen, weil die Lizenzeinnahmen der Klägerin nicht davon abhingen, wie viele Automodelle von den „Konsumenten“ gekauft würden. Zudem sei ein etwaiges Lizenzierungsinteresse der Klägerin rechtlich nicht schützenswert.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die beanstandeten Angaben seien zudem nicht irreführend. Sie würden von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht als Hinweis darauf verstanden, dass das Patent noch in Kraft sein. Abschließend komme hinzu, dass sie die angegriffenen Hinweise nur zurückhaltend benutzt habe. Der von der Klägerin angegebene Streitwert sei zu hoch.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten <strong>beantragt</strong>,</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin <strong>beantragt</strong>,</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil als zutreffend und tritt den Ausführungen der Beklagten unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages entgegen, wobei sie unter anderem geltend macht: Zu Recht habe das Landgericht einkonkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien bejaht. Sie habe über ihrenOnline-Shop zwei Rennbahnen ihrer Lizenznehmerin (C GmbH) einschließlich passender A1 angeboten. Ihr Online-Shop enthalte ein regelmäßig wechselndes Angebot. Zur Zeit werde dort ein Rennbahnset nebst motorisiertem Fahrzeug des Herstellers „G“, der ebenfalls unter ihrer Lizenz Spielzeugfahrzeuge und Rennbahnsets herstelle, angeboten. Ferner biete sie weiterhin zahlreiche sonstige, insbesondereferngesteuerte Spielzeugautos an, so dass auch hinsichtlich der allgemeiner gefassten Warengruppe „Spielzeug für Kinder“ ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bestehe. Im Rahmen einer Sortimentsaktualisierung habe sie nunmehr im Übrigen wieder zweiaktuelle „D“- Rennbahnsets, die im Jahre 2018 auf den Markt gekommen seien, in ihren Online-Shop aufgenommen. Außerdem habe das Landgericht zutreffend einkonkretes Wettbewerbsverhältnis auch angesichts ihres Lizenzierungsinteresses bejaht.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">II.</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet. Das Landgericht hat mit Recht angenommen, dass der Klägerin gegenüber den Beklagten die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten für das Abmahnschreiben und das Abschlussschreiben zustehen, weil die Werbung der Beklagten irreführend ist. Erfolg hat die Berufung lediglich hinsichtlich eines Teils der geltend gemachtenAnwaltskosten.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">1.</span>Die Klägerin ist, wie das Landgericht zutreffend entschieden hat, als Mitbewerberin der Beklagten gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert. Die dagegen erhobenenEinwände der Berufung greifen nicht durch.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">a)</span>Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ist „Mitbewerber“ jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">b)</span>Die Klägerin und die Beklagte sind jeweils Unternehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG). Sie sind juristische Personen, die im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit geschäftliche Handlungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG) vornehmen, indem sie Waren anbieten und vertreiben. Die Klägerin stellt nicht nur Automobile her, sondern sie bietet auch zahlreiche Merchandising-Artikel an, so z.B. Spielzeugautos, die ihre Automobile nachbilden.Außerdem bietet sie nunmehr auch wieder – wie sogleich weiter ausgeführt wird –zumindest ein „D“-Rennbahnset an, welche zwei elektrisch betriebene Spielzeugautos (A1) für diese Bahn enthält. Die Beklagte vertreibt ihrerseitsA1 sowie Rennbahnsets.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">c)</span>Die Klägerin steht mit der Beklagten in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">aa)</span>Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers den anderen beeinträchtigen, d.h. im Absatz behindern oder stören kann (vgl. BGH, GRUR 2014, 1114 Rn. 24  – nickelfrei; GRUR 2016, 828 Rn. 20 – Kundenbewertung im Internet, m. w. N.). Dafür ist nicht Voraussetzung, dass die Parteien auf der gleichen Vertriebsstufe tätig sind, solange sie letztlich gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen (vgl. BGH, GRUR 1114 Rn. 27 – nickelfrei; GRUR 2016, 828 Rn. 20 – Kundenbewertung im Internet, m. w. N.). Im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes sind an das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG grundsätzlich keine hohen Anforderungen zu stellen (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., § 2 Rn. 97 m. w. Nachw. aus der Rspr.)</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">bb)</span></p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Hiervon ausgehend hat das Landgericht im Streitfall auf der Grundlage des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes ein konkretes Wettbewerbsverhältnis schon im Hinblick auf das beiderseitige Angebot von Rennbahnsets mit Recht bejaht. Wie das Landgericht insbesondere auf der Grundlage der von der Klägerin vorgelegten Anlage rop 2 zutreffend festgestellt hat, hat die Klägerin über ihren Online-Shop auch zwei elektrisch betriebene Spielzeugautorennbahnen angeboten, nämlich die Rennbahnen „H“ und „I“. Soweit die Beklagte hiergegen unter Hinweis auf die Anlage B 3 einwendet, die Klägerin habe allenfalls eine „D“-Bahn in ihrem Online-Shop angeboten, steht dies der vom Landgericht getroffenen Feststellung nicht entgegen. Denn die Klägerin hat im Verhandlungstermin unwidersprochen vorgetragen, dass die von der Beklagten in Bezug genommene Unterlage unvollständig ist, d.h. ihr Internetangebot nicht vollständig wiedergibt. Im Übrigen hat die Klägerin unter Zugrundelegung des eigenen Vorbringens der Beklagten in der Vergangenheit jedenfalls eine Rennbahnen angeboten, nämlich die Rennbahn „I“ (vgl. Anlage B 3). Die Beklagte bietet unstreitig ebenfalls Rennbahnen (vgl. Anlage B 1) bzw.  – wie die Klägerin in ihrer Klageschrift unwidersprochen vorgetragen hat (Bl. 7 GA) – Rennbahnsets an, auf deren Verpackungen ebenfalls die von der Klägerin beanstandeten Patenthinweise aufgedruckt sind.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Mit Recht hat das Landgericht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis außerdem deshalb bejaht, weil beide Parteien sog. A1 vertreiben. Die Klägerin hat in erster Instanz dargetan, dass die von ihr angebotenen Rennbahnsets auch jeweils A1 für die Rennbahn enthalten. Sie hat hierzu Screenshots (Anlagen rop 2 und rop 8) von ihrem Online-Shop zu den dort angebotenen Rennbahnsets mit Produktabbildungen vorgelegt, auf den auch die in den Rennbahnsets enthaltenen beiden A1 gezeigt sind.Außerdem hat sie Fotos (Anlage rop 9) eines nach ihren Angaben von ihren Prozessbevollmächtigten über ihren Online-Shop erworbenen Rennbahnsets „I“ überreicht, auf welchen Fotos die in dem Set enthaltenen Spielzeugautos ebenfalls sichtbar sind. Dem gesamten diesbezüglichen Vortrag der Klägerin ist die Beklagte in erster Instanz nicht konkret entgegengetreten, weshalb das Landgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Klägerin Rennbahnen mit passenden A1 anbietet. Sie bietet damit auch solche Spielzeugautos an, wenn auch nur als Bestandteil der von ihr angebotenen Rennbahnsets.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte bietet ihrerseits A1 einzeln als Zubehör für Spielzeugautorennbahnen an und sie vertreibt diese auch als Bestandteil von Rennbahnsets. Mit Recht ist das Landgericht vor diesem Hintergrund davon ausgegangen, dass auch ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Hinblick auf die von der Beklagten vertriebenen A1 besteht. So ist es, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, z.B. durchaus denkbar, dass der Eigentümer einer „D“-Rennbahn, der einzelne A1 als Zubehör für seine Rennbahn sucht, den Erwerb einer Autorennbahn der Klägerin als Erweiterung seiner vorhandenen Bahn in Erwägung zieht, um die mitgelieferten „F“-Modelle zu erhalten. Ebenso ist es denkbar, dass ein an den von der Klägerin angebotenen Rennbahnen nebst zugehörigen A1 interessierter Verbraucher aufgrund der beanstandeten Werbehinweise der Beklagten auf von dieser angebotene A1 zurückgreift und in diesem Zuge auch gleich eine entsprechende Autorennbahn von der Beklagten erwirbt. Dass die Klägerin ihre Rennbahnsets nicht außerhalb ihres Online-Shops anbietet, ist ohne Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, dass beide Parteien gleichartige Produkte anbieten und sich die beiderseitigen Angebote jeweils an Endverbraucher richten. Soweit die Beklagte geltend macht, kein Konsument, der sich für Spielzeugautorennbahnen interessiere, würde diese unter den Merchandising-Artikeln der Klägerin suchen, vermag dies nicht zu überzeugen. Jedenfalls ein Teil der Interessenten, die gerade an dem Erwerb eines einem „F“-Rennwagen nachgebildeten Spielzeugrennbahnautos interessiert sind, wird auch das Angebot der Klägerin in Betracht ziehen. Besucht er zu diesem Zwecke den Online-Shop der Klägerin, stößt er auf die dort von der Klägerin angebotenen Rennbahnsets, welche auch A1 umfassen.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin mit den von ihr angebotenen Rennbahnsets nennenswerte Absätze erzielt, kommt es hierauf für das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses nicht an. Dass die Klägerin keine Einzelfahrzeuge anbietet, ist aus den vorstehenden Gründen gleichfalls unerheblich. Für das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses reicht es aus, dass sie Rennbahnsets mit A1 anbietet und vertreibt. Ohne Erfolg bleibt schließlich auch der Einwand der Beklagten, dass Gleichartigkeit, Austauschbarkeit und Wechselwirkung allenfalls in Bezug auf jeweils „maßstabgleiche Waren“ bestehen könnten. Zum einen hat die Klägerin, wie sich aus der Anlage rop 9 (vgl. Abbildung oben, linke Seite: „1:43“) ergibt, jedenfalls Rennbahnen mit zugehörigen A1 im Maßstab 1:43 angeboten. Rennbahnen und A1 in diesem Maßstab bietet unstreitig auch die Beklagte an. Zum anderen geht es hier um das Wettbewerbsverhältnis der Parteien auf dem Produktmarkt für elektrisch betriebene Spielzeugautorennbahnen und Autos für solche Rennbahnen. Insoweit sind die beiderseitigen Produkte gleichartig. Die angesprochenen Endverbraucher können statt auf die von der Klägerin angebotenen Produkte (Rennbahnsets mit A1) ohne weiteres auf die Produkte der Beklagten zugreifen, und umgekehrt.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">cc)</span>Zwar hat die Klägerin zwischenzeitlich für einen gewissen Zeitraum keine Rennbahnsets mit passenden A1 in ihrem Online-Shop mehr angeboten. Die Klägerin hat zuletzt aber vorgetragen, dass sie in ihrem Online-Shop ein regelmäßig wechselndes und aktuelles Spielzeugsortiment anbiete und dass sie im Rahmen einer Sortimentsaktualisierung nunmehr wiederum zwei aktuelle „D“- Rennbahnsets, die im Jahre 2018 auf den Markt gekommen seien, in ihren Online-Shop aufgenommen habe, nämlich die Rennbahn „K“ (Anlage rop 21) und die Rennbahn „L“ (Anlage rop 22). Die Beklagte bestreitet diesen Vortrag zwar. Insbesondere bestreitet sie, dass die Klägerin die genannten „D“-Bahnen im Internet anbietet. Aus ihrem eigenen Vorbringen ergibt sich jedoch, dass jedenfalls die Rennbahn „L“ im Online-Shop der Klägerin angeboten wird. Die Beklagte führt nämlich aus, dass das Angebot der Rennbahn „K“ dort nicht auffindbar sei, die Bahn „L“ sich dort aber an unterster Stelle befinde. Die Beklagte räumt damit ein, dass die letztgenannte Rennbahn im Online-Shop der Klägerin angeboten wird, wobei sich nicht erschließt, weshalb die Beklagte insoweit von einem „versteckten“ Angebot spricht. Damit bietet die Klägerin nunmehr jedenfalls wieder selbst eine „D“-Rennbahn an. Da die Klägerin in der Vergangenheit bereits zwei solcher Rennbahnen, unter Zugrundelegung der Angaben der Beklagten jedenfalls aber eine entsprechende Rennbahn in ihrem Online-Shop angeboten hat, spricht nichts dafür, dass es sich – wie die Beklagte im Verhandlungstermin eingewandt hat – bei diesem Angebot der Klägerin nur um ein „Scheinangebot“ handelt. In dem von der Klägerin aktuell zumindest angebotenem Rennbahnset „L“ befinden sich wiederum, wie sich aus der von der Klägerin hierzu überreichten Anlagen rop 22 (S. 2 und 5) ergibt, zwei A1 im Maßstab 1:43 (vgl. Anlage rop 22, S. 2), so dass es insgesamt bei den vorstehenden Erwägungen bleibt. Ob ein Wettbewerbsverhältnis auch im Hinblick auf das von der Klägerin in ihrem Online-Shop angebotene sonstige automobilbezogene Spielzeug zu bejahen ist, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">dd)</span>Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht hier aber – wovon das Landgerichtebenfalls mit Recht ausgegangen ist – auch im Hinblick auf die Lizenzgeberstellung der Klägerin. Das Berufungsvorbringen der Beklagten gibt auch insoweit zu einer anderweitigen Beurteilung keinen Anlass.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">(1)Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht nicht nur dann, wenn zwei Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen. Es besteht vielmehr auch dann, wenn zwischen den Vorteilen, die die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann. Danach besteht zum Beispiel regelmäßig ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, wenn die eine Partei als Inhaber eines Schutzrechts oder als Inhaber von ausschließlichen Nutzungsrechten an einem Schutzrecht die Herstellung oder den Vertrieb eines von diesem Schutzrecht erfassten Produkts lizenziert und die andere Partei dem Schutzrecht entsprechende Produkte anbietet oder vertreibt (BGH, GRUR 2014, 1114 Rn. 33 – nickelfrei; Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 2 Rn. 110c).</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">(2)</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Im Streitfall hat die Klägerin dargetan und durch auszugsweise Vorlage des Lizenzvertrages von 2010 (Anlage rop 14) nebst Änderungsvereinbarungen aus den Jahren 2011 und 2015 (Anlagen rop 14a und 14b) hinreichend belegt, dass sie mit der C GmbH einen Lizenzvertrag geschlossen hat, mit dem sie dieser ein Nutzungsrecht und eine Lizenz erteilt hat, ihre Marken und Modelle für die Entwicklung, Produktion/Herstellung, den Vertrieb, die Werbung, Verkaufsförderung und den Verkauf der Produkte zu verwenden (vgl. Ziff. 2.1 LV). Der Begriff „Marken“ bezeichnet nach der Legaldefinition in der Einleitung des Lizenzvertrages „die Marken und die unterscheidungskräftigen Zeichen, die in der Anlage B aufgeführt sind, und deren Nutzungsrechte dem Lizenznehmer von F aufgrund dieses Vertrages eingeräumt wird“. Nach der in Bezug genommenen Anlage B zum Lizenzvertrag gehören zu den lizenzierten Marken unter anderem der Schriftzug „F“ sowie die Bildmarke des springenden Pferdes. Der Begriff „Produkte“ bezeichnet nach der Definition in der Einleitung des Lizenzvertrages „Produkte, welche die Marken und/oder die Abbildungen aufweisen und/oder die Modelle nachbilden und welche vom Lizenznehmer nach in der Anlage F dargelegten Bestimmungen und Bedingungen des Vertrages hergestellt und/oder vertrieben und/oder verkauft werden“. In der angesprochenen Anlage F zum Lizenzvertrag sind die betreffenden „Produkte“ definiert als „zusammengebaute, elektrisch betriebene A1, welche die Modelle nachbilden, zusammen mit einem elektrisch betriebenen Rennset und/oder einzeln zu verkaufen“. Die Lizenznehmerin schuldet nach dem Lizenzvertrag neben einer garantierten Mindestzahlung (Ziff. 4.1 LV) Lizenzgebühren (Ziff. 5.1), wobei sich letztere Lizenzgebühren in Abhängigkeit von den verkauften Produkten berechnen (vgl. Anlage A zum LV). Die Höhe der Lizenzgebühr hängt dabei unter anderem vom Maßstab der Produkte (1:43, 1:32 oder 1:24) sowie davon ab, ob die Modelle einzeln oder zusammen mit einem elektrisch betriebenen Rennset verkauft werden (vgl. im Einzelnen Anlage A zum LV). Die Echtheit des von der Klägerin vorgelegten Lizenzvertrages nebst Änderungsvereinbarungen hat die Beklagte nicht bestritten. Wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, hat die Beklagte im vorausgegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren der Parteien im Übrigen selbst auf die C-Lizenz hingewiesen. Außerdem hat die Klägerin auch mehrere auf die C GmbH zurückgehende Veröffentlichungen (Anlage K 11) zur Akte gereicht, in denen die der C GmbH von der Klägerin erteilte Lizenz erwähnt wird. Zwischen der Klägerin und der C GmbH besteht somit ein Lizenzvertrag, der die C GmbH insbesondere dazu berechtigt, die Marken der Klägerin beim Vertrieb elektrisch betriebener A1, welche die Rennwagen der Klägerin nachbilden, und solche A1 enthaltender Rennsets zu benutzen und außerdem zur Werbung und Verkaufsförderung dieser Produkte zu verwenden. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, ist die an die Klägerin als Lizenzgeberin zu entrichtende laufende Lizenzgebühr nach dem vorliegenden Lizenzvertrag von der Anzahl der von der Lizenznehmerin – einzeln oder als Bestandteil von Rennbahnsets – verkauften A1 abhängig. Der Absatzerfolg der Klägerin als Lizenzgeberin hängt damit vom Absatzerfolg des lizenzierten Produkts ab.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">(2.1)Ohne Erfolg wendet die Beklagte hiergegen ein, die Lizenzeinnahmen der Klägerin hingen nicht davon ab, wie viele Automodelle von den Konsumenten gekauft würden. Die C GmbH mag zwar nur an Händler bzw. deren Einkaufsgenossenschaften und nicht unmittelbar an Endverbraucher verkaufen. Die Anzahl der von den Händlern/Einkaufsgenossenschaften bei der C GmbH bestellten A1 und/oder Rennbahnsets hängt jedoch wiederum von der Anzahl der von den Endverbrauchern erworbenen Produkte ab.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">(2.2)</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Die „E“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2010, 726) hat das Landgericht mit Recht nicht als einschlägig angesehen.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall wandte sich ein bekannter Automobilhersteller aus einer unter anderem für Landfahrzeuge und Spielzeuge eingetragenen Marke gegen die Verwendung seiner Marke auf einem Spielzeugmodellauto der Beklagten, das ein verkleinertes Abbild eines Kraftfahrzeuges des Automobilherstellers darstellte, wobei die Marke an vorbildgetreuer Stelle angebracht war. Das Spielzeugauto wurde in einer durchsichtigen Verpackung angeboten, in der sich eine sichtbare Gebrauchsbeschreibung, auf deren Vorderseite das Zeichen der Beklagten „angebracht war; auf der – ebenfalls sichtbaren – Rückseite waren die Firmenbezeichnung und der Sitz der Beklagten angegeben. Der Bundesgerichtshof hat eine Verletzung der Klagemarke nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG verneint. Begründet hat er dies damit, dass die Herkunftsfunktion der Marke nicht verletzt sei, wenn ein Spielzeugauto als maßstabgetreu verkleinertes Modell eines real existierenden Vorbildfahrzeuges einschließlich der auf dem Vorbildfahrzeug angebrachten Marken hergestellt werde, da der Verkehr das Modell als originalgetreue Nachbildung und die Marke nicht als Hinweis auf den Hersteller des Spielzeugautos, sondern allenfalls als Hinweis auf den Hersteller des Vorbildfahrzeuges verstehe (GRUR 2010, 726 Rn. 19 ff.). Für eine Verletzung anderer Funktionen als der Herkunftsfunktion der für Spielzeug eingetragenen Marke sei im zu entscheidenden Fall nichts ersichtlich. Insbesondere werde deren Qualitäts-, Werbe-, Kommunikations- oder Investitionsfunktion durch die Verwendung des Klagezeichens auf dem Modellauto der Beklagten nicht beeinträchtigt, weil das Zeichen vom Verkehr schon nicht mit von dem klagenden Automobilhersteller hergestellten Spielzeugautos in Verbindung gebracht werde (GRUR 2010, 726 Rn. 25). Verneint hat der Bundesgerichtshof auch eine Markenverletzung nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG. Er hat die Ausführungen des Vordergerichts hierzu gebilligt, wonach von einer Rufausnutzung „in unlauterer Weise” im Sinne dieser Vorschrift nur dann gesprochen werden könne, wenn über die bloße wirklichkeitsgetreue Abbildung hinaus in anderer Weise versucht werde, den Ruf, den das Kraftfahrzeug des klagenden Automobilherstellers genieße, werblich zu nutzen. Da dies bei dem Vertrieb der Spielzeugautos der Beklagten unterbleibe, diese vielmehr ihre eigenen Marken verwende und sich jeglicher Zusammenhang allein aus der spielzeughaft verkleinerten Nachbildung des Originals zwangsläufig wie beiläufig ergebe, fehle es an dem Merkmal der unlauteren Ausnutzung (GRUR 2010, 726 Rn. 25). Der klagende Automobilhersteller – so der Bundesgerichtshof – habe das mit der wirklichkeitsgetreuen Nachbildung notwendigerweise verbundene Maß an Verwechslungsgefahr hinzunehmen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts beschränke sich der Zusammenhang, den die Beklagte mit ihrem Produkt zu der Marke des Automobilherstellers herstelle, auf Bezüge, die sich aus der Nachbildung des Originals zwangsläufig ergäben (GRUR 2010, 726 Rn. 30).</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Die vorliegende Sachverhaltskonstellation ist – wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist – gänzlich anders gelagert.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Die Lizenznehmerin der Klägerin verwendet die Marken der Klägerin nicht nur auf den von ihr vertriebenen A1. Wie sich z.B. aus der Anlage rop 9 ergibt, benutzt die C GmbH vielmehr auch auf der Produktverpackung ihrer „D“-Rennbahnen sowohl die Bildmarke des steigenden Pferdes als auch den Originalschriftzug „F“. Außerdem gibt sie auf der Produktverpackung an, dass es sich bei dem angebotenen Produkt um ein „Official Licensed Product“ handelt, wobei sich auf der Verpackung auch folgender weiterer Hinweis findet: „Produced under licence of F SpA“. Die Verwendung der Marken der Klägerin durch die Lizenznehmerin der Klägerin beschränkt sich damit nicht auf die Verwendung der Marke(n) auf den von ihr angebotenen Spielzeugautomodellen, sondern geht hierüber hinaus, indem die C GmbH die Marken der Klägerin auch auf der Produktverpackung verwendet. Nach dem mit der Klägeringeschlossenen Lizenzvertrag darf die C GmbH die Marken und Modelle der Klägerin überdies generell für den „Vertrieb“, die „Werbung“ und „Verkaufsförderung“ ihrer Slot-car-Produkte verwenden. Hierunter fällt nicht nur die Verwendung der Marken der Klägerin auf Verpackungen, sondern auch in der Werbung (z.B. Anzeigen). Der Hinweis der C GmbH, dass es sich bei den angebotenen Produkten um „offizielle Lizenzprodukte“ handelt, wäre im Übrigen bereits aus wettbewerbsrechtlichen Gründen unzulässig, wenn die C GmbH nicht über eine entsprechende Nutzungserlaubnis der Klägerin verfügen würde.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Abgesehen davon kommt es vorliegend nicht einmal entscheidend darauf an, ob und inwieweit die C GmbH ohne eine entsprechende Lizenz der Klägerin deren Marken verletzen würde und welche Ansprüche der Klägerin ohne eine entsprechende Erlaubnis gegen ihre Lizenznehmerin zustehen würde. Zwischen der Klägerin und der C GmbH besteht ein Lizenzvertrag. Unter den gegebenen Umständen ist davon auszugehen, dass dieser von den Vertragsparteien auch praktiziert wird, die Lizenznehmerin mithin die vereinbarten Lizenzgebühren an die Klägerin entrichtet. Zum einen haben die Lizenzvertragsparteien den Lizenzvertrag nach der von der Beklagten in Bezug genommenen „E“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs bereits zweimal bestätigt, nämlich in den Jahren 2011 und 2015 (Anlagen rop 14a und 14b). Zum anderen kann nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass ein weltbekanntes Automobilunternehmen wie die Klägerin es andernfalls nicht hinnehmen würde, dass die C GmbH die angebotenen Produkte mit ihren Marken kennzeichnet und damit wirbt, dass es sich bei ihren Produkten um ein von der Klägerin lizenziertes Produkt handelt. Darüber hinaus trägt die Beklagte, wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat (Schriftsatz v. 19.01.2018, S. 7 [Bl. 49]), in einem vor dem Landgericht Frankfurt anhängigen Markenverletzungsprozess selbst vor, dass die Klägerin gegenüber Modellherstellern Lizenzzahlungen in Höhe mehrerer Millionen Euro jährlich durchsetzt. Die Klägerin ist damit Lizenzgeberin und ihr Absatzerfolg als solche hängt faktisch vom Absatzerfolg der Produkte der anderen Vertragspartei ab. Zur Begründung eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses reicht dies aus. Für die Eigenschaft als Mitbewerber kommt es nämlich allein auf das <em>tatsächliche</em> Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses an (BGH, GRUR 2005, 519, 520 – Vitamin-Zell-Komplex). Es ist grundsätzlich sogar unerheblich, ob die unternehmerische Tätigkeit im Einzelfall rechtlich erlaubt ist (vgl. BGH, GRUR 2005, 519, 520 – Vitamin-Zell-Komplex; Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, a.a.O., § 2 Rn. 27 m. w. N.). Selbst derjenige, der sein Unternehmen oder seinen Produktabsatz in rechtlich unzulässiger Weise betreibt, kann daher ein schutzwürdiges Interesse an der Unterbindung unlauteren Wettbewerbs durch Mitbewerber haben, zumal dadurch auch das Allgemeininteresse an unverfälschtem Wettbewerb geschützt wird (BGH GRUR 2005, 519, 520 – Vitamin-Zell-Komplex). So kann z.B. sogar der Hersteller eines Produkts, dessen Vertrieb unzulässig ist, Ansprüche gegen einen Mitbewerber unter dem Gesichtspunkt des „ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes“ geltend machen (BGH, GRUR 2005, 519, 520 – Vitamin-Zell-Komplex; Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 2 Rn. 27). Lediglich bei der Beurteilung der Frage, ob dem Anspruchsteller ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht, ist gegebenenfalls zu berücksichtigen, dass ein tatsächlich zu erwartender Gewinn dann nicht ersatzfähig ist, wenn er nur durch Verletzung eines gesetzlichen Verbots oder mit rechtswidrigen Mitteln hätte erzielt werden können (BGH, GRUR 2005, 519, 520 – Vitamin-Zell-Komplex). Ein derartiges Handeln steht hier jedoch nicht in Rede.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Hinzu kommt schließlich, dass der C GmbH nach dem mit der Klägerin geschlossenen Lizenzvertrag auch die Verwendung der „Modelle“ der Klägerin gestattet ist.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Lizenziert sind damit auch die Geschmacksmuster der Klägerin, die die Gestaltung von Fahrzeugmodellen der Klägerin schützen. Wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, lässt sie alle ihre neuen Fahrzeugmodelle durch eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster schützen. Die lizenzierten Modelle sind in der Anlage E des Lizenzvertrages aufgeführt.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">2.</span>Wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, ist die beanstandete Werbung derBeklagten irreführend (§ 5 Abs. 1 UWG).</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Durch den Hinweis auf das „DE-Patent 197 41 XXX.5-09“ bzw. das „DE-Patent 197 41 XXX“ behauptet die Beklagte einen Patentschutz für die von ihr angebotenen Spielzeugautos, der tatsächlich nicht besteht, weil das deutsche Patent 197 41 XXX, das die alleinige Rechtfertigung für den unternommenen Patenthinweis sein könnte, zum Zeitpunkt des Werbeauftritts unstreitig erloschen war, und zwar bereits zum 03.04.2007 wegen Nichtzahlung der fälligen Jahresgebühr. Entsprechendes gilt für den Hinweis auf einen „patentierten Stromabnehmer“, welcher Hinweis sich allein auf das vorgenannte Patent beziehen kann. Der jeweilige Werbehinweis ist damit irreführend.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Im Allgemeinen wird der Hinweis auf ein Patentrecht nämlich dahingehend verstanden, das Produkt sei im Ganzen oder in Teilen gegen Nachahmung geschützt, biete in bestimmter Beziehung Neues und weise Vorzüge auf gegenüber gleichartigen Erzeugnissen anderer Hersteller, für die ein Schutzrecht nicht besteht (vgl. BGH, GRUR 1961, 241 – Socsil; GRUR 1964, 144 – Sintex; GRUR 1984, 741 – Patented; Senat, GRUR-RR 2014, 1, 2 – Schneeschieber). Wird unter Hinweis auf ein bestimmtes Patent für eine Ware geworben, versteht der Verkehr dies demgemäß dahin, dass das angegebene Patent tatsächlich besteht. Ebenso versteht der Verkehr die Bewerbung einer Ware als„patentiert“ als Hinweis auf ein bestehendes Patent (vgl. Senat, GRUR-RR 2014, 1, 2; Bornkamm/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 5 Rn. 4.128). DasPatent, auf das sich der Werbende in der Werbung beruft, muss daher tatsächlich erteilt und seine Schutzdauer darf noch nicht abgelaufen sein (Senat, GRUR-RR 2014, 1, 2; Bornkamm/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 5 Rn. 4.127). Nach Ablauf der Schutzfrist bzw. Erlöschen des Patents darf deshalb grundsätzlich nicht mehr auf einen Patentschutz hingewiesen werden (vgl. Benkard/Ullmann/Deichfuß, PatG, 11. Aufl., § 146 Rn. 28).</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Dies gilt auch im Streitfall, zumal sich die Werbung der Beklagten an private Endverbraucher richtet. Diese verstehen die beanstandeten Patenthinweise der Beklagten mangels anderweitiger Angaben dahin, dass die angebotenen Spielzeugautos durch das angegebene deutsche Patent geschützt sind. Hingegen entnehmen sie der Werbung der Beklagten nicht, dass es sich bei dem betreffenden Patent bloß um ein der Beklagten einmal erteiltes, zwischenzeitlich erloschenes Patent handelt. Der gegenteiligen Beurteilung der Beklagten kann nicht gefolgt werden. Soweit die Beklagte meint, das angesprochene Publikum entnehme dem beanstandeten Patenthinweis lediglich die Aussage, dass ein Patent wirksam erteilt worden sei und die dem Patent zugrundeliegende Erfindung zum Zeitpunkt der Patentanmeldung die Patentierungsvoraussetzungen der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit erfüllt habe, übersieht sie, dass der angesprochene Verkehr einen Patenthinweis im Allgemeinen eben auch dahin versteht, dass das betreffende Produkt im Ganzen oder in Teilen durch ein entsprechendes Patent gegen Nachahmung geschützt ist, was bei einem bereits erloschenen Patent nicht der Fall ist. Ergänzend wird in diesem Zusammenhang auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen, denen sich der Senat in vollem Umfange anschließt.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">3.</span>Dass die Beklagte im Hinblick auf den vorstehend dargelegten Wettbewerbsverstoß zur Unterlassung und, weil sie zumindest fahrlässig gehandelt hat, auch zum Schadenersatz verpflichtet ist und der Klägerin, um ihr die Berechnung ihres Schadensersatzanspruchs zu ermöglichen, Auskunft über ihre wettbewerbswidrigen Handlungen zu erteilen hat, und sie der Klägerin außerdem Anwaltskosten für das Abmahnschreiben und für das Abschlussschreiben zu erstatten hat, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt. Auf diese Ausführungen, welche von der Berufung nur in Bezug auf den der Berechnung der vorgerichtlichen Anwaltskosten jeweils zugrunde gelegten Gegenstandswert gesondert angegriffen werden, wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen mit der Maßgabe, dass die Klägerin von der Beklagten vorgerichtliche Anwaltskosten nur in der nunmehr zuerkannten Höhe beanspruchen kann. Nach erneuter Prüfung kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerinzugrunde gelegten Gegenstandswerte von 150.000,00 EUR für die Abmahnung und 100.000,00 EUR für das Abschlussschreiben überhöht sind. Zwar liefert die Beklagte nach wie vor keinen substanziierten Vortrag zur Menge der von ihr – einzeln oder konfektioniert mit Autorennbahnen – vertriebenen Spielzeugautos und den hiermit erzielten Umsatz. Andererseits zeigt aber auch die Klägerin keine hinreichenden Umstände auf, die die von ihr zugrunde gelegten hohen Gegenstandswerte rechtfertigen könnten. Im Hinblick auf den nicht zu hoch zu bewertenden Störfaktor des wettbewerbswidrigenPatenthinweises der Beklagten für die Geschäftstätigkeit Klägerin erachtet der Senatunter den gegebenen Umständen einen Gegenstandswert von 50.000,00 EUR für die Abmahnung und 37.500,00 EUR (3/4 von 50.000,00 EUR) für das Abschlussschreiben für ausreichend und angemessen. Unter Zugrundelegung dieser Gegenstandswerte und der vom Landgericht in Ansatz gebrachten Gebührensätze, gegen die die Berufung nichts erinnert, belaufen sich die Abmahnkosten auf 1.764,50 EUR (1.744,50 + 20,00 EUR) und die Kosten für das Abschlussschreiben auf 1.336,90 EUR (1.319,90 + 20,00 EUR). Insgesamt ergibt sich damit ein von der Beklagten zu erstattender Betrag von 3.101,40 EUR.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">                                                                                    <strong><span style="text-decoration:underline">III.</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen ersichtlich nicht vorliegen. Als Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Den Streitwert für das Berufungsverfahren und – in Abänderung der im Urteil des Landgerichts enthaltenen Wertfestsetzung (§ 63 Abs. 3 GKG) – den Streitwert für den ersten Rechtszug hat der Senat aus den bereits angeführten Gründen auf jeweils 50.000,00 EUR festgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">X                                             Y                                          Z</p>
|
161,464 | ovgnrw-2018-12-20-8-b-101818 | {
"id": 823,
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"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
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} | 8 B 1018/18 | 2018-12-20T00:00:00 | 2019-01-16T07:00:19 | 2019-02-12T12:22:36 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2018:1220.8B1018.18.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 25. Juni 2018 wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.</p>
<p>Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf die Wertstufe bis 3.000,- EUR festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e :</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene gerichtliche Interessenabwägung fällt zu ihren Lasten aus. Ihr Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Fahrtenbuchauflage vom 13. April 2018 erhobenen Klage unbegründet ist, nicht durchgreifend in Frage.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht die Fahrtenbuchauflage für rechtmäßig gehalten. Dem setzt die Antragstellerin entgegen, dass eine nachweisbare Zuwiderhandlung nicht vorliege. Das Messergebnis sei mit dem Messgerät TraffiStar S 350 gewonnen worden. Bei diesem Gerät würden in den digitalen Falldatensätzen keine Rohdaten zum eigentlichen Messvorgang gespeichert. Deshalb habe der Betroffene keine Möglichkeit, das Messergebnis zu überprüfen und die Annahme eines standardisierten Verfahrens anzugreifen. Eine Verurteilung im Ordnungswidrigkeitenverfahren wäre deshalb nicht erfolgt. Dieser Einwand verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Behörde, die die Auferlegung eines Fahrtenbuchs prüft, muss ebenso wie das Verwaltungsgericht in einem sich anschließenden Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchauflage alle (objektiven) Tatbestandsmerkmale der Bußgeld- bzw. Strafvorschrift selbstständig prüfen. Dabei genügt es - anders als im Strafprozess -, wenn mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass ein Verkehrsverstoß begangen worden ist. Wenn ein Halter, der ein Fahrtenbuch führen soll, den begangenen Verkehrsverstoß als solchen bestreitet, muss er im Verwaltungs- oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren substantiierte Angaben machen, die seine Schilderung plausibel erscheinen lassen. Geschwindigkeitsmessergebnisse, die mit amtlich zugelassenen Geräten in standardisierten Verfahren gewonnen werden, dürfen dabei nach Abzug der Messtoleranz von Behörden und Gerichten im Regelfall ohne Weiteres zu Grunde gelegt werden; mögliche Fehlerquellen brauchen in einem solchen Fall nur erörtert zu werden, soweit der Einzelfall dazu konkrete Veranlassung gibt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Mai 2018 - 8 A 740/18 -, NWVBl. 2018, 418 = juris Rn. 7 ff. m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Nach der Rechtsprechung des Senats und anderer Obergerichte ist das hier verwendete Geschwindigkeitsmessverfahren mit der Messanlage TraffiStar S 350 ein standardisiertes Messverfahren.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Mai 2018 - 8 A 740/18 -, NWVBl. 2018, 418 = juris Rn. 14 ff.; OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 9. Mai 2017 - IV-3 RBs 56/17, 3 RBs 56/17 -, juris Rn. 6, und vom 31. Januar 2017 - IV-3 RBs 20/17, 3 RBs 20/17 -, juris Rn. 6; OLG Hamm, Beschluss vom 31. März 2016 - 5 RBs 38/16 -, juris Rn. 9; vgl. auch AG Eisenach, Urteile vom 30. März 2017 - 332 Js 1176/17 1 OWi -, juris Rn. 20, und - 311 Js 822/17 1 OWi -, juris Rn. 21; AG Mettmann, Urteile vom 28. März 2017 ‑ 33 OWI 237/16 -, juris Rn. 6, vom 14. März 2017 ‑ 33 OWI 97/16 -, juris Rn. 7 f., vom 14. Februar 2017 - 32 OWi 461/16, 32 OWi 723 Js 1214/16 ‑ 461/16 -, DAR 2017, 401 = juris Rn. 7, und vom 28. September 2016 - 38 OWI 19/16 -, juris Rn. 5.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Ob mit der Rechtsprechung einiger Amtsgerichte eine andere Bewertung deshalb geboten sein könnte, weil das Gerät keinen Zugriff auf die Rohmessdaten und deshalb eine Plausibilitätskontrolle nicht ermögliche,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">vgl. AG Heidelberg, Urteil vom 18. Januar 2018 ‑ 17 OWi 540 Js 21713/17 -, ZfSch 2018, 412 (413), mit krit. Anm. von Krenberger; AG Neunkirchen, Urteil vom 15. Mai 2017 - 19 OWi 534/16 -, n. v.; AG St. Ingbert, Urteil vom 26. April 2017 - 2 OWi 379/16 -, n. v.; AG Stralsund, Urteil vom 7. November 2016 - 324 OWi 554/16 -, juris Rn. 16,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">bedarf keiner Entscheidung.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Zur Bedeutung der Rohmessdaten vgl. nur VerfGH Saarl., Beschluss vom 27. April 2018 - Lv 1/18 -, NZV 2018, 275 = juris Rn. 30 ff.; OLG Bamberg, Beschluss vom 24. August 2017 - 3 Ss OWi 1162/17 -, DAR 2017, 715 = juris Rn. 3; Röß, NZV 2018, 507 ff.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn das hier verwendete Geschwindigkeitsmessverfahren mit der Messanlage TraffiStar S 350 die Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens nicht erfüllen würde, würde dies hier nicht schon für sich genommen die Schlussfolgerung zulassen, dass der vorgeworfene Verkehrsverstoß nicht mit der für den Erlass einer Fahrtenbuchauflage erforderlichen hinreichenden Sicherheit feststehe.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Auch dort, wo kein standardisiertes Geschwindigkeitsmessverfahren angewendet wurde, gilt das Gebot der einfachen, zweckmäßigen und zügigen Durchführung des Verwaltungsverfahrens (§ 10 Satz 2 VwVfG NRW) und richtet sich die Pflicht der Behörde zur Aufklärung des Sachverhalts nach dem Maßstab des Untersuchungsgrundsatzes gemäß § 24 VwVfG NRW.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Deshalb muss die Behörde zwar das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen für den Erlass der Fahrtenbuchauflage prüfen. Die Intensität der Prüfung darf sie aber auf das im jeweiligen Fall gebotene Maß an sachlichem und zeitlichem Aufwand beschränken.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Vgl. Pautsch, in: Pautsch/Hoffmann, VwVfG, 2016, § 24 Rn. 5; Ritgen, in: Knack/Henneke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, § 24 Rn. 33.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Wie in anderen Massenverfahren auch,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 1991 - 1 C 24.90 -, BVerwGE 89, 110 = juris Rn. 19,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">kann dabei auch eine Plausibilitätsprüfung genügen und ist eine weitere Erforschung des Sachverhalts erst auf einen konkreten Anhalt hin geboten.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Vgl. auch Schenk, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl. 2014, § 24 Rn. 26.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">In Verfahren betreffend den Erlass einer Fahrtenbuchauflage verpflichtet deshalb der Amtsermittlungsgrundsatz die Behörde nicht, ohne konkreten Anlass gewissermaßen „ins Blaue hinein“ das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung zu hinterfragen. Dies ist erst dann geboten, wenn der Fahrzeughalter auf Unstimmigkeiten der Messung oder deren Dokumentation hinweist oder auf andere Weise die Möglichkeit eines Messfehlers aufzeigt oder wenn sich der Behörde ohnedies die fehlende Plausibilität der Messung aufdrängen muss.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Dies ist hier nicht der Fall. Weder weckt die aktenkundige Dokumentation Zweifel an der Geschwindigkeitsmessung noch hat die Antragstellerin solche vorgebracht. Ihr Vorbringen beschränkt sich auf den nach dem Vorstehenden nicht genügenden Einwand, das Messverfahren mit dem Gerät TraffiStar S 350 sei kein standardisiertes Messverfahren.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Ob die Antragstellerin noch erkennbar der Sache nach rügt, infolge der Unzugänglichkeit der Rohmessdaten das Messergebnis überhaupt nicht hinreichend in Frage stellen zu können, kann dahinstehen. Dieser Einwand hätte jedenfalls keinen Erfolg. Abgesehen davon, dass es ihr möglich und zumutbar gewesen wäre, sich mit der aktenkundigen Dokumentation der Geschwindigkeitsmessung auseinanderzusetzen, geht aus der vom Antragsgegner vorgelegten Stellungnahme der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt vom 12. September 2016 hervor, dass eine nachträgliche Plausibilitätskontrolle bei dem Messgerät TraffiStar S 350 – unabhängig vom Vorliegen der Rohmessdaten – möglich ist. Dem ist die Antragstellerin nicht entgegengetreten. Überdies hat sie sich im Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht auf Fehler des Messvorgangs, sondern auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Die Befragung der oder des ihr mithin offenbar bekannten Fahrers oder Fahrerin hätte ebenfalls Erkenntnisse über eine etwaige Fehlmessung ergeben können.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Soweit die Antragstellerin im Übrigen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen vollumfänglich Bezug nimmt, genügt dies nicht den Begründungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Dabei legt der Senat für jeden Monat der auf zwölf Monate befristeten Geltungsdauer der Fahrtenbuchauflage einen Betrag in Höhe von 400,- EUR zugrunde (Nr. 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit) und setzt im Hinblick auf die Vorläufigkeit dieses Verfahrens den Streitwert auf die Hälfte des sich daraus ergebenden Betrages fest.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).</p>
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<p>Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.</p>
<p>Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, zu je 1/4.</p><br style="clear:both">
<h1><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></h1>
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. In Verfahren, auf die - wie hier - das Asylgesetz (AsylG) Anwendung findet, ist die Berufung nur zuzulassen, wenn einer der in § 78 Abs. 3 AsylG aufgeführten Zulassungsgründe geltend gemacht und den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechend dargelegt wird. Daran fehlt es hier.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">1. Aus der Antragsbegründung ergibt sich zunächst nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes erforderlich, dass die entsprechende Frage aufgeworfen und substantiiert ausgeführt wird, warum sie für entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Eine auf tatsächliche Verhältnisse gestützte Grundsatzrüge erfordert überdies die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind. Insoweit ist es Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung von bestimmten begründeten Informationen, Auskünften, Presseberichten oder sonstigen Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Bewertungen in der Zulassungsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Juli 2018 - 9 A 2789/17.A -, juris Rn. 4 f. m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Diesen Darlegungserfordernissen genügt die Antragsbegründung der Kläger nicht. Unabhängig davon, ob die unter Hinweis auf „die tatsächlich lebensbedrohliche Situation für kurdische Peschmerga-Kämpfer im irakischen Kurdengebiet“ als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage, ob</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">„irakische Kurden in den von ihnen bewohnten Kurdengebieten im Irak durch die irakische Armee verfolgt“ sind,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">in dieser Allgemeinheit überhaupt einer grundsätzlichen Klärung zugänglich ist, legen die Kläger jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit nicht dar. Der Hinweis auf Berichte „kurdische(r) Medien“, wonach sich seit der Durchführung des Unabhängigkeitsreferendums im September 2017 in den irakischen Kurdengebieten tausende Peschmerga in Alarmbereitschaft befänden und mit einem Angriff der irakischen Armee rechneten, reicht insoweit nicht aus. Denn die Kläger legen nicht dar, dass und inwiefern die von ihnen beschriebene (tatsächliche) Lage im Nordirak flüchtlingsrechtliche Relevanz hat. Die Antragsbegründung verhält sich nicht zu den rechtlichen Voraussetzungen einer Schutzgewährung, insbesondere nicht dazu, dass und warum eine - an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) anknüpfende - Verfolgung aller irakischer Kurden bzw. aller Peschmerga-Kämpfer durch die irakische Armee oder die Voraussetzungen des § 4 AsylG oder des § 60 Abs. 5 und/oder Abs. 7 AufenthG vorliegen sollten. Sie geht auch nicht darauf ein, dass es bei der Beurteilung der Gefährdungswahrscheinlichkeit maßgeblich auf die Herkunftsregion der aus Zakho stammenden Kläger ankommt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Soweit die Kläger weiter meinen, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass sie in der Region Kurdistan-Irak internen Schutz erlangen könnten, denn die Verhältnisse dort seien entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht mehr stabil und in den kurdischen Gebieten würde eine Vielzahl kurdischer Familien von der Zentralarmee verfolgt, wenden sie sich der Sache nach gegen die inhaltliche Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Mit Einwänden gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts kann die Grundsatzrüge jedoch ohnehin nicht begründet werden.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">2. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (Zulassungsgrund gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 VwGO) zuzulassen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Kläger machen geltend, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht ihren in der mündlichen Verhandlung überreichten schriftlichen Beweisantrag,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">„Beweis zu erheben zu folgenden Fragen:</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Droht irakischen Staatsangehörigen kurdischer Volkszugehörigkeit, welche als Peschmerga-Kämpfer tätig waren und desertiert sind, bei Rückkehr in ihr Heimatland</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">a)      die Todesstrafe?</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">b)      die zwangsweise Wiederrekrutierung und zwangsweise Einsätze in Kampfgebieten?</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">c)      eine über fünfjährige Haftstrafe (Freiheitsstrafe)?</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">durch Auskunft des Auswärtigen Amtes, Werderscher Markt 1 in Berlin“,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">als Hilfsbeweisantrag gewertet; bei dem Beweisantrag habe es sich vielmehr um einen Hauptbeweisantrag gehandelt. Dies stelle einen erheblichen schwerwiegenden Rechtsfehler dar. Die vom Verwaltungsgericht in den schriftlichen Urteilsgründen gegebene Begründung zur Ablehnung des Beweisantrags finde zudem im Prozessrecht keine Stütze. Das Verwaltungsgericht habe den Beweisantrag nicht unter Hinweis auf eine gesicherte Auskunftslage zur Beurteilung der Folgen der Desertion eines Peschmerga-Kämpfers ablehnen dürfen. Es sei die ACCORD Anfragebeantwortung zum Irak vom 3. Juni 2016 „Folgen einer Desertion von der irakischen Armee“ (a-9672) zu berücksichtigen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Aus diesem Vorbringen ergibt sich jedoch kein zur Zulassung der Berufung führender Verfahrensmangel.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung einen schriftlich formulierten Beweisantrag überreicht, ohne zugleich dessen förmliche Protokollierung zu beantragen oder auf eine Protokollierung dieses (Prozess-)Antrags hinzuwirken.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Vgl. dazu, dass ein Beweisantrag nach § 86 Abs. 2 VwGO zu den wesentlichen, in das Sitzungsprotokoll aufzunehmenden Vorgängen gehört: BVerwG, Beschluss vom 2. November 1987 - 4 B 204.87 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 32, juris Rn. 2 sowie Beschluss vom 28. Dezember 2011 - 9 B 53.11 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 32, juris Rn. 6; kritisch hierzu und differenzierend zwischen Sach- und Prozessanträgen Rixen, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 86 Rn. 90 ff.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Einzelrichterin hat den Antrag zur Kenntnis genommen; sodann hat sie zwei Auskünfte, die die aufgeworfene Beweisfrage betreffen, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht und dem Prozessbevollmächtigten der Kläger Gelegenheit gegeben, diese einzusehen. Anschließend haben die Kläger ihren Sachantrag gestellt, und die mündliche Verhandlung ist geschlossen worden, nachdem die Erschienenen Gelegenheit gehabt hatten, ihren Antrag abschließend zu begründen. Die Einzelrichterin hat den Beweisantrag ausweislich der Ausführungen in den Entscheidungsgründen (vgl. Seite 10 des Urteilsabdrucks) als sog. Hilfsbeweisantrag ausgelegt, über den - anders als über einen in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zu Protokoll gegebenen (unbedingten Haupt-)Beweisantrag i. S. d. § 86 Abs. 2 VwGO - nicht vorab in der mündlichen Verhandlung durch begründeten Beschluss zu entscheiden war.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Vgl. zu den Anforderungen an einen förmlichen Beweisantrag im Sinne von § 86 Abs. 2 VwGO: W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 86 Rn. 18a ff. m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Es kann dahinstehen, ob die Auslegung des Beweisantrags als Hilfsbeweisantrag - und die damit verbundene Bescheidung erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung in den schriftlichen Urteilsgründen - angesichts der Gesamtumstände, insbesondere des Ablaufs der mündlichen Verhandlung, im Ergebnis vertretbar war.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Denn jedenfalls führt ein etwaiger Verstoß gegen § 86 Abs. 2 VwGO für sich genommen nicht zur Zulassung der Berufung. Ein solcher Verstoß stellt nämlich keinen Verfahrensmangel i. S. d. von § 78 Abs. 3 AsylG in Bezug genommenen § 138 VwGO dar; es handelt sich nicht um einen sog. absoluten Revisionsgrund.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. September 1977 - V CB 68.874 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 20, juris Rn. 13.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Entsprechendes gilt für eine etwaige Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO, die im konkreten Fall darin liegen dürfte, dass das Verwaltungsgericht es unterlassen hat, auf die Klarstellung des aus seiner Sicht jedenfalls auslegungsbedürftigen (Beweis-)Antrags hinzuwirken. Die Verletzung der Hinweispflicht des § 86 Abs. 3 VwGO zählt ebenfalls nicht zu den in § 138 VwGO genannten absoluten Revisionsgründen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">(Etwaige) Verstöße gegen § 86 Abs. 2 und Abs. 3 VwGO führen allerdings dann zu einem nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 VwGO beachtlichen Verfahrensfehler, wenn sie mit einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (vgl. § 138 Nr. 3 VwGO) verbunden sind.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Vgl. Fritz/Vormeier (Hrsg.), GK-AsylG, Stand: August 2016, § 78 Rn. 283 f.; Bay.VGH, Beschluss vom 24. Juli 2017 - 11 ZB 17.30821 -, juris Rn. 8.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Das haben die Kläger mit der Antragsbegründung indessen nicht dargelegt.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Sie können eine Gehörsverletzung im Zulassungsverfahren schon deshalb nicht mit Erfolg geltend machen, weil diesbezüglich ein Rügeverlust eingetreten ist. Denn auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs kann sich nicht berufen, wer die im konkreten Fall gegebenen prozessualen Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, nicht genutzt hat. Voraussetzung einer begründeten Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs ist nämlich die (erfolglose) vorherige Ausschöpfung sämtlicher verfahrensrechtlich eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. August 2008 - 1 B 3.08 -, Buchholz 310 § 138 Nr. 3 VwGO Nr. 70, juris Rn. 9 m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Danach hätte es den in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertretenen Klägern,</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">zu den unterschiedlichen Rügeanforderungen bei vor dem Verwaltungsgericht anwaltlich vertretenen und ohne Anwalt anwesenden Beteiligten vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, a. a. O., § 124 Rn. 213,</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">oblegen, vor Stellung des Klageantrags, allerspätestens im Rahmen ihrer abschließenden Stellungnahme vor förmlicher Schließung der mündlichen Verhandlung, auf eine Bescheidung des Beweisantrags durch einen zu begründenden Beschluss zu dringen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 3. März 1997 - 12 UZ 4835/96.A -, AuAS 1997, 163, juris Rn. 6 ff; BFH, Beschluss vom 31. Januar 1989 - VII B 162/88 -, BFHE 155, 498, juris Rn. 8 ff.; Stuhlfauth, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/v. Albedyll, VwGO, 7. Auflage 2018, § 124 Rn. 62; Seibert, in: Sodan/Ziekow, a. a. O., § 124 Rn. 214 und 216.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Ungeachtet dessen haben die Kläger im Zulassungsverfahren schließlich auch nicht dargelegt, dass die Ablehnung des Beweisantrags durch das Verwaltungsgericht im Prozessrecht keine Stütze findet und deshalb ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Das Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag mit zwei selbständig tragenden Erwägungen abgelehnt: Zum einen lägen dem Gericht (im Urteil näher bezeichnete) Erkenntnisse vor, die eine hinreichend sichere Beurteilung der Folgen der Desertion eines Peschmerga-Kämpfers zuließen; zum anderen stellten mögliche strafrechtliche Sanktionen keine Verfolgungshandlung im flüchtlingsrechtlichen Sinne dar. Zu letztgenanntem Ablehnungsgrund verhält sich die Antragsbegründung schon nicht und genügt damit nicht dem Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG. Es fehlt an jeglicher inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass etwaige Sanktionen wegen des unerlaubten Entfernens von den Streitkräften der Peschmerga keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung darstellen, weil sie nur der Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht dienen, und nicht darüber hinaus den Kläger zu 1. auch wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen Merkmals treffen sollen. Aber auch in Bezug auf den erstgenannten Ablehnungsgrund haben die Kläger eine Gehörsverletzung nicht dargelegt. Der bloße Hinweis auf die ACCORD-Anfragebeantwortung vom 3. Juni 2016 ist schon deshalb nicht ausreichend, weil diese Auskunft eine andere Fallkonstellation, nämlich die Desertion von der irakischen Armee betrifft. Der Kläger zu 1. hat aber vorgetragen, von den kurdischen Peschmerga desertiert zu sein.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Sollten die Kläger mit ihrem (sinngemäßen) Vorbringen, es läge entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keine gesicherte Auskunftslage zur Frage der Folgen einer Desertion von Peschmerga-Angehörigen vor und es hätte deshalb der Einholung einer Auskunft des Auswärtigen Amtes bedurft, die Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht rügen wollen, bliebe diese Rüge ebenfalls ohne Erfolg. Eine etwaige Verletzung der dem Gericht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO obliegenden Aufklärungspflicht gehört nämlich ebenfalls nicht zu den in § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 VwGO bezeichneten Verfahrensmängeln, bei deren Vorliegen die Berufung zuzulassen ist.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO und § 83b AsylG.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).</p>
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161,462 | olgd-2018-12-20-6-u-21516 | {
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<p><strong>I.</strong> Die Berufung der Nebenintervenienten zu 1) und 2) gegen das Anerkenntnisurteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 23.09.2016 (33 O 63/16) wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Nebenintervenienten zu 1) und 2) jeweils zu 50 %. Die außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenientinnen zu 3) bis 7) tragen diese selbst.</p>
<p>Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den Nebenintervenienten zu 1) und 2) wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.</p>
<p><strong>II.</strong> Die Revision wird zugelassen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Gründe</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">                                                                                        <strong><span style="text-decoration:underline">I.</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 21.07.2016 unter Top 9 gefassten Beschlusses über die Bestellung eines besonderen Vertreters zur Geltendmachung der von der Hauptversammlung am 16./17.07.2015 zur Geltendmachung beschlossenen Ersatzansprüche.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft mit Sitz in Stadt 1. Gegenstand des Unternehmens der Beklagten, die als Konzernobergesellschaft der X1-Unternehmensgruppe fungiert, ist u.a. der Betrieb von Hotels und anderen gastronomischen Betrieben im In- und Ausland und zwar insbesondere durch die Errichtung von Unternehmen oder der Beteiligung an anderen Unternehmen im In- und Ausland. Das Grundkapital der Beklagten beträgt 51.480.000,00 EUR und ist eingeteilt in 19.800.000 Stückaktien. Größte Aktionärin der Beklagten ist die Klägerin, welche der ebenfalls in der Hotellerie- und Touristikbranche tätigen X2-Gruppe angehört, mit 10.327.560 Stückaktien entsprechend 52,16% der Aktien der Beklagten. Zweitgrößte Aktionärin ist mit einem Anteil von 33,80% der Aktien die Nebenintervenientin und Berufungsklägerin zu 1), die X3 Beteiligungs GmbH (im Folgenden: X3). Der Nebenintervenient und Berufungskläger zu 2) ist der mit (angefochtenem) Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 16./17.07.2015 zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen bestellte und mit (ebenfalls angefochtenem) Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 21.07.2016 zu Top 7 abberufene besondere Vertreter der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Hintergrund des streitgegenständlichen Hauptversammlungsbeschlusses ist die am 12.02.2015 im Wege einer Ad-hoc Mitteilung (Anlage K 23) bekanntgegebene - und mit Zustimmung der Hauptversammlung vom 16./17.07.2015 (Anlage K 9) umgesetzte - Absicht der Beklagten, die Anteile an der ein Hotel auf ..... betreibenden A zu einem Kaufpreis von 34 Mio. EUR von der X2-Gruppe zu erwerben. Vor der Hauptversammlung vom 16./17.07.2015 hatte die X3 ein Tagesordnungsergänzungsverlangen an die Beklagte gerichtet, welches der Vorstand der Beklagten durch Einstellen in den Bundesanzeiger bekannt gemacht hat (Anlage K 8). Gegenstand der um Top 10 und Top 11 erweiterten Tagesordnung waren, soweit hier von Bedeutung, zum einen die „Bestellung eines Sonderprüfers zur Prüfung von Vorgängen bei der Geschäftsführung sowie bei der Überwachung durch den Aufsichtsrat im Zusammenhang mit dem Erwerb der Anteile an der A“ und zum anderen „Beschlussfassungen gemäß      § 147 Abs. 1 AktG über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen“ der Beklagten „gegen die aktuellen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrates“ sowie u.a. gegen die Klägerin „im Zusammenhang mit dem Erwerb der Anteile an der A“ und „über die Bestellung eines besonderen Vertreters zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen gem. § 147 Abs. 2 AktG“. Nach der Darstellung des zu untersuchenden Sachverhalts heißt es zum Zweck des Antrages zu Top 10 in dem Ergänzungsverlangen (Anlage K 8) unter 2. u.a.:</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">„Der dargestellte Sachverhalt wirft die Frage auf, ob sich die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der X1 pflichtgemäß verhalten oder ob sie ihre Pflichten verletzt haben und der X1 deshalb zum Schadensersatz verpflichtet sind. Dem soll der Sonderprüfer nachgehen. Er soll dabei vor allem die tatsächlichen Grundlagen eventueller Schadensersatzansprüche, insbesondere solcher nach §§ 93, 116, 117, 317, 318 AktG, im Zusammenhang mit dem unter Ziff. 1. dargestellten Sachverhalt aufklären. Er soll insbesondere folgenden Fragen nachgehen:</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">e) Der Vorstand hat der Hauptversammlung die o.g. Unternehmensbewertung durch B vorlegen lassen. Ist diese lege artis? Insbesondere, entspricht der ermittelte Wert der A von € 31-36 Mio. dem tatsächlichen Wert dieser Gesellschaft? Dieser Frage ist insbesondere nachzugehen im Hinblick auf folgende Teilaspekte:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">- B hat erklärtermaßen keinerlei Überprüfung der zur Bewertung bereitgestellten Informationen vorgenommen. Treffen die der Bewertung zu Grunde gelegten Informationen zu?</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">- Nach S. 22 liegt der Bewertung offenbar nur eine von B selbst angefertigte Unternehmensplanung zugrunde. Ähnlich weist B auf S. 45 darauf hin, die prognostizierten Liquiditätsüberschüsse seien auf „Grundlage der Umsatzprognosen (aus Sicht eines potentiellen Käufers) und der entsprechend dem Sektor und den Hotelmerkmalen berücksichtigten Kosten“ ermittelt. Offensichtlich hat B also nicht eine unternehmensinterne Unternehmensplanung verwendet, diese plausibilisiert und daraus die Bewertung abgeleitet. Ist das ein zutreffendes Verfahren? Was sind die Gründe dafür, dass nicht die unternehmenseigenen Umsatzprognosen und Kostenprognosen der zu erwerbenden Gesellschaft zu Grunde gelegt oder berücksichtigt wurden? Weicht die Unternehmensplanung von B ggf. von der unternehmensinternen Bewertung ab? Ist diese Abweichung gerechtfertigt? Zu welchem Unternehmenswert würde die Anwendung der unternehmensinternen Unternehmensplanung führen?</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">- Sind die vergleichbaren Transaktionen zutreffend ausgewählt und bewertet?</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">- Sind die der Bewertung zu Grunde gelegten Bewertungsfaktoren, insbesondere Diskontierungssatz und WACC- sowie Marktrisikoprämie, zutreffend gewählt?“</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung des Antrages zu Top 11 und zu den Umständen, aus denen sich die anspruchsbegründenden Pflichtverletzungen ergeben, verweist die X3 auf die Ausführungen zu Top 10 unter Ziff.1. Sodann heißt es:</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die geltend zu machenden Ersatzansprüche bestehen insbesondere im Folgenden:</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">c) Vorstand und Aufsichtsrat haben offensichtlich, veranlasst durch den herrschenden Mehrheitsaktionär der auf den 16./17. Juli 2015 einberufenen Hauptversammlung, den Erwerb der A zum Kaufpreis von € 34 Mio. vorgeschlagen. Der Kaufpreis ist deutlich überhöht. Dadurch soll dem herrschenden Mehrheitsaktionär auf dessen Veranlassung verdeckt Vermögen der Gesellschaft zugewendet werden. Sollte die Hauptversammlung den vom Vorstand und Aufsichtsrat nach § 124 Abs. 3 S. 1 AktG vorgeschlagenen Beschluss fassen, wäre ein solcher nichtig, jedenfalls nach § 243 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 AktG anfechtbar und aufgrund eines entsprechenden Anfechtungsurteils mit ex-tunc-Wirkung nichtig. Die aus der Vorbereitung und Umsetzung des Hauptversammlungsbeschlusses ergebenen (Anmerkung des Senats: Gemeint ist offensichtlich ergeben<span style="text-decoration:underline">d</span>en) Ersatzansprüche der Gesellschaft insb. wegen des Über-Wert-Erwerbes sind geltend zu machen.“</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Hauptversammlung vom 16./17.07.2015 fasste zu Top 1 den Beschluss, der Geschäftsführung der Beklagten die Zustimmung zu dem Ankauf der Anteile an der A zu erteilen. U.a. diese Beschlussfassung ist Gegenstand einer Klage (Landgericht Düsseldorf 40 O 75/15). Die Bestellung eines Sonderprüfers (Top 10) lehnte die Hauptversammlung ab. Nachdem für Top 11 getrennte Beschlussfassung angeordnet worden war, beschloss die Hauptversammlung der Beklagten vom 16./17.07.2015 zu Top 11 b) cc) die Bestellung von C, dem Nebenintervenienten und Berufungskläger zu 2), zum besonderen Vertreter für die „Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen die D und die X2 und die jeweiligen Obergesellschaften im Zusammenhang mit dem Erwerb der Anteile an der A“ durch die Beklagte (Anlage K 9).</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">C hat seine Tätigkeit als besonderer Vertreter der Beklagten nach § 147 Abs. 1 AktG noch im Jahr 2015 aufgenommen, die Einzelheiten stehen im Streit. Er erwirkte in seiner Eigenschaft als besonderer Vertreter nach § 147 AktG gegen die Beklagte und ihre Vorstandsmitglieder die durch Teilurteil des LG Duisburg vom 09.06.2016 erlassene einstweilige Verfügung (Anlage MP6), mit welcher die Herausgabe verschiedener Unterlagen aufgegeben wurde.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 21.07.2016 erfolgte mit Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger am 08.06.2016 (Anlage K 11). Unter Top 7 schlugen der Vorstand und der Aufsichtsrat der Beklagten „im Kosteninteresse der Gesellschaft“ vor, die von der Hauptversammlung am 17.07.2015 beschlossene Bestellung des besonderen Vertreters und seines Vertreters mit sofortiger Wirkung zu widerrufen. Zur Begründung heißt es u.a.:</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">„Der besondere Vertreter hat unverzüglich nach seiner Bestellung seine Tätigkeit aufgenommen ….Trotz der unverzüglichen Aufnahme seiner Tätigkeit hat der besondere Vertreter bis zum heutigen Tag keine Ersatzansprüche geltend gemacht. Der besondere Vertreter hat vielmehr angekündigt, eine Vielzahl von kostenintensiven Gutachten in Auftrag geben zu wollen. Sowohl die Fristversäumnis als auch die Gutachtenaufträge indizieren, dass die antragstellende Aktionärin X3 Beteiligungs GmbH die Pflichtverletzungen zu den angeführten Sachverhalten nur ins Blaue hinein behauptet hat und nunmehr im Wege von Gutachten erstmals überhaupt Anhaltspunkte für Pflichtverstöße ermittelt werden sollen.“</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die X3 begehrte daraufhin die Ergänzung der Tagesordnung um Top 8 „Bericht des besonderen Vertreters“, Top 9 „Bestellung eines besonderen Vertreters zur Geltendmachung der von der Hauptversammlung am 17.07.2015 zur Geltendmachung beschlossenen Ersatzansprüche“ und Top 10 (ergänzende) „Beschlussfassungen gemäß § 147 Abs. 1 AktG über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen“ der Beklagten „gegen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrates im Zusammenhang mit dem Erwerb der Anteile an der A“ und „über die Bestellung eines besonderen Vertreters zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen gem. § 147 Abs. 2 AktG“. Zur Begründung des Antrages zu Top 9 wird u.a. auf eine Behinderung der Arbeit des besonderen Vertreters durch die Verwaltungsorgane der Beklagten und auf die Ausführungen des Landgerichts Duisburg in der Entscheidung vom 09.06.2016 (Anlage MP6) verwiesen. Der Vorstand hat auch dieses Ergänzungsverlangen durch Einstellen in den Bundesanzeiger bekanntgemacht (Anlage K 12).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">C nahm an der Hauptversammlung der Beklagten vom 21.07.2016 nicht teil, da er sich in Urlaub befand. An seiner Stelle berichtete E als im Beschluss vom 16./17.07.2015 zu dessen Vertreter bestellte Person der Hauptversammlung über die bisherige Tätigkeit des besonderen Vertreters, wobei er sich einer Präsentation (Anlage K 20) bediente.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Diese Hauptversammlung wurde in Bezug auf die Tagesordnungspunkte 1 bis 7 vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten als dem satzungsgemäßen Versammlungsleiter geleitet. Der u.a. mit den Stimmen der Klägerin gefasste Beschluss zu Top 7 über die Abberufung des besonderen Vertreters (Anlage MP8) ist Gegenstand einer Anfechtungsklage (Landgericht Düsseldorf 40 O 66/16).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">In Bezug auf die Tagesordnungspunkte 8 bis 10 übernahm Rechtsanwalt F die Versammlungsleitung, nachdem er am Vortag gerichtlich zum Versammlungsleiter bestellt worden war (Beschluss AG Duisburg vom 20.07.2016 – HRB 3291, Anlage MP10). Nachdem der Vertreter der X3 zu Top 9 Ausführungen gemacht, der gerichtlich bestellte Versammlungsleiter den im Bundesanzeiger bekannt gemachten Beschlussvorschlag zur Abstimmung gestellt und dabei die Klägerin von der Ausübung ihres Stimmrechts ausgeschlossen hatte, fasste die Hauptversammlung der Beklagten den streitgegenständlichen Beschluss zu Top 9 (Anlage MP8).</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Mit ihrer am 21.08.2016 per Telefax und am 22.08.2016 im Original beim Landgericht eingegangen und an die Vorstandsmitglieder sowie alle Mitglieder des Aufsichtsrats der Beklagten jeweils am 09.09.2016 persönlich zugestellten Klage wendet sich die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Mehrheitsaktionärin der Beklagten im Wege der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen den in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 21.07.2016 unter Top 9 gefassten Beschluss über die „Bestellung eines besonderen Vertreters zur Geltendmachung der von der Hauptversammlung am 16./17.07.2015 zur Geltendmachung beschlossenen Ersatzansprüche“.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der mit den Stimmen der aufgrund der Verletzung von Meldepflichten gemäß § 21 WpHG einem umfassenden Rechtsverlust nach § 28 WpHG unterliegenden X3 gefasste Beschluss zu Top 9 sei unter Verletzung geltenden Rechts gefasst worden. Sämtliche von der X3 gehaltenen Aktien seien gemäß § 22 WpHG Herrn G zuzurechnen, da Herr H die Beteiligungen über die X3 a) und die X3 nur rein formal halte und deren Stimmrechte letztlich auf Anweisung von Herrn G ausgeübt würden, der seine Pflicht zur Stimmrechtsmeldung verletzt habe.  Die Aktionärin X3 habe daher in der Hauptversammlung weder das Wort ergreifen noch sich an der Abstimmung beteiligen dürfen. Sie sei schon nicht befugt gewesen, eine Ergänzung der Tagesordnung zu verlangen, der Vorstand hätte dem an ihn gerichteten Verlangen folglich nicht nachkommen dürfen. Dass der Vorstand dem Ergänzungsverlangen gleichwohl nachgekommen sei, führe dazu, dass darauf gestützte Beschlüsse wegen eines Einberufungsmangels anfechtbar seien. Da sich der Rechtsverlust nach § 28 WpHG auch auf das Antragsrecht in der Hauptversammlung erstrecke, fehle es an einem wirksamen Beschlussantrag, sodass der zu Top 9 gefasste Beschluss einen relevanten Verfahrensmangel aufweise. Auch sei es den Aktionären aufgrund des Inhalts und der Länge, aber auch der Art des Vortrages des Beschlussantrags unmöglich gewesen, diesen in seiner vollen Tragweite zu erfassen und zu würdigen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der zu Top 9 gefasste Beschluss sei außerdem wegen der fehlenden Konkretisierung der angeblichen Ersatzansprüche nichtig, jedenfalls anfechtbar. Eine wirksame Beschlussfassung über die Bestellung eines besonderen Vertreters setze voraus, dass bereits konkrete Anhaltspunkte für eine schadensbegründende Pflichtverletzung vorlägen, die im Beschlussvorschlag dargestellt seien und eine hinreichende Wahrscheinlichkeit solcher Pflichtverletzung indizierten. Zu einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung sei der besondere Vertreter, anders als der Sonderprüfer, gerade nicht befugt. Wie schon 2015 fehle es auch 2016 an Informationen, welche die angeblichen Ersatzansprüche begründen könnten. Die Informationen in diesem Jahr seien sogar noch wesentlich schwächer als im Vorjahr. Neue Informationen seien von der X3 nicht geliefert worden. Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte die Anteile an der A nach nur einem Jahr zu einem Kaufpreis von 42,4 Mio. EUR und damit zu einem mehr als 25% über dem von ihr gezahlten Kaufpreis liegenden Preis von 34 Mio. EUR verkauft habe, erscheine es aber auch nahezu aussichtslos, nach weiteren Argumenten für eine Überhöhung des Kaufpreises zu suchen. Entsprechend „dünn“ seien daher die Informationen des E in der Hauptversammlung gewesen. Tatsächlich stehe die Beklagte wirtschaftlich heute besser da, als wenn sie die Anteile nicht erworben hätte. Es werde also versucht, den durch Beschluss zu Top 7 wirksam abberufenen besonderen Vertreter erneut zu installieren und zwar mit dem alleinigen Ziel, dass er seine Tätigkeit als verkappter Sonderprüfer fortsetze. Die Anfechtbarkeit ergebe sich daher auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss sei auch deshalb anfechtbar, weil Gründe in der Person des                     C vorlägen, die ihn als ungeeignet erscheinen ließen. Herr C habe seine Kompetenzen in einem erheblichen Umfang überschritten. Er habe nicht seine Aufgabe als besonderer Vertreter erfüllt, sondern stattdessen die Funktion eines Sonderprüfers ausgeübt, was bereits zu einem erheblichen Schaden bei der Beklagten geführt habe. Sein bisheriges Verhalten stehe seiner erneuten Bestellung ebenso entgegen wie sein pflichtwidriges Fernbleiben in der Hauptversammlung. Der Inhalt des Tagesordnungsergänzungsverlangens lasse erkennen, dass C des Weiteren die Verletzung seiner Verschwiegenheitspflicht durch die Weitergabe von Informationen an die X3 vorzuwerfen sei.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Nichtig oder jedenfalls anfechtbar sei der Beschluss zu Top 9 schließlich deswegen, weil der Versammlungsleiter F zu Unrecht einen Stimmrechtsausschluss zu ihren Lasten bejaht und ihr damit die Ausübung ihrer Aktionärsrechte unmöglich gemacht habe. Richtiger Ansicht nach treffe sie kein Stimmverbot und zwar jedenfalls deshalb, weil es an tatsächlichen Anhaltspunkten für das Bestehen von gegen sie zu verfolgenden Ansprüchen fehle.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Nachdem die Beklagte den Anspruch unter dem 19.09.2016 anerkannt hat, hat das Landgericht den Beschluss der Hauptversammlung vom 21.07.2016 zu Top 9 durch Anerkenntnisurteil vom 23.09.2016 für nichtig erklärt. Die Klägerin hat unter dem 26.09.2016 gegenüber dem Landgericht einen Rechtsmittelverzicht erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Gegen das der Beklagten am 23.09.2016 zugestellte Anerkenntnisurteil wenden sich die Nebenintervenienten zu 1) und 2), letzterer unterstützt von den fünf Streithelfern, unter gleichzeitiger Erklärung ihres Beitritts auf Seiten der Beklagten mit ihren am 11.10.2016 bzw. 14.10.2016 eingelegten Berufungen. Die Nebenintervenientin zu 1), deren Vortrag sich der Nebenintervenient zu 2) und dessen Streithelfer angeschlossen haben, bringt vor, die Klägerin bzw. die X2-Gruppe führe die Beklagte in beispielloser Rücksichtslosigkeit, wobei das verfahrensgegenständliche Anerkenntnis durch die Beklagte nur der vorläufige Höhepunkt des pflichtwidrigen Verhaltens sei. Die herrschende Aktionärin der Beklagten, die D, und die zur die Beklagte beherrschenden X2-Gruppe gehörende J seien Inhaberinnen der A, der formalen Eigentümerin des „mächtig in die Jahre gekommenen, stark renovierungsbedürftigen Hotelkomplexes“ auf ..... mit dem Namen Hotel ….. gewesen. Seit etwa einem Jahrzehnt sei versucht worden, diese Hotelbeteiligung loszuwerden und sie der Beklagten unter Ausnutzung der Mehrheitsmacht zu überhöhten Preisen „aufzudrücken“. Als Verwendungszweck der aufgrund der Beschlussfassung der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten 2014 durchgeführten Kapitalerhöhung sei angegeben worden, die Beklagte wolle in der Karibik expandieren und eine große Hotelanlage in der Dominikanischen Republik errichten. Als demgegenüber der Vorstand am 12.02.2015 ad hoc mitgeteilt habe, dass er nun doch nicht das Hotelprojekt in der Dominikanischen Republik verfolgen wolle, hätten bei den Aktionären „die Alarmglocken geläutet“, da sie hätten annehmen müssen, dass der Vorstand sie bei der Zeichnung der Kapitalerhöhung getäuscht und tatsächlich von Anfang an vorgehabt habe, mit den Mitteln aus der Kapitalerhöhung vom Mehrheitsaktionär Vermögensgegenstände zu überhöhten Preisen zu erwerben. Die Hauptversammlung der Beklagten vom 16./17.07.2015 habe dem Geschäft des Erwerbs der A praktisch ausschließlich mit den Stimmen der Mehrheitsaktionärin und entgegen den „Holzmüller-Grundsätzen“ bloß mit einfacher Mehrheit zugestimmt, u.a. deswegen sei insoweit vor dem LG Düsseldorf eine weitere Anfechtungsklage rechtshängig (40 O 75/15).</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Der besondere Vertreter habe nicht, wie von der Klägerin suggeriert, trotz vieler Informationen keine Anhaltspunkte für Pflichtverletzungen gefunden. Er habe vielmehr seinen Informationsanspruch erst im Wege einer einstweiligen Verfügung durchsetzen müssen, da seine Arbeit nach Kräften behindert worden sei. Die Herangehensweise von C sei nicht auf eine umfassende Ermittlung und Überprüfung aller Ereignisse und Vorgänge um den Erwerb der Anteile gerichtet gewesen. Er habe vielmehr aufgrund einer gezielten Sichtung der für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen benötigten Unterlagen sehr schnell festgestellt, dass bei der Due Diligence-Untersuchung und der Unternehmensbewertung wesentliche Transaktionsrisiken außer Betracht gelassen und der Unternehmenskauf völlig unzureichend vorbereitet worden sei. Ob bei dem Weiterverkauf wirklich ein Gewinn erzielt worden sei, sei unklar und eher unwahrscheinlich, zumal der Vorstand in der Hauptversammlung habe zugeben müssen, dass mindestens 30,4 Mio. von 42 Mio. EUR Kaufpreis in spanische Immobilienkredite des Käufers hätten zurückfließen müssen und offenbar sofort verrechnet worden seien. In bar zugeflossen seien wohl nur 11,6 Mio. EUR. Die Wiederbestellung des besonderen Vertreters durch die streitgegenständliche Beschlussfassung zu Top 9 sei nötig gewesen, nachdem dieser durch den in eklatant rechtswidriger Weise gefassten Beschluss zu Top 7 abberufen worden sei. Die Abberufung eines besonderen Vertreters sei der actus contrarius zu dessen Bestellung, sodass die Klägerin bei der Beschlussfassung zu Top 7 vom Stimmrecht gemäß § 136 AktG ausgeschlossen gewesen sei. Sie sei davon ausgegangen, dass der satzungsmäßige Versammlungsleiter die Klägerin entgegen des bestehenden Stimmverbotes mitstimmen lassen werde und habe dies durch die von ihr beantragte Ergänzung der Tagesordnung und die gerichtliche Bestellung eines neutralen Versammlungsleiters antizipiert.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Ein Rechtsverlust nach § 28 WpHG sei nicht eingetreten. Keine der Voraussetzungen des § 22 WpHG liege in Bezug auf ihre Aktien vor. Zu der ersten Veräußerung, also „G-X4“, könne sie nichts sagen, da sie hiervon nicht betroffen sei. Sie habe die Aktien in einem zweiten Erwerbsvorgang von der „X4“ erworben. Ergänzend verweist sie insofern auf ihre Antragsschrift vom 12.07.2016 (Anlage MHP16), aufgrund derer sie die einstweilige Verfügung des LG Duisburg vom 13.07.2016 (Anlage MHP17) erwirkt habe, mit der ihr Teilnahmerecht an der Hauptversammlung vom 21.07.2016 gesichert worden sei. Selbst wenn sie einem Rechtsverlust unterlegen hätte, hätte dies keine Auswirkungen auf den Beschluss zu Top 9. Das Beschlussergebnis beruhe nicht auf ihren, also den Stimmen der Nebenintervenientin zu 1). Es fehle somit an der Kausalität und damit an einem Anfechtungsgrund. Soweit das Fehlen eines wirksamen Beschlussantrages gerügt werde, sei eine Heilung eingetreten, da der Vorstand dem Ergänzungsverlangen nachgekommen sei. Für das Beschlussergebnis sei irrelevant, welcher Aktionär den Antrag gestellt habe, den der Versammlungsleiter zur Beschlussfassung stelle. Der Beschlussantrag selbst sei ordnungsgemäß. Er sei zwar nicht ganz kurz gewesen, ein Antrag müsse aber in der Hauptversammlung mündlich gestellt und auch ein langer Antrag sei zu verlesen. Gegen die Verständlichkeit seien keine Einwände erhoben worden, nochmaliges Verlesen habe niemand gewollt.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss über die (Wieder-)Bestellung des besonderen Vertreters sei rechtmäßig. Nichtigkeitsgründe lägen nicht vor. Die nicht hinreichende Konkretisierung eines Beschlusses nach § 147 Abs. 1 S. 1 AktG führe nach ganz h.M. lediglich zur Anfechtbarkeit des Beschlusses. Ein anfechtbarer Beschluss sei jedoch bis zu seiner Nichtigerklärung wirksam, damit liege ein wirksamer Geltendmachungsbeschluss vor. Allein dieser sei notwendig, aber auch ausreichend, um einen besonderen Vertreter zu bestellen. Die bloße Anfechtbarkeit des Beschlusses zur Geltendmachung schlage nicht auf die Wirksamkeit des Bestellungsbeschlusses durch. Im Übrigen sei der Geltendmachungsbeschluss konkret genug. Eine Umgehung von § 142 AktG sei nicht gegeben. Es fehle richtiger Auffassung nach an einem Stufenverhältnis zwischen einem Sonderprüfer und dem besonderen Vertreter. Auch diese Streitfrage entfache sich aber ausschließlich bei der Frage, wie konkret der Geltendmachungsbeschluss zu sein habe. Unterstelle man, dass ein solches Stufenverhältnis bestünde, wirke sich dieses nur auf die Rechtmäßigkeit des Geltendmachungsbeschlusses aus, könne aber keine rechtsmissbräuchliche und damit anfechtbare Beschlussfassung zur Bestellung begründen. Auf die Einsetzung des besonderen Organs könne allenfalls eine Nichtigkeit des Beschlusses Auswirkungen haben, diese liege aber nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Unabhängig davon, dass die Klägerin nicht darlege, inwiefern eine angebliche Ungeeignetheit des C einen Gesetzes- oder Satzungsverstoß darstellen solle, fehle es an Gründen in dessen Person, die seiner (Wieder-)Bestellung entgegenstehen könnten. Das Gesetz stelle keine besonderen Anforderungen an die fachliche Qualifikation des besonderen Vertreters. C, ein erfahrener und gestandener Gesellschaftsrechtler, der keinerlei Interessenkonflikten unterliege, sei zweifellos geeignet. Wenn eine Aktionärsminderheit den von der Hauptversammlung bestellten besonderen Vertreter für ungeeignet halte, müsse sie das Verfahren nach § 147 Abs. 2 AktG wählen. Letztlich werfe die Klägerin dem besonderen Vertreter ohnehin nur vor, den Geltendmachungsbeschluss auszuführen, d.h. pflichtgemäß seine Aufgabe zu erfüllen, was für sich spreche. Den besonderen Vertreter treffe außerdem keine Pflicht zur Teilnahme an der Hauptversammlung. Die Übertragbarkeit von § 118 AktG auf den besonderen Vertreter sei umstritten. Selbst wenn man diese bejahe, führe dies aber nicht zur Anfechtbarkeit des Beschlusses. Im Übrigen habe sich C, dessen Bericht keine höchstpersönliche Angelegenheit sei, von seinem von der Hauptversammlung bestellten Ersatzvertreter vertreten lassen dürfen. C habe schließlich nicht gegen seine Verschwiegenheitspflichten verstoßen. Zu ihr, der Nebenintervenientin, habe er keinen Kontakt gehabt. Auch ihrem Prozessbevollmächtigten habe C keine Geheimnisse aus seiner Tätigkeit als besonderer Vertreter offenbart. Die Informationen, welche sie in ihrem Ergänzungsverlangen berücksichtigt habe, stammten nicht von dem besonderen Vertreter, sondern beruhten auf allgemeiner Lebenserfahrung sowie auf dem in der Fachpresse veröffentlichten Urteil des LG Duisburg vom 09.06.2016 (AG 2016, 795), das den Sachverhalt ausführlich darstelle.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Berufungskläger und die Streithelfer des Berufungsklägers zu 2) beantragen (sinngemäß),</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">die Klage unter Aufhebung des Anerkenntnisurteils vom 23.09.2016 abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt (sinngemäß),</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">die Nebeninterventionen zurückzuweisen; die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen;</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">hilfsweise: die Berufungen zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin macht geltend, das Vorbringen der Nebenintervenienten sei schon deshalb unbeachtlich, weil der Rechtsstreit rechtskräftig abgeschlossen und beendet gewesen sei, bevor diese beigetreten seien. Beide Parteien hätten in Bezug auf das Anerkenntnisurteil vom 23.09.2016 einen Rechtsmittelverzicht erklärt. Damit sei die formale Rechtskraft herbeigeführt worden und das Urteil unanfechtbar. Ein Beitritt könne nur bis zur Beendigung des Rechtsstreits erfolgen. Die Prozesserklärungen seien wirksam, der AG stehe die Möglichkeit des Anerkenntnisses auch in einem gegen sie geführten Anfechtungsprozess offen. Die Nebenintervenienten hätten die Möglichkeit gehabt, die Beendigung des Rechtsstreits durch das Anerkenntnisurteil durch einen rechtzeitigen Beitritt zu verhindern. Ihren Veröffentlichungspflichten nach §§ 246 Abs. 4, 248a AktG sei sie nachgekommen. Im Übrigen sei für den noch nicht beigetretenen streitgenössischen Nebenintervenienten die Möglichkeit zur Einlegung der Berufung allein in dem Umfang eröffnet, in dem sie für die Hauptpartei bestehe.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Der Versuch der Nebenintervenienten, Organmitgliedern der Beklagten sowie ihrer größten Aktionärin und ihren weiteren Konzerngesellschaften pflichtwidriges Verhalten zu unterstellen und so zum einen Stimmung gegen diese zu machen und zum anderen eine Rechtfertigung für die Bestellung eines besonderen Vertreters zu konstruieren, müsse misslingen. Der Vortrag beschränke sich auf die Verwendung starker Worte und eine Aneinanderreihung von Unterstellungen und Vermutungen. Nichts davon sei dargelegt oder gar bewiesen. Der besondere Vertreter habe bis heute, knapp zwei Jahre nach seiner Bestellung, keinen Ersatzanspruch geltend gemacht. Die Beklagte, die ohnehin ein Interesse daran gehabt habe, ihr Portfolio gerade um das A zu erhöhen, habe sich aufgrund des Stockens eines Projektes in der Dominikanischen Republik veranlasst gesehen, die ihr zur Verfügung stehende Bettenzahl durch andere Maßnahmen zu erhöhen. Diese Entscheidung sei richtig und im Unternehmensinteresse der Beklagten gewesen, was durch die erwirtschafteten Umsätze belegt werde. Den haltlosen Vorwürfen werde zudem durch die erfolgreiche und für die Beklagte äußerst profitable Veräußerung der Beteiligung am 13.07.2016 die letzte Basis entzogen. Dies werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass eine Tochtergesellschaft der Beklagten einen erheblichen Teil des Verkaufspreises in drei mit Immobilien auf ..... besicherte Darlehen investiert habe, die sie von der K zu einem Kaufpreis von 30,4 Mio. EUR erworben habe. Hierzu passe, dass der besondere Vertreter trotz seines auf eine umfassende Ermittlung des Sachverhalts gerichteten Ansatzes weder Ersatzansprüche geltend gemacht noch im Rahmen seines Berichtes in der Hauptversammlung am 21.07.2016 näher erläutert habe, aufgrund welcher konkreten Tatsachen solche Ansprüche bestehen könnten.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Wie sie schon in der Klageschrift dargelegt habe, unterliege die X3 einem umfassenden Rechtsverlust nach § 28 WpHG. Den von ihr vorgetragenen Anknüpfungspunkten sei nicht wirksam entgegengetreten worden. Bis die Nebenintervenientin zu 1) diesen Vortrag widerlege, sei davon auszugehen, dass ihre unmittelbar gehaltene Beteiligung nach wie vor Herrn G zuzurechnen sei, da es sich bei den genannten Transaktionen nur um Vermögensverschiebungen des Herrn G handele, um sich dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen. Die Anfechtbarkeit ergebe sich unter dem Aspekt des Rechtsverlustes nach § 28 WpHG auch daraus, dass der X3 das Recht nach § 122 Abs. 2 AktG, eine Ergänzung der Tagesordnung zu verlangen, nicht zugestanden habe. Eine Heilung durch das Verhalten des Vorstands komme nicht in Betracht, da dieser nicht über das Recht verfüge, die gesetzliche Vorbereitungsfrist der Aktionäre zu verkürzen.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Bestellung des besonderen Vertreters sei aber auch deshalb rechtswidrig, weil dem Beschluss kein wirksamer Beschluss zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen zugrunde liege. Die Bestellung eines besonderen Vertreters setze das Vorliegen eines wirksamen Beschlusses zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen aber zwingend voraus. Die Beschlussfassung zu Top 9 sei auf die Bestellung beschränkt, die Bezugnahme auf den Beschluss der Hauptversammlung vom 17.07.2015 gehe ins Leere. Denn dieser sei nach § 241 Nr. 3 Alt. 1 AktG nichtig und daher ohne Rechtswirkung. Der Sache nach sei die Beschlussfassung zu Top 11 a) und b) der Hauptversammlung 2015 nicht auf einen Ausgleich von der Beklagten entstandenen Schäden, sondern auf die Unterbindung der Erwerbsvorgänge und damit auf einen Eingriff in die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands gerichtet gewesen. Der Beschluss sei aber jedenfalls anfechtbar, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines besonderen Vertreters nicht vorgelegen hätten. Zwar sei der Bestellungsbeschluss von einem Durchsetzungsbeschluss abhängig, umgekehrt könne aber ein Durchsetzungsbeschluss keinen Bestellungsbeschluss legitimieren. Beide Beschlüsse seien anfechtbar, da auch dem Bestellungsbeschluss insbesondere der Mangel der Unbestimmtheit des Durchsetzungsbeschlusses anhafte. Der besondere Vertreter dürfe nicht, wie schon erwähnt, zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen bestellt werden. Die geltend zu machenden Ersatzansprüche seien zudem weder 2015 noch zumindest in der Hauptversammlung 2016 hinreichend konkretisiert worden. Es könne, wie das LG Köln entschieden habe (AG 2016, 513), nicht ausreichen, Ersatzansprüche ins Blaue hinein zu behaupten. Vielmehr müssten bereits konkrete Anhaltspunkte für eine schadensbegründende Pflichtverletzung vorliegen, diese im Beschlussvorschlag dargestellt werden und eine hinreichende Wahrscheinlichkeit solcher Pflichtverletzungen indizieren. Der anspruchsbegründende Sachverhalt müsse mindestens im Kern bereits bekannt sein. Sei dies nicht der Fall, fehle es an einer hinreichenden Konkretisierung des Beschlusses. Sei diese mangels ausreichender Informationen im Zeitpunkt der Hauptversammlung nicht möglich, müsse eine Beschlussfassung nach § 147 AktG unterbleiben und ggf. zuerst eine Sonderprüfung durchgeführt werden. Die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des OLG Köln (AG 2016, 513) stehe ihrer Sichtweise nicht entgegen. Die Trennung zwischen der Sonderprüfung und dem besonderen Vertreter sei zwingend zu beachten. Insoweit bestehe ein Stufenverhältnis, nach dem die Sonderprüfung zur Sachverhaltsaufklärung der Beschlussfassung nach § 147 AktG vorgelagert sei. Dass Sonderprüfer und besonderer Vertreter parallel tätig werden, sei ausgeschlossen, insoweit seien auch die weitergehenden Ermittlungsbefugnisse und Prüfungsrechte des Sonderprüfers zu beachten. Die Befugnisse seien nicht kongruent oder auch nur überlappend. Andernfalls hätte dies zur Folge, dass der gleiche Sachverhalt zweimal ermittelt würde, wofür ein Sinn nicht ersichtlich sei. Die von den Nebenintervenienten vertretene Auffassung laufe darauf hinaus, dass die spezifischen Voraussetzungen der Sonderprüfung sowie vor allem die hohen Anforderungen an eine gerichtliche Bestellung des Sonderprüfers unterlaufen würden. Es sei daran zu erinnern, dass die X3 selbst vor der Hauptversammlung 2015 davon ausgegangen sei, dass es noch einer weiteren Untersuchung und Aufklärung bedürfe. Zu diesem Zweck habe laut ihrem Tagesordnungsergänzungsverlangen ein Sonderprüfer bestellt werden sollen, der die tatsächlichen Grundlagen eventueller Schadensersatzansprüche hätte aufklären sollen. Zum Zeitpunkt der Hauptversammlung 2015 habe also keinesfalls festgestanden, ob es überhaupt zu Pflichtwidrigkeiten gekommen sei und evtl. Schadensersatzansprüche bestünden. Diese Situation habe am 21.07.2016 unverändert fortbestanden.   </p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Sie, die Klägerin, gehe schließlich auch weiterhin davon aus, dass in der Person des besonderen Vertreters Bestellungshindernisse lägen. Auf das Verfahren nach § 147 Abs. 2 S. 2 AktG müsse sie sich nicht verweisen lassen, zumal aus dieser Norm nicht folge, dass nur eine Ersetzung des besonderen Vertreters möglich sei. Vielmehr sei anerkannt, dass die Hauptversammlung einen von ihr bestellten besonderen Vertreter jederzeit und unabhängig vom Vorliegen besonderer Gründe wieder abberufen könne und zwar auch isoliert, d.h. ohne gleichzeitige Bestellung eines anderen besonderen Vertreters. Demnach sei nichts dafür ersichtlich, warum die Ungeeignetheit des besonderen Vertreters nicht im Rahmen einer Anfechtungsklage überprüft werden könne. Über die in der Klageschrift dargestellten Umstände hinaus sei ergänzend auf einen kompetenzwidrigen Versuch des besonderen Vertreters, die Geschäftsführungsmaßnahme „Erwerb des A“ zu verhindern, hinzuweisen. Auch habe der besondere Vertreter seine aus der Erkenntnis, dass nach rund einjähriger Prüfungsdauer Ersatzansprüche immer noch nicht festgestellt seien, resultierende Pflicht zur Niederlegung des Mandats missachtet und amtsfremde Tätigkeiten abgerechnet sowie Vertraulichkeitspflichten verletzt, indem er u.a. in diesem Verfahren Aufsichtsratsprotokolle weitergegeben habe.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte macht geltend, die Klägerin habe keinem Stimmverbot nach § 136 AktG unterlegen. Unter Berücksichtigung der Umstände sei ihr Stimmrecht jedenfalls wiederaufgelebt, da der besondere Vertreter keine konkreten Ersatzansprüche dargetan habe. Es lägen besondere Gründe in der Person des besonderen Vertreters vor, die dessen Wiederbestellung entgegenstünden. Er habe seine Kompetenzen überschritten und verletzt und das Amt eines Sonderprüfers ausgeübt. Außerdem habe er Verschwiegenheitsplichten verletzt und pflichtwidrig an der Hauptversammlung vom 21.07.2016 nicht teilgenommen. Auch sei ihm widersprüchliches Verhalten vorzuwerfen. Schließlich habe der besondere Vertreter amtsfremde Tätigkeiten abgerechnet.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Akten LG Düsseldorf 40 O 75/15 und 40 O 66/16 waren zu Informationszwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Zur Vervollständigung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 29.11.2018 sowie die in diesem Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">                                                                                    <strong><span style="text-decoration:underline">II.</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Die Nebeninterventionen sind zuzulassen, § 71 ZPO. Die Berufung der Nebenintervenienten hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Das Landgericht hat den von der Hauptversammlung der Beklagten vom 21.07.2016 zu Top 9 gefassten Beschluss im Ergebnis mit Recht für nichtig erklärt, § 241 Nr. 5 AktG. Der Beschlussinhalt verstößt gegen das Gesetz, §§ 243 Abs. 1, 147 Abs. 2 S. 1 AktG.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks"><strong>A:</strong> Die Berufung der auf Seiten der Beklagten beigetretenen Streithelfer ist zulässig, insbesondere formgerecht sowie innerhalb der gesetzlichen Berufungsfrist eingelegt worden, und statthaft, §§ 511 ff. ZPO i.V.m. §§ 66 Abs. 2, 69, 70 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks"><strong>1.</strong> Eine Entscheidung über die Zulassung der Nebenintervention muss nicht durch Zwischenurteil nach § 71 Abs. 2 ZPO ergehen, sondern kann auch im Endurteil getroffen werden (BGH, Urt. v. 11.02.1982 - III ZR 184/80, NJW 1982, 2070). Die Voraussetzungen für die Zulassung der Nebeninterventionen sind erfüllt, §§ 66 ff. ZPO. Die Nebenintervenientinnen zu 1) sowie zu 3) bis 7) können als Aktionäre der Beklagten dem Rechtsstreit sowohl auf Klägerseite als auch, wie geschehen, auf Beklagtenseite beitreten. Sie sind im Hinblick auf die sich aus § 248 Abs. 1 S. 1 AktG ergebende Rechtskrafterstreckung und Gestaltungswirkung eines stattgebenden Anfechtungsurteils als notwendige Streitgenossen der unterstützten Partei anzusehen, §§ 61, 69 ZPO (BGH, Beschlüsse v. 23.04.2007 - II ZB 29/05, BGHZ 172, 136; v. 15.06.2009 - II ZB 8/08, AG 2009, 624 u. v. 14.06.2010 - II ZB 15/09, AG 2010, 709; KK-AktG/Noack/Zetsche, 3. Auflage 2017, § 246 Rn. 203 ff., 222; Hüffer/Koch, AktG, 13. Auflage, § 246 Rn. 4 ff., 7 m.N.; Schwab in Schmidt, K./Lutter, AktG, 3. Auflage 2015, § 246 Rn. 36/40). Auch der Nebenintervenient und Berufungskläger zu 2) kann der Anfechtungsklage gegen den Beschluss über seine (Wieder-)Bestellung zum besonderen Vertreter auf Seiten der Gesellschaft als Nebenintervenient beitreten. Sein Interventionsinteresse ergibt sich nicht aus einer Rechtskrafterstreckung nach § 248 Abs. 1 S. 1 AktG, sondern aus der Gestaltungswirkung einer Entscheidung, die seine Bestellung und die Entscheidung für eine Verfolgung von Ersatzansprüchen für nichtig erklärt, folgt also aus § 241 Nr. 5 AktG (BGH, Beschluss v. 28.04.2015 - II ZB 19/14, ZIP 2015, 1286, juris Tz. 12). Auch der besondere Vertreter ist, da sich die Entscheidung aufgrund ihrer Gestaltungswirkung unmittelbar auf seine Rechtsstellung auswirkt, streitgenössischer Nebenintervenient (vgl. zu den Voraussetzungen des § 69 ZPO Zöller/Althammer, ZPO, 32. Auflage 2018, § 69 Rn. 1 ff., 3 m.N.). Der Zulassung dieser Nebenintervention steht daher auch die Abberufung von C mit Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 21.07.2016 zu Top 7 nicht entgegen. Der Beitritt ist, wie sogleich unter 2. dargelegt wird, vor der Beendigung des Rechtsstreits und auch ansonsten rechtzeitig erklärt worden. Insbesondere gilt die Ausschlussfrist des § 246 Abs. 4 S. 2 AktG nach höchstrichterlicher Rechtsprechung und der h.M. im Schrifttum nicht zu Lasten des auf Seiten der beklagten Gesellschaft beitretenden Nebenintervenienten (BGH, Beschlüsse v. 15.06.2009 – II ZB 8/08, AG 2009, 624; u. v. 14.06.2010 – II ZB 15/09, AG 2010, 709; a.A. unter Darstellung des Meinungsstandes KK-AktG/Noack/Zetsche, 3. Auflage 2017, § 246 Rn. 220/221).</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks"><strong>2.</strong> Der Eintritt der Rechtskraft des Anerkenntnisurteils vom 23.09.2016 ist durch rechtzeitige Einlegung der Berufung gehemmt worden, § 705 S. 2 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks"><strong>a)</strong> Die Voraussetzungen, unter denen die Rechtskraft unabhängig vom Ablauf der Rechtsmittelfrist eintritt, liegen nicht vor (dazu Zöller/Seibel, ZPO, 32. Auflage, § 705 Rn. 9). Dass beide Parteien gegenüber dem Gericht nach Erlass des Anerkenntnisurteils den Verzicht auf ein Rechtsmittel erklärt haben, ist den Akten nicht zu entnehmen. Die Klägerin hat einen solchen Verzicht mit Schriftsatz vom 26.09.2016 erklärt. Eine Verzichtserklärung der Beklagten ist hingegen nicht zu den Akten gelangt. Unabhängig davon wäre die Berufung der streitgenössischen Nebenintervenienten auch im Falle eines beiderseitigen Rechtsmittelverzichts zulässig (BGH, Beschluss v. 31.03.2008 – II ZB 4/07, ZIP 2008, 942, juris Tz. 8).</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks"><strong>b)</strong> Gemäß § 66 Abs. 2 ZPO kann der Beitritt in jeder Lage des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung erfolgen. Geschieht der Beitritt, wie hier, in Verbindung mit der Einlegung des Rechtsmittels, muss die Rechtsmitteleinlegung zugleich den Anforderungen des § 70 ZPO entsprechen. Dies ist hinsichtlich beider Rechtsmitteleinlegungen der Fall.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks"><strong>c)</strong> Die Berufungsfrist beginnt für den Streithelfer, der im ersten Rechtszug nicht beigetreten ist, mit der Zustellung des Urteils an die Hauptpartei (BGH a.a.O. Tz. 10; Beschluss v. 16.07.2010 – II ZB 12/09, ZIP 2010, 1822, juris Tz. 3 ff.). Weder führt der Umstand, dass der Beitritt erst nach Erlass und Zustellung des Anerkenntnisurteils erfolgt ist, dazu, dass die Rechtsmittelfrist für die Streithelfer gar nicht in Gang gesetzt wird noch haben der Erlass und die Zustellung des Anerkenntnisurteils <span style="text-decoration:underline">vor</span> dem Ablauf der (hier nicht einmal anwendbaren) Frist nach § 246 Abs. 4 S. 2 AktG Auswirkung auf den Beginn der Frist des § 517 ZPO (BGH, Beschluss v. 16.07.2010 - II ZB 12/09, ZIP 2010, 1822, juris Tz. 6 und 7). Die durch die Zustellung des Anerkenntnisurteils an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 23.09.2016 am selben Tag in Lauf gesetzte Berufungsfrist des § 517 ZPO endete somit am (Montag) 24.10.2016 und war infolgedessen bei Einlegung der Rechtsmittel am 11.10. 2016 bzw. 14.10.2016 noch nicht abgelaufen.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks"><strong>d)</strong> Einer (vorsorglich beantragten) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist bedurfte es mithin nicht, sodass die entsprechenden Anträge der Berufungskläger ebenso wie der diesbezügliche Zurückweisungsantrag der Klägerin prozessual ins Leere gehen.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks"><strong>B:</strong> Das Anerkenntnisurteil ist für den Ausgang des Berufungsverfahrens im Ergebnis ohne entscheidende Bedeutung. Die Beklagte war zwar nicht daran gehindert, das Unterliegen im ersten Rechtszug dadurch herbeizuführen, den Anspruch anzuerkennen [dazu unter <strong>1.</strong>]. Jedoch sind die Berufungskläger an das Anerkenntnis der Beklagten nicht gebunden [dazu unter <strong>2.</strong>].</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks"><strong>1.</strong> Das Anerkenntnisurteil vom 23.06.2016 beruht allerdings nicht deshalb auf einer Rechtsverletzung, § 513 Abs. 1 ZPO, weil es unzulässig ist, da die Beklagte ein Anerkenntnis gemäß § 307 ZPO nicht wirksam abgeben konnte. Das Anerkenntnis der Beklagten ist vielmehr zulässig, da deren Organe dazu befugt gewesen sind, eine Entscheidung über die Nichtigkeit des strittigen Hauptversammlungsbeschlusses herbeizuführen, die nicht auf einer gerichtlichen Klärung des Bestehens der geltend gemachten Anfechtungsgründe, sondern allein auf einem Anerkenntnis beruht. Durchgreifende Gründe dafür, § 307 ZPO im Beschlussanfechtungsprozess für nicht anwendbar zu halten, fehlen. Die Vorschrift findet in allen Zivilverfahren Anwendung. Unanwendbar ist sie nur, soweit ein Sachverhalt der Amtsprüfung durch das Gericht unterliegt sowie im Rahmen der Geltung des Untersuchungsgrundsatzes. Zwar setzt die Zulässigkeit des Anerkenntnisses die Dispositionsbefugnis der Parteien über den prozessualen Anspruch voraus. Diese ist jedoch unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen auch in Ansehung der Gestaltungswirkung, welche ein Urteil im aktienrechtlichen Beschlussanfechtungsverfahren besitzt, gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks"><strong>a)</strong> Anerkannt ist, dass für die Prozessführung einer beklagten Aktiengesellschaft das allgemeine Zivilverfahrensrecht und damit grundsätzlich der Dispositionsgrundsatz gilt. Als mit Blick auf die Gestaltungswirkung des § 248 AktG unbedenklich werden jedenfalls solche Prozesshandlungen (des Anfechtungsklägers) angesehen, welche den angefochtenen Beschluss bestehen lassen (vgl. nur Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl., § 246 Rn. 15 m.N.).</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks"><strong>b)</strong> Die Zulässigkeit des Anerkenntnisses durch die Organe der beklagten Aktiengesellschaft ist umstritten (zum Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur KK-AktG/Noack/Zetsche, 3. Auflage 2017, § 246 Rn. 170-172; Hüffer/Koch a.a.O. Rn. 17; Schwab in Schmidt, K./Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 246 Rn. 28). Während die bejahende Auffassung im Kern meint, § 246 AktG gebe nichts dafür her, den Dispositionsgrundsatz außer Kraft zu setzen, und darauf verweist, dass der Aktionär, der ein Anerkenntnis verhindern wolle, dem Rechtsstreit auf Seiten der Gesellschaft beitreten und dem Anerkenntnis widersprechen müsse, betont die von Koch (a.a.O.) als mittlerweile herrschend bezeichnete Gegenauffassung, dass die Aktiengesellschaft nicht über die Wirksamkeit des Beschlusses disponieren dürfe und verhindert werden müsse, dass die Entscheidung der Hauptversammlung durch Verwaltungsorgane ausgehebelt werden könne.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks"><strong>c)</strong> Der BGH hat die Frage, ob die Organe einer Aktiengesellschaft im Anfechtungsprozess ein Anerkenntnis erklären können, soweit ersichtlich bislang nicht entschieden. Für die GmbH hat er diese Frage in seinen Entscheidungen vom 13.03.1975 (II ZR 114/73, NJW 1975, 1273) und vom 12.07.1993 (II ZR 65/92, ZIP 1993, 1228, juris Tz. 10) offengelassen und in dem letztgenannten Urteil darauf abgestellt, dass ein Gesellschafter auf Seiten der beklagten Gesellschaft als Nebenintervenient beigetreten ist und das Anerkenntnis der Beklagten gegen seinen Widerspruch jedenfalls keine Wirkung entfalten konnte. In dem Beschluss vom 10.05.2010 (II ZB 3/09, ZIP 2010, 1366) hat der BGH die Anerkenntnisse der beklagten Aktiengesellschaft, welche den angegriffenen Hauptversammlungsbeschluss ebenfalls nicht bestehen ließen und zum Erlass von den Beschluss für nichtig erklärenden Anerkenntnisurteilen geführt haben, nur erwähnt, ohne die Wirksamkeit der Anerkenntnisse zu erörtern. Da der Beschluss im Kostenfestsetzungsverfahren ergangen ist, waren diesbezügliche Ausführungen jedoch nicht veranlasst.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks"><strong>d)</strong> Der Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an. Weder § 246 AktG noch einer anderen Vorschrift des AktG ist zu entnehmen, dass die Dispositionsmaxime im Verfahren nach §§ 241, 243 AktG nicht gilt. Dass auf die Nichtigkeit eines Beschlusses der Hauptversammlung ausschließlich durch ein streitiges Sachurteil erkannt werden kann, ergibt sich aus den Vorschriften des Aktienrechts nicht. Gemäß § 241 AktG ist ein Beschluss nichtig, wenn er unter die dort aufgeführten Tatbestände fällt oder auf Anfechtungsklage durch Urteil rechtskräftig für nichtig erklärt worden ist, § 241 Nr. 5 AktG. Die Vorschrift verlangt nach ihrem Wortlaut kein streitiges Urteil. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Nichtigkeit über den Wortlaut der Vorschrift hinaus allein durch ein kontradiktorisches Urteil herbeigeführt werden kann, sind nicht zu erkennen. Entscheidend ist jedoch, dass eine gegen den Willen der Aktionäre stattfindende Disposition der Gesellschaftsorgane über die Wirksamkeit des von der Hauptversammlung gefassten Beschlusses ausgeschlossen und sichergestellt ist, dass die Aktionäre an einer Disposition der Organe über den Beschluss entweder zustimmend mitwirken oder diese Disposition auch verhindern können. Durch den bestehenden Rechtsrahmen ist in einer Art. 103 Abs. 1 GG und den Geboten effektiven Rechtsschutzes sowie eines fairen Verfahrens genügenden Weise gewährleistet, dass die beklagte Gesellschaft kein Anerkenntnis gegen den Willen von Personen abgibt, für und gegen die das Urteil gemäß § 248 AktG wirkt. Denn es soll nicht nur die Doppelvertretung der Gesellschaft gemäß § 246 Abs. 2 S. 2 AktG etwaigen Missbräuchen zumindest grundsätzlich vorbeugen, sondern Aktionäre haben auch und gerade dann, wenn sie aufgrund bestimmter Umstände annehmen, dass dieser Schutz versagen könnte, die Möglichkeit, nicht nur dem Anfechtungskläger, sondern auch der Aktiengesellschaft im Anfechtungsprozess als Nebenintervenienten gemäß § 66 ZPO beizutreten. Den Aktionären ist die Verteidigung keineswegs „aus der Hand geschlagen“ (so Schwab a.a.O.), weil nach § 246 Abs. 2 S. 1 AktG die Anfechtungsklage zwingend gegen die Gesellschaft zu richten ist. Wie oben unter 1. und 2. dargestellt, besteht für jeden Aktionär in jeder Lage des Verfahrens bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss die Möglichkeit zur Nebenintervention, sei es auf Seiten des Klägers oder auf Seiten der Beklagten. Da der Aktionär als streitgenössischer Nebenintervenient einem Anerkenntnis der Gesellschaft (unter Umständen auch nachträglich) widersprechen und wie die Hauptpartei Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen kann, sind die Vertretungsorgane daran gehindert, den Prozessverlust gegen den Willen der Aktionäre der Gesellschaft herbeizuführen. Dass Vorstand und Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft durch ein im Anfechtungsprozess erklärtes Anerkenntnis Rechtswirkungen erzielen können, welche sie aufgrund ihrer grundsätzlichen Bindung an Beschlüsse der Hauptversammlung außerhalb des Anfechtungsverfahrens nicht herbeiführen könnten, ist zwar zutreffend, spricht aber nach der Ansicht des Senats nicht zwingend gegen die Zulässigkeit eines Anerkenntnisses. Des Schutzes durch eine vollständige Suspendierung der Dispositionsmaxime bedürfen die Aktionäre nicht. Art. 103 Abs. 1 GG verlangt nicht, dass der betroffene Grundrechtsträger tatsächlich gehört wird, sondern nur, dass ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, sich mit zumutbarem Aufwand bei Gericht Gehör zu verschaffen. Das aber ist der Fall (so wohl auch Schwab in Schmidt, K./Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 246 Rn. 35 ff.). Eine Beiladungspflicht besteht zwar im Beschlussmängelverfahren nicht. Auch besteht keine Pflicht des Gerichts, den als Nebenintervenienten in Betracht kommenden, aber bis zum Erlass des erstinstanzlichen Urteils noch nicht beigetretenen Personen das Urteil zuzustellen oder ihnen hiervon Mitteilung zu machen (BGH, Beschluss v. 16.07.2010 – II ZB 12/09, ZIP 2010, 1822, juris Tz. 4/5 m.w.N.). Die Gesellschaft unterliegt aber den Bekanntmachungspflichten nach §§ 246 Abs. 4 S. 1, 248a AktG, sodass auch und gerade für jeden Aktionär, der für den angefochtenen Beschluss gestimmt hat, die Möglichkeit besteht, sich an dem Rechtsstreit, ggf. auch erst in zweiter Instanz, aktiv zu beteiligen und eine Entscheidung durch ein Anerkenntnisurteil zu verhindern. Nach dem Dafürhalten des Senats kann es, wie der vorliegende Fall veranschaulicht, für die Wirksamkeit des Anerkenntnisses auch nicht entscheidend darauf ankommen, ob sich die Aktionäre darauf verlassen können, dass die Gesellschaft für den von ihnen gefassten Beschluss streitet. Hier mag die klagende Mehrheitsaktionärin darauf vertraut haben, dass die beklagte Gesellschaft nicht mit großer Verve für den von ihrer Hauptversammlung gefassten Beschluss streiten wird. Anderes gilt aber in Bezug auf die Aktionäre, die für den Beschluss zu Top 9 gestimmt haben. Die Frage der (Un)Zulässigkeit eines prozessualen Anerkenntnisses ist aber auch und gerade unter den Aspekten der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit grundsätzlich und damit unabhängig von dem jeweiligen Einzelfall zu beantworten. Zudem kann eine Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat, den angefochtenen Beschluss aufgrund ihrer Bindung an Hauptversammlungsbeschlüsse gegen die Angriffe des Klägers zu verteidigen (so Schwab a.a.O. unter Hinweis auf OLG Hamm NJW-RR 1987, 1319 u.a.), zumindest für den Vorstand jedenfalls dann nicht unterstellt werden, wenn er selbst rechtliche Bedenken gegen den Beschluss hat. Mit Blick auf die dem Vorstand übertragene Aufgabe, für die Rechtmäßigkeit des Korporationshandelns zu sorgen (BGH, Urt. v. 30.06.2015 – II ZR 142/14, NZG 2015, 1227, juris Tz. 45), ermöglicht die Anfechtungsbefugnis nach § 245 Nr. 4 AktG dem Vorstand eine Legalitätskontrolle der Hauptversammlungsbeschlüsse. Der Aktionär ist daher gehalten, sich über den Gang des Verfahrens zu informieren, um ggf. noch beitreten zu können. Ihm wird damit auch nichts Unzumutbares abverlangt. Zumal dann, wenn der Aktionär selbst den Beschlussantrag gestellt oder für diesen Antrag gestimmt hat, kann von ihm erwartet werden, dass er den gefassten Beschluss im Falle einer hiergegen erhobenen Anfechtungsklage auch verteidigt. Allein das bloße Bestehen der Möglichkeit, dass es die Aktionäre unterlassen, mit der Gesellschaft für den Beschluss zu streiten oder die Disposition der Verwaltungsorgane über den Hauptversammlungsbeschluss gegen ihren darin dokumentierten Willen zu verhindern, rechtfertigt die Annahme einer generellen Unzulässigkeit des Anerkenntnisses nicht. Es erscheint auch nicht überzeugend, der Aktiengesellschaft mit der wohl h.M. (so Koch a.a.O. Rn. 16) zwar zu gestatten, den Prozessverlust faktisch herbeizuführen, indem sie Tatsachen zugesteht oder die Geständnisfiktion gemäß § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO auslöst, ihr aber die Möglichkeit, ein Anerkenntnis zu erklären, zu versagen. Eine tragfähige sachliche Rechtfertigung für eine solche Differenzierung vermag der Senat nicht zu erkennen, zumal eine mittelbare Disposition über den Anspruch auch in dem faktischen Herbeiführen des Prozessverlustes liegt.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks"><strong>2.</strong> Die Berufung ist andererseits nicht schon deshalb unbegründet, weil das Anerkenntnisurteil aufgrund der Bindungswirkung des Anerkenntnisses nur eingeschränkt angegriffen werden kann (vgl. nur Zöller/Feskorn, ZPO, 32. Auflage, vor § 306 Rn. 4 und § 307 Rn. 13). Das Anerkenntnis der Beklagten wirkt nicht gegen deren streitgenössische Nebenintervenienten, §§ 61, 62, 307 ZPO. Ein Anerkenntnis entfaltet seine Wirkung nur, wenn es durch alle Streitgenossen erfolgt (Zöller/Althammer, ZPO, 32. Auflage, § 62 Rn. 26). Daran fehlt es, da die Streitgenossen der Beklagten dem Anerkenntnis mit ihrer Berufung und somit bevor es zu einer unanfechtbaren Entscheidung gekommen ist, widersprochen haben. Anerkannt ist, dass der streitgenössische Nebenintervenient einem von der Gesellschaft erklärten Anerkenntnis widersprechen kann (so in einem vergleichbaren Fall BGH, Beschluss v. 31.03.2008 - II ZB 4/07, ZIP 2008, 942, juris Tz. 8 m.w.N.). Dass der Widerspruch nicht schon im ersten Rechtszug erklärt worden ist, sondern erst im Rahmen der Berufungseinlegung, steht dem Fehlen der Bindungswirkung nicht entgegen. Wenn sich selbst säumige Streitgenossen von dem mit Gesamtwirkung nach § 62 Abs. 1 ZPO vorgenommenen Prozessverhalten des nicht Säumigen wieder lösen können, sofern es noch nicht zu einer unanfechtbaren Endentscheidung gekommen ist (BGH, Urt. v. 23.10.2015 – V ZR 76/14, NJW 2016, 716, juris Tz. 16), muss erst recht, wovon auch der BGH in dem Beschluss vom 31.03.2008 (II ZB 4/07) ohne nähere Begründung auszugehen scheint, der nicht säumige und zulässigerweise im Rahmen der Berufungseinlegung Beitretende einem im ersten Rechtszug erklärten Anerkenntnis nachträglich widersprechen können. Eine abweichende Sichtweise wäre mit dem Gebot effektiver Rechtsschutzgewährung unvereinbar. Darauf, dass sie die Möglichkeit gehabt hätten, die Beendigung des Rechtsstreits durch Erlass eines Anerkenntnisurteils durch einen rechtzeitigen Beitritt zu verhindern, müssen sich die Nebenintervenienten entgegen der Ansicht der Klägerin nicht verweisen lassen. Zwar hat die Beklagte ihre Bekanntmachungspflichten nach § 246 Abs. 4 S. 1 AktG erfüllt, indem sie die am 09.09.2016 erfolgte Klageerhebung am 14.09.2016 bekanntgemacht hat (Anlage B1). Darin heißt es aber, was zu diesem Zeitpunkt noch zutreffend war, dass ein Güte- und Verhandlungstermin bestimmt wurde auf den 16.11.2016. Nur wenige Tage später, nämlich unter dem 19.09.2016, wurde das Anerkenntnis erklärt. Die Beendigung des Anfechtungsprozesses hat die Beklagte im Übrigen erst am 10.10.2016 unter Hinweis auf die Rechtskraft des Urteils aufgrund eines Rechtsmittelverzichts beider Parteien bekanntgemacht (Anlage MP2).</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks"><strong>C:</strong> Die Klägerin ist anfechtungsbefugt, § 245 Nr. 1 AktG. Sie hält 10.327.560 Stückaktien der Beklagten, die sie schon vor Bekanntmachung der Tagesordnung erworben hatte. Für die Klägerin hat Rechtsanwalt L an der Hauptversammlung der Beklagten vom 21.07.2016 teilgenommen. Dieser hat gegen den Beschluss zu Top 9 Widerspruch zu der Niederschrift des Notars M (Anlage K 10) erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks"><strong>D:</strong> Die Anfechtungsfrist ist gewahrt. Die Klage ist zwar nicht innerhalb der am (Montag) 22.08.2016 endenden Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG erhoben worden, § 253 Abs. 1 ZPO. Die am 21.08.2016 per Telefax und am 22.08.2016 im Original beim Landgericht eingegangene Klage ist den Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats der Beklagten jedoch am 09.09.2016 und damit demnächst i.S.d. § 167 ZPO (vgl. dazu nur Zöller/Schultzky/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 167 Rn. 10) zugestellt worden, sodass die Zustellung auf den Zeitpunkt des Klageeingangs zurückwirkt, § 167 ZPO. Die Zustellung ist bereits in nicht allzu erheblichem zeitlichem Abstand vom Fristablauf erfolgt. Außerdem hat die Klägerin alles ihr Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung der Klage getan, indem sie den Streitwert beziffert und einen Verrechnungsscheck über die nach diesem Streitwert anfallenden Gerichtskosten beigefügt hat.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks"><strong>E:</strong> Die Klage ist begründet. Der in der Hauptversammlung der Beklagten vom 21.07.2016 zu Top 9 gefasste Beschluss über die (Wieder-)Bestellung des Nebenintervenienten zu 2) zum besonderen Vertreter ist nicht gemäß § 241 AktG nichtig, kann aber wegen einer Verletzung des Gesetzes erfolgreich angefochten werden, § 243 AktG.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks"><strong>1.</strong> Gründe für eine - vorrangig zu prüfende - Nichtigkeit des Beschlusses hat die Klägerin nicht dargetan. Die Nichtigkeit lässt sich nicht auf eine fehlerhafte Feststellung des Abstimmungsergebnisses zu Top 9 durch den gerichtlich bestellten Versammlungsleiter stützen [dazu unter <strong>a)</strong> und <strong>b)</strong>]. Ein Einberufungsmangel i.S.v.         § 241 Nr. 1 AktG liegt nicht vor [dazu unter <strong>c)</strong>]. Die Nichtigkeit folgt auch nicht aus         § 241 Nr. 3 AktG [dazu unter <strong>d)</strong>].</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks"><strong>a)</strong> Ob die Nebenintervenientin zu 1) ihre Rechte aus den von ihr gehaltenen Aktien wegen einer Verletzung von gesetzlichen Mitteilungspflichten aus § 21 WpHG (in der vom 02.07.2016 bis 02.01.2018 gültigen Fassung, nachfolgend: a.F.) i.V.m. § 22 WpHG (in der vom 26.11.2015 bis 02.01.2018 gültigen Fassung, nachfolgend: a.F.)  gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 WpHG (in der vom 26.11.2015 bis 02.01.2018 gültigen Fassung, nachfolgend: a.F.) zum Zeitpunkt der Hauptversammlung verloren hatte, kann an dieser Stelle offenbleiben. Selbst wenn die X3 einem umfassenden Rechtsverlust nach diesen Vorschriften unterlegen hätte, wäre der Beschluss nicht nichtig. Ein Hauptversammlungsbeschluss, bei dem vom Stimmrecht ausgeschlossene Stimmen mitgezählt worden sind und der auf der Berücksichtigung dieser Stimmen beruht, wäre nicht nichtig, sondern anfechtbar (BGH, Beschluss v. 29.04.2014 – II ZR 262/13, ZIP 2014, 1677, juris Tz. 8; Urt. v. 24.04.2006 - II ZR 30/05, ZIP 2006, 1134, juris Tz. 26; statt Anderer: KK-AktG/Noack/Zetsche, 3. Auflage 2017, § 243 Rn. 76; Hüffer/Koch, AktG, 13. Auflage, § 241 Rn 3 m.w.N.; Schneider in Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, 6. Auflage 2012, § 28 Rn. 28).</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks"><strong>b)</strong> Unabhängig davon, dass die Klägerin als die Aktionärin, gegen welche die angeblichen Ersatzansprüche geltend zu machen sind, zu Recht gemäß § 136 Abs. 1 Alt. 3 AktG wegen einer Interessenkollision von dem gerichtlich bestellten Versammlungsleiter bei der Abstimmung zu Top 9 vom Stimmrecht ausgeschlossen worden ist, gilt insofern nichts anderes wie für das Mitzählen vom Stimmrecht ausgeschlossener Stimmen. Die Feststellung der Beschlussfassung durch den Versammlungsleiter gemäß §§ 130 Abs. 2, 133 AktG und die Beurkundung nach § 130 Abs. 1 S. 1 AktG konstituieren einen Hauptversammlungsbeschluss auch dann mit dem entsprechenden Inhalt, wenn ein Teilnehmer zu Unrecht wegen eines vermeintlichen Stimmverbots von der Abstimmung ausgeschlossen bzw. seine Stimme zu Unrecht nicht berücksichtigt worden ist. Auch ein solcher Beschluss wäre nicht nichtig, sondern nur anfechtbar (KK-AktG/Tröger, 3. Auflage 2017, § 133 Rn. 186 u. § 136 Rn. 98; Hüffer/Koch a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks"><strong>c)</strong> Ein zur Nichtigkeit nach § 241 Nr. 1 AktG führender Einberufungsmangel liegt nicht vor. Die Hauptversammlung der Beklagten vom 21.07.2016 ist nicht unter Verstoß gegen § 121 Abs. 2 und 3 oder Abs. 4 AktG einberufen worden. Dass die vom Vorstand gemäß § 122 Abs. 2 AktG veranlasste Erweiterung der Tagesordnung und deren Bekanntmachung aufgrund des Ergänzungsverlangens der X3 (Anlage K 12) bei unterstelltem Rechtsverlust nach § 28 WpHG a.F. zur Nichtigkeit führen würde, macht die Klägerin selbst nicht geltend. Dies wäre auch nicht der Fall. Nichtigkeit tritt bei Verstößen gegen die §§ 121, 122 AktG respektive bei Fehlern bei der Vorbereitung der Hauptversammlung nur in den gesetzlich geregelten Fällen ein, im Übrigen kommt nur die Anfechtung in Betracht (vgl. nur KK-AktG/Noack/Zetsche, 3. Auflage 2011, vor §§ 121 Rn. 19 ff., 21 m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks"><strong>d)</strong> Ein zur Nichtigkeit führender Mangel des Hauptversammlungsbeschlusses i.S.v.      § 241 Nr. 3 AktG liegt nicht vor. Nach ganz überwiegend vertretener Auffassung tritt die Nichtigkeit eines Beschlusses nicht bei jedem Inhaltsverstoß gegen zwingendes Aktienrecht, sondern nur bei einem Inhaltsverstoß gegen Grundprinzipien des Aktienrechts ein (BGH, Urt. v. 20.09.2004 – II ZR 288/02, BGHZ 160, 253; aus dem Schrifttum KK-AktG/Noack/Zetsche, 3. Auflage 2017, § 241 Rn. 92/93, 94 ff. m.w.N.). Allerdings sind kompetenzüberschreitende Hauptversammlungsbeschlüsse mangels Rechtsmacht der Hauptversammlung nach dieser Vorschrift nichtig, wobei dahinstehen kann, ob dies dogmatisch mit einer darin liegenden Berührung öffentlicher Interessen oder einer Unvereinbarkeit mit dem Wesen der Aktiengesellschaft zu begründen wäre. Einen derartigen Beschluss hat die Hauptversammlung der Beklagten zu Top 9 jedoch nicht gefasst.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks"><strong>aa)</strong> Zwar werden die inhaltlichen Anforderungen an Hauptversammlungsbeschlüsse nach § 147 Abs. 1 und 2 AktG ganz wesentlich auch anhand einer Abgrenzung der dem besonderen Vertreter nach § 147 AktG zugewiesenen Aufgaben von denjenigen der Verwaltungsorgane der Gesellschaft einerseits sowie des Sonderprüfers nach        § 142 AktG entwickelt und wird auf dieser Grundlage von Teilen des Schrifttums ein zu unbestimmter Beschluss als unzulässiger Eingriff in die Kompetenzen der Verwaltung gewertet. Ob sich mit einem Eingriff in dem Sonderprüfer zustehende Kompetenzen durch einen Beschluss gemäß § 147 Abs. 2 AktG ein Verstoß gegen Grundprinzipen des Aktienrechts begründen ließe, erscheint zweifelhaft, kann aber dahinstehen. Der Schwerpunkt bei der Inhaltskontrolle liegt nicht bei einem etwaigen Kompetenzverstoß, sondern bei der Prüfung der Frage der ausreichenden Bestimmtheit der dem besonderen Vertreter mit dem angefochtenen Beschluss zur Geltendmachung übertragenen Ersatzansprüche, bei deren Beurteilung die gesetzlich zugewiesenen Aufgaben des Sonderprüfers nur ein Aspekt sind. Ein Hauptversammlungsbeschluss, der hinsichtlich des zugrunde liegenden Sachverhalts nicht hinreichend bestimmt ist und den geltend zu machenden Ersatzanspruch nicht hinreichend konkretisiert, ist daher nach - vom Senat für zutreffend gehaltener - herrschender Auffassung nicht nichtig (so aber z.B. Kocher/Lönner, ZIP 2016, 653 ff., 657), sondern anfechtbar (statt anderer Spindler in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Auflage 2015, § 147 Rn. 9 m.N.). Aus diesen Gründen führt auch ein mit der Tätigkeit des besonderen Vertreters als „verkappter Sonderprüfer“ begründeter Rechtsmissbrauchsvorwurf lediglich zur Anfechtbarkeit des Beschlusses.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks"><strong>bb)</strong> Durch den Beschluss wird nicht in die Geschäftsführungskompetenzen des Vorstands eingegriffen. Anders als von Klägerin und Beklagter dargestellt, zielte schon der Ausgangsbeschluss vom 16./17.07.2015 nicht auf einen (von § 147 AktG nicht umfassten) Anspruch auf Unterlassung oder Unterbindung des Erwerbs der Anteile an der A ab, sondern auf die Geltendmachung der angeblich aus dem Erwerb resultierenden Ersatzansprüche durch den besonderen Vertreter.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks"><strong>cc)</strong> Die auf einem anders gelagerten Sachverhalt beruhende Entscheidung des LG Heidelberg, auf welche sich die Klägerin bezieht (Urt. v. 21.03.2017, 11 O 11/16 KfH, Anlage K 27), gibt für den vorliegenden Fall nichts her. Nach dem Verständnis des LG Heidelberg war der besondere Vertreter dort nicht mit der Geltendmachung von in § 147 Abs. 1 AktG genannten Ersatzansprüchen beauftragt worden, sondern damit, Ansprüche auf Rückzahlung angeblich zu Unrecht erhaltener Dividenden gegen Aktionäre zu verfolgen, worin es einen zur Nichtigkeit führenden Verstoß gegen die aktiengesetzliche Kompetenzordnung (§ 78 AktG) gesehen hat. Hier relevante Aussagen sind diesem Urteil, anders als der nachgehenden Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 14.03.2018 (11 U 35/17, AG 2018, 367), auf die unter 3. noch einzugehen sein wird, nicht zu entnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks"><strong>2.</strong> Der Beschluss zu Top 9 vom 21.07.2016 ist nicht unter Verstoß gegen eine Vorschrift des Verfahrensrechts zustande gekommen.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks"><strong>a)</strong> Auf einen Rechtsverlust gemäß § 28 WpHG a. F. lässt sich eine Anfechtung nicht stützen. Die Klägerin, die nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungslast hinsichtlich des Anfechtungsgrundes trägt, auf den sie ihre Klage stützen will (BGH, Urt. v. 24.04.2006 – II ZR 30/05, ZIP 2006, 1134, juris Tz. 21), hat nicht schlüssig dargetan, dass die Rechte aus den Aktien der X3 wegen Vorliegens eines der Tatbestände des § 22 WpHG a.F. Herrn G zuzurechnen sind, dieser gegen gesetzliche Mitteilungspflichten gemäß § 21 WpHG a.F. verstoßen hat und die X3 daher gemäß § 28 WpHG a.F. einem umfassenden Rechtsverlust unterliegt. Zwar hat die Klägerin durchaus Umstände vorgetragen, die eine unter § 22 WpHG a.F. subsumierbare Verbindung zwischen dem vormaligen Aktionär der Beklagten, Herrn G, und der X3 auch in Ansehung der beiden Erwerbs- und Übertragungsvorgänge (von Herrn G auf die X4 einerseits und von dieser, d.h. der X4 auf die X3 andererseits) möglich erscheinen lassen. Jedoch tragen diese Umstände die Feststellung eines Zurechnungstatbestandes aus § 22 WpHG a.F. und damit auch des Stimmrechtsverlustes nach § 28 WpHG a.F. nicht, weil die Klägerin nur Vermutungen zum Hintergrund der Transaktionen des Herrn G anstellt und - aufgrund von Übereinstimmungen personeller und/oder geografischer Art - denkbare Verhältnisse der Handelnden aufzeigt, ohne einen Zurechnungstatbestand konkret nachzuweisen. Für die Ansicht der Klägerin, bis zur Widerlegung ihrer Vorwürfe sei davon auszugehen, dass die Beteiligung an der Beklagten nach wie vor Herrn G zuzurechnen sei, fehlt jedenfalls eine rechtliche Grundlage. Gleiches gilt für ihre Auffassung, die Nebenintervenientin zu 1) treffe eine sekundäre Darlegungslast. Nähere Ausführungen sind jedoch mangels Entscheidungserheblichkeit entbehrlich. Denn selbst wenn ein Rechtsverlust nach § 28 WpHG a.F. unterstellt würde, ergäbe sich daraus kein Anfechtungsgrund.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks"><strong>aa)</strong> Richtig ist zwar, dass von der Sanktion des § 28 WpHG a.F. alle dem Aktionär aus seinen Aktien zustehenden Rechte einschließlich derjenigen, die der Aktionär im Rahmen der Hauptversammlung wahrnehmen kann, betroffen wären (BGH a.a.O. Tz. 14 m.w.N.). Bei der Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses mit der Begründung, wegen unzureichender oder falscher Mitteilungen habe ein Stimmrechtsverlust bestanden, ist aber maßgeblich, ob bei richtiger Stimmenzählung ein anderes Ergebnis festzustellen gewesen wäre. Eine Anfechtung wegen eines Verfahrensfehlers bei Stimmverlust ist nur dann begründet, wenn die fehlerhafte Berücksichtigung von Stimmen auch Einfluss auf das Beschlussergebnis hatte (BGH, Beschluss v. 29.04.2014 – II ZR 262/13, ZIP 2014, 1677 m.w.N.). Das ist nicht der Fall. Da der Beschluss zu Top 9 bei nur 5.730 Nein-Stimmen entsprechend 0,07% des Grundkapitals mit 7.979.825 Stimmen entsprechend 99,93% der gültigen Stimmen gefasst worden ist (Anlage MP8), wäre er auch dann mit der gemäß § 133 AktG erforderlichen einfachen Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen gefasst worden, wenn die 6.692.400 Stimmen der Nebenintervenientin zu 1) nicht berücksichtigt worden wären. Es verblieben 1.287.425 Ja-Stimmen.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks"><strong>bb)</strong> Der Beschluss ist auch nicht deshalb wegen eines Einberufungsmangels anfechtbar, weil die X3 zu dem Ergänzungsverlangen nicht befugt gewesen ist und der Vorstand der Beklagten dem an ihn gerichteten Verlangen nicht hätte nachkommen dürfen. Nach § 122 Abs. 2 S. 1 AktG können Aktionäre, die über die erforderliche Mindestbeteiligung verfügen, verlangen, dass bestimmte Gegenstände auf die Tagesordnung gesetzt und bekanntgemacht werden. Dass das Ergänzungsverlangen der über die gesetzliche Mindestbeteiligung verfügenden X3 den formellen Anforderungen genügt hat und fristgerecht eingegangen ist, § 122 Abs. 2 S. 2 und 3 AktG, steht außer Streit. Dass die Rechtsausübung der X3 insoweit rechtsmissbräuchlich gewesen sei, macht die Klägerin nicht geltend. Somit hatte sich der Vorstand mit dem an ihn gerichteten Ergänzungsverlangen im Rahmen einer gebundenen Entscheidung unverzüglich zu befassen (KK-AktG/Noack/Zetsche, 3. Auflage 2011, § 122 Rn. 73/74; sowie Hüffer/Koch, § 122 Rn. 7; zum Einberufungsverlangen nach § 122 Abs. 1 AktG Senat, Urt. v. 05.07.2012 – I-6 U 69/11, AG 2013, 264, juris Tz. 85). Kommt der Vorstand dem Minderheitsverlangen nach Ergänzung der Tagesordnung nach, obwohl er wegen formeller oder inhaltlicher Defizite hierzu nicht verpflichtet gewesen wäre, so bleibt die Ergänzung aber gleichwohl gültig. Für die Frage der Anfechtung der gefassten Beschlüsse ist es aufgrund der Gestaltungwirkung der Beschlüsse nicht mehr von Bedeutung, ob die Ermächtigung zu Recht erteilt wurde (so zur gerichtlichen Ermächtigung zur Einberufung einer Hauptversammlung und Ergänzung der Tagesordnung BGH, Beschluss v. 08.05.2012 – II ZB 17/11, ZIP 2012, 1313, juris Tz. 8). Die Anfechtung des gefassten Beschlusses kann wegen der Gestaltungswirkung der gerichtlichen Ermächtigung nicht darauf gestützt werden, dass eine gerichtliche Ermächtigung zur Einberufung der Hauptversammlung oder zur Beschlussfassung über Minderheitsanträge nicht hätte erteilt werden dürfen (BGH a.a.O. Tz. 9). Zwar fehlt der Entscheidung des Vorstands, dem Verlangen nach Ergänzung der Tagesordnung nachzukommen, eine vergleichbare Wirkung. Jedoch kann mit Blick auf die Kompetenzen und Aufgaben des Vorstands nach §§ 121, 122, 124 AktG vorliegend nichts grundlegend anderes gelten. Entscheidend ist, dass die Ergänzung der Tagesordnung unstreitig rechtzeitig und ordnungsgemäß bekanntgemacht worden ist. Der im Ansatz in der Sache berechtigte Einwand der Klägerin, der Vorstand habe nicht das Recht, die Vorbereitungszeit der Aktionäre zu verkürzen, geht daher ins Leere.  Beschlüsse, welche die Hauptversammlung sodann in eigener Verantwortlichkeit (Senat a.a.O. Tz. 86) fasst, sind jedenfalls nicht allein deshalb fehlerhaft, weil eine Verpflichtung mit der Befassung mit den davon berührten Beschlussgegenständen nicht bestanden hat (so auch MüKoAktG/Kubis, 4. Auflage 2018, § 122 Rn. 42 m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks"><strong>b)</strong> Dass es an einem wirksamen Beschlussantrag fehlte, macht die Klägerin im Berufungsrechtszug unter dem Aspekt des § 28 WpHG a.F. nicht mehr geltend. Dies wäre auch nicht der Fall. Selbst wenn die Tagesordnung pflichtwidrig ergänzt worden wäre, könnte die Fehlerhaftigkeit eines Beschlusses nicht allein darauf gestützt werden, der Beschlussantrag beruhe auf dem Verlangen eines einem umfassenden Stimmrechtsausschluss unterliegenden Aktionärs. Der Versammlungsleiter hat den form- und fristgerecht bekanntgemachten Antrag zu Top 9 zur Abstimmung gestellt und die Hauptversammlung hat einen entsprechenden Beschluss gefasst. Darauf, ob N aufgrund eines Stimmrechtsverlustes der X3 für diese, wie die Klägerin erstinstanzlich noch gemeint hat, nicht das Wort hätte ergreifen dürfen, kommt es demnach nicht entscheidend an.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks"><strong>c)</strong> Einen rechtserheblichen Durchführungsfehler und einen hierdurch zu besorgenden Eingriff in das Teilnahmerecht der Aktionäre aus § 118 Abs. 3 AktG hat die Klägerin nicht schlüssig dargetan. Soweit sie im ersten Rechtszug hierzu lediglich vorgebracht hat, die Aktionäre hätten den Ausführungen des Vertreters der X3, N, u.a. wegen ihrer Länge, nicht folgen können, hält sie an dieser Rechtsauffassung nicht fest. Ein Anfechtungsgrund nach § 243 Abs. 1 AktG ist demnach nicht zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks"><strong>3.</strong> Der Beschluss zu Top 9 kann aber wegen seines Inhalts erfolgreich angefochten werden. Er verstößt gegen § 147 Abs. 2 S. 1 AktG, weil ihm nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnommen werden kann, welche Ersatzansprüche von dem besonderen Vertreter geltend gemacht werden sollen.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks"><strong>a)</strong> Der Senat ist an einer Nichtigerklärung des zu Top 9 gefassten Beschlusses wegen fehlender Bestimmtheit nicht schon aus formellen Gründen gehindert. Die hiergegen in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten und mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 13.12.2018 vertieften Einwände der Nebenintervenientin und Berufungsklägerin zu 1) greifen nicht durch. Weder ist von einer Vorgreiflichkeit der Entscheidung über die Wirksamkeit des Geltendmachungsbeschlusses nach § 147 Abs. 1 AktG der Hauptversammlung der Beklagten vom 16./17.07.2015 i.S.v. § 148 ZPO auszugehen noch stehen der Nichtigerklärung wegen inhaltlicher Mängel sonstige Gründe entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks"><strong>aa)</strong> Die Entscheidung über die Nichtigerklärung des von der Hauptversammlung der Beklagten vom 21.07.2016 zu Top 9 gefassten (Wieder)Bestellungsbeschlusses ist nicht davon abhängig, wie in dem Verfahren LG Düsseldorf 40 O 75/15 über die Wirksamkeit des Geltendmachungsbeschlusses entschieden wird. Wäre der Beschluss vom 16./17.07.2015 nach § 147 Abs. 1 AktG nichtig oder würde dieser Beschluss durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf für nicht erklärt werden, fehlte dem Bestellungsbeschluss nach § 147 Abs. 2 AktG allerdings die notwendige Grundlage, da dieser einen Geltendmachungsbeschluss nach § 147 Abs. 1 voraussetzt. In diesem Fall wäre der Bestellungsbeschluss wegen seiner Abhängigkeit von dem Geltendmachungsbeschluss also ohne weiteres für nichtig zu erklären. Würde die (vor der Verbindung der Verfahren unter dem Aktenzeichen 40 O 21/16 geführte) Klage in dem Verfahren 40 O 75/15 hingegen als unbegründet abgewiesen und bliebe der Geltendmachungsbeschluss bestehen, folgte daraus nicht zwangsläufig, dass der auf ihm beruhende Bestellungsbeschluss wirksam ist oder als wirksam zu behandeln wäre. Unabhängig davon, dass der Beschluss nach § 147 Abs. 2 AktG auch für sich betrachtet, d.h. aus nicht mit dem Geltendmachungsbeschluss zusammenhängenden Gründen, nichtig oder anfechtbar sein kann, gilt § 248 AktG für ein klageabweisendes Urteil nicht (vgl. hierzu statt anderer KK-AktG/Noack/Zetsche, 3. Auflage 2017, § 248 Rn. 58 ff.). Ein rechtskräftig abweisendes Sachurteil entfaltet materielle Rechtskraft daher nur zwischen den Prozessparteien, §§ 322, 325 ZPO, und dies auch nur hinsichtlich der in jenem Verfahren vorgebrachten Anfechtungsgründe. Die Klage eines anderen Anfechtungsbefugten bliebe also ebenso zulässig wie die Geltendmachung bisher nicht vorgebrachter Anfechtungsgründe. Dass dies mit Blick auf die Ausschlussfrist des § 246 Abs. 1 AktG nur ein theoretischer Fall ist, spielt keine entscheidende Rolle, zumal die Nichtigkeitsklage weiterhin möglich wäre. Die hinter derjenigen nach § 248 AktG zurückbleibende Wirkung eines klageabweisenden Sachurteils hätte lediglich zur Folge, dass der Geltendmachungsbeschluss so zu behandeln wäre wie ein Beschluss, gegen den innerhalb der Frist des § 246 Abs. 1 AktG keine Anfechtungsklage erhoben wurde (Noack/Zetsche a.a.O. Rn. 63 u. § 246 Rn. 13 ff, 15 zur Möglichkeit der Neuvornahme bei Inhaltsmängeln) . Dadurch, dass er wie ein wirksamer Beschluss zu behandeln ist, würde der Geltendmachungsbeschluss aber nicht zu einem mangelfreien Beschluss. Seine umfassende gerichtliche „Bestätigung“ in dem beim LG Düsseldorf anhängigen Verfahren würde im Fall der Klageabweisung nicht angenommen. Dies gilt auch in Bezug auf seine inhaltliche Bestimmtheit, zumal deren Fehlen in dem Verfahren LG Düsseldorf 40 O 75/15 nicht einmal geltend gemacht wird. Auch in diesem Fall würde also nur zu unterstellen sein, dass die Hauptversammlung gemäß § 147 Abs. 1 AktG die Geltendmachung von Ersatzansprüchen beschlossen hat, nicht aber, dass diese Beschlussfassung inhaltlich ausreichend war. Mehr als das Vorliegen der Voraussetzung für den Bestellungsbeschluss, d.h. die Existenz eines Beschlusses nach § 147 Abs. 1 S. 1 AktG, ergäbe sich bei einer Klageabweisung nicht.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks"><strong>bb)</strong> Eine inhaltliche Befassung mit dem Bestellungsbeschluss nach § 147 Abs. 2 AktG ist dem Senat entgegen der Ansicht der Nebenintervenientin zu 1) demnach nicht unter dem Aspekt der Bestandskräftigkeit des Geltendmachungsbeschlusses verwehrt. Gerade weil § 147 Abs. 2 AktG nur regelt, <span style="text-decoration:underline">welche</span> Ersatzansprüche von dem besonderen Vertreter geltend zu machen sind und dieser ausschließlich für die Umsetzung des Geltendmachungsbeschlusses bestellt wird, ist in der vorliegenden Konstellation zu prüfen, ob <span style="text-decoration:underline">diese</span> Aufgabenübertragung ausreichend bestimmt ist. Auch die Nebenintervenientin argumentiert, dass der besondere Vertreter nicht mit der Durchsetzung von „irgendwelchen beliebigen“ Ansprüchen, sondern ausschließlich mit der Geltendmachung der Ersatzansprüche beauftragt wird, deren Geltendmachung durch den Beschluss nach Abs. 1 verlangt wird. Wenn und weil das so ist, kann der Senat aber nicht an einer Befassung mit den geltend gemachten Inhaltsmängeln allein deshalb gehindert sein, weil der Beschluss nach Abs. 1 existiert. Ebenso wenig muss der Senat, wovon die Nebenintervenientin zu 1) auszugehen scheint und worauf ihre Argumentation hinausläuft, bei seiner Entscheidung unterstellen, dass der Beschluss nach § 147 Abs. 1 AktG keine Inhaltsmängel aufweist und den Beschluss nach § 147 Abs. 2 AktG quasi ungeprüft „durchwinken“. Auf ein automatisches „Durchschlagen“ von Mängeln des Geltendmachungsbeschlusses stellt der Senat dabei nicht ab. Auf ein „Durchschlagen“ von Inhaltsmängeln kommt es weder an noch wäre ein solches „Durchschlagen“ erforderlich, um den Bestellungsbeschluss wegen inhaltlicher Mängel für nichtig zu erklären. An die Bestimmtheit sowie die Konkretisierung der Ersatzansprüche sind für den Bestellungsbeschluss keine anderen inhaltlichen Anforderungen zu stellen als für den Geltendmachungsbeschluss nach § 147 Abs. 1 AktG (MüKoAktG/Arnold, 4. Auflage 2018, § 147 Rn 88; Hüffer/Koch § 147 Rn. 10; KK-AktG/Rieckers, § 147 Rn. 311). Dass sich dies in der Praxis selten, vorliegend aber entscheidend auswirkt, beruht schlicht darauf, dass Geltendmachungs- und Bestellungsbeschluss nicht wie sonst gemeinsam gefasst und auch gemeinsam einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden, sondern hier 1 Jahr nach Fassung des Geltendmachungsbeschlusses ein separater (Wieder)Bestellungsbeschluss gefasst wurde. Die von der Nebenintervention angeführte Entscheidung des OLG Köln (Urt. v. 04.12.2015 – I-18 U 149/15, ZIP 2015, 2470, juris Tz. 36) und die darin enthaltenen Ausführungen zum Abstellen auf einen als wirksam zu behandelnden Beschluss sind nach Einschätzung des Senats mit dem dort verfolgten Anspruch des besonderen Vertreters und dem Charakter des einstweiligen Verfügungsverfahrens zu erklären, in welchem dieses Urteil ergangen ist. Anders als hier bestand dort keine Notwendigkeit zu einer Befassung mit dem etwaigen Vorliegen durchgreifender Anfechtungsgründe.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Soweit die Berufungsklägerin zu 1) auf das Fehlen von Nichtigkeitsgründen für den Geltendmachungsbeschluss und eines den Beschluss für nichtig erklärenden rechtskräftigen Urteils verweist, greift ihr Ansatz aber auch deshalb zu kurz, weil der zu Top 9 gefasste Beschluss, was zulässig ist, lediglich Bezug auf den zu Top 11 gefassten Geltendmachungsbeschluss vom 16./17.07.2015 nimmt, sich selbst jedoch nicht zu den von dem besonderen Vertreter geltend zu machenden Ersatzansprüchen verhält. Dadurch hat die Hauptversammlung hinsichtlich der Aufgabenübertragung die inhaltliche Verbindung mit dem zugrunde liegenden Beschluss nach § 147 Abs. 1 AktG  selbst in einer Weise hergestellt, die sich der Sache nach als konkludente Bestätigung des Geltendmachungsbeschlusses darstellt und eine Befassung mit der Bestimmtheit der Aufgabenübertragung erfordert. Nicht zuletzt ist zu berücksichtigen, dass es für die Anforderungen an die Konkretisierung der Beschlüsse nach § 147 AktG auf den Kenntnisstand der Hauptversammlung bei deren Fassung ankommt. Seit Fassung des Beschlusses nach § 147 Abs. 1 AktG ist 1 Jahr vergangen und der besondere Vertreter hat seine Tätigkeit unstreitig nach seiner Bestellung am 17.07.2015 aufgenommen. Bei der Auslegung des Beschlusses vom 21.07.2016 sind folglich auch die Erkenntnisse des besonderen Vertreters, über welche er der Hauptversammlung zuvor unter Top 8 anhand seiner Präsentation berichtet hat, zu berücksichtigen.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks"><strong>b)</strong> Welche inhaltlichen Anforderungen bei einer am Gesetzeszweck orientierten Auslegung an einen Beschluss gemäß § 147 AktG i.d. Fassung des UMAG zu stellen sind, um einer missbräuchlichen Verwendung des Beschlusses entgegenzuwirken, ist im Einzelnen umstritten und höchstrichterlich noch ungeklärt. Wegen des Meinungsstandes wird auf die ausführliche Darstellung in dem Urteil des OLG Köln v. 09.03.2017 (I-18 U 19/16, AG 2017, 351, juris Tz. 304 ff.) verwiesen. Zu erwähnen ist mit Blick auf diese Darstellung nur, dass das darin zitierte OLG München in dem Urteil vom 27.08.2008 (7 U 5678/07, AG 2008, 864) seine zuvor im einstweiligen Verfügungsverfahren (Urt. v. 28.11.2007 - 7 U 4498/07, AG 2008, 172) vertretene großzügigere Auffassung ausdrücklich aufgegeben hat (Tz. 52). Das OLG Karlsruhe vertritt in dem bereits erwähnten Urteil vom 14.03.2018 (11 U 35/17, AG 2018, 367) unter Hinweis auf die zum GmbHG ergangene, § 147 AktG in seiner damals geltenden Fassung erwähnende Entscheidung des BGH vom 20.01.1986 (II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, juris Tz. 14) und die Rechtsprechung des OLG München die Ansicht, es dürften keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Verlangt werden müsse aber, dass der Lebenssachverhalt, aus dem Ersatzansprüche hergeleitet werden, zumindest insofern konkretisiert wird, dass neben der Angabe, welcher Art der Schaden sein soll, umrissen wird, worin die Pflichtverletzung und der Tatbeitrag der Anspruchsgegner liegen soll (OLG Karlsruhe a.a.O. juris Tz. 46). Bayer (AG 2016, 637) will schließlich hinsichtlich der zu stellenden Anforderungen danach differenzieren, ob es sich um ein Verlangen der Mehrheit oder um ein solches der Minderheit handelt und meint, im letztgenannten Fall seien wegen der Missbrauchsgefahr strengere Anforderungen zu stellen. Eine enge Auffassung vertreten auch beispielsweise Kocher/Lönner (ZIP 2016, 653), die einen Beschluss nach § 147 AktG nur dann für hinreichend bestimmt halten, wenn ein konkret umrissener Lebenssachverhalt vorgetragen wird und sich daraus das Bestehen der geltend zu machenden Ansprüche schlüssig ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks"><strong>c)</strong> Der Senat ist der Auffassung, dass die zu verlangende Konkretisierung der geltend zu machenden Ersatzansprüche eine solche Darstellung des ihnen zugrunde liegenden Lebenssachverhalts erfordert, die erkennen lässt, welche Umstände für das Vorliegen einer anspruchsbegründenden Pflichtverletzung sprechen. Dabei ist zwar weder eine schlüssige Darlegung der Ersatzansprüche noch einer hohen Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Geltendmachung der Ersatzansprüche gelingen wird, zu verlangen. Jedoch ist über das Behaupten des Bestehens von Ersatzansprüchen unter, wie hier, nur auf den ersten Blick konkretem Hinweis auf eine bestimmte Geschäftsführungsmaßnahme hinaus erforderlich, dass aus tatsächlichen und/oder rechtlichen Gründen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen von Ersatzansprüchen spricht und diese nicht mehr oder minder „ins Blaue hinein“ behauptet werden. Ist eine derartige Konkretisierung zum Zeitpunkt der Hauptversammlung nicht möglich, weil mangels Klärung der Grundlagen denkbarer Ersatzansprüche noch erheblicher Aufklärungsbedarf besteht, ist die Bestellung eines besonderen Vertreters von dem Recht nach § 147 Abs. 2 S. 1 AktG nicht mehr gedeckt. Weder der Wortlaut der Vorschrift noch ihr Sinn und Zweck erlauben der Hauptversammlung, auf einer derart vagen Grundlage und unter Verdrängung der Verwaltungsorgane der Gesellschaft einen besonderen Vertreter mit der umfassenden und grundlegenden Klärung des Bestehens etwaiger Ansprüche zu beauftragen. Gemessen an diesen Anforderungen ist der Beschluss zu Top 9 zu unbestimmt, weil er zwar den zugrunde liegenden Lebenssachverhalt, den Erwerb der Anteile an der A durch die Beklagte von der X2-Gruppe, und die Anspruchsgegner, die D, die X2 und die jeweiligen Obergesellschaften, enthält, nicht aber hinreichend konkret den anspruchsbegründenden Lebenssachverhalt und damit den Ersatzanspruch umreißt.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks"><strong>aa)</strong> Sowohl eine am Wortlaut als auch eine an Sinn und Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung ergibt, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen von Ersatzansprüchen gegeben sein muss, die Beschlüsse also eine über die Möglichkeit ihres Bestehens hinausgehende Grundlage besitzen müssen. Nach § 147 Abs. 1 S. 1 AktG <span style="text-decoration:underline">müssen</span> Ersatzansprüche der Gesellschaft aus der Gründung gegen die nach den §§ 46 bis 48, 53 verpflichteten Personen oder aus der Geschäftsführung gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats oder aus § 117 geltend gemacht werden, wenn es die Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit beschließt. Nach § 147 AktG können nach zutreffender herrschender Auffassung auch aus dem Konzernverhältnis resultierende Ersatzansprüche gegen das herrschende Unternehmen verfolgt werden (so auch OLG Köln, Urt. v. 09.03.2017 - I-18 U 19/16, AG 2017, 351, juris Tz. 346 ff.; ausführlich OLG München, Urt. v. 28.11.2007 - 7 U 4498, AG 2008, 172, juris Tz. 45 ff.; offengelassen von OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.03.2018 - 11 U 35/17, AG 2018, 367; zum Meinungsstand im Schrifttum: Hüffer/Koch § 147 Rn. 3 m.w.N.). Aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung nach § 147 Abs. 1 S. 1 AktG, der mit Blick auf die in der Vorschrift zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Interessenabwägung keiner sachlichen Rechtfertigung bedarf, sind die zuständigen Vertretungsorgane zur Geltendmachung der Ersatzansprüche verpflichtet. Ein Beurteilungsspielraum der Organe nach den Grundsätzen der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH (BGHZ 135, 244) besteht also nicht. Ist das Absehen von der Geltendmachung demnach die auf Einzelfälle beschränkte Ausnahme, muss es im Interesse der Gesellschaft und ihrer Aktionäre ein Korrektiv in Form der Anforderungen an die Bestimmtheit geben, welches die Fassung von Beschlüssen verhindert, die die Geltendmachung von Ansprüchen anordnen, für deren Bestehen zum Zeitpunkt der Hauptversammlung noch nichts Konkretes spricht. Für ein derartiges Verständnis spricht auch, dass der Ersatzanspruch gemäß § 147 Abs. 1 S. 2 AktG binnen sechs Monaten seit dem Tag der Hauptversammlung geltend gemacht werden soll. Demnach kann es sich nicht um nur womöglich gegebene Ersatzansprüche handeln, deren tatsächliche und/oder rechtliche Grundlagen erst noch einer umfassenden ergebnisoffenen Aufarbeitung bedürfen, deren Ergebnis ohne weiteres sein kann, dass Ansprüche nicht bestehen. Zuständig für die Geltendmachung ist, da der Geltendmachungsbeschluss an der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung nichts ändert, der Vorstand, § 78 AktG, oder, wenn dieser selbst Anspruchsgegner ist, der Aufsichtsrat, § 112 AktG. Gemäß § 147 Abs. 2 S. 1 AktG <span style="text-decoration:underline">kann</span> die Hauptversammlung zur Geltendmachung eines solchen Ersatzanspruchs aber auch einen besonderen Vertreter bestellen. Dieser besitzt im Rahmen seines Aufgabenkreises selbst Organqualität und verdrängt insoweit Vorstand und Aufsichtsrat. Von der Befugnis zur Bestellung eines besonderen Vertreters wird die Hauptversammlung vor allem dann Gebrauch machen, wenn sie an der Bereitschaft oder dem Willen von Vorstand und/oder Aufsichtsrat zweifelt, die Ersatzansprüche engagiert zu verfolgen. Die Bestellung des besonderen Vertreters durch die Hauptversammlung kann, muss aber nicht zusammen mit dem Beschluss nach § 147 Abs. 1 S. 1 AktG erfolgen. Der Bestellungsbeschluss ist zwar in dem Sinne von dem Beschluss nach Abs. 1 unabhängig, dass beide Beschlüsse nicht miteinander verbunden werden müssen. Er setzt aber einen Beschluss nach Abs. 1 voraus (vgl. nur MüKoAktG/Arnold § 147 Rn. 87). Erfolgt die Bestellung des besonderen Vertreters nicht zusammen mit dem Beschluss über die Geltendmachung, sondern später, so ist statt einer erneuten Darlegung der Ersatzansprüche auch eine Bezugnahme auf den bereits gefassten Geltendmachungsbeschluss möglich und ausreichend (MüKoAktG/ Arnold § 147 Rn. 88 unter Hinweis auf KK-AktG/Rieckers/Vetter § 147 Rn 311 und Hüffer ZHR 174 (2010), 642, 666 f.). Unabhängig davon müssen Antrag und Beschluss nach Abs. 2 wie bei dem Geltendmachungsbeschluss gemäß § 147 Abs. 1 S. 1 AktG eindeutig erkennen lassen, welche Ersatzansprüche der besondere Vertreter geltend machen soll. Ein Eingriff in die Kompetenzen der Verwaltungsorgane setzt auch danach voraus, dass zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen der Ansprüche spricht. Eine ergebnisoffene Aufarbeitung des Sachverhalts kann dem besonderen Vertreter nach der Systematik des § 147 AktG nicht übertragen werden.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks"><strong>bb)</strong> Mit diesem Verständnis werden vorliegend keine vom Gesetz nicht getragenen und somit überzogenen Anforderungen aufgestellt. Richtig und nicht von der Hand zu weisen ist zwar, dass die Hauptversammlung regelmäßig nicht über die Informationen verfügen wird, einen vollständig ausermittelten Sachverhalt präsentieren zu können. Jedoch ist es hier auch nicht so, dass Aktionäre wie die X3 von solchen Informationen abgeschnitten gewesen sind, die es ihnen ermöglicht hätten, für das Bestehen von Ersatzansprüchen sprechende Anhaltspunkte wenigstens aufzuzeigen. In dem am 19.06.2015 veröffentlichten Ergänzungsverlangen der X3 (Anlage K 8) wird erwähnt, dass auf der Internetseite der Beklagten nach Bekanntgabe der Tagesordnung für die Hauptversammlung am 16./17.07.2015 verschiedene Informationen veröffentlicht wurden, u.a. der Entwurf des der Hauptversammlung zur Zustimmung vorgelegten Vertrages. Vor allem aber konnten sich die X3 und die übrigen Aktionäre mit dem auf der Internetseite abrufbaren Inhalt des von B erstatteten Bewertungsgutachtens befassen und dieses auf schwere Mängel untersuchen. Dass eine Untersuchung zur Aufdeckung erheblicher sachlicher und/oder fachlicher Bewertungsmängel geführt hat, ist nicht anzunehmen, da derartige Erkenntnisse in der Begründung des Ergänzungsverlangens (und im Übrigen auch bis heute) nicht angeführt werden. Dort wird lediglich - im Zusammenhang mit dem Antrag auf Bestellung eines Sonderprüfers - die Frage aufgeworfen, ob das Bewertungsgutachten unter verschiedenen Aspekten lege artis ist. Damit wird aber gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, dass auch die X3 keine schweren Bewertungsmängel geltend macht, sondern die Bewertung einer Untersuchung unterziehen will, um erst noch zu ermitteln, ob derartige Mängel vorliegen und ob das Bewertungsgutachten von B daher keine tragfähige Grundlage für die Kaufpreisermittlung durch den Vorstand sein konnte. Das Stellen geringerer Anforderungen an die Konkretisierung der Ersatzansprüche würde vor diesem Hintergrund neben dem schon erwähnten Eingriff in die Kompetenzen der Verwaltungsorgane den Unterschieden zwischen Sonderprüfung nach § 142 AktG und Geltendmachung von Ersatzansprüchen nach § 147 AktG zu geringe Beachtung schenken. Denn während sich die Sonderprüfung auf bestimmte Vorgänge bezieht und auf eine Klärung unklarer Sachverhalte, also auf die Ermittlung von Tatsachen abzielt, besteht die Aufgabe des besonderen Vertreters nach der gesetzlichen Konzeption darin, auf der Grundlage eines zumindest im Wesentlichen aufgeklärten Sachverhaltes bestimmte Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen konkrete Personen geltend zu machen. Der Beschluss zu Top 9 bezeichnet demgegenüber zwar - unter Berücksichtigung des Inhalts des ihm zugrunde gelegten Geltendmachungsbeschlusses vom 17.07.2015 - den Gegner und den generellen Ausgangspunkt der Ersatzansprüche. Der Auftrag des besonderen Vertreters bezieht sich demnach auf Ansprüche, die „aus dem Erwerb“ der Anteile an der A gegen die Klägerin als Mehrheitsaktionärin resultieren. Dass diese Ansprüche auf der Zahlung eines überhöhten Kaufpreises für die Anteile beruhen sollen, ist zwar nicht dem Beschluss, aber immerhin der Antragsbegründung zu entnehmen. Damit wird der dem Ersatzanspruch zugrunde liegende <span style="text-decoration:underline">anspruchsbegründende</span> Lebenssachverhalt aber nur vordergründig bestimmbar umrissen. Es kann jedoch auch und gerade unter Berücksichtigung des gesetzlich geregelten Zusammenspiels der §§ 142 bis 146 AktG und der §§ 147 ff. AktG nicht ausreichen, die Bestellung eines besonderen Vertreters mit dem Bestehen von angeblichen Ersatzansprüchen zu begründen, wenn nicht einmal geklärt ist, ob die Grundvoraussetzung dieser Ansprüche erfüllt ist, hier konkret also noch unklar ist, ob der von der Beklagten an die X2-Gruppe gezahlte Kaufpreis tatsächlich überhöht gewesen ist bzw. hierfür noch nicht einmal konkrete Umstände dargetan worden sind. Richtig mag sein, dass es ein generell zu beachtendes Stufenverhältnis zwischen Sonderprüfer und besonderem Vertreter nicht gibt. Anderes muss aber dann gelten, wenn ein noch unklarer Sachverhalt erst noch erforscht werden muss, bevor eine Beurteilung des Bestehens von Ersatzansprüchen überhaupt möglich ist. Denn in einer solchen Situation müsste der besondere Vertreter entweder eine solche Sachverhaltsaufklärung selbst vornehmen können oder er müsste sich der Ergebnisse einer vorangegangenen Sonderprüfung bedienen, um die ihm übertragene Durchsetzung der Ersatzansprüche vornehmen zu können. Ganz überwiegend ist jedoch anerkannt, dass der besondere Vertreter vor der Geltendmachung der Ansprüche den Sachverhalt nicht noch umfassend ermitteln müssen darf, da dies Zweck der Sonderprüfung ist (vgl. nur MüKoAktG/Arnold § 147 Rn. 88 ff.). Es ist davon auszugehen, dass der besondere Vertreter Ermittlungsbefugnisse nur insoweit hat, wie dies für die Erfüllung seiner Aufgabe erforderlich ist (MüKoAktG/Arnold a.a.O. Rn. 69). Auch das OLG Köln weist in seiner STRABAG-Entscheidung zutreffend darauf hin, dass der besondere Vertreter ein Recht zur Prüfung und Aufklärung nur als Annexkompetenz besitzt, d.h. soweit es um die ihm übertragene Anspruchsdurchsetzung geht. Dabei mögen die Grenzen mitunter fließend und eine Abgrenzung der noch als Aufklärung zu bezeichnenden Tätigkeiten von den schon der Durchsetzung dienenden schwieriger sein als vorliegend, da auch die Vorbereitung der Anspruchsdurchsetzung häufig mit einer vorherigen Klärung tatbestandlicher Voraussetzungen und der Beschaffung von Beweismitteln verbunden ist.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks"><strong>cc)</strong> Hier ist es aber so, dass der besondere Vertreter die Kompetenz zur Erfüllung der <span style="text-decoration:underline">ihm</span> übertragenen Aufgabe nicht hat, weil zunächst die tatsächlichen Grundlagen eines etwaigen Anspruchs aufgeklärt werden müssen, sodass vorrangig ein Sonderprüfer zu bestellen gewesen wäre. Betrachtet man den Inhalt des ersten Ergänzungsverlangens (Anlage K 8), fällt auf, dass die X3 seinerzeit selbst gemeint hat, es sei ein Sonderprüfer mit der Klärung des Sachverhalts zu beauftragen. Nach ihrer damaligen Einschätzung standen nach dieser Begründung also weder die Kaufpreisüberhöhung noch ein pflichtwidriges Verhalten der Geschäftsführung bei der Vorbereitung des Erwerbsgeschäfts oder ein zum Schadensersatz verpflichtendes Verhalten der Klägerin fest. Die in der Begründung des Antrags zu Top 11 aufgestellte Behauptung, der Kaufpreis von 34 Mio. EUR sei deutlich überhöht, beruht nach der Begründung zu dem Antrag zu Top 10 mithin nicht etwa auf einer konkreten Tatsachengrundlage, sondern wird mehr oder minder ins Blaue hinein aufgestellt. Die X3 bringt in der Begründung zu dem Antrag zu Top 10 („Sonderprüfer“) nämlich nicht vor, dass die Unternehmensbewertung durch B fehlerhaft sei oder dass wenigstens konkrete Argumente für diese Beurteilung sprechen würden. Es soll vielmehr erst geklärt werden, <span style="text-decoration:underline">ob</span> diese Bewertung „lege artis“ ist, also eine geeignete Grundlage für die Kaufpreisbildung gewesen sein kann. Vor diesem Hintergrund stand also weder bereits fest noch sprachen aussagekräftige Umstände für die Richtigkeit des Verdachts der X3, der Kaufpreis sei „deutlich überhöht“. Es ist nicht einmal ausgeschlossen, dass die Unternehmensbewertung von B in sachlicher und fachlicher Hinsicht nicht zu beanstanden und der ermittelte Kaufpreis somit angemessen ist. Die unter e) des Ergänzungsverlangens aufgelisteten Fragen dienen infolgedessen der Klärung der für das Bestehen eines Ersatzanspruchs maßgeblichen Fragen. Eine durch keinerlei konkrete Tatsachen gestützte Behauptung kann aber nicht Grundlage einer Verpflichtung der Gesellschaft sein, Ersatzansprüche geltend zu machen, wie sie in § 147 Abs. 1 AktG gerade vorgesehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks"><strong>dd)</strong> Die X3 - oder der besondere Vertreter selbst - haben ein möglicherweise zum Ersatz verpflichtendes Verhalten auch bis heute nicht näher umschrieben, sondern behaupten nach wie vor lediglich, dass der Kaufpreis überhöht gewesen sein könnte und der Beklagten auch unter Berücksichtigung des zwischenzeitlich erfolgten Verkaufs ein Schaden möglicherweise entstanden sei. Weder das (zweite) Ergänzungsverlangen (Anlage K 12) noch die Präsentation des besonderen Vertreters vom 21.07.2016 (Anlage K 20) enthalten mehr als pauschale Aussagen und die Wiedergabe bereits bekannter Umstände bzw. eine Schilderung der Ereignisse seit dem 17.07.2015. So wird etwa geltend gemacht, dass C an der Umsetzung seines Auftrages gehindert worden sei, indem ihm Informationen vorenthalten worden seien, was wiederum zu dem ausführlich wiedergegebenen Urteil des LG Duisburg vom 09.06.2016 geführt habe. In der Präsentation heißt es zwar auf Seite 7 unter „Zwischenergebnis“ weiter, dass die DD-Berichte (Due Diligence-Berichte) und die Unternehmensbewertung „wesentliche Transaktionsrisiken“ außer Betracht gelassen hätten. Auch dabei handelt es sich aber bei näherer Betrachtung um nicht mehr als eine noch nicht durch konkrete Tatsachen unterlegte Behauptung, die im Übrigen schon dem Ergänzungsverlangen der X3 zugrunde lag, wie sich den dortigen Ausführungen entnehmen lässt. Es werden in der Präsentation zwar zwei angebliche Risiken angeführt, nämlich das „Vorliegen behördlicher Genehmigungen, insbesondere Baugenehmigungen“ und Bedenken in Bezug auf die Angemessenheit der (nach wie vor nicht vollständig dokumentierten, siehe S. 12 der Präsentation) Konzernverrechnungspreise geäußert. Unabhängig davon, dass nicht erkennbar ist, ob im erstgenannten Fall nur ein allgemeines, sich hier aber nicht weiter auswirkendes Risiko beschrieben wird oder aufgrund konkreter Umstände Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es sich tatsächlich um ein für die Kaufpreisbildung für die Anteile der A relevantes Transaktionsrisiko handelt, belegt diese Darstellung, dass der zugrunde liegende Sachverhalt immer noch unaufgeklärt ist. Nichts anderes gilt für den zweiten Punkt. Daraus, dass es im Anschluss an diese Darstellung auf Seite 7 der Präsentation heißt, diese Kosten (gemeint sind die Konzernverrechnungspreise) könnten entscheiden, ob „Ergebnis Catarina deutlich negativ oder positiv ausfällt“, ergibt sich aber, dass der besondere Vertreter tatsächlich nicht mit der Durchsetzung von konkreten Ansprüchen, sondern vielmehr mit einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung befasst ist, zu der er, anders als ein Sonderprüfer, aber gerade nicht die Kompetenz hat. Dabei darf im Übrigen auch nicht vergessen werden, dass nicht einmal die Sonderprüfung die (fehlende) Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung zum Gegenstand hätte, sondern anhand des bestimmten Sachverhalts mögliche Ersatzansprüche substantiieren sollte. Zu einer Ermittlung und umfassenden Aufklärung des Sachverhalts ist, wie schon erwähnt, nur der Sonderprüfer befugt, während der besondere Vertreter nur das Recht hat, solche Auskünfte und Informationen zu verlangen, die er für die Durchsetzung des geltend zu machenden Anspruchs benötigt. Der hiesige besondere Vertreter befindet sich demgegenüber in einer Situation, in der er <span style="text-decoration:underline">anstelle</span> eines Sonderprüfers zunächst einmal versuchen muss zu ermitteln, ob Ersatzansprüche überhaupt bestehen. Die beiden in der Präsentation des besonderen Vertreters als einzuholen genannten Gutachten dienen nicht schon der Vorbereitung der Anspruchsdurchsetzung, sondern der Ermittlung von Anhaltspunkten für das Bestehen von Ersatzansprüchen. Der besondere Vertreter will ein Gutachten zur Einhaltung öffentlich-rechtlicher, insbesondere baurechtlicher Vorschriften in Auftrag geben, wobei, wie schon eben erwähnt, nicht einmal erkennbar ist, dass konkrete Umstände gegen die Einhaltung von Vorschriften und vor allem für die Relevanz eines etwaigen Verstoßes sprechen.   Des Weiteren sollen die Unternehmensbewertung von B, die Legal Due Diligence sowie die Konzernverrechnungspreise der Überprüfung durch eine weitere Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unterzogen werden. Auch dieses Gutachten dient der Sachverhaltsermittlung, nicht der Klärung der Höhe der behaupteten Ersatzansprüche oder der Vorbereitung ihrer Durchsetzung.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks"><strong>ee)</strong> Gegen diese Sichtweise lässt sich schließlich auch nicht mit Erfolg einwenden, dass in Bezug auf die Mehrheitsaktionärin eine Sonderprüfungsmöglichkeit nach § 142 AktG nicht besteht. Denn es bestünde immerhin die Möglichkeit, die konkrete Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands zum Gegenstand einer Sonderprüfung zu machen. Ergäbe sich nach einer Aufklärung des Sachverhalts, dass der Erwerb der Anteile von der Klägerin veranlasst worden und für die Beklagte nachteilig auch i.S.d. §§ 308 ff. AktG gewesen ist, kann ein Beschluss, Ersatzansprüche gegen die Mehrheitsaktionärin geltend zu machen, nach § 147 AktG immer noch gefasst werden.     Denn ein Anspruch der Beklagten gegen das herrschende Unternehmen aus § 317 AktG würde voraussetzen, dass sie von dem herrschenden Unternehmen zu einem nachteiligen Rechtsgeschäft, also einem solchen, das ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft unterlassen hätte, veranlasst worden ist, ohne dass dieser Nachteil ausgeglichen wurde.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks"><strong>d)</strong> Ein Fall des Rechtsmissbrauchs liegt allerdings nicht vor. Zwar handelt es sich, da Ersatzansprüche gegen die Klägerin als Mehrheitsaktionärin behauptet werden, sodass vom Versammlungsleiter zu prüfen war, ob diese nach § 136 AktG einem Stimmverbot unterliegt, um einen Sachverhalt, aus dem sich Missbrauchsrisiken ergeben (vgl. hierzu nur Hüffer/Koch, § 147 Rn. 4 m.N.). Unter dem Aspekt des „Erschleichens“ des Stimmverbots des Mehrheitsaktionärs gemäß § 136 AktG vermag ein zu unbestimmter Beschlussantrag von Minderheitsaktionären nach § 147 AktG für sich genommen aber nicht grundsätzlich den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu begründen. Entscheidend sind vielmehr stets die Umstände des Einzelfalls. Diese rechtfertigen hier nicht die Annahme, die X3 behaupte Ansprüche gegen die Klägerin nur deshalb, um diese von der Abstimmung auszuschließen. Immerhin hat die Beklagte die Anteile an der A von der X2-Gruppe erworben und unterfallen nach vom Senat für zutreffend gehaltener herrschender Meinung konzernrechtliche Ersatzansprüche wie derjenige aus § 317 AktG gegen das herrschende Unternehmen § 147 AktG (so auch OLG Köln, Urt. v. 09.03.2017 - I-18 U 19/16, AG 2017, 351, juris Tz. 346 ff.; zum Meinungsstand im Schrifttum: Hüffer/Koch § 147 Rn. 3 m.w.N.). Dass die Anspruchsverfolgung offensichtlich aussichtslos ist, mit der Antragstellung allein eigennützige Zwecke verfolgt werden (vgl. etwa MüKoAktG/Arnold, 4. Auflage 2018,  § 147 Rn. 42 m.N.) oder ein vergleichbar schwerwiegendes sachfremdes Motiv vorliegt, vermag der Senat nicht festzustellen. Dass dem Beschlussantrag zu Top 9 keine hinreichend konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte für das Bestehen von Ersatzansprüchen der Beklagten gegen die Klägerin zu entnehmen sind, rechtfertigt den Rechtsmissbrauchsvorwurf noch nicht.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks"><strong>e)</strong> Soweit die Klägerin eine Rechtswidrigkeit des Beschlusses neben dem Verstoß gegen § 147 Abs. 2 AktG auf in der Person des C liegende Gründe stützt, kann offenbleiben, ob die Anfechtbarkeit aus derartigen Gründen hergeleitet werden könnte, da sie mit diesen Gründen schon in der Sache nicht durchdringen kann.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks"><strong>aa)</strong> Was die behauptete Kompetenzüberschreitung anbelangt, liegt der Schwerpunkt bei der fehlenden Konkretisierung, die sich auch und gerade aus der Abgrenzung zu den Aufgaben und Befugnissen des Sonderprüfers ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks"><strong>bb)</strong> Das Fernbleiben in der Hauptversammlung war wohl schon nicht pflichtwidrig, weil der besondere Vertreter an dieser nicht generell persönlich teilnehmen muss. Eine solche Teilnahmepflicht besteht nur für die Verwaltungsmitglieder, § 118 Abs. 3 S. 1 AktG. Zu diesem Personenkreis gehört der besondere Vertreter nicht. Wollte man die entsprechende Anwendung der Vorschrift auf den besonderen Vertreter nach § 147 Abs. 2 AktG mit Blick auf dessen Organqualität und im Rahmen seines Aufgabenkreises bejahen, würde es jedenfalls an einem relevanten Pflichtverstoß fehlen. Die Reichweite der höchstpersönlichen Teilnahmepflicht ist von der Funktion der Teilnahmepflicht abhängig. Entscheidend ist, ob eine persönliche Teilnahme des C erforderlich gewesen ist, um dessen aus dem mit der Bestellung vom 17.07.2015 begründeten Auftragsverhältnis nach §§ 662 ff. BGB resultierenden Auskunftspflichten gerecht zu werden. Da die Klägerin nicht ansatzweise dargetan hat, inwiefern ein Auskunftsrecht durch die Abwesenheit von C beeinträchtigt worden ist respektive dessen Vertreter E Fragen nicht beantwortet hat oder beantworten konnte, und nicht ersichtlich ist, dass C seinen Bericht in grundlegend anderer Art und Weise erstattet hätte als sein Vertreter, ist eine relevante Pflichtwidrigkeit selbst bei Unterstellung einer Teilnahmepflicht zu verneinen.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks"><strong>cc)</strong> Eine Verletzung von Verschwiegenheitspflichten ist ebenfalls nicht ausreichend dargetan. Da die X3 nach Lage der Akten als zweitgrößte Einzelaktionärin von der Verwaltung der Beklagten über wesentliche Vorkommnisse im Zusammenhang mit dem strittigen Erwerb informiert worden ist und das von ihr in Bezug genommene Urteil des LG Duisburg am 09.06.2016, also soweit ersichtlich vor dem Eingang des Ergänzungsverlangens, verkündet wurde, ist nicht zu widerlegen, dass sie in ihrem Ergänzungsverlangen verwendete Informationen nur diesem Urteil entnommen hat.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Für den (neuen) Vorwurf der Weitergabe von (zweifellos vertraulichen) Aufsichtsratsprotokollen stützt sich die Klägerin auf einen Schriftsatz des C vom 13.10.2016, dessen Inhalt und Anlagen vorliegend aber deshalb irrelevant sind, weil diese Umstände bei der Beschlussfassung am 21.07.2016 nicht bekannt waren. Es kann also offen bleiben, ob die Einführung derartiger Unterlagen in den Rechtsstreit als Verstoß gegen Verschwiegenheitspflichten zu werten wäre.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks"><strong>dd)</strong> Soweit die Klägerin in ihrer Berufungserwiderung weitere in der Person des besonderen Vertreters liegende Anfechtungsgründe anführt, sind diese außerdem schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil sie nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 246 Abs. 1 AktG vorgebracht worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">                                                                                    <strong><span style="text-decoration:underline">III</span></strong>.</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 2, 100 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen.</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks"><strong>Streitwert des Berufungsverfahrens</strong>: <strong>50.000,00 EUR</strong></p>
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161,434 | ovgrlp-2018-12-20-10-a-1102918 | {
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} | 10 A 11029/18 | 2018-12-20T00:00:00 | 2019-01-16T06:59:54 | 2019-01-17T12:06:25 | Beschluss | ECLI:DE:OVGRLP:2018:1220.10A11029.18.00 | <div class="docLayoutText">
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tenor<!--hlIgnoreOff-->
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<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 5. Juli 2018 zuzulassen, wird abgelehnt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Kläger hat die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens zu tragen.</p></dd>
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</div></div>
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<!--hlIgnoreOn-->Gründe<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
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<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 Asylgesetz – AsylG – nicht vorliegt bzw. nicht entsprechend den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dargelegt worden ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargestellte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder – bei tatsächlichen Fragen oder nicht revisiblen Rechtsfragen – durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt, aber klärungsbedürftig und über den zu entscheidenden Fall hinaus bedeutsam ist (vgl. etwa Happ, in: Eyermann [Hrsg.], VwGO, 14. Auflage 2014, § 124 Rn. 36 ff.). Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG verlangt, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Zudem muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht. Bei einer auf tatsächliche Verhältnisse gestützten Grundsatzrüge muss der Rechtsmittelführer Erkenntnisquellen zum Beleg dafür angeben, dass die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts unzutreffend oder zumindest zweifelhaft sind. Es reicht nicht aus, wenn lediglich Zweifel an der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage geäußert werden oder behauptet wird, dass sich die entscheidungserheblichen Tatsachen anders darstellten. Es bedarf vielmehr der Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen einer unterschiedlichen Würdigung und damit einer Klärung im Berufungsverfahren zugänglich sind (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow [Hrsg.], VwGO, 4. Auflage 2014, § 124 Rn. 141; s. zu alledem auch OVG NRW, Beschluss vom 9. Oktober 2017 – 13 A 1807/17.A –, juris, Rn. 3 ff.; BayVGH, Beschluss vom 3. Januar 2018 – 11 ZB 17.31950 –, juris, Rn. 2).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>1. Diesen Darlegungsanforderungen wird das klägerische Vorbringen zu der als klärungsbedürftig bezeichneten Frage, ob die Ausgestaltung des internationalen Schutzes, namentlich die Lebensbedingungen für subsidiär Schutzberechtigte in Italien, den Anforderungen der Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU genügt bzw. gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK verstößt, nicht gerecht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Soweit der Kläger indirekt auf den Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 2017 – 1 C 17/16 – verweist, kann er hiermit von vornherein keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf ableiten, weil sich dieser Beschluss auf Bulgarien bezieht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Auch aus den Darlegungen zu dem Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2017 – 1 C 26/16 – lässt sich kein grundsätzlicher Klärungsbedarf ableiten. Die dortige Vorlage bezieht sich auf die Frage, ob ein erneuter Asylantrag in Deutschland als unzulässig abgelehnt werden kann, wenn die Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge in dem anderen Mitgliedstaat (hier Italien) den Anforderungen der Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU nicht genügen, ohne bereits gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK zu verstoßen. Mit dem materiellen Gehalt dieser Entscheidung setzt sich der Kläger indessen nicht einmal ansatzweise auseinander. Dies wäre umso mehr erforderlich gewesen, als die Vorlagefrage bedingt formuliert ist und aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts zu verneinen sein dürfte, mithin die bisherige rechtliche Betrachtungsweise Bestand hat. Insofern hat sich das Verwaltungsgericht die Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 6. April 2018 – 10 LB 109/18 –, juris) zu eigen gemacht, das unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse zur Lage von anerkannten Schutzberechtigten in Italien zu dem Ergebnis gelangt ist, dass in Italien keine grundlegenden Defizite im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte bestehen. Hiermit hat sich der Kläger in seinem Zulassungsantrag nicht im erforderlichen Umfang auseinandergesetzt. Insofern genügt das auszugsweise Zitieren des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Hannover vom 8. März 2017 – 3 B 1492/17 – nicht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>2. Des Weiteren hält der Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob eine objektiv rechtswidrige Abschiebungsandrohung den betroffenen Ausländer in seinen Rechten im Sinne des § 113 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – verletzt. Diese Frage rechtfertigt schon deshalb nicht die Zulassung der Berufung, weil sie nicht klärungsbedürftig ist. Vielmehr lässt sie sich ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens anhand des Gesetzes und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahingehend beantworten, dass ein Ausländer die Aufhebung einer Abschiebungsandrohung nicht deshalb beanspruchen kann, weil in ihr statt einer Ausreisefrist von einer Woche gemäß § 36 Abs. 1 AsylG eine solche von 30 Tagen nach § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylG gesetzt wurde.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Zwar ist das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz als allgemeine Handlungsfreiheit im umfassenden Sinn zu verstehen, das auch die Gewährleistung enthält, nur aufgrund solcher Vorschriften mit einem Nachteil belastet zu werden, die formal und materiell der Verfassung gemäß sind. Da der Adressat eines belastenden Verwaltungsakts stets einem staatlichen Freiheitseingriff unterliegt, folgt nach der sog. Adressatentheorie allein hieraus ein Klagerecht nach § 42 Abs. 2 VwGO. Konsequenterweise und korrespondierend hiermit muss eine als Eingriff in die Freiheit ihres Adressaten zu bewertende behördliche Verfügung regelmäßig nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgehoben werden, wenn die Sach- und Rechtsprüfung ergibt, dass der grundrechtliche Anspruch auf Gesetzmäßigkeit durch die Eingriffsverwaltung verletzt wurde, denn der Eingriff ist dann nicht durch die Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Jedoch können sich in durch besondere Normstrukturen gekennzeichneten Ausnahmefällen das Bedürfnis einer näheren Begründung dieser Regel oder eine Ausnahme von ihr ergeben (BVerwG, Beschluss vom 19. Juli 2010 – 6 B 20/10 –, juris, Rn. 16).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Einen solchen Ausnahmefall hat das Bundesverwaltungsgericht anerkannt, wenn eine bestimmte materiell-rechtliche oder verfahrensrechtliche Anforderung ausschließlich dazu bestimmt ist, dem öffentlichen Interesse zu dienen. Dann ist eine diese Anforderung verletzende Handlung der Verwaltung zwar objektiv rechtswidrig, es fehlt jedoch an der Verletzung eines subjektiven, dem Einzelnen zustehenden Rechts im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, so dass den Verwaltungsgerichten die Aufhebung eines nur objektiv rechtswidrigen Verwaltungsakts verwehrt und insoweit in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise auch die allgemeine Handlungsfreiheit begrenzt ist. Diese Voraussetzungen hat das Bundesverwaltungsgericht in dem Gebot eines „unverzüglichen“ Widerrufs der Anerkennung als politischer Flüchtling in § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG 1992 als erfüllt angesehen. Danach dient die Pflicht zum unverzüglichen Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter und als politischer Flüchtling allein dem öffentlichen Interesse an der alsbaldigen Beendigung der dem Ausländer nicht (mehr) zustehenden Rechtsposition. Deshalb kann ein als asylberechtigt Anerkannter nicht dadurch in seinen Rechten verletzt werden, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen - ansonsten berechtigten – Widerruf nicht unverzüglich, sondern später ausspricht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. November 2005 – 1 B 58/05 –, juris, Rn. 4 m.w.N.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Diese Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall übertragbar, da die in § 36 Abs. 1 AsylG objektivrechtlich gebotene Ausreisefrist von einer Woche auf dem Beschleunigungskonzept des Gesetzgebers beruht (vgl. Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 36 Rn. 5) und damit ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Beendigung des Aufenthalts eines Ausländers dient, dem bereits ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union internationalen Schutz im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Deshalb kann die Setzung einer hiervon abweichenden längeren Frist keine Verletzung subjektiver Rechte darstellen (so im Ergebnis auch: VG Göttingen, Urteil vom 15. Oktober 2018 – 3 A 745/17 -, juris, Rn. 41 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 04. September 2018 - 22 K 16303/17.A -, juris, Rn. 30 f.; VG Chemnitz, Beschluss vom 27. August 2018 - 3 L 354/18.A -, juris, Rn. 36; VG Schwerin, Urteil vom 18.06.2018 - 3 A 3589/17 As SN -, juris, Rn. 53; a.A.: VG Berlin, Beschluss vom 25. Januar 2018 – VG 28 L 872.17 A -, juris, Rn. 9; VG Bayreuth, Urteil vom 1. Dezember 2017 – B 3 K 17.33153 -, juris, Rn. 33). Etwas Anderes folgt entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus der Rechtsprechung zum Verhältnis zwischen Abschiebungsandrohung und Abschiebungsanordnung, da es sich hierbei um eine gänzlich andere Fallkonstellation handelt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2015 – 1 B 41/15 -, juris, Rn. 15; BayVGH, Beschluss vom 14. Juni 2016 - 21 ZB 16.30074 -, juris, Rn. 11).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Ein rechtlicher Nachteil, der ein subjektives Recht auf Aufhebung einer Abschiebungsandrohung, welche mit einer Ausreisefrist von 30 Tagen verbunden ist, kann auch nicht damit begründet werden, dass durch die Fristsetzung die Spezialregelung des § 36 i.V.m. § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG für das Verfahren bei Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG umgangen werde. Denn entgegen der Auffassung des Klägers ändert die Ausreisefrist von 30 Tagen, welche in § 38 Abs. 1 AsylG für Abschiebungsandrohungen bei sonstiger Ablehnung eines Asylantrages zu setzen ist, nichts daran, dass die hier angefochtene Abschiebungsandrohung in einem Verfahren erlassen wurde, in dem ein Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig ist. Somit handelt es bei der in Rede stehenden Abschiebungsandrohung unabhängig von der Länge der gesetzten Frist um eine solche nach § 36 Abs. 1 AsylG. Weil demnach kein Fall des § 38 Abs. 1 AsylG vorliegt, hat die hiergegen erhobene Klage gemäß § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung, so dass ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft war (vgl. VG Trier, Beschluss vom 13. Dezember 2017 – 7 L 14132/17.TR –, juris, Rn. 2 ff.; a.A. VG Chemnitz, Beschluss vom 27. August 2018 – 3 L 354/18.A -, juris , Rn. 16 ff.). Ein solcher nach § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG zu stellender Antrag hätte im vorliegenden Fall keinen Erfolg gehabt, da – worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat – an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Bundesamtes über die Unzulässigkeit nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG bestehen. Insofern verweist der Senat auf die zulassungsrechtlich nicht mit Erfolg angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum Nichtbestehen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.</p></dd>
</dl>
</div></div>
</div>
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<a name="focuspoint"><!--BeginnDoc--></a><div id="bsentscheidung"><div>
<h4 class="doc">Tenor</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aurich vom 31.5.2018 wird zurückgewiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Kosten des Antrags- und Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu 9/10 und die Antragsgegnerin zu 1/10.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird endgültig auf 105.977,42 € festgesetzt.</p></dd>
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<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
</div></div>
<h4 class="doc">Gründe</h4>
<div><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p><strong>I.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den nach einer Betriebsprüfung ergangenen Beitragsnachforderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 23.3.2018 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 9.11.2018.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Die 1992 gegründete Antragstellerin betreibt u.a. einen Möbelhandel. Bei ihrer Gründung waren Gesellschafter die Eheleute G. und H. mit jeweils einem Gesellschaftsanteil von 23 % sowie deren Kinder I., J. und K. mit einem Gesellschaftsanteil von jeweils 18 %. Das Stammkapital betrug 200.000 DM. In § 7 des Gesellschaftsvertrages vom 29.12.1992 war geregelt, dass die Gesellschafterbeschlüsse stets mit einfacher Mehrheit aller abgegebenen Stimmen erfolgen, soweit nicht der Gesellschaftsvertrag oder das Gesetz eine andere Mehrheit vorschreibt. Weiterhin war in § 7 geregelt, dass dort im Einzelnen aufgezählte bestimmte Beschlüsse einer Mehrheit von zwei Dritteln des Stammkapitals bedürfen, u.a. Beschlüsse über die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern. Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 19.3.1997 wurde der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag geändert. Sämtliche Gesellschafter erhielten einen Gesellschaftsanteil von 20 %. Die vorgenannte Zwei-Drittel-Mehrheits-Regelung in § 7 wurde dahingehend geändert, dass die dort im Einzelnen aufgezählten bestimmten Beschlüsse (u.a. die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern) nur einstimmig gefasst werden können. Die Gesellschaftsanteile wurden in der Folgezeit noch mehrfach verändert (nach dem Tod von L. ab dem 2.8.2013, Friedrich Pflüger: 30 %, übrige Gesellschafter: jeweils 23 %; nach Erbauseinandersetzung ab 19.5.2015 Friedrich Pflüger: 40 % und übrige Gesellschafter jeweils 20 %; nach dem Tod von H. ab 6.10.2015: M. jeweils 33 %). Am 12.6.2014 schlossen N. einen Pool-Vertrag, in dem sie sich verpflichteten, nach Maßgabe des § 13 b Abs. 2 Nr. 2 ErbStG über ihren jeweiligen Geschäftsanteil nur einheitlich zu verfügen oder den Geschäftsanteil ausschließlich auf den jeweils anderen Pool-Beteiligten zu übertragen und das Stimmrecht nur einheitlich in der Gesellschafterversammlung der Gesellschaft auszuüben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Die Geschwister M. waren nach ihren eigenen Angaben ab dem 1.1.1993 bei der Antragstellerin beschäftigt und seit dem 1.1.1997 jeweils als Geschäftsführer tätig. Am 17.12.2002 schloss die Antragstellerin mit ihnen jeweils ab 1.1.2003 geltende und – mit Ausnahme der Höhe des Monatsgehalts – inhaltsgleiche Gesellschafter-Geschäftsführer-Verträge. In den Vorbemerkungen dieser Verträge ist jeweils (hier am Beispiel der Frau O.) ausgeführt: „Mit Beschluss vom 17. Dezember 2002 hat die Gesellschafterversammlung der Gesellschaft den Anstellungsvertrag von Frau O., die mit 20 v.H. der Geschäftsanteile an der Gesellschaft beteiligt ist, mit Wirkung vom 1.1.2003 geändert. Durch die zwingende Einstimmigkeit bei Beschlüssen der Gesellschaft besteht für Frau O. keine Pflichtmitgliedschaft in der Sozialversicherung.“ Vertragsregelungen waren u.a. eine Befreiung der Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB, ein festes Monatsgehalt, Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall für drei Monate sowie 30 Tage bezahlter Jahresurlaub. In den Folgejahren wurden die Verträge mehrfach hinsichtlich der Vergütung geändert (Vereinbarung einer Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Monatsgehalts, Vereinbarung eines 14. Monatsgehalts und laufende Erhöhungen der festen Monatsgehälter).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Als Ergebnis einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV stellte die Antragsgegnerin nach Durchführung eines Anhörungsverfahrens mit Bescheid vom 23.3.2018 fest, dass die drei Gesellschafter-Geschäftsführer ihre Tätigkeit seit dem 1.1.1997 im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausüben, und forderte von der Antragstellerin für den Zeitraum vom 1.1.2013 bis 31.12.2016 Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. 211.954,84 € nach. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Gesellschafter-Geschäftsführer hätten nicht die Rechtsmacht, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu verhindern, die ihr Dienstverhältnis benachteiligen würden. Nach der BSG-Rechtsprechung sei letztlich die sich nach dem Gesellschaftsrecht ergebende Rechtsmacht ausschlaggebend. Die drei Gesellschafter-Geschäftsführer könnten mit ihren geringen Geschäftsanteilen keine Gesellschafterbeschlüsse verhindern, weil für diese Beschlüsse regelmäßig die einfache Mehrheit ausreiche. Eine außerhalb des Gesellschaftsvertrages geschlossene Stimmrechtsvereinbarung wie der Pool-Vertrag aus dem Jahre 2014 sei zwar rechtlich zulässig, aber nicht geeignet, eine sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebende, nicht wirksam abbedungene Rechtsmacht wirkungslos werden zu lassen. Eine Stimmrechtsvereinbarung sei stets unter Beachtung der sich vorrangig aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Regelungen zur Beschlussfassung und zum Stimmrecht zu betrachten (Hinweis auf BSG Urteil vom 11.11.2015 – B 12 KR 13/14 R). Stehe die getroffene Stimmrechtsvereinbarung im Widerspruch zu den entsprechenden Regelungen im Gesellschaftsvertrag, sei die satzungsmäßige Ausübung des Stimmrechts wirksam, auch wenn gegen eine anderslautende Stimmrechtsverpflichtung verstoßen werde. Die Geschäftsführer-Anstellungsverträge enthielten arbeitsvertraglich typische Regelungen einer abhängigen Beschäftigung. Auch ein unternehmerisches Risiko der Gesellschafter-Geschäftsführer sei nicht vorhanden. In der Gesamtheit überwögen die Kriterien für eine abhängige Beschäftigung. Daraus folge die Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung. Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs hat die Antragstellerin im Wesentlichen vorgetragen, die drei Gesellschafter-Geschäftsführer seien nicht abhängig beschäftigt. Auch unter Berücksichtigung des BSG-Urteils vom 11.11.2015 (B 12 KR 13/14 R) bleibe es dabei, dass die vertraglichen Vereinbarungen zwar den Ausgangspunkt für die sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellung bilden. Eine im Widerspruch zu den Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehe einer formellen Vereinbarung aber vor, soweit eine Abbedingung der Rechtsmacht rechtlich zulässig sei. Der in Gestalt des Pool-Vertrages vorliegenden Stimmbindungsvereinbarung komme daher erhebliches Gewicht zu. Den zugleich gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Beitragsnachforderungsbescheides hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 13.4.2018 abgelehnt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Die Antragstellerin hat am 20.4.2018 bei dem Sozialgericht (SG) Aurich beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Beitragsnachforderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 23.3.2018 anzuordnen. Der Bescheid sei rechtswidrig, jedenfalls bestünden ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin seien die Gesellschafter-Geschäftsführer nicht als abhängig Beschäftigte tätig. Ein maßgeblicher rechtlicher oder tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft schließe ein Beschäftigungsverhältnis regelmäßig aus, wenn der Gesellschafter damit Einzelanweisungen verhindern könne. Durch den Gesellschafterbeschluss vom 19.3.1997 sei § 7 des Gesellschaftsvertrages dahingehend geändert worden, dass zahlreiche Beschlüsse nur einstimmig gefasst werden könnten. Dies betreffe etwa die Entlassung des Geschäftsführers, deren Bestellung und Abberufung sowie die Änderung des Gesellschaftsvertrages. Im weiteren Verlauf hätten die Gesellschafter der Antragstellerin den Beschluss gefasst, dass sämtliche Beschlussfassungen nur noch einstimmig erfolgen könnten. Dies ergebe sich aus den insoweit gleichlautenden Gesellschafter-Geschäftsführer-Verträgen vom 17.12.2002. Darüber hinaus bestehe schließlich ein nur einstimmig abänderbarer Pool-Vertrag vom 12.6.2017 (gemeint: 2014). Daher stehe jedem Gesellschafter-Geschäftsführer faktisch ein Veto-Recht zu. Auf Grund der zwingenden Einstimmigkeit bei der Beschlussfassung könnten keine wirksamen Weisungen gegenüber den Gesellschafter-Geschäftsführern erteilt werden. Auch eine Entziehung der Veto-Rechte durch eine Kündigung des Anstellungsvertrages sei ausgeschlossen. Die Gesellschafter-Geschäftsführer seien zudem von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit worden. Sie könnten somit rechtlich und tatsächlich wie ein mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter ihnen nicht genehme Weisungen jederzeit abwenden. Die Bedeutung von Stimmbindungsvereinbarungen im Sozialversicherungsrecht sei Gegenstand von drei vor dem BSG gemeinsam am 11.11.2015 entschiedenen Verfahren gewesen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin könne diesen Entscheidungen nicht entnommen werden, dass außerhalb des Gesellschaftsvertrages eingegangenen Verpflichtungen zwingend für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung ohne Bedeutung seien. Der vorliegende Fall sei auch unabhängig von den Regelungen im Pool-Vertrag anders zu beurteilen als derjenige vom BSG mit Urteil vom 11.11.2015 (B 12 KR 13/14 R) entschiedene Fall. Nach dem Tod der Frau L. seien an der Antragstellerin neben Friedrich Pflüger mit 20 % die drei Geschäftsführer ebenfalls jeweils mit 20 % sowie die Erbengemeinschaft nach L., bestehend aus P., ebenfalls mit 20 % beteiligt gewesen. Stehe ein GmbH-Geschäftsanteil mehreren Mitberechtigten ungeteilt zu, so könnten die Rechte aus diesem Geschäftsanteil nach § 18 Abs. 1 GmbHG nur gemeinschaftlich ausgeübt werden. Könnten sich die Mitberechtigten einer Erbengemeinschaft nicht einigen, habe die Ausübung der Gesellschaftsrechte, namentlich des Stimmrechts, zu unterbleiben. Zusammen mit seinem eigenen Geschäftsanteil habe somit jeder Geschäftsführer über ein Stimmgewicht von 40 % in Gesellschaftsversammlungen der Antragstellerin verfügt, so dass die mit 2/3-Mehrheit zu fassenden Beschlüsse über eine Abberufung als Geschäftsführer hätten verhindert werden können. Jedenfalls der Pool-Vertrag verpflichtet zu einer einheitlichen Stimmabgabe mit der Folge, dass jeder einzelne Geschäftsführer missliebige Gesellschafterbeschlüsse verhindern könne. Der Pool-Vertrag sei auf unbestimmte Zeit geschlossen. Er sei erstmals kündbar zum 31.12.2035. Seine Änderung – einschließlich seiner Kündigungsmöglichkeiten – könne nur einstimmig beschlossen werden. Eine Kündigungsmöglichkeit nach § 626 BGB, auf die das BSG bei Anstellungsverträgen regelmäßig abstelle, bestehe somit nicht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Die Antragsgegnerin hat erwidert, es bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihres angegriffenen Beitragsbescheides. Die drei Gesellschafter-Geschäftsführer hätten auf Grund der Bestimmungen des für die Beurteilung maßgebenden Gesellschaftsvertrages vom 5.1.1993 in der Fassung vom 19.3.1997 keine für sie nachteiligen Beschlüsse verhindern können. Die außerhalb des Gesellschaftsvertrages geschlossene Pool-Vereinbarung sei zwar grundsätzlich rechtlich zulässig, könne jedoch die im Gesellschaftsvertrag getroffenen Vereinbarungen nicht negieren. Die im Gesellschaftsvertrag verankerte Rechtsmacht bleibe unangetastet. Das BSG stelle in ständiger Rechtsprechung (u.a. Urteil vom 29.8.2012 – 12 KR 25/10 R und B 12 R 14/10 R) klar, dass es für die Beurteilung einer Beschäftigung i.S.d. § 7 SGB IV stets auf die gesellschaftsvertraglichen Regelungen ankomme. Ein Beschäftigungsverhältnis liege dann nicht vor, wenn der mitarbeitende Gesellschafter bzw. GmbH-Geschäftsführer nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen die Rechtsmacht in der Gesellschaft habe. Diese Rechtsprechung sei durch drei weitere Entscheidungen des BSG vom 11.11.2015 bestätigt worden. Darin habe das BSG klargestellt, dass es allein auf die gesellschaftsvertraglich statuierte Rechtsmacht ankommen könne. Mit seinen Entscheidungen vom 14.3.2018 habe der 12. Senat des BSG dann explizit festgestellt, dass außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffene Vereinbarungen für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung ohne Bedeutung seien. Sofern die Antragstellerin auf den ab 19.3.1997 geänderten § 7 des Gesellschaftsvertrages bezüglich eines Einstimmigkeitserfordernisses unter anderem  bei Entlassung, Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer verweise, habe das LSG Berlin-Brandenburg am 10.5.2017 (L 1 KR 281/15) unter Berufung auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 29.6.2016 – B 12 R 5/14 R – und vom 24.9.1992 – 7 RAr 12/92 -) für gerade diese Konstellation entschieden, dass nur eine umfassende Sperrminorität, die alle den Geschäftsführer selbst betreffenden Angelegenheiten umfasse, geeignet sei, die Annahme von Selbstständigkeit des Geschäftsführers zu begründen. Das Urteil sei vom BSG mit Urteil vom 14.3.2018 (B 12 KR 13/17 R) bestätigt worden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Das SG hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs mit Beschluss vom 31.5.2018 abgelehnt. Es bestünden keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Der Bescheid beruhe im Wesentlichen auf der Einstufung der Tätigkeit der drei Gesellschafter-Geschäftsführer als versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Maßgebliche Rechtsgrundlage sei insoweit § 7 Abs. 1 SGB IV. Nach den vom BSG zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit entwickelten (vom SG im Einzelnen dargestellten) allgemeinen rechtlichen Maßstäben sprächen die Umstände hier für eine abhängige Beschäftigung. Die Anstellungsverträge vom 17.12.2002 enthielten zahlreiche Elemente, wie sie für ein Arbeitsverhältnis typisch und für das Gesamtbild einer Beschäftigung wesentlich seien. Dass die Geschäftsführer vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit seien, spreche – wie das BSG wiederholt entschieden habe – nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Sei ein GmbH-Geschäftsführer – wie hier die drei Geschäftsführer der Antragstellerin – zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, seien der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Hinzu kämen die Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung. Entscheidend für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung sei, ob die rechtliche Möglichkeit bestehe, als beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (st. Rspr. des BSG). Die drei Geschäftsführer hätten im streitigen Zeitraum über einen Anteil am Stammkapital der Gesellschaft verfügt, der sich zwischen 20 % und 33,33 % bewegt habe. Da die Mitgesellschafter während dieser Zeit zwischen 66,66 % und 80 % der Gesellschaftsanteile gehalten hätten, habe angesichts der Regelung in § 7 des Gesellschaftsvertrages vom 29.12.1992, wonach die Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit zu treffen gewesen seien, kein Mitgesellschafter zu irgendeinem Zeitpunkt die Stimmenmehrheit in der Gesellschafterversammlung gehabt. Der Gesellschaftsvertrag habe darüber hinaus keinen Gesellschafter-Geschäftsführer eine Sperrminorität gegeben, mit der er ihm nicht genehme Beschlüsse der Gesellschafterversammlung habe verhindern können. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin habe sich dies auch nicht durch den am 19.3.1997 gefassten Beschluss der Gesellschafterversammlung geändert. Damit sei zwar § 7 des Gesellschaftsvertrages dahingehend geändert worden, dass dort bestimmte enumerativ aufgezählte Entscheidungen, wie z.B. die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern, einstimmig gefasst werden. Das LSG Berlin-Brandenburg habe mit Urteil vom 10.5.2017 – L 1 KR 281/15 – unter Berufung auf Urteile des BSG vom 29.6.2016 und 24.9.1992 ausgeführt, dass nur eine umfassende Sperrminorität, die alle den Geschäftsführer selbst betreffenden Angelegenheiten beinhaltet, geeignet sei, die Annahme einer Selbstständigkeit des Geschäftsführers zu begründen. Auch der Umstand, dass für die Entlassung des Geschäftsführers eigentlich seine eigene Zustimmung erforderlich sei, reiche nicht aus. Denn nach § 38 Abs. 2 GmbH-Gesetz sei es jedenfalls möglich, den Geschäftsführer aus wichtigem Grund abzuberufen. Im Rahmen einer derartigen Beschlussfassung wäre er auch selbst nicht stimmberechtigt, hätte im Ergebnis mithin nicht die Rechtsmacht, sich über Weisungen hinwegzusetzen, soweit sie ihm von der Gesellschafterversammlung erteilt worden wären. Dieser Rechtsauffassung, die inzwischen auch vom BSG mit Urteil vom 14.3.2018 bestätigt worden sei, schließe sich das Gericht an. Die Geschäftsführer hätten also nicht über die erforderliche umfassende Sperrminorität verfügt. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus den Gesellschafter-Geschäftsführer-Verträgen. Zwar heiße es dort in Absatz 3 der Vorbemerkung „durch die zwingende Einstimmigkeit bei Beschlüssen der Gesellschaft besteht für ... (Name des jeweiligen Geschäftsführers) ... keine Pflichtmitgliedschaft in der Sozialversicherung“. Die Verträge beinhalteten ansonsten aber keine Regelungen, die sich auf die Ausübung des Stimmrechts beziehen. Ein über den Beschluss vom 19.3.1997 hinausgehender Beschluss der Gesellschafterversammlung sei nicht vorgetragen worden. Soweit sich die Formulierung in den Geschäftsführer-Verträgen auf diesen Beschluss beziehen sollte, ergebe sich aus den vorgenannten Ausführungen, dass dies nicht genüge. Auch der so genannte Pool-Vertrag vom 12.6.2014 führe zu keinem anderen Ergebnis. Es handele sich um eine privatrechtliche Stimmrechtsausübungsregelung, die außerhalb eines gesellschaftsrechtlichen Kontextes wie etwa einer Gesellschafterversammlung vereinbart worden sei. Dazu habe das BSG (Urteil vom 11.11.2015 – B 12 KR 13/14 R) ausgeführt, dass derartige Stimmbindungsverträge keine – im Rahmen der sozialversicherungsrechtlich gebotenen Gesamtabwägung von vornherein den Ausschlag gebenden, d.h. entscheidende – Indizfunktion für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit zukomme. Eine unterschiedliche Bewertung von Stimmbindungsvereinbarungen im Gesellschaftsrecht einerseits und im Sozialversicherungsrecht andererseits sei nämlich bereits durch die verschiedenen Sachstrukturen der jeweiligen Rechtsgebiete gerechtfertigt. Eine Stimmbindungsvereinbarung außerhalb des Gesellschaftsvertrages sei nicht geeignet, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben, weil der Vertrag aus wichtigem Grund jederzeit gekündigt werden könne und dieses Kündigungsrecht zivilrechtlich nicht abbedungen werden könne. Schon die bloße Möglichkeit einer Zerrüttung unter den Gesellschaftern bzw. eines Zerwürfnisses mit den sich daraus potenziell ergebenden gesellschaftsrechtlichen Folgen sei bei einer Statusentscheidung wegen des Erfordernisses der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände stets zu berücksichtigen. Auch daraus, dass nach dem Vorbringen der Antragstellerin den Gesellschaftern P. nach dem Tod der L. deren Gesellschaftsanteil gemeinschaftlich als Mitgliedern der Erbengemeinschaft zugestanden habe, habe sich nichts zu Gunsten der drei Geschäftsführer ergeben, weil jedes Mitglied einer Erbengemeinschaft jederzeit deren Auflösung beantragen könne.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>Die Antragstellerin hat am 7.6.2018 Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Die Ausgestaltung der Gesellschafter-Geschäftsführer-Verträge könne keine entscheidende Bedeutung haben, denn die Ausgestaltung der Vertragsverhältnisse sei zwangsläufig durch steuerrechtliche Vorgaben bestimmt. Der Fremdvergleichsmaßstab müsse berücksichtigt werden. Der Fremdvergleich diene nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der Abgrenzung zwischen betrieblicher und gesellschaftlicher Veranlassung. Er verlange, dass eine typische vertragliche Vereinbarung mit den Gesellschafter-Geschäftsführern zu Stande komme. Mithin müssten Vertragsverhältnisse geschaffen werden, die denen eines Fremdgeschäftsführers gleichen. Zumindest das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung werde verletzt, wenn das Steuerrecht einerseits Voraussetzungen verlange, die andererseits im Bereich des Sozialversicherungsrechts zu ungewollten Konsequenzen führten. Das SG habe sich zu Unrecht auf die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 10.5.2017 – L 1 KR 281/15 – und das Urteil des BSG vom 11.11.2015 – B 12 KR 13/14 R – gestützt. Es treffe zwar zu, dass unbefristete Dauerschuldverhältnisse nur grundsätzlich aus wichtigem Grund kündbar seien. Ein wichtiger Grund läge aber allenfalls dann vor, wenn sich der betroffene Gesellschafter-Geschäftsführer nicht den Weisungen der Gesellschafterversammlung entsprechend verhalte. Denn allein schwerwiegende grobe Pflichtverletzungen berechtigten zur Kündigung eines Gesellschaftsverhältnisses aus wichtigem Grund. Voraussetzung sei nämlich, dass dem Kündigenden die Fortsetzung bis zur nächsten ordentlichen Beendigungsmöglichkeit unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben nicht zuzumuten wäre, insbesondere, weil das Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftern grundlegend gestört sei. Nur wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer folglich den erteilten Weisungen zuwiderhandele, wäre eine Kündigung des Stimmbindungsvertrages aus wichtigem Grund möglich. Damit dieser Fall eintreten könne, müsse freilich zuvor eine entsprechende Weisung durch einen Gesellschafterbeschluss gefasst werden. Wenn aber gerade – so wie hier – die Stimmbindungsvereinbarung zu einem umfassenden Einstimmigkeitserfordernis führe, könnten bereits im Ausgangspunkt keine solchen Weisungen erteilt werden. Dies wiederum habe zur Folge, dass ein Verstoß gegen Weisungen im vorliegenden Fall nicht denkbar sei. Sofern die Rechtsprechung des BSG seit den Urteilen vom 11.11.2015 tatsächlich so zu verstehen sein solle, dass ein dem geschäftsführenden Minderheitsgesellschafter einer GmbH außerhalb des Gesellschaftsvertrages eingeräumtes Veto-Recht nicht die Annahme eines sozialversicherungsrechtlichen Status als Selbstständiger rechtfertige, wäre für den vorliegenden Sachverhalt jedenfalls der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen. Frühestens mit der Verkündung der Entscheidung vom 11.11.2015 sei für sie und ihre Gesellschafter erkennbar gewesen, dass die Stimmbindungsvereinbarungen, namentlich durch den Pool-Vertrag, mangels Verankerung in der Satzung der GmbH nicht (mehr) ausreichend waren. Eine Nacherhebung von Beiträgen für die Jahre 2013 bis 2015 sei danach ausgeschlossen, weil – in Analogie zur Rückwirkung von Gesetzen – der Fall der echten Rückwirkung gegeben wäre und mithin ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG vorläge. In der früheren Rechtsprechung des BSG sei anerkannt gewesen, dass auf Grund besonderer Bindungen der Gesellschafter einer Familiengesellschaft regelmäßig nicht von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis eines Gesellschafter-Geschäftsführers auszugehen sei, obwohl dieser nicht über eine Mehrheit der Gesellschaftsanteile oder über eine Sperrminorität verfügt habe. Dies habe sich erst durch das vom BSG erstmals in seinem Urteil vom 11.11.2015 betonte sozialversicherungsrechtliche Merkmal der Vorhersehbarkeit geändert. Zum anderen habe das BSG erstmals mit Urteil vom 14.3.2018 verlangt, dass außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffene Vereinbarungen unberücksichtigt bleiben sollen. Sie habe daher bis zum März 2018 darauf vertrauen dürfen, dass die vertraglichen Vereinbarungen im Einklang mit der sozialgerichtlichen Rechtsprechung eine abhängige Beschäftigung der Gesellschafter-Geschäftsführer ausschlossen. Dem formalen Kriterium, Veto-Rechte unmittelbar in der Satzung zu verankern, könnten die Gesellschafter nur durch eine entsprechende Satzungsänderung genügen. Eine dahingehende Veranlassung habe bis zum Urteil des BSG vom 14.3.2018 indes nicht bestanden. Mit dem Gedanken des Vertrauensschutzes vertrage es sich hingegen nicht, wenn bereits für den Prüfungszeitraum vom 1.1.2013 bis 31.12.2016 Voraussetzungen postuliert würden, die seinerzeit unbekannt gewesen seien.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Mit Teilabhilfebescheid vom 9.11.2018 hat die Antragsgegnerin die Nachforderungssumme auf 196.764,22 Euro reduziert (Herausnahme der Umlagen U1 und 2).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p>Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">den Beschluss des Sozialgerichts Aurich vom 31.5.2018 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 23.3.2018 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 9.11.2018 anzuordnen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>Die Antragsgegnerin beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">die Beschwerde zurückzuweisen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Sie hält den angegriffenen Beschluss des SG für zutreffend. Die Antragstellerin könne sich auch nicht mit Erfolg auf Vertrauensschutz berufen. Ein Vertrauensschutz aus einem (bestandskräftigen) Verwaltungsakt bestehe nicht. Die Beitragsforderung sei auch nicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten auf Grund einer etwaigen Änderung der Rechtsprechung ausgeschlossen. Zutreffend sei zwar, dass das BSG in der Vergangenheit in Ausnahmefällen für Gesellschafter-Geschäftsführer mit einer Minderheitsbeteiligung eine selbstständige Tätigkeit angenommen habe, wenn diese (z.B. auf Grund einer engen familiären Verbindung zu den weiteren Gesellschaftern und besonderer Fachkenntnisse) in der GmbH „frei schalten und walten“ konnten (so genannte „Kopf- und Seele-Rechtsprechung“). Hier sei es aber gerade nicht so, dass einer der drei Geschäftsführer den Betrieb allein geleitet oder die Geschäfte wie ein Alleininhaber nach eigenem Gutdünken geführt habe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die drei Geschäftsführer auf Grund ihrer gleichwertigen Geschäftsanteile eine gleichberechtigte Position in der Gesellschaft innehatten, so dass keiner von ihnen die Gesellschaft dominieren und ihre Geschicke maßgeblich habe bestimmen können. Eine (vertrauensschutzbegründende) gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung des BSG, wonach Minderheits-Gesellschafter einer „Familien-GmbH“ in der Vergangenheit sozialversicherungsrechtlich generell als Selbstständige beurteilt worden wären, gebe es nicht. Das BSG habe in der Vergangenheit lediglich in Einzelfällen und unter Berücksichtigung außergewöhnlicher Umstände entschieden, dass für Minderheits-Geschäftsführer ohne gesellschaftsrechtliche Sperrminorität „ausnahmsweise“ eine selbstständige Tätigkeit vorliegen könne. Eine generalisierende Regel in dem Sinne, dass bei familiären Beziehungen der Gesellschafter stets eine selbstständige Tätigkeit vorliege, sei aus der Rechtsprechung des BSG nicht herzuleiten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p><strong>II.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Der Senat sieht für das Eilverfahren von der grundsätzlich (st.Rspr., vgl. zuletzt u.a. BSG, Urteil vom 16.12.2015 - B 12 R 11/14 R -, juris, m.w.N.) notwendigen Beiladung der betroffenen Arbeitnehmer der Antragstellerin und der Sozialversicherungsträger (§ 75 Abs. 2 SGG) ab, weil dies mit dem Charakter des Eilverfahrens nicht zu vereinbaren wäre. Die Beiladungen müssen allerdings im Klageverfahren erfolgen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>Streitgegenstand ist nur (noch) der Beitragsnachforderungsbescheid vom 23.3.2018 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 9.11.2018. Soweit die Antragsgegnerin dem Widerspruch mit dem Teilabhilfebescheid abgeholfen hat, ist das Verfahren erledigt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Beitragsnachforderungsbescheid vom 23.3.2018 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 9.11.2018.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei - wie hier - Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie darauf entfallende Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist - wovon das SG auch zutreffend ausgegangen ist - in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegend öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p>Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache - hier des Widerspruchs - zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht aus, dass im Rechtsmittelverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgeblich ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.8.2016 - L 8 R 1096/14 B ER -, juris Rn. 25 m.w.N.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>Davon ausgehend hat auch der Senat nach summarischer Prüfung auf der Grundlage des gegenwärtigen Sach- und Streitstandes keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsnachforderungsbescheides in der Fassung des Teilabhilfebescheides. Die Antragsgegnerin war nach dem Ergebnis der Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 5 SGB IV zum Erlass dieses Bescheides ermächtigt und verpflichtet. Für die Tätigkeit der drei Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer M. für die Antragstellerin bestand im streitigen Zeitraum vom 1.1.2013 bis 31.12.2016 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bestand für Q. ebenfalls im gesamten streitigen Zeitraum, wegen zeitweiser Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze für K. hingegen nur vom 1.1.2013 bis zum 31.12.2015 und für Anke Pflüger nur vom 1.1. bis 31.12.2016.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p>Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung der Versicherungspflicht (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs. 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Das SG hat unter Heranziehung der einschlägigen aktuellen Rechtsprechung des BSG zur statusrechtlichen Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern mit zutreffender Begründung im Einzelnen ausgeführt, dass es sich bei der Tätigkeit der drei Geschäftsführer der Antragstellerin im streitigen Zeitraum nach dem Gesamtbild – insbesondere wegen der ihnen aufgrund ihrer Minderheitsbeteiligungen fehlenden Rechtsmacht, unliebsame Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern zu können - um eine abhängige Beschäftigung gehandelt hat. Der Senat folgt dieser Begründung und sieht insoweit gemäß 142 Abs. 2 Satz 3 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p>Unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens und dem seit dem SG-Beschluss zur statusrechtlichen Beurteilung eines Gesellschafter-Geschäftsführers veröffentlichten Rechtsprechung des BSG bleibt zu der rechtlichen Beurteilung auf der Grundlage der aktuellen Rechtsprechung des BSG lediglich ergänzend und die erstinstanzliche Entscheidung bekräftigend auszuführen:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_24">24</a></dt>
<dd><p>Das BSG hat seine jüngste Rechtsprechung zur statusrechtlichen Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern mit Urteil vom 14.3.2018 (B 12 KR 13/17 R, juris Rn. 21 und 22) nochmals wie folgt zusammenfassend verdeutlicht:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_25">25</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">„Ist ein GmbH-Geschäftsführer zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss, um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 vH der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er exakt 50 vH der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Denn der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können. Demgegenüber ist eine "unechte", auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln (vgl BSG Urteil vom 11.11.2015 - B 12 R 2/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 27 RdNr 28 mwN; BSG Urteil vom 11.11.2015 - B 12 KR 10/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 28 RdNr 24 mwN; BSG Urteil vom 29.6.2016 - B 12 R 5/14 R - juris RdNr 39 ff; BSG Urteil vom 24.9.1992 - 7 RAr 12/92 - SozR 3-4100 § 168 Nr 8 S 16).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_26">26</a></dt>
<dd><p style="margin-left:18pt">Die für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit notwendige Rechtsmacht, die den Gesellschafter-Geschäftsführer in die Lage versetzt, die Geschicke der Gesellschaft bestimmen oder zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern zu können, muss gesellschaftsrechtlich eingeräumt sein. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) bestehende wirtschaftliche Verflechtungen (vgl hierzu BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - BSGE 119, 216 = SozR 4-2400 § 7 Nr 24, RdNr 27; BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 26; BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 R 14/10 R - Juris RdNr 30), Stimmbindungsabreden (vgl hierzu BSG Urteil vom 11.11.2015 - B 12 KR 13/14 R - BSGE 120, 59 = SozR 4-2400 § 7 Nr 26, RdNr 25) oder Veto-Rechte (vgl hierzu BSG Urteil vom 11.11.2015 - B 12 KR 10/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 28 RdNr 26) zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer sowie anderen Gesellschaftern und/oder der GmbH sind nicht zu berücksichtigen. Sie vermögen die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben. Unabhängig von ihrer Kündbarkeit genügen die das Stimmverhalten regelnden Vereinbarungen nicht dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände. Im Interesse sowohl der Versicherten als auch der Versicherungsträger ist die Frage der (fehlenden) Versicherungspflicht wegen Selbstständigkeit oder abhängiger Beschäftigung schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil es darauf nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten der Sozialversicherungsträger und die Leistungsansprüche des Betroffenen ankommt (BSG Urteil vom 11.11.2015 - B 12 KR 13/14 R - BSGE 120, 59 = SozR 4-2400 § 7 Nr 26, RdNr 27 mwN).“</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_27">27</a></dt>
<dd><p>Davon ausgehend waren die drei Gesellschafter-Geschäftsführer Anke, Friedo und Heino Pflüger der Antragstellerin nicht selbständig tätig, sondern abhängig beschäftigt. Sie waren zwar Gesellschafter-Geschäftsführer, als Minderheitsgesellschafter mit jeweils lediglich 18 % bis maximal 33,33 % der Gesellschaftsanteile aber nicht in der Lage, ihre minderheitsbedingte Weisungsgebundenheit aufzuheben oder abzuschwächen. Der sie zur einheitlichen Stimmabgabe verpflichtende Poolvertrag vom 14.6.2014 war als außerhalb des Gesellschaftsvertrages geschlossene Stimmbindungsvereinbarung unbeachtlich. Die in der Fassung der Änderung durch den Gesellschafterbeschluss vom 19.3.1997 in § 7 des Gesellschaftsvertrages enthaltene Regelung, wonach eine Reihe von dort aufgezählten (a – h) Beschlüssen – u.a. die Entlastung, Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern – einstimmig zu fassen sind, hat den Geschäftsführern nicht die erforderliche Rechtsmacht im o.g. Sinne verliehen, weil dadurch dem einzelnen Gesellschafter-Geschäftsführer nur eine begrenzte und nicht eine umfassende, die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt war. Es waren nur einige besonders bedeutsame Angelegenheiten erfasst, nicht hingegen die verbleibenden weitreichenden Weisungsbefugnisse der Gesellschafterversammlung nach § 37 Abs. 1 GmbHG.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_28">28</a></dt>
<dd><p>Die drei in Rede stehenden Geschäftsführer der Antragstellerin trugen kein bei der Beurteilung des Gesamtbildes ihrer Tätigkeit relevantes Unternehmerrisiko. Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl. nur Urteil vom 11.11.2015 – B 12 R 2/14 R – Juris Rn. 35 m.w.N.) ist maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen. Die Geschäftsführer der Antragstellerin haben ihre eigene Arbeitskraft schon deshalb nicht mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt, weil sie nach § 2 des jeweiligen Gesellschafter-Geschäftsführer-Vertrages für ihre Tätigkeit ein erfolgsunabhängiges festes Bruttogehalt erhalten haben. Sie haben auch nicht eigenes Kapital mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wobei der Gesellschaftsanteil nicht zu berücksichtigen ist, weil er unabhängig von der Tätigkeit als Geschäftsführer allein in der Funktion als Gesellschafter besteht. Selbst wenn man den Gesellschaftsanteil berücksichtigte, war er aus den oben genannten Gründen jedenfalls nicht mit größeren Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft verbunden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_29">29</a></dt>
<dd><p>Schließlich wird der bereits aus den vorstehenden Ausführungen resultierende Status der drei Gesellschafter-Geschäftsführer als abhängig Beschäftigte durch die arbeitnehmertypischen Regelungen in ihren jeweiligen Geschäftsführerverträgen (festes monatliches Bruttogehalt, 30 Arbeitstage bezahlter Urlaub pro Kalenderjahr, Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von drei Monaten) bestätigt. Soweit die Antragstellerin sich zur Berufungsbegründung darauf beruft, die Gestaltung der Geschäftsführer-Verträge entspreche steuerrechtlichen Vorgaben, ist nicht nachvollziehbar, wie sich daraus etwas zu ihren Gunsten ergeben soll. Die von ihr in diesem Zusammenhang angesprochene Einheit der Rechtsordnung fordert ausgehend von der Verbindlichkeit der getroffenen arbeitnehmertypischen Regelungen eher die vorgenommene sozialversicherungsrechtliche Beurteilung als dass sie ihr entgegensteht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_30">30</a></dt>
<dd><p>Der Anwendbarkeit der vorgenannten Rechtsprechung des BSG auf den einige Jahre davor liegenden streitigen Zeitraum vom 1.1.2013 bis 31.12.2016 steht entgegen dem Berufsvorbringen der Antragstellerin das Rückwirkungsverbot nicht entgegen, weil sich ein schutzwürdiges Vertrauen der Antragstellerin, die Tätigkeit ihrer drei Geschäftsführer werde nach der zuvor im streitigen Zeitraum geltenden Rechtsprechung des BSG als eine selbständige und damit nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegende Tätigkeit beurteilt, nicht feststellen lässt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_31">31</a></dt>
<dd><p>Entscheidungen oberster Gerichte, die vornehmlich zur grundsätzlichen Auslegung und Weiterentwicklung des Rechts berufen sind, wirken zwar über den entschiedenen Einzelfall hinaus als – freilich nur richtungsweisendes – Präjudiz für künftige Fälle. Die höchstrichterliche Rechtsprechung erzeugt aber keine dem Gesetzesrecht gleichkommende Rechtsbindung. Weder sind die unteren Gerichte an die höchstrichterliche Rechtsprechung gebunden noch sind es die obersten Gerichte selbst. Kein Prozessbeteiligter kann daher darauf vertrauen, der Richter werde stets an einer bestimmten Rechtsaufassung aus der bisherigen Judikatur festhalten. Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen kann daher in der Regel nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere bei einer gefestigten und langjährigen Rechtsprechung entstehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2.5.2012 – 2 BvL 5/10 -, juris, Rn. 81 m. w. N.). Nach der Rechtsprechung des BSG darf zwar aus Gründen des Vertrauensschutzes die zum Nachteil eines Arbeitgebers geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung grundsätzlich nicht rückwirkend zu dessen Lasten angewendet werden, wenn dieser aufgrund der „neuen“ Rechtsprechung nunmehr Beiträge auf bestimmte Arbeitnehmerbezüge abzuführen hat, die nach der zuvor maßgebend gewesenen Rechtsprechung beitragsfrei waren (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2015 – B 12 R 11/14 R – juris, Rn. 39 m. w. N.). Es fehlt hier aber bereits an einer „bisherigen Rechtsprechung“ im Sinne einer gefestigten und langjährigen höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG, auf die sich ein nach Artikel 20 Abs. 3 GG          zu schützendes Vertrauen der Antragstellerin gründen könnte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_32">32</a></dt>
<dd><p>Zwar ist es zutreffend, dass es bei der statusrechtlichen Beurteilung von – wie hier – Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführern durch das BSG zu einer deutlichen Neuausrichtung gekommen ist. In der weiter zurückliegenden Vergangenheit sah das BSG einen Minderheitsgesellschafter, der weniger als 50 % Kapitalanhalt hielt, im Hinblick auf seine Weisungsunterworfenheit gegenüber der Gesellschafterversammlung ebenfalls in der Regel als abhängig Beschäftigten an. Allerdings vertrat es schon seit Beginn der 60-iger Jahre die Auffassung, dass einen maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft auch derjenige Geschäftsführer habe, der zwar als Minderheitsgesellschafter bei seinen Sachentscheidungen im Rahmen der Geschäftsführung die Meinung der Gesellschaftermehrheit zu beachten habe, ansonsten aber als Geschäftsführer frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen könne. Entscheidend war danach, ob der Geschäftsführer einen „Zeit, Dauer und Art der Ausführung“ der Arbeit betreffenden Weisungsrecht unterlag. Dabei wurde dann nicht allein auf die rechtlichen Regelungen im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag abgestellt, sondern eine versicherungspflichtige Tätigkeit des Geschäftsführers auch dann verneint, wenn er „nach der Gestaltung seiner vertraglichen Beziehungen zur GmbH und der tatsächlichen Durchführung des Vertrages hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit im Wesentlichen weisungsfrei“ war; die „gesellschaftsrechtliche Abhängigkeit“ könne auch „durch den tatsächlich eingeräumten Einfluss“ aufgehoben werden (vgl. nur BSG, Urteil vom 8.8.1990 – 11 Rar 77/89 n. w. N.). Das komme insbesondere bei einem Geschäftsführer einer Familiengesellschaft in Betracht. Die in einer derartigen Familiengesellschaft vorliegende Verbundenheit zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführer könne zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung füreinander schaffen und einen Einklang der Interessen bewirken. Im Einzelfall könnten die familiären Beziehungen dazu führen, dass die Geschäftsführertätigkeit überwiegend durch familienhafte Rücksichtnahmen geprägt werde und es an der Ausübung einer Direktion durch die Gesellschafter völlig mangele (vgl. die zusammenfassende Darstellung bei Legde, das Ende von „Kopf und Seele“, SGb 01.17, S.25, 26 m.w.N.). Daraus entwickelte sich dann die sogenannte „Kopf und Seele-Rechtsprechung“, die in Familienbetrieben maßgeblich nach einer „faktischen Dominanz“ des Geschäftsführers gegenüber den Mehrheitsgesellschaftern fragte (vgl.  Legde ebenda, m.w.N.). Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass diese Rechtsprechung des BSG hauptsächlich im Bereich der Arbeitslosen- und Unfallversicherung entwickelt wurde und erkennbar von dem Bestreben bestimmt war, Leistungsansprüche von GmbH-Geschäftsführern abzuwehren, die (insbesondere bei Familiengesellschaften) aus „bloß formal konstruierten“ Beschäftigungsverhältnissen resultierten (vgl. wiederum Legde, a.a.O. S. 27 m.w.N.). Der für das Beitragsrecht zuständige 12. Senat des BSG hatte hingegen schon seit einigen Jahren deutliche Skepsis gegenüber dieser Bewertung geäußert (vgl. Urteile vom 25.1.2006 – B 12 KR 30/04 R -, 24.1.2007 – B 12 KR 31/06 R – und vom 29.8.2012 – B 12 KR 25/10 R -). Spätestens seit dem Urteil des 12. Senats des BSG vom 29.8.2012 (B 12 KR 25/10 R) gibt es eine (langjährige und) gefestigte Rechtsprechung des BSG zur Bewertung der Tätigkeit eines Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers im Rahmen einer Familiengesellschaft nicht mehr. Das BSG hat in diesem Urteil ausgeführt (vgl. juris Rn. 30 bis 32):</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_33">33</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">„Die Annahme von Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. kann schließlich auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des BSG zur Versicherungspflicht von in Familiengesellschaften verrichteten Tätigkeiten gestützt werden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_34">34</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">Das BSG hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts - auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (BSG Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85 - USK 86145; BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170; BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975; BSG SozR 2100 § 7 Nr 7 S 6; BSG Urteil vom 28.1.1992 - 11 RAr 133/90 - USK 9201; BSG Urteil vom 11.2.1993 - 7 RAr 48/92 - USK 9347; im konkreten Fall abgelehnt: BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53; umgekehrt allerdings <Beschäftigung trotz Sperrminorität bei familiärer Bindung für möglich gehalten>: BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8 S 37). Ohne Geschäftsführerstellung hat der 12. Senat eine - nach den allgemeinen Grundsätzen eigentlich ausgeschlossene - selbstständige Tätigkeit für den Fall als gegeben erachtet, dass der in einer GmbH Tätige neben seinem Ehegatten alleiniger oder gleichberechtigter Gesellschafter der GmbH ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17). Dabei hat der Senat jedoch nicht auf eine familiäre Verbundenheit, sondern maßgebend auf die mit der Gesellschafterstellung verbundene Rechtsmacht abgestellt (BSG, aaO, S 58, 60). Weitergehend hatte allerdings der 3. Senat bereits 1971 die Selbstständigkeit eines nicht zum (ggf weiteren) Geschäftsführer bestellten Minderheitsgesellschafters angenommen, weil dieser in der betrieblichen Praxis der mit ihm verheirateten Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin vollständig gleichgestellt gewesen sei sowie sich faktisch als zweiter Geschäftsführer betätigt und neben der hauptamtlichen Geschäftsführerin die GmbH nach außen vertreten habe (BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; vgl auch BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448). Noch darüber hinausgehend hat der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; in Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe vgl aber BSG SozR Nr 22 zu § 165 RVO). Dabei ist der 11. Senat davon ausgegangen, dass für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht komme, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170). Diese Ausnahme solle - so der 11. Senat - auch gelten, wenn der Alleingesellschafter zugleich Alleingeschäftsführer ist und die Tätigkeit der faktischen Leitung des Betriebes formal auf der Ebene unter dem Geschäftsführer ausgeübt werde. Indessen lasse eine bloß "probeweise" Leitung des Betriebs durch den als Unternehmensnachfolger uU vorgesehenen Sohn eine (abhängige) Beschäftigung nicht entfallen. Wollten die Eltern, dass der Sohn den Betrieb in der bisherigen Art fortführe, und erlaube es ihre Mitarbeit im Betrieb verbunden mit ihrer Rechtsstellung als Gesellschafter und Geschäftsführer, diesen Willen durchzusetzen, so habe für den Sohn die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des durch die bisherige Betriebsführung vorgegebenen Rahmens frei bewegen durfte (BSGE 66, 168, 170 ff = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4 f; zu einer solchen Konstellation vgl auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.5.2010 - L 11 KR 1423/08).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_35">35</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob der vom 11. Senat des BSG formulierten Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann oder ob - wofür Einiges spricht - der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch der 11. Senat ausdrücklich hingewiesen hat, größere Bedeutung beizumessen ist. Für Letzteres spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde (kritisch aus diesem Grunde auch Segebrecht in jurisPK-SGB IV, aaO, § 7 RdNr 124). Eine solche "Schönwetter-Selbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (vgl SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103; zuletzt Urteil des Senats vom 27.7.2011 - B 12 R 15/09 R - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16).“</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_36">36</a></dt>
<dd><p>Im Übrigen genügt auch nach der – überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts ergangenen – Rechtsprechung des BSG, die auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügt, eine selbständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen Tätigkeit innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt ist, regelmäßig nicht allein eine familiäre Verbundenheit. Vielmehr wurde weitgehend auf die familiäre Rücksichtnahme gegründete Befähigung des Betroffenen, in der Gesellschaft faktisch weisungsfrei wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft (nach eigenem Gutdünken) zu führen gefordert.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_37">37</a></dt>
<dd><p>Es ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass einer der drei Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer der Antragstellerin aufgrund seiner familiären Verbundenheit zu den beiden anderen – seinen Geschwistern – seine Geschäftsführertätigkeit weisungsfrei ausüben konnte oder zumindest ihm unliebsame Weisungen verhindern konnte. Vielmehr haben alle drei Geschäftsführer in den von ihnen am 11.12.2017 ausgefüllten Feststellungsbögen zu versicherungsrechtlichen Beurteilung ihrer Tätigkeit unter Nr. 3.4 die Frage, ob sie wie ein fremder Arbeitnehmer dem Direktionsrecht (Weisungsrecht) der Gesellschaft bezüglich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung unterliegen, mit „ja“ beantwortet. Das Weisungsrecht werde von den anderen Gesellschaftern ausgeübt. Sie könnten (so die Antwort auf die Frage unter Nr. 3.5) – gegebenenfalls von bestimmten wichtigen Geschäften abgesehen – ihre Tätigkeit in der Gesellschaft nicht frei bestimmen und gestalten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_38">38</a></dt>
<dd><p>Es gab im streitigen Zeitraum vom 1.1.2013 bis 31.12.2016 auch keine langjährige und gefestigte Rechtsprechung des BSG, wonach durch eine außerhalb des Gesellschaftsvertrages geschlossene schuldrechtliche Stimmbindungsvereinbarung einem Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer die Rechtsmacht verliehen werden konnte, ihm unliebsame Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern. Zwar hatten einige Landessozialgerichte für Fälle einer – wie hier durch den die Gesellschafter der Antragstellerin zur einheitlichen Ausübung ihres Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung verpflichtenden Poolvertrag vom 12.6.2014 – unter allen GmbH-Gesellschaftern geschlossenen Stimmbildungsvereinbarung entschieden, dass ein Geschäftsführer, der eine Stimmbildungsvereinbarung mit allen anderen Gesellschaftern geschlossen hat, weisungsunabhängig sei und somit als Selbständiger tätig werde (LSG Sachsen, Urteil vom 4.3.2014 – L 1 KR 9/11 -; LSG Hessen, Urteil vom 15.5.2014 – L 1 KR 235/13 -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.6.2014 – L 5 KR 2911/13 – und LSG Rheinland Pfalz, Urteil vom 12.11.2014 – L 4 R 556/13 -, jeweils in juris). Das BSG hat sich mit den Auswirkungen einer schuldrechtlichen, auf einheitliche Stimmabgabe gerichteten Stimmbindungsvereinbarung zwischen Gesellschaftern aber erstmals in zwei Urteilen vom 11.11.2015 (B 12 KR 13/14 R zu dem vorgenannten Urteil des LSG Baden Württemberg vom 11.6.2014 und B 12 KR 10/14 R zu dem vorgenannten Urteil des LSG Hessen vom 15.5.2014) befasst und entschieden, dass solche schuldrechtlichen Vereinbarungen  einem Minderheitsgesellschafter (im Verfahren B 12 KR 10/14 R zugleich allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer) nicht die Rechtsmacht verleihen, ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden, weil sie von jedem Gesellschafter zumindest aus wichtigem Grund jederzeit gekündigt werden können. Im Ergebnis hat es mit diesen Entscheidungen die in Rede stehenden schuldrechtlichen Stimmbindungsvereinbarungen für sozialversicherungsrechtlich irrelevant befunden und dies dann mit seinem bereits oben auszugsweise wiedergegebenen Urteil vom 14.3.2018 (B 12 KR 13/17 R) nochmals verdeutlicht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_39">39</a></dt>
<dd><p>Eine vor dem Urteil des BSG vom 14.3.2018 (B 12 KR 13/17 R) bestehende langjährige und gefestigte Rechtsprechung des BSG, wonach eine – wie hier – im Gesellschaftsvertrag vereinbarte „unechte“, nicht die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende, Sperrminorität ausreichte, um die Tätigkeit der drei Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer als eine selbständige zu bewerten, ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Dass durch die in § 7 des Gesellschaftsvertrages enthaltene Regelung keine Rechtsmacht, sich unliebsamer Weisungen der Gesellschafterversammlung erwehren zu können begründet wurde, machen – wie bereits ausgeführt – die Angaben der drei Geschäftsführer in den Feststellungsbögen deutlich.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_40">40</a></dt>
<dd><p>Schließlich ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin auch nicht wegen einer unbilligen Härte im Sinne von § 86a Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 SGG anzuordnen. Allein die mit einer (vorläufigen) Zahlungspflicht verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen reichen hierfür nicht aus. Vielmehr hat der Gesetzgeber Härten, die sich aus der Vollstreckung von Abgabenbescheiden vor Eintritt der Bestandskraft ergeben, bewusst in Kauf genommen, indem er der vollständigen Abgabenerhebung den Vorrang eingeräumt und einstweiligen Rechtsschutz nur eingeschränkt zur Verfügung stellt (st. Rspr., vgl. zuletzt u.a. LSG Sachsen, Beschluss vom 30.8.2013 - L 1 KR 129/13 B ER - sowie LSG Hamburg, Beschluss vom 16.4.2012 - L 3 R 19/12 B ER -, jew. juris). Auch eine drohende Insolvenz des Beitragsschuldners führt nicht ohne weiteres zur Annahme einer unbilligen Härte. Schwierigen Vermögensverhältnissen des Beitragspflichtigen kommt eine ausschlaggebende Relevanz im Eilverfahren regelmäßig nur dann zu, wenn er substantiiert darlegt und glaubhaft macht, dass es sich um einen nur vorübergehenden finanziellen Engpass bei grundsätzlich ausreichender Ertragssituation handelt, der bereits mit Zahlungserleichterungen - etwa in Form von Ratenzahlungen - erfolgreich und nachhaltig behoben werden kann (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 17.2.2017 - L 2/12 R 243/16 B ER -). Die Antragstellerin hat selbst nicht behauptet, dass ihr im Falle der Vollstreckung die Insolvenz droht. Dafür gibt es auch sonst keine Anhaltspunkte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_41">41</a></dt>
<dd><p>Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und § 161 Abs. 2 VwGO. Soweit sich das Verfahren durch den Teilabhilfebescheid der Antragsgegnerin vom 9.11.2018 erledigt hat, hat die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die mit dem Teilabhilfebescheid erfolgte Reduzierung der streitigen Nachforderung von 211.954,84 € auf 196.764,22 € entspricht rund 1/10, so dass es billigem Ermessen entspricht, dass die Antragsgegnerin auch 1/10 der Kosten des Antrags- und des Beschwerdeverfahrens trägt. Die restlichen 9/10 hat die Antragstellerin als Unterlegene zu tragen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_42">42</a></dt>
<dd><p>Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und § 53 Abs. 2 Nr. 4 GKG. Sie berücksichtigt, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Bruchteil des Wertes der Hauptsache als Streitwert anzusetzen ist. Diesem Bruchteil bemisst der Senat in Übereinstimmung mit der Streitwertpraxis der übrigen Rentensenate des LSG Niedersachen-Bremen für den Regelfall – wie hier – mit der Hälfte des streitigen Betrages.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_43">43</a></dt>
<dd><p>Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.</p></dd>
</dl>
</div></div>
</div></div>
<a name="DocInhaltEnde"><!--emptyTag--></a><div class="docLayoutText">
<p style="margin-top:24px"> </p>
<hr style="width:50%;text-align:center;height:1px;">
<p><img alt="Abkürzung Fundstelle" src="/jportal/cms/technik/media/res/shared/icons/icon_doku-info.gif" title="Wenn Sie den Link markieren (linke Maustaste gedrückt halten) können Sie den Link mit der rechten Maustaste kopieren und in den Browser oder in Ihre Favoriten als Lesezeichen einfügen." onmouseover="Tip('<span class="contentOL">Wenn Sie den Link markieren (linke Maustaste gedrückt halten) können Sie den Link mit der rechten Maustaste kopieren und in den Browser oder in Ihre Favoriten als Lesezeichen einfügen.</span>', WIDTH, -300, CENTERMOUSE, true, ABOVE, true );" onmouseout="UnTip()"> Diesen Link können Sie kopieren und verwenden, wenn Sie <span style="font-weight:bold;">genau dieses Dokument</span> verlinken möchten:<br>http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid=JURE190000328&psml=bsndprod.psml&max=true</p>
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</div>
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161,417 | vg-schleswig-holsteinisches-2018-12-20-12-a-22118 | {
"id": 1071,
"name": "Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht",
"slug": "vg-schleswig-holsteinisches",
"city": 647,
"state": 17,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 12 A 221/18 | 2018-12-20T00:00:00 | 2019-01-16T06:59:25 | 2019-01-17T12:06:24 | Urteil | ECLI:DE:VGSH:2018:1220.12A221.18.00 | <div class="docLayoutText">
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tenor<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Klage wird abgewiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tatbestand<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>Die Klägerin begehrt die finanzielle Abgeltung von Vorgriffstunden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>Die im Jahr 1946 geborene Klägerin stand als beamtete Lehrkraft, zuletzt als Oberstudienrätin, im Dienste des Landes Schleswig-Holstein. Mit Ablauf des 31.07.2009 wurde sie auf ihren Antrag in den Ruhestand versetzt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>Unter dem 31.01.2017 beantragte sie einen finanziellen Ausgleich für von ihr geleistete Vorgriffstunden. Nachdem der Beklagte dieses Begehren abgelehnt hatte, erhob die Klägerin Widerspruch, welcher mit Bescheid vom 30.04.2018 zurückgewiesen wurde. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, dass der Klägerin kein (finanzieller) Anspruch zustehe, weil sie nicht gehindert gewesen sei, aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grunde iSd § 62 Abs. 3 Besoldungsgesetz Schleswig-Holstein (SH BesG) geleistete Vorgriffstunden im Rahmen einer Verblockung auszugleichen. Sie habe durch ihren Antrag auf vorzeitige Zurruhesetzung selbst den Grund für die Nicht-Inanspruchnahme eines zeitlichen Ausgleichs gesetzt. Unabhängig davon seien der Klägerin die von ihr geleisteten Vorgriffstunden auch ab dem Schuljahr 2006/2007 zeitlich zurückerstattet worden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>Die Klägerin hat unter dem 11.06.2018 Klage erhoben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>Sie trägt im Wesentlichen vor, dass sie zwar nicht wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden sei, bei ihr habe aber in der Zeit vor der Zurruhesetzung in gesundheitlicher Hinsicht faktisch ein mit der Dienstunfähigkeit vergleichbarer Zustand bestanden. Ihr sei insofern eine Verblockung der Vorgriffstunden tatsächlich nicht möglich gewesen. Im Übrigen sei es ihr nicht vorwerfbar, dass sie keinen Antrag gestellt habe. Aus dem Pflichtstundenerlass ergebe sich ein solches Erfordernis nicht. Vielmehr wäre es Aufgabe des Dienstherrn bzw. der Schulleitung gewesen, ihr den Ausgleich geleisteter Vorgriffstunden im Rahmen der Verblockung zu ermöglichen. Indem dies nicht geschehen sei, habe der Dienstherr seine Fürsorgepflicht verletzt. Schließlich habe nach ihren Aufzeichnungen keinerlei Ausgleich von Vorgriffstunden stattgefunden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>Ausgehend von einem Jahreseinkommen von 64.836,00 € brutto und unter Zugrundelegung von 0,5 Vorgriffstunden pro Woche für fünf Jahre, was insgesamt 2,5 Jahresstunden entspreche, ergebe sich insgesamt ein Anteil von 10,2 % der von ihr seinerzeit geleisteten 24,5 Wochenstunden. Insgesamt stehe ihr ein Ausgleichsbetrag von 6.613,27 € zu.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><p>Die Klägerin beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">unter Aufhebung der Bescheide vom 03.07.2017 und 30.04.2018 den Beklagten zu verpflichten, ihr einen finanziellen Ausgleich in Höhe von 6.613,27 € zu gewähren.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>Der Beklagte beantragt,</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">die Klage abzuweisen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>Er verweist zunächst auf den Inhalt seines Widerspruchsbescheides vom 30.04.2018.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p>Ergänzend trägt er vor, dass die Lehrkräfte im Zeitraum vom 01.08.1999 bis zum 31.07.2004 zusätzlichen wöchentlichen Unterricht im Umfang von einer halben Unterrichtsstunde zu erteilen gehabt hätten. In Form einer Reduzierung des Stundendeputats um eine halbe Stunde sei dies zeitlich ab dem Schuljahr 2006/2007 ausgeglichen worden. Wenn wegen Antragsruhestandes oder ähnlicher Gründe der gesamte Ausgleichszeitraum nicht habe in Anspruch genommen werden können, seien die Lehrkräfte, wie auch die Klägerin, darauf hingewiesen worden, dass der zeitliche Ausgleich verblockt werden könne. Es gebe grundsätzlich keine Wahlmöglichkeit zwischen zeitlichem Ausgleich und finanzieller Abgeltung. Grundsätzlich sei ein finanzieller Ausgleich nur in Ausnahmefällen möglich, nämlich dann, wenn die Lehrkraft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund (insbesondere infolge Dienstunfähigkeit) gehindert gewesen sei, den zeitlichen Ausgleich in Anspruch zu nehmen. Ein Ausnahmefall liege bei der Klägerin nicht vor. Vielmehr liege die Ursache dafür, dass ein zeitlicher Ausgleich für geleistete Vorgriffstunden nicht in Anspruch genommen worden sei, im Verantwortungsbereich der Klägerin. Sie habe die Wahlfreiheit gehabt, sich vorzeitig in den Ruhestand versetzen zu lassen oder nicht. Die Nicht-Inanspruchnahme des Ausgleichs geleisteter Vorgriffstunden sei folglich von der Klägerin zu vertreten gewesen. Diese Auffassung habe bereits die Einigungsstelle, die im personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmungsverfahren einberufen worden sei, vertreten.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>Im Übrigen seien die geleisteten Vorgriffstunden auch tatsächlich zurückgewährt worden. Dies ergebe sich aus den von der Schulleitung übersandten Unterlagen. Die Klägerin habe dies in keiner Weise substantiiert in Abrede gestellt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>Die Kammer hat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter durch Beschluss vom 02.10.2018 zur Entscheidung übertragen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Entscheidungsgründe<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf finanziellen Ausgleich der von ihr geleisteten Vorgriffstunden (§ 113 Abs. 5 VwGO).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist die Bestimmung des § 62 Abs. 3 SH BesG. Danach wird das für Bildung zuständige Ministerium ermächtigt, im Einvernehmen mit dem für das Besoldungsrecht zuständigen Ministerium durch Verordnung einen angemessenen Ausgleich sowie das Verfahren für die Fälle zu regeln, in denen Lehrkräfte infolge einer Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit oder eines anderen von ihnen nicht zu vertretenden Grundes gehindert waren, einen zeitlichen Ausgleich für die von ihnen geleisteten Vorgriffstunden in dem dafür vorgesehenen Zeitraum in Anspruch zu nehmen. Dies ist mit der Landesverordnung über den finanziellen Ausgleich von Vorgriffstunden (Vorgriffstundenverordnung vom 26.07.2016 – VorgriffsVO) geschehen. In dieser Verordnung sind im Einzelnen der anspruchsberechtigte Personenkreis, das Verfahren und die Höhe der Ausgleichszahlung geregelt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>Die Verordnung beruht auf dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.07.2015 – 2 C 41/13 – juris, in dem das Gericht den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG) dadurch als verletzt ansah, dass das Land Schleswig-Holstein keine Regelung für die Fälle geschaffen hatte, in denen ein angemessener Ausgleich für geleistete, aber zeitlich nicht mehr auszugleichende Vorgriffstunden bei Lehrkräften, die infolge von dauernden Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden waren, nicht geschaffen hatte. Das Gericht hat dazu ausgeführt, dass das Land verpflichtet ist, für erbrachte, aber nicht mehr ausgeglichene Vorgriffstunden, eine finanzielle Regelung zu schaffen, um eine gleichheitswidrige Benachteiligung gegenüber den Vergleichsgruppen der Lehrkräfte, die keine Vorgriffstunden geleistet und der Lehrer, die einen vollständigen Zeitausgleich für erbrachte Vorgriffstunden erhalten hätten, zu vermeiden (BVerwG, Urteil vom 16.07.2015 a.a.O., Rdnr. 14 ff.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>Die Klägerin gehört nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 63 Abs. 3 SH BesG iVm § 1 VorgriffsVO. Denn sie war nicht gehindert, einen zeitlichen Ausgleich in den dafür vorgesehenen Zeitraum in Anspruch zu nehmen. Sie ist weder wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden noch war es ihr aus einem anderen von ihr nicht zu vertretenden Grund unmöglich, einen zeitlichen Ausgleich für die von ihr geleisteten Vorgriffstunden in Anspruch zu nehmen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p>Grundsätzlich erfolgt der zeitliche Ausgleich geleisteter Vorgriffsstunden durch spätere Absenkung der Pflichtstunden. Nach der § 8 Abs. 2 der Landesverordnung über die regelmäßige Pflichtstundenzahl der Lehrkräfte (Pflichtstundenverordnung – PflichtStVO) wird der zeitliche Ausgleich indes verblockt, wenn wegen des Antragsruhestandes, Erreichen der Altersgrenze, wegen Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis, der Versetzung zu einem anderen Dienstherrn oder bei einem Wechsel in andere Bereiche, in denen die Vorgriffsstundenregelung nicht gilt, ein zeitlicher Ausgleich über einen kürzeren Zeitraum als den Erteilungszeitraum erforderlich wird. Da die Klägerin bereits unter dem 26.03.2009 ihren Ruhestand ab dem 01.08.2009 beantragt hatte, wäre danach (nur noch) eine zeitliche Verblockung in Frage gekommen. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin dies förmlich hätte beantragen müssen. Nach Auffassung des Gerichts wäre sie jedoch gehalten gewesen, wenigstens eine entsprechende Absicht dem Dienstherrn mitzuteilen. Es oblag ihr, initiativ zu werden und an den Dienstherrn bzw. die Schulleitung heranzutreten und die Verblockung der auszugleichenden Stunden zu fordern. Das Erfordernis eines Tätigwerdens der Lehrkraft folgt auch aus der sonstigen, dem Gericht bekannten Verwaltungspraxis des Beklagten, wonach Lehrkräfte grundsätzlich verpflichtet sind, soweit sie personelle Änderungswünsche, zu denen auch eine Stundenermäßigung, eine Stundenerhöhung oder – wie im vorliegenden Fall – der Ausgleich geleisteter Vorgriffstunden gehört – möglichst bis zum 15.11. eines Jahres mitzuteilen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.09.2011 – 2 B 33/11 – Juris, Rdnr. 8). Es würde eine Überdehnung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn bedeuten, wenn dieser verpflichtet gewesen wäre, „quasi von Amts wegen“ dafür Sorge zu tragen, dass alle Lehrkräfte, denen noch ein zeitlicher Ausgleich von geleisteten Vorgriffstunden zustand, darauf hinzuweisen und nachzufragen, ob und gegebenenfalls in welcher Form der Ausgleich genommen werden sollte. Dass der Beamte für einen zeitlichen Ausgleich geleisteter Mehrarbeit selbst verantwortlich ist und dies auch gegenüber dem Dienstherrn kundtun muss, ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. BayVGH, Beschluss vom 06.11.2006 – 3 ZB 03.3190 - Juris, Rdnr. 4 f: „Macht der Beamte … Freizeitausgleich <span style="text-decoration:underline">nicht geltend</span>…“; „<span style="text-decoration:underline">begehrt </span>der Beamte diesen Freizeitausgleich …“;“… hatte er Freizeitausgleich nicht <span style="text-decoration:underline">beantragt</span>“; BVerwG, Beschluss vom 15.09.2011 aaO, Juris, Rdnr. 9: „Wenn sie… m<span style="text-decoration:underline">itgeteilt</span> hätte“). Diese Rechtsprechung bestätigt, dass es allein dem Beamten obliegt, durch eigenes Verhalten dafür Sorge zu tragen, dass er einen zeitlichen Ausgleich, in welcher Form auch immer, in Anspruch nehmen kann. Ebenso wie der Dienstherr nicht verpflichtet ist, den Beamten auf allgemein zugängliche Vorschriften oder gesetzliche Änderungen hinzuweisen, ist es grundsätzlich nicht seine Sache und begründet insbesondere nicht eine Verletzung seiner Fürsorgepflicht, wenn er den Beamten nicht auf ihn zustehende Ansprüche hinweist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>Der Klägerin war es darüber hinaus auch nicht unmöglich, sich mit ihrem Anliegen (auf Verblockung eines Zeitausgleiches) an den Dienstherrn bzw. die Schulleitung zu wenden. Zwar war die Klägerin nach ihrem Vortrag im gesamten Schuljahr 2007/2008 nicht in der Lage, Unterricht zu erteilen, indes hat im darauffolgenden Schuljahr 2008/2009 eine Wiedereingliederung stattgefunden. An dieser hat die Klägerin teilgenommen und 12 statt der regulär vorgesehenen 18 Stunden in der Woche Unterricht erteilt. Sie war nicht dienstunfähig erkrankt und befand sich auch nicht in einem Zustand der „Quasi-Dienstunfähigkeit“. Es mag durchaus sein, dass die Klägerin (nach wie vor) - wie sie in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat – unter starken Schmerzen in ihren Hüften gelitten hat. Allerdings ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass sie – wenn sie Unterricht erteilt hat - nicht in der Lage gewesen wäre, sich mit dem Anliegen auf Verblockung an die Schulleitung zu wenden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p>Da der Klägerin bereits dem Grunde nach kein Anspruch auf finanzielle Abgeltung der Vorgriffstunden zusteht, braucht auch der Frage nicht weiter nachgegangen zu werden, ob und in welchem Umfang die Klägerin Vorgriffstunden geleistet hat und ob diese ggf. bereits (vollständig) abgegolten worden sind.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p>Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass der Klägerin auf jeden Fall kein Anspruch in der von ihr geltend gemachten Höhe zustünde. Die von der Klägerin angestellte Berechnung ihres finanziellen Anspruches, an der sie trotz zweimaligen gerichtlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung festgehalten hat, ist unzutreffend.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_24">24</a></dt>
<dd><p>Die Höhe der Ausgleichszahlung richtet sich gemäß § 2 Abs. 1 VorgriffsVO nach der Mehrarbeitsvergütungsverordnung (MVergVO). Nach der Vorschrift des § 4 Abs. 3 MVergVO beträgt die Höhe der Vergütung bei Mehrarbeit im Schuldienst bei Inhabern von Lehrämtern der Laufbahngruppe II 2, Einstiegsamt an Gemeinschaftsschulen, Gymnasien und berufsbildenden Schulen 27,71 €. Das ergäbe bei letztlich noch in Streit stehenden 52,5 Vorgriffstunden (lediglich) eine Summe von 1454,77 €.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_25">25</a></dt>
<dd><p>Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1; sie ist gemäß §§ 167 VwGO iVm 708 Nr. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<br>
</div>
|
161,392 | bverfg-2018-12-20-2-bvr-257016 | {
"id": 3,
"name": "Bundesverfassungsgericht",
"slug": "bverfg",
"city": null,
"state": 2,
"jurisdiction": "Verfassungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Bundesgericht"
} | 2 BvR 2570/16 | 2018-12-20T00:00:00 | 2019-01-16T06:58:48 | 2019-02-13T18:05:39 | Stattgebender Kammerbeschluss | ECLI:DE:BVerfG:2018:rk20181220.2bvr257016 | <h2>Tenor</h2>
<div>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<p>Der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 14. November 2016 - 1 Ws 266/16 (165/16) - und der Beschluss des Landgerichts Lübeck vom 26. Mai 2016 - 8 StVK 38/16 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<p>Der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 14. November 2016 - 1 Ws 266/16 (165/16) - wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers an das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zurückverwiesen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<p>Das Land Schleswig-Holstein hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<p>Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.</p>
</dd>
</dl>
</div>
<h2>Gründe</h2>
<div>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_1">1</a>
</dt>
<dd>
<p>
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<h2>I.</h2>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_2">2</a>
</dt>
<dd>
<p>
1. Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts Flensburg vom 5. Oktober 1995 wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wurde angeordnet.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_3">3</a>
</dt>
<dd>
<p>
a) Nach den tatgerichtlichen Feststellungen trat der Beschwerdeführer während eines Streits mit seiner damaligen Lebensgefährtin, die sich von ihm trennen wollte, von hinten seitlich an diese heran, legte eine zuvor vom Fußboden aufgehobene Strumpfhose um ihren Hals und würgte sie hiermit. Das Opfer fiel schließlich mit dem Rücken auf das Bett, wo es trotz heftiger Gegenwehr von dem über es gebeugten Beschwerdeführer weiterhin gewürgt wurde. Infolge des Würgevorgangs, der mindestens fünf bis sechs Minuten andauerte, trat schließlich der Tod des Opfers ein. Nach der Tötung versuchte der Beschwerdeführer, mit seinem Opfer zu kohabitieren.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_4">4</a>
</dt>
<dd>
<p>
b) Nach Überzeugung des sachverständig beratenen Landgerichts hatte der Beschwerdeführer die Tat im Zustand einer affektbedingten erheblich verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen. Er leide seit seiner Kindheit an einer schweren Persönlichkeitsstörung und einer dadurch bedingten Ich-Schwäche, die sich in einer pathologischen Mutter-Beziehung entwickelt und verfestigt habe. Daneben bestehe eine Suchtproblematik.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_5">5</a>
</dt>
<dd>
<p>
2. Nachdem das Landgericht Lübeck mit Beschluss vom 12. Januar 2011 die weitere Vollstreckung der Maßregel der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie den nach Anrechnung der Unterbringungszeit verbleibenden Rest der Freiheitsstrafe ab dem 1. Februar 2011 zur Bewährung ausgesetzt hatte, widerrief es die Aussetzung mit Beschluss vom 21. Mai 2014. Zur Begründung verwies das Landgericht darauf, dass der Beschwerdeführer nach seiner Entlassung Alkohol und Betäubungsmittel konsumiert, entgegen einer ihm erteilten Weisung den Kontakt zu der ihn behandelnden forensischen Ambulanz abgebrochen und gegenüber seiner damaligen Ehefrau unter Drogeneinfluss Todesdrohungen ausgesprochen habe.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
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<a name="rd_6">6</a>
</dt>
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<p>
3. Nach Einholung einer Stellungnahme der behandelnden Klinik und nach Anhörung des Beschwerdeführers ordnete das Landgericht Lübeck mit angegriffenem Beschluss vom 26. Mai 2016 die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus an.</p>
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<dl class="RspDL">
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<a name="rd_7">7</a>
</dt>
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Der Beschwerdeführer leide an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit vor allem narzisstischen und dissozialen Anteilen und es bestehe ein multipler Substanzmissbrauch. Da er erst vor wenigen Monaten mit der therapeutischen Bearbeitung seines Bewährungsversagens begonnen habe, stehe er hiermit noch am Anfang. Die Kammer schließe sich der Einschätzung der behandelnden Therapeuten an, dass eine ambulante Therapie nicht geeignet sei, um einen Rückfall in dysfunktionale Verhaltensmuster zu verhindern. Es sei anzunehmen, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus dem Maßregelvollzug wieder in dissoziale Verhaltensmuster zurückfallen werde, wobei auch mit dem erneuten Konsum von Drogen zu rechnen sei. In der Folge seien Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit zu befürchten. Unter Berücksichtigung der Schwere der Anlasstat, der geschilderten Gefahrenprognose und der relativ kurzen Zeit, die seit dem Bewährungswiderruf verstrichen sei, sei die weitere Vollstreckung der Maßregel trotz ihrer bisherigen Dauer nicht unverhältnismäßig.</p>
</dd>
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<dl class="RspDL">
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<a name="rd_8">8</a>
</dt>
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<p>
4. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde verwarf das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 14. November 2016 als unbegründet.</p>
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<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_9">9</a>
</dt>
<dd>
<p>
Es bestehe (noch) die hinreichend konkrete Gefahr, der Beschwerdeführer werde bei sofortiger Entlassung aus dem Maßregelvollzug erneut schwere, nicht nur gegen die körperliche Unversehrtheit, sondern gegen das Leben an sich gerichtete Straftaten begehen. Der in der Vergangenheit bereits einmal gescheiterte Versuch der Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung habe gezeigt, dass der Beschwerdeführer insbesondere seinen Suchtmittelmissbrauch, der einen hohen und unmittelbaren Einfluss auf seine Aggressivität habe, nicht kontrollieren könne. Zwar sei es während der Bewährungszeit nicht zu einer erneuten schweren Straftat gekommen, immerhin aber habe sich der Beschwerdeführer unter Suchtmitteleinfluss in eine aggressive Stimmung hineingesteigert, aus der heraus er gegenüber seiner damaligen Ehefrau Todesdrohungen geäußert habe. Vor diesem Hintergrund erscheine auch die weitere Fortdauer des Maßregelvollzugs selbst dann noch nicht unverhältnismäßig, wenn man sich vor Augen führe, dass dieser vor der Bewährungsentlassung bereits von 1995 bis 2011 angedauert habe.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_10">10</a>
</dt>
<dd>
<p>
5. Nach Erhebung der vorliegenden Verfassungsbeschwerde hat das Landgericht Lübeck mit Beschluss vom 5. Oktober 2017 die Fortdauer der Maßregel angeordnet. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 27. November 2017 verworfen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<h2>II.</h2>
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</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_11">11</a>
</dt>
<dd>
<p>
Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_12">12</a>
</dt>
<dd>
<p>
Die angegriffenen Entscheidungen wiesen die verfassungsrechtlich gebotene Begründungstiefe nicht auf. Es fehle schon an einer hinreichend begründeten Konkretisierung der von ihm ausgehenden Gefahr und der Art der von ihm drohenden Taten. Daneben werde in den angegriffenen Beschlüssen nicht ausreichend dargelegt, dass die von ihm ausgehende Gefahr das angesichts der Dauer der Unterbringung zunehmende Gewicht seines Freiheitsanspruchs aufzuwiegen vermöge. Die Fachgerichte hätten die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem zunehmenden Gewicht seines Freiheitsanspruchs und dem Sicherungsinteresse der Allgemeinheit nicht vorgenommen. Schließlich fehle auch eine Befassung mit der Frage, ob dem Sicherungsinteresse der Allgemeinheit nicht auch durch ihn weniger belastende Maßnahmen Rechnung hätte getragen werden können.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<h2>III.</h2>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_13">13</a>
</dt>
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1. Das Ministerium für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein hat von einer Stellungnahme abgesehen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_14">14</a>
</dt>
<dd>
<p>
2. Nach Auffassung des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof wird der Verfassungsbeschwerde der Erfolg nicht zu versagen sein. Schon die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr der Begehung zukünftiger erheblicher rechtswidriger Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, sei nicht ausreichend konkretisiert. Daneben werde in den angegriffenen Beschlüssen nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise dargelegt, dass die von ihm ausgehende Gefahr das angesichts der Dauer der Unterbringung zunehmende Gewicht seines Freiheitsanspruchs aufzuwiegen vermöge. Schließlich setzten sich die Gerichte auch nicht mit der Frage auseinander, ob dem Sicherungsinteresse der Allgemeinheit nicht auch durch den Beschwerdeführer weniger belastende Maßnahmen hätte Rechnung getragen werden können.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt/>
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<h2>IV.</h2>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_15">15</a>
</dt>
<dd>
<p>
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 BVerfGG sind erfüllt. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen - insbesondere die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebenden Anforderungen an die Anordnung der Fortdauer langandauernder Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus - bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG; vgl. BVerfGE 70, 297) und die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_16">16</a>
</dt>
<dd>
<p>
1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass die weitere Fortdauer der Maßregel zwischenzeitlich mit rechtskräftigem Beschluss des Landgerichts Lübeck vom 5. Oktober 2017 angeordnet worden ist. Denn die angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts Lübeck vom 26. Mai 2016 und des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 14. November 2016 waren Grundlage eines tiefgreifenden Eingriffs in das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 128, 326 <389>). Der Beschwerdeführer hat daher ein fortbestehendes schutzwürdiges Interesse an einer nachträglichen verfassungsrechtlichen Überprüfung und gegebenenfalls einer hierauf bezogenen Feststellung der Verfassungswidrigkeit dieses Grundrechtseingriffs durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 9, 89 <92 ff.>; 32, 87 <92>; 53, 152 <157 f.>; 91, 125 <133>; 104, 220 <234 f.>).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_17">17</a>
</dt>
<dd>
<p>
2. Die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts Lübeck vom 26. Mai 2016 und des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 14. November 2016 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, weil sie den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügen, die für die Anordnung der Fortdauer langandauernder Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus bestehen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_18">18</a>
</dt>
<dd>
<p>
a) Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet jedermann "die Freiheit der Person" und nimmt einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Freiheit der Person als "unverletzlich" bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien für ihre Beschränkung statuiert (vgl. BVerfGE 35, 185 <190>; 109, 133 <157>; 128, 326 <372>).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_19">19</a>
</dt>
<dd>
<p>
aa) Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>); zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung der Freiheit der Person bestimmen. Das gilt auch für die Regelung der Unterbringung eines schuldunfähigen oder erheblich vermindert schuldfähigen Straftäters, von dem infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_20">20</a>
</dt>
<dd>
<p>
bb) Die freiheitssichernde Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG hat auch verfahrensrechtliche Bedeutung. Unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens ist, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen (vgl. BVerfGE 58, 208 <222>) und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 58, 208 <230>).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_21">21</a>
</dt>
<dd>
<p>
Erst eine hinreichende Tatsachengrundlage setzt den Richter in den Stand, darüber zu entscheiden, ob die Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fortzudauern hat oder zur Bewährung auszusetzen ist (§ 67d Abs. 2 StGB). Nur auf dieser Grundlage kann er die von ihm geforderte Prognose künftiger Straffälligkeit stellen sowie die Verantwortbarkeit einer Erprobung des Untergebrachten in Freiheit und die Verhältnismäßigkeit einer weiteren Unterbringung prüfen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_22">22</a>
</dt>
<dd>
<p>
cc) Zudem ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in die Entscheidung über die Fortdauer oder Aussetzungsreife der Maßregel einzubeziehen (integrative Betrachtung). Das sich daraus ergebende Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des betroffenen Einzelnen und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsverletzungen verlangt nach gerechtem und vertretbarem Ausgleich. Dieser lässt sich für Entscheidungen über die Aussetzung der Maßregelvollstreckung nur dadurch bewirken, dass Sicherungsbelange und der Freiheitsanspruch des Untergebrachten als wechselseitiges Korrektiv gesehen und im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden. Hält das Gericht ein Risiko der Begehung weiterer Straftaten bei einem nach § 63 StGB Untergebrachten für gegeben, hat es die mögliche Gefährdung der Allgemeinheit zu der Dauer des erlittenen Freiheitsentzugs in Beziehung zu setzen (vgl. BVerfGE 70, 297 <311 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. August 2017 - 2 BvR 1280/15 -, juris, Rn. 26).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_23">23</a>
</dt>
<dd>
<p>
Dabei ist auf die Gefahr solcher rechtswidriger Taten abzustellen, die ihrer Art und ihrem Gewicht nach ausreichen, die Anordnung der Maßregel zu tragen; diese müssen mithin "erheblich" im Sinne des § 63 StGB sein. Die Beurteilung hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche Art rechtswidriger Taten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit und Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Dabei ist die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr hinreichend zu konkretisieren; die Art und der Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten ist zu bestimmen; deren bloße Möglichkeit vermag die weitere Maßregelvollstreckung nicht zu rechtfertigen. Bei allem ist auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls einzugehen. Zu erwägen sind das frühere Verhalten des Untergebrachten und von ihm bislang begangene Taten. Abzuheben ist aber auch auf die seit der Anordnung der Maßregel veränderten Umstände, die für die künftige Entwicklung bestimmend sind (vgl. BVerfGE 70, 297 <313 f.>; BVerfGK 16, 501 <506>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. August 2017 - 2 BvR 1280/15 -, juris, Rn. 28).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_24">24</a>
</dt>
<dd>
<p>
Mit dem Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016 (BGBl I S. 1610) wurden einfachrechtlich weitere Verhältnismäßigkeitsanforderungen hinsichtlich der Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus festgelegt. Gemäß § 67d Abs. 6 Satz 2 und 3 StGB n.F. werden die materiell-rechtlichen Anforderungen an die Fortdauer der Unterbringung im Hinblick auf die drohenden Rechtsgutsverletzungen abhängig von der Dauer der Unterbringung angehoben. Sind - wie im vorliegenden Fall - zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, erklärt das Gericht gemäß § 67d Abs. 6 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 StGB den Vollzug der Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte erhebliche Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_25">25</a>
</dt>
<dd>
<p>
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet darüber hinaus, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB nur solange zu vollstrecken, wie der Zweck der Maßregel dies unabweisbar erfordert und zu seiner Erreichung den Untergebrachten weniger belastende Maßnahmen im Rahmen der Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung (§ 67d Abs. 2, §§ 68a, 68b StGB) nicht genügen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_26">26</a>
</dt>
<dd>
<p>
dd) Da es sich bei der Gesamtwürdigung der für die Frage der Aussetzung (§ 67d Abs. 2 StGB) maßgeblichen Umstände um eine wertende Entscheidung unter Prognosegesichtspunkten handelt, kann das Bundesverfassungsgericht sie nicht in allen Einzelheiten, sondern nur daraufhin nachprüfen, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat und ob die dabei zugrunde gelegten Bewertungsmaßstäbe der Verfassung entsprechen, insbesondere Inhalt und Tragweite des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht verkennen. Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauert, umso strenger sind die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs. Der im Einzelfall unter Umständen nachhaltige Einfluss des gewichtiger werdenden Freiheitsanspruchs wird jedoch dort an Grenzen stoßen, wo es im Blick auf die Art der von dem Untergebrachten drohenden Taten, deren Bedeutung und deren Wahrscheinlichkeit vor dem staatlichen Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit unvertretbar erscheint, den Untergebrachten in die Freiheit zu entlassen (vgl. BVerfGE 70, 297 <315>).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_27">27</a>
</dt>
<dd>
<p>
ee) Das zunehmende Gewicht des Freiheitsanspruchs bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung wirkt sich bei langdauernden Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) auch auf die an die Begründung einer Entscheidung nach § 67d Abs. 2 StGB zu stellenden Anforderungen aus. In diesen Fällen engt sich der Bewertungsrahmen des Strafvollstreckungsrichters ein; mit dem immer stärker werdenden Freiheitseingriff wächst die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte. Dem lässt sich dadurch Rechnung tragen, dass der Richter seine Würdigung eingehender abfasst, sich also nicht etwa mit knappen, allgemeinen Wendungen begnügt, sondern seine Bewertung anhand der dargestellten einfachrechtlichen Kriterien substantiiert offenlegt. Erst dadurch wird es möglich, im Rahmen verfassungsgerichtlicher Kontrolle nachzuvollziehen, ob die von dem Täter ausgehende Gefahr seinen Freiheitsanspruch gleichsam aufzuwiegen vermag. Zu verlangen ist mithin vor allem die Konkretisierung der Wahrscheinlichkeit weiterer rechtswidriger Taten, die von dem Untergebrachten drohen, und deren Deliktstypus. Bleibt das Bemühen des Richters um Zuverlässigkeit der Prognose trotz Ausschöpfung der zu Gebote stehenden Erkenntnismittel mit großen Unsicherheiten behaftet, so hat auch dies Eingang in seine Bewertung zu finden (vgl. BVerfGE 70, 297 <315 f.>).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_28">28</a>
</dt>
<dd>
<p>
ff) Tragen die Gründe einer Entscheidung über die Fortdauer einer bereits außergewöhnlich lange währenden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63, § 67d Abs. 2 StGB) diesen Maßstäben nicht Rechnung, so führt dies dazu, dass die Freiheit der Person des Untergebrachten auf solcher Grundlage nicht rechtmäßig eingeschränkt werden kann; sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ist verletzt, weil es an einer verfassungsrechtlich tragfähigen Grundlage für die Unterbringung fehlt (vgl. BVerfGE 70, 297 <316 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. August 2017 - 2 BvR 1280/15 -, juris, Rn. 29).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_29">29</a>
</dt>
<dd>
<p>
b) Gemessen hieran tragen die angegriffenen Entscheidungen den von Verfassungs wegen an die Begründung von Fortdauerentscheidungen zu stellenden Anforderungen nicht hinreichend Rechnung. Es fehlt bereits an einer hinreichend begründeten Konkretisierung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr zukünftiger rechtswidriger Taten (aa). Daneben wird in den angegriffenen Beschlüssen nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise dargelegt, dass die von dem Beschwerdeführer ausgehende Gefahr das angesichts der Dauer der Unterbringung zunehmende Gewicht seines Freiheitsanspruchs aufzuwiegen vermag (bb). Dahinstehen kann daher, inwieweit verfassungsrechtlich außerdem eine Erörterung der Frage geboten war, ob vorliegend den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit durch den Beschwerdeführer weniger belastende Maßnahmen hinreichend Rechnung hätte getragen werden können (cc).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_30">30</a>
</dt>
<dd>
<p>
aa) Eine hinreichende Konkretisierung, mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit vom Beschwerdeführer erhebliche Taten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden können (§ 67d Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 StGB), kann den angegriffenen Beschlüssen nicht entnommen werden.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_31">31</a>
</dt>
<dd>
<p>
(1) Das Landgericht Lübeck stellt in seiner angegriffenen Entscheidung lediglich fest, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus dem Maßregelvollzug wieder in dysfunktionale Verhaltensmuster zurückfallen würde, wobei auch mit dem erneuten Konsum von Drogen zu rechnen wäre, und infolgedessen Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit zu befürchten seien. Diese Feststellung genügt der verfassungsrechtlich gebotenen Festlegung der Art und des Grades der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten nicht.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_32">32</a>
</dt>
<dd>
<p>
Den Beschlussgründen lässt sich bereits nicht entnehmen, aufgrund welcher Anknüpfungstatsachen vom Beschwerdeführer Körperverletzungsdelikte zu befürchten sind. Einen hinreichenden Bezug zu dem bisherigen Delinquenzverhalten des Beschwerdeführers sowie seinem Verhalten im Maßregelvollzug und während seiner Bewährungszeit stellt das Landgericht nicht her. Es lässt außer Betracht, dass der Beschwerdeführer während der dreijährigen Bewährungszeit trotz Suchtmittelkonsums nicht erneut straffällig geworden ist. Auch lässt sich den Ausführungen des Landgerichts nicht entnehmen, dass die von ihm befürchteten "Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit" die Erheblichkeitsschwelle der § 63, § 67d Abs. 6 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 StGB überschreiten. Zur Schwere der zu erwartenden Körperverletzungsdelikte und der damit verbundenen Folgen für die Opfer verhält sich das Landgericht nicht.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_33">33</a>
</dt>
<dd>
<p>
Ebenso wird aus den Gründen des angegriffenen landgerichtlichen Beschlusses der Grad der Wahrscheinlichkeit, mit dem das Landgericht von dem Eintritt zukünftigen straffälligen Verhaltens des Beschwerdeführers ausgeht, nicht erkennbar. Dass Straftaten "zu befürchten" sind, sagt noch nichts darüber aus, wie hoch das Risiko straffälligen Verhaltens ist. Zwar geht die behandelnde Klinik in ihrer Stellungnahme vom 15. April 2016 davon aus, dass sich aus dem bisherigen Vollzugsverhalten des Beschwerdeführers und seinem Bewährungsversagen eine hohe Wahrscheinlichkeit für strafrechtlich relevantes Verhalten, auch auf dem Niveau des Anlassdelikts, ergebe und das Ziel der Maßregel daher bisher nicht erreicht sei. Diese Einschätzung macht sich das Landgericht jedoch nicht zu eigen. Zwar gibt es die Stellungnahme der behandelnden Klinik in seinem Beschluss in erheblichen Teilen wieder. Auf die von der behandelnden Klinik vorgenommene Gefahrenprognose nimmt es jedoch keinen Bezug. Es schließt sich insoweit nur der Einschätzung an, dass eine ambulante Therapie nicht geeignet sei, um einen Rückfall des Beschwerdeführers in dysfunktionale Verhaltensmuster zu verhindern.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_34">34</a>
</dt>
<dd>
<p>
(2) Auch in der angegriffenen Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts fehlt es an einer verfassungsrechtlichen Maßstäben genügenden Gefahrenprognose. Das Oberlandesgericht behauptet, es bestehe (noch) die hinreichend konkrete Gefahr erneuter schwerer, nicht nur gegen die körperliche Unversehrtheit sondern auch gegen das Leben an sich gerichteter Straftaten. Dabei erkennt es zwar, dass es während der Bewährungszeit nicht zu erneuten schweren Straftaten kam. Gleichwohl folgert es die Gefahr derartiger Straftaten daraus, dass der Beschwerdeführer sich unter Suchtmitteleinfluss in eine aggressive Stimmung hineingesteigert habe, aus der heraus er gegenüber seiner damaligen Ehefrau Todesdrohungen geäußert habe. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob allein dieser Umstand vor dem Hintergrund der Anlasstat genügt, die Gefahr weiterer Straftaten gegen das Leben zu begründen. Zumindest hätte das Oberlandesgericht sich insoweit zu dem Vortrag des Beschwerdeführers verhalten müssen, er habe die Drohungen mit der Aufforderung verbunden, einen Mitarbeiter der ihn betreuenden forensischen Ambulanz zu informieren, um deren Realisierung abzuwenden. Jedenfalls aber unterlässt auch das Oberlandesgericht die Bestimmung des Grades der Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten. Seine Feststellung, es bestehe (noch) die hinreichend konkrete Gefahr der Begehung gegen das Leben gerichteter Straftaten, lässt nicht erkennen, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Eintritt des beschriebenen delinquenten Verhaltens des Beschwerdeführers zu erwarten ist.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_35">35</a>
</dt>
<dd>
<p>
bb) Aufgrund der fehlenden Bestimmung des Grades der Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten fehlt es an einer ausreichenden Grundlage für die durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebotene Abwägung zwischen dem zunehmenden Gewicht des Freiheitsanspruchs des Beschwerdeführers und den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. August 2017 - 2 BvR 1280/15 -, juris, Rn. 36). Die angegriffenen Beschlüsse genügen auch insoweit den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_36">36</a>
</dt>
<dd>
<p>
(1) Die Feststellung des Landgerichts, die weitere Vollstreckung der Maßregel sei unter Berücksichtigung der Schwere der Anlasstat, der geschilderten Gefahrenprognose und der relativ kurzen Zeit, die seit dem Bewährungswiderruf verstrichen sei, nicht unverhältnismäßig, lässt die verfassungsrechtlich erforderliche Begründungstiefe vermissen. So setzt das Landgericht sich nicht in ausreichendem Umfang mit der Dauer der bisherigen Unterbringung des Beschwerdeführers auseinander. Bis zur Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung dauerte diese bereits ungefähr 16 Jahre an. Seit dem Widerruf der Aussetzung zur Bewährung bis zur landgerichtlichen Entscheidung sind wiederum ungefähr zwei Jahre vergangen. Die damit insgesamt rund 18 Jahre andauernde Unterbringung des Beschwerdeführers übersteigt das ausgeurteilte Strafmaß von sieben Jahren und sechs Monaten um mehr als das Doppelte. Ebenso übersteigt die Dauer der bisherigen Unterbringung den Strafrahmen des Totschlags, der gemäß § 212 Abs. 1, § 38 Abs. 2 StGB fünf bis 15 Jahre Freiheitsstrafe beträgt. Dem hätte das Landgericht durch eine eingehende Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortdauer der Unterbringung unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalls Rechnung tragen müssen. Die demgegenüber knappe und Besonderheiten des Einzelfalls nur marginal berücksichtigende Formulierung des Landgerichts genügt hingegen nicht, um ein überwiegendes Sicherungsinteresse der Allgemeinheit gegenüber dem im Zeitablauf stärker gewordenen Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers zu begründen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_37">37</a>
</dt>
<dd>
<p>
(2) Dieses Begründungsdefizit wurde durch die angegriffene Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts nicht behoben. Zwar nimmt das Oberlandesgericht die Dauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in den Blick. Es begründet die Verhältnismäßigkeit der weiteren Unterbringung aber ausschließlich mit dem Bewährungsversagen des Beschwerdeführers. Weitere Einzelfallgesichtspunkte, insbesondere das von der behandelnden Klinik in ihrer Stellungnahme vom 15. April 2016 ausführlich geschilderte Verhalten des Beschwerdeführers seit seiner Rückverlegung in den Maßregelvollzug und dessen Entwicklung im Rahmen der ihm angebotenen Therapie, lässt das Oberlandesgericht gänzlich außer Betracht. Ebenso wird nicht hinreichend erkennbar, welches Gewicht das Oberlandesgericht der Dauer der Unterbringung des Beschwerdeführers letztlich beimisst und ob es sich des aufgrund der langandauernden Unterbringung des Beschwerdeführers anzuwendenden verfassungsrechtlichen Maßstabs bewusst ist. Welche Folgen sich aus der Dauer der Unterbringung für die gebotene Abwägung zwischen dem Freiheitsrecht des Beschwerdeführers und den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit ergeben, wird aus den Beschlussgründen nicht ersichtlich. Die bloße Feststellung, auch vor diesem Hintergrund sei die weitere Unterbringung des Beschwerdeführers nicht unverhältnismäßig, wird der von Verfassungs wegen zu fordernden Begründungstiefe jedenfalls nicht gerecht.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_38">38</a>
</dt>
<dd>
<p>
cc) Inwieweit es den angegriffenen Entscheidungen auch an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der Frage fehlt, ob den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit durch den Beschwerdeführer weniger belastende Maßnahmen hätte Rechnung getragen werden können, bedarf aufgrund der dargestellten verfassungsrechtlichen Mängel keiner Entscheidung. Dafür könnte sprechen, dass der Beschwerdeführer trotz seines Suchtmittelrückfalls während der Bewährungszeit nicht erneut straffällig wurde.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_39">39</a>
</dt>
<dd>
<p>
3. Im Ergebnis ist festzustellen, dass die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzen (§ 93c Abs. 2, § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 14. November 2016 ist aufzuheben und die Sache ist aufgrund der prozessualen Überholung durch die Entscheidungen des Landgerichts Lübeck vom 5. Oktober 2017 und des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 27. November 2017 zur erneuten Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers an das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zurückzuverweisen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juli 2016 - 2 BvR 2474/14 -, juris, Rn. 29; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Mai 2014 - 2 BvR 1823/13 -, juris, Rn. 27; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2014 - 2 BvR 119/12 -, juris, Rn. 15; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. März 2018 - 2 BvR 1509/15 -, juris, Rn. 29).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_40">40</a>
</dt>
<dd>
<p>
4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_41">41</a>
</dt>
<dd>
<p>
5. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_42">42</a>
</dt>
<dd>
<p>
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.</p>
</dd>
</dl>
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} | 6 B 94/18 | 2018-12-20T00:00:00 | 2019-01-16T06:58:29 | 2019-02-13T18:04:04 | Beschluss | ECLI:DE:BVerwG:2018:201218B6B94.18.0 | <h2>Gründe</h2>
<div>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<p>I</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_1">1</a>
</dt>
<dd>
<p>Die Kläger streben die Einrichtung islamischen Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen in Nordrhein-Westfalen an. Sie sind bundesweit tätige Zusammenschlüsse von islamischen Verbänden (Dachverbände) in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Sie bezeichnen sich als islamische Religionsgemeinschaften. Dem Kläger zu 1 gehören Landesverbände an, die rund 240 Moscheegemeinden und deren Mitglieder vertreten. Bei dem Kläger zu 2 sind islamische Verbände und Gemeinschaften sowie Jugend- und Studentenvereine organisiert.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_2">2</a>
</dt>
<dd>
<p>Die Ziele und Aufgaben der Kläger sind in ihren Vereinssatzungen festgelegt. Danach fördert der Kläger zu 1 die islamische Religion und deren Pflege in den Mitgliedsverbänden. Zu diesem Zweck führt er unter anderem religiöse Bildungsveranstaltungen durch und erstellt Informationsschriften und Lehrpläne. Er legt die Gebetszeiten, die islamischen Feiertage sowie Beginn und Ende des Fastenmonats Ramadan fest und klärt die Halal betreffenden Fragen. Bei dem Kläger zu 1 ist ein islamischer Gelehrtenrat eingerichtet, dem nach der Satzung die religiöse Unterweisung der Gläubigen, die Mitwirkung bei der Ausbildung von Imamen und Moscheeverantwortlichen sowie die Abgabe von Stellungnahmen und Gutachten zu religiösen Fragen obliegt. Diese haben empfehlenden Charakter. Die Satzung trifft keine Aussage darüber, wie der Kläger zu 1 religiösen Leitlinien gegenüber den Verantwortlichen und Mitgliedern der Moscheegemeinden Geltung verschaffen kann. Der Kläger zu 2 fördert die Lehre des islamischen Glaubens und die Bewahrung islamischer Werte. Ein Vorstandsmitglied (Sheikh ul-Islam) ist als geistlicher Leiter verantwortlich für religiöse Angelegenheiten und Lehrentscheidungen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_3">3</a>
</dt>
<dd>
<p>Die Klagen mit dem Ziel, das beklagte Land zur Einführung islamischen Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen nach den religiösen Grundsätzen der Kläger zu verpflichten, sind in den Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Auf die Revisionen der Kläger hat das Bundesverwaltungsgericht durch Urteil vom 23. Februar 2005 - 6 C 2.04 - (BVerwGE 123, 49) das Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache an dieses Gericht zurückverwiesen. In den Gründen heißt es, den Klägern könne der geltend gemachte Anspruch zustehen, wenn sie Religionsgemeinschaften seien und die Grundsätze der Verfassungsordnung des Grundgesetzes respektierten. Auch Dachverbände könnten Religionsgemeinschaften sein. Hierfür sei unter anderem erforderlich, dass sie mit ihren Untergliederungen und deren Mitgliedern durch ein organisatorisches Band verbunden seien und mit Kompetenz und Autorität Aufgaben im Bereich der religiösen Lehre wahrnähmen, die für die Identität der Religionsgemeinschaft wesentlich seien. Die Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts reichten nicht aus, um abschließend beurteilen zu können, ob die Kläger diese Voraussetzungen erfüllten.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_4">4</a>
</dt>
<dd>
<p>Nach der Wiederaufnahme des rund zehn Jahre lang ruhenden Verfahrens hat das Oberverwaltungsgericht die Berufungen der Kläger gegen das erstinstanzliche Urteil erneut zurückgewiesen. In den Gründen heißt es, nach den Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts seien die Kläger keine Religionsgemeinschaften. Der Kläger zu 1 nehme bereits keine Lehraufgaben wahr, weil die Äußerungen seines islamischen Gelehrtenrats in religiösen Fragen nach der Vereinssatzung lediglich unverbindliche Empfehlungen darstellten. Die Satzung gebe dem Kläger zu 1 keine Handhabe, religiösen Leitlinien innerhalb des Gesamtverbandes Geltung zu verschaffen. Die Bestimmung der Gebetszeiten und der islamischen Feiertage reichten nicht aus; für die Festlegung des Fastenmonats seien die Islamverbände seit 2008 gemeinsam zuständig.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_5">5</a>
</dt>
<dd>
<p>Aus den Angaben der Kläger gehe nicht hervor, dass sie in Fragen der religiösen Lehre Autorität in Anspruch nähmen. Denn es sei nicht erkennbar, welche Standpunkte sie in zentralen religiösen Konfliktfragen des Islam in Deutschland wie dem Verhältnis von Grundgesetz und Scharia, der Stellung der Frau und der religiösen Toleranz verträten.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_6">6</a>
</dt>
<dd>
<p>Mit ihren Nichtzulassungsbeschwerden machen die Kläger vor allem geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Nach Auffassung des Klägers zu 1 hat das Oberverwaltungsgericht die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Voraussetzungen für die Wahrnehmung von Lehrautorität durch einen religiösen Dachverband sowie für deren Geltungsanspruch und Durchsetzung zu streng gehandhabt. Die Rechtsansichten des Oberverwaltungsgerichts trügen dem Selbstbestimmungsrecht von Religionsgemeinschaften nicht Rechnung. In einem Revisionsverfahren müsse insbesondere geklärt werden, ob die Eigenschaft eines Dachverbands als Religionsgemeinschaft davon abhängig gemacht werden dürfe, dass dessen religiöse Lehrmeinungen für die nachgeordneten Ebenen und die Gläubigen verbindlich seien, Vorrang gegenüber abweichenden Lehrmeinungen besäßen und organisatorisch durchsetzbar seien.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_7">7</a>
</dt>
<dd>
<p>Der Kläger zu 2 rügt als Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, dass das Oberverwaltungsgericht den Begriff der Religionsgemeinschaft an ein verbindliches Lehramt geknüpft habe. Dies widerspreche dem Selbstverständnis des Islam. Auch sei gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO klärungsbedürftig, ob religiöse Lehrautorität Verbindlichkeit voraussetze oder die Beachtung der Lehrmeinungen den Gläubigen überlassen bleiben könne, ob es für deren Wahrnehmung auf die Satzung oder das tatsächliche Geschehen ankomme und ob eine umfassende Beratungstätigkeit des Dachverbands in religiösen Fragen sowie die Repräsentation des Gesamtverbandes gegenüber Staat und Öffentlichkeit für die Anerkennung als Religionsgemeinschaft ausreiche.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_8">8</a>
</dt>
<dd>
<p>Zusätzlich erheben beide Kläger verschiedene Gehörs- und Aufklärungsrügen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt/>
<dd>
<p>II</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_9">9</a>
</dt>
<dd>
<p>Die Nichtzulassungsbeschwerden haben mit der Maßgabe Erfolg, dass das Berufungsurteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist, weil das Berufungsurteil auf einem Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruht (§ 133 Abs. 6 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat die sich aus § 144 Abs. 6 VwGO ergebende Bindungswirkung des Revisionsurteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Februar 2005 - 6 C 2.04 - (BVerwGE 123, 49) nicht hinreichend beachtet.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_10">10</a>
</dt>
<dd>
<p>1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO oder Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO kommt nicht in Betracht. Denn der entsprechende Beschwerdevortrag der Kläger betrifft allesamt Rechtsfragen, die das Bundesverwaltungsgericht in dem Revisionsurteil vom 23. Februar 2005 - 6 C 2.04 - (BVerwGE 123, 49) beantwortet hat. Aus § 144 Abs. 6 VwGO folgt, dass das Bundesverwaltungsgericht in der vorliegenden Streitsache daran gehindert ist, seine damalige rechtliche Beurteilung aus Anlass der erneuten Befassung zu überdenken und zu ändern.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_11">11</a>
</dt>
<dd>
<p>a) Hebt das Bundesverwaltungsgericht ein Berufungsurteil auf und verweist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurück, hat dieses seiner erneuten Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde zu legen (§ 144 Abs. 6 VwGO). Gelangt die Sache nach Erlass des zweiten Berufungsurteils erneut in die Revisionsinstanz, ist das Bundesverwaltungsgericht an sein erstes Revisionsurteil in gleichem Umfang wie zuvor das Oberverwaltungsgericht gebunden. Diese Selbstbindung wird aus dem Zweck des § 144 Abs. 6 VwGO hergeleitet, der den Verfahrensbeteiligten Rechtssicherheit für die weitere Prozessführung geben und ein Hin- und Herschieben der Streitsache zwischen den Instanzen vermeiden soll. Die Selbstbindung entfällt, soweit das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung zu entscheidungstragenden rechtlichen Erwägungen des ersten Revisionsurteils geändert hat (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 6. Februar 1973 - GemS-OBG 1/72 - BVerwGE 41, 363 <367 ff.>). Allerdings darf es die Rechtsprechung nicht in derjenigen Streitsache ändern, mit der es erneut befasst wird, weil ein Verfahrensbeteiligter gegen das zweite Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts vorgeht (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1977 - 8 C 49.76 - BVerwGE 54, 116 <123 f.>; Beschluss vom 16. September 2011 - 8 B 32.11 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 79 Rn. 4; vgl. zum Ganzen Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Band II, Stand: Juni 2017, § 144 Rn. 130).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_12">12</a>
</dt>
<dd>
<p>b) Aufgrund dieser Selbstbindung des Bundesverwaltungsgerichts macht ein erneutes Revisionsverfahren in Bezug auf bereits beantwortete Rechtsfragen keinen Sinn. Ein Verstoß des Oberverwaltungsgerichts gegen die Bindungswirkung nach § 144 Abs. 6 VwGO stellt einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dar. Daher sind Rügen eines Verfahrensbeteiligten gegen Rechtsansichten des Oberverwaltungsgerichts, auf denen das zweite Berufungsurteil in der Streitsache beruht, ungeachtet der Bezeichnung als Grundsatz- oder Divergenzrügen als Verfahrensrügen im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auszulegen, wenn der Verfahrensbeteiligte in der Sache geltend macht, das Oberverwaltungsgericht habe die Bindungswirkung nach § 144 Abs. 6 VwGO nicht beachtet (BVerwG, Beschlüsse vom 29. Juni 1977 - 5 B 88.76 - Buchholz § 132 VwGO Nr. 154 S. 30 f.; vom 17. März 1994 - 3 B 24.93 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 57 S. 1 und vom 21. August 1997 - 8 B 151.97 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 65 S. 8; stRspr).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_13">13</a>
</dt>
<dd>
<p>c) Die Bindung des Oberverwaltungsgerichts nach § 144 Abs. 6 VwGO - und damit die Selbstbindung des Bundesverwaltungsgerichts - erstreckt sich auf alle rechtlichen Gesichtspunkte, die die Revisionsentscheidung tragen. Dies sind zum einen diejenigen entscheidungstragenden Erwägungen, die das Bundesverwaltungsgericht abweichend vom Oberverwaltungsgericht beurteilt hat. Zum anderen werden rechtliche Erwägungen erfasst, die notwendige Voraussetzung für die unmittelbaren Aufhebungsgründe sind (BVerwG, Urteile vom 30. Mai 1973 - 8 C 159.72 - BVerwGE 42, 243 <246 f.> und vom 28. November 2012 - 8 C 21.11 - BVerwGE 145, 122 Rn. 22; Beschlüsse vom 21. August 1997 - 8 B 151.97 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 65 S. 8 und vom 4. Juli 2013 - 2 B 76.12 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 80 Rn. 9; stRspr). Die Bindung entfällt nur, soweit sich nach Erlass des Revisionsurteils die Sach- und Rechtslage ändert. Dies ist der Fall, wenn eine Rechtsnorm, die Gegenstand der bindenden rechtlichen Beurteilung ist, inhaltlich geändert wird oder außer Kraft tritt, oder sich der entscheidungserhebliche Streitstoff ändert (BVerwG, Urteile vom 30. Mai 1973 - 8 C 159.72 - BVerwGE 42, 243 <247> und vom 28. November 2012 - 8 C 21.11 - BVerwGE 145, 122 Rn. 23 ff.; Beschluss vom 27. Juli 2017 - 6 B 41.17 [ECLI:DE:BVerwG:2017:270717B6B41.17.0] - juris Rn. 26; stRspr).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_14">14</a>
</dt>
<dd>
<p>2. a) Nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 und 2 GG steht Religionsgemeinschaften ein verfassungsunmittelbarer Anspruch gegen den Schulträger zu, dass dieser an öffentlichen Schulen, die nicht bekenntnisfrei sind, einen ihren Glaubensinhalten entsprechenden Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach einrichtet. Der Begriff der Religionsgemeinschaft im Sinne von Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG ist gleichbedeutend mit dem Begriff der Religionsgesellschaft in Art. 136 ff. der Weimarer Reichsverfassung - WRV -, die nach Art. 140 GG Bestandteil des Grundgesetzes sind. Danach ist unter einer Religionsgemeinschaft ein Verband zu verstehen, der die Angehörigen eines religiösen Bekenntnisses oder verwandter Bekenntnisse zur allseitigen Erfüllung der durch das Bekenntnis gestellten Aufgaben zusammenfasst. Dies ist nach dem geistigen Gehalt und dem Erscheinungsbild des Verbandes zu beurteilen; dessen Behauptung, nach seinem Selbstverständnis eine Religionsgemeinschaft zu sein, reicht nicht aus (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2005 - 6 C 2.04 - BVerwGE 123, 49 <52 ff.> m.w.N.).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_15">15</a>
</dt>
<dd>
<p>b) Davon ausgehend hat das Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 23. Februar 2005 - 6 C 2.04 - (BVerwGE 123, 49) mit Bindungswirkung nach § 144 Abs. 6 VwGO Anforderungen entwickelt, die Dachverbände wie die Kläger, die zusammen mit selbständigen Untergliederungen in Form von fachorientierten Vereinigungen und örtlichen Kultusgemeinden einen mehrstufigen Verband bilden, erfüllen müssen, um als Teil des Gesamtverbandes eine Religionsgemeinschaft zu sein:</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_16">16</a>
</dt>
<dd>
<p>Erstens müssen die verschiedenen Stufen des Gesamtverbandes durch ein organisatorisches Band zusammengehalten werden, das vom Dachverband bis zu den Gläubigen in den Gemeinden reicht, in denen das religiöse Leben stattfindet. Diese Anforderung hat das Bundesverwaltungsgericht bei den Klägern als erfüllt angesehen. Zweitens müssen die Gemeinden, in denen das religiöse Leben der Gläubigen, insbesondere die Ausübung des Kults, stattfindet, prägenden Einfluss auf den Dachverband haben. Drittens muss der Dachverband für die Wahrnehmung von Aufgaben zuständig sein, die für die Identität der Religionsgemeinschaft wesentlich sind (identitätsstiftende Aufgaben). Dies können auf der Dachverbandsebene nur Leitungsaufgaben in Bezug auf die Pflege des religiösen Bekenntnisses sein. Soziale, kulturelle und wissenschaftliche Aufgaben reichen nicht aus, auch wenn sie auf der Grundlage des Bekenntnisses wahrgenommen werden. Die Bekenntnispflege betrifft Aussagen über Glaubensinhalte und -überzeugungen, z.B. die Auslegung der Heiligen Schriften, auf denen das Bekenntnis beruht, über die sich daraus ergebenden Verhaltensanforderungen für die Gläubigen sowie über die religiöse Bedeutung und Gestaltung der Kulthandlungen des Bekenntnisses.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_17">17</a>
</dt>
<dd>
<p>Die Wahrnehmung von Leitungsaufgaben in Bekenntnisfragen setzt voraus, dass bei dem Dachverband die theologische Kompetenz vorhanden ist, die erforderlich ist, um religiöse Fragen zu beantworten. Hierfür kann bei dem Dachverband ein organisatorisch selbständiges Gremium eingerichtet oder ein theologischer Leiter bestellt sein. Das Qualifikationsniveau für die theologische Kompetenz darf der Staat nicht vorgeben. Seine Festlegung wird von dem durch Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleisteten Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften umfasst. Es ist deren Sache zu bestimmen, welche Qualifikation sie nach ihrem Selbstverständnis für erforderlich halten.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_18">18</a>
</dt>
<dd>
<p>Hinzukommen muss, dass der Dachverband bzw. die zuständige Stelle oder Person bei der Erfüllung ihrer Aufgaben in Bezug auf die Bekenntnispflege Autorität genießen. Dies ist nur möglich, wenn ihre Erkenntnisse in religiösen Fragen reale Geltung für die in religiösen Angelegenheiten Verantwortlichen und für die Gläubigen haben, die dem religiösen Gesamtverband angehören. Hierfür müssen die Erkenntnisse diesem Personenkreis vermittelt werden. Werden sie den Verantwortlichen und den Gläubigen nicht zur Kenntnis gebracht, so müssen diese zumindest die Möglichkeit haben, sich auf einfache Weise zuverlässig Kenntnis zu verschaffen. Auch kann Autorität nur erlangt werden, wenn die Lehrtätigkeit nicht nur vereinzelt, sondern beständig in einem gewissen Umfang ausgeübt wird.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_19">19</a>
</dt>
<dd>
<p>Dagegen darf der Staat für die Annahme einer Religionsgemeinschaft nicht verlangen, dass die Erkenntnisse der theologisch kompetenten Stelle zu Glaubensinhalten und daraus abgeleiteten Verhaltensanforderungen verbindlich sind, d.h. von den religiös Verantwortlichen und den Gläubigen als verpflichtend anerkannt und auf der Grundlage des Bekenntnisses nicht in Frage gestellt werden. Es ist Bestandteil des vom Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 WRV erfassten Selbstverständnisses einer Religionsgemeinschaft, ob sie ein verbindliches Lehramt in Fragen des Bekenntnisses für geboten hält. Daher ist Autorität jedenfalls dann gegeben, wenn die Lehrmeinungen in Glaubensfragen respektiert werden. Die Erkenntnisse müssen jedenfalls ein solches Gewicht haben, dass sich die religiös Verantwortlichen und die Gläubigen daran orientieren. Diese müssen ihre Glaubensüberzeugungen und ihr dadurch motiviertes Verhalten an den Erkenntnissen ausrichten oder zumindest auf deren Grundlage ernsthaft überdenken.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_20">20</a>
</dt>
<dd>
<p>Schließlich hat das Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 23. Februar 2005 - 6 C 2.04 - (BVerwGE 123, 49) bindend entschieden, dass Religionsgemeinschaften ein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Einrichtung eines ihren Glaubensinhalten entsprechenden Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen nur zusteht, wenn sie Gewähr dafür bieten, Grundlagen der Verfassungsordnung des Grundgesetzes wie die Grundrechte, insbesondere die Religionsfreiheit oder die freiheitliche Ausrichtung des Staatskirchenrechts nicht zu gefährden.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_21">21</a>
</dt>
<dd>
<p>3. Die Kläger haben nach § 133 Abs. 3 VwGO hinreichend dargelegt, dass das Oberverwaltungsgericht in dem angefochtenen Berufungsurteil die nach § 144 Abs. 6 VwGO bindenden Anforderungen nicht hinreichend beachtet hat.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_22">22</a>
</dt>
<dd>
<p>a) Das Oberverwaltungsgericht hat den geltend gemachten Anspruch beider Kläger mit der Erwägung verneint, dass sie in Lehrfragen keine Autorität mit realer Geltung bis in die Moscheegemeinden wahrnähmen. Diesen Schluss hat das Gericht darauf gestützt, die Angaben der Kläger ließen nicht erkennen, welchen Standpunkt sie in zentralen religiösen Konfliktfragen des Islam in Deutschland wie der "Vorrangfrage Grundgesetz - Scharia", der "Stellung der Frau" und der "religiösen Toleranz" verträten und wie sie in diesen Fragen Einfluss auf die Gläubigen nähmen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_23">23</a>
</dt>
<dd>
<p>Nach den Ausführungen unter 2. ist diese Begründung nicht geeignet, den vom Oberverwaltungsgericht gezogenen Schluss auf das Fehlen von Autorität der Kläger in Lehrfragen zu tragen. Aufgrund der Bindung nach § 144 Abs. 6 VwGO hätte das Oberverwaltungsgericht zur Beurteilung der Lehrautorität feststellen müssen, ob und in welchem Umfang die bei den Klägern für religiöse Fragen eingerichteten Stellen, d.h. der islamische Gelehrtenrat des Klägers zu 1 und der geistliche Leiter (Sheikh ul-Islam) des Klägers zu 2, Lehrmeinungen in Bezug auf Glaubensinhalte und sich daraus ergebende Verhaltensanforderungen in nennenswerter Zahl abgeben, ob die Verantwortlichen und Mitglieder der Moscheegemeinden von den Lehrmeinungen zuverlässig Kenntnis erlangen und ob sie sich daran orientieren. Demgegenüber hat das Oberverwaltungsgericht seine Auffassung entscheidungstragend auf Gesichtspunkte gestützt, die nicht Glaubensinhalte, sondern die Respektierung der Verfassungsordnung des Grundgesetzes durch die Kläger betreffen. Nach den Ausführungen unter 2. kommt es für den Erfolg der Klagen auf diese Gesichtspunkte erst an, wenn feststehen sollte, dass die Kläger Religionsgemeinschaften sind.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_24">24</a>
</dt>
<dd>
<p>b) Auch die nur den Anspruch des Klägers zu 1 betreffende Erwägung des Oberverwaltungsgerichts, diesem fehle die Autorität in Lehrfragen, weil die Äußerungen seines islamischen Gelehrtenrats nicht verbindlich seien, verstößt gegen § 144 Abs. 6 VwGO. Nach den bindenden Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts setzt Autorität nicht voraus, dass die Religionsgemeinschaft ein verbindliches Lehramt in Glaubensfragen eingerichtet hat, dessen Aussagen die religiös Verantwortlichen und die Gläubigen als verpflichtend anerkennen und auf der Grundlage des Bekenntnisses nicht in Frage stellen.</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_25">25</a>
</dt>
<dd>
<p>4. In Bezug auf die Gehörs- und Aufklärungsrügen der Kläger sieht der Senat von einer Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).</p>
</dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt>
<a name="rd_26">26</a>
</dt>
<dd>
<p>Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG (2 x 5 000 €).</p>
</dd>
</dl>
</div>
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142,314 | ovgnrw-2018-12-20-4-a-376318a | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 4 A 3763/18.A | 2018-12-20T00:00:00 | 2019-01-08T23:47:06 | 2019-02-12T13:10:42 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2018:1220.4A3763.18A.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Beschluss des Senats vom 18.12.2018 – 4 A 3763/18.A – wird wegen offensichtlicher Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung berichtigt.</p>
<p>Unter vollständiger Ersetzung des letzten Satzes des Beschlusses wird die Rechtsmittelbelehrung wie folgt neu gefasst:</p>
<p><span style="text-decoration:underline">„Rechtsmittelbelehrung</span></p>
<p>Das Antragsverfahren wird als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.</p>
<p>Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) einzureichen; sie muss einen bestimmten Antrag sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten.</p>
<p>Im Berufungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Begründung der Berufung. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.“</p><br style="clear:both">
<h1> </h1>
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss des Senats vom 18.12.2018 – 4 A 3763/18.A ‒ ist gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 122 Abs. 1, 118 Abs. 1 VwGO in der aus dem Tenor ersichtlichen Weise zu berichtigen.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten sind nach § 118 Abs. 1 VwGO jederzeit vom Gericht zu berichtigen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die im letzten Satz enthaltene Belehrung über die Unanfechtbarkeit des Beschlusses ist offenbar unrichtig. Es ist anerkannt, dass eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung durch das Gericht jederzeit berichtigt werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 2.4.1987 ‒ 5 C 67.84 ‒, BVerwGE 77, 181 = juris, Rn. 14; BAG, Beschluss vom 13.4.2005 – 5 AZB 76/04 –, NJW 2005, 2251 = juris, Rn. 15; BFH, Urteil vom 17.7.2013 ‒ X R 37/10 ‒, juris, Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 21.12.2010 ‒ 1 A 1993/09 ‒, juris, Rn. 33; Kilian/Hissnauer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 118 Rn. 24.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.</p>
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142,313 | ovgnrw-2018-12-20-18-b-108317 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
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"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
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} | 18 B 1083/17 | 2018-12-20T00:00:00 | 2019-01-08T23:47:04 | 2019-02-12T13:10:41 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:2018:1220.18B1083.17.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>
<p>Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.</p>
<p>Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- EUR festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Soweit das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich Ziff. 1 der Ordnungsverfügung (rückwirkende Rücknahme von Aufenthaltserlaubnissen ohne Anordnung des Sofortvollzugs) als unzulässig und darüber hinaus auch unbegründet abgelehnt hat, wird dies durch das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin nicht in Frage gestellt. Ebenso wenig wird die Auffassung des Verwaltungsgerichts angegriffen, der auf § 80 Abs. 5 VwGO gestützte Antrag hinsichtlich der unter Ziff. 2 der Ordnungsverfügung erfolgten Versagung der Aufenthaltserlaubnisse nach §§ 16 Abs. 1, Abs. 4 und § 21 Abs. 5 AufenthG sei unzulässig. Insoweit hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Verlängerungsantrag habe aufgrund der nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG wirksamen Rücknahme kein Fiktionsrecht mehr ausgelöst, denn er sei nicht mehr vor Ablauf eines noch wirksamen Aufenthaltstitels gestellt worden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Vgl. in diesem Sinne auch Sächs.OVG, Beschluss vom 18. November 2013 - 3 B 331/13 -, juris Rn. 5</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Aus gegebenem Anlass ist aber die Systematik des vorläufigen Rechtsschutzes in der vorliegenden Konstellation klarzustellen, in der in einer Ordnungsverfügung sowohl die zuvor erteilten Aufenthaltserlaubnisse (ohne Anordnung des Sofortvollzuges) mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden sind als auch der Antrag auf Verlängerung/Neuerteilung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Hat ein Antrag auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis - wie hier - die Fortbestandsfiktion gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG ausgelöst, so kann hier letztlich offenbleiben, ob diese nachträglich dadurch erlischt, dass die Ausländerbehörde nach dem Eintritt der Fiktionswirkungen die zuvor erteilten und mittlerweile abgelaufenen Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 48 VwVfG NRW mit Wirkung für einen vor der Stellung des Verlängerungsantrags liegenden Zeitpunkt zurücknimmt.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die entsprechende Anwendung der Erlöschenstatbestände des § 51 Abs. 1 AufenthG auf die Fortbestandsfiktion wird grundsätzlich befürwortet: Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2013 - 1 C 13.12 -, juris Rn. 35 (in der Konstellation einer bestandskräftigen Ausweisung); OVG Hamburg, Beschluss vom 18. Januar 1995 - Bs V 262/94 -, juris Rn. 3: bei nachträglicher Ausweisung erlischt Fiktionsrecht analog § 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG 1990 - in diesem Sinne zum Fiktionsrecht des § 21 Abs. 3 AuslG 1965 auch BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 1978 - 1 ER 301/78 -, juris Rn. 6 (für den Fall des § 9 Abs. 1 Nr. 3 AuslG 1965 - Verlassen des Bundesgebiets aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund); Benassi, Rechtsfolgen der Beantragung eines Aufenthaltstitels, InfAuslR 2006, 178 ff.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Unabhängig davon, ob das Fiktionsrecht erlischt, ist nämlich - wird hinsichtlich der Rücknahme die sofortige Vollziehung nicht angeordnet - jedenfalls ein Rechtsschutzantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Ablehnung des Antrags auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels zulässig. Denn erst durch diese Ablehnung wird gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht begründet, deren Beseitigung der Aussetzungsantrag dient. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Sollte das einmal begründete Fiktionsrecht aufgrund eines nachträglich erlassenen, nicht vollziehbaren Verwaltungsaktes erlöschen, so hätte dies jedenfalls noch nicht die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht des Ausländers gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG zur Folge. Zwar wäre der Wortlaut dieser Regelung erfüllt, weil der Aufenthaltstitel trotz erfolgter Antragstellung nicht (mehr) nach § 81 Abs. 4 AufenthG als fortbestehend gälte. Nach seinem Sinn ist § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG in dieser Konstellation aber nicht anwendbar. § 58 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 AufenthG betreffen Fälle, in denen die Vollziehbarkeit der gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG bestehenden Ausreisepflicht unmittelbar kraft Gesetzes eintritt. Wird ein Ausländer hingegen durch die Versagung des Aufenthaltstitels oder durch einen sonstigen Verwaltungsakt gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig, so tritt nach § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht erst mit der Vollziehbarkeit der Versagung des Aufenthaltstitels bzw. des sonstigen Verwaltungsaktes ein.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Vgl. Hailbronner, Ausländerrecht (Stand: November 2018), § 58 Rn. 13 ff.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Gegen eine Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht schon infolge - wie hier - nachträglicher nicht für sofort vollziehbar erklärter Rücknahme spricht über die oben genannten Gründe hinaus auch die Gesetzessystematik. Die Annahme einer Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG hätte konsequenterweise eine mit § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG und Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbarende Folge: Der Ausländer wäre allein aufgrund der - nicht einmal für sofort vollziehbar erklärten - Rücknahme (vgl. § 84 Abs. 2 AufenthG) vollziehbar ausreisepflichtig, weil trotz erfolgter Antragstellung kein Fiktionsrecht mehr bestünde.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Unklar Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, § 81 Rn. 91.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Dies widerspricht zunächst § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Danach lassen Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung (lediglich) die Wirksamkeit einer Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes (wie der Rücknahme) unberührt, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet. Hierdurch wird jedoch im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes die Vollziehbarkeit dieser Verwaltungsakte gerade nicht begründet. Sie bedarf in jedem Falle einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage (vgl. etwa § 84 Abs. 1 AufenthG) oder einer behördlichen Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 4 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Vgl. etwa Jacob, Ausländerrechtliche Eilverfahren - Ein Überblick, VBlBW 2008, 418, 426.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Eine vollziehbare Ausreisepflicht infolge einer nicht für sofort vollziehbar erklärten Rücknahme stünde überdies im Widerspruch zu Art. 19 Abs. 4 GG, weil eine wirksame gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nicht ersichtlich ist.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Im Hinblick auf zukünftige ähnliche Verfahren sei noch angemerkt: Wäre in der vorgenannten Konstellation hinsichtlich der Rücknahme die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolgt (und sollte dadurch das Fiktionsrecht nachträglich erlöschen), so wäre der Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO sowohl gegen die Rücknahme als auch gegen die Versagung des Aufenthaltstitels gegeben. Zwar würde der Ausländer dann nicht nur durch die Versagungsentscheidung sondern auch durch die Rücknahme vollziehbar ausreisepflichtig. Im Falle der durch mehrere Verwaltungsakte je selbständig begründeten Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO aber grundsätzlich gegen jede der vollziehbarkeitsbegründenden Maßnahmen statthaft.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die vorliegende Beschwerde ist aber auch ausgehend von der Statthaftigkeit des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der Ablehnung der Verlängerung/Neuerteilung der Aufenthaltserlaubnis unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin wendet sich insoweit der Sache nach gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, sie habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage der §§ 16 Abs. 1, 16 Abs. 4 oder 21 Abs. 5 AufenthG. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Ausübung einer Erwerbstätigkeit stehe das Zweckwechselverbot des § 16 Abs. 2 AufenthG entgegen, ohne dass Anhaltspunkte für eine Ausnahme von diesem allgemeinen Regelversagungsgrund dargelegt oder ersichtlich seien. Die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 oder Abs. 4 AufenthG komme aufgrund der Exmatrikulation bzw. des nicht bestandenen Examens nicht in Betracht. Auf die Begründung zu Ziffer 2. der streitigen Ordnungsverfügung hat das Verwaltungsgericht insoweit Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die dagegen von der Beschwerde erhobenen Einwände haben indes keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Das Zweckwechselverbot des § 16 Abs. 4 AufenthG steht der Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis entgegen. Nach - der allein in Betracht kommenden Alternative des - § 16 Abs. 4 Satz 2 2. Alt. AufenthG darf eine Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen als dem in § 16 Abs. 1 AufenthG genannten Zweck nur erteilt oder verlängert werden, wenn ein gesetzlicher Anspruch besteht.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Ein „Anspruch“ im Sinne dieser Norm ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein strikter Rechtsanspruch, der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Ein solcher Rechtsanspruch setzt voraus, dass alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, weil nur dann der Gesetzgeber selbst eine Entscheidung über das zu erteilende Aufenthaltsrecht getroffen hat.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. November 2016 - 18 B 1364/16 - zu § 16 Abs. 2 a.F.; BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2015 - 1 C 31.14 -, InfAuslR 2016, 133 und vom 10. Dezember 2014 - 1 C 15.14 ‑, InfAuslR 2015, 135 jew. m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Zutreffend hat die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid ausgeführt, dass die Entscheidung nach § 21 Abs. 5 AufenthG in ihrem Ermessen steht.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der sinngemäße Hinweis der Antragstellerin, eine Anwendung des § 16 Abs. 4 AufenthG scheide schon deshalb aus, weil sie unmittelbar vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 21 Abs. 5 in Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 1 AufenthG gewesen sei, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Dies folgt schon daraus, dass auch diese Aufenthaltserlaubnis nach den von der Antragstellerin mit ihrem Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Frage gestellten Ausführungen des Verwaltungsgerichts mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Gründe für eine rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit der Ausreise im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG macht die Antragstellerin auch mit ihrem weiteren Beschwerdevorbringen nicht glaubhaft.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss ist unanfechtbar.</p>
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