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---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
114,430 | olgk-1999-09-27-10-uf-4499 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
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"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 10 UF 44/99 | 1999-09-27T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:43 | 2019-02-12T08:36:07 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0927.10UF44.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Aachen vom 05.01.1999 - 21 F 172/97 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Dem Antragsgegner wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die Beschwerde bewilligt. Es werden monatliche Raten von
60,00 DM, beginnend ab 01.11.1999, angeordnet.
Der Antragstellerin wird Prozeßkostenhilfe für das Beschwerdeverfahren mangels Erfolgsaussicht der Beschwerde nicht bewilligt.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>G r ü n d e :</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die 1958 geborene Antragstellerin und der 1936 geborene
Antragsgegner haben am 04.06.1974 in Marokko geheiratet. Aus der
Ehe ist die am 04.01.1978 geborene Tochter N. hervorgegangen. Der
Antragsgegner besitzt die marokkanische Staatsangehörigkeit, die
Antragstellerin, die ebenfalls marokkanische Staatsangehörige war,
hat inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Ehe wurde, nachdem sich die Parteien im Februar 1982
getrennt hatten, durch Verstoßungserklärung des Antragsgegners vor
dem Königlich Marokkanischen Generalkonsulat in D. am 07.04.1982
geschieden. Der Antragsgegner ist danach eine neue Ehe eingegangen,
aus der zwei weitere 1986 bzw. 1990 geborene Kinder hervorgegangen
sind. Nachdem die Antragstellerin, die ebenfalls eine neue Ehe
eingehen wollte, im Jahre 1997 versucht hatte, die Anerkennung der
Scheidung vom 07.04.1982 zu erreichen, und das Oberlandesgericht
Düsseldorf diesem Antrag nicht entsprochen hatte - Schreiben vom
26.03.1997 -, hat sie im vorliegenden Verfahren Scheidungsklage
erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat die Ehe der Parteien durch Urteil vom
29.05.1998 geschieden und das Verfahren betreffend den
Versorgungsausgleich abgetrennt. Die Antragstellerin erwarb während
der Ehezeit - 01.06.1974 bis 31.07.1997 - Rentenanwartschaften bei
der BfA in Höhe von 352,37 DM monatlich, der Antragsgegner bei der
Bundesknappschaft in Höhe von 1.863,40 DM monatlich. Das
Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich auf die von den Parteien
in der Zeit vom 01.06.1974 bis zur Scheidung vom 07.04.1982
erworbenen Rentenanwartschaften beschränkt. Die in dieser Zeit von
der Antragstellerin erworbenen Rentenanwartschaften belaufen sich
auf 48,49 DM, die des Antragsgegners auf 729,37 DM, woraus sich zu
Gunsten der Antragstellerin zu übertragende Anwartschaften in Höhe
von 340,44 DM (729,37 DM abzüglich 48,49 DM = 680,88 DM : 2)
errechnen. Den Ausgleich der in der Zeit nach dem 07.04.1982 von
den Parteien erworbenen Anwartschaften hat das Amtsgericht gem. §
1587 c BGB im Hinblick auf die frühere Ehescheidung nicht
vorgenommen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde.
Sie begehrt eine uneingeschränkte Durchführung des
Versorgungsausgleichs im Wesentlichen mit der Begründung, sie habe
sich gegen die vom Antragsgegner herbeigeführte Scheidung vom
07.04.1982 nicht zur Wehr setzen können. Zudem habe der
Antragsgegner keinerlei Ehegattenunterhalt nach der Scheidung
gezahlt, obwohl sie die seinerzeit erst 4 Jahre alte Tochter
versorgt habe.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich zu Recht gem. §
1587 c Ziff. 1 BGB teilweise ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung
findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die
Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre. Diese
Voraussetzungen liegen im Streitfall vor, da die Ehe der Parteien
durch die Scheidung vom 07.04.1982 jedenfalls faktisch mit der
Folge beendet wurde, dass die danach von den Parteien erworbenen
Anwartschaften nicht mehr aus einer den Versorgungsausgleich
rechtfertigenden ehelichen Lebens- und Versorgungsgemeinschaft
resultieren (vgl. BGH FamRZ 84, 467, 469). Auch wenn die Scheidung
vom 07.04.1982 aufgrund einer Verstoßungserklärung durch den
Antragsgegner erfolgte und selbst wenn sich die Antragstellerin,
wie sie in der Beschwerde vorträgt, hiergegen nicht hat wehren
können, ändert dies nichts daran, dass beide Parteien von einer
Auflösung der Ehe zum damaligen Zeitpunkt ausgegangen sind und ihre
Lebens- und Versorgungsgemeinschaft von diesem Zeitpunkt an beendet
war. Die Parteien haben seinerzeit einverständlich die
Scheidungsfolgen geregelt. Die Antragstellerin sollte eine
Scheidungsabfindung von 1.500,00 DM erhalten. Der Antragsgegner
verpflichtete sich, für die Tochter der Parteien Unterhalt in Höhe
von 200,00 DM monatlich zu zahlen. Dieser Regelung hat die
Antratgstellerin ausweislich der Scheidungsurkunde ausdrücklich
zugestimmt. Aus der Sicht des Antragsgegners erfolgte die Scheidung
wirksam, anderenfalls wäre er nicht anschließend eine neue Ehe
eingegangen, aus der zwei weitere Kinder hervorgegangen sind.
Letztlich muss aber auch die Antragstellerin von einer endgültigen
Auflösung der Ehe ausgegangen sein. Dies ergibt sich zum einen
daraus, dass sie beantragt hat, die Wirksamkeit der Scheidung
anzuerkennen. Darüber hinaus hat sie in ihrem Scheidungsbegehren im
vorliegenden Verfahren ausdrücklich vorgetragen, sie sei von der
Wirksamkeit der Scheidung ausgegangen. War danach auch in der
Vorstellung der Antragstellerin die Ehe vor dem Generalkonsulat
endgültig aufgelöst worden, konnte sie nicht erwarten, noch an
Rentenanwartschaften zu partizipieren, die der Antragsgegner später
erwarb.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Einbeziehung der nach diesem Zeitpunkt erworbenen
Rentenanwartschaften ist auch nicht im Hinblick darauf
gerechtfertigt, dass der Antragsgegner für die Antragstellerin
keinen Ehegattenunterhalt gezahlt hat, obwohl diese im Hinblick auf
die Versorgung der 4 jährigen Tochter damals nicht verpflichtet
war, einer Berufstätigkeit nachzugehen. Selbst wenn die
Antragstellerin in der im Scheidungstermin vereinbarten Abfindung
keinen ausreichenden Ausgleich der durch die Ehe begründeten
Ansprüche gesehen haben sollte, ist zu berücksichtigen, daß sie in
der Folgezeit keine Unterhaltsansprüche gegenüber dem Antragsgegner
geltend gemacht hat. Hierauf konnte sich dieser in seiner weiteren
Lebensgestaltung einrichten. Bei dieser Sachlage wäre es unbillig,
wenn die Antragstellerin aufgrund von Übertragung zusätzlicher
Rentenanwartschaften aus dieser Zeit einen Ausgleich für
entgangenen Unterhalt erhielte.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:30px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:40px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:50px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:60px">Beschwerdewert: 4.980,96 DM (755,52 DM
abzüglich 340,44 DM = 415,08 DM x 12)</p>
|
114,433 | olgham-1999-09-24-20-w-1099 | {
"id": 821,
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"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 W 10/99 | 1999-09-24T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:44 | 2019-02-14T10:24:53 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0924.20W10.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klage hat zum überwiegenden Teil Aussicht auf Erfolg i.S.v. §114 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin als Versicherungsnehmerin nimmt den Beklagten aus einer vorläufigen Deckungszusage in Anspruch, die der Beklagte ihr anläßlich eines Antrags auf Abschluß einer Lebensversicherung vom 12.9.1996 betreffend den wenig später am 23.9.1996 und noch vor einer Entscheidung des Beklagten über die Annahme des Versicherungsantrags verstorbenen Versicherten Hoezen erteilte. Eine Risikoprüfung fand vor Erteilung der vorläufigen Deckungszusage nicht statt. Der Beklagte erteilt diese ohne weiteres aufgrund eines als "Nr. 15" unter das Unterschriftsfeld in das Antragsformular aufgenommenen Zusatzes. Dieser lautet:</p>
<br /><span class="absatzRechts">4</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><b><i>15. Vorläufiger Versicherungsschutz</i></b>
<i>Aufgrund des gestellten Antrags besteht Versicherungsschutz entsprechend den "Allgemeinen Bedingungen für den vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung".</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die genannten Bedingungen lauten auszugsweise:</p>
<br /><span class="absatzRechts">6</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><b><i>§1 Was ist versichert?</i></b>
(1)
Der vorläufige Versicherungsschutz erstreckt sich auf die für den Todesfall beantragten Leistungen
(2)
...
<i>...</i>
<b><i>§3 Wann beginnt und endet der vorläufige Versicherungsschutz?</i></b>
(1)
Der vorläufige Versicherungsschutz beginnt mit dem Tag, an dem Ihr Antrag bei uns eingeht.
(2)
...
<b><i>§4 In welchen Fällen ist der vorläufige Versicherungsschutz ausgeschlossen?</i></b>
(1)
Unsere Leistungspflicht ist ausgeschlossen für Versicherungsfälle aufgrund von Ursachen, die vor Unterzeichnung des Antrags erkennbar geworden sind, auch wenn diese im Antrag angegeben wurden.
(2)
...
<b><i>§5 Was kostet Sie der vorläufige Versicherungsschutz?</i></b>
<i>Für den vorläufigen Versicherungsschutz erheben wir zwar keinen besonderen Beitrag; erbringen wir aber Leistungen aufgrund des vorläufigen Versicherungsschutzes, so behalten wir ein Entgelt ein. Das Entgelt entspricht dem Beitrag für das erste Versicherungsjahr des beantragten Versicherungsvertrages. Bei Einmalbeitragsversicherungen ist dies der einmalige Beitrag. Wir berechnen Ihnen jedoch nicht mehr als den Tarifbeitrag für die Höchstsumme und -rente gemäß §1 Absatz 4. Bereits gezahlte Beiträge rechnen wir an.</i>
<b><i>§6 Wie ist das Verhältnis zur beantragten Versicherung und wer erhält die Leistungen aus dem vorläufigen Versicherungsschutz?</i></b>
(1)
Soweit in diesen Bedingungen nichts anderes bestimmt ist, gelten die Allgemeinen Bedingungen für die beantragte Versicherung einschließlich derjenigen für mitbeantragte Zusatzversicherungen. Dies gilt insbesondere für die dort enthaltenen Einschränkungen und Ausschlüsse.
(2)
Ein im Antrag festgelegtes Bezugsrecht gilt auch für die Leistungen aus dem vorläufigen Versicherungsschutz.</td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat die Leistung aus der vorläufigen Deckungszusage mit der Begründung verweigert, der Versicherte sei an Herzversagen verstorben. Er sei aber bereits in den Monaten März und April 1996 wegen Herzbeschwerden (dilatativer Kardiomyopathie) fachärztlich behandelt worden. Die Todesursache sei bei Antragstellung am 12.9.1996 deshalb bereits erkennbar gewesen, so daß gem. §4 Abs. 1 der Bedingungen Leistungsfreiheit bestehe. Außerdem habe der Versicherte im Antragsformular diese Behandlungen trotz einer entsprechenden Frage verschwiegen und die Frage nach u.a. Herzbeschwerden wahrheitswidrig mit "nein" beantwortet. Deshalb trete sie von der beantragten Versicherung zurück.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin zieht den "Herztod" und einen Zusammenhang zwischen der unmittelbaren Todesursache und den Herzbeschwerden, deretwegen der Versicherte behandelt worden sei, in Zweifel. Für die darauf gestützte Klage hat sie die Gewährung von Prozeßkostenhilfe beantragt. Den Antrag hat das Landgericht mit näherer Begründung abgelehnt, weil der Beklagte gem. §4 Abs. 1 der AVB für die vorläufige Deckung leistungsfrei sei.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die dagegen gerichtete Beschwerde der Klägerin ist begründet. Die Klage hat aus der erteilten vorläufigen Deckungszusage Aussicht auf Erfolg. Es ist dies ein vom Schicksal des angestrebten Hauptvertrages unabhängiges, selbständig zu beurteilendes Vertragsverhältnis (BGH VersR 96, 743; Senat, VersR 92, 995). Allerdings kommt dabei der Frage, woran der Versicherte verstorben ist, hier keine streitentscheidende Bedeutung zu. Denn §4 Abs. 1 der AVB, wofür diese Umstände von Bedeutung wären und der hier zur Leistungsfreiheit führen soll, ist wegen Verstoßes gegen §9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Nach §4 Abs. 1 der AVB sollen Todesfälle aufgrund von Ursachen, die vor Unterzeichnung des Antrags erkennbar geworden sind, in jedem Fall vom Versicherungsschutz ausgenommen werden, auch dann wenn sie im Antrag angegeben werden.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind AVB so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sachzusammenhangs verstehen muß (BGH VersR 96, 743; 93, 957 (958)). Nach dem Wortlaut der Bestimmung sollen hier "Ursachen" für den Eintritt des Versicherungsfalls vom Versicherungsschutz ausgenommen werden, die bei Antragsunterzeichnung "erkennbar" waren.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Es ist danach bedeutungslos, ob es sich um einen gefahrerheblichen Umstand handelt, denn der Wortlaut der Bestimmung differenziert nicht danach, sondern schließt alle möglichen Ursachen, bekannt oder unbekannt, für den späteren Eintritt des Versicherungsfalls aus, unabhängig davon also, ob der Versicherer, hätte er diese Ursache gekannt und eine Risikoprüfung nach Maßgabe seiner Risikoprüfungsgrundsätze vorgenommen, dies zum Anlaß genommen hätte, den Antrag abzulehnen. Für eine etwaige Absicht, die Bestimmung so verstanden zu wissen, daß es sich nur um gefahrerhebliche Ursachen handeln solle, spricht nichts. In der Bestimmung selbst findet sich darauf kein Hinweis, und zwar auch nicht in dem Nachsatz, wonach Leistungsfreiheit unabhängig davon eintrete, ob die Ursache angegeben worden sei. Dieser bestätigt eher den Ausschluß auch nicht gefahrerheblicher Umstände. Denn durch die Hervorhebung sollen zwar insbesondere angegebene Ursachen ausgeschlossen werden, hinsichtlich derer eine Risikoprüfung hätte stattfinden können. Erfaßt werden aber auch Umstände, die dabei möglicherweise nicht zur Ablehnung geführt hätten.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Eine Risikoüberprüfung nach Maßgabe der §§16 ff VVG soll nach den vorliegenden, weitgehend den Musterbedingungen entsprechenden AVB nicht stattfinden. An deren Stelle soll die Bestimmung des §4 AVB im Wege einer ex-post-Betrachtung das Risiko begrenzen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Eine die gesetzlich vorgesehene Risikoprüfung gem. §§16 ff VVG ersetzende Bestimmung ist aber am gesetzlichen Leitbild zu messen. Bei der Frage, ob eine Abweichung davon unangemessen i.S.v. §9 AGBG ist, ist indessen die besondere Interessenlage zu berücksichtigen. Das gilt auch im Rahmen von §34 a VVG, weil dort Vor- und Nachteile gegenüberzustellen sind bei der Prüfung der Frage, ob die Abweichung von der Regelung der §§16 ff VVG letztlich nachteilig ist.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">a.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Bei der vorläufigen Deckung bei einer Lebensversicherung handelt es sich um einen Vertrag, der nur für eine kurze Zeit gelten soll. Für eine vorherige umfassende Risikoprüfung ist regelmäßig kaum Zeit. Durch die vorläufige Deckung soll unentgeltlich und deshalb allein den Interessen des Versicherten zugutekommend bis zum Zustandekommen des endgültigen Vertrages Versicherungsschutz gewährt werden, wobei dessen Umfang anstelle der für den Hauptvertrag noch ausstehenden Risikoprüfung vorläufig durch eine AVB-Bestimmung geregelt werden soll.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Insoweit hat ein Versicherer ein berechtigtes Interesse daran, nicht schlechter zu stehen, als er nach einer ordnungsgemäßen Risikoprüfung stände. Bedingungen, die entsprechend den sonst angelegten Risikoprüfungsmaßstäben durch den Ausschluß gewisser sich verwirklichender Risiken genau dies erreichen und dabei den endgültigen Vertragsschluß nicht über die für eine ordnungsgemäße Risikoprüfung erforderliche Zeit hinausschieben, sind deswegen keine unangemessenen oder nachteiligen Abweichungen von den §§16 ff VVG und deshalb zulässig. Zumal eine Ablehnung eines Versicherungsantrags auf dem Versicherungsnehmer unbekannte, erst bei einer Risikoprüfung zutagegetretene Umstände gestützt werden kann, erscheint es deswegen auch nicht unangemessen, unabhängig von einer Kenntnis des Antragstellers und seiner Angaben im Antrag auf Umstände abzustellen, die bei einer Risikoprüfung zutagegetreten wären. Das gilt jedenfalls dann, wenn es nur um den unentgeltlichen vorläufigen Deckungsschutz und nicht um den endgültigen Vertrag geht. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende von einem vom BGH zur Reisekrankenversicherung entschiedenen Fall (VersR 94, 545), so daß die dort dargelegten Kriterien hier nicht passen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">b.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Mit ihren AVB geht die Beklagte über ihre hier berechtigten Interessen, im Ergebnis so gestellt werden, als hätte sie eine ordnungsgemäße Risikoprüfung vorgenommen, dabei die spätere Ursache des Versicherungsfalls als risikoerhöhend erkannt und deshalb das Risiko gar nicht erst oder nur eingeschränkt übernommen, aber hinaus, weil sie nämlich alle und damit nicht nur die nach ihren Risikoprüfungsgrundsätzen gefahrerheblichen Umstände vom Versicherungsschutz ausnimmt, sobald irgendjemand in der Lage gewesen wäre, ihr Vorliegen bereits bei Antragstellung zu erkennen. Neben den bei einer etwaigen Risikoprüfung möglicherweise verkannten wirklich gefahrerheblichen Umständen sind damit vor allem ausgeschlossen die als nicht risikoerhöhend geltenden Erkrankungen oder Beschwerden sowie Bagatellerkrankungen oder Umstände, die dann aber entarten oder sonst tödliche Erkrankungen nach sich ziehen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">In der Praxis bedeutet dies, daß trotz scheinbar weitergehenden Versicherungsschutzes dieser praktisch nur bei unfallbedingten Versicherungsfällen besteht, wie es in den ab 1977 geltenden Musterbedingungen vorgesehen war (vergl. dazu Brück-Möller/Winter, Anm. C 107). Der Versicherungsschutz ist daher - abgesehen von unfallbedingten Versicherungsfällen - nicht nur unentgeltlich, sondern auch wertlos, insbesondere aber für den Versicherungsnehmer nicht absehbar. Das ist aber gerade mit dem hinter der gesetzlichen Regelung der §§16 ff VVG stehenden Grundgedanken nicht vereinbar. Der Versicherungsnehmer soll wissen, in welchem Umfang und zu welchen Bedingungen er Versicherungsschutz erhält (BGH a.a.O.; Senat, NVersZ 1999, 164).</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Das ist, anders als bei den 1977 genehmigten Musterbedingungen, bei dieser Formulierung der hier vorliegenden AVB nicht der Fall. §4 Abs. 1 der AVB weicht nach alledem zuungunsten des Versicherungsnehmers von §§16 ff VVG ab. Auf für den Versicherungsnehmer ungünstige Abweichungen von diesen halbzwingenden Vorschriften kann sich der Versicherer aber nicht berufen, §34 a VVG. Gleichzeitig liegen damit die Voraussetzungen des §9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG vor.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks"><b>3.</b></p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Nach dem vorstehenden ist der Ausschluß der Risikoprüfung gem. §§16 ff VVG in Verbindung mit dem Ausschluß des vorläufigen Rechtsschutzes in den genannten Fällen durch §4 der AVB unwirksam. Grundsätzlich kann deshalb der Versicherer auf die allgemeinen Vorschriften zurückgreifen. Im konkreten Fall führt dies aber zu keiner anderen Beurteilung, denn - abgesehen von der auch festzustellenden Verspätung - sowohl der Rücktritt als auch eine etwaige, hier allerdings nicht erfolgte Anfechtung des (auch vorläufigen) Vertrages setzen eine Kausalität, der Angaben des Versicherungsnehmers für die entsprechende Entscheidung voraus. Selbst wenn diese, hier, was naheliegt, bewußt falsch waren, würde dies dem Beklagten aber kein Rücktrittsrecht verschaffen, denn das setzte voraus, daß eine Riskoprüfung überhaupt stattgefunden hat. Das ist nach den Angaben des Beklagten aber nicht geschehen. Vielmehr ist die vorläufige Deckung "automatisch" erteilt worden. Das Verhalten des Antragstellers ist für die Entscheidung des Beklagten nach alledem nicht ursächlich geworden.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks"><b>4.</b></p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der Höhe nach hat die Klage nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nur in der im Tenor bezeichneten Höhe Aussicht auf Erfolg. Die Versicherungssumme beläuft sich auf 41.325,- DM; ob der Tarif eine höhere Summe vorsieht, ist nicht erkennbar. Hiervon ist gem. §5 der AVB der vereinbarte Beitrag für das erste Versicherungsjahr in Abzug zu bringen, bei Monatsraten von - soweit ersichtlich - 150,- DM mithin 1.800,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks"><b>5.</b></p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§97, 118 ZPO.</p>
|
114,434 | olgk-1999-09-24-16-wx-12999 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 16 Wx 129/99 | 1999-09-24T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:44 | 2019-02-12T08:36:08 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0924.16WX129.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Dem Beteiligten zu 1) wird für die Durchführung des Verfahrens über die weitere und sofortige weitere Beschwerde unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. in K. Prozeßkostenhilfe bewilligt.
Auf die weitere Beschwerde und die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 14. Juli 1999 - 3 T 292/97 - insoweit aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Aachen zurückverwiesen, als das Landgericht die Rechtsmittel zurückgewiesen hat.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahren bleibt dem Landgericht Aachen vorbehalten.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>G r ü n d e</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Rechtsmittel sind zulässig (§§ 27,29 Abs. 1, 2, 69 g Abs. 4
Satz 1 Nr. 1 FGG).</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">In der Sache führen sie zur teilweisen Aufhebung des
angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das
Landgericht, da die Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht frei
von Rechtsfehlern ist (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 550 ZPO). Es hätte
vor der Beschwerdeentscheidung zu Lasten des Betroffenen sowohl der
persönlichen Anhörung des Betroffenen als auch der Einholung eines
Sachverständigengutachtens bedurft.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Ob im Verfahren über die Aufhebung der Betreuung (§ 1908 d Abs.
1 BGB), für das § 69 i Abs. 3 FGG weder die persönliche Anhörung
des Betroffenen noch die Einholung eines Sachverständigengutachtens
vorschreibt, diese Maßnahmen dennoch im Rahmen der Amtsermittlung
nach § 12 FGG geboten waren, kann dahinstehen. Denn das Amtsgericht
hat in dem angefochtenen Beschluß nicht nur den Antrag des
Betroffenen auf Aufhebung der Betreuung zurückgewiesen sondern
zugleich die Bestellung des Betreuers verlängert. Im Verfahren über
die Verlängerung der Bestellung eines Betreuers gelten gemäß § 69 i
Abs. 6 Satz 1 FGG die Vorschriften über die erstmalige Bestellung
entsprechend, wonach sowohl die persönliche Anhörung des
Betroffenen zu erfolgen hat (§ 68 Abs. 1 FGG) als auch das
Gutachten eines Sachverständigen über die Notwendigkeit der
Betreuung einzuholen ist (§ 68 b Abs. 1 Satz 1 FGG). Für das
Beschwerdegericht gelten die Vorschriften über den ersten Rechtszug
entsprechend (§ 69 g Abs. 5 Satz 1 FGG). Von der Anhörung darf im
Beschwerdeverfahren ausnahmsweise nur dann abgesehen werden, wenn
die Anhörung bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden und von
einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten
sind (§ 69 g Abs. 5 Satz 3 FGG). Ein derartiger Ausnahmefall ist
vorliegend nicht gegeben. Im Hinblick darauf, daß die zeitlich
letzte Anhörung durch das Amtsgericht (31. Juli 1997) im Zeitpunkt
der Beschwerdeentscheidung (14. Juli 1999) nahezu zwei Jahre
zurücklag, gibt das protokollierte Ergebnis dieser Anhörung dem
Beschwerdegericht keine Grundlage für eine eigene zuverlässige
Beurteilung der für die Entscheidung maßgeblichen Umstände. Es war
deshalb eine erneute Anhörung in der Beschwerdeinstanz geboten,
damit sich das Landgericht einen persönlichen Eindruck von dem
Betroffenen sowie der Art und Entwicklung seiner Erkrankung
verschaffen konnte, um ein klares und umfassendes Bild von seiner
Persönlichkeit zu gewinnen. Das Landgericht war zudem gehalten, ein
weiteres Sachverständigengutachten über das Krankheitsbild des
Betroffenen einzuholen. Zwar kann das Beschwerdegericht seine
Entscheidung auf ein im ersten Rechtszug eingeholtes Gutachten
stützen (§ 69 g Abs. 5 Satz 4 FGG).</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Dies kommt vorliegend aber deshalb nicht in Betracht, weil im
Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung ein zeitnahes Gutachten, das
Erkenntnisse über den Gesundheitszustand des Betroffenen zuließe,
nicht vorlag. Das in erster Instanz vom Amtsgericht eingeholte
Gutachten wurde am 18. Juni 1997 erstellt, wobei hinzukommt, daß
der Gutachter den Betroffenen vor Erstattung des Gutachtens nicht
untersucht hat, seine Feststellungen vielmehr auf der letzten
ambulanten Untersuchung vom 20. Januar 1995 und dem weiteren
Akteninhalt beruhen. Im Hinblick auf die Möglichkeit einer
zwischenzeitlichen Veränderung des Krankheitsbildes war die
Einholung eines weiteren Sachverständigengutachten durch das
Beschwerdegericht zwingend geboten.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Auch im Verfahren über die Anordnung eines
Einwilligungsvorbehalts ist die persönliche Anhörung des
Betroffenen (§ 68 Abs. 1 Satz 1 FGG) sowie die Einholung eines
Gutachtens über die Notwendigkeit einer solchen Anordnung (§ 68 b
Abs. 2 i. V. m. § 68 b Abs. 1 Satz 1 FGG) vorgeschrieben. Auch hier
durfte das Beschwerdegericht aus den vorgenannten Gründen seine
Entscheidung weder auf die vom Amtsgericht protokollierte Anhörung
des Betroffenen noch auf das in der Vorinstanz eingeholte
Sachverständigengutachtens stützen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der angefochtene Beschluß war deshalb teilweise aufzuheben und
die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das
Landgericht zurückzuverweisen. Dabei weist der Senat darauf hin,
daß durch diese Entscheidung der amtsgerichtliche Beschluß vom 8.
August 1997 unbeeinflußt bleibt, so daß bis zur erneuten
Entscheidung des Beschwerdegerichts sowohl die angeordnete
Verlängerung der Betreuung als auch der angeordnete
Einwilligungsvorbehalt für den Aufgabenkreis Vermögenssorge Bestand
haben. Will der Betroffene eine für ihn günstige Entscheidung
erwirken, ist er gehalten, an der Aufklärung des Sachverhaltes
mitzuwirken. Es sollte sich deshalb weder der Anhörung durch das
Beschwerdegericht entziehen noch die Untersuchung durch einen
Sachverständigen verweigern.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Da die Rechtsverfolgung des Betroffenen hinreichende Aussicht
auf Erfolg bietet, war ihm für die Durchführung des
Rechtsbeschwerdeverfahrens Prozeßkostenhilfe zu bewilligen (§§ 14
FGG, 114 ZPO).</p>
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114,436 | lg-essen-1999-09-23-10-s-49198 | {
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"city": 417,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 10 S 491/98 | 1999-09-23T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:44 | 2019-01-18T16:07:04 | Urteil | ECLI:DE:LGE:1999:0923.10S491.98.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zulässig und begründet.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Nachzahlung des Mietzinses in Höhe von 2.079,--DM aus § 535 S. 2 BGB. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Diese war zur Einbehaltung im Wege der Minderung nicht berechtigt. Zwar sind Voraussetzung und Umfang der gesetzlich geregelten Mängelgewährleistung nicht davon abhängig, ob der Vermieter gegen einen Dritten, der den Mangel der Mietsache verursacht hat, einen Ausgleichs- oder Schadensersatzanspruch erlangt hat oder ob er ihn verwirklichen kann (vgl. dazu Bay ObLG, WuM 1987, 112 (113)). Allerdings ist die Beklagte für ihre Behauptung, dass das von ihr angemietete Haus mit einem den vertragsgemäßen Gebrauch erheblich beeinträchtigenden Mangel i. S. d. § 537 Abs. 1 S. 1 BGB behaftet ist, beweisfällig geblieben. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Eine Geruchsimmission durch die Zuführung von Küchengerüchen aus dem Haus des Streitverkündeten, die über das gemäß § 906 Abs. 1 BGB von der Beklagten zu duldende sozialverträgliche Maß hinausgeht, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erwiesen. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts steht nach Einholung des Gutachtens des Sachverständigen P nicht fest, dass eine Gebrauchsbeeinträchtigung durch Gerüche in einem Ausmaß vorliegt, die eine 30%-ige Minderung rechtfertigt. Der Sachverständige hat zu konkreten Beeinträchtigungen keinerlei Angaben gemacht, da zum Zeitpunkt der von ihm durchgeführten Ortsbesichtigung keine Küchengerüche austraten. Er hat lediglich theoretisch ausgeführt, dass es aufgrund der baulichen Gegebenheiten in dem von der Beklagten angemieteten Haus zu erheblichen Geruchsbelästigungen kommen <u>kann</u>. Zudem verhält sich das Gutachten (mangels entsprechender Beweisfrage) auch nicht darüber, ob die Gerüche auch in der Form, wie es die Beklagte vorträgt, in den Garten vordringen können, obwohl dies für die Höhe einer Minderungsquote von Bedeutung wäre. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Aber auch nach Vernehmung der Zeugen ist nicht bewiesen, dass die Nutzung des von der Beklagten angemieteten Hauses einschließlich des Gartens über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt wird. Zwar haben die Zeugen M, T. und H. Q. und X bekundet, dass sie sich von Kochdünsten, die aus dem Küchenabzug im Haus des Streitverkündeten dringen, zu den unterschiedlichsten Tageszeiten beim Aufenthalt in Haus und Garten belästigt fühlen. Sämtliche Zeugen haben hierzu ausgesagt, dass es sich um sehr intensive Kochgeruche verschiedenster Art handele. Der Zeuge T. Q. hat ergänzt, dass er teilweise Gerüche in einer Intensität wahrnehme, wie er sie normalerweise nur aus gewerblichen Küchen kenne. Nach Auffassung der Kammer reicht dies jedoch nicht aus, um eine Minderung zu rechtfertigen. Zwar mag es sein, dass aufgrund der baulichen Gegebenheiten auftretende Kochgerüche in größerer Intensität auf dem von der Beklagten angemieteten Grundstück auftreten und von den Bewohnern als Belästigung empfunden werden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme läßt sich aber nicht feststellen, dass es sich hierbei um eine durchgängige erhebliche Belästigung handelt. Vielmehr steht nach den Zeugenaussagen fest, dass es sich jedenfalls um einen, wenn auch nach ihrem Empfinden extremen, Kochgeruch, der bei der Zubereitung von Lebensmitteln entsteht, handelt. Dass Nachbarn zu den unterschiedlichsten Zeiten und jeweils nach ihrem Geschmack kochen, ist jedoch grundsätzlich zu dulden, auch wenn dies nicht unbedingt den Vorstellungen der anderen entspricht. Nicht zuletzt zu berücksichtigen ist, dass hinsichtlich der von den Zeugen bekundeten Intensität der Gerüche subjektive Wahrnehmungen je nach dem eigenen Vorstellungsbild sehr unterschiedlich sind. Bereits bestimmte Situationen oder ein unterschiedlicher Lebensrhythmus können hier dazu führen, daß Kochgerüche als extrem störend empfunden werden. Dies bestätigt sich zum Beispiel darin, dass der Zeuge H. Q. bekundet hat, man sie öfter beim Kaffeetrinken auf der Terrasse von Essensgerüchen überfallen worden und die Beklagte selbst erklärt hat, sie fühle sich belästigt, wenn sie an späten Vormittagen bereits beim Aufstehen Kochgerüche wahrnehme. Hier ist es durchaus nachvollziehbar, dass die betreffenden Nachbarn sich aufgrund der speziellen Situation in einer anderen Weise belästigt fühlen als wenn sie selbst zum Beispiel mit der Zubereitung eines Mittagessens beschäftigt wären. Allein aus diesen Umständen ergibt sich jedoch nicht der Nachweis, dass die Gerüche tatsächlich das Maß des Empfindens eines normalen Durchschnittsmenschen, auf den abzustellen ist, überschreiten. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Soweit sich die Beklagte darüber hinaus auf eine Minderung wegen ,,Krautüberhanges" beruft, ist diese nicht nur zu keinem Zeitpunkt angekündigt worden, sondern entbehrt auch jedes schlüssigen Vortrags betreffend eine Gebrauchsbeeinträchtigung. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch folgt aus §§ 284, 288 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.</p>
|
114,437 | lagd-1999-09-23-11-sa-64599 | {
"id": 793,
"name": "Landesarbeitsgericht Düsseldorf",
"slug": "lagd",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Arbeitsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 11 Sa 645/99 | 1999-09-23T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:44 | 2019-02-12T08:36:08 | Urteil | ECLI:DE:LAGD:1999:0923.11SA645.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">T A T B E S T A N D :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der am 19.02.1943 geborene Kläger war seit dem 01.04.1967 bei der V.-AG und der Beklagten als deren Rechtsnachfolgerin beschäftigt. Er war zunächst als tariflicher Angestellter tätig und hatte für die Zeit vom 01.04.1967 bis zum 31.3.1973 eine Versorgungszusage nach der Versorgungsregelung der V.-AG. Dann war der Kläger als außertariflicher Angestellter beschäftigt. Aus diesem Grund erhielt er von der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Versorgungszusage nach der geltenden Leistungsordnung des Bochumer Verbandes, die für ihn in der Zeit vom 01.04.1973 bis zum 31.03.1985 bestand. Insoweit wird auf die Leistungsordnung des Bochumer Verbandes in der ab dem 01.01.1985 gültigen Fassung (LO 1985) einschließlich der Übergangsbestimmungen zur Einführung der Leistungsordnung vom 01.01.1985 Bezug</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">(Ü-LO 1985) genommen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 16.11.1981 hatte die Beklagte den Kläger darauf hingewiesen, dass für Mitarbeiter, die eine Zusage nach der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes hatten, ein Anspruch auf Leistungen aus der generellen betrieblichen Altersversorgung der V.-AG nicht bestand.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger sollte eigentlich zum 31.03.1985 beendet werden, wurde jedoch aus sozialen Erwägungen zu geänderten Bedingungen fortgesetzt. Der Kläger war wieder als tariflich beschäftigter Angestellter tätig und erhielt ab dem 01.04.1985 eine Versorgungszusage nach der Versorgungsregelung der R. AG, die mit derjenigen der V.-AG identisch war. Anlässlich dieser Änderung der Arbeitsbedingungen traf der Kläger mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten am 01.04.1985 folgende Vereinbarung:</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px"> Eine Zusage auf betriebliche Alters-Hinterbliebenenversorgung bestand während der Zeit vom 01.04.1973 bis 31.03.1985. Die Voraussetzungen für eine unverfallbare Anwartschaft entsprechend § 2 Abs.1 BetrAVG sind daher dem Grunde nach gegeben. Bei der zu berechnenden Höhe der Anwartschaft des Bochumer Verbandes ist u. a. die Rente aus der gesetz- lichen Rentenversicherung zu berücksichtigen. Nach Vorlage der ent- sprechenden Rentenversicherungsdaten (Versicherungsverlauf) werden wir die endgültige Berechnung des Anwartschaftsbetrages durch den Bochumer Verband vornehmen lassen. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Am 31.12.1996 endete das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten. Mit Schreiben vom 02.01.1997 erkannte die Beklagte eine Unternehmenszugehörigkeit des Klägers von 29 Jahren und 9 Monaten an. Seit dem 01.10.1997 war er erwerbsunfähig und bezog eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Aus den Versorgungszusagen vom 01.04.1967 bis zum 31.03.1979 und vom 01.04.1985 bis zum 31.12.1996 zahlte die Beklagte dem Kläger seit dem 01.10.1997 ein monatliches Ruhegeld in Höhe von 53,82 DM.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Für die Versorgungszusage vom 01.04.1973 bis zum 31.03.1985 hatte der Bochumer Verband zunächst am 28.11.1985 einen unverfallbaren Teilbetrag in Höhe von 817,70 DM berechnet, wobei als tatsächliche Betriebszugehörigkeit die Zeit vom 01.04.1967 bis zum 31.03.1985 zugrundegelegt war. Der Gruppenbetrag H betrug hier 3025,00 DM. Die Vollleistung der Gruppe H gemäß § 3 III lit b LO 1985 betrug 1.810,00 DM. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 28.11.1985 Bezug genommen. Am 13.11.1997 berechnete die Beklagte vorläufig einen Betrag von 874,80 DM. Aus der Versorgungszusage vom 01.04.1973 bis zum 31.03.1985 zahlte die Beklagte dem Kläger seit dem 01.10.1997 ein monatliches Ruhegeld in Höhe von 783,00 DM, also mit den übrigen Teilbeträgen einen Gesamtbetrag von 836,82 DM.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte berechnete den Teilbetrag von 783,00 DM wie folgt: Sie ging davon aus, dass der Kläger unter der Versorgungsregelung der V. AG/R. AG 18,5 Jahre (01.04.1967 bis zum 31.03.1973 und 01.04.1985 bis zum 30.09.1997) hätte zurücklegen können und nach der Versorgungsregelung des Bochumer Verbandes</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">12 Jahre (01.04.1973 bis zum 31.03.1985), was einem Verhältnis von 60,66 % zu 39,34 % entsprach. Die Beklagte errechnete, dass der Kläger, hätte er seine gesamte Betriebszugehörigkeit unter der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes verbracht, ein Ruhegeld von 2.736,91 DM hätte erreichen können. Wegen der Einzelheiten dieser Berechnung wird auf die Berechnung des Bochumer Verbandes vom 30.03.1998 einschließlich der Anlagen Bezug genommen. Von diesem Betrag berechnete die Beklagte 39,34 %, was 1.076,70 DM ergab, und davon 72,72 % als Verhältnis der tatsächlich geleisteten (01.04.1967 bis 31.12.1996), zur theoretisch möglichen Betriebszeit, was 782,98 DM, gerundet 783,00 DM, ergab.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Mit Urteil vom 09.06.1998 verurteilte das Arbeitsgericht Essen die Beklagte, dem Kläger Auskunft über die Berechnung seines Ruhegeldanspruchs zu erteilen. Dem kam die Beklagte in einer ihrem Schreiben vom 07.08.1998 beigefügten Berechnung vom 25.07.1998 und vom 30.03.1998, auf die jeweils Bezug genommen wird, nach. Daraufhin berechnete der Kläger einen erreichbaren Teilanspruch nach der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes in Höhe von 2.657,08 DM. Wegen der Einzelheiten dieser Berechnung wird auf die Klageschrift Bezug genommen. Diesen Betrag kürzte er um den Kürzungsfaktor m:n von 0,7272 und kam auf einen monatlichen Teilbetrag von 1.932,23 DM. Abzüglich der durch die Beklagte monatlich gezahlten 783,00 DM verblieben danach monatlich 1.149,23 DM. Diese Differenz verlangt der Kläger mit seiner Klage für jeden Monat in der Zeit von Oktober 1997 bis September 1998.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat die Ansicht vertreten:</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Neben der Kürzung um den Kürzungsfaktor m:n sei eine weitere zeitanteilige Kürzung des Teilbetrages nach der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes nach dem Verhältnis der danach abgeleisteten Betriebsjahre zu denen nach den anderen Zusagen nicht vorzunehmen. Dieser Ansatz finde keine Stütze im Gesetz. Er stünde außerdem besser, wenn er neben der Zusage des Bochumer Verbandes keine weiteren Zusagen erhalten hätte. Ihm stehe seit dem 01.10.1997 das von ihm berechnete Ruhegeld in Höhe von 1.932,23 DM zu.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px"> </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px"> die Beklagte zu verurteilen, an ihn Ruhegeld für die Zeit vom 01.10.1997 bis zum 30.09.1998 in Höhe von 13.790,76 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen auf den monatlichen Teilbetrag von 1.149,23 DM jeweils seit dem 01. eines Monats, beginnend mit dem 01.10.1997, zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px"> die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat behauptet, dass der Kläger und ihre Rechtsvorgängerin sich am 01.04.1985 geeinigt hätten, keine weiteren Anwartschaften aufgrund der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes mehr entstehen zu lassen. Die einzelnen Phasen der Betriebstreue sollten unterschiedlich honoriert werden. Nach den übereinstimmenden Vorstellungen der Vertragsparteien hätte in den einzelnen Beschäftigungsblöcken nur eine Versorgungszusage maßgeblich sein sollen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat sich die Berechnung des erreichbaren Vollanspruchs bezüglich der Zeit nach der Leistungsordnung nach dem Bochumer Verband durch den Kläger in Höhe von 2.657,08 DM hilfsweise zu Eigen gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Mit seinem am 16.02.1999 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht Essen die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass aufgrund der Tatsache, dass der Kläger unterschiedliche Versorgungszusagen während seiner Betriebszugehörigkeit gehabt habe, eine weitere Kürzung entsprechend § 2 I BetrAVG vorzunehmen gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Gegen das ihm am 09.04.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem beim Landesarbeitsgericht am 07.05.1999 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 07.07.1999, mit einem am 30.06.1999 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Kläger nimmt in erster Linie auf sein erstinstanzliches Vorbringen einschließlich der dort vorgenommenen Berechnung seiner Klageforderung Bezug und ist darüber hinaus der Ansicht, das Schreiben vom 16.11.1981 belege, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten selbst von einem Vorrang der Zusage des Bochumer Verbandes ausgegangen sei.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px"> das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 16.02.1999 - Az. 6 Ca 3723/98 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn Ruhegeld für die Zeit vom 01.10.1997 bis zum 30.09.1998 in Höhe von 13.790,76 DM brutto zuzüglich</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">4 % Zinsen auf den monatlichen Teilbetrag von 1.149,23 DM jeweils seit dem 01. eines Monats, beginnend mit dem 01.10.1997, zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px"> die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte verteidigt unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil und ist darüber hinaus der Ansicht, die vertragliche Regelung vom 01.04.1985 sei dahingehend auszulegen, dass der Kläger hinsichtlich der nach Maßgabe der Leistungsordnung erdienten Anwartschaften so zu behandeln sei, als wenn er am 31.05.1985 ausgeschieden sei. § 2 BetrAVG sei insoweit entsprechend anzuwenden.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">In einem weiteren Rechenweg rechnete die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung für die Zeit vom 31.03.1985 bis zum 31.12.1996 mit einer Steigerung der Lebenshaltungskosten von insgesamt 27,19 % und kam danach auf einen erreichbaren Versorgungsanspruch von 2.151,83 DM.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">A.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung ist bis auf den dem Kläger zweitinstanzlich zugesprochenen Betrag von DM 381,70 brutto unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte über das von ihr bisher im streitbefangenen Zeitraum gezahlte monatliche Ruhegeld in Höhe von monatlich DM 783,-- ein weiterer Betrag von nur DM 34,70 brutto monatlich zu mit der Konsequenz, dass er für die Zeit von Oktober 1997 bis September 1998 insgesamt noch DM 381,70 brutto verlangen kann.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">1. Unstreitig bestand zwischen dem Kläger und der Rechtsvorgängerin der Beklagten in der Zeit vom 01.04.1973 bis zum 31.03.1985 eine Versorgungszusage nach der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes. Diese Versorgungszusage ist nicht etwa mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers zur Beklagten am 31.12.1996 verfallen. Die Unverfallbarkeitsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 BetrAVG sind gegeben. Zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis am 31.12.1996 war er 53 Jahre alt, d. h. er hatte das 35. Lebensjahr vollendet. Die Versorgungszusage nach der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes hatte auch mindestens 10 Jahre bestanden.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht, wenn man davon ausgeht, dass der Kläger und die Rechtsvorgängerin am 01.04.1985 zulässigerweise vereinbart haben, dass der Kläger für die Ansprüche nach der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes so zu behandeln sei, als sei er am 31.03.1985 ausgeschieden. Die Versorgungszusage bestand auch in diesem Fall mehr als 10 Jahre, und der Kläger war am 31.03.1985 42 Jahre alt, also älter als 35.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">2. Die Höhe einer unverfallbaren Anwartschaft bestimmt sich grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 BetrAVG.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">a) Der Kläger hat mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten am 01.04.1985 eine Vereinbarung darüber getroffen, dass dem Kläger nur ein prozentualer Anspruch ent-</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">sprechend der Zeit, welche er unter der Versorgungsregelung des Bochumer Verbandes gearbeitet hat, (01.04.1973 bis zum 31.03.1985) zusteht.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">aa) Eine derartige Vereinbarung ist nicht etwa von vornherein gemäß § 17 Abs. 3 BetrAVG i. V. m. §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 BetrAVG unzulässig. Dabei ist zunächst zu beachten, dass § 17 Abs. 2 BetrAVG kein allgemeines Verschlechterungsverbot enthält. Nur soweit die §§ 1 bis 16 BetrAVG die Vertragsfreiheit beschränken, wird die Abdingbarkeit ausgeschlossen (BAGE 50, 62, 71 f; BAGE 56, 148, 153; BAG v. 14.08.1990 3 AZR 301/89 AP Nr. 4 zu § 3 BetrAVG). Ob eine Abweichung von § 17 Abs. 3 BetrAVG vorliegt, hängt vom Inhalt der §§ 1 bis 16 BetrAVG ab (BAG v. 14.08.1990 3 AZR 301/89 a. a. O.).</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">bb) Eine Vereinbarung, nach welcher der bisher erworbene Anspruch nur zeitanteilig quotiert aufrechterhalten bleibt, ist zulässig. Dies ergibt sich schon daraus, dass das BAG im bestehenden Arbeitsverhältnis sogar den Erlass einer Anwartschaft für möglich hält. § 3 BetrAVG steht dem nicht entgegen. Denn diese Norm ist nur auf Vereinbarungen anzuwenden, die im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen werden (BAG 14.08.1990 3 AZR 301/89 a. a. O.). Dies ergibt sich aus der bei § 3 BetrAVG verwendeten Formulierung, die ausdrücklich von dem Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses spricht. Auch der systematische Zusammenhang spricht dafür, weil die §§ 1 3 BetrAVG auf ausscheidende bzw. ausgeschiedene Arbeitnehmer abzielen (Blomeyer/Otto BetrAVG, 2. Aufl. 1997, § 3 Rz. 36). Auch wollte der Gesetzgeber gerade die spezifische Situation bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses regeln. In dieser will der Arbeitgeber oft die Versorgungsregelung nicht fortführen, der Arbeitnehmer ist an erhöhten Einnahmen interessiert (BAG v. 14.09.1990 3 AZR 301/89 a. a. O.). Auch von § 2 Abs. 1 BetrAVG kann deshalb im laufenden Arbeitsverhältnis abgewichen werden. Zum einen ist eine Abweichung von der Berechnungsvorschrift ein Weniger als ein Erlass. Zum anderen greift von seinem Anwendungsbereich auch § 2 BetrAVG nur bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein. Im laufenden Arbeitsverhältnis ist eine Umgestaltung der Versorgung vielmehr Sache der Arbeitsvertragsparteien (BAG v. 14.09.1990 3 AZR 301/89 a. a. O.).</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">cc) Auch die Rechtsprechung des BAG zu den Anforderungen an die Änderung von Versorgungszusagen im kollektivrechtlichen Bereich zeigt, dass eine Abweichung zu-</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">lässig ist. Diese umfasst den bereits erdienten Teil der Anwartschaft, der sich aus der zeitanteiligen Berechnung einer aufrechtzuerhaltenden Anwartschaft entsprechend</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">§ 2 BetrAVG ergibt (BAG v. 17.04.1985 3 AZR 72/83 AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen; BAG v. 22.05.1990 3 AZR 128/89 AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung). Dies ist eine Modifikation des § 2 BetrAVG im bestehenden Arbeitsverhältnis.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">b) Damit ist zu bestimmen, welchen Inhalt die Vereinbarung vom 01.04.1985 hat.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">aa) Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass für eine Auslegung i. S. der</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">§§ 133, 157 BGB dann kein Raum ist, wenn feststeht, was die Parteien übereinstimmend gewollt haben. Der übereinstimmende Parteiwille geht dem Wortlaut vor (BAG v. 02.03.1973 3 AZR 265/72 AP Nr. 35 zu § 133 BGB; Blomeyer/Otto BetrAVG, Einl. Rz. 369; Griebeling, Betriebliche Altersversorgung, 1996, Rz. 320). Soweit die Beklagte vorträgt, es habe ein übereinstimmender Parteiwille dahingehend bestanden, dass in den einzelnen Beschäftigungsblöcken nur eine Versorgungszusage maßgeblich sein soll, hat sie für diese ihr günstige Behauptung keinen Beweis angeboten. Sie ist insofern beweisfällig geblieben. Dies gilt auch für den Vortrag, es habe die übereinstimmende Auffassung bestanden, dass nach dem 31.03.1985 keine Anwartschaften mehr aufgrund der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes entstehen sollten. Allein aus diesen Behauptungen lässt sich damit kein übereinstimmender Parteiwille feststellen.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">bb) Nach dem Wortlaut und dem Zweck der am 01.04.1985 getroffenen Vereinbarung ist ihr Inhalt unklar. Eine ausdrückliche Regelung, wie § 2 Abs. 1 BetrAVG entsprechend anzuwenden ist, enthält der Text des Schreibens vom 01.04.1985 nicht. Auch der Zweck allein ist nicht eindeutig. Nach dem Abschnitt des Arbeitsverhältnisses, den der Kläger als außertariflicher Angestellter zurückgelegt hatte, sollte seine in diesem Zeitraum erworbene Anwartschaft festgelegt werden. Daraus ergibt sich jedoch nicht ohne weiteres, wie die Vereinbarung zu verstehen ist. Die Erklärung hat damit nach Wortlaut und Zweck keinen eindeutigen Inhalt und ist der Auslegung zugänglich (BGHZ 25, 318, 319; Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl. 1999, § 133 Rz. 6).</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">cc) Auch im Bereich der betrieblichen Altersversorgung finden grundsätzlich die allgemeinen Auslegungsregeln Anwendung. Die Auslegung von Verträgen erfolgt</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">gemäß §§ 133, 157 BGB nach Treu und Glauben. Es ist der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen (Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rz. 369; Griebeling, a. a. O., Rz. 320). Bei der Auslegung ist vom Wortlaut auszugehen (BGH v. 18.05.1998, - II ZR 19/97 - NJW 1998, 2966). Es sind sodann die Begleitumstände heranzuziehen (BAG v. 28.07.1970 2 AZR 519/69 - NJW 1971, 639 f.), wie z. B. die Entstehungsgeschichte des Rechtsgeschäftes, der verfolgte Zweck und die Interessenlage (Palandt/Heinrichs, BGB, § 133 Rz. 15 ff.). Zu berücksichtigen ist auch das nachträgliche Verhalten der Parteien, wenn es Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen und das tatsächliche Verständnis der Parteien zulässt (BAG v. 17.04.1970 AP Nr. 32 zu § 133 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">dd) Der Wortlaut der Vereinbarung vom 01.04.1985 spricht zunächst dafür, dass nur für die Zeit vom 01.04.1973 bis zum 31.03.1985 eine Versorgungszusage nach der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes bestand. Für die Frage der Anwendung des § 2 BetrAVG gibt dies jedoch alleine nichts her. Satz 2 der Vereinbarung sieht jedoch vor, dass § 2 BetrAVG entsprechend anzuwenden ist. Das Wort entsprechend deutet darauf hin, dass eben nicht genau wie nach der gesetzlichen Regelung zu verfahren ist, sondern, bezogen auf ein anderes Ereignis, die Regelung des § 2 Abs. 1 BetrAVG entsprechend anzuwenden ist. Es liegt nahe, dass dieses Ereignis der Übergang des Klägers von einem außertariflichen in das tarifliche Arbeitsverhältnis ist. Denn genau in diesem Zusammenhang wurde die Abrede getroffen.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">c) Maßgeblich für die Auslegung ist jedoch die Berechnung vom 28.11.1985. In der Berechnung wird dem Kläger die Höhe seiner unverfallbaren Anwartschaft nach der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes bescheinigt. In dieser Bescheinigung wurde als Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der 31.03.1985 angegeben. Als Dauer der Betriebszugehörigkeit wurde die Zeit vom 01.04.1967 bis zum 31.03.1985 zugrunde gelegt. Daraus ergibt sich, dass die Parteien davon ausgingen, die Anwartschaft des Klägers nach der Leistungsordnung solle sich so berechnen, als sei er zum 31.03.1985 ausgeschieden. Dies ist auch konsequent. Eine entsprechende Anwendung des § 2 Abs. 1 BetrAVG stellt nämlich für die Dauer der Betriebszugehörigkeit nicht auf den Beginn der Versorgungszusage, sondern auf den Beginn der Beschäftigung ab (so für § 2 Abs. 1 BetrAVG Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 2 Rz. 46; Höfer,</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">BetrAVG, Band I, § 2 Rz. 1701 ff.). Die Berechnung zeigt klar, welche Regelung die Parteien treffen wollten. Dafür spricht auch, dass die Berechnung dem Kläger mitgeteilt worden ist. Keine der Parteien hat sich bis zum tatsächlichen Ausscheiden des Klägers</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">dagegen gewandt, dass § 2 Abs. 1 BetrAVG bezogen auf den 31.03.1985 als Ausscheidedatum entsprechend angewandt wird. Dies entspricht auch der Interessenlage der Parteien. Denn es musste eine Regelung gefunden werden, wie angesichts der Weiterbeschäftigung als tariflicher Arbeitnehmer mit der Anwartschaft des Klägers umgegangen werden sollte. Der Kläger konnte auch erkennen, dass er als tariflich Beschäftigter eben keine Anwartschaften mehr nach der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes erwerben sollte. Die Berechnung vom 28.11.1985 belegt, dass er dies erkannt hat. Sonst hätte er diese Berechnung, in der eindeutig auf das Ausscheiden am 31.03.1985 abgestellt wird, nicht über einen derart langen Zeitraum akzeptiert.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">d) Das Schreiben vom 16.11.1981 führt zu keiner anderen Auslegung. Zum einen geht es der vertraglichen Abrede zeitlich deutlich voraus. Zum anderen besagt es nur, dass Mitarbeiter, welche Ansprüche nach der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes haben, keine nach der generellen betrieblichen Altersversorgung der V. AG (Vorgängerin der Beklagten) haben. Dies sagt jedoch nichts dazu, was gilt, wenn Ansprüche nach der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes nicht mehr bestehen. Dem Schreiben vom 16.11.1981 lässt sich nicht entnehmen, dass eine solche Zusage nicht abgeändert und individuell modifiziert werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">e) Auch kann dieser Auslegung nicht entgegengehalten werden, dass der Kläger ohne eine Versorgungszusage nach dem 31.03.1985 besser gestanden hätte. Legen der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten den 31.03.1985 als Zeitpunkt des Ausscheidens fest, stand der Kläger mit einer anschließenden Versorgungszusage nach der Versorgungsregelung der R. GmbH sogar besser. Ohne sie hätte er nach dem 31.03.1985 nämlich überhaupt keine weiteren Anwartschaften mehr erworben.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">f) Gegen diese Auslegung spricht im Ergebnis auch nicht, dass der Arbeitnehmer im Bereich der Altersversorgung eindeutig und unmissverständlich über seine Rechtsstellung unterrichtet sein muss (BAG v. 25.01.1979 3 AZR 1096/77 AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG; BAG v. 14.08.1990 3 AZR 301/89 AP Nr. 4 zu § 3 BetrAVG). Bei der</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Vereinbarung vom 01.04.1985 war dies noch nicht der Fall. Der Kläger konnte hieraus nicht genau ersehen, welche konkreten Folgen in Zahlen diese Regelung für ihn</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">haben würde. Wie die Ausführungen zur Auslegung gezeigt haben, geht aus der Abrede nicht klar hervor, wie diese zu verstehen ist, insbesondere wie § 2 Abs. 1 BetrAVG anzuwenden ist.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">g) Spätestens in der Weiterarbeit nach Erhalt der Abrechnung vom 28.11.1985 ist aber eine konkludente Zustimmung zur Vereinbarung zu sehen. In diesem Zeitpunkt war der Kläger auch umfassend und eindeutig informiert. Dagegen spricht nicht, dass im Bereich der betrieblichen Altersversorgung eine stillschweigende Annahme eines Änderungsangebotes grundsätzlich nicht unterstellt werden darf (z. B. BAG v. 12.02.1985 3 AZR 183/83 AP Nr. 12 zu § 1 BetrAVG; Höfer BetrAVG, Band 1, ART Rz. 292). Etwas anderes gilt nämlich dann, wenn besondere Umstände vorliegen, die nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) einen Widerspruch erwarten lassen (BAG v. 12.02.1985 3 AZR 183/83 a. a. O.; Höfer, BetrAVG, Band 1, ART Rz. 295). So liegt es hier. Der Kläger erklärte sich am 01.04.1985 ausdrücklich damit einverstanden, dass die genaue Höhe der Anwartschaft nach Vorlage seiner Rentenversicherungsdaten berechnet werden würde. Eine solche Berechnung stellte diejenige vom 28.11.1985 dar, die bezüglich der Rentenversicherungsangaben nach seinen Angaben gefertigt wurde. Wäre er mit dieser Berechnung nicht einverstanden gewesen, hätte der Kläger nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) dieser Berechnung widersprechen müssen. Er kann nicht zunächst auf eine Berechnung verzichten und sich mit einer späteren einverstanden erklären und dann mangels Widerspruch zu der Berechnung wieder darauf zurückgreifen, dass die ursprüngliche Vereinbarung unklar gewesen sei. Dies widerspricht Treu und Glauben.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">3. Nach alledem ergibt sich, dass die Vereinbarung vom 01.04.1985 so auszulegen ist, dass der Anspruch nach der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes entsprechend § 2 Abs. 1 BetrAVG so auszurechnen ist, als wenn der Kläger am 31.03.1985 ausgeschieden wäre. Dann ist entsprechend § 2 Abs. 1 BetrAVG aber auch die gesamte Betriebszugehörigkeit bis zum 31.03.1985 und nicht erst diejenige ab dem 01.04.1973 zu beachten. Die am 28.11.1985 vorgenommene Berechnung zeigt, dass auch die Rechtsvorgängerin der Beklagten davon ausging.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">a) Allerdings wird vertreten, dass als weitere Voraussetzung bei einer Verschlechterung einer Versorgungszusage auch im Fall einer einzelvertraglichen Zustimmung eine gerichtliche Billigkeitskontrolle vorzunehmen sei, diese aber nur bei groben Verstößen gegen den Vertrauensschutz und die Verhältnismäßigkeit korrigierend eingreifen könne (Höfer, a. a. O., ART Rz. 459; siehe dazu auch Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rz. 282). Das BAG hat offengelassen, ob auch bei einer einzelvertraglichen Zustimmung eine Billigkeitskontrolle durchzuführen ist und sich im konkreten Fall darauf beschränkt festzustellen, ob für einen Teilerlass sachliche Gründe vorlagen (BAG v. 14.08.1990 3 AZR 301/89 a. a. O.). Diese Frage kann letztlich dahinstehen. Die Änderung der Versorgungszusage ist nicht unbillig. Der bisher in der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes erworbene Besitzstand bleibt dem Kläger erhalten. Es bestand auch ein sachlicher Grund, die Versorgungsregelung zu ändern. Sie sollte nämlich an die neue Situation angepasst werden, nämlich an die Tatsache, dass der Kläger nicht mehr als außertariflicher Angestellter beschäftigt ist.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">b) Bei der Berechnung des dem Kläger demnach für die Zeit vom 01.04.1973 bis zum 31.03.1985 zustehenden Ruhegeldanspruch ist zunächst zu beachten, dass das Ruhegeld nach dem Stand vom 31.03.1985 zu berechnen ist. Änderungen der Bemessungsgrundlagen sind wegen § 2 Abs. 5 BetrAVG, der die Berechnung des Teilanspruchs gemäß § 2 Abs. 1 BetrAVG erläutert, nicht mehr zu berücksichtigen (BAG v. 12.03.1981 AP Nr. 68 zu § 7 BetrAVG; BAG v. 17.04.1985 3 AZR 72/83 AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen). Wendet man § 2 Abs. 1 BetrAVG entsprechend auf das Datum des Ausscheidens vom 31.03.1985 an, ergibt sich folgender Rechenweg:</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">aa) Der Teilanspruch berechnet sich danach aus dem möglichen Vollanspruch multipliziert mit dem Faktor m:n. Der mögliche Vollanspruch ist derjenige, welchen der Kläger ohne das vorherige Ausscheiden hätte erwerben können. Dieser ist nach der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes zu berechnen. Die Berechnung des Ruhegeldes richtet sich nach § 3 LO 1985. Für die Zeit vom 01.04.1973 bis zum 31.12.1984 ist jedoch die Übergangsregelung zur LO 1985 anzuwenden. Dies ergibt sich gemäß Nr. II. b. Ü-LO 1985. Danach ist anstelle von § 3 LO 1985 Nr. V Ü-LO 1985 anzuwenden, wenn der Angestellte vor dem 01.01.1985 weniger als 25 anrechnungsfähige Dienstjahre zurückgelegt hatte und nach dieser Regelung der Teilanspruch am</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">31.12.1984 zu bestimmen. Vor dem 01.01.1985 hatte der Kläger, der seit dem 01.04.1973 zur Leistungsordnung des Bochumer Verbandes angemeldet war, noch keine 25 anrechnungsfähigen Dienstjahre zurückgelegt. Der Teilanspruch nach dem 01.01.1985 war gemäß Nr. II. b. Ü-LO 1985 nach der LO 1985 zu berechnen. Es ist nicht ersichtlich, warum entgegen der Ansicht der Beklagten diese Übergangsregelungen keine Anwendung finden sollten.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">bb) Für die Zeit bis zum 31.12.1984 ist nach Nr. V Abs. 2 Ü-LO 1985 zunächst der v. H. Satz zu berechnen. Dabei ist zu beachten, dass gemäß Nr. V Abs. 4 Ü-LO 1985 jedes angefangene Dienstjahr, in dem der Angestellte angemeldet war, als volles Dienstjahr gilt. Vom 01.04.1973 bis zum 31.12.1984 ergeben sich damit zwölf Dienstjahre. Die ersten fünf waren mit 30 v. H., die weiteren sieben mit 5 v. H. zu bewerten, was insgesamt 65 v. H. ergibt. Gemäß Nr. V Abs. 2 Ü-LO 1985 ist dies mit dem Gruppenbetrag von DM 3.025,00 aus dem Jahre 1985 zu multiplizieren, was DM 1.966,25 ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">cc) Dieser Betrag ermäßigt sich gemäss Nr. VI Abs. 1 Ü-LO 1985 um 65 v. H. der halben Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung. Dabei ist auf die tatsächliche Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung abzustellen. Auch hier ist wegen § 2 V BetrAVG auf den 1985 errechneten hälftigen Betrag der gesetzlichen Rentenversicherung von DM 1.123,50 abzustellen. 65 v. H. von DM 1.123,50 ergeben DM 730,28. Es verbleibt damit ein Teilanspruch von DM 1.237,97 (DM 1.966,25 abzüglich DM 730,28).</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">dd) Dieser Betrag darf zusammen mit dem vollen, nicht von der Anrechnung ausgenommenen Teil der Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung 77 v. H. der Dienstbezüge des Angestellten im Zeitpunkt der letzten Gruppenanpassung nicht übersteigen (Nr. VII Abs. 1 Ü-LO 1985). 65 v. H. des Betrages der gesetzlichen Rentenversicherung von DM 2.247,00 (vgl. Berechnungsbogen des Bochumer Verbandes vom 28.11.1985) betrugen DM 1.460,55. Addiert mit dem betrieblichen Ruhegehalt gibt dies DM 2.696,52. Der Betrag liegt DM10,72 über der Leistungsgrenze von DM 4.132,00 (vgl. wiederum vorgenannten Berechnungsbogen). DM 1.235,97 abzüglich DM 10,72 ergibt einen erreichbaren Teilbetrag von DM 1.225,25 für die Zeit bis Ende 1984.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">ee) Für die Zeit ab 1985 ist mit der LO 1985 zu rechnen. Ohne sein vorheriges Ausscheiden im Sinne der getroffenen Abrede hätte der Kläger bis zum 01.10.1997 arbeiten können. Dann war er dienstunfähig. Gemäss § 3 IV LO 1985 hätte er weitere 35 v. H. erdienen können, nämlich für die Jahre 1985, 1986, 1987 je 5 v. H. und für die folgenden 10 Jahre von 1988 bis 1997 einschließlich je 2 v. H. Auch hierbei war zu beachten, dass jedes Jahr, in dem der Kläger angemeldet werden konnte, gemäss § 3 VI LO 1985 als volles Dienstjahr gilt. Das für den Kläger volle Ruhegehalt gemäss § 3 III lit. b LO 1985 betrug 1985 DM 1.810,00 (vgl. Berechnungsbogen vom 28.11.1985). 35 v. H. davon sind DM 633,50.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">ff) Die Summe aus beiden Teilbeträgen beträgt damit DM 1.858,75. Dies ist der vom Kläger nach der LO 1985/Ü-LO 1985 ohne sein Ausscheiden i. S. der Abrede des Jahres 1985 erreichbare mögliche Vollanspruch. Dieser Anspruch ist in entsprechender Anwendung des § 2 Abs. 1 BetrAVG mit dem Faktor m:n zu multiplizieren. Bei der Dauer der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit war dabei die Zeit vom 01.04.1967 bis zum 31.03.1985 zugrundezulegen, d. h. 216 Monate. Bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres im Februar 2008 wäre eine Betriebszugehörigkeit von 491 Monaten (01.04.1967 bis 19.02.2008) möglich gewesen. Der Quotient m:n beträgt damit 0,43992. Im Ergebnis beträgt der unverfallbare Anspruch damit DM 1.858,75 x 0,43992, d. h. DM 817,70 (vgl. auch Berechnungsbogen vom 28.11.1985). </p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">gg) Eine weitere Quotierung war nicht vorzunehmen. Die Dienstunfähigkeit zum 01.10.1997 ist bereits dadurch berücksichtigt, dass bei der Berechnung des erreich- baren Vollanspruchs bedacht wurde, dass der Kläger nur bis zu diesem Datum hätte arbeiten können. Aus der obigen Berechnung ergibt sich jedoch, dass er in diesem Zeitpunkt bereits den Vollanspruch hätte erreichen können.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">c) Dem gefundenen Ergebnis steht nicht das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 09.06.1998 6 Ca 761/98 entgegen. In Rechtskraft erwachsen ist durch dieses Urteil nur der Auskunftsanspruch nach § 2 Abs. 6 BetrAVG. Der Umstand, dass die Auskunft für die gesamte Zeit bis zum 31.12.1996 auch für die Versorgungszusage nach der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes gemäss dem zitierten Urteil zu erteilen war, sagt nichts darüber aus, wie diese inhaltlich zu behandeln ist. Die Verurteilung in der ersten Stufe einer Stufenklage, d. h. zur Auskunft, schafft keine Rechts-</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">kraft für den Grund des Zahlungsanspruchs (BAG 23.11.1988 4 AZR 393/88 AP Nr. 104 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG v. 03.06.1998 5 AZR 552/97 - EZA § 157 BGB Nr. 4).</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">4. Auch aus der Berechnung vom 13.11.1997 ergibt sich für den Kläger kein höherer Anspruch. Die Berechnung war nur vorläufig, und die Beklagte zahlte nur DM 783,00. Sie hat damit einen höheren Anspruch nicht anerkannt, der Kläger hat einen solchen auch nicht erwirkt.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">5. Im Ergebnis stand dem Kläger somit seit dem 01.10.1997 monatlich ein Anspruch aus der Versorgungszusage nach der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes in Höhe von DM 817,70 brutto zu. Diesen hat die Beklagte bisher nur mit monatlich DM 783,00 brutto erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Es verbleibt damit ein monatlicher Restbetrag von DM 34,70 brutto. Für die Zeit vom 01.10.1997 bis zum 30.09.1998,</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">12 Monate, hat der Kläger noch den ihm in dieser Instanz zuerkannten Anspruch. Ein weitergehender Anspruch steht ihm nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">II. Der Zinsanspruch auf den monatlichen Teilbetrag von DM 34,70 in Höhe von</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">4 % ergibt sich aus §§ 284 Abs. 1, Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB. Gemäss § 14 LO 1985 ist der Ruhegeldbetrag jeweils am 01. eines Monats fällig, die Zeit mithin nach dem Kalender bestimmt.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">B.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugemessen und deshalb die Revision für beide Parteien zugelassen.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil kann von beiden Parteien</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">R e v i s i o n</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Die Revision muss</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">innerhalb einer Notfrist von einem Monat</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Bundesarbeitsgericht</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Hugo-Preuß-Platz 1</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">99084 Erfurt</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist gleichzeitig oder</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">schriftlich zu begründen.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">gez.: Dr. Vossen gez.: Glombik gez.: Hinterleitner</p>
|
114,442 | olgham-1999-09-23-6-w-3199 | {
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} | 6 W 31/99 | 1999-09-23T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:44 | 2019-02-14T10:24:27 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0923.6W31.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>G r ü n d e :</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner verrichtete am 22. Juni 1998 als Mitarbeiter der Firma J im Evangelischen Krankenhaus in M. Zu diesem Zweck hatte er im Boden des Sockelgeschosses einen ca. 90 X 90 cm großen normalerweise abgedeckten Schacht geöffnet, der sich unmittelbar vor einer Korridortür befindet. Zur Absicherung hatte er vor die von der Korridortür abgewandte Seite des Schachtes einen etwa 180 cm hohen und 90 cm breiten Wäschewagen gestellt; weitere Absicherungen oder Warnhinweise waren nicht vorhanden. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Zu einem Zeitpunkt, als auch der Beklagte selbst sich nicht im Bereich des Schachtes aufhielt, wollte die Klägerin, die im Evangelischen Krankenhaus als Putzhilfe angestellt ist und deren Aufgabe es war, in den oberen Geschossen Putzarbeiten durchzuführen, den hinter der Korridortür befindlichen Umkleideraum aufsuchen, um sich nach Beendigung der Arbeit umzuziehen. Sie stürzte, nachdem sie um den Wagen herumgegangen war, in den Schacht und erlitt eine komplizierte Sprunggelenksfraktur.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Sie will den Beklagten auf vollen Ersatz ihres Schadens ins Anspruch nehmen und hat Prozeßkostenhilfe für eine Klage beantragt, mit der sie die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von mindestens 6.000,00 DM als angemessenes Schmerzensgeld und von 5.610,00 DM nebst Zinsen als Ersatz materiellen Schadens erreichen will sowie die - streitwertmäßig mit 3.000,00 DM angesetzte - Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihr allen künftigen Schaden aus dem Unfall vorbehaltlich des Anspruchsübergangs auf Sozialversicherungsträger zu ersetzen. Den Gesamtstreitwert hat sie mit 14.610,00 DM angegeben.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat durch den Betriebshaftpflichtversicherer der Firma J geltend gemacht, seine Haftung sei gem. § 106 Abs. 3 SGB VII ausgeschlossen, da das Evangelische Krankenhaus zum Unfallzeitpunkt die gemeinsame Betriebsstätte der Parteien gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Durch den angefochtenen Beschluß hat das Landgericht der Antragstellerin Prozeßkostenhilfe mit der Begründung verweigert, sie müsse sich ein mit mindestens 50 % zu bewertendes Mitverschulden anrechnen lassen, so daß für die Klage, soweit sie überhaupt in der Sache Aussicht auf Erfolg habe, die Zuständigkeitsgrenze des Landgerichts nicht erreicht werde.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist überwiegend begründet. Die beabsichtigte Klage hat hinreichende Aussicht auf Erfolg mit der Einschränkung, daß die Klägerin sich ein mit 25 % zu bewertendes Mitverschulden anrechnen lassen muß. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Für das Klageverfahren ist gem. § 13 GVG der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet. Zwar handelt es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit unter Arbeitnehmern. Dafür sind aber gem. § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG die Arbeitsgerichte nur dann zuständig, wenn es um Streitigkeiten aus gemeinsamer Arbeit geht oder aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen. Die hier allein in Betracht kommende Alternative der Streitigkeit aus einer unerlaubten Handlung setzt zwar nicht voraus, daß die Parteien beim selben Arbeitgeber beschäftigt sind (vgl. OLG Karlsruhe - Senat Freiburg - NJW RR 95, 64 m. w. N.). Sind sie - wie hier - bei verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt, so besteht aber der erforderliche Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis nicht schon dann, wenn sich die Arbeitsbereiche der Parteien nur zufällig oder äußerlich berühren und dabei einer vom anderen geschädigt wird (vgl. OLG Oldenburg MDR 99, 239). Es wird vielmehr eine innere Beziehung zu dem Arbeitsverhältnis der Parteien gefordert (vgl. BGH MDR 58, 331), wie sie bei einem Zusammenwirken besteht. Daran fehlt es hier. Die Arbeitsbereiche der Parteien haben sich nur zufällig berührt. In solchen Fällen wird der gem. § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG geforderte Zusammenhang nicht schon dadurch hergestellt, daß ein Arbeitnehmer durch seine Arbeit die allgemeine Verkehrssicherungspflicht verletzt und dabei einen anderen Arbeitnehmer verletzt hat, der nicht für den selben Arbeitgeber tätig ist. In Ermangelung eines irgendwie gearteten Zusammenwirkens reicht es hier auch nicht aus, daß die Tätigkeit beider Parteien letztlich dem Funktionieren des Krankenhausbetriebes dienen sollte. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist gem. §§ 73 Abs. 1, 21 Nr. 1 GVG das Landgericht zuständig, denn trotz des Mitverschuldens der Klägerin bietet die Klage in einem solchen Umfang hinreichende Aussicht auf Erfolg, daß der Streitwert die landgerichtliche Zuständigkeitsgrenze von 10.000,00 DM überschreitet. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Zwar hätte die Antragstellerin im eigenen Interesse darauf acht geben müssen, wohin sie ihre Füße setzte. Gesteigerte Aufmerksamkeit war geboten, weil es wohl nicht der Regelfall gewesen sein dürfte, daß mitten vor der zum Umkleideraum führenden Korridortür ein Wäschewagen stand. Der schuldhafte Verursachungsbeitrag der Antragstellerin wiegt aber nicht so schwer wie derjenige des Antragsgegners. Er hat die erste und wesentliche Ursache für den Sturz der Antragstellerin gesetzt. Zwar sollten eilige und unaufmerksame Personen vor einem Sturz in den geöffneten Schacht offenbar durch den Wäschewagen geschützt werden, und dieser erfüllte diesen Zweck insofern, als er den direkten Weg geradeaus über den Schacht zu der unmittelbar dahinter befindlichen Korridortür versperrte. Gleichzeitig verdeckte er aber auch wegen seiner Höhe die Sicht auf den geöffneten Schacht, so daß letztlich die Sturzgefahr, vor der er eigentlich schützen sollte, für die Personen vergrößert wurde, die zum Passieren der Korridortür um den Wagen herumgingen und dann mit Blick auf die Tür seitlich in den Schacht fallen konnten. Es hätte dem Antragsgegner einleuchten müssen, daß sich seine ohnehin unzureichende Sicherungsmaßnahme eher noch kontraproduktiv auswirken konnte. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint es dem Senat sachgerecht, das anspruchskürzende Mitverschulden der Antragstellerin mit 25 % anzusetzen. Ausgehend von einem Gesamtstreitwert von 14.610,00 DM für den Fall der uneingeschränkten Haftung ergibt sich bei einer Haftungsquote des Antragsgegners von 75 % ein Streitwert oberhalb der landgerichtlichen Zuständigkeitsgrenze.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Frage, ob Schadensersatzansprüche der Antragstellerin gegen den Antragsgegner gem. § 106 Abs. 3 SGB VII gesperrt sind, hängt von der Auslegung dieser am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Vorschrift ab. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Durch die gesetzliche Neuregelung sind die bisher in §§ 636 ff. RVO enthaltenen Regelungen über die Haftungsersetzung in das SGB VII übernommen, gleichzeitig aber auch inhaltlich mit teilweise erheblichen Auswirkungen geändert worden, und zwar überwiegend zu Lasten der Verletzten und Sozialversicherer und zugunsten der Schädiger und demgemäß auch der Haftpflichtversicherer. Zwar ist die Grundstruktur der Regelungen über die Haftungsersetzung unverändert geblieben: Ist jemand für einen anderen tätig geworden und dabei entweder von diesem oder von einem Mitbeschäftigten verletzt worden, kann er, wenn er bei dieser Tätigkeit gesetzlich unfallversichert gewesen ist, den Schädiger nicht zusätzlich zivilrechtlich auf Ersatz seiner Personenschäden in Anspruch nehmen; er ist insoweit auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung beschränkt. Die zivilrechtliche Haftung ist insoweit ausgeschlossen; der Schädiger ist von der Haftung freigestellt (vgl. Lemcke ZAP, Fach 2, 199 ff). </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Für den vorliegenden Fall kann aber die neue Regelung bedeutsam sein. Während nach altem Recht lediglich Ersatzansprüche eines Versicherten gegen einen in demselben Betrieb tätigen Betriebsangehörigen gesperrt waren, wenn dieser durch eine betriebliche Tätigkeit einen Arbeitsunfall verursacht hatte, kommt nach neuem Recht die Haftungsfreistellung schon dann in Betracht, wenn Versicherte mehrerer Unternehmen vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichten (zu den übrigen hier nicht bedeutsamen Änderungen vgl. die Gegenüberstellung bei Lemcke a.a.O., S. 207).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Tragweite dieser Neuregelung ist streitig und in der Rechtsprechung bisher nicht hinreichend geklärt. Die Streitfragen werden zumeist anhand von Baustellenunfällen diskutiert, wobei unterschiedliche Anforderungen bezüglich der Frage gestellt werden, inwieweit die Arbeitsbereiche der Beteiligten miteinander verknüpft sein müssen. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Teilweise wird die Auffassung vertreten, daß bei derartigen Baustellenunfällen ausnahmslos die Haftungsersetzung eingreift. Eine gemeinsame Betriebsstätte soll danach bereits gegeben sein, wenn verschiedene Unternehmen dort auftragsgemäß Leistungen zu erbringen haben; auf ein gemeinsames Tätigwerden soll es nicht ankommen, sondern nur auf ein gegenständliches, räumliches und zeitliches Überschneiden der Tätigkeitsbereiche (vgl. Kater in: Kater/Leube, Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII, 1997, § 106 Rz 16 ff.; Stern-Krieger/Arnau, VersR 97, 410 ff., Geigel/Kolb, 22. Aufl., Kapitel 31 Rz 84; ähnlich Jahnke, </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">r+s 99, 353, so auch OLG Karlsruhe, r+s 99, 373 und 375; OLG Saarbrücken, r+s 99, 374). Für diese Auffassung kann sprechen, daß der Gesetzgeber mit der Neuregelung anscheinend einen erweiterten Schutz der Arbeitnehmer vor Inanspruchnahme durch andere Arbeitnehmer intendiert hat, mit denen sie auf Baustellen oder Einrichtungen zusammenkommen, in denen sich die Tätigkeitsbereiche in ähnlicher Weise überschneiden. Dieses Schutzbedürfnis tritt dann besonders hervor, wenn etwa der Arbeitgeber eines kleinen Betriebes keine oder keine ausreichende Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen hat, was der Arbeitnehmer nur in seltenen Fällen hinreichend übersehen kann. Von den Vertretern dieser Auffassung wird der Wegfall der Haftpflichtansprüche einschließlich der Schmerzensgeldansprüche des Verletzten hingenommen, weil er gesetzlichen Unfallversicherungsschutz genießt. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Vertreter der engeren Auffassung bezweifeln wegen der versteckten Stellung der Neuregelung und wegen des Fehlens von Hinweisen in der amtlichen Begründung, daß der Gesetzgeber die Rechte des Falles derart weitgehend einschränken wollte (vgl. Otto, NZV 96, 473, 477; Greger, StVG, 3. Aufl., Anhang II Rz 26). Sie legen die Neuregelung als Aufnahmevorschrift eng aus und fordern, daß sich die Unternehmen nicht nur zufällig auf der Betriebsstätte begegnen dürfen; es wird gefordert, daß die Unternehmen einen gemeinsamen Zweck verfolgen und nur deshalb auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätig werden (vgl. Maschmann, SGB 98, 54 ff.; Waltermann, NJW 97, 3401 ff.; Lemcke, ZAP, Fach 2, S. 199 ff.; derselbe, r+s 99, 376; Baethge, NZA 99, 73 ff; so auch OLG Braunschweig, Urteil vom 8.7.99 - 2 U 192/98). </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Das Prozeßkostenhilfeverfahren dient nicht dem Zweck, über zweifelhafte Rechtsfragen vorweg abschließend zu entscheiden (vgl. OLG Dresden, ZIP 99, 889; Zöller/Philippi, ZPO, 21. Aufl., 1999, § 114 Rz 21). Schon deshalb kann der beabsichtigten Klage die Erfolgsaussicht nicht im Hinblick auf eine mögliche Haftungsprivilegierung des Beklagten gem. § 106 Abs. 3 SGB VII verneint werden. </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat sich - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - mit der Bedürftigkeit der Klägerin als weiterer Voraussetzung für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nicht befaßt. Diese Überprüfung wird im Rahmen der erneuten Bescheidung des Prozeßkostenhilfe-Antrags nachzuholen sein. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">5.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf Nr. 1952 der Anlage 1 zu § 11 Abs. 2 GKG; § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO. </p>
|
114,444 | ag-dusseldorf-1999-09-22-22-c-1836296 | {
"id": 653,
"name": "Amtsgericht Düsseldorf",
"slug": "ag-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 22 C 18362/96 | 1999-09-22T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:44 | 2019-01-18T16:07:04 | Urteil | ECLI:DE:AGD:1999:0922.22C18362.96.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.229,81 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 12.09.1996 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Kosten des Rechtsstreits – einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens – werden der Klägerin zu 69 % und der Beklagten zu 31 % auferlegt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung von 2.500,00 DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung von 1.400,00 DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die jeweils zu leistenden Sicherheiten können auch in der Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><strong>T a t b e s t a n d :</strong></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung des Reisepreises wegen reisevertragsrechtlicher Gewährleistung in Anspruch. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Auf der Grundlage der schriftlichen Reisebestätigung der Firma L-Reisen vom 03.05.1996 (Bl. 15 GA) verbrachten die Klägerin und ihr Ehemann in der Zeit vom 25.05. bis zum 08.06.1996 ihren Urlaub anläßlich einer von der Beklagten veranstalteten Pauschalreise in die Türkei. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgenannte Reisebestätigung verwiesen. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Nachdem die ursprünglich gebuchte Unterkunft wegen Überbuchung nicht bezogen werden konnte und die Klägerin mit dem ihr zunächst zugewiesenen Ausquartier nicht einverstanden war, wurden ihr und ihrem Ehemann ein Zimmer im Feriendorf N zugewiesen. Die Klägerin behauptet, die von der Beklagten veranstaltete Reise sei überwiegend mängelbehaftet gewesen. Die Anlage N sei nur halb fertiggestellt gewesen, so dass täglich Baulärm habe hingenommen werden müssen. Der feinsandige Strandabschnitt sei nicht schnell erreichbar gewesen. Es habe kein a-la-carte-Restaurant, kein Mitternachtssnack, kein türkisches Café und keine größere Auswahl am Büfett gegeben. Es seien lediglich drei bis vier verschiedene Mahlzeiten angeboten worden. Diese seien ungenießbar gewesen. Es habe keine Wasserrutsche, kein kostenlose Inanspruchnahme von Massagen, keine kostenlosen Wassersportarten, keine Wäschespinne auf dem Balkon, keine Unterhaltung und keine Sport- und Fitnessangebote gegeben. Zudem habe auf dem Zimmer das Radio und das Satellitenfernsehen gefehlt. Zudem seien die Speiseräume nicht klimatisiert gewesen. In der Anlage N1, in der sie zunächst zwei Tage untergebracht gewesen seien, sei auf dem Zimmer ebenfalls kein Radio und kein Fernsehen vorhanden gewesen. Zudem sei Schimmel im Badezimmer vorhanden gewesen. Die Zimmer seien schmutzig gewesen. Darüber hinaus habe direkt neben dem Zimmer eine Baustelle gelegen. Zudem habe man mit Überbelegung und einem täglichen Kampf um die Sonnenschirme zurechtkommen müssen. Die Mängel der Ferienanlage N seien bereits am 27.05.1996 gegenüber der örtlichen Reiseleitung der Beklagten gerügt worden.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin erachtet eine 100 %ige Minderung des Reisepreises für gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.958,00 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 12.09.1996 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte behauptet, Unterhaltung sei durch Folklore-Abende, Gesellschaftsabende und internationale Unterhaltungsprogramme angeboten worden.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Das erkennende Gericht hat die Klage durch Urteil vom 20.08.1997 abgewiesen. Durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 17.04. letzten Jahres wurde dieses Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das erkennende Gericht zurückverwiesen. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"><strong>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</strong></p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im übrigen ist sie unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin steht der klageweise gegenüber der Beklagten geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises im zuerkannten Umfang gem. §§ 812 Abs. 1 S. 1, 651 d Abs. 1 BGB zu.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist zur Geltendmachung der der Klageforderung zugrunde liegenden reisevertragsrechtlichen Gewährleistungsansprüche vollumfänglich aktivlegitimiert. Das Gericht schließt sich insoweit der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf an, die dieses in seinem Urteil vom 23.04.1987 (NJW-RR 1987, 888, 889) geäußert hat. Danach gilt folgendes: Wer eine Reise für sich und andere Personen bucht, kann das auf zweierlei Weise tun. Entweder er bucht die Reise im eigenen Namen, so dass er Alleinreisender im Sinne von § 651 a BGB ist. Oder er schließt für die Mitreisende eigene Verträge ab, die diese als Reisende gegenüber dem Reiseveranstalter berechtigen und verpflichten. Es hängt von den abgegebenen Erklärungen und von dem Umständen ab, ob das eine oder das andere gewollt ist (vgl. § 164 Abs. 1 BGB). Bucht jemand für sich und seine Familienangehörigen (Ehefrau, Kinder), so liegt im allgemeinen ein Handeln im eigenen Namen vor, während umgekehrt bei einer Buchung für den Träger eines fremden namens die Umstände regelmäßig darauf hindeuten, dass der Anmeldende als Vertreter des Dritten handelt. Unstreitig hat im vorliegenden Fall die Klägerin die Reise gebucht. Unter Berücksichtigung der obengenannten Grundsätze bedeutet dies, dass allein die Klägerin Vertragspartnerin der Beklagten geworden ist mit der rechtlichen Folge, dass auch sie allein als Reisende aktivlegitimiert ist. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Reisepreis ist nach den eingangs genannten Vorschriften um 692,65 DM gemindert, weil die Klägerin abweichend von der Buchung untergebracht worden ist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Reisende grundsätzlich einen Anspruch auf die gebuchte Unterkunft hat, da diese ihm in der Regel in der Reisebestätigung zugesichert ist. Mit einer Ersatzunterkunft fehlt damit eine zugesicherte Eigenschaft, ohne dass es darauf ankommt, ob dadurch der Nutzen der Reise beeinträchtigt wird. Denn anderenfalls könnte der Reiseveranstalter durch Zuweisen von Ersatzobjekten mögliche Leerkapazitäten auffüllen. Dabei kommt es nach der Auffassung des erkennenden Gerichts auch nicht darauf an, ob die Ersatzunterkunft gleichwertig ist. Letzeres kann hier jedoch dahinstehen, da sich bereits aus den Prospektbeschreibungen der Beklagten, welche die Klägerin in Kopie zu den Gerichtsakten gereicht hat, ergibt, dass der von der Kläger ursprünglich gebuchte Aufenthalt im Club Q mit der Unterbringung im Feriendorf N nicht zu vergleichen ist. Vergleichbar ist hier allenfalls, dass beide Ferienanlagen sich in räumlicher Nähe zueinander befinden. Hier hört die Vergleichbarkeit jedoch auch schon auf, wenn man sich die Prospektbeschreibung der einzelnen Anlagen vergegenwärtigt. </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Das Gericht erachtet hier in Anlehnung an die sogenannte Frankfurter Tabelle zur Reisepreisminderung eine Minderungsquote von 17,5 % für angemessen. Dies entspricht einem Betrag von 692,65 DM.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Reisepreis ist darüber hinaus um 28,27 DM gemindert, weil auf dem Zimmer des ersten Ausweichquartiers, dem Hotel N1, weder Radio noch Fernseher zur Verfügung stand. Das Gericht erachtet hier eine Minderung des Reisepreises in Höhe von 5 % des auf 2 Tage entfallenden Reisepreises für angemessen. unter Berücksichtigung dessen, dass die Reise insgesamt 14 Tage dauerte und der Reisepreis 3.958,00 DM betrug, ergibt sich ein Tagesreisepreis in Höhe von 282,71 DM. Demzufolge entsprechen 5 % des auf 2 Tage entfallenden Reisepreises einem Betrag von 28,27 DM. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus vermag die Klägerin den Reisepreises um 339,26 DM mindern, weil im Feriendorf N entgegen den Prospektangaben kein Unterhaltungsprogramm angeboten worden ist. In der Prospektbeschreibung der Beklagten heißt es insoweit, dass ein internationales Unterhaltungsprogramm angeboten wird. Darüber hinaus fänden gelegentlich Gesellschafts- und Folklore-Abende in der Anlage statt. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang einwendet, dass dieses Unterhaltsprogramm auch angeboten worden sei, ist ihr Vorbringen unsubstantiiert. Hier wäre es Sache der Beklagten gewesen, genau und konkret darzulegen, wann welche Unterhaltungsprogramme angeboten worden sein sollen. Das Gericht erachtet hier eine Minderungsquote von 10 % des auf 12 Tage entfallenden Reisepreises für ausreichend und angemessen. Dies entspricht dem Betrag von 339,26 DM.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Schließlich ist der Reisepreis um 169,63 DM gemindert, weil sich in der Unterkunft der Klägerin im Feriendorf N weder ein Radio noch ein Fernseher mit Satellitenprogramm befunden haben. Dies hat die insoweit durchgeführte Beweisaufnahme bestätigt. Insbesondere der Zeuge K hat die diesbezüglichen Angaben der Klägerin bestätigt. Das Gericht sieht sich nicht veranlaßt, die Angaben dieses Zeugen in Zweifel zu ziehen. Denn seine Aussage war in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Sie wird insbesondere durch die Angaben des Zeugen M bestätigt. Belastungstendenzen zu Ungunsten der Beklagten sind weder bei dem Zeugen K noch bei dem Zeugen M anzunehmen. Insbesondere im Hinblick auf den Zeugen K nicht, weil der von diesem gegenüber der Beklagten geführte Rechtsstreit bereits geraume Zeit durch Vergleich beendet worden ist. Das Gericht erachtet hier eine Minderung von 5 % des auf 10 Urlaubstage entfallenden Reisepreises für angemessen. Dies entspricht einem Minderungsbetrag von 169,63 DM.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">In der Summe ergibt die Minderung den ausgeurteilten Betrag von 1.229,81 DM.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Eine weitere Minderung des Reisepreises kommt nicht in Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Soweit die Klägerin geltend macht, durch Baulärm gestört worden zu sein, ist ihr Vorbringen vollkommen unsubstantiiert. Die Klägerin teilt weder mit, in welchen Zeiträumen sie durch den Baulärm gestört worden sein will noch wo diese Störungen aufgetreten sein sollen (etwa nur im Zimmer, in der gesamten Anlage, ggf. auch am Strand). </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Auch die weiter in Bezug auf ihre Unterbringung in der Anlage N geltend gemachten Mängel sind vollkommen unsubstantiiert. So wird weder mitgeteilt, wo sich angeblich Schimmel im Badezimmer befunden haben soll noch inwiefern das Zimmer verschmutzt gewesen sein soll. Auch wird nicht mitgeteilt, inwiefern durch eine Baustelle direkt neben dem Zimmer die Reise beeinträchtigt worden sein soll (Lärm?). Gleiches gilt für die geltend gemachte Überbelegung. Soweit schließlich auf einen täglichen Kampf um die Sonnenschirme hingewiesen wird, ist dies ebenfalls nicht geeignet, Minderungsansprüche zu begründen, weil es sich hierbei um eine bloße Unannehmlichkeit handelt, welche im Zeitalter des Massentourismus entschädigungslos hinzunehmen ist. </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Im Hinblick auf die weiter von der Klägerin geltend gemachten Mängel in Bezug auf ihre Unterbringung in der Anlage N ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Klägerin Reisemängel nicht daraus herzuleiten vermag, dass die Ferienanlage N Leistungen vermissen ließ, welche die Prospektbeschreibung der Beklagten für den ursprünglich gebuchten Club Q verspricht. Denn die Klägerin hatte es in der Hand, entweder das Abhilfeangebot der Beklagten, sie und ihren Ehemann in der Anlage N unterzubringen, abzulehnen und in der Anlage N1 zu verbleiben mit der Begründung, die Unterbringung im N sei mit der gebuchten Unterbringung in der Anlage Q nicht gleichwertig, oder – wie hier geschehen – sich auf das Abhilfeangebot der Beklagen einzulassen. Dann kann die Klägerin sich zur Begründung eines Mangels aber nicht mehr auf die Eigenschaften des Clubs Q berufen, weil insofern von einer Vertragsänderung auszugehen ist. Der Reiseveranstalter kann den Reisenden nämlich nur dann anderweitig unterbringen, wenn unter anderem die Ersatzunterkunft für den Reisenden keine vertragswidrige Leistungsänderung darstellt. Demzufolge hätte die Klägerin die Unterbringung in der Anlage N mit der Begründung verweigern können, dass insoweit eine vertragswidrige Leistungsänderung vorliege. Wenn sie von diesem Recht gleichwohl keinen Gebrauch gemacht hat, konnte dies die Beklagte nur so verstehen, dass sie mit einer Leistungsänderung einverstanden ist. </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Demzufolge ist bei der Prüfung, ob die Reiseleistungen der Beklagten betreffend die Unterbringung in der Anlage N mangelhaft waren, die Prospektbeschreibung der Beklagten betreffend das Feriendorf N maßgeblich. Daraus folgt, dass die Umstände, die die Klägerin unter Ziff. 1., 3., 4., 5., 6., 8. und 11. geltend macht, keine Mängel der Reiseleistungen der Beklagten sind, weil die Prospektbeschreibung betreffend das Feriendorf N insofern keine Zusicherungen enthält. Dies gilt auch, soweit die Klägerin anführt, es habe kein a-la-carte-Restaurant, kein Mitternachtssnack und kein türkisches Café gegeben, weil dies in der Prospektbeschreibung der Beklagten betreffend das Feriendorf N nicht zugesagt wird. Insoweit ist auch der Vergleich der Klägerin betreffend die Auswahl von warmen Gerichten zwischen dem Club Q und des Feriendorfs N rechtlich nicht von Belang. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang behauptet, die Speisen seien ungenießbar gewesen, ist ihr vorbringen unsubstantiiert.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Abschließend sei darauf hingewiesen, dass Gewährleistungsansprüche nicht gem. § 651 d Abs. 2 BGB ausgeschlossen sind. Die Beweisaufnahme hat die Behauptung der Klägerin bestätigt, dass der Umstand, dass ihr Zimmer in dem Feriendorf N weder ein Radio noch Satellitenfernsehen aufgewiesen hat, noch am 27.05.1996 gegenüber der örtlichen Reiseleitung der Beklagten moniert worden ist. Dies hat der Zeuge K bestätigt. Letzteres gilt auch hinsichtlich der fehlenden Unterhaltungsprogramme. Denn der Zeuge K hat anläßlich seiner Vernehmung auf die schriftliche Mängelanzeige (Bl. 18 u. 19 GA) Bezug genommen und in diesem Zusammenhang bekundet, dass „wir … unsere Ansprüche auch schriftlich fixiert“ haben. Hieraus („auch“) folgt, dass dieser Umstand auch Gegenstand der mündlichen Mängelrüge gewesen sein muss.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Nach alledem war die Beklagte in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu verurteilen. </p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 284 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 S. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1.</p>
|
114,445 | lg-dortmund-1999-09-22-10-o-13899 | {
"id": 806,
"name": "Landgericht Dortmund",
"slug": "lg-dortmund",
"city": 407,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 10 O 138/99 | 1999-09-22T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:44 | 2019-01-18T16:07:05 | Urteil | ECLI:DE:LGDO:1999:0922.10O138.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>T a t b e s t a n d</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist Betreiberin des D 2-Mobil-Funknetzes.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><i>S</i>ie schließt entweder über ihr unterstellte Geschäftsstellen</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">oder über Vertragshändler Verträge mit Endkun-</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">den über den Zugang zu dem von ihr betriebenen Netz ab.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Verträge haben eine Laufzeit von 24 Monaten und</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">enthalten jeweils eine Verlängerungsklausel. Die für</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">die Klägerin tätigen Händler erhalten für ihre Vermittlungstätigkeit</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Provisionen, deren Höhe jeweils abhängig</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">ist von den Tarifen, die mit den Endkunden vereinbart</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">werden. Der Beklagte vermittelt u.a. Netzkartenverträge,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">und zwar für sämtliche Mobilfunknetzbetreiber</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">in der Bundesrepublik, darunter auch für die Klägerin.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">In einem Rundschreiben vom 01. März 1999 warb der Beklagte</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">unter der blickfangmäßig herausgestellten Überschrift</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">" Jetzt oft 2.000,00 bis 40.000,00 DM</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Provision für D-Netz-Kartenwechsel direkt</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">von Q alle 2 Jahre u.a. wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">…</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Wegen Überlastung versäumen immer mehr</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Entscheider, ihre D-Netz-Kartenverträge</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">rechtzeitig zu kündigen und verschenken</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">dadurch viel Geld. Alle 24 Monate bekommen</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">sie oft hohe Beträge direkt von Q <u>ausgezahlt</u>.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Minutenpreise können drastisch gesenkt werden.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Beispiel für eine Flotte mit 26 Fahrzeugen:</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Bei einer Grundgebühr von 29,95 DM (T-D1Telly</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Local) mit tagsüber 0,68 DM/Min. zum</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">nationalen Festnetz erhalten Sie von uns</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">bei Abschluss eines 24-Monats-Vertrages</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">DM 8.746,40 DM (incI. Mwst.)</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">als provision, wahlweise per Scheck oder</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Überweisung .... "</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 07. April 199 wandte sich der Beklagte </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">unter anderem an die I KG in S</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">und unterbreitete ihr mehrere schriftliche Angebote,</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">in denen es unter anderem wie folgt heißt:</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">"Für Ihren Betrieb können wir Ihnen folgendes</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Angebot unterbreiten:</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Bei Abschluss von 105 Funktelefonanschlüssen</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">im D 2 – Fun Tarif können wir Ihnen je Anschluss</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">eine einmalige Grundgebührenerstattung</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">in Höhe von 266,80 DM (incl. Mwst.) anbieten.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks"><u>Erstattungsbetrag: 28.014,00 DM</u></p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">…"</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">"Den Betrag können Sie wahlweise als Scheck</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">bzw. als Gutschrift auf Ihr Konto erhalten…</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">In einem weiteren Angebot heißt es wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">" Für Ihren Betrieb können wir Ihnen folgendes</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Angebot unterbreiten:</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Bei Abschluss von 105 Funktelefonanschlüssen</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">im D 1 - Telly Local Tarif können wir Ihnen</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">je Anschluss eine einmalige Grundgebüh-</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">renerstattung in Höhe von 313,20 DM (incl.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Mwst) anbieten.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks"><u>Erstattungsbetrag: 32.886,00 DM</u></p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">....</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Den Betrag können Sie wahlweise als Scheck</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">bzw. als Gutschrift auf Ihr Konto erhalten.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">…"</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Zu einem weiteren Angebot heißt es wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">"Für Ihren Betrieb können wir Ihnen folgendes</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Angebot unterbreiten:</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Bei Abschluss von 105 Funktelefonanschlüssen</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">in E-Plus-Service-Privat-Tarif können wir Ihnen</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">je Anschluss eine einmalige Grundgebührenrstattung</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">in Höhe von 336,40 DM (incl. Mwst) anbieten.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks"><u>Erstattungsbetrag: 35.322,00 DM</u></p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Den Betrag können Sie wahlweise als Scheck</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">bzw. als Gutschrift auf Ihr Konto erhalten</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">... "</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Rund-</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">schreiben vom 01. März 1999 sowie auf das Angebotsschreiben</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">vom 07. April 1999 nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hält die Werbung des Beklagten unter dem</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens und des Verleitens</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">zum Vertragsbruch für wettbewerbswidrig. Außerdem</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">verstoße der Beklagte, wie sie meint, gegen die Bestimmungen</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">der Zugabeverordnung und des Rabattgesetzes.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">den Beklagten zu verurteilen,</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">es bei Meidung eines vom Gericht für jeden</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">bis zu DM 500.000,00, ersatzweise</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">im geschäftlichen Verkehr der Telekommunikation</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">zu Zwecken des es Wettbewerbs</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">die an Partner von D-Netz-Kartenverträgen gerichtete</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Empfehlung der rechtzeitigen Kündigung</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">von D-Netz-Kartenverträgen mit dem Angebot</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">zu verbinden, bei Abschluss eines neuen</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">24-Monats-Vertrages eine Provision an den</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Vertragspartner auszuzahlen und/oder mit einem</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">solchen Angebot für die Vertragskündigung</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">zu werben,</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">insbesondere</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">wenn dies mit dem blickfangmäßig herausgestellten</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Hinweis</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">"jetzt oft 2.000,00 bis 40.000,00 DM Provision</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">für D-Netz-Kartenwechsel direkt von</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Petri alle zwei Jahre"</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">nach Maßgabe nachfolgend abgelichteten Rundschreibens</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">geschieht:</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">und/oder</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">Kunden oder Interessenten für die Ausstattung</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">mit einer Mehrzahl von Funktelefonanschlüssen</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">in bestimmt bezeichneten Mobilfunktarifen eine</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">Erstattung von Grundgebühren in einem Gesamtbetrag,</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">der sich aus der Multiplikation</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">der Anzahl von Funktelefonanschlüssen mit dem</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">einmaligen Erstattungsbetrag je Anschluss ergibt,</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">anzubieten und/oder für ein solches Angebot</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">zu werben,</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">insbesondere,</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">wenn dies nach Maßgabe des nachfolgend abgelichteten</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">Angebotsschreibens geschieht:</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">durch Vorlage eines nach Ort, Zeit, Dauer,</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">(Verbreitungs-) Form, Inhalt, Namen und Anschriften</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">der Adressaten und Empfänger sowie</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">nach Zahl der Tathandlungen gegliederten Ver-</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">zeichnisses ihr darüber Auskunft zu</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">erteilen, in welchem Umfang die</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">vorstehend unter Ziffer I.1. bezeichneten</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">etwa betriebener Werbung, aufgeschlüsselt</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">nach Werbeträgern, Auflagen und Stückzahlen</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">pro Auflage pro Werbeträger, nach Verbreitungsgebieten</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">und Verbreitungszeiten;</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet</p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">ist, ihr allen Schaden zu erstatten, welcher ihr</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">durch die vorstehend unter Ziffer I.1. bezeichneten</p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks">Handlungen entstanden ist und künftig noch</p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">entstehen wird.</p>
<span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks">Er ist der Auffassung, seine Werbung sei nicht zu beanstanden.</p>
<span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks">Er habe, wie er geltend macht, auf die Tarife</p>
<span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks">der Netzbetreiber keinen Einfluss und könne in dem sich</p>
<span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks">verstärkenden Wettbewerb nur so reagieren, dass er einen</p>
<span class="absatzRechts">148</span><p class="absatzLinks">Teil seiner Provisionen, die er für die Vermittlung</p>
<span class="absatzRechts">149</span><p class="absatzLinks">der Netz-Kartenverträge erhalte, an seine Kunden auskehre.</p>
<span class="absatzRechts">150</span><p class="absatzLinks">Er greife auch nicht in bestehende Vertragsverhältnisse</p>
<span class="absatzRechts">151</span><p class="absatzLinks">ein und fordere auch nicht zum Vertragsbruch</p>
<span class="absatzRechts">152</span><p class="absatzLinks">auf. Er gebe mit seiner Werbung Interessenten lediglich</p>
<span class="absatzRechts">153</span><p class="absatzLinks">die Möglichkeit, bei Ablauf ihres Altvertrages die veränderten</p>
<span class="absatzRechts">154</span><p class="absatzLinks">Konditionen der Netzbetreiber miteinander zu</p>
<span class="absatzRechts">155</span><p class="absatzLinks">vergleichen. Derartige Wechselangebote seien auch</p>
<span class="absatzRechts">156</span><p class="absatzLinks">durchaus üblich.</p>
<span class="absatzRechts">157</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens</p>
<span class="absatzRechts">158</span><p class="absatzLinks">wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien</p>
<span class="absatzRechts">159</span><p class="absatzLinks">gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">160</span><p class="absatzLinks"><b><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</u></b></p>
<span class="absatzRechts">161</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">162</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche</p>
<span class="absatzRechts">163</span><p class="absatzLinks">nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">164</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">165</span><p class="absatzLinks">Ansprüche gem. §§ 1 Abs. 1, 2 ZugabeVO scheiden aus.</p>
<span class="absatzRechts">166</span><p class="absatzLinks">Für Geldzugaben gilt gemäß § 1 Abs. 2 b ZugabeVO das</p>
<span class="absatzRechts">167</span><p class="absatzLinks">Zugabeverbot des § 1 Abs. 1 ZugabeVO nicht. Das gilt</p>
<span class="absatzRechts">168</span><p class="absatzLinks">unabhängig von der Höhe des jeweiligen Geldbetrages.</p>
<span class="absatzRechts">169</span><p class="absatzLinks">Für Geldzugaben gibt es - zugaberechtlich – keine Geringwertigkeitsgrenze.</p>
<span class="absatzRechts">170</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">171</span><p class="absatzLinks">Auch Ansprüche wegen eines Verstoßes gegen das Rabattgesetz</p>
<span class="absatzRechts">172</span><p class="absatzLinks">(§ 12 Rabattgesetz, § 823 Abs. 2 BGB i.v.m. § 1 ff.</p>
<span class="absatzRechts">173</span><p class="absatzLinks">Rabattgesetz) scheiden aus. Bei den von dem Beklagten</p>
<span class="absatzRechts">174</span><p class="absatzLinks">angekündigten Provisions- und Rückerstattungszahlungen</p>
<span class="absatzRechts">175</span><p class="absatzLinks">handelt es sich nicht Preisnachlässe im Sinne des § 1</p>
<span class="absatzRechts">176</span><p class="absatzLinks">Abs. 2 Rabattgesetz. Aus der Sicht der von dem Beklag<i>-</i></p>
<span class="absatzRechts">177</span><p class="absatzLinks">ten mit der Werbung angesprochenen Verbraucher handelt</p>
<span class="absatzRechts">178</span><p class="absatzLinks">es sich um Zugaben, die unterschiedslos jedem Kunden,</p>
<span class="absatzRechts">179</span><p class="absatzLinks">der sich für bestimmte Tarife entscheidet, gewährt wer-</p>
<span class="absatzRechts">180</span><p class="absatzLinks">den. Sie sind Bestandteil des von dem Beklagten verlangten</p>
<span class="absatzRechts">181</span><p class="absatzLinks">Normalpreises.</p>
<span class="absatzRechts">182</span><p class="absatzLinks">Bei den von dem Beklagten beworbenen Preisen handelt es sich</p>
<span class="absatzRechts">183</span><p class="absatzLinks">auch nicht um Sonderpreise im Sinne des § 1 Abs. 2, 2 Alternative</p>
<span class="absatzRechts">184</span><p class="absatzLinks">Rabattgesetz. Die Werbung des Beklagten enthält keinen Hinweis darauf, </p>
<span class="absatzRechts">185</span><p class="absatzLinks">dass er die von der Klägerin beanstandeten Vergünstigungen nur</p>
<span class="absatzRechts">186</span><p class="absatzLinks">einzelnen Kunden oder Kundengruppen allein wegen ihrer Zugehörigkeit</p>
<span class="absatzRechts">187</span><p class="absatzLinks">zu einem bestimmten Verbraucherkreis einräumt. Soweit der Beklagte in seiner Klageerwiderungsschrift angegeben hat, dass seine Angebote überwiegend an Transport- und Speditionsunternehmen sowie Selbstständige gegangen seien,</p>
<span class="absatzRechts">188</span><p class="absatzLinks">ergibt sich nichts anderes. Hierbei handelt es sich um den Hauptkundenkreis</p>
<span class="absatzRechts">189</span><p class="absatzLinks">des Beklagten. Abgesehen davon besteht hier kein Anhaltspunkt dafür, dass</p>
<span class="absatzRechts">190</span><p class="absatzLinks">die beworbenen Preise nur für die Kunden oder Kundengruppen gelte. Sollten, die die Werbeschreiben des Beklagten erhalten haben.</p>
<span class="absatzRechts">191</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">192</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin stehen auch keine Ansprüche gem. § 1 UWG zu. Die Werbung des Beklagten verstößt insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt des </p>
<span class="absatzRechts">193</span><p class="absatzLinks">übertriebenen Anlockens gegen § 1 UWG. Ob ein Anlocken als übertrieben zu</p>
<span class="absatzRechts">194</span><p class="absatzLinks">werten ist, ist nicht allein vom Wert der Zuwendung abhängig.</p>
<span class="absatzRechts">195</span><p class="absatzLinks">Es kommt auf die Gesamtwürdigung des Einzelfalls</p>
<span class="absatzRechts">196</span><p class="absatzLinks">an, wobei Anlass und Zweck sowie die Person des Zuwendenden</p>
<span class="absatzRechts">197</span><p class="absatzLinks">und Empfängers zu berücksichtigen sind</p>
<span class="absatzRechts">198</span><p class="absatzLinks">(Baumbach/Hefermehl, 21. Auflage, Rdn. 90 zu § 1 UWG).</p>
<span class="absatzRechts">199</span><p class="absatzLinks">Danach ist die hier in Rede stehende Werbung nicht zu</p>
<span class="absatzRechts">200</span><p class="absatzLinks">beanstanden.</p>
<span class="absatzRechts">201</span><p class="absatzLinks">Der Wert der beworbenen Zuwendungen pro Anschluss</p>
<span class="absatzRechts">202</span><p class="absatzLinks">stellt sich mit Beträgen zwischen 266,80 DM und 336,40 </p>
<span class="absatzRechts">203</span><p class="absatzLinks">DM angesichts der Gesamtkosten bei einer Vertragslaufzeit</p>
<span class="absatzRechts">204</span><p class="absatzLinks">von 24 Monaten für die vornehmlich gewerblichen</p>
<span class="absatzRechts">205</span><p class="absatzLinks">Kunden der Beklagten nicht als ein "blendender" Betrag</p>
<span class="absatzRechts">206</span><p class="absatzLinks">dar. Die Kunden werden hierdurch in ihrer Entschließungsfreiheit</p>
<span class="absatzRechts">207</span><p class="absatzLinks">nicht eingeengt oder unsachlich beeinflusst.</p>
<span class="absatzRechts">208</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte wendet sich vornehmlich an Gewerbetreibende,</p>
<span class="absatzRechts">209</span><p class="absatzLinks">die vor einem Vertragsschluss Angebote der</p>
<span class="absatzRechts">210</span><p class="absatzLinks">verschiedensten Anbieter einzuholen und diese auch</p>
<span class="absatzRechts">211</span><p class="absatzLinks">sachgerecht zu prüfen pflegen. Es steht nicht zu erwarten,</p>
<span class="absatzRechts">212</span><p class="absatzLinks">dass sie sich dabei allein durch die von dem Beklagten</p>
<span class="absatzRechts">213</span><p class="absatzLinks">angekündigten Zuwendungen oder durch deren Höhe</p>
<span class="absatzRechts">214</span><p class="absatzLinks">beeinflussen lassen werden. Soweit es</p>
<span class="absatzRechts">215</span><p class="absatzLinks">den Wert der Zuwendung anbelangt, ist hier</p>
<span class="absatzRechts">216</span><p class="absatzLinks">zu berücksichtigen, dass auf dem Markt der Telekommunikation</p>
<span class="absatzRechts">217</span><p class="absatzLinks">Zuwendungen der verschiedensten Art mit einem</p>
<span class="absatzRechts">218</span><p class="absatzLinks">durchaus vergleichbaren Wert angeboten werden</p>
<span class="absatzRechts">219</span><p class="absatzLinks">( zum Beispiel: Handy für 0,00 DM bei gleichzeitigem Abschluss</p>
<span class="absatzRechts">220</span><p class="absatzLinks">eines Kartenvertrags, Startguthaben, Wegfall</p>
<span class="absatzRechts">221</span><p class="absatzLinks">der Grundgebühren über einen zumindest begrenzten Zeitraum, </p>
<span class="absatzRechts">222</span><p class="absatzLinks">Zahlung einer Aufwandentschädigung). Dem Wert dieser<i> </i>Zuwendungen</p>
<span class="absatzRechts">223</span><p class="absatzLinks">kommt für sich betrachtet - keine besondere Bedeutung zu.</p>
<span class="absatzRechts">224</span><p class="absatzLinks">Er stellt sich allenfalls als abrechnungsposition im Rahmen </p>
<span class="absatzRechts">225</span><p class="absatzLinks">der Gesamtbewertung und Prüfung des jeweiligen Angebotes dar. </p>
<span class="absatzRechts">226</span><p class="absatzLinks">Das gilt in besonderem Maße auch für den von dem Beklagten angesprochenen</p>
<span class="absatzRechts">227</span><p class="absatzLinks">Kundenkreis. Eine andere Bewertung unter dem</p>
<span class="absatzRechts">228</span><p class="absatzLinks">Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens ergibt sich</p>
<span class="absatzRechts">229</span><p class="absatzLinks">hier auch nicht deshalb, weil die Zuwendungen nach Wahl</p>
<span class="absatzRechts">230</span><p class="absatzLinks">des Kunden auch ausgezahlt werden können. Hier ist zu</p>
<span class="absatzRechts">231</span><p class="absatzLinks">berücksichtigen, dass eine derartige Zahlung erst nach</p>
<span class="absatzRechts">232</span><p class="absatzLinks">Ende der Vertragslaufzeit möglich ist, nachdem dem betreffenden</p>
<span class="absatzRechts">233</span><p class="absatzLinks">Kunden zum Teil bereits erhebliche Kosten</p>
<span class="absatzRechts">234</span><p class="absatzLinks">entstanden sind, so dass der Anlockeffekt, der von einem</p>
<span class="absatzRechts">235</span><p class="absatzLinks">derartigen Angebot ausgeht, nach Auffassung der</p>
<span class="absatzRechts">236</span><p class="absatzLinks">Kammer gering zu veranschlagen ist.</p>
<span class="absatzRechts">237</span><p class="absatzLinks">Die Werbung verstößt auch nicht unter dem Gesichtspunkt</p>
<span class="absatzRechts">238</span><p class="absatzLinks">des Verleitens zum Vertragsbruch gegen § 1 UWG. Die Abwerbung</p>
<span class="absatzRechts">239</span><p class="absatzLinks">von Kunden ist wettbewerbsrechtlich nicht zu</p>
<span class="absatzRechts">240</span><p class="absatzLinks">beanstanden. Das gilt auch dann, wenn die Kunden sich</p>
<span class="absatzRechts">241</span><p class="absatzLinks">noch in einer vertraglichen Bindung zu einem Mitbewerber</p>
<span class="absatzRechts">242</span><p class="absatzLinks">befinden. Der Beklagte wirkt mit seiner Werbung im</p>
<span class="absatzRechts">243</span><p class="absatzLinks">Übrigen auch nicht auf einen Vertragbruch hin. Seine</p>
<span class="absatzRechts">244</span><p class="absatzLinks">Angebote gelten ausschließlich für den Fall, dass die befristet</p>
<span class="absatzRechts">245</span><p class="absatzLinks">abgeschlossenen Verträge auslaufen. Der Hinweis</p>
<span class="absatzRechts">246</span><p class="absatzLinks">auf Kündigungsrechte ist offensichtlich keine Aufforderung</p>
<span class="absatzRechts">247</span><p class="absatzLinks">zum Vertragsbruch. Ob und inwieweit die Angebote</p>
<span class="absatzRechts">248</span><p class="absatzLinks">des Beklagten gegebenenfalls geeignet sind, im Einzelfall</p>
<span class="absatzRechts">249</span><p class="absatzLinks">Kunden der Klägerin zu veranlassen, sich bereits vor</p>
<span class="absatzRechts">250</span><p class="absatzLinks">Ablauf der Vertragslaufzeit aus dem Vertragsverhältnis</p>
<span class="absatzRechts">251</span><p class="absatzLinks">zu lösen und mit dem Beklagten einen Vertrag zu schlie-</p>
<span class="absatzRechts">252</span><p class="absatzLinks">ßen, kann dahinstehen. Dabei handelt es sich um ein Risiko,</p>
<span class="absatzRechts">253</span><p class="absatzLinks">das dem Leistungswettbewerb immanent ist.</p>
<span class="absatzRechts">254</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung</p>
<span class="absatzRechts">255</span><p class="absatzLinks">über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.</p>
|
114,451 | olgham-1999-09-22-13-u-13498 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
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"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 13 U 134/98 | 1999-09-22T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:45 | 2019-02-14T10:24:30 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0922.13U134.98.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist Vertragshändlerin der Adam Opel AG. Sie begehrt Ersatz wegen
der Beschädigung von Neufahrzeugen, die sie auf einem von ihr angemieteten Lagerplatz
an der I-Straße in H abgestellt hatte. Auf dem unmittelbar angrenzenden Gelände
betreibt die F GmbH eine Schleiferei. Das beim Schleifen anfallende Staubgemisch wurde
früher in 200-l-Fässern gesammelt und mit Lastkraftwagen abgefahren. Heute wird
der Staub von einer Absauganlage aufgefangen und gefiltert durch einen Exhauster nach draußen
abgeleitet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin behauptet, der Beklagte zu 1) habe am 11. Februar 1995 mit seinem bei
der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Lkw mehrere Fässer mit Staub abgeholt. Beim
Beladen mit dem auf dem Lkw montierten Kran seien zwei der Fässer hinuntergefallen und
zu Bruch gegangen. Dadurch seien größere N des Staubgemischs ausgetreten, vom
Südwind auf den Lagerplatz geweht worden und auf die dort kurz zuvor abgestellten Pkw
niedergegangen. 85 Fahrzeuge seien beschädigt worden. Roststaub sei in die Wachsschicht
und die Lackschicht eingedrungen und habe auch die Scheibenwischerblätter, die
Glasdächer einschließlich deren Dichtungen sowie die Dichtungen an Türen,
Kofferraumdeckeln und Scheiben beschädigt. Ferner seien Rostpartikel durch das
Lüftungssystem eingedrungen. Die Schadensentstehung sei durch S in der Zeit vom 11. bis
13. Februar 1995 begünstigt worden. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ließ die Fahrzeuge aufarbeiten. Sie hat dafür - gestützt
auf ein Gutachten des DEKRA-Sachverständigen Dipl.-Ing. V - Ersatz in Höhe von
297.491,11 DM zuzüglich einer Kostenpauschale von 3.400 DM (85 x 40 DM) verlangt und
ihre Klage hilfsweise auf merkantilen Minderwert in Höhe von 51.900 DM gestützt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie die
Klägerin - 300.891,11 DM nebst 9,5 % Zinsen seit dem 14. April 1995 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten - die Beklagte zu 2) dabei auch als Streithelferin des Beklagten zu 1) - haben beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 1) hat eingeräumt, daß bei dem Ladevorgang ein Faß ausgerissen
und weitere Fässer umgekippt seien. Dabei sei nur in geringfügigem Maße Roststaub
ausgetreten. Die von der Klägerin beschriebene Schadensverursachung durch Verwehung des
Roststaubs sei nicht möglich. Der Schaden sei durch einen Probelauf der Absauganlage
herbeigeführt worden.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu 2) hat den gesamten Schadenshergang bestritten und behauptet, der Betrieb der
Anlage der F GmbH habe die großflächige Verstaubung verursacht. Da die F GmbH keinen
Versicherungsschutz habe, sei zwischen ihr und dem Beklagten zu 1) vereinbart worden, diesen als
Schadensverursacher auszugeben. Der von der Klägerin geschilderte Schadenshergang sei wegen
des hohen Eigengewichts der Roststaubpartikel und der daraus resultierenden geringen Streuung
nicht möglich. Sie hat die Schadenshöhe bestritten und geltend gemacht, der Arbeitsaufwand
sei zu hoch angesetzt; eine Neulackierung sei nicht erforderlich gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat den Beklagten zu 1) persönlich gehört und Beweis erhoben durch
uneidliche Vernehmung der Zeugen D, U und T sowie durch Einholung eines schriftlichen - im Termin
mündlich erläuterten - Gutachtens des Sachverständigen Dr.-Ing. H2. Mit dem
angefochtenen Urteil hat es der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 261.909,32 DM
nebst Zinsen zugesprochen (242.260,63 DM Reparaturaufwand, 40 DM Kostenpauschale und
19.608,69 DM Wertminderung) und die Klage im übrigen abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil haben die Beklagten - die Beklagte zu 2) auch als Streithelferin des
Beklagten zu 1) - Berufung eingelegt. Der Beklagte zu 1) selbst ist im Berufungsverfahren
anwaltlich nicht mehr vertreten. Die Beklagte zu 2) bestreitet die Anzahl der abgestellten
Fahrzeuge und das Eigentum der Klägerin. Im übrigen wiederholt und vertieft sie ihr
erstinstanzliches Vorbringen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu 2) - zugleich Streithelferin des Beklagten zu 1) - beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Berufung zurückzuweisen und - im Wege der unselbständigen
Anschlußberufung - unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagten
zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerin insgesamt 300.891,11 DM nebst 9,5 % Zinsen
seit dem 14. April 1995 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Sie verteidigt das angefochtene Urteil, soweit es der Klage stattgegeben hat. Sie behauptet, sie
sei Eigentümerin von 83 der beschädigten Fahrzeuge gewesen; zwei Pkw hätten noch im
Eigentum der Adam Opel AG gestanden; diese sei mit der Geltendmachung der Forderung einverstanden.
Die Lohnkosten habe das Landgericht zu Unrecht um 40 % gekürzt. Es sei erforderlich gewesen,
die Reinigungsarbeiten von eigenen Arbeitskräften (auch Facharbeitern) durchführen zu
lassen; ein preisgünstigerer Weg habe nicht zur Verfügung gestanden. Hilfsweise berechnet
die Klägerin ihren Schaden konkret, wobei sie Arbeitsaufwand und entgangenen Gewinn näher
darlegt und mit insgesamt 348.953,74 DM beziffert. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Sie wendet sich auch gegen die Kürzung der Kostenpauschale und stützt die Klage hilfsweise
auf den vom Landgericht angerechneten Minderungsbetrag von 19.608,69 DM, dessen Höhe sie hinnimmt.
Hinsichtlich des Zinsanspruchs nimmt sie Bezug auf eine Bescheinigung der Opel-Bank vom 26. Januar 1999.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu 2) - zugleich als Streithelferin des Beklagten zu 1) - beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Anschlußberufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen U, F, P2, T, G2, M, O und U,
der sachverständigen Zeugen G und O, durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des
Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. X sowie durch Anhörung des Sachverständigen Dr.-Ing. H2
zur Erläuterung seines schriftliches Gutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird
auf den Inhalt des Berichterstattervermerks Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Beklagten zu 2) und Streithelferin des Beklagten zu 1) ist zulässig, in der
Sache aber nicht begründet. Die Anschlußberufung hat im wesentlichen Erfolg. Die Klage
ist - bis auf einen Teil des geltend gemachten Zinsanspruchs - begründet.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat gegen die Beklagten gem. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1
und 2 PflVG einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 300.891,11 DM.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat bewiesen, daß 85 der auf dem Lagerplatz I-Straße abgestellten
Neufahrzeuge durch Roststaub beschädigt worden sind, der am 11. Februar 1995 beim Beladen des
bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Lkw, dessen Halter und Fahrer der Beklagte zu 1)
war, entwichen ist.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">a) </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Mit der Berufungserwiderung hat die Klägerin substantiiert vorgetragen und belegt,
daß sie zum Zeitpunkt des Vorfalls Eigentümerin von 83 näher bezeichneten
Opel-Neufahrzeugen war. Darüber hinaus hat sie mit Schriftsatz vom 11. Januar 1999 eine
Bestätigung der Adam Opel AG überreicht, aus der hervorgeht, daß die Klägerin
bezüglich zwei weiterer Fahrzeuge des Typs Opel Corsa zur Geltendmachung der Ansprüche
ermächtigt ist. Diesen Darlegungen sind die Beklagten nicht entgegengetreten.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Aufgrund der glaubhaften Aussagen der Zeugen T, G2 und G steht fest, daß sämtliche
85 Fahrzeuge auf dem Lagerplatz standen und am Montag, dem 13. Februar 1995 mit Roststaub
beaufschlagt waren. 83 dieser Fahrzeuge sind in der handschriftlichen Liste aufgeführt,
welche die Klägerin als Anlage 2 zur Berufungserwiderung vorgelegt hat. Diese Liste hat
der Zeuge T gefertigt, als er die Fahrzeuge seinerzeit gemeinsam mit den Zeugen G2 und G sowie
dem DEKRA-Sachverständigen V besichtigte. Dabei wurde jedes einzelne Fahrzeug in Augenschein
genommen und aufgeschlossen. Soweit Schäden festgestellt wurden, wurden Typ und
Fahrgestellnummer von dem Zeugen T notiert. Daß zwei weitere Fahrzeuge beschädigt
waren, ergibt sich aus dem im Auftrag der Klägerin erstatteten DEKRA-Gutachten des
Sachverständigen V. Die für die Beklagte zu 2) seinerzeit ermittelnd tätigen
Zeugen M und Teufel haben bestätigt, daß eine große Anzahl der auf dem Lagerplatz
abgestellten Fahrzeuge durch Rostpartikel verschmutzt waren.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Ebenso wie schon das Landgericht ist der Senat davon überzeugt, daß sich am 11.
Februar 1995 beim Beladen des Lkw des Beklagten zu 1) ein Unfall ereignet hat. </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge U hat bekundet, er habe die mit Staubgemisch gefüllten Fässer damals mit
einem Gabelstapler nach draußen transportiert, wo sie der Beklagte zu 1) auf seinen Lkw
geladen habe. Plötzlich habe er, U, einen Knall gehört. Zu diesem Zeitpunkt sei er
etwa 30 bis 40 m von dem Lkw entfernt gewesen. Er habe sich umgedreht und eine Wolke von Staub
gesehen; ein Faß sei umgestürzt gewesen, vielleicht sei noch ein weiteres auf den
Boden gefallen; das umgestürzte Faß sei nicht ganz leer gewesen. Er habe daraufhin den
Meister (D) gerufen. </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Aussage des Zeugen U deckt sich im wesentlichen mit dessen erstinstanzlichen Bekundungen.
Den eigentlichen Ladevorgang hat der Zeuge in zweiter Instanz allerdings abweichend beschrieben.
Während er beim Landgericht bekundet hat, der Beklagte zu 1) habe die Fässer mit einem
Greifer gepackt, hat er bei seiner Vernehmung durch den Senat ausgesagt, der Beklagte zu 1) habe
zwei Löcher in die Fässer geschlagen und diese dann mit einer Kette hochgezogen. Dieser
unterschiedlichen Darstellung mißt der Senat keine Bedeutung bei. Entscheidend ist, daß
die Bekundungen zum Unfallgeschehen, soweit der Zeuge dies wahrgenommen hat (Knall beim Beladen
des Lkw, Staubwolke), übereinstimmen. Insoweit ist seine Aussage glaubhaft. Sie deckt sich
mit der Bekundung des Zeugen D, der bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht u.a. angegeben hat,
er selbst habe den Vorgang nicht beobachtet; sein Mitarbeiter habe ihm mitgeteilt, der Beklagte
zu 1) habe Probleme beim Beladen. Er sei nach draußen gegangen und habe festgestellt, daß
der Beklagte zu 1) im Gesicht schwarz gewesen sei und daß auch seine Hände schwarz
gewesen seien. Um den Lkw habe es eine Staubwolke gegeben. Vier bis fünf Fässer seien
umgekippt gewesen. Sie hätten auf der Ladefläche und auch auf dem Betonboden gelegen.
Aus ihnen sei Staub herausgekommen. Sie seien noch zur Hälfte voll gewesen, teilweise auch
noch voller. Daß beide Zeugen die Verschmutzung des Beklagten zu 1) unterschiedlich beschrieben
haben (U: "Er war ein bißchen staubig"; D: "Er sah aus wie ein schwarzer
Mann"), spricht nicht gegen, sondern eher für die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen, denn
beide haben den Beklagten zu 1) nicht zum selben Zeitpunkt beobachtet. Wurde Staub aufgewirbelt,
hatte sich die Staubentfaltung bis zu dem Moment, in dem der Zeuge D - von U herbeigerufen - nach
draußen kam, fortgesetzt. Daß der Beklagte zu 1) nunmehr stärker verschmutzt war
als unmittelbar nach dem Unfall, liegt nahe. </p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Aussagen der Zeugen stimmen mit den Angaben des Beklagten zu 1) bei seiner persönlichen
Anhörung vor dem Landgericht überein. Vorprozessual hat der Beklagte zu 1), wie die Zeugen
M, O und U bestätigt haben, allerdings mehrere unterschiedliche Darstellungen zum Unfallhergang
gegeben, insbesondere zu der Ladevorrichtung und zu der Anzahl der umgestürzten Fässer.
Worauf diese wechselnden Angaben beruhen, kann dahinstehen. Entscheidend ist, daß der Beklagte
zu 1) immer erklärt hat, am 11. Februar habe sich auf dem Gelände der Fa. F ein Ladeunfall
ereignet, bei dem Staub aus umgekippten Fässern entwichen sei. Dieses Kerngeschehen haben die
Zeugen D und U bestätigt. Auch dem Zeugen P2 gegenüber hat der Beklagte zu 1) von dem
Unfall berichtet. Der Zeuge P2, der bei U1, dem Auftraggeber der Fa. F, beschäftigt war, hat
bekundet, der Beklagte zu 1) habe ihm zwei/drei Tage oder eine Woche nach Unfall gesagt, er habe
zwei Fässer an den Haken genommen, um sie aufzuladen; sie seien heruntergefallen; es sei
Staub entwichen; der Wind habe den Staub zu den Autos geweht. Er, P2, habe den Staub gesehen,
auch auf den Autos. Richtig ist, daß der Senat in einem früheren Rechtsstreit (18 O 208/95
LG Essen = 13 U 23/97 OLG Hamm) die Unfallschilderung des Beklagten zu 1), der auf
Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch genommen wurde, für nicht plausibel
gehalten und den Unfall als nicht bewiesen angesehen hat. Dieser Umstand begründet ihm
gegenüber zwar ein gewisses Mißtrauen, sie veranlaßt den Senat aber nicht, dem
Beklagten zu 1) auch in diesem Rechtsstreit nicht zu folgen. Wie noch auszuführen sein wird,
hat die weitere Beweisaufnahme - insbesondere die sachverständige Begutachtung - nämlich
ergeben, daß die Unfallschilderung des Beklagten zu 1) - anders als in dem Vorprozeß -
diesmal plausibel ist.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Der auf den Fahrzeugen niedergegangene Roststaub stammt von der Fa. F und ist infolge des
Ladeunfalls auf das Nachbargrundstück geweht worden.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Der sachverständige Zeuge O, der sich u.a. mit Umweltschäden befaßt und den
die Beklagte zu 2) seinerzeit mit Untersuchungen in dieser Angelegenheit beauftragt hatte, hat
bekundet, er habe Versuche mit Abschleifstaub von der Fa. F unternommen und insbesondere dessen
Verhalten in der Luft beobachtet. Der Staub bestehe aus Eisenmaterial und aus Nichteisenmaterial.
Er habe Staub in die Luft werfen lassen und festgestellt, daß in 10 bis 15 m Entfernung
ausgelegte Flächen anschließend mit Roststaub beaufschlagt gewesen seien. Es sei eine
Wolke entstanden, die sich so, wie sie sich abgesetzt habe, auch entfernt habe. Die größeren,
schwereren Teilchen seien sofort niedergegangen.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die Beobachtungen des sachverständigen Zeugen O stimmen mit den Feststellungen des
Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. X, der sich insbesondere mit Staubteilchen beschäftigt,
überein. Er hat ausgeführt, er habe die Flugfähigkeit der Teilchen und deren
Schwebezeit untersucht. Die von ihm gewählte Vorgabe einer Fallhöhe von 2 m ist realistisch,
denn aufgrund der Angaben des Beklagten zu 1) ist davon auszugehen, daß ein Faß
heruntergefallen ist, als es sich über der Ladefläche des Lkw befand, und daß
dadurch andere Fässer umgekippt sind. In diesem Zusammenhang ist weiter zu berücksichtigen,
daß das Niveau des Lagerplatzes nach Angaben der Zeugen T und G2 1 bis 1,5 m tiefer (nach
Schätzung des Zeugen P2 sogar 2 bis 3 m tiefer) als das Betriebsgelände der Fa. F lag.
Die Versuche des Sachverständigen haben die Flugfähigkeit der Staubteilchen bestätigt.
Die Reichweite lag bei einer Größe von 50 My bei 15 m und bei einer Größe von
5 My bei 10 m. Damit lagen die Stellflächen der Fahrzeuge nach den Feststellungen des
Sachverständigen, der vor Ort war und dort auch Versuche unternommen hat, im Bereich der
Immission.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Wie der Sachverständige X weiter ausgeführt hat, genügte die Menge der freigesetzten
Staubteilchen, um den festgestellten Schaden an den 85 Fahrzeugen hervorzurufen. Um den gesamten
Stellplatz mit (feinem) Korn von der Größe 1 My zu bedecken, genügen nach Angaben
des Sachverständigen schon 20 kg. Der auf den Fahrzeugen vorgefundene Staub war fein. Wie der
Zeuge D in erster Instanz bekundet hat, wiegt ein mit Staub gefülltes Faß 750 bis 800 kg.
Daraus folgt, daß auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß nur ein Teil des gesamten
Staubs aus feinem Korn besteht, der Inhalt eines Fasses ausreichen kann, um den gesamten Lagerplatz mit
feinen Staubteilchen zu bedecken. Nichts anderes gilt, wenn - wie hier - mehrere Fässer teilweise
entleert werden.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">cc)</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die äußeren Bedingungen ließen es zu, daß der Staub von dem Gelände der Fa. F
auf den Lagerplatz der Klägerin wehte. Zum Zeitpunkt des Vorfalls herrschte nach Auskunft des
Deutschen Wetterdienstes im Raum H schwach bis mäßiger Wind der Stärke 5 und 6 m/s
vornehmlich aus Süd bis Südwest. Unstreitig lag der Lagerplatz der Klägerin in dieser
Windrichtung. Wie der Sachverständige Prof. Dr.-Ing. X ausgeführt hat, ist aufgrund der
Schilderungen der Zeugen U und D davon auszugehen, daß keine punktuelle Immission stattgefunden
hat, sondern daß der Vorgang der Verwehung mehrere Minuten gedauert hat. Daraus erklärt sich
die Verteilung einer verhältnismäßig geringen Staubmenge über einer relativ
großen Fläche.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">dd)</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Eine andere Schadensverursachung ist auszuschließen. Die Absauganlage der Fa. F war
seinerzeit noch nicht in Betrieb. Das haben die Zeugen F und P2 übereinstimmend bekundet.
Für eine vorzeitige Inbetriebnahme - oder einen Probelauf vor der TÜV-Abnahme - haben
sich keine Anhaltspunkte ergeben. Keiner der Zeugen konnte einen Lauf der Anlage bestätigen.
Dafür, daß der Staub nicht aus der Absauganlage herübergeweht ist, spricht nach
den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. X auch die
geringe Größe der auf den Fahrzeugen vorgefundenen Staubteilchen. Wenn Staub von 15 m
Höhe aus dem Schornstein ausgetreten wäre, hätten sich die feinen Staubpartikel
aller Voraussicht nach nicht auf den Fahrzeugen niedergeschlagen. Sie wären infolge ihrer
größeren Flugfähigkeit eher weiter weggeweht worden.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">e)</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Der Metallstaub hat sich außen auf den Fahrzeugen abgesetzt. Infolge Regeneinwirkung
waren die Metallteilchen korrodiert. Auf den Fahrzeugen waren, wie der Zeuge G2 ausgesagt
hat, zum Teil Rostbäche zu sehen. Die Staubteile waren nach den Feststellungen des
Sachverständigen V zudem in die Gummidichtungen und durch das Lüftungssystem in
das Innere der Fahrzeuge eingedrungen. Zudem waren, wie der Zeuge M bestätigt hat,
Glasdächer beschädigt.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">f)</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Der Schaden ist "bei dem Betrieb" des Lkw entstanden. Dieses Haftungsmerkmal ist nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entsprechend dem Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen
(BGHZ 105, 65, 66). Es umfaßt alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflußten
Schadensabläufe. Erforderlich ist allerdings, daß ein Zusammenhang mit der Bestimmung
des Kraftfahrzeugs als einer der Fortbewegung und dem Transport dienenden Maschine besteht; eine
Haftung nach § 7 StVG entfällt daher, wo die Fortbewegungs- und Transportfunktion des
Kraftfahrzeugs keine Rolle spielt und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird
(BGHZ 71, 212). Hier ist beim Beladen des Lkw ein Schaden entstanden. Das Ladegeschäft
zählt grundsätzlich zum Betrieb (Vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht,
34. Aufl., § 7 StVG, Rdn. 8).</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Mithin haftet der Beklagte zu 1) als Halter (§ 7 Abs. 1 StVG) und Fahrer des Lkw (§ 18
Abs. 1 StVG), während die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer gem. § 3 Nr. 1 PflVG
einstandspflichtig ist.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Der Schaden der Klägerin beträgt insgesamt mindestens 300.891,11 DM.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Die Instandsetzungskosten belaufen sich auf 283.672,82 DM netto. Die Klägerin verlangt -
gestützt auf das DEKRA-Gutachten - 297.491,11 DM. Der in dem Gutachten beschriebene Reparaturweg
war, wie der Sachverständige Dr.-Ing. H2 bestätigt hat, grundsätzlich richtig.
Sämtliche Fahrzeuge waren mit einem speziellen Rostentferner zu behandeln. Dazu mußten
sie zunächst entwachst werden. Anbauteile (wie Front- und Türverkleidungen, Scheinwerfer,
Rückleuchten, Außenspiegel, Dachabdeckleisten, Dichtungen, Zierleisten usw.) mußten
demontiert werden. Anschließend wurde der Metallstaubentferner aufgetragen und nach einer
Einwirkungszeit von zehn Minuten mit reichlich Wasser wieder abgespült. Soweit erforderlich,
war diese Behandlung mit dem Metallstaubentferner ein weiteres Mal auszuführen. Anschließend
waren alle Fahrzeuge zu polieren und in der Regel wieder einzuwachsen. Demontierte Anbauteile waren wieder
anzubringen. Nicht instandsetzbare Teile wie Dichtungen, Wischerblätter, Zierleisten, Firmenzeichen
und - soweit vorhanden - Glasdächer mußten ersetzt werden. Darüber hinaus mußten die
Fahrzeuge innen gereinigt werden. </p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Die Höhe der in dem DEKRA-Gutachten angesetzten Materialkosten hält der Sachverständige
Dr.-Ing. H2 in vollem Umfang für gerechtfertigt. Die Lohnkosten belaufen sich nach dem DEKRA-Gutachten
auf insgesamt 138.182,85 DM. Diesen Betrag hält der Sachverständige Dr.-Ing. H2 für
übersetzt. Nach seiner Auffassung war es nicht erforderlich, sämtliche Arbeiten durch
eigene Arbeitskräfte vornehmen zu lassen. Für Reinigungsarbeiten seien keine Facharbeiter
heranzuziehen. Hier genüge der Einsatz von (preisgünstigeren) Autowäschern. Diese
Beurteilung ist zwar grundsätzlich richtig, sie wird aber den besonderen Umständen dieses
Falles nicht gerecht. Hier waren keine "normalen" Reinigungsarbeiten auszuführen,
sondern es ging um die Entfernung von Roststaub. Eine solche Tätigkeit zählt nicht zu den
üblichen Arbeiten von Autowäschern. Bei der Behandlung der Fahrzeuge mit dem Rostentferner
war größte Sorgfalt geboten. Das eingesetzte Produkt mußte gleichmäßig mit
einer Bürste aufgetragen werden, es mußte zehn Minuten einwirken, durfte dabei aber nicht
eintrocknen. Anschließend mußten die Fahrzeuge gründlich gewaschen werden. Wenn dieser
Arbeitsvorgang nicht gewissenhaft ausgeführt wurde, drohten weitere Schäden, die gegebenenfalls
eine Neulackierung erforderlich gemacht hätten. Weil mit solchen Arbeiten deshalb nur
verläßliche Arbeitskräfte betraut werden können, ist der Einsatz von Facharbeitern
nicht zu beanstanden. Würden geringer qualifizierte Arbeitskräfte eingesetzt, wäre es
unumgänglich, sie zu beaufsichtigen und zu kontrollieren. Eine nennenswerte Einsparung ergäbe
sich dadurch nicht.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Wie der Sachverständige Dr.-Ing. H2 weiter ausgeführt hat, ist in dem DEKRA-Gutachten
nicht hinreichend berücksichtigt, daß die Fahrzeuge unterschiedlich stark verschmutzt
waren. Wie die Zeugen T, G2 und M übereinstimmend ausgesagt haben, waren die Fahrzeuge, die
weiter entfernt standen, weniger stark mit Metallstaub beaufschlagt als die, die nahe am
Nachbargrundstück abgestellt waren. Deshalb ist davon auszugehen, daß der Arbeitsumfang
von Fahrzeug zu Fahrzeug variierte. Insbesondere die Behandlung mit dem Rostentferner dürfte
bei den weniger betroffenen Fahrzeugen in einem Arbeitsgang zu erledigen gewesen sein, während
bei den stärker beaufschlagten Fahrzeugen eine mehrfache Behandlung notwendig gewesen sein
kann. Hinzu kommt, daß in dem DEKRA-Gutachten auch Kosten für das Entwachsen eines
Fahrzeugs angesetzt worden sind, das bereits entwachst war. Die von dem DEKRA-Gutachter angesetzten
Lohnkosten sind mithin zu kürzen, wobei die Kürzung jedoch in geringerem Umfang, als von
dem Sachverständigen Dr.-Ing. H2 vorgenommen, zu erfolgen hat. Bei der gem. § 287 ZPO
vorzunehmenden Schätzung der Schadenshöhe sind alle Unwägbarkeiten bezüglich des
tatsächlichen Schadensausmaßes in Rechnung zu stellen. Im Hinblick darauf hält der
Senat einen pauschalen Abzug von 10 % (= 13.818,29 DM) der in dem DEKRA-Gutachten angesetzten
Lohnkosten für sachgerecht. </p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die von der Klägerin geltend gemachte Kostenpauschale ist übersetzt. Ohne Nachweis
können nicht für jedes Fahrzeug 40 DM, also 85 x 40 DM = 3.400 DM in Ansatz gebracht
werden. Im Hinblick darauf, daß die Kosten der Schadensabwicklung angesichts des Schadensumfangs
hier deutlich höher liegen dürften als in den Fällen, in denen die Rechtsprechung
ohne Nachweis 40 DM anerkennt, hält der Senat eine Kostenpauschale von 400 DM für
gerechtfertigt (§ 287 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus steht der Klägerin eine Wertminderung in Höhe von 16.818,29 DM zu.
Wie der Sachverständige Dr.-Ing. H2 anläßlich der mündlichen Erläuterung
seines Gutachtens vor dem Landgericht überzeugend dargelegt hat, ist bei allen Fahrzeugen ein
Minderwert in Höhe von 1 % des jeweiligen Neuwertes anzusetzen. Wie das Landgericht zutreffend
ausgeführt hat, errechnet sich daraus nach Abzug der Mehrwertsteuer ein Gesamtbetrag von
19.608,69 DM. Diesen Betrag hat die Klägerin hilfsweise geltend gemacht. Er ist ihr in dem
Umfang zuzusprechen, in dem die Reparaturkosten und die pauschalen Kosten hinter dem Betrag der
Klageforderung zurückbleiben. </p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch rechtfertigt sich in dem zuerkannten Umfang gem. §§ 284 Abs. 1,
288 Abs. 1 BGB. Einen weitergehenden Zinsschaden (§ 286 BGB) hat die Klägerin nicht
nachgewiesen. Die von ihr vorgelegte Zinsbescheinigung der Opel Bank betrifft lediglich die
Finanzierung von Lagerfahrzeugen. Daß diese Kreditkosten ohne den Vorfall geringer gewesen
wären, ist nicht dargetan.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, diejenige über
die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.</p>
|
114,452 | olgham-1999-09-22-13-u-5499 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 13 U 54/99 | 1999-09-22T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:45 | 2019-02-14T10:24:33 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0922.13U54.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 21. August 1998 in D ereignete. Bei diesem Unfall wurde ihr Pkw beschädigt. Die Einstandspflicht der Beklagten ist unstreitig. Die Klägerin verlangt Ersatz auf Neuwagenbasis. Die Beklagte zu 2) hat auf Reparaturkostenbasis abgerechnet und 19.313,24 DM gezahlt. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Bei dem beschädigten Fahrzeug handelte es sich um einen Pkw SUBARU Impreza 2,0 GT, 5-türig, 1994 ccm, 155 kw, Farbe: calypsorot, den die Klägerin am 2. Juli 1998 als Neufahrzeug für 51.000 DM gekauft hatte. Die Erstzulassung erfolgte am 15. Juli 1998. Zum Unfallzeitpunkt hatte das Fahrzeug eine Laufleistung von mindestens 1.820 km.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Sachverständige L hat in seinem Schadensgutachten vom 27. August 1998 die Reparaturkosten auf 15.773,24 DM, die Wertminderung auf 3.500 DM und den Wiederbeschaffungswert auf 47.500 DM geschätzt. In einem Nachtragsgutachten vom 27. Oktober 1998 hat der Sachverständige ausgeführt, daß zusätzlich das Bodenblech gerichtet werden müsse. Im Hinblick darauf hat er die Höhe der Reparaturkosten auf 15.863,72 DM korrigiert. Sodann heißt es in seinem Gutachten wörtlich:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">"Es verbleibt das Risiko weiterer Beschädigungen an der Hinterachse; ein Verzug von Hinterachsträger, Achsgetriebeträger ist möglich, Biegungen von Querlenkern, Schubstreben sind nicht mit Sicherheit auszuschließen. Es könnten sich hieraus Kosten ergeben von abgeschätzt in guter Näherung zwischen inkl. MWSt. DM 470,00 und 920,00 und maximal DM 3.290,00.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">Anmerkung:</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">Der Anstoß war stark, der Schaden ist auch aus technischer Sicht erheblich, die Instandsetzung bringt einen deutlichen Eingriff in das Stabilitätsgefüge des Fahrzeuges."</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kaufte am 1. September 1998 als Ersatz einen Neuwagen Typ SUBARU Impreza 2,0 GT Turbo, 1994 ccm, 160 kw, Farbe San Remo, Perl-Effect-Lackierung (Aufpreis: 491,38 DM netto), mit elektrischem Schiebedach (Aufpreis 862,07 DM netto), zum Preis von 52.670 DM brutto. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">In erster Instanz hat die Klägerin die Differenz zwischen dem Kaufpreis des Neufahrzeugs (zuzüglich einer Pauschale von 40 DM) und der Ersatzleistung der Beklagten Zug um Zug gegen Übergabe des beschädigten Fahrzeugs verlangt. Sie hat den Unterschiedsbetrag mit 33.396,76 DM errechnet und behauptet, der beschädigte Pkw sei serienmäßig mit einem Schiebedach ausgestattet gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Nach Erlaß des angefochtenen Urteils, mit dem das Landgericht die Klage abgewiesen hat, hat die Klägerin den beschädigten Pkw unrepariert für 23.000 DM verkauft. Mit ihrer Berufung verlangt sie nunmehr noch 10.396,76 DM, nämlich den Kaufpreis für das Ersatzfahrzeug (52.670 DM) abzüglich bezahlter Reparaturkosten (15.773,24 DM), ersetzter Wertminderung (3.500 DM) und des Erlöses aus der Weiterveräußerung (23.000 DM). Im übrigen erklärt sie den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen L. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung hat nur in sehr geringem Umfang Erfolg. Die Klage ist überwiegend unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">
I.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf weiteren Schadensersatz gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 3 Nr. 1 PflVersG, 421 BGB nur in Höhe von 90,48 DM. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Ersatzpflicht der Beklagten für den der Klägerin entstandenen Schaden ist dem Grunde nach unstreitig.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu 2) hat der Klägerin die von dem Sachverständigen L in seinem (ersten) Gutachten mit 15.773,24 DM bezifferten Reparaturkosten, die von ihm auf 3.500 DM geschätzte Wertminderung sowie pauschale Kosten von 40 DM erstattet. Damit ist der Schadensersatzanspruch der Klägerin bis auf einen Restbetrag von 90,48 DM erfüllt, § 362 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Wird ein Kraftfahrzeug beschädigt, so stehen dem Geschädigten zumeist zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung: Er kann den Unfallwagen reparieren lassen oder ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug anschaffen. Dabei hat er grundsätzlich diejenige der zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten zu wählen, die den geringeren Aufwand verursacht, denn nur der für diese Art der Schadensbehebung notwendige Geldbetrag ist im allgemeinen im Sinne von § 249 S. 2 BGB zur Herstellung erforderlich (OLG Hamm, DAR 1994, 400 = MDR 1995, 153 = VersR 1995, 930). </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Diesem Wirtschaftlichkeitspostulat entsprechend kann der Geschädigte eine Abrechnung auf Neuwagenbasis nach überwiegender Rechtsprechung grundsätzlich nur dann verlangen, wenn sein Fahrzeug höchstens 1.000 km gelaufen ist. Bei einer höheren Laufleistung ist im allgemeinen eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis vorzunehmen (vgl. BGH NJW 1982, 433). Von diesem Grundsatz sind Ausnahmen nur in engen Grenzen zulässig. Bei einer Fahrleistung von 3.000 km <u>oder</u> einer Gebrauchsdauer von etwa einem Monat ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofes eine Abrechnung auf Neuwagenbasis nicht mehr gerechtfertigt (BGH, aaO). Sie scheidet mithin - bei strenger Anwendung dieses Maßstabs - hier schon deshalb aus, weil das Fahrzeug der Klägerin im Zeitpunkt des Unfalls eine Nutzungsdauer von mehr als einem Monat hatte. Jenseits dieser Grenze kann sich eine Unzumutbarkeit der Weiterbenutzung durch den Geschädigten allenfalls aus konkreten technischen oder ästhetischen Mängeln ergeben, die durch die Reparatur nicht beseitigt werden können. In solchen Fällen ist der merkantile Minderwert einschließlich des technischen so hoch anzusetzen, daß sich eine ins Gewicht fallende Differenz der verschiedenen Berechnungsarten nicht mehr ergibt (BGH, aaO).</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Vernachlässigt man im Streitfall die - möglicherweise als geringfügig einzustufende - Überschreitung der Grenze der Gebrauchsdauer, kommt der Laufleistung entscheidende Bedeutung zu. Diese lag hier bei mindestens 1.820 km. Bei einer Fahrleistung zwischen 1.000 und 3.000 km kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes beim Vorliegen besonderer Umstände eine Abrechnung auf Neuwagenbasis in Betracht kommen. Voraussetzung dafür ist, daß bei objektiver Beurteilung der frühere Zustand durch die Reparatur auch nicht annähernd wiederhergestellt werden kann. Dies ist insbesondere der Fall, wenn <u>entweder</u></p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">- Teile beschädigt worden sind, die für die Sicherheit des </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Fahrzeugs von Bedeutung sind und trotz Reparatur ein </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Unsicherheitsfaktor bleibt;</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">- nach durchgeführter Reparatur erhebliche Schönheitsfehler</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">am Pkw zurückbleiben (verzogene oder nicht mehr </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">schließende Türen bzw. Kofferraum- oder Motorraumdeckel, </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">sichtbare Schweißnähte, Verformungen bestimmter </p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Fahrzeugteile usw.) <u>oder</u></p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">- eine Beschädigung stattgefunden hat, welche die </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Garantieansprüche des Eigentümers zumindest beweismäßig </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">gefährden kann und der Haftpflichtversicherer des </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Schädigers nicht alsbald nach dem Unfall verbindlich </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">seine Einstandspflicht für einen solchen Fall anerkennt </p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">(BGH, aaO, S. 433 f.). </p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Eine dieser Voraussetzungen ist hier nicht erfüllt. Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß eine ordnungsgemäße Reparatur dazu führt, daß keine nennenswerten ästhetischen Mängel verbleiben und daß die Sicherheit des Fahrzeugs nicht beeinträchtigt ist. Der Sachverständige L hat im Senatstermin sein im Auftrag der Klägerin erstelltes Schadensgutachten erläutert und ausgeführt, daß das Fahrzeug nach einer fachgerechten Reparatur optisch wieder in Ordnung sei, ein technischer Minderwert bei sorgfältiger Bearbeitung nicht verbleibe und Sicherheitsrisiken nicht bestünden. Wenn er in seinem schriftlichen Gutachten darauf hingewiesen habe, daß die Hinterachse geprüft werden müsse, sei das so zu verstehen, daß insoweit zum Zeitpunkt der Besichtigung ein Risiko vorgelegen habe. Dieses entfalle aber nach einer abschließenden Vermessung des Fahrzeugs, denn wenn diese ergebe, daß z.B. die Hinterachse außerhalb der Norm sei, werde der Fehler in jedem Fall behoben. Defekte Teile würden gegebenenfalls ausgetauscht. </p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Verbleiben bei ordnungsgemäßer Reparatur weder nennenswerte ästhetische Mängel noch Sicherheitsbeeinträchtigungen, kommt eine Abrechnung auf Neuwagenbasis nicht in Betracht. Wie der 6. Zivilsenat mit Urteil vom 11. April 1994 (OLG Hamm, 6 O 247/93, aaO) entschieden hat, nötigt die gegenüber früher deutlich gestiegene Lebensdauer heutiger Kraftfahrzeuge nicht zu einer erweiterten Zulassung der Neuwertentschädigung. Dem schließt sich der erkennende Senat an. </p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">
</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Ist auf Reparaturkostenbasis abzurechnen, hat die Klägerin Abspruch auf Ersatz der im Ergänzungsgutachten aufgeführten Mehraufwendungen von 90,48 DM. Daß weitere Kosten erforderlich sind, ist nicht bewiesen. Die bloße Möglichkeit begründet keine Ersatzpflicht. </p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch rechtfertigt sich gem. §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 91 a Abs.1, 92 Abs. 2 ZPO. Der Antrag der Klägerin, den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise für erledigt zu erklären, hat keinen Erfolg, da die Klage insoweit von Anfang an unbegründet gewesen ist.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">IV.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen für die - beantragte - Zulassung der Revision (§ 546 Abs. 1 S. 2 ZPO) sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Das Urteil weicht auch nicht von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ab.</p>
|
114,453 | olgham-1999-09-22-31-u-5799 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 31 U 57/99 | 1999-09-22T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:45 | 2019-02-14T10:24:36 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0922.31U57.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung eines ihr und ihrem früheren Ehemann (erste Ehe) gewährten Ratenkredites in Anspruch.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Obwohl schon in Trennung lebend nahmen die Beklagte und ihr früherer Ehemann unter dem 29.06.1994 bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin einen Ratenkredit über brutto 55.343,66 DM auf, der in 72 Monatsraten zu je 769,00 DM getilgt werden sollte. Der Nettokreditbetrag wurde zum Teil zur Tilgung anderer Schulden verwandt, zum Teil wurde er in bar ausgezahlt. In der Folgezeit (ab 06.05.1995) wurde der Ratenplan verändert. Mit Schreiben vom 23.06.1995 gerichtet an "Herrn T oder Stefanie T" drohte die Rechtsvorgängerin der Klägerin die Kündigung des Kredites an. Unter dem Datum vom 18.05.1998 kündigte die Klägerin mit einem an die Beklagte gerichteten Schreiben. Unter demselben Datum wurde auch eine Kündigung an den früheren Ehemann der Beklagten ausgebracht.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat gegen ihre Inanspruchnahme die Sittenwidrigkeit ihrer Mitverpflichtung eingewandt und bestritten, die Kündigung vom 18.05.1998 erhalten zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Frage der Sittenwidrigkeit offengelassen und die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen, weil die Beklagte unstreitig das Schreiben vom 23.06.1995 (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 VerbrKrG) nicht erhalten habe.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat sodann mit Schreiben vom 23.02.1999 nochmals unter Einhaltung der Förmlichkeiten die Rückstände gegenüber der Beklagten angemahnt und nach Ablauf der Frist den Kreditvertrag unter Neuberechnung der Forderung erneut gegenüber der Beklagten gekündigt. Ihre Hauptforderung hat sich inzwischen um ca. 2.000,00 DM erhöht. Mit dem früheren Ehemann der Beklagten hat die Klägerin offenbar eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen, wie sich dem Schreiben vom 25.03.1999 entnehmen läßt. Danach soll der Sollsaldo abweichend von der Berechnung in der Berufungsbegründung (dort 42.240,24 DM zuzüglich weiterer Zinsen, berechnet auf den 23.03.1999) 50.549,80 DM zuzüglich weiterer Zinsen und Gebühren betragen. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte wendet weiter im wesentlichen die Sittenwidrigkeit ihrer Mitverpflichtung ein.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, daß die Kündigung vom 18.05.1998, deren Zugang die Beklagte bestritten und die Klägerin nicht bewiesen hat, wegen fehlender Voraussetzungen nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 VerbrKrG unwirksam ist. Auch die jetzt mit Datum vom 12.03.1999 ausgebrachte Kündigung ist unwirksam. Nach der im Einklang mit der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte (Karlsruhe NJW 1989, 2136; München NJW-RR 1996, 370; Nobbe Bankrecht, Rdn. 545, Heimann/Emmerich Verbraucherkreditgesetz, § 12 Rdn. 54) stehenden Ansicht des Senats (vgl. 31 U 177/98) kann der von mehreren Gesamtschuldnern aufgenommene Kredit nur allen Gesamtschuldnern gegenüber wirksam gekündigt werden. § 425 Abs. 2 BGB gilt in diesen Fällen nicht, da die dort angesprochene Kündigung nur die Fälligkeitskündigung meint und nicht die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses. Die Kreditkündigung ist jedenfalls bei Ratenkreditverträgen nur einheitlich, d.h. zeitgleich gegenüber den Gesamtschuldnern möglich. Die Klägerin hat den Kreditvertrag dem früheren Ehemann der Beklagten gegenüber nicht nochmals unter dem Datum vom 12.03.1999 gekündigt, sondern hält das Rechtsverhältnis zu ihm aufgrund der früheren Kündigung vom 18.05.1998 für beendet, wie sie im Senatstermin deutlich gemacht hat.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die zeitgleiche Kündigung gegenüber beiden Gesamtschuldnern ist unabdingbar, weil sich die einheitliche Forderung der Kreditgeberin gegen beide Gesamtschuldner diesen gegenüber verschieden entwickeln würde. Mit der Kündigung erhält der Kreditgeber zunächst Anspruch auf die ausgebliebenen Raten, die gemäß § 11 VerbrKrG mit 5 % über dem jeweiligen Diskontsatz (jetzt Basiszins, im folgenden B + 5) zu verzinsen sind und auf den offenen Restkreditbetrag (= Summe der restlichen Raten abzüglich der Zinsen und sonstigen laufzeitabhängigen Kosten, die auf die Zeit nach der Kündigung entfallen). Diesen so ermittelten Betrag hätte der gekündigte Kreditnehmer zu zahlen. Für den nicht gekündigten oder später gekündigten weiteren Kreditnehmer liefe der Kredit nach den ursprünglich vereinbarten Darlehensbedingungen weiter. Da aber auch er den Kredit nicht bedient, wird für ihn weiter die Berechnung des Kredites nach § 11 VerbrKrG durchgeführt. Der geschuldete Betrag (§ 11 Abs. 1 VerbrKrG = Summe der ausstehenden Raten) erhöht sich, mithin auch die Summe der darauf geschuldeten Zinsen (§ 11 Abs. 2 VerbrKrG = B + 5). Gleichzeitig reduziert sich buchmäßig der offene Restkreditbetrag (= Summe der ausstehenden Raten), wobei bei späterer Kündigung diesem Kreditnehmer gegenüber eine geringere bei keiner Kündigung keine Zinsvergütung erfolgen würde. Unterstellt, der nicht gekündigte Kreditnehmer würde einige Zeit nach der Kündigung des anderen die Zahlungen wieder aufnehmen, müßte nach § 11 Abs. 3 VerbrKrG eine Verrechnung dahin erfolgen, daß zunächst die Kosten der Rechtsverfolgung, sodann die nach § 11 Abs. 2 VerbrKrG angefallenen Zinsen und danach die rückständigen Raten, § 11 Abs. 1 VerbrKrG, getilgt würden. Diese Forderungsteile schuldet der gekündigte Kreditnehmer aber teilweise nicht, nämlich soweit nicht, wie die Forderungen nach der Kündigung fällig geworden sind. Es entstehen somit aus der ursprünglichen Gesamtschuld Forderungen, für die die Schuldner nicht mehr gesamtschuldnerisch haften würden. Das hat letztlich zur Konsequenz, daß Zahlungen des einen Gesamtschuldners nicht mehr die Folgen des unabdingbaren § 422 BGB haben, wonach die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner auch für den anderen wirkt. Das gilt auch umgekehrt, wenn der gekündigte Kreditnehmer den nach Kündigung geforderten Betrag zahlen sollte. Die Forderung der Kreditgeberin hätte sich um "zinsunbereinigte" rückständige Raten und weitere Zinsen B + 5 darauf erhöht.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.</p>
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114,454 | olgham-1999-09-22-5-uf-12199 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 5 UF 121/99 | 1999-09-22T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:45 | 2019-02-14T10:24:44 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0922.5UF121.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Von der Darstellung des Tatbestandes wird </p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Familiengericht hat ihn zu Recht für verpflichtet gehalten, der Klägerin gemäß § 1361 BGB ab September 1998 monatlich 1.000,00 DM Trennungsunterhalt zu zahlen. Ein solcher Aufstockungsbetrag ist den ehelichen Lebensverhältnissen in jedem Fall angemessen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">3/7 der Differenz zwischen den beiderseitigen Erwerbseinkünften ergeben nämlich mindestens 771,59 DM. Ferner ist die Klägerin hälftig an dem nach Abzug der Kosten und Lasten verbleibenden Wohnwert der ehemaligen ehelichen Wohnung sowie an den Mieteinnahmen der Einliegerwohnung zu beteiligen, woraus sich ein weiterer Bedarfsbetrag von 491,34 DM ergibt. Ihr offener Bedarf übersteigt demnach mit mindestens 1.262,00 DM den geltend gemachten Betrag von 1.000,00 DM deutlich. Daß vorliegend der Bedarf nach der Differenzmethode zu bestimmen ist und nicht - wie von dem Beklagten gewünscht - nach der gemischten Methode, beruht darauf, daß beim Trennungsunterhalt davon auszugehen ist, daß die augenblicklichen finanziellen Verhältnisse den ehelichen Verhältnissen entsprechen. Bei Abweichungen von diesem Regelfall, d.h. beim Auseinanderklaffen zwischen den aktuellen Verhältnissen und den ehelichen trägt beim Trennungsunterhalt derjenige Ehegatte die Darlegungs- und Beweislast, der daraus Rechte herleiten will, hier also der Beklagte (vgl. BGH-FamRZ 1983, S. 352 f.). Derzeit liegt eine Doppelverdienerehe vor, bei der die Differenzmethode Anwendung findet. Ob die Klägerin ihre Berufstätigkeit trennungsbedingt ausgeweitet hat oder ob die vollschichtigte Erwerbstätigkeit am Ende der Kindesbetreuung dem gemeinsamen Lebensplan entsprach, ist zwischen den Parteien streitig. Für seine Behauptung, daß während des Zusammenlebens kein solcher Entschluß gefaßt worden war, hat der Beklagte keinen Beweis angeboten, so daß diese Unklarheit zu seinen Lasten geht.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">I. Das Erwerbseinkommen des Beklagten </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Bedarfsprägend ist zunächst das Erwerbseinkommen des Beklagten, das sich auf der Basis von 1998 mit anrechenbar 3.993,80 DM monatlich errechnet. Im gesamten Jahr hat es nämlich unter Einschluß der Prämie für die lange Betriebszugehörigkeit 51.758,28 DM netto betragen, wie die Jahressummen aus der Dezember-Gehaltsabrechnung ausweisen. Zieht man die Nettoquote der Prämie ab, die die Parteien übereinstimmend mit 2.500,00 DM angeben, verbleiben 49.258,28 DM, d.h. im Monatsschnitt 4.104,86 DM. Ab 1999 ist eine Reduzierung unter dem Gesichtspunkt, daß jetzt möglicherweise die Einmalzahlungen weggefallen sind, nicht vorzunehmen. Wie sich die Verhältnisse im laufenden Jahr entwickeln, ist abschließend heute noch nicht zu beurteilen. Die Einmalzahlungen stellen nur einen Berechnungsbestandteil unter mehreren dar und können z.B. durch Gehaltserhöhungen im übrigen aufgefangen werden. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Prämie von 2.500,00 DM netto ist nicht so hoch, daß sie die Lebensverhältnisse auf einen längeren Zeitraum nachhaltig beeinflußt. Es reicht deshalb aus, sie auf zwei Jahre umzulegen, wie die Klägerin es wünscht, so daß zusätzlich 104,17 DM monatlich zu berücksichtigen sind. Diese Handhabung hat auch den Vorteil, daß wegen der demnächst zu erwartenden Scheidung diese Einkünfte beim nachehelichen Unterhalt nicht mehr berücksichtigt werden müssen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Steuererstattung ist für 1997 gemäß Steuerbescheid vom 14.04.1998 mit 328,52 DM, d.h. im Monatsdurchschnitt mit </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">27,38 DM nachgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Abzusetzen ist die Nettoquote der vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers mit 52 % von 52,00 DM, d.h. mit - wie vom Beklagten vorgeschlagen - 27,00 DM. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Fahrtkosten sind in Höhe ihres tatsächlichen Anfalls, also für die Pkw-Benutzung abzusetzen. Der Beklagte ist auch während des Zusammenlebens der Parteien mit dem Pkw und nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu seinem Arbeitsplatz gefahren, so daß diese Belastung, die im übrigen seinen Einkommensverhältnissen angemessen ist, als eheprägend anzusehen ist. 2 x 14 Kilometer einfache Fahrt an 220 Arbeitstagen ergeben bei dem in Ziffer 6 HLL vorgesehenen Kilometersatz von 0,42 DM im Monatsschnitt 215,60 DM. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Zusammengefaßt stellt sich das Erwerbseinkommen des Beklagten demnach wie folgt dar:</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Nettoeinkommen 1998 4.104,86 DM</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">zzgl. Prämie, auf 1998/1999 umgelegt + 104,17 DM</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">zzgl. Steuererstattung + 27,38 DM</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">abzgl. Nettoquote VWL - 27,00 DM</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">abzgl. Fahrtkosten <u>- 215,60 DM</u></p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">anrechenbares Einkommen des Beklagten 3.993,81 DM.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">II. Das Erwerbseinkommen der Klägerin </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Das Erwerbseinkommen der Klägerin im Jahr 1998 betrug ausweislich der Abrechnung der Brutto-Netto-Bezüge für Dezember 1998 33.011,74 DM, d.h. 2.750,98 DM im Monat. Die Nettoquote der vermögenswirksamen Leistungen errechnet sich mit 60,3 % von 39,00 DM, d.h. mit 23,52 DM monatlich. Die Steuererstattung belief sich für 1997 gemäß Steuerbescheid vom 23. Januar 1998 auf 1.643,63 DM, d.h. im Monatsschnitt auf 136,97 DM. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die durch die Pkw-Benutzung zur Arbeitsstelle in C anfallenden Kosten sind in vollem Umfang zu berücksichtigen, da sie die Klägerin tatsächlich treffen und der Beklagte diese bis zum Beginn dieses Rechtsstreits niemals dazu aufgefordert hat, ihre Einkünfte dadurch zu erhöhen, daß sie entweder nach C umzieht oder sich im Bereich M eine andere Arbeitsstelle sucht. Vielmehr hat er mindestens 12 Jahre lang freiwillig beträchtliche Beträge zu ihrem Unterhalt beigetragen. Da es sich um Trennungsunterhalt handelt, sind auch hier die momentanen Verhältnisse der Parteien maßgeblich. Der Senat geht davon aus, daß die einfache Fahrtstrecke 61 Kilometer beträgt, wie sie die Klägerin für den Steuerbescheid 1997 gegenüber dem Finanzamt angegeben hat. Daß sie länger ist, hat sie nicht nachgewiesen. Bei einer Jahreskilometerleistung von 26.840 Kilometern (220 Arbeitstage x 122 Kilometer pro Arbeitstag) ist ein Kilometersatz von 0,30 DM angemessen. Der in den Hammer Leitlinien vorgesehene Betrag von 0,42 DM berücksichtigt nicht hinreichend, daß die Fixkosten wie z.B. Steuer und Versicherung sich nicht so nachhaltig auf den Kilometerpreis auswirken wie bei Pkw-Fahrern, die ihren Wagen nur in geringerem Umfang als die Klägerin nutzen. Als Fahrtkosten können demnach jedenfals 671,00 DM monatlich berücksichtigt werden.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Ob die Klägerin krankheitsbedingten Mehraufwand geltend machen kann, weil sie 1996 eine Wirbelfraktur erlitten hat, die ausweislich des Attestes des Dr. T vom 2.9.1999 nach wie vor krankengymnastischer Behandlung bedarf, mag dahinstehen. Denn auch ohne Berücksichtigung dieser Kosten errechnet sich, wie bereits gezeigt, ein die Klageforderung übersteigender Restbedarf.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Zusammengefaßt stellt sich das Erwerbseinkommen der Klägerin demnach wie folgt dar:</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Nettoeinkommen 1998 2.750,98 DM</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">zzgl. Steuererstattung + 136,97 DM</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">abzgl. Nettoquote VWL - 23,52 DM</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">abzgl. Fahrtkosten <u>- 671,00 DM</u></p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">anrechenbares Einkommen der Klägerin 2.193,43 DM.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Der Differenzbetrag der beiderseitigen Erwerbseinkünfte beträgt demnach mindestens 1.800,38 DM (3.993,81 - 2.193,43), die 3/7-Quote demnach 771,59 DM.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">IV. Einkünfte aus Vermögen</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Weiter bedarfsprägend ist der Wohnwert der ehemaligen ehelichen Wohnung in dem den Parteien gemeinsam gehörenden Zweifamilienhaus in I3. Da keine der Parteien bei der Trennung auf eine Veräußerung der Immobilie Wert gelegt hat, ist der Wohnwert nur mit demjenigen Betrag anzusetzen, der den Beklagten nach dem Auszug der Klägerin verblieben ist, also dem Betrag, den er für eine angemessene Wohnung bezahlen müßte, und nicht mit dem objektiven Mietwert. Da der Beklagte jetzt 876,00 DM für angemessen hält und die Klägerin ihrerseits, wie aus den Prozeßkostenhilfeunterlagen zu ersehen ist, für ihre 61 qm große Wohnung derzeit 854,060 DM kalt aufbringen muß, kann der von dem Beklagten genannte Betrag als Ausgangspunkt der Berechnungen genommen werden. Als Belastung abzusetzen sind die Erbpacht mit unstreitig 160,00 DM monatlich, die nicht zu den Fixkosten gehört, die auf den Mieter umgelegt werden können, sowie die Kreditbelastung in der nachgewiesenen Höhe von 1998 2.800,00 DM, d.h. von 233,33 DM monatlich. Wie hoch dieser Betrag 1999 ist, d.h. ob er auf 1.313,00 DM jährlich gesunken ist, spielt, da 1998 insgesamt Berechnungsbasis ist, derzeit keine Rolle. </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Weitere den Wohnwert mindernde Ausgaben macht der Beklagte nicht geltend. Reparaturen sind erst zu berücksichtigen, wenn der Beklagte dafür Aufwendungen gemacht hat. Eine Rücklagenbildung wäre nur dann möglich, wenn die Parteien eine solche als Miteigentümer vereinbart hätten. Dies behauptet der Beklagte jedoch nicht. Die übrigen geltend gemachten Nebenkosten wie die Gebäudeversicherung (43,00 DM) und die Grundsteuer (40,00 DM) sind für die Ermittlung des verbleibenden Wohnwerts nicht zu berücksichtigen, da solche Nebenkosten üblicherweise auf den Mieter umgelegt werden; d.h. hätte der Beklagte eine eheangemessene Wohnung gemietet, müßte er diese Kosten zusätzlich tragen. </p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Es verbleibt demnach ein überschießender Wohnwert von 482,67 DM (876,00 DM Wohnwert abzgl. 160,00 DM Erbpacht abzgl. Zins und Tilgung für das Darlehen bei der Vereinigten Sparkasse im N-Kreis von 233,33 DM). </p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Einkünfte aus der Vermietung der Immobilie sind nur in der tatsächlich fließenden Höhe von 500,00 DM monatlich zu berücksichtigen. Da die Klägerin dem Beklagten die Verwaltung der Immobilie faktisch überlassen und bei der Suche nach einem Mieter und auf den Abschluß des Vertrages keinen Einfluß genommen hat, kann sie im Rahmen der Bedarfsbemessung nicht damit gehört werden, daß der mit der Mieterin S. am 15.09.1995 abgeschlossene Vertrag ungünstig sei. Wenn sie aus der möglicherweise unzureichenden Verwaltungstätigkeit rechtliche Konsequenzen ziehen will, müßte sie dies im Rahmen einer Auseinandersetzung mit dem Beklagten als Miteigentümer tun.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Von der in dem Mietvertrag vom 15.09.1995 vereinbarten Kaltmiete sind keine Belastungen abzusetzen, sondern sie ist als Reinertrag zu behandeln. Denn der Beklagte hat nicht nachgewiesen, daß er diese Nebenkosten, die gemäß § 3 Nr. 3 des abgeschlossenen Einheitsmietvertrages zu den umlagefähigen Nebenkosten gehören, nicht auf die Mieterin übergewälzt hat. Unter § 3 Ziffer 2. des Mietvertrages war ein Betriebskostenvorschuß gemäß nachfolgendem Absatz 3 von 150,00 DM monatlich vereinbart. Warum dieser Betrag nachträglich eingeklammert und durch die darunter stehende Angabe "Heizkostenvorschuß gemäß § 6 z. Z. 100,00 DM" und "Wasser + Kanal z. Z. 50,00 DM" ersetzt worden ist, hat der Beklagte im Senatstermin nicht plausibel zu erklären gewußt, so daß davon auszugehen ist, daß die ursprüngliche Vereinbarung nach wie vor gilt.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Ob seine Lebensgefährtin O. Miete zahlt, kann derzeit dahinstehen, da die Klägerin weniger verlangt, als sie nach der bisherigen Berechnung verlangen könnte. Zu einer solchen Vermietung des durch den Auszug der Klägerin ungenutzten Teils der Ehewohnung ist der Beklagte im übrigen auch nicht verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Aus der Immobilie fließen den Parteien demnach Gesamtvorteile von 982,67 DM zu (überschießender Wohnwert von 482,67 DM zzgl. Mieteinnahmen von 500,00 DM), wovon die Hälfte, d.h. ein Betrag von 491,34 DM auf den Bedarf der Klägerin entfällt.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.</p>
|
114,455 | olgk-1999-09-22-5-u-3199 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 5 U 31/99 | 1999-09-22T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:45 | 2019-02-12T08:36:04 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1999:0922.5U31.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Die Berufung des Klägers gegen das am 29.1.1999 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen -9 O 230/98- wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>Entscheidungsgründe:</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage mit zutreffender und
überzeugender, nicht änderungsbedürftiger Begründung
abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Senat nimmt zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf den
Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug (§ 543 Abs. 1 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Berufungsvorbringen gibt zu ergänzenden Ausführungen keinen
Anlass.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713
ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Gegenstandswert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer
für den Kläger: 14.285,71 DM</p>
|
114,456 | olgk-1999-09-22-5-u-3799 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 5 U 37/99 | 1999-09-22T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:45 | 2019-02-12T08:36:04 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1999:0922.5U37.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Auf die Berufung des Beklagten sowie die Anschlussberufung der Klägerin wird das am 20.1.1999 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln
-25 O 109/97- teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.000,-DM sowie 3.961,20 DM nebst 4 % Zinsen von 3.961,20 DM für den Zeitraum vom 14.3.1997 bis zum 31.7.1997 und 9,1 % Zinsen von 3.961,20 DM seit dem 1.8.1997 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung und die weitergehende Anschlussberufung werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtstreits erster Instanz tragen die Klägerin 37 % und der Beklagte 63 %.
Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Klägerin 69 % und der Beklagte 31 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung des Beklagten ist nur hinsichtlich des
angegriffenen Feststellungsausspruchs begründet; im übrigen hat sie
in der Sache keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Den Rückzahlungsanspruch den geleisteten Eigenanteil der
Klägerin betreffend hat das Landgericht auch nach Auffassung des
Senats in der auf die überzeugenden Ausführungen des eingeholten
Gutachtens gegründeten Annahme einer im wesentlich unbrauchbaren
Leistung des Beklagten zutreffend bejaht.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die erstmals jetzt erhobenen Angriffe des Beklagten gegen das
Gutachten sind verspätet und gemäß § 528 Abs. 1 ZPO nicht mehr
zuzulassen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Dem Beklagten ist erstinstanzlich nach Übersendung des
Gutachtens vom Landgericht unter ausdrücklichem Hinweis auf §§ 411
Abs. 4, 296 Abs. 1 und 4 ZPO eine noch mehrfach verlängerte
Einwendungsfrist gesetzt worden, die ohne jede Begründung nicht
wahrgenommen worden ist. Selbst als das Landgericht, worauf die
Klägerin jetzt zutreffend hinweist, in seinem schon nach
Fristablauf am 08.07.1998 erfolgten Hinweisbeschluss vom 25.08.1998
ausdrücklich hervorgehoben hat, dass der Beklagte dem Ergebnis der
Beweisaufnahme wohl in Ansehung der Richtigkeit der Begutachtung
nicht mehr entgegengetreten sei, ist anschließend keine Kritik des
Beklagten am Gutachten mehr erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen von § 528 Abs. 1 ZPO, wonach neue Angriffs-
und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug entgegen einer
hierfür gesetzten Frist nicht vorgebracht worden sind, nur
zuzulassen sind, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre
Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde,
liegen deshalb vor mit der Folge, dass der Beklagte mit seinen
jetzigen Einwendungen gegen die Begutachtung von Dr. Kühn nicht
mehr gehört werden kann. Die jetzt begehrte Einholung eines
weiteren (ergänzenden) Gutachtens oder auch nur die ergänzende
mündliche Anhörung des Sachverständigen würde die Erledigung des
Rechtsstreits naturgemäß verzögern; die jetzigen Behauptungen des
Beklagten, das vom Sachverständigen herangezogene undatierte
Röntgenbild stamme nicht von Dr. M., außerdem habe er die
festgestellten Keramikabsplitterungen nicht zu vertreten, würden
eine Beweisaufnahme dazu unumgänglich machen, denn die Klägerin hat
Dr. M. als Zeugen für die Richtigkeit der diesbezüglichen Annahmen
des Sachverständigen benannt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat auch keine genügende Entschuldigung gemäß § 528
Abs. 1 ZPO für die verspäteten Einwendungen dargetan. Trotz eines
entsprechenden Hinweises der Klägerin in ihrer Berufungserwiderung
vom 15.07.1999 ist seitens des Beklagten hierzu nichts weiter
vorgetragen worden. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass etwa
erst in der Berufungsinstanz neue Erkenntnisse hinsichtlich einer
Kritikwürdigkeit des Gutachtens gewonnen werden konnten, die
erstinstanzlich noch nicht zur Verfügung gestanden hätten.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Soweit der BGH gefordert hat, dass das Berufungsgericht auf
einen verspäteten Antrag einer Partei auf Erläuterung oder</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Ergänzung des erstinstanzlich eingeholten Gutachtens zu prüfen
habe, ob der Sachverständige von Amts wegen zur Erläuterung des
Gutachtens zu laden gewesen wäre (vgl. BGH in NJW-RR 1997, 1487;
Zöller-Greger, ZPO, 21. Auflage, Randnummer 5 a zu § 411), erachtet
der Senat das Gutachten als so klar und einleuchtend, dass eine
Erläuterung von Amts wegen ganz sicher nicht geboten war.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Ergänzend weist der Senat daraufhin, dass die -verspäteten-
Einwendungen des Beklagten gegen das Sachverständigengutachten auch
in der Sache ohnehin nicht erheblich sind.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die inhaltliche Kritik des Beklagten am Gutachten von Dr. Kühn
beschränkt sich nämlich darauf, einige wenige Punkte, die mit den
Feststellungen weiterer mit "Sanierungsmaßnahmen" bei der Klägerin
befaßt gewesener Zahnärzte nicht vollständig in Übereinstimmung
stehen, hervorzuheben. Soweit der Sachverständige hinsichtlich
einiger der aufzuklärenden Punkte auf mangelnde Dokumentation und
Nachprüfbarkeit hingewiesen hat, macht dies entgegen der Ansicht
des Beklagten deutlich, dass der Sachverständige sich dieses
Umstands durchaus bewußt gewesen ist und seine Festellungen deshalb
auch ausdrücklich mit entsprechenden Einschränkungen versehen
getroffen hat. Gleichwohl hat er sehr überzeugend eine Vielzahl
doch ganz eindeutig festzustellender Mängel aufgelistet, sodass der
sichere Rückschluss auf eine dadurch bedingte insgesamt vorliegende
Unbrauchbarkeit der zahnärztlichen Versorgung durch den Beklagten
auch nach Auffassung des Senats ohne weiteres gerechtfertigt
erscheint.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Annahme der Beklagten konnte der Sachverständige
die in Rede stehende Röntgenaufnahme sehr wohl zeitlich einordnen
(Praxis Dr. M., 27.08.1996).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Auch unter Berücksichtigung der vom Sachverständigen selbst
eingeräumten Aufklärungseinschränkungen ergeben sich folgende von
ihm sicher getroffenen Feststellungen:</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">1. nicht nachbesserungsfähige überkonturierte Kronenränder
zu-</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">mindest an 5 Kronen (17, 16, 26, 35, 48)</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">2. insgesamt zu breite paradontalhygienisch unzureichende
Unterkieferbrücken</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">3. mangelhafte Vorversorgung vor Überkronung des Zahns 23</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">4. allenfalls unzureichende Beseitigungsmöglichkeit der
links</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">bestehenden Nonocclusion</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">5. durch den unzureichenden Randschluss bedingte
Blutungsneigung.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Diesen Feststellungen vermag die Berufungsbegründung nichts
Substantiiertes entgegenzuhalten.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Unabhängig von der Verspätung des Beklagtenvortrags gibt dieser
deshalb auch inhaltlich keinen Anlass zu weiterer
Sachaufklärung.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Beklagten ist aber begründet, soweit sie sich
gegen die zugunsten der Klägerin ausgeurteilte Feststellung seiner
Einstandspflicht für weitere materielle Schäden richtet.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Ihren Feststellungsantrag hinsichtlich des angeblich noch zu
besorgenden immateriellen Schadens hat die Klägerin in der
Berufungsinstanz ausdrücklich nicht weiterverfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Ihr darüberhinausgehender Feststellungsantrag hinsichtlich des
materiellen Zukunftsschadens ist unzulässig, weil die Klägerin -und
zwar von Anfang an- insoweit einen bezifferten Zahlungsantrag hätte
stellen können und müssen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Unwidersprochen stehen die Kosten für die erforderlich gewordene
Nachbehandlung nämlich bereits seit langem fest. Unabhängig davon,
wie das Landessozialgericht über die Frage entscheiden wird, ob und
in welchem Umfang die Klägerin die Kosten der -privat veranlassten-
Nachbehandlung von ihrer gesetzlichen Krankenkasse erstattet
verlangen kann oder nicht, lässt sich jedenfalls der im Rahmen
einer grundsätzlich als erstattungsfähig anzusetzenden
Sanierungsmaßnahme anfallende Eigenanteil problemlos ermitteln. Die
Klägerin gesteht denn auch in ihrer Berufungserwiderung zu, dass
sich unabhängig vom Ausgang des Verfahrens der gegebenenfalls
fiktiv zu errechnende Eigenanteil jedenfalls doch zwanglos
errechnen lasse. Die danach geltend zu machende Differenz beider
Eigenanteile ist deshalb ohne weiteres ermittelbar; unstreitig hat
die Rechnung des nachbehandelnden Arztes auch bereits vor
Klageerhebung vorgelegen mit der Folge, dass das
Feststellungsbegehren von Anfang an unzulässig war.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die unselbständige Anschlussberufung der Klägerin ist ebenfalls
zulässig, in der Sache aber nur hinsichtlich des geltend gemachten
Zinsanspruchs erfolgreich.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die zeitliche Erweiterung des Zinsanspruchs auf den Zeitraum vom
14.03. bis zum 01.07.1997 ist begründet; das vorgelegte
Mahnschreiben vom 7.3.1997 genügt den Anforderungen an eine
wirksame Inverzugsetzung zum 14.03.1997.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Auch den ab 1.8.1997 geltend gemachten erhöhten Zinssatz von 9,1
% hat das Landgericht zu Unrecht zurückgewiesen. Kann nämlich die
Klägerin zu Recht die Rückzahlung zum begehrten Zeitpunkt
verlangen, hätte sie sodann das Geld zur Verfügung gehabt und es
hätte zur Finanzierung weiterer Geldausgaben jedweder Art und
Ursache keiner Kreditaufnahme bedurft.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Unbegründet ist die Anschlussberufung dagegen, soweit die
Klägerin damit -teilweise im Wege einer Klageerweiterung- eine
Erhöhung des ausgeurteilten Schmerzensgeldbetrags um weitere
4.000,-- DM begehrt.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Der vom Landgericht als Schmerzensgeld in Ansatz gebrachte
Betrag von 8.000,00 DM erscheint angesichts der geschilderten
Beschwerden und erforderlichen Nachbehandlungen auch nach
Auffassung des Senats angemessen und ausreichend; der von der
Klägerin herangezogene Umstand, dass der Beklagte ihrer Ansicht
nach uneinsichtig weiterhin die Auffassung verteidigt, er habe
weitgehend mängelfrei gearbeitet, rechtfertigt für sich gesehen
keine Anhebung.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO;
die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§
708 Nr. 10, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 12.961,20 DM</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Wert der Beschwer: für beide Parteien unter 60.000,-DM</p>
|
114,457 | olgk-1999-09-22-11-u-5398 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 11 U 53/98 | 1999-09-22T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:45 | 2019-02-12T08:36:04 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1999:0922.11U53.98.00 | <h2>Tenor</h2>
Auf die Berufung der Beklagten zu 2) und 3) und die Anschlussberufung des Klägers wird das am 30.01.1998 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 10 O 318/96 - hinsichtlich des ersten Absatzes des Urteilsausspruchs (Klageantrag zu 2) und der Kosten abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger seinen ein Drittel Anteil an dem Grundstück, eingetragen im Grundbuch von K.-H., Amtsgericht B.. Blatt ...., Flur ., Flurstück ..., als Hof- und Gebäudefläche, Ackerland, groß 91,65 Ar, gelegen in B.-K., L.str ..., auf seine Kosten aufzulassen und die Eintragung des Klägers als Miteigentümer zu einem Drittel zu bewilligen.
Der Beklagte zu 1. wird ferner verurteilt, die Löschung des in Abteilung III laufende Nr. 1 zugunsten der Deutschen Hypothekenbank eingetragenen Grundpfandrechts von 200.000 DM zu bewilligen, soweit dieses den zu übertragenden ein Drittel Anteil belastet, und die für eine lastenfreie Übertragung erforderlichen Erklärungen der Miteigentümer und des Grundpfandrechtsgläubigers zu veranlassen.
Im übrigen wird die Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 2. abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die in erster Instanz angefallenen Kosten werden wie folgt verteilt: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger 4/5 und der Beklagte zu 1. 1/5. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. und 3. trägt der Kläger, der Beklagte zu 1. trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Von den in zweiter Instanz angefallenen Gerichtskosten und außergerichtlichen Kos-ten des Klägers haben der Kläger 2/3 und der Beklagte zu 1. 1/3 zu tragen. Die au-ßergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. und 3. trägt der Kläger, der Beklagte zu 1. trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte zu 2. und die Vollstreckung durch die Beklagte 3. durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 27.000 DM abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in der genannten Höhe leistet. Der Beklagte zu 1. darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 12.500 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in der genannten Höhe leistet. Jede Partei darf die Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts erbringen.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;">T a t b e s t a n d</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Der Kläger nimmt die Beklagten in der
Berufungsinstanz noch auf Übertragung eines Grundstücks in
Anspruch, das bis 1992 im Eigentum seiner Tante, der am 18.05.1995
vierundachtzigjährig verstorbenen M. H. (im Folgenden: Erblasserin)
stand, von dieser aber durch notariellen Vertrag vom 07.05.1992 (GA
27 ff.) auf die Beklagten übertragen wurde. Der Kläger ist aufgrund
Vertrages vom 12.05.1989 zwischen seiner Mutter und der Erblasserin
(GA 17 ff.) deren alleiniger Erbe. Die Bestimmungen des
Erbvertrages sind bindend. Im Gegenzug verpflichtete sich die
Mutter des Klägers, die Erblasserin zu pflegen, was sie bis zu
ihrem Tod - am 17.01.1992 - auch tat. Danach übernahmen die
Beklagten zu 2. und 3. die Pflege der Erblasserin und führten sie
bis zu deren Tod fort. Bereits kurz nach Übernahme der Pflege
übertrug die Erblasserin den Beklagten durch den bereits erwähnten
Vertrag den Grundbesitz. Die Erblasserin hat schriftlich bestätigt,
den dafür vereinbarten Kaufpreis von 250.000 DM erhalten zu haben.
Von den ihr unstreitig gezahlten 198.260,46 DM zahlte sie
allerdings im August 1992 und Anfang 1993 insgesamt 198.000 DM
zurück, indem sie die Beträge in bar an den Beklagten zu 1.
aushändigte. Bereits im April 1992 hatte die Erblasserin zugunsten
des Beklagten zu 1. durch Vertrag zugunsten Dritter auf den
Todesfall über verschiedene Konten verfügt. Die dem Beklagten zu 1.
aufgrund dieser Verfügung zugeflossenen Gelder waren Gegenstand des
Rechtsstreits in erster Instanz. Der Beklagte ist durch das
insoweit nicht angefochtene Urteil des Landgerichts rechtskräftig
zur Zahlung des ihm zugeflossenen Betrages abzüglich eines Betrages
für erbrachte Leistungen verurteilt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Parteien haben darum gestritten, ob
es sich bei der Übertragung des Grundbesitzes auf die Beklagten um
eine unentgeltliche Übertragung handelte, ferner darum, ob die
Übertragung durch ein lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin
veranlasst war.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Hinsichtlich des Vortrags der Parteien
in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils
Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Der Kläger hat nach mehrfachem
Antragswechsel die auf Seite 9 des angefochtenen Urteils
dargestellten Anträge gestellt, u.a.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">...</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu
verurteilen, die Einigungserklärung abzugeben, dass das im Tenor
bezeichnete Grundstück auf ihn übergeht, und die Eintragung dieses
Eigentumswechsels in das Grundbuch zu bewilligen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Das Landgericht hat Beweis erhoben.
Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die im
Urteil des Landgerichts, Seite 12, genannten Fundstellen Bezug
genommen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Durch das angefochtene Urteil hat das
Landgericht die Beklagten u.a. zur Auflassung und
Eintragungsbewilligung verurteilt. Hinsichtlich des
Urteilsausspruchs und der Ausführungen des Landgerichts wird auf
das Urteil Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Dagegen haben die Beklagten, soweit sie
zur Grundstücksübertragung verurteilt worden sind, form- und
fristgerecht Berufung eingelegt und diese form- und fristgerecht
begründet.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Beklagten wiederholen und ergänzen
ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie wenden sich gegen die
Annahmen des Landgerichts, es liege eine Schenkung vor und ein
lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin sei zu verneinen. Ferner
machen sie geltend, jedenfalls müssten die von ihnen zugunsten der
Erblasserin erbrachten Leistungen (Pflegeleistungen, Haus- und
Bewirtschaftungskosten, Vertrags- und Erwerbskosten) als
Gegenansprüche berücksichtigt werden.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Der Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">die Klage im Umfang der Anfechtung
unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen und
Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft zu gestatten.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">die Berufung zurückzuweisen und
Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft zu gestatten.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Im Wege der Anschlussberufung beantragt
er zudem,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">über den Tenor des angefochtenen
Urteils hinaus festzustellen, dass die Beklagten die mit der
Rückauflassung verbundenen Kosten zu tragen haben und</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">dem Urteilstenor des Landgerichts den
Zusatz hinzuzufügen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner
verurteilt werden, das in Abteilung III, laufende Nr. 1
eingetragene Grundpfandrecht von 200.000 DM zugunsten der Deutschen
Hypothekenbank löschen zu lassen und dass sie dem Kläger das im
Urteilstenor des Landgerichts genannte Grundstück lastenfrei
aufzulassen und zu übertragen haben.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Er wiederholt und vertieft gleichfalls
sein erstinstanzliches Vorbringen und tritt den Ausführungen der
Beklagten entgegen. Die mit der Anschlussberufung beantragten
Erweiterungen des Urteilsausspruchs will er als Klarstellung
verstanden wissen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Hinsichtlich der Einzelheiten des
Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze
Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Der Senat hat Beweis erhoben durch die
Vernehmung von Zeugen. Hinsichtlich des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 11.08.1999
(GA 409 ff.) Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d
e</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die zulässige Berufung ist teilweise
begründet.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Das Landgericht hat die Klage zu
Unrecht für begründet gehalten, soweit sie sich gegen die Beklagten
zu 2. und 3. richtet; die gegen den Beklagten zu 1. auf
Grundstücksübertragung gerichtete Klage ist indes in dem mit der
Anschlussberufung präzisierten Umfang begründet.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">I. Der Kläger hat gegen die Beklagten
zu 2. und 3. keinen Anspruch auf Übertragung des Grundstücks, weil
die Erblasserin das Grundstück diesen Beklagten ohne Verstoß gegen
den Erbvertrag übertragen hat.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">1. Zutreffend geht das Landgericht
allerdings davon aus, dass es sich bei der Grundstücksübertragung
auf die Beklagten um eine Schenkung handelte. Insoweit nimmt der
Senat auf die Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen
Entscheidung (Seite 14 ff.) Bezug. Das Berufungsvorbringen
rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Es spricht alles dafür,
dass von vornherein beabsichtigt war, lediglich im Hinblick auf die
Bindung an den Erbvertrag einen "Kauf" zu vereinbaren, dass der
gezahlte Kaufpreis aber an die Beklagten zurückfließen sollte. Zu
Recht nimmt das Landgericht an, dass es für die zeitliche Abfolge
der Rückzahlungen keine andere vernünftige Erklärung gibt. Dafür,
dass die Grundstücksübertragung Gegenleistung für die übernommene
Pflegeverpflichtung hat sein sollen, haben sich auch in der vom
Senat durchgeführten Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte
ergeben.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">2. Die Übertragung des Grundbesitzes an
die Beklagten zu 2. und 3. war aber durch ein lebzeitiges
Eigeninteresse der Erblasserin gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">a) Durch den Erbvertrag wurde das Recht
der Erblasserin, über ihr Vermögen durch Rechtsgeschäft unter
Lebenden zu verfügen, nicht beschränkt (§ 2286 BGB). Der Kläger
könnte als Vertragserbe allerdings die Herausgabe des geschenkten
Grundstücks von den Beklagten als Beschenkten verlangen, wenn die
Erblasserin die Schenkung in der Absicht gemacht hätte, den
Vertragserben zu beeinträchtigen (§ 2287 Abs. 1 BGB). Die - von dem
Vertragserben zu beweisende (BGHZ 66, 8, 17; 77, 264, 267; 82, 274,
282; WM 1977, 876, 877) - Beeinträchti-gungsabsicht ist zu
verneinen, wenn die Schenkung durch ein lebzeitiges Eigeninteresse
der Erblasserin gerechtfertigt war. Ein solches Interesse besteht,
wenn nach dem Urteil eines objektiven Betrachters die Beweggründe
des Erblassers in Anbetracht der gegebenen Umstände so sind, dass
der erbvertraglich Bedachte sie anerkennen und die Beeinträchtigung
hinnehmen muss (vgl. etwa BGHZ 83, 44, 45 f.; BGH WM 1979, 442,
445; NJW 1992, 2630, 2631 mit weiteren Nachweisen). Zwar kann dafür
nicht ein bloßer Sinneswandel des Erblassers ausreichen.
Andererseits kann es aber auch nicht darauf ankommen, ob die vom
Erblasser getroffene Entscheidung als zwingend erscheinen mußte,
insbesondere darauf, ob sich die mit der dem Erbvertrag
widersprechenden Verfügung verfolgten Intentionen auch auf andere,
dem Erbvertrag Rechnung tragende Weise hätten verwirklichen lassen.
Trifft ein pflegebedürftiger Erblasser eine im Widerspruch zur
erbvertraglichen Bindung stehende Verfügung, um sich die Pflege
durch die Person zu sichern, der alleine er eine angemessene
Pflegeleistung zutraut, so hat der Vertragserbe dies zu akzeptieren
(vgl. etwa BGHZ 66, 8, 16; 88, 269, 270 f.; BGH WM 1979, 442, 445;
NJW 1992, 2630, 2631).</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">b) So liegt es im Streitfall. Der Senat
ist aufgrund der unstreitigen Umstände des Falles und des
Ergebnisses der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die
Erblasserin mit der Übertragung des Grundbesitzes ihre Dankbarkeit
für die von den Beklagten zu 2. und 3. übernommene Pflege zum
Ausdruck bringen und sich diese Pflege für die Zukunft sichern
wollte.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">(1) Zu berücksichtigen ist zunächst,
dass schon der Abschluss des Erbvertrages maßgeblich bestimmt war
von dem Bestreben der Erblasserin, die Pflege durch die Mutter des
Klägers zu sichern. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der
Erbvertrag ein Rücktrittsrecht der Erblasserin vorsieht für den
Fall, dass die Mutter des Klägers ihrer Pflegeverpflichtung nicht
oder nicht ordnungsgemäß nachkommen sollte (Seite 4 = GA 20). Die
von dem Kläger in dem Erbschaftsvertrag übernommene Verpflichtung,
die Pflege in dem vereinbarten Umfang fortzuführen, falls seine
Mutter vorversterben oder sonstwie nicht in der Lage sein sollte,
die Pflegeleistung zu erbringen (Seite 6 = GA 22), bestätigt diese
Einschätzung. Es fehlt zwar an konkreten Anhaltspunkten, warum die
Erblasserin die Pflegeleistungen der Mutter des Klägers durch die
Erbeinsetzung des Klägers (nicht der Mutter) entgelten wollte, ob
dies etwa - wie die Beklagten geltend machen - aus
steuerrechtlichen oder aus sonstigen Gründen geschah. Dieser Frage
muss aber nicht weiter nachgegangen werden. Maßgeblich für die
Gesamtwertung des Verhaltens der Erblasserin bei der Schenkung an
die Beklagten ist, dass schon die inhaltlichen Regelungen des
Erbvertrages den Willen der Erblasserin erkennen lassen, die
Weitergabe ihres Vermögens mit der Sicherung ihrer Pflege im Alter
zu verknüpfen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">(2) Die Erblasserin hat den Kläger nach
dem Tod seiner Mutter aus dessen hilfsweise übernommener
Pflegeverpflichtung nicht in Anspruch genommen. Ob der beim Tod
seiner Mutter 33 Jahre alte Kläger, der ausweislich seiner
Prozeßkostenhilfegesuche ebenso wie seine Ehefrau berufstätig ist,
der übernommenen Verpflichtung überhaupt hätte nachkommen können,
kann dahinstehen. Immerhin bedurfte die Erblasserin nach dem
weitgehend unstreitigen Parteivortrag und der Aussage des Zeugen H.
seit dem Tod ihres Ehemanns im Jahr 1988, also schon vor dem Tod
der Mutter des Klägers einer intensivierten Pflege. Ebenso kann
dahinstehen, ob das Verhältnis zwischen der Erblasserin und dem
Kläger zerrüttet war und der Kläger keinerlei Anstalten machte, die
Pflege zu übernehmen.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Jedenfalls war die Erblasserin
offensichtlich nicht gewillt, Pflegeleistungen des Klägers in
Anspruch zu nehmen. Sie wandte sich kurz nach dem Tod der Mutter
des Klägers über den Zeugen S. an die Beklagten zu 2. und 3. und
betraute sie mit der Pflege. Dass die bereits kurz nach Aufnahme
dieser Pflegeleistungen erfolgte Übertragung des Grundstücks -
ebenso wie die weiteren zugunsten des Beklagten zu 1. getroffenen
Vermögensverfügungen - unmittelbar durch die Übernahme der Pflege
veranlasst war, kann nach der Überzeugung des Senats schon aus
Gründen des zeitlichen Zusammenhangs nicht zweifelhaft sein. Es ist
auch nicht ersichtlich, welchen konkreten anderen Anlass die
Erblasserin gehabt haben sollte, die Beklagten überhaupt und gerade
zu dem fraglichen Zeitpunkt mit Vermögenszuwendungen zu
bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Der Kläger will mit seinem Vortrag, die
Beklagten hätten sich "eingenistet", offenbar den Eindruck
erwecken, die Beklagten hätten die Initiative ergriffen ihn
auszuschalten, um auf das Vermögen der Erblasserin zugreifen zu
können. Dafür sind indes keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich.
Dagegen sprechen aber auch die glaubhaften Aussagen des
unbeteiligten Zeugen S. und des Zeugen A. H., wonach sich die
Erblasserin nach dem Tod der Mutter des Klägers aus eigenem Antrieb
mit der Bitte um Hilfe an die Beklagten zu 2. und 3. wandte.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">(3) Nach den glaubhaften Aussagen der
Zeugen H. und B. äußerte die Erblasserin mehrfach, sie wolle nur
von den Beklagten zu 2. und 3. gepflegt werden. Nach der
glaubhaften Aussage des Zeugen H. beteuerte sie gegenüber den
Beklagten zudem ständig: "Ihr kriegt das ja mal alles". Diese
Äußerungen der Erblasserin lassen den Zusammenhang zwischen dem
Wunsch nach Pflege und der aus ihrer Sicht bisher nur versprochenen
- tatsächlich allerdings schon erfolgten - Weitergabe des Vermögens
an die Beklagten deutlich werden. Sie sind ein überzeugendes Indiz
dafür, dass die Erblasserin die Beklagten zu 2. und 3. durch ihre
vermeintliche Ankündigung auf Dauer an sich binden wollte. Dabei
ist unerheblich, ob sich die Erblasserin die Weitergabe ihres
Vermögens als irgendwie geartete Gegenleistung oder als aus
Dankbarkeit erfolgte Belohnung vorstellte. Nicht die Absicht, den
Kläger als Vertragserben zu beeinträchtigen, sondern die Absicht,
sich die gewünschten Pflegepersonen durch materielle Zuwendungen
geneigt zu machen, bestimmten das Verhalten und die Äußerungen der
Erblasserin, so wie schon der Abschluss des Erbvertrages
offensichtlich von dem Bestreben bestimmt war, die Mutter des
Klägers als gewünschte Pflegeperson an sich zu binden.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">(4) Das Landgericht hat gemeint, die
persönliche Betreuung durch die Beklagten zu 2. und 3. sei
lediglich der Anlass, nicht aber die "Hauptmotivation" der
Grundstücksübertragung gewesen. Es ist indes nicht ersichtlich,
welche andere Motivation die Erblasserin zu ihrem Verhalten
bestimmt haben sollte, wenn nicht die, Dankbarkeit für die
erbrachten und für die Zukunft versprochenen Pflegeleistungen zu
zeigen und sich die Pflege durch die gewünschten Pflegepersonen
durch materielle Zuwendungen zu sichern.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">(5) Der Annahme, die Erblasserin habe
sich durch die Vermögensübertragung für die Übernahme der Pflege
dankbar und sich diese Pflege sichern wollen, steht nicht entgegen,
dass die Pflegeverpflichtung in dem notariellen Übertragungsvertrag
nicht erwähnt ist. Dies hängt, wie sich der die Aussage des Zeugen
A. H. entnehmen lässt, offenbar damit zusammen, dass man der
Meinung war, nur durch einen "echten" Kaufvertrag könne der
"Pflegevertrag" mit dem Kläger rechtlich wirksam unterlaufen
werden. Aufgrund der glaubhaften Aussagen der Zeugen S., A. H. und
B. steht jedenfalls fest, dass die Erblasserin die Pflege, die die
Beklagten zu 2. und 3. tatsächlich übernahmen, Anfang 1992, als sie
zu deren Gunsten über ihr Vermögen verfügte, ausdrücklich und
ausschließlich wünschte.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">(6) Nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme ist der Senat überzeugt, dass die Beklagten zu 2.
und 3. die Übernahme der Pflege im Sinne einer ihnen obliegenden
Verpflichtung verstanden haben. Dafür spricht schon das Handeln der
Beklagten. Diese übernahmen die Pflege der Erblasserin auf deren
Bitte und führten sie, auch nachdem die Erblasserin ihnen bereits
wesentliches Vermögen - aus damaliger Sicht endgültig - übertragen
hatte, über 3 Jahre bis zum Tod der Erblasserin fort. Der Zeuge H.
hat zudem glaubhaft bekundet, die Beklagten zu 2. und 3. hätten die
Pflege der Erblasserin ohne jede Voraussetzung übernommen und sich
dazu auch aufgrund der Bitte des vorverstorbenen Ehemanns der
Erblasserin, auf diese "aufzupassen" verpflichtet gefühlt. Der
Senat geht davon aus, dass dieses Bewusstsein einer übernommenen
Verpflichtung aufgrund der Zuwendungen der Erblasserin verstärkt
wurde. Der Senat geht auch davon aus, dass die Erblasserin die
Tätigkeit der Beklagten zu 2. und 3. als Übernahme einer
Verpflichtung verstanden hat. Andernfalls wären die getroffenen
Vermögensverfügungen nicht verständlich. Darauf, dass vieles nicht
ausdrücklich verbalisiert wurde und auch die Aussagen der Zeugen
und die von ihnen geschilderten Äußerungen der Erblasserin nach
Aktenlage eher blass erscheinen, kommt es deshalb nicht an. Dies
hängt im übrigen ersichtlich mit dem Lebenskreis der Beteiligten
zusammen, wie er sich dem Senat aufgrund der mündlichen Verhandlung
unter Beteiligung des Klägers und des Beklagten zu 1. und der
Zeugenvernehmung sowie aufgrund der Gegebenheiten des Sachverhalts
darstellt. Danach stand für die Beteiligten offensichtlich
praktisches Handeln, nicht die Verbalisierung und rechtliche
Einordnung von Problemen, im Vordergrund und war demgemäß auch
vornehmlicher Gegenstand der geschilderten Beobachtungen.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">(7) Der Kläger hat die Entscheidung der
Erblasserin hinzunehmen. Es ist nachvollziehbar, dass die über 80
Jahre alte Erblasserin, die auch wegen ihres anus praeter
besonderer Versorgung auch im Intimbereich bedurfte, die Pflege
durch ihr nahestehende weibliche Verwandte wünschte, die zudem
"eigen" waren, also die erforderliche Sensibilität im Umgang mit
der Erblasserin zeigten. Dieser Wunsch der Erblasserin ergibt sich
für den Senat deutlich aus den glaubhaften Aussagen der vernommenen
Zeugen, insbesondere der Zeugin B..</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">(8) Ohne Erfolg macht der Kläger
geltend, ein lebzeitiges Eigeninteresse könne deshalb nicht
anerkannt werden, weil der Fall des Vorversterbens seiner Mutter in
dem Erbvertrag bedacht und dort auch für den Fall ausbleibender
Pflegeleistungen ein Rücktrittsrecht vereinbart sei, welches die
Erblasserin nicht ausgeübt habe.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Richtig ist, dass in dem Erbvertrag
eine Übernahme der Pflegeverpflichtung durch den Kläger für den
Fall des Vorversterbens seiner Mutter vorgesehen ist. Daraus kann
indes schon deshalb wenig hergeleitet werden, weil ein
Vorversterben der - 12 Jahre jüngeren - Mutter des Klägers bei
Vertragsabschluss als wenig wahrscheinliche Möglichkeit und die
Übernahme der Verpflichtung durch den Kläger als eher formale
Abrundung des Vertragswerks erscheinen konnte. Jedenfalls muss es
der Kläger akzeptieren, dass die Erblasserin, als sich die
Situation tatsächlich ergab und die bisher vertraute Pflegeperson
verstarb, nicht durch den Kläger, sondern durch die Beklagten,
denen sie nun vertraute, pflegen lassen wollte.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Inwieweit die unterlassene Ausübung des
Rücktrittsrechts für die Beurteilung des lebzeitigen
Eigeninteresses von Bedeutung sein soll, ist nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">II. Hinsichtlich des Beklagten zu 1.
kann, was in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist, ein
lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin schon nach seinem
eigenen Vortrag nicht bejaht werden. Die Pflege der Erblasserin
übernahmen die Beklagten zu 2. und 3. Der Beklagte zu 1. übernahm
zwar Gartenarbeiten, für die ihm das Landgericht einen Abzug von
9.000 DM auf den aus der Schenkung des Sparguthabens resultierenden
Zahlungsanspruch zugebilligt hat (Urteil Seite 24 ff. = GA 295
ff.). Diese Arbeiten galten aber nicht dem Eigeninteresse der
Erblasserin, sondern dem Interesse der Beklagten an der Pflege und
Erhaltung des ihnen bereits im Mai 1992 übertragenen Grundstücks.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der
Erblasserin ein lebenslängliches unentgeltliches Wohn- und
Nutzungsrecht eingeräumt wurde. Für Pflegeleistungen des Beklagten
zu 1. gegenüber der Erblasserin ist nichts dargetan. Es sind auch
keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die
Übertragung eines Miteigentumsanteils auf den Beklagten zu 1., den
Sohn der Beklagten zu 3., tatsächlich dazu hat dienen sollen, sich
der Pflegeleistungen der Beklagten zu 2. und 3. zu
vergewissern.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Der Beklagte zu 1. haftet auf
Herausgabe des ihm übertragenen Miteigentumsanteils. Er trägt
selbst vor, dass die Erblasserin den zunächst gezahlten Kaufpreis
an ihn, nicht an die Beklagten insgesamt, zurückgezahlt hat. Die
Übertragung an ihn hat mithin auf jeden Fall vorwiegend
Schenkungscharakter.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Gegenansprüche, die der Beklagte zu 1.
dem Herausgabeanspruch mit Erfolg entgegenhalten könnte, bestehen
nicht. Die Aufwendungen für die Gartenpflege hat das Landgericht
bei der Entscheidung über den Zahlungsantrag angemessen
berücksichtigt. Pflegeleistungen haben lediglich die Beklagten zu
2. und 3. erbracht. Den in der Berufungsbegründung in Bezug
genommenen Ausführungen GA 210, 228 nebst Anlagen lassen sich
Gegenansprüche, die ein Zurückbehaltungsrecht rechtfertigen, nicht
entnehmen. Es handelt sich neben den Vertrags- und Erwerbskosten um
Hauslasten und Bewirtschaftungskosten, die offensichtlich von allen
Beklagten in der Erwartung ihnen verbleibenden Eigentums
aufgewendet wurden. Diese Erwartung hat sich hinsichtlich der
Beklagten zu 2. und 3. verwirklicht, so dass die Aufwendungen
insoweit ihr Ziel nicht verfehlt haben. Dass sie ausschließlich von
dem Beklagten zu 1. aufgebracht worden sind, ist nicht ersichtlich.
Inwieweit sich im Verhältnis zwischen diesen und dem Beklagten zu
1. nunmehr Ausgleichsansprüche ergeben könnten, ist hier nicht zu
erörtern. Die Aufwendungen des Beklagten zu 1. sind im übrigen
deshalb nicht zu berücksichtigen, weil er sie im Bewusstsein des
Risikos getätigt hat, dass der Grundstückserwerb wegen des
Erbvertrages, den man umgehen wollte, unwirksam sein könnte. Im
Rahmen des § 818 Abs. 3 BGB ist nicht jeder Vermögensnachteil zu
berücksichtigen. Im Einzelfall ist vielmehr zu prüfen, inwieweit
das jeweilige Entreicherungsrisiko gemäß § 818 Abs. 3 BGB nach den
Vorschriften über das fehlgeschlagene Geschäft oder nach dem Willen
der Vertragschließenden jeweils der einen oder anderen Partei
zugewiesen sein sollte (vgl. BGH NJW 1992, 1037, 1038) und der
Bereicherungsschuldner die Aufwendungen im Vertrauen auf die
Rechtswirksamkeit der Verfügung gemacht hat (vgl. BGH NJW 1980,
1789, 1790). Die vom Beklagten zu 1. gemachten Aufwendungen sind
danach seinem Risikobereich zuzuweisen, weil er auf die
Rechtswirksamkeit der Schenkung der Erblasserin nicht vertrauen
konnte.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die aufgrund der Anschlussberufung
erfolgten Ergänzungen des Urteilstenors haben klarstellenden
Charakter, da die den Beklagten zu 1. treffende
Kostentragungspflicht und die Verpflichtung zur lastenfreien
Übertragung des Miteigentums Folge des geltend gemachten Anspruchs
aus den §§ 2287 Abs. 1, 812 Abs. 1 BGB sind. Die vom Antrag
abweichende Formulierung des Urteilstenors trägt der Tatsache
Rechnung, dass lediglich der Beklagte zu 1. verurteilt ist.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">III. Die Kostenentscheidung beruht auf
den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§
708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Beschwer des Klägers und die des
Beklagten zu 1. übersteigen 60.000,00 DM.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Berufungsstreitwert: 620.000 DM</p>
|
114,458 | olgk-1999-09-22-13-u-4799 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
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} | 13 U 47/99 | 1999-09-22T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:45 | 2019-02-12T08:36:04 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1999:0922.13U47.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 23. Februar 1999 - 10 O 239/97 - wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten der Berufung zu tra-gen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Bundesgebiet ansässigen, als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>T a t b e s t a n d</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Kläger betreiben als Ärzte für Radiologie in D. (K.straße)
eine Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform einer Gesellschaft
bürgerlichen Rechts. Sie erbringen dort Leistungen sowohl in der
konventionellen Röntgendiagnostik als auch in der
Computertomographie. Da sie ihre Praxis auch um
kernspintomographische Untersuchungen erweitern wollten, kam es im
Jahre 1994 zu ersten Kontakten mit dem Beklagten, einem Facharzt
für diagnostische Radiologie, der über die persönlichen
Voraussetzungen für die Erbringung und Abrechnung
kernspintomographischer Leistungen verfügt und an einem
Vertragsarztsitz in dem wegen Überversorgung den
Zulassungsbeschränkungen des § 103 SGB V unterliegenden
Planungsbereich <i>D.</i> interessiert war.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am 16.12.1994 trafen die Kläger mit dem in D. (M.straße) eine
nuklearmedizinische Einzelpraxis betreibenden Herrn Dr. S. eine
Kooperationsvereinbarung im Hinblick auf die Neubesetzung des frei
werdenden Vertragsarztsitzes des Arztes für Radiologie Dr. J., der
altersbedingt seine Einzelpraxis in D. (W.straße) aufgab, sowie
unter gleichem Datum einen Vertrag über eine Apparategemeinschaft
zur gemeinsamen Nutzung eines für den Standort K.straße erstrebten
Kernspintomographen (Anlagen 3 und 4 zum Schriftsatz vom
17.10.1996, Bl. 137 ff. der Beiakte). Im Hinblick auf den
freiwerdenden Vertragsarztsitz hatten sich Herr Dr. S. und Herr Dr.
J. mit Vertrag vom 26.09.1994 (Bl. 10 ff. der Beiakte) zur Ausübung
einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis mit Sitz in der
M.straße zusammengeschlossen, wobei die Praxis W.straße
vorübergehend als ausgelagerter Praxisteil für die radiologischen
Untersuchungen weitergenutzt werden sollte. Beim Ausscheiden aus
der Gemeinschaftspraxis sollte Herr Dr. J. verpflichtet sein, auf
seine Zulassung zu Gunsten der Gemeinschaftspraxis zu verzichten (§
28 jenes Vertrages). Nachfolger auf den freiwerdenden
Vertragsarztsitz sollte der Beklagte werden. Dieser sollte nach
Bestandskraft seiner Zulassung auf den Vertragsarztsitz von Herrn
Dr. J. seine Tätigkeit in der Gemeinschaftspraxis mit Herrn Dr. S.
sofort beenden, seinen Vertragsarztsitz in die Gemeinschaftspraxis
der Kläger verlegen und in die Apparategemeinschaft eintreten.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Zum 01.01.1995 schied Herr Dr. J. aus der Gemeinschaftspraxis
mit Herrn Dr. S. aus. Am 14.02.1995 trafen die Parteien eine - auch
von Herrn Dr. S. mitunterzeichnete - handschriftliche Vereinbarung,
die für den Fall, daß der Zulassungsausschuß den freiwerdenden
Vertragsarztsitz von Herrn Dr. J. an den Beklagten vergeben würde,
die Modalitäten eines "Einstiegs" des Beklagten in die
Gemeinschaftspraxis der Kläger regelte (Bl. 11-13 GA). Bis zum
31.12.1996 sollte der Beklagte dort als Mitarbeiter auf
Honorarbasis tätig sein, ab dem 01.01.1997 als Teilhaber der
Gemeinschaftspraxis. In Ziffer 6. der von den Klägern vorbereiteten
Vereinbarung vom 14.02.1995 heißt es:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">"Sollte es wider Erwarten zu
unvorhersehbaren persönlichen oder fachlichen Schwierigkeiten
kommen, die eine solche Partnerschaft unmöglich machen oder ihr
zumindest ernsthaft entgegenstehen, so wird unter folgenden
Bedingungen ein Kündigungsrecht bis zum 31.12.96 vereinbart:</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">a) Die Kündigung muß mindestens 9
Monate vor diesem Stichtag erfolgen, schriftlich ausgesprochen
werden und begründet sein. Die Kündigung kann nur aus wichtigem
Grund erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">b) Falls die Frist von 9 Monaten nicht
eingehalten wird, haftet der kündigende Teil für die finanziellen
Schäden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">c) Herr Dr. M. gibt seinen
Kassenarztsitz in D. bei einem Ausscheiden frei, damit dieser durch
einen Nachfolger in der Gemeinschaftspraxis unmittelbar wieder
besetzt werden kann. Bei Zuwiderhandlung wird eine pauschale
Entschädigung von 500.000 DM vereinbart.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">d) Herr Dr. M. wird nach Kündigung
keine vertragsärztliche radiologische Tätigkeit im Bereich des
Zulassungsbezirks aufnehmen."</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Nach Anhörung von Herrn Dr. S. bestimmte der Zulassungsausschuß
Aachen in der Sitzung vom 15.02.1995 den Beklagten zum Nachfolger
für den Vertragsarztsitz von Herrn Dr. J.. Mit weiterem Beschluß
des Zulassungsausschusses vom 26.04.1995 wurde der Beklagte
vorbehaltlich der Entscheidung des Berufungsausschusses über den
Widerspruch eines Mitbewerbers zum 01.05.1995 als Nachfolger für
den Vertragsarztsitz des Herrn Dr. J. zur vertragsärztlichen
Tätigkeit zugelassen. Anfang Mai 1995 nahm der Beklagte zunächst
als Sicherstellungsassistent für Herrn Dr. J. seine Tätigkeit in
der Praxis W.straße auf und setzte sie nach Wirksamwerden seiner
Zulassung (der Widerspruch des Mitbewerbers wurde am 22.06.1995
zurückgewiesen) dort ab 01.07.1995 im eigenen Namen und auf eigene
Rechnung fort. Nachdem der Großgeräteausschuß Rheinland in seiner
Sitzung vom 11.07.1995 das Krankenhaus D.-L. zum Standort für den
Kernspintomographen bestimmt hatte und die Zulassung des Beklagten
als Nachfolger auf den Vertragsarztsitz des Herrn Dr. J.
bestandskräftig geworden war, kündigte der Beklagte mit
Anwaltsschreiben vom 22.08.1995 die mit den Klägern getroffene
Vereinbarung vom 14.02.1995 auf.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Nach gescheiterten Einigungsbemühungen forderten die Kläger den
Beklagten mit Schreiben vom 15.12.1995 vergeblich auf, die
vereinbarte Vertragsstrafe in Höhe von 500.000,00 DM zu zahlen.
Herr Dr. S. nahm seinerseits den Beklagten auf Ersatz der Abfindung
von 380.000,00 DM, die er an Herrn Dr. J. als Ausgleich für dessen
radiologische Vertragsarztpraxis W.straße gezahlt habe, sowie auf
Aufwendungsersatz in Anspruch. Dieser Rechtsstreit (10 O 409/96 LG
Aachen) ist durch einen am 23.09.1998 abgeschlossenen
Prozeßvergleich, durch den sich der Beklagte zur Zahlung von
300.000,00 DM an Herrn Dr. S. verpflichtet hat, beendet worden.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Mit Urteil vom 23.02.1999, auf das Bezug genommen wird, hat das
Landgericht die Klage, mit der die Kläger den Beklagten auf Zahlung
einer Vertragsstrafe von 500.000,00 DM nebst 4% Zinsen seit dem
16.01.1996 in Anspruch genommen haben, abgewiesen, weil die im
Zusammenhang zu betrachtenden Klauseln unter 6 c) und d) der
Vereinbarung vom 14.02.1995 als sittenwidrig i.S.d. § 138 BGB zu
bewerten seien.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Mit ihrer Berufung stellen die Kläger das angefochtene Urteil
zur Überprüfung. Die vereinbarte Strafe wegen Vertragsuntreue dürfe
unter den konkreten Umständen nicht als sittenwidrig
disqualifiziert werden. Schließlich seien es die Kläger gewesen,
die in Zusammenarbeit mit Herrn Dr. S. dem Beklagten die
Möglichkeit eröffnet hätten, den Vertragsarztsitz als Nachfolger
von Herrn Dr. J. zu erhalten und in die etablierte
Gemeinschaftspraxis der Kläger einzusteigen. Angesichts der
erheblichen Vorleistungen der Kläger und ihres hohen Interesses,
ihre Praxisgemeinschaft um einen Facharzt mit Vertragsarztsitz
sowie mit der Qualifikation zur Erbringung und Abrechnung
kernspintomographischer Leistungen zu erweitern, sei die
Absicherung durch eine Vertragsstrafe nicht zu beanstanden. Der
Beklagte werde auch durch die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe
nicht unangemessen belastet, da er inzwischen mit seiner
Einzelpraxis, in der er auch einen Kernspintomographen betreibt,
einen höheren Umsatz habe als sie - die Kläger - gemeinsam.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Kläger beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><ol class="absatzLinks">
<li>unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu
verurteilen, an sie DM 500.000,00 nebst 4% Zinsen seit dem
16.01.1996 zu zahlen,</li>
<li>hilfsweise, den Klägern die Befugnis einzuräumen, gegen
Sicherheitsleistung die Zwangsvollstreckung abzuwenden und für die
zu erbringende Sicherheitsleistung eine selbstschuldnerische
Bürgschaft einer im Bundesgebiet tätigen Großbank oder eines
öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts stellen zu können.</li>
</ol>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><ol class="absatzLinks">
<li>die Berufung zurückzuweisen,</li>
<li>ihm zu gestatten, Sicherheit auch durch die Bürgschaft einer
deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volksbank zu
leisten.</li>
</ol>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Der Versuch der
Kläger, eine Art "Ärztemonopol" im Zulassungsbezirk zu begründen,
verstoße auch gegen § 1 GWB. Bei einer Besprechung vom 02.09.1995
hätten die Kläger seine Kündigung ausdrücklich akzeptiert, ohne
sich die Geltendmachung einer Vertragsstrafe vorzubehalten. Damit
sei die Beanspruchung einer "pauschalen Entschädigung" entsprechend
§ 341 Abs.3 BGB verwirkt. Im übrigen sei die Höhe der
Vertragsstrafe auch 10-fach übersetzt.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien
wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen sowie auf die beigezogenen Akten des Rechtstreits Dr. S.
./. Dr. M. (10 O 409/96 LG Aachen = 13 U 8/97 OLG Köln), die
Verhandlungsgegenstand waren, verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die formell bedenkenfreie Berufung der Kläger bleibt
erfolglos.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><ol class="absatzLinks">
<li>Beurteilt man - wie im angefochtenen Urteil geschehen - die
Ziffern 6 c) und d) der Vereinbarung vom 14.02.1995 im
Zusammenhang, dann kann kein Zweifel daran bestehen, daß dies zur
Nichtigkeit der darin enthaltenen Verpflichtungen des Beklagten
führt, seinen Vertragsarztsitz in D. für einen Nachfolger in der
Gemeinschaftspraxis der Kläger freizugeben und keine
vertragsärztliche radiologische Tätigkeit im Zulassungsbezirk
aufzunehmen. Die letztgenannte Unterlassungsverpflichtung ist</li>
</ol>
<span class="absatzRechts">23</span><ul class="absatzLinks">
<li>in zeitlicher Hinsicht, weil unbefristet,</li>
<li>in räumlicher Hinsicht, weil den gesamten Zulassungsbezirk
Aachen mit mehreren hundert Quadratkilometern Größe umfassend,</li>
<li>und in sachlicher Hinsicht, weil selbst bei einer Kündigung aus
wichtigem Grunde Geltung beanspruchend,</li>
</ul>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">derart unangemessen, daß sie ohne die
Möglichkeit einer geltungserhaltenden Reduktion als sittenwidrig (§
138 Abs.1 BGB) und damit nichtig anzusehen ist, wie die
Berufungserwiderung in Ergänzung der Ausführungen des
landgerichtlichen Urteils auf der Grundlage der angeführten
Kautelarrechtsprechung zutreffend aufzeigt (aus jüngster Zeit
ferner OLG Stuttgart, OLGR 1998, 275 und - auch unter dem
Gesichtspunkt des § 1 GWB - OLGR 1999, 151).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><ol class="absatzLinks">
<li>Die Vereinbarung einer "pauschalen Entschädigung" in Höhe von
500.000 DM bezieht sich allerdings nur auf die Verpflichtung unter
Ziffer 6 c) der Vereinbarung vom 14.02.1995 zur Freigabe des
Vertragsarztsitzes, "damit dieser durch einen Nachfolger in der
Gemeinschaftspraxis unmittelbar wieder besetzt werden kann".</li>
</ol>
<span class="absatzRechts">26</span><ol class="absatzLinks">
<li>Zunächst einmal stellt sich die Frage, ob es sich bei den für
den Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung zu zahlenden
500.000 DM nicht um ein sog. Reu(e)geld (§ 359 BGB), hier als
Kündigungsentschädigung, handelt. Darunter versteht man eine nicht
geschuldete Vermögensleistung, die dem Vertragspartner ein
einseitiges Loskommen vom Vertrag und den damit verbundenen
Pflichten ermöglichen und dem Kündigungsgegner einen Ausgleich für
die mit der vertraglich vorbehaltenen Kündigung verbundenen
Nachteile schaffen soll. Die Zahlung der "pauschalen Entschädigung"
ist hier indessen nicht Voraussetzung für die Ausübung eines
vorbehaltenen Kündigungsrechts, sondern soll den Anspruch der
Kläger auf Freigabe des Vertragsarztsitzes beim Ausscheiden des
Beklagten aufgrund einer Kündigung, die gemäß Ziffer 6 a) nur aus
wichtigem Grunde erfolgen durfte, sichern. Im übrigen verfällt auch
ein Reuegeld weder, wenn ein gesetzlicher Kündigungsgrund besteht,
noch bei einverständlicher Vertragsbeendigung.</li>
<li>Unabhängig davon, ob man die vereinbarte Entschädigungszahlung
- wie der Wortlaut nahelegt - als pauschalierten Schadensersatz
oder - wofür die einschneidenden Wirkungen der übernommenen
Freigabeverpflichtung und eine an Treu und Glauben orientierte
Betrachtungsweise sprechen - als ggf. herabsetzbare Vertragsstrafe
ansieht, hängt die Wirksamkeit einer solchen Zahlungsverpflichtung
davon ab, ob überhaupt eine Verpflichtung zur Freigabe des
Vertragsarztsitzes wirksam vereinbart werden kann, wenn auch die
umliegenden Planungsbereiche für Neuzulassungen gesperrt sind, wie
dies hier unstreitig der Fall war und ist. Das wird man nicht
schlechthin verneinen können.</li>
<li>Die Zulassung eines Bewerbers als Vertragsarzt im
überversorgten Gebiet setzt voraus, daß er bereit ist, die
ausgeschriebene Praxis als Nachfolger des bisherigen Vertragsarztes
zu übernehmen bzw. in die Gemeinschaftspraxis, aus der der
bisherige Vertragsarzt ausscheidet, einzutreten (§ 103 Abs.4 S.3,
Abs.6 S.1 SGB V). Da die Vertragsarztzulassung indessen auch dann
bestehen bleibt, wenn der Bewerber nach seiner Zulassung diese
Absicht nicht verwirklicht, sondern sich anderweitig im
Planungsbereich niederläßt, besteht ein schutzwürdiges Interesse
des oder der verbliebenen Gesellschafter(s), die Aufnahme der
Tätigkeit und den Verbleib des Bewerbers in der Gemeinschaftspraxis
vertraglich abzusichern, und für den Fall, daß es zum Scheitern
oder erst gar nicht zur Verwirklichung der "vorvertraglich"
vereinbarten gesellschaftsvertraglichen Zusammenarbeit kommt, den
Vertragsarztsitz für die Gemeinschaftspraxis zu erhalten. Ein
solcher "Bestandsschutz" läßt sich durch zivilrechtliche
Wettbewerbsverbote (in den von der Rechtsprechung zunehmend enger
gezogenen Grenzen) nur unvollkommen erzielen (das OLG Stuttgart,
OLGR 1999, 151, sieht allerdings nur diese Möglichkeit und billigt
deshalb hinsichtlich der vertragsärztlichen Tätigkeit ein
begrenztes nachvertragliches Wettbewerbsverbot sogar ohne besondere
Vereinbarung als "vertragsimmanentes" Mittel des Bestandsschutzes
zu).</li>
<li>Es erscheint nicht von vornherein rechtlich unmöglich oder
unzulässig, den vom verbleibenden Gemeinschafter auf einen solchen
Vertragsarztsitz "vermittelten" Bewerber vertraglich zu
verpflichten, bei seinem Ausscheiden den Vertragsarztsitz zugunsten
der Gemeinschaftspraxis "freizugeben", um ihn dort mit einem
Nachfolger zu besetzen.</li>
</ol>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Zwar sind die Zulassung als
Vertragsarzt und der dem zugelassenen Vertragsarzt zugewiesene
Vertragsarztsitz unveräußerliche Rechte, die als solche nicht
übertragen werden können. Eine "Übertragung" des Vertragsarztsitzes
kann daher nur durch einen Verzicht des Inhabers auf den
Vertragsarztsitz und die Zuweisung dieses Vertragsarztsitzes an
einen anderen Bewerber aufgrund einer Neuausschreibung erfolgen.
Nach § 103 Abs.4 S.1 SGB V hat die Kassenärztliche Vereinigung auf
Antrag des Vertragsarztes diesen Vertragsarztsitz unverzüglich
auszuschreiben, wenn die Zulassung eines Vertragsarztes in einem
Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind,
durch Verzicht endet. Diese Regelung gilt gemäß § 103 Abs.6 S.1 SGB
V entsprechend, wenn die Zulassung eines Vertragsarztes endet, der
die Praxis bisher mit einem oder mehreren Vertragsärzten
gemeinschaftlich ausgeübt hat. Der/die verbleibende(n)
Gesellschafter ist/sind daher berechtigt, den Antrag auf
Neuausschreibung des Vertragsarztsitzes zu stellen, auf den der
Ausscheidende verzichtet. In diesem Nachbesetzungsrecht kommt der
wirtschaftliche Werterhalt der Gemeinschaftspraxis als gesetzlicher
Schutzzweck zugunsten der verbliebenen Gemeinschafter ebenso zum
Ausdruck wie in § 103 Abs.6 S.2 SGB V, wonach die Interessen des
oder der in der Praxis verbleibenden Vertragsärzte bei der
Bewerberauswahl angemessen zu berücksichtigen sind. Das Ziel der
gesetzlichen Nachfolgeregelung in Abs.6, die Gemeinschaftspraxis
fortzuführen, kommt ferner in der Grundvoraussetzung des
entsprechend anzuwendenden Abs.4 S.3 (Nachfolgeabsicht) zum
Ausdruck und führt dazu, daß auch das Ermessenskriterium "Eignung"
in Satz 4 in dem Sinne zu verstehen ist, daß das Eignungsprofil des
Bewerbers mit dem Anforderungsprofil der Praxis möglichst
deckungsgleich sein soll (LSG NRW, MedR 1999, 237, 240 und MedR
1999, 333, 338).</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Das LG Essen und das OLG Hamm (MedR
1998, 565) haben denn auch keine grundsätzlichen Bedenken gegen die
Wirksamkeit einer vorvertraglichen Verpflichtung des Bewerbers
erhoben, den zu einer (radiologischen) Gemeinschaftspraxis
gehörenden Vertragsarztsitz wieder zur Ausschreibung freizugeben,
falls ein endgültiger Vertrag nicht zustande kommen sollte (unklar
Dahm, MedR 1998, 568 f., der meint, gesellschaftsrechtlich könne
der ausscheidende Gesellschafter nicht zur Abgabe einer
Verzichtserklärung gezwungen werden).</p>
<span class="absatzRechts">29</span><ol class="absatzLinks">
<li>Hier liegen jedoch besondere Umstände vor, die Veranlassung zu
einer anderen Beurteilung geben:</li>
<li>Schon der Zusammenschluß zwischen dem Nuklearmediziner Dr. S.
und dem Radiologen Dr. J. zu einer Gemeinschaftspraxis diente
lediglich dazu, den Klägern und Herrn Dr. S. den Einfluß auf die
Neubesetzung des Vertragsarztsitzes von Herrn Dr. J. zu sichern.
Nach Bestandskraft seiner Zulassung sollte der Beklagte hiernach
seine Tätigkeit in der Gemeinschaftspraxis mit Herrn Dr. S. sofort
beenden, seinen Vertragsarztsitz in die Gemeinschaftspraxis der
Kläger verlegen und in die Apparategemeinschaft (zur gemeinsamen
Nutzung eines für den Standort der Kläger erstrebten
Kernspintomographen) eintreten. Damit wird der gesetzgeberische
Zweck der Nachfolgeregelung des § 103 Abs.6 SGB V, eine bestehende
Gemeinschaftspraxis in ihrem bisherigen Zuschnitt fortzuführen,
unterlaufen und die Absicht einer fortzusetzenden
Gemeinschaftspraxis vorgespiegelt, die (sofern sie überhaupt je
verwirklicht wurde) in Wirklichkeit nur dazu bestimmt war, alsbald
aufgelöst zu werden, um den Vertragsarztsitz der bisherigen Praxis
Dr. J. für die Gemeinschaftspraxis der Kläger zu vereinnahmen.
Schon diese systematisch angelegte Manipulation zur Vereinnahmung
eines anderweitigen Vertragsarztsitzes für die Gemeinschaftspraxis
der Kläger verbietet es, dem Interesse der Kläger an einer
Absicherung der "Übertragung" dieses Vertragsarztsitzes eine
besondere Schutzwürdigkeit beizumessen (siehe auch LSG NRW, MedR
1999, 240 und 338: "§ 103 Abs.4 SGB V bezweckt nicht, daß
Zulassungen zu einem Handelsgut verkommen, sondern will, daß die
konkrete Praxis fortgeführt wird"). Von einem "Bestandsschutz" -
wie bei einer Nachfolgeregelung für einen zur Gemeinschaftspraxis
gehörenden Vertragsarztsitz - kann hier ohnehin keine Rede
sein.</li>
<li>Die Freigabeverpflichtung nach Ziffer 6 c) der Vereinbarung vom
14.02.1995 stellt bereits unabhängig von der
Unterlassungsverpflichtung nach Ziffer 6 d) jener Vereinbarung ein
einschneidendes Wettbewerbsverbot dar. Mit dem Verzicht auf den
Vertragsarztsitz zugunsten eines Nachfolgers in der
Gemeinschaftspraxis der Kläger wäre dem Beklagten eine
vertragsärztliche radiologische Tätigkeit im gesperrten Planbereich
allenfalls über ein späteres Auswahlverfahren möglich geworden,
wenn in diesem Bereich ein weiterer Vertragsarztsitz seines
Fachgebiets freigeworden wäre. Die Dauer, für die der Kläger
hierdurch an einem Wettbewerb mit den Klägern als Vertragsarzt
gehindert gewesen wäre, hätte aller Wahrscheinlichkeit nach schon
die engen zeitlichen Grenzen für ein zulässiges vertragsärztliches
Wettbewerbsverbot überstiegen (so billigt z.B. das OLG Stuttgart,
OLGR 1999, 151 bei einem Ausscheiden nach fünfeinhalb Monaten nur
ein halbjähriges Wettbewerbsverbot zu). Das gilt hier um so mehr,
als der Beklagte bis zu seiner Kündigung für einen Zeitraum von
allenfalls 4 Monaten nur stundenweise in der Praxis der Kläger
tätig war (im übrigen versorgte er die Praxis W.straße). Das
Druckmittel der "pauschalen Entschädigung" - sei es nun bei einem
Verständnis als pauschalierter Schadensersatz oder als immerhin
herabsetzbare Vertragsstrafe - unterstreicht angesichts der
vereinbarten Höhe von 500.000 DM die Unangemessenheit dieses
Wettbewerbsverbotes. Insoweit sei darauf verwiesen, daß nach
ständiger Rechtsprechung des BGH (z.B. NJW 1968, 1717 und NJW-RR
1996, 741) ein den Verpflichteten übermäßig beschränkendes
Wettbewerbsverbot auch darin liegen kann, daß ihm schwer
erträgliche finanzielle Verpflichtungen auferlegt werden. Das gilt
auch unter Berücksichtigung des Erfolgsrisikos einer gerichtlichen
Herabsetzung der Vertragsstrafe.</li>
<li>Der Senat hat den Beklagten im Urteil vom 23.07.1998 (13 U
8/97) dem Grunde nach für verpflichtet erklärt, Herrn Dr. S. den
Verkehrswert der Praxis (bzw. des Praxisteils) W.straße (ehemals
Dr. J.) zu ersetzen. Er hat dabei maßgeblich auf den
wirtschaftlichen Zusammenhang von Praxiswert und Vertragsarztsitz
abgestellt und hierzu unter anderem ausgeführt:</li>
</ol>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">"Die rechtliche Selbständigkeit der
öffentlichrechtlichen Regelung von Nachfolgezulassungen in sog.
gesperrten Gebieten (§ 103 Abs.4 bis 6 SGB V) einerseits und der
privatrechtlichen Gestaltung dieser Nachfolgeregelung andererseits
darf nicht den Blick dafür verstellen, daß die
Verwertungsmöglichkeit einer Praxis in solchen wegen Überversorgung
mit Zulassungsbeschränkungen belegten Gebieten von der Übertragung
des Vertragsarztsitzes auf den zur Übernahme der Praxis - bei
Gemeinschaftspraxen zum Eintritt in diese Gemeinschaftspraxis -
bereiten Nachfolger abhängt. Demgemäß verfolgen die in § 103 Abs.4
SGB V getroffenen Regelungen denn auch primär den Zweck, dem
abgebenden Arzt, seinen Erben oder dem verbleibenden Praxispartner
die wirtschaftliche Verkehrsfähigkeit der Vertragsarztpraxis im
gesperrten Bezirk zu erhalten. Der Nachfolger ist daher gehalten,
nicht nur den Vertragsarztsitz, sondern auch die mit diesem
verbundene Praxis (als eigentumsrechtlich geschützter Inbegriff der
materiellen und immateriellen Werte des eingerichteten und
ausgeübten Betriebs) zu übernehmen. ....... Da die Wirksamkeit der
Übertragung des Vertragsarztsitzes aber nicht davon abhängt, ob der
eintrittswillige Arzt dann tatsächlich die Nachfolge in den
Gemeinschaftspraxisanteil antritt, geht der verbleibende
Praxispartner ohne vorherige verbindliche Vereinbarung mit dem
Nachfolger das Risiko ein, daß der neu Zugelassene ohne
vertragliches Entgelt Inhaber des Vertragsarztsitzes wird, eine
eigene Praxis gründet und damit die Praxis des verbliebenen
Praxispartners entwertet. Bei einer fachübergreifenden
Gemeinschaftspraxis - wie hier - kann der verbliebene Praxispartner
die Überkapazitäten nicht einmal durch erhöhten Arbeitseinsatz
auffangen. Der für den anderen (hier: radiologischen) Fachbereich
vorgehaltene Gerätebestand hat dann nur noch einen Liquidationswert
(Zerschlagungswert) und begründet womöglich noch hohen
Entsorgungsaufwand (wie hier vom Beklagten geltend gemacht). Der
immaterielle Wert des von dem ausgeschiedenen Partner betreuten
Praxisteils geht verloren, weil es mangels weiteren
Vertragsarztsitzes keinen Nachfolger hierfür gibt."</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Der Senat hat in jenem Urteil als
weiter zu berücksichtigende Besonderheit hervorgehoben, daß der
Beklagte seinen Vertragsarztsitz nach bestandskräftiger Zulassung
in die Praxis der Kläger verlegen sollte, das wirtschaftliche
Interesse von Herrn Dr. S. an der radiologischen Praxis W.straße
daher maßgeblich in seinen vertraglichen Vereinbarungen vom
16.12.1994 mit den Klägern begründet war. Hierzu wurde insbesondere
auf die in den §§ 5 und 6 der Kooperationsvereinbarung getroffenen
Regelungen verwiesen. Danach haben die Kläger Herrn Dr. S. nämlich
die Erstattung sämtlicher Aufwendungen versprochen, die Herrn Dr.
S. im Zusammenhang mit der Gemeinschaftspraxis / Dr. J. sowie durch
die Aufnahme eines Nachfolgers in diese Gemeinschaftspraxis
entstanden sind bzw. noch entstehen (insbesondere Kaufpreis für die
Praxis Dr. J. sowie Beratungskosten, aber auch die Kosten der
Entsorgung und Räumung der Praxis W.straße). Voraussetzung hierfür
war jedoch nach § 7 unter anderem, daß der Beklagte nach
Bestandskraft seiner Zulassung seinen Vertragsarztsitz in die
Praxis der Kläger verlegte. Da es dazu nicht gekommen ist, sind die
Kläger insoweit auch nicht erstattungspflichtig geworden.
Stattdessen hat der Beklagte nach Maßgabe des am 23.09.1998 im
Rechtsstreit 10 O 409/96 LG Aachen abgeschlossenen Vergleichs
seinerseits für die Übernahme der Praxis Dr. J. und damit
wirtschaftlich gesehen auch für den Vertragsarztsitz eine
Zahlungsverpflichtung gegenüber Herrn Dr. S. in Höhe von 300.000,00
DM übernommen. Die zusätzliche Belastung mit einer an die Kläger zu
zahlenden pauschalen Entschädigung von 500.000,00 DM wegen
Nichtfreigabe des Vertragsarztsitzes würde den Beklagten daher
unangemessen belasten.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><ol class="absatzLinks">
<li>Die Erwartung der Kläger, mit dem Beklagten und mit der
Verlegung seines Vertragsarztsitzes in ihre Gemeinschaftspraxis die
- damals erforderliche und vom sog. Großgeräteausschuß vergebene -
Standortgenehmigung für einen Kernspintomographen zu bekommen, hat
sich bereits vor dem Ausscheiden des Beklagten zerschlagen. In der
Sitzung des Großgeräteausschusses vom 11.07.1995 wurde die
Standortgenehmigung für den Kernspintomographen an das Krankenhaus
D.-L. vergeben. Die zwischen den Klägern und Herrn Dr. S.
vereinbarte Apparategemeinschaft für den Betrieb und die Nutzung
eines Kernspintomographen und der Beitritt des Beklagten zu diesem
Apparategemeinschaftsvertrag war daher - abgesehen von einer
Kooperationsmöglichkeit mit dem Krankenhausträger - ohnehin
zunächst nicht zu verwirklichen; das wäre erst nach dem späteren
Wegfall des Genehmigungserfordernisses aufgrund einer gesetzlichen
Neuregelung (ab 01.07.1997) möglich gewesen.</li>
<li>Nach alledem bleibt als Ergebnis festzuhalten, daß die
Freigabeklausel in Ziffer 6 c) der Vereinbarung vom 14.02.1995 auch
bei isolierter Betrachtung - ohne Einbeziehung der
Unterlassungsverpflichtung nach Ziffer 6 d) jener Vereinbarung -
eine unter den vorliegenden Umständen unangemessene, nicht durch
schutzwürdige Interessen der Kläger gedeckte Einschränkung der
Berufsausübungsfreiheit des Beklagten darstellt und damit ebenfalls
als sittenwidrig zu verwerfen ist. Nach § 344 BGB erstreckt sich
die Unwirksamkeit dieser Versprechens auch auf die für den Fall der
Nichterfüllung getroffene Vertragsstrafevereinbarung.</li>
</ol>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Ebensowenig kann die Zuwiderhandlung
des Beklagten gegen die unwirksame Freigabeverpflichtung Grundlage
für einen pauschalierten Schadensersatz sein. Nach eigenen Angaben
haben sich die Kläger bei dem schon in den vorbereiteten Text der
Vereinbarung aufgenommenen Zusatz: "Bei Zuwiderhandlung wird eine
pauschale Entschädigung von 500.000 DM vereinbart" an § 25 des von
Prof. A. ausgearbeiteten Vertrages über die Apparategemeinschaft
orientiert (dort ist bei Vertragsbruch ein pauschalierter
Schadensersatz in Höhe von 500.000 DM vorgesehen, es sei denn, der
vertragstreue Vertragspartner könne einen höheren Schaden
beweisen). Das spricht dafür, daß jedenfalls die Kläger bei der
Vereinbarung vom 14.02.1995 den Satz 2 der Ziffer 6 c) nicht als
Vertragsstrafe, sondern als pauschalierten Schadensersatz gewollt
haben. Anhaltspunkte dafür, daß auch der Beklagte von einem solchen
Verständnis ausgegangen ist oder ausgehen mußte, bestehen indessen
nicht. Im Rahmen der Abwägung der Umstände, die für die Beurteilung
der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Verpflichtung zur Freigabe
des Vertragsarztsitzes von Bedeutung sind, ist die der hier
vorgenommenen Bewertung primär zugrunde liegende Annahme einer
Vertragsstrafevereinbarung für die Kläger günstiger, weil dann
immerhin die gesetzliche Möglichkeit zur Herabsetzung nach § 343
BGB verbleibt. Da die Freigabeverpflichtung hier jedoch aus den
dargelegten Gründen schon unabhängig von der Höhe der
Vertragsstrafe unwirksam ist, bleibt für eine solche Herabsetzung
durch gerichtliche Entscheidung kein Raum.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><ol class="absatzLinks">
<li>Aus den vorstehenden Ausführungen erschließt sich zugleich, daß
die Klauseln gemäß Ziffern 6 c) und d) der Vereinbarung vom
14.02.1995 vom Landgericht mit Recht als Einheit angesehen und
beurteilt worden sind. In der Gesamtheit beider Klauseln drückt
sich der Wille der Kläger aus, nicht nur ihr vertragsärztliches
Betätigungsfeld um kernspintomographische Untersuchungen zu
erweitern und zugleich den Wettbewerb durch einen Nachfolger auf
den freiwerdenden Vertragsarztsitz auszuschließen, sondern bei
einem Ausscheiden des Beklagten auch dessen Konkurrenz weit über
einen allenfalls schützenswerten Einzugsbereich ihrer
Gemeinschaftspraxis hinaus zu verhindern. Ob die Nichtigkeit der
genannten Klauseln gemäß § 139 BGB den gesamten Vorvertrag erfaßt,
der - anders als etwa der Apparategemeinschaftsvertrag vom
16.12.1994 in § 30 Abs.2 - keine "salvatorische Klausel" enthält,
bedarf hier keiner Entscheidung.</li>
<li>Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97
Abs.1, 108, 708 Nr.10, 711 ZPO.</li>
</ol>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Streitwert der Berufung und Beschwer der Kläger durch dieses
Urteil: 500.000,00 DM.</p>
|
114,459 | sg-dusseldorf-1999-09-22-s-25-ka-31998 | {
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"jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit",
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} | S 25 KA 319/98 | 1999-09-22T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:45 | 2019-01-18T16:07:05 | Urteil | ECLI:DE:SGD:1999:0922.S25KA319.98.00 | <span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger eine Zulassung als praktischer Arzt für den Bereich Umweltmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk Neuss beanspruch kann.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat im Februar 1986 als Arzt approbiert. Seit Oktober 1995 führt er die Gebietsbezeichnung praktischer Arzt, seit April 1997 auch die Zusatzbezeichnung Umweltmedizin.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Seinen im April 1997 gestellten Antrag auf Zulassung im Rahmen des Sonderbedarfsverfahrens zur vertragsärztlichen Versorgung als praktischer Arzt mit der Zusatzbezeichnung Umweltmedizin für die ausschließende Tätigkeit in der Umweltmedizin wurde vom Zulassungsausschuss für Ärzte Düsseldorf mit Beschluss aus der Sitzung vom 20.11.1997 abgelehnt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, ein besonderer Versorgungsbedarf im Sinne von Ziffer 24 der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte) liege nicht vor. Im Hinblick auf die Anzahl der im Bereich der Kreisstelle Neuss niedergelassenen praktischen Ärzte sowie Ärzte für Allgemeinmedizin und zwei weiterer Ärzte, Herrn E und Herrn L, welche die Versorgung auch mit den als Sonderbedarf geltend gemachten Leistungen grundsätzlich sicherstellten, sei ein besonderer Versorgungsbedarf zu verneinen. Nach Informationen des Zulassungsausschusses seien zahlreiche weitere Ärzte, auch aus dem Kreis Neuss, zur Zeit in der Weiterbildung und kämen zusätzlich in Kürze für die Versorgung mit dem beantragten Sonderbedarf in Frage. Ferner stünden für diese hochspeziellen Leistungen auch Ärzte aus den benachbarten Regionen Düsseldorf und Mönchengladbach zur Verfügung. Es sei den Versicherten durchaus zumutbar, für diese hochspeziellen Leistungen auch etwas weitere Fahrtstrecken zurückzulegen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Hiergegen hat der Kläger Widerspruch erhoben und geltend gemacht, nachprüfbare Zahlen im Bereich Neuss seien nicht genannt worden. Der Sonderbedarf ergebe sich schon aus der Umweltmedizin-Vereinbarung in Nordrhein vom 01.10.1995, wonach bestimmte Sonderleistungen nur durch Ärzte mit spezieller Qualifikation im Bereich der Umweltmedizin erbracht werden sollten. Weder in Neuss noch in Düsseldorf noch in Mönchengladbach seien ausreichend qualifizierte bzw. zahlenmäßig ausreichende Ärzte im Sinne der Umweltmedizin-Vereinbarung vorhanden. Der Beigeladene zu 6) hat im Widerspruchsverfahren dargelegt, dass 4 Ärzte aus Neuss, 6 Ärzte aus Mönchengladbach sowie 15 Ärzte aus Düsseldorf über die Genehmigung zur Teilnahme an der Umweltmedizin-Vereinbarung verfügten. Den Widerspruch des Klägers hat der Beklagte in seiner Sitzung vom 03.06.1998 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, nach Abschnitt 5 Nr. 24b der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte setze die Zulassung voraus, dass ein besonderer Versorgungsbedarf bestehe. Ferner müsse der Versorgungsbedarf dauerhaft erscheinen. Beide Voraussetzungen lägen nicht vor. Dass generell ein Versorgungsbedarf auf dem Gebiet der Umweltmedizin gegeben sei, stehe außer Frage. Die Umweltmedizin als Teilgebiet sei jedoch nach den Zuordnungsrichtlinien der Ärztekammer Nordrhein einer Reihe von Fachgebieten zugeordnet, neben der Allgemeinmedizin u. a. der inneren Medizin, der Gynäkologie, der Kinderheilkunde sowie dem Fachgeiet Haut- und Geschlechtskrankheiten. Für die Bedarfsbeurteilung sei aber grundsätzlich davon auszugehen, dass Ärzte mit Gebietsbezeichnungen nach ärztlichem Berufsrecht alle Leitungen ihres Gebietes erbringen dürften, auch wenn es sich um solche handele, die in ein Teilgebiet des Faches fielen. Für eine Sonderbedarfszulassung sei deshalb nur dann Raum, wenn die niedergelassenen Gebietsärzte tatsächlich keine umweltmedizinischen Leistungen erbrächten. Dies sei nach den unwidersprochen geblieben Darlegungen im angefochtenen Beschluss nicht der Fall. Der Kläger selbst leite nach seinen Erklärungen in der mündlichen Verhandlung den besonderen Versorgungsbedarf auch allein aus dem Bestehen der umweltmedizinischen Vereinbarung her. Ein etwaiger besonderer Versorgungsbedarf erscheine auch nicht als dauerhaft. Zum einen sei damit zu rechnen, dass in absehbarer Zeit niedergelassene Ärzte aus dem Planungsbereich die Voraussetzungen zur Teilnahme an der Umweltmedizin-Vereinbarung schafften. Zum anderen seien die derzeit bestehenden Vereinbarungen zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und den Landessverbänden der Krankenkassen über qualitätssichernde und strukturverbessernde Maßnahmen auf dem Gebiet der Umweltmedizin durch Befristungen so gestaltet, dass sie zur Zeit keine Gewähr für eine dauerhafte Regelung auf dem Gebiet der Umweltmedizin böten.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen dem Kläger am 18.06.1998 zugestellten Beschluss richtet sich die Klage vom 17. des Folgemonats. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, der Beklagte stelle im angefochtenen Bescheid selbst fest, dass ein Versorgungsbedarf im umweltmedizinischen Bereich außer Frage stehe. Hieraus folge, dass der Beklagte den Kläger schon aufgrund dieser Feststellung zur vertragsärztlichen Versorgung habe zulassen müssen. Zumindest habe er aber prüfen müssen, wieviele Ärzte mit der Zusatzbezeichnung "Umweltmedizin" im maßgeblichen Planungsbezirk Neuss niedergelassen seien, um diesen Bedarf zu stillen. Für umweltmedizinische Leistungen sehe die Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Nordrhein eine eigenständige Zusatzbezeichnung vor. Zum Führen einer solchen Zusatzbezeichnung sei außer dem Kläger jedoch keiner der im maßgeblichen Planungsbezirk niedergelassenen Ärzte berechtigt. Ein Versorgungsbedarf in diesem Bereich sei auch dauerhaft, weil nicht absehbar sei, wann und wieviele Ärzte sich mit der Zusatzbezeichnung "Umweltmedizin" im Planungsbezirk niederlassen würden. Er selbst bekomme wöchentlich etwa zwei bis drei Anfragen von Patienten wegen umweltmedizinischen Leistungen, die er dann an niedergelassene Vertragsärzte verweisen müsse.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des beklagten Berufungsausschusses vom 16.06.1998 –zugestellt am 18.06.1998- zu verurteilen, den Kläger als praktischen Arzt für den Bereich Umweltmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk Neuss zuzulassen, hilfsweise den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 16.6.1998 zu verurteilen, den Antrag des Klägers auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat schriftlich beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Er hält den angefochtenen Beschluss für rechtmäßig und trägt vor, es sei rechtlich ohne Belang, dass im Planungsbereich Neuss bisher kein Arzt mit der Zusatzbezeichnung Umweltmedizin zugelassen sei. Ferner sei unzutreffend, dass umweltmedizinische Leistungen nur von denjenigen Ärzten erbracht werden könnten, die berechtigt seien, diese Zusatzbezeichnung zu führen. Der Versorgungsbedarf werde auch tatsächlich durch die niedergelassenen Ärzte sichergestellt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beigeladenen zu 3) sowie 6) bis 8) haben sich dem Antrag und Vortrag des Beklagten angeschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte sowie die Beigeladenen zu 1) bis 5) sind in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten worden.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die den Kläger betreffende Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Obwohl der Beklagte und die Beigeladenen zu 1) bis 5) in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten worden sind, konnte das Gericht verhandeln und entscheiden. Denn sämtliche Beteiligte sind in der rechtzeitig und ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und im Sinne des Hilfsantrags auch begründet.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Denn der angefochtene Bescheid des Beklagten ist nicht ausreichend begründet, so dass eine Neubescheidung erforderlich ist. Die vom Kläger begehrte Sonderbedarfszulassung setzt nach dem 5. Abschnitt Nr. 24b der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte voraus, dass ein besonderer Versorgungsbedarf vorliegt, wie er durch den Inhalt des Schwerpunkts, einer fakultativen Weiterbildung oder einer besonderen Fachkunde für das Facharztgebiet nach der Weiterbildungsordnung beschrieben ist. Voraussetzung für eine Zulassung ist, dass die ärztlichen Tätigkeiten des qualifizierten Inhalts in dem betreffenden fachärztlichen Planungsbereich nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen und dass der Arzt die für den besonderen Versorgungsbedarf erforderlichen Qualifikationen durch die entsprechende Facharztbezeichnung sowie die besondere Arztbezeichnung der Qualifikation (Schwerpunkt, fakultative Weiterbildung, Fachkunde) nachweist. Hinsichtlich der Prüfung der Versorgungslage und der Ermittlung eines entsprechenden Bedarfs steht den Zulassungsgremien nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19.03.1997 -6 RKa 43/96-). Ob und inwieweit eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten durch die zugelassenen Vertragsärzte gewährleistet ist, könne auch die fachkundigen und ortsnahen Zulassungsinstanzen oft nur ungefähr einschätzen. Soweit sich die Entscheidungen der Zulassungsausschüssse im Rahmen der ungefähren Richtigkeit halten, sind sie deswegen als rechtmäßig anzusehen. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich im Rahmen des den Zulassungsinstanzen zustehenden Beurteilungsspielraums darauf, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs gegebenen Grenzen eingehalten hat und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlich hat, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist. Untere Anlegung dieser Maßstäbe stellt sich der angefochtene Beschluss nicht als rechtmäßig dar. Konkrete Ausführungen des Beklagten zum Bedarf an umweltmedizinischen Leistungen im Planungsbereich Neuss fehlen. Dieser hat lediglich dargelegt, dass generell ein Versorgungsbedarf auf dem Gebiet der Umweltmedizin gegeben sei. Auf Seite 4 des angefochtenen Bescheides ist von einem "etwaigen besonderen Versorgungsbedarf" die Rede. Unstreitig ist der Kläger der einzige Arzt im Planungsbereich, der über die Zusatzbezeichnung Umweltmedizin verfügt. Der Beklagte hat insoweit ersichtlich nicht geprüft, welche Ärzte im Planungsbereich Neuss eine vergleichbare Qualifikation aufweisen und ob diese im Planungsbereich umweltmedizinische Leistungen anbieten und erbringen. Zu Recht hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass der besondere Versorgungsbedarf, dessen Voraussetzungen er noch zu prüfen haben wird, dauerhaft erscheinen muss. So bestimmt der 5. Abschnitt Nr. 24, letzter Absatz der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte, dass die Sonderbedarfszulassung voraussetzt, dass der Versorgungsbedarf dauerhaft erscheint. Bei vorübergehendem Bedarf ist von der Möglichkeit der Ermächtigung Gebrauch zu machen. Der Beklagte hat insoweit ausgeführt, es sei damit zu rechnen, dass in absehbarer Zeit niedergeladene Ärzte aus dem Planungsbereich die Voraussetzungen zur Teilnahme an der Umweltmedizin-Vereinbarung schaffen würden. Aufgrund welcher Fakten der Beklagte dies angenommen hat, ist nicht ersichtlich und daher nicht nachvollziehbar. Sofern der Beklagte ferner darauf hingewiesen hat, dass die derzeit bestehenden Vereinbarungen zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und den Landesverbänden der Krankenkassen über qualitätssichernde und strukturverbessernde Maßnahmen auf dem Gebiet der Umweltmedizin durch Befristungen so gestaltet seien, dass sie zur Zeit keine Gewähr für eine dauerhafte Reglung auf dem Gebiet der Umweltmedizin böten, ist darauf hinzuweisen, dass die sogenannte Umweltmedizin-Vereinbarung (mit Vergütungsregelungen) immerhin ab 01.10.1995 in Kraft ist und zunächst bis Ende Dezember 1999 verlängert wurde.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte wird deshalb über den Widerspruch des Klägers mit einer konkreteren und nachvollziehbaren Begründung zu entscheiden haben, wobei er zweckmäßigerweise in seine Überlegungen mit einbeziehen sollte, ob die Umweltmedizin-Vereinbarung für die Zeit ab 2000 weiterhin verlängert wird.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.</p>
|
114,460 | lagk-1999-09-21-13-sa-59899 | {
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"slug": "lagk",
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"state": 12,
"jurisdiction": "Arbeitsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 13 Sa 598/99 | 1999-09-21T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:45 | 2019-02-12T08:36:05 | Urteil | ECLI:DE:LAGK:1999:0921.13SA598.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>T a t b e s t a n d </u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"> Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche des Klägers für die Schulsommerferien 1998.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"> Der am 12.03.1964 geborene Kläger war in der Zeit vom 07.11.1996 bis zum 24.06.1998, dem letzten Tag vor den Schulsommerferien 1998, aufgrund zweier befristeter Arbeitsverträge im Schuldienst des beklagten Landes als Angestellter Beschäftigt. Der Kläger vertrat eine im Erziehungsurlaub befindliche Lehrkraft. Er wurde an der Gesamtschule K eingesetzt und war in Vergütungsgruppe III BAT eingruppiert. Sein monatliches Einkommen betrug im Mai 1998 5.510,73  DM brutto.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks"> Nachdem der Kläger im Frühjahr 1998 ein entsprechendes Auswahlverfahren erfolgreich durchlaufen hatte, erhielt er Ende Mai 1998 die Mitteilung, dass er mit Wirkung ab 10.08.1998, dem 1. Schultag nach den Sommerferien, unter Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Probe in den Schuldienst des beklagten Landes eingestellt werden solle. Seit dem 10.08.1999 ist der Kläger dementsprechend als beamteter Lehrer an der Gesamtschule L tätig. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks"> Mit der vorliegenden, am 08.09.1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt der Kläger Vergütung für die Dauer der Sommerferien 1998, also für die Zeit vom 25.06. bis 09.08.1998, berechnet auf der Grundlage der letzten für ihn maßgeblichen Angestelltenvergütung. Der Kläger hat behauptet, er habe große Teile der Sommerferien damit verbracht, sich auf die Unterrichtssituation ab dem 10. August 1998 einzustellen. Auch habe er organisatorische Vorbereitungen für eine Klassenfahrt getroffen, die für ihn als verantwortlichen Klassenlehrer einer Klasse der Jahrgangsstufe 8 in der Zeit vom 21.09. bis 25.09.1998 bevorstand. Der Umstand, dass er in den Sommerferien 1998 nicht bezahlt worden sei, stelle eine Ungleichbehandlung gegenüber allen in einem Dauerbeschäftigungsverhältnis stehenden Lehrkräften dar. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks"> Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"> das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 8.212,74 DM</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"> brutto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit aus dem</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"> Nettobetrag zu zahlen. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"> Das beklagte Land hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"> die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"> Das beklagte Land hat darauf verwiesen, dass in dem Zeitraum, für welchen der Kläger eine Vergütung verlange, kein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt worden, da die Position des Klägers nicht mit derjenigen der in einem Dauerbeschäftigungsverhältnis stehenden Lehrkräfte vergleichbar gewesen sei. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"> Mit Urteil vom 13.01.1999 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe wird Bezug genommen. Das Urteil wurde dem Kläger am 11. Mai 1999 zugestellt. Er hat hiergegen am 20. Mai 1999 Berufung einlegen und diese zugleich begründen lassen. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"> Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass sein Vergütungsanspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz begründet sei. Er beruft sich hierfür auf eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg vom 29. Mai 1991 (25 a CA 31/91) und meint, auch die Grundsätze der Entscheidung des BAG Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit vom 20.08.1998 sprächen für seine Ansicht.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"> Der Kläger beantragt nunmehr, </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"> unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"> vom 13.01.1999 (15 Ca 7396/98) das beklagte Land</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"> zu verurteilen, an den Kläger 8212,74 DM brutto nebst</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"> 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit aus dem Nettobetrag</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks"> zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"> Das beklagte Land beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks"> die Berufung des Klägers zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks"> Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst ihren Anlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks"><b><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e </u></b></p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">I. Die Berufung des Klägers gegen das arbeitsgerichtliche Urteil vom 13.01.1999 ist gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft. Die Berufung wurde auch fristgerecht im Sinne von § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG eingelegt und begründet. Die Berufung ist mithin zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">II. Die Berufung hat jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung zu Recht abgewiesen. Die in der Berufungsinstanz hiergegen vorgebrachten Angriffe sind nicht stichhaltig. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">1. Für einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer arbeitsrechtlichen Vergütung für die Zeit vom 25.06. bis 09.08.1998 fehlt es an einer Anspruchsgrundlage. Zwischen den Parteien bestand in dem fraglichen Zeitraum keinerlei arbeitsrechtliche Bindung. Das Angestelltenverhältnis der Parteien hat mit Ablauf der letzten Vertragsbefristung am 24.06.1998 sein Ende gefunden. Es kann dahingestellt bleiben, ob der zum 24.06.1998 auslaufende letzte befristete Anstellungsvertrag des Klägers von vorneherein rechtswirksam befristet war. Hätte der Kläger die Unwirksamkeit der Vertragsbefristung geltend machen wollen, hätte er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages Klage beim Arbeitsgericht auf eine entsprechende Feststellung erheben müssen. Dies folgt aus § 1 Abs. 5 S. 1 BeschFG. Diese Vorschrift ist auf alle Arten befristeter Arbeitsverträge anwendbar, nicht nur auf Befristungen nach § 1 Abs. 1 u. Abs. 2 BeschFG (BAG vom 20.01.1999, 7 AZR 715/97; LAG Köln vom 27.04.1999, 13 Sa 897/98; Erfurter Kommentar/Müller-Glöge, § 1 BeschFG Rz 69; Preis NJW 1996, 3374). Der Kläger hat die Befristung seines Anstellungsvertrages zum 24.06.1998 nicht mit einer entsprechenden Feststellungsklage angegriffen. Gemäß § 1 Abs. 5 S. 2 BeschFG i. V. m. § 7 KSchG gilt die Befristung zum 24.06.1998 somit als rechtswirksam. </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">2. Bestanden in dem hier streitigen Anspruchszeitraum keinerlei (arbeits-) rechtliche Bindungen zwischen den Parteien, so fehlt es nicht nur an einer unmittelbaren arbeitsvertraglichen Anspruchsgrundlage für die streitigen Vergütungsansprüche, sondern es fehlt auch jeglicher Ansatzpunkt für die Anwendbarkeit des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz befasst sich mit der Problematik, wann und unter welchen Voraussetzungen verschiedene Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen hinsichtlich bestimmter Rechtspositionen gleichgestellt werden müssen und wann nicht. Er kann jedoch jemandem, der keinerlei arbeitsrechtlichen Bindungen unterliegt, nicht zu arbeitsrechtlichen Ansprüchen verhelfen. Auch insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von der Konstellation, die der vom Kläger herangezogenen Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg vom 29.05.1991 zugrunde lag. Das Arbeitsgericht Hamburg ist in dieser Entscheidung nämlich nicht nur von einer Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ausgegangen, sondern zugleich auch von einer Unwirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Befristungsabrede. Auch die Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg, die im übrigen lange vor Inkrafttreten des § 1 Abs. 5 S. 1 BeschFG ergangen ist, hat aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz somit keineswegs arbeitsrechtliche Vergütungsansprüche für Zeiträume hergeleitet, in denen zwischen den fraglichen Parteien keinerlei Arbeitsverhältnis bestand. </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">3. Erst recht ist die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.08.1998 (AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit) für die vorliegende Fallproblematik nicht einschlägig. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich lediglich mit der Frage der Berechnung der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG zu befassen, nicht aber mit Vergütungsansprüchen, erst recht nicht mit solchen für Zeiträume, in denen kein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Aber selbst bei der Berechnung der Wartefrist ist das Bundesarbeitsgericht nicht etwa zu dem Ergebnis gelangt, dass die zwei befristete Anstellungsverträge unterbrechenden Sommerferien selbst in die Wartezeit mit einzurechnen seien, sondern hat lediglich angenommen ,dass die <b>vor</b> den Sommerferien zurückgelegten Zeiten des früheren Anstellungsvertrages mit den nach Ende der Sommerferien beginnenden Zeiten eines neuen Anstellungsvertrages zusammenzurechnen sind, weil trotz der Unterbrechung durch die schulischen Sommerferien ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den beiden befristeten Arbeitsverhältnissen bestehe.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">4. Ungeachtet der vorstehenden Überlegungen ist dem Arbeitsgericht weiter auch darin beizupflichten, dass ein auf einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes fußender Anspruch auch an den unterschiedlichen Charakteristika eines Arbeitsverhältnisses einerseits, eines Beamtenverhältnisses andererseits scheitern muss. Vorliegend geht es nämlich gerade nicht darum, dass zwei gleichartige, aufeinander folgende befristete Anstellungsverträge, die lediglich durch die Schulferien unterbrochen sind, aneinander gereiht worden wären. </p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">5. Schließlich kann auch der Hinweis des Klägers, dass er einen Teil seiner Sommerferien mit Vorbereitungen auf seine spätere Beamtentätigkeit verbracht hat, keinen arbeitsrechtlichen Vergütungsanspruch für die Dauer der Sommerferien begründen. Der Kläger befand sich in den Sommerferien 1998 insoweit in keiner anderen Lage wie jeder andere Berufsanfänger, der sich auf den Antritt einer neuen Stelle und die dort auf ihn zukommenden Anforderungen vorbereitet. Die gleichen Vorbereitungsarbeiten auf seine neue Tätigkeit hätte anstelle des Klägers auch jeder andere erfolgreiche Einstellungsbewerber leisten müssen, der zuvor nicht bereits in einem Anstellungsverhältnis zum beklagten Land gestanden hätte. Abgesehen davon ist auch nicht nachvollziehbar, wieso die Vorbereitungsarbeiten des Klägers für seine Beamtenstelle nachträgliche Vergütungsansprüche aus dem vorangegangenen Arbeitsverhältnis begründen sollten, mit dem diese Vorbereitungsarbeiten auch inhaltlich nichts mehr zu tun hatten.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">III. Die Kosten der erfolglosen Berufung fallen gemäß § 97 Abs. 1 ZPO dem Kläger zur Last. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben. </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks"><b><u>R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g </u></b></p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks"> Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">(Dr. Czinczoll) (Wiedemann) (Wendtlandt)</p>
|
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} | 14 K 6097/97 | 1999-09-21T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:46 | 2019-01-18T16:07:05 | Urteil | ECLI:DE:VGK:1999:0921.14K6097.97.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> T a t b e s t a n d</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist Eigentümer des Grundstückes S. -str. 0 in M. , das an die
städtische Abfallbeseitigung angeschlossen und mit einem 240 l Restmüllbehälter
sowie einem 240 l Wertstoffbehälter ausgestattet ist.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zog den Kläger mit Abgabenbescheid vom 20.1.1997 u.a. zu
Abfallentsorgungsgebühren für das Jahr 1997 heran. Seiner Veranlagung legte er
entsprechend § 4 Abs. 1 Ziffer 1 a) der Gebührensatzung -AbfGebS - vom
21.12.1993 in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 19.12.1996 zur Satzung
über die Abfallentsorgung in der Stadt M. AbfEntsS - vom 7.12.1993 eine
Jahresgebühr von 131,55 DM je Einwohner zugrunde. Bei Berücksichtigung von 6 im
Hause des Klägers gemeldeten Personen ergab sich eine zu zahlende Gebühr von
789,30 DM. Wegen Eigenkompostierung waren davon 103,32 DM (6 x 17,22 DM)
abzuziehen, so dass sich eine Abfallentsorgungsgebühr in Höhe von 685,98 DM er-
gab.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger legte gegen den Bescheid mit Schreiben vom 3.7.1997 Widerspruch
ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.5.1997, zugestellt am
4.6.1997, zurückwies.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat am 4.7.1997 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, der
Gebührenmaßstab sei nichtig, da er gegen § 9 Abs. 2 Satz 3 Abfallgesetz NW -
LAbfG - vom 21.6.1988 in der Fassung vom 7.2.1995 verstoße. Der Beklagte habe
gemäß § 11 Abs. 1
AbfEntsS als Gebührenmaßstab ein Mindestbehältervolumen von 30 l pro Person
und pro 14 Tagen. Dieser Maßstab biete keinen Spielraum für eine
Gebührenanpassung an die tatsächliche Inanspruchnahme von
Entsorgungsleistungen. Eine Reduzierung des Jahressatzes von 131,55 DM pro
Person um 17,22 DM pro Person bei Eigenkompostierern komme nur denjenigen
Benutzern zugute, die die Möglichkeit zur Kompostierung von Grünabfällen hätten.
Da über 70 % der Einwohner von M. in Mehrfamilienhäusern ohne Garten
wohnten, hätten diese keine Möglichkeit, durch Eigenkompostierung einen
Gebührenabschlag zu erhalten. Im übrigen biete der Gebührenmaßstab keinen
Anreiz zur Müllvermeidung, da diejenigen, die weniger als das Mindestvolumen an
Restmüll verursachten, daraus keinerlei finanziellen Nutzen ziehen könnten. Aller-
dings sei das Restmüllmindestvolumen von 15 l pro Person und Woche relativ
niedrig. Es könne jedoch noch unterschritten werden; dazu bestehe aber kein
Anlass, da es keinerlei Vorteile bringe. Es reiche zur Verwirklichung der
Anreizwirkung des Gebührenmaßstabes nicht aus, dass der Benutzer zur Einhaltung
des Mindestvolumens dadurch gezwungen werde, dass er bei Überschreitung zu-
sätzlich Restmüllsäcke kaufen oder Mehrwerte beantragen und zahlen müsse.
Abgesehen davon sei nicht sicher, ob in M. wirklich außergewöhnlich viele
zusätzliche Restmüllsäcke verkauft oder Mehrwerte zur Verfügung gestellt würden.
Sowohl die Bezirksregierung als auch der Minister für Umwelt, Raumordnung und
Landwirtschaft stünden der Regelung des Beklagten äußerst kritisch gegenüber.
Seiner, des Klägers Ansicht nach sei dem Erfordernis der Anreizwirkung des
Gebührenmaßstabes nur dadurch Rechnung zu tragen, dass der Beklagte einen
Antrag auf Reduzierung des Mindestvolumens bzw. die Möglichkeit einer
vierwöchentlichen Abfuhr zulasse.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">den Bescheid vom 20.1.1997 in der Fassung des Widerspruchs-
bescheides vom 30.5.1997 hinsichtlich der Abfallgebühren aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt er aus, der von ihm gewählte Gebührenmaßstab von 30
l/Person/14 Tage mit der Möglichkeit der Gebührenreduzierung bei
Eigenkompostierung genüge den Anforderungen des
§ 9 Abs. 2 Satz 3 LAbfG. Das Mindestrestmüllvolumen sei nämlich so gering, dass
der Benutzer dadurch bereits in höchstem Maße zur Abfallvermeidung gezwungen
werde. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass es in M. keine Biotonne gebe,
die Bioabfälle also ,soweit sie nicht mit der Grünschnittabfuhr beseitigt oder auf den
eigenen Grundstücken oder Fremdgrundstücken kompostiert werden könnten, mit
dem Restmüll beseitigt werden müssten. Die Anreizwirkung zur Müllvermeidung
ergebe sich aus der Tatsache, dass der Benutzer durch die Einhaltung des
Mindestvolumens zusätzliche kostenpflichtige Restmüllsäcke oder Mehrwerte nicht
benötige. Das sei zur Einhaltung der Vorgaben des § 9 Abs. 2 Satz 3 LAbfG
ausreichend. Es stehe im Ermessen des Rates, wie er die gesetzliche Forderung
umsetze. Er müsse nicht die optimale sondern könne auch eine vertretbare Lösung
wählen. Wie die Ratsvorlage zeige, habe der Rat unter mehreren Alternativen die
nunmehr anzuwendende Lösungsmöglichkeit ausgewählt. Sie habe dazu geführt,
dass die Stadt M. im Landes NW ein vergleichsweise geringes
Restmüllaufkommen habe, weil die Wertstoffzentren, Schadstoffsammelstellen und
die Eigenkompostierung optimal genutzt würden. Es erfordere mehr
Verwaltungsaufwand und verursache mehr Kosten, wenn man das Mindestvolumen
durch Einführung der vierwöchentlichen Leerung noch vermindere oder noch
Reduzierungsanträge zulasse. Außerdem bestehe dann die Gefahr, dass der
Restmüll "wild" entsorgt oder in die Behälter von Nachbarn eingefüllt werde. Das
gelte es ebenfalls zu vermeiden.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Klage ist unbegründet. Denn der Bescheid vom 20.1.1997 ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Rechtsgrundlage der Heranziehung des Klägers zu Abfallentsorgungsgebühren
für das Jahr 1997 ist die Gebührensatzung zur Satzung über die Abfallentsorgung in
der Stadt M. vom 22.12.1993 in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom
16.12.1996 - GebS -, die am 1.1.1997 in Kraft trat, in Verbindung mit der
Abfallentsorgungssatzung in der Stadt M. vom 29.11.1993 i.d.F. der 2.
Änderungssatzung vom 11.12.1995 - AES 2 -, in Kraft ab 1.1.1996, geändert durch
die 3. Änderungssatzung vom 27.5.1997 - AES 3 -, die am 24.9.1997 in Kraft trat.
</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Gegen die formelle Wirksamkeit der Satzungen bestehen keine Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Sie sind auch materiell wirksam. Insbesondere ist die GebS nicht wegen eines
Verstoßes gegen § 9 Abs. 2 Satz 3, 4 LAbfG vom 21.6.1988 i.d.F. vom 14.1.1992
(GVNW 32) unwirksam. Nach dieser Vorschrift sollen mit dem Gebührenmaßstab
wirksame Anreize zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen geschaffen werden.
Satzungsregelungen, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, gelten längstens
bis zum 31.12.1995.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der vom Beklagten vorgegebene Personenmaßstab erfüllt nach Auffassung der
Kammer noch die Anforderungen des § 9 Abs. 2 Satz 3 LAbfG, indem er eine
gewisse sich auch gebührenmäßig auswirkende Anreizwirkung für Müllvermeidung
und -verwertung entfaltet. Weitergehende Anforderungen sind dem Gesetz nicht zu
entnehmen. Der Gesetzgeber hat zwar die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 9
Abs. 2 Satz 3 LAbfG, nämlich die Unwirksamkeit des Gebührenmaßstabs stringent
geregelt, jedoch die Voraussetzungen für diese Rechtsfolge nicht näher präzisiert
und die Einzelheiten der Ausgestaltung des Anreizgebotes den Gemeinden
überlassen. Außerdem hat er die Geltung der Regelung nur für den Regelfall
angeordnet. Das gesetzgeberische Ziel der Regelung ist es, durch die Ausgestaltung
der Abfallgebühren die Durchsetzung der abfallrechtlichen Ziele der Vermeidung und
der Verwertung von Abfällen durch das Gebührenrecht zu unterstützen. Dabei stand
zwar zunächst bei dem Regierungsentwurf im Vordergrund die Vorstellung, dass die
Gebührenausgestaltung bei ökologischem Abfallverhalten finanziell honoriert werden
solle.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Vgl. LTDrs. 11/1121 S. 40 und dem folgend Dedy, Mögliche Auswirkungen
des § 9 Abs. 2 LAbfG auf die gemeindlichen Abfallgebühren, StGr 93, 88, 96;
Schwade, Das neue Landesabfallgesetz StGr 9236.40.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Dieses Ziel ist jedoch schon mit der Streichung des Verbots, Grundgebühren zu
erheben, deutlich relativiert worden. Wenn die Grundgebühr unverzichtbares
Gestaltungselement der Gebührenerhebung ist,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"> vgl. Änderungsantrag LTDrs 11/2920 S. 2;</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">wird angesichts der hohen Vorhaltekosten bei der Abfallentsorgung bei Erhebung
der Grundgebühr der Spielraum, durch Verbrauchgebühren finanzielle Anreize zu
geben, erheblich eingeschränkt. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Zudem vermindert die Einordnung des Gebots der Anreizwirkung bei der
Gebührenregelung die Wirkungsmöglichkeiten des Gebots erheblich. Zum einen
erfaßt das Gebot nur die Regelungen hinsichtlich der Maßstäbe, zum anderen ist das
Gebot ein gebührenrechtliches Gebot. Das bedeutet, dass die gebührenrechtliche
Regelung sich immer nur an der organisatorischen Ausgestaltung der Entsor-
gungseinrichtung orientieren kann. Hauptzweck der Regelung des
gebührenrechtlichen Anreizgebots ist die Unterstützung der von den
Entsorgungskörperschaften verfolgten abfallwirtschaftlichen Ziele der
Abfallvermeidung und -verwertung und nicht der finanzielle Vorteil des Bürgers. Dies
ist durch die Änderung des LAbfG im Jahre 1998 durch die Neuregelungen des § 9
Abs. 2
S.3 - 7 noch deutlicher geworden. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Bei dieser gesetzlichen Vorgabe reicht es nach Auffassung des Gerichts zur
Verwirklichung der Anreizwirkung im Jahre 1997 jedenfalls aus, wenn die Gemeinde
in ihrem Entsorgungssystem Möglichkeiten der Abfallvermeidung und -verwertung
vorsieht und ein so geringes Behältervolumen satzungsmäßig und auch organisato-
risch zur Verfügung stellt, dass die Benutzer der Einrichtung dadurch zwangsläufig
zur Müllvermeidung und -verwertung angehalten werden, weil sie sonst Restmüll und
Altstoff Mehrwerte und Abfallsäcke gegen zusätzliche Gebühren in Anspruch
nehmen und bezahlen müssten.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Dies ist in M. der Fall. Der Beklagte legt nämlich bei der Heranziehung pro
Einwohner bzw. Einwohnergleichwert gemäß
§ 11 Abs. 1 AES 2 für die Restmüllabfuhr ein Gefäßvolumen von
30 l pro Einwohner und 14 Tagen, d.h. 15 l pro Woche zu Grunde. Außerdem treten
gemäß § 12 Abs. 1 AES 2 noch für die Abfuhr von Altpapier/Kartonagen 40 l pro
Einwohner und Monat, d.h. 10 l pro Woche hinzu. Dieses Gefäßvolumen ist wie sich
auch aus der redaktionellen Änderung der §§ 11 und 12 in der AES 3 ergibt, ein
Mindestvolumen, das mit den nach § 10 Abs. 2 a) und b) AES 2 vorgegebenen
Behältern zwingend pro Einwohner bzw. Einwohnergleichwert zur Verfügung gestellt
wird. Damit diese Mindestmengen eingehalten werden können, wird daneben gemäß
§ 10 Abs. 2 d), e), f), g), h), i) AES 2 ein differenziertes Angebot zur Mülltrennung und
-verwertung durch Altglascontainer, Sammelstellen für Grünabfälle, Behälter für
Batterien, durch ein Schadstoffmobil und ein Wertstoffzentrum angeboten. Außerdem
besteht eine Verpflichtung des angeschlossenen Benutzers gemäß § 3 Abs. 2 AES
2, Grünabfälle und Vegetabilien durch Eigenkompostierung zu verwerten, sofern dies
möglich ist.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Vorliegend ist ein Restmüllvolumen von 15 l/Einwohner und Woche unter
Berücksichtigung der Tatsache, dass der Beklagte keine Biotonne zur Verfügung
stellt, sondern nur die Beseitigung von Grünabfällen anbietet, ein relativ geringes
Mindestvolumen; das gleiche gilt für das Altstoffvolumen von 10 l pro Einwohner und
Woche. Das zeigt ein Vergleich mit zwölf anderen Städten im Lande (vgl. K 10 und
11 = BA 2 von 14 K 6097/97). Das dort pro 14 Tagen und pro Einwohner angebotene
Restmüllvolumen liegt bei vier Städten (Bonn, Remscheid, Berg. Gladbach und
Langenfeld) ebenso hoch wie bei M. , wobei es bei drei Städten (Bonn,
Remscheid, Berg. Gladbach) zusätzlich eine Biotonne gibt. Selbst unter
Berücksichtigung der bei diesen vier Städten möglichen Antragsreduzierung liegt bei
drei Städten (Bonn, Remscheid, Berg. Gladbach) das reduzierte Restmüllvolumen
unter Berücksichtigung der angebotenen Biotonne mindestens gleichauf mit den 30 l
pro Einwohner und 14 Tagen in M. . Bei sechs Städten (Düsseldorf, Hagen,
Köln, Wuppertal, Burscheid, Köln) liegt das Restmüllvolumen pro 14 Tage wesentlich
höher als in M. . Hinzu treten bei drei Städten (Köln, Wuppertal, Remscheid)
noch
Biobehälter. Auch bei der dort möglichen Antragsreduzierung liegt das reduzierte
Volumen unter Berücksichtigung der Biotonne noch über dem Restmüllvolumen in
M. . Lediglich eine Stadt (Solingen) ohne Biotonne liegt unter dem Leverkusener
Wert. Eine weitere Stadt mit Biotonne (Leichlingen) hat zwar ein geringeres
Restmüllvolumen und ein noch geringeres Antragsvolumen. Unter Berücksichtigung
der angebotenen Biotonne jedoch liegt auch da das Antragsvolumen höher als der
M. Wert.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Auch die hohe Anzahl der 1997 zugekauften 11.799 Mehrwerte und 11.675
Restmüllsäcke (K 30 und K 31 = BA 3 zu 14 K 6097/97) lässt einen Rückschluss
darauf zu, dass das Mindestvolumen relativ gering ist und generell dazu geeignet ist,
den Benutzer zur Abfallvermeidung anzuregen, um sonst notwendige Zukäufe von
Mehrwerten zu vermeiden.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Soweit bei 1, 3, 5 etc. Einwohnern pro angeschlossenem Grundstück mehr
Volumen als das vorgegebene Mindestvolumen zur Verfügung steht, weil der
Beklagte zum einen keine 90 l Tonne anbietet und auch nicht die 60 l Tonne in
Kombination mit der 120 l oder 240 l Tonne einsetzt, verstößt dies noch nicht gegen
das gebührenrechtliche Anreizgebot; denn das Gebührenrecht kann nur Leistungen
durch eine Gebühr erfassen, die tatsächlich erbracht wurden und nicht fiktiv
erbrachte Leistungen abrechnen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Abhängigkeit der gebührenrechtlichen Möglichkeiten von der Organisation
der Entsorgungseinrichtung hat nicht zur Konsequenz, dass eine Verletzung des
Anreizgebotes infolge der unzureichenden organisatorischen Umsetzung auch die
gebührenrechtliche Regelung fehlerhaft macht. Diese Bedeutung kann dem Gebot
des § 9 Abs. 2 Satz 3 LAbfG nicht entnommen werden; denn die Unwirksamkeit
bezieht sich wegen des insofern eindeutigen Wortlautes nur auf das Gebot,
gebührenrechtliche Anreize zu schaffen. Eine andere Auslegung hätte zur Folge,
dass unter Umständen für eine erbrachte gebührenpflichtige Leistung, keine Gebühr
mehr erhoben werden könnte, weil eine rückwirkende Umorganisation nicht mehr
möglich ist. Nach Ansicht der Kammer führen organisatorische Beschränkungen
nicht zur Rechtswidrigkeit der Gebürensatzung. In diesen Fällen muss entweder der
Benutzer im Rahmen des Anschluss- und Benutzungsrechts eine Änderung der
Organisation erstreiten oder die abfallrechtliche Aufsichtsbehörde muss gemäß §§ 35
ff LAbfG eingreifen. Vorliegend kann dies jedoch offenbleiben; denn selbst wenn man
diese Grenzen für die gebührenrechtliche Regelung nicht anerkennt, ist die
Maßstabsregelung nicht rechtswidrig. Wenn das Organisationsermessen
sachgerecht im Rahmen der abfallrechtlichen Bestimmungen ausgeübt wird, ist die
vom Entsorgungsträger geschaffene Einrichtung maßgeblich für die
Gebührengestaltung.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die von der Stadt M. gewählte Organisation der Abfallentsorgung hält sich
im Rahmen des Gebots des § 9 Abs. 2
S. 3 LabfG und das der Stadt M. in § 9 Abs. 2 S. 3 LabfG eingeräumte
Ermessen ist bei der Gestaltung des Gebots fehlerfrei ausgeübt.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Bezogen auf die hier wesentliche Frage des Anreizgebotes ist das Ermessen
sachgerecht ausgeübt, wenn die Gemeinde das Gebot der Anreizwirkung erkannt,
das Gebot in bestimmten Regelungen berücksichtigt hat und diese Regelungen eine
Anreizwirkung ausüben können. Außerdem müssen sachgerechte Gründe
hinsichtlich des Abweichens von diesem Gebot vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Diese Voraussetzungen liegen bei der von der Stadt M. getroffene
Regelung vor.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Zunächst einmal hat der Rat der Stadt bei der Neuregelung im Jahre 1996
zwischen verschiedenen organisatorischen Modellen für die Durchsetzung des
Anreizgebotes ausgewählt und sich für das jetzt gültige System entschieden. Ob ein
anderes System effektiver ist, ist dabei nicht entscheidend; denn er hat ein System
gewählt, dass wie oben ausgeführt durch die Mindestvolumenregelung und die
übrigen Entsorgungsangebote Anreize zu Abfallvermeidung und -verwertung bietet
und durch die Staffelung der Gebührensätze, die Mehrwerte und den Abschlag für
Eigenkompostierung auch finanzielle Anreize eröffnet. Dem steht nicht entgegen,
dass nach der Organisation der Abfallentsorgung den sog. Einpersonengrundstücken
tatsächlich ein Volumen von 60 l/14 Tage, d.h. 30 l statt 15 l pro Woche zur
Verfügung steht und ebenfalls bei den 3, 5, 7 etc. Personenhaushalten das
angebotene Volumen die Mindestmenge übersteigt, so dass in diesen Fällen mehr
oder weniger der Anreiz zur Müllvermeidung und die Notwendigkeit für den Zukauf
von Mehrwerten verringert wird.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat jedoch diese Inkonsequenz in seinem System mit sachlichen
Gründen gerechtfertigt. Zum einen ist bei der besonders auffälligen Abweichung bei
den Einpersonengrundstücken zu beachten, dass bei ihnen der Anfall von Rest- und
Biomüll höher als bei Einzelpersonenhaushalten in Mehrfamilienhäusern ohne
Garten sein wird. Zudem besteht durch die Möglichkeit einer Tonnengemeinschaft
auch hier ein Anstoß zur Abfallvermeidung. Zum anderen hat der Beklagte seine
Organisation damit sachlich gerechtfertigt, dass der Ankauf der 90 l Tonne, da es
eine Sonderanfertigung sein müsste, teuer sei. Entscheidender ist, dass er von einer
weiteren Differenzierung des Behältervolumens und dem flexibleren Einsatz der 60 l
Tonne in Kombination mit anderen Behältern absieht, weil dann ein stärkerer
Veränderungsdienst notwendig würde. Denn es müssten regelmäßig bei Zu- oder
Auszug von nur einer Person die Behälter ausgetauscht werden. Dies würde zu
hohem Verwaltungsaufwand und einer damit verbundenen Kostensteigerung führen.
Diese Erwägungen sind sachbezogen, auch wenn sie zu einer Abschwächung der
Anreizwirkung führen; denn das Gesetz verlangt nicht, dass in jedem Detail die
optimale Anreizwirkung gewählt wird.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die sich gemäß § 4 Abs. 3 GebS gebührenmindernd auswirkende Ei-
genkompostierung bietet ebenfalls einen Anreiz zur Restmüllvermeidung, zumindest
für diejenigen Benutzer, die einen Garten besitzen. Dass diese Möglichkeit nur von
ca. 30 % der Bevölkerung genutzt werden kann, ist auf die teilweise großstädtische
Bebauung zurückzuführen. Es ist gebührenrechtlich auch nicht zu beanstanden,
dass es bisher keine flächendeckende Abfuhr des Biomülls, sondern nur eine
Grünschnittabfuhr gibt. Denn insoweit bestehen erhebliche organisatorische
Probleme, die zum damaligen Zeitpunkt auch vom Gesetzgeber noch nicht
abschließend geregelt worden waren,</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">vgl. zum Streit hinsichtlich einer flächendeckenden Kompostierung Schink,
Auslastung für Abfallanlagen, StGr 1999, 16, 18.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Dass letztlich das Entsorgungssystem der Stadt M. im landesweiten
Vergleich bei der Restmüllvermeidung gut und bei der Verwertung von Altstoffen sehr
gut abschneidet, zeigt dass die Organisation der Stadt sich in dem vom Abfallrecht
vorgegeben Rahmen hält und die Organisationsentscheidungen nicht fehlerhaft sind.
Sie wurden darüber hinaus auch von den abfallrechtlichen Aufsichtsbehörden, der
Bezirksregierung und dem Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft
NW, als mit § 9 Abs. 2 Satz 3 LAbfG vereinbar bewertet.
Auch gegen den Gebührensatz pro Einwohner bzw. Einwohnergleichwert in Höhe
von 131,55 DM bestehen keine Bedenken. Der Beklagte war insbesondere
berechtigt, Fremdkosten der AWL in Höhe von 312,81 DM/t im Müllheizkraftwerk
M. entsorgten Abfalls in die Gebührenkalkulation einzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 KAG gehören zu den in eine
Gebührenkalkulation einstellbaren Kosten auch "Entgelte für in Anspruch
genommene Fremdleistungen". Fremdleistungen sind hierbei Leistungen, die eine
dritte Person - sei es eine natürliche Person oder Personenmehrheit oder eine
juristische
Person - für die entsorgungspflichtige Körperschaft als eigentlichem Aufgabenträger
der Abfallentsorgung erbringt. Dritte Person i.d.S. kann auch eine juristische Person
des Privatrechts ein (z. B. GmbH), an der eine Gemeinde mit Mehrheit(51 % bis
99 %) beteiligt ist. Entscheidend ist, dass eine von der kommunalen Körperschaft
jedenfalls rechtlich getrennte juristische Person gehandelt hat.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NW, Beschluss vom 19.3.1998 - 9 B 144/98 -, Urteile vom
1.7.1997 - 9 A 3556/96 -, StuG 1997, 356, und vom 30.9.1996 - 9 A 4047/93 -
sowie Teilurteile vom 15.12.1994
- 9 A 2251/93 -, DVBl. 1995, 1147.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Der Entsorgungsträger darf nicht jeden von dem Fremdleister (hier AWL )
geforderten Preis unbesehen in seine Kostenkalkulation einstellen; er hat vielmehr zu
prüfen, ob der geforderte Preis aufgrund der vertraglichen Vereinbarung
gerechtfertigt ist. Es muss sich insbesondere um betriebsnotwendige Kosten han-
deln, deren Bemessung nicht dem Äquivalenzprinzip widerspricht. Der
Verbrennungspreis entspricht den Vorgaben des Entsorgungsvertrages zwischen der
Stadt M. und der AWL (Abfallwirtschaftsgesellschaft M. ) vom 17.12.1991,
geändert durch Verträge vom 27.10.1994 und vom 13.8.1997 (K 26: BA 4 und BA 6
- Ratsvorlage - zu 14 K 6097/97). Insbesondere war die AWL berechtigt,
Selbstkostenpreise in Rechnung zu stellen.
Das ergibt sich aus § 10 Abs. 3 des Entsorgungsvertrages, wonach die AWL
verpflichtet ist, die Entgeltkalkulation entsprechend den jeweils geltenden
preisrechtlichen Vorschriften vorzunehmen und zwar anhand der Verordnung PR
30/53 in der jeweils geltenden Fassung, der Leitsätze für die Preisermittlung
aufgrund von Selbstkosten - LSP - (Anlage zur VO PR 30/53), der Verordnung PR
Nr. 1/72 über die Preise für Bauleistungen bei öffentlichen oder mit öffentlichen
Mitteln finanzierten Aufträgen vom 6.3.1972
- PÖB - und der Leitsätze für die Ermittlung von Preisen für Bauleistungen aufgrund
von Selbstkosten - LSP - Bau - (Anlage zur PÖBV).</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Der Entsorgungsvertrag der Stadt M. mit der AWL verstößt auch nicht
gegen die zwingende Vorschrift des § 5 Abs. 1 der VO PR 30/53. Danach ist zwar
nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen statt des Marktpreises nach
§ 4 die Vereinbarung von Selbstkostenpreisen erlaubt,</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">vgl. Ebisch/Gottschalk, Preise und Preisprüfung bei öffentlichen Aufträgen
6. Auflage 1994 § 4 VO PR Nr. 30/53
Anm. 1, 2</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">und bei einem Verstoß gegen diese Bestimmungen gilt das Rechtsgeschäft mit
dem zulässigen Preis als zustandegekommen,</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">vgl. Ebisch/ Gottschalk, a.a.O. § 1 VO PR Nr. 30/53 Anm. 84, 85, 91. .</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Da die AWL eine selbständige juristische Person des Privatrechts ist, sind auch
grundsätzlich die preisrechtlichen Schutzbestimmungen des Preisrechts in vollem
Umfange für die von ihr zu erbringenden Leistungen anzuwenden.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Daher könnte ein Verstoß gegen § 5 VO PR 30/53 in Betracht kommen; denn in
den Jahren 1996 und 1997 hatten sich für die Abfallentsorgung Marktpreise gebildet,
siehe auch die Wirtschaftsrechnung der AWL, in der diese selbst von
Marktpreisen spricht.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Dies wurde u.a. möglich, weil das Prinzip der sogenannten ortsnahen
Entsorgung gemäß § 10 Abs. 3 KrW/AbfG nicht im Inland galt,</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">vgl. David, Zur Umsetzung eines gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes,
DÖV 1992, 697, 698 f.; Schink, Der neue Abfallbegriff und seine Folgen,
Verwaltungsarchiv 1997 Bd. 88, 230, 250.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Außerdem bestanden in den Jahren 1996 und 1997 auch für diese Frage noch
keine verbindlichen Abfallentsorgungspläne im Regierungsbezirk Köln,</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">vgl. § 4 Ordnungsbehördliche Verordnung über den Abfallentsorgungsplan
für den Reg. Bez. Köln vom 15.9.1997, ABl. RB Köln 1997 Heft 39, gültig ab
1.1.1998; die Frage der Zulässigkeit derartiger landesrechtlicher Regelungen
kann hier dahinstehen.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Dies bedeutet jedoch nicht, dass im Falle des Entsorgungsvertrages der Stadt
M. mit der AWL Marktpreise bzw. Preise für gleichartige Leistungen nach § 4
Abs. 2 VO PR Nr. 30/35 anzuwenden sind; denn der Entsorgungsvertrag ist zu einer
Zeit abgeschlossen worden, als es für die Abfallentsorgungsleistung noch keine
Marktpreise oder Preise für vergleichbare Leistungen gab, so dass er wirksam
zustande gekommen ist. Da gemäß § 11 Abs. 1 der Vertrag eine Geltungsdauer bis
2015 hat, die abhängig vom Fernwärmelieferungsvertrag mit der EVL ist, kann er
ohne schwerwiegende Gründe nicht bereits nach sieben Jahren gekündigt und we-
sentlich abgeändert werden.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Der vereinbarte Selbstkostenpreis bleibt zunächst wirksam,</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">vgl. Ebisch/Gottschalk, a.a.O § 1 VO PR Nr. 30/35 Anm. 93, 94.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Der Passus in § 10 Abs. 3 a.E.:</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">"Sollte eine behördliche oder gerichtliche Preisüberprüfung ergeben, dass
die geforderten Entsorgungsentgelte preisrechtlich unzulässig sind, so gelten
die preisrechtlich zulässigen Entgelte als vereinbart,"</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">kann nicht als eine jederzeitige Preisanpassungsklausel verstanden werden, weil
er sich nur auf eine für möglich gehaltene Anpassung an andere Selbstkostenpreise
bezieht.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Auch die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung wegen Wegfalls der
Geschäftsgrundlage haben nicht zum Zeitpunkt der Gebührenkalkulation Ende 1996
vorgelegen, zumindest nicht mit der Sicherheit, dass die durch die Unterlassung der
Anpassung entstandenen Kosten nicht mehr als betriebsnotwendige Kosten ange-
sehen werden können. Ob es bei der Abfallentsorgung überhaupt einen Marktpreis
geben kann ,ist nämlich umstritten,</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">vgl. VG Düsseldorf Urteil vom 3.3.1999 -16 K 6550/95 -.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Außerdem haben sich erst ab 1995/1996 mit dem Rückgang der gelieferten
Abfallmengen und dem Bau weiterer Verbrennungsanlagen bei den
Entsorgungsträgern allmählich freie, d.h. nicht durch Verträge vergebene und
gebundene Kapazitäten entwickelt, die zu Marktpreisen führten. Eine Anpassung des
Vertrages zwischen der Stadt M. und der AWL an diese Situation hätte nur
dann von der AWL verlangt werden können, wenn diese Entwicklung schon als
anhaltend und gesichert angesehen werden konnte.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Der vorliegende Fall unterscheidet sich insoweit erheblich von dem Sachverhalt,
über den die Kammer durch Urteil vom 26.2.1999 - 14 K 6972/96 - entschieden hat,
weil in dem früher entschiedenen Fall die mündlich getroffene Vereinbarung
zwischen dem Betreiber der Verbrennungsanlage und der entsorgungspflichtigen
Körperschaft keine vertragliche Regelung der Abrechnung nach Selbstkostenpreisen
enthielt, sondern allgemein auf die preisrechtlichen Bestimmungen verwies.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Gegen die Gebührenkalkulation im übrigen bestehen ebenfalls keine Bedenken.
Insbesondere ist die Berechnung des Verbrennungspreises nicht zu beanstanden.
Sie entspricht der Vorkalkulation aufgrund des Wirtschaftsplanes 1997 der AWL. Den
vorgelegten Unterlagen des Beklagten, insbesondere K 1: Ratsvorlage R 636/14.TA
und Niederschrift des Ratsbeschlusses vom 16.12.1996 Anlage 5 = BA 2 zu 14 K
6204/97 ist zu entnehmen, dass der Beklagte den Vorgaben des OVG NW Urteils
vom 30.9.1996
- 9 A 4046/93 - gefolgt ist. Allerdings hat er der kalkulatorischen Abschreibung einen
Zugang Investitionen Anlagevermögen 1997 in Höhe von ca. 5.000.000 DM
zugrundegelegt (vgl. Anlage 1 Blatt 10 der BA 2 zu 14 K 6204/97). Dieser Betrag
entfällt indes größtenteils auf die Anfang 1997 in Betrieb genommene Rauchgasent-
schwefelungsanlage und war insofern ansetzbar.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat insbesondere die Kosten des MHKW bei einer für 1997
angenommenen Vollauslastung von 210.000 Tonnen auf die Benutzer entsprechend
den angelieferten Tonnen verteilt. Dabei hat er, wie Anlage 6 zum Erfolgsplan (K 28
a.a.O) zeigt, bestimmte von Direktanlieferern stammende Tonnagen höher gewichtet,
weil ihm dadurch besondere Kosten durch Linzenzgebühren oder Maßnahmen zur
Reduzierung der durch den Abfall hervorgerufenen höheren Heizwerte entstanden.
Der Beklagte hat die Benutzer auch nicht mit sogenannten Leerkosten des MHKW,
die bei mangelnder Auslastung trotzdem entstanden wären, belastet, weil es keinen
Leerstand gegeben hat. Infolge eines Defektes konnten im MHKW allerdings ca.
8.000 Tonnen nicht verbrannt werden. Es wurden wie oben bereits ausgeführt keine
freien Kapazitäten zu Dumpingpreisen auf Kosten der Gebührenschuldner
verkauft.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Auch das MHKW M. selbst hat nach Darstellung des Beklagten im Termin
vom 21.9.1999 bis auf einen Ausnahmefall von Direkt- und Fremdanlieferern keine
Preise genommen, die niedriger als der Selbstkostenpreis von 312,81 DM waren (K
28: Anlage 6 zum Erfolgsplan 1997 = BA 3 und K 37: Prüfbericht Jahresabschluss
1997 Erläuterungsteil S. 32 = BA 9 zu 14 K 6097/97). In dem Ausnahmefall musste
der BAV die Differenz zum Selbstkostenpreis zahlen, die die Firma U. nicht
übernehmen wollte. Auch im übrigen sind keine erheblichen Fehler der Kalkulation
erkennbar; denn hierbei ist zu berücksichtigen dass die Stadt M. aus früheren
Gewinnen einen nennenswerten Betrag zur Minderung der Kosten aufgewandt hat,
zu dessen Ansatz sie nicht verpflichtet war.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Der Rat der Stadt M. hat wie die Gebührenbedarfsbe-rechnung aufgrund
der Vorkalkulation nach LSP (K 1 Anlage 5) zeigt, die Gesamtkosten
Abfallentsorgung in Höhe von
33.042.930 DM nicht voll auf die Benutzer umgelegt, sondern davon einen im Jahre
1992 erwirtschafteten Gebührenüberschuss eingeschlossen Zinsen in Höhe von
6.850.000 DM abgezogen. Dadurch war es möglich, die Gebühr pro Einwohner bzw.
Einwohnergleichwert und Jahr sowie die anderen Gebührensätze wie in der GebS
geregelt zu vermindern. Zwar ergibt der Jahresabschluss 1997 bei einer von der
Stadt M. 1997 tatsächlich angelieferten Verbrennungsmenge von 41.716,01 t
einen Erstattungsanspruch der Stadt gegen die AWL in Höhe von 3.562.283,68 DM
(K 35: Vorlage Nr. R 1048/14.TA vom 19.8.1998 = BA 7 zu 14 K 6097/97). Selbst
unter Berücksichtigung dieses Erstattungsbetrages verbleiben noch ca. 3.287.716,40
DM, die der Beklagte aus Überschüssen des Jahres 1992 angesetzt hat, um den
Gebührensatz von 131,55 DM zu halten.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Außerdem ist die zulässige 3-prozentige Fehlermarge zu beachten. Die Gebühr
für die Mehrwerte ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie liegt zu Recht deshalb unter
der Gebühr für die Grundausstattung (zugeteiltes Gefäßvolumen, weil dadurch
lediglich zusätzliche Kosten der Abfallbeseitigung abgedeckt werden sollen. So
werden z.B. die Kosten der Schadstoffsammlung und Abfallberatung nur bei der
Grundausstattung berücksichtigt, wohingegen z.B. die anteiligen Abfuhr- und
Verbrennungskosten in die Mehrwertgebühr einfliessen.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Die Klage war daher abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
</p>
|
114,464 | olgham-1999-09-21-27-u-7699 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
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"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 27 U 76/99 | 1999-09-21T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:46 | 2019-02-14T10:24:47 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0921.27U76.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die am 13. Februar 1979 geborene Klägerin, die seit dem 16. Januar 1998 Inhaberin einer Fahrerlaubnis ist, verlangt Schmerzensgeld (Vorstellung 9.500,00 DM) sowie die Feststellung materieller und immaterieller Ersatzpflicht aufgrund eines Verkehrsunfalles vom 14. Februar 1998 um 18.40 Uhr innerorts von E , als sie mit dem Pkw Opel Omega ihres Vaters A die L Straße in Fahrtrichtung E fuhr und in die Straße D nach links einbiegen wollte. Dazu ordnete sich die Klägerin mit dem Opel Omega zur Mittellinie ein und bremste bis zum Stillstand ab, um die bevorrechtigten Teilnehmer des Begegnungsverkehrs passieren zu lassen. Nachdem die Klägerin einige Fahrzeuge im Gegenverkehr passieren gelassen hatte, näherte sich sodann der Pkw VW Golf der Zeugin S , die die Geschwindigkeit ihres Fahrzeugs in streitigem Umfang verminderte und die "Lichthupe" betätigte. Nachdem die Klägerin unmittelbar vor dem Pkw der Zeugin S mit dem Abbiegevorgang begonnen hatte, stieß sie auf der Gegenfahrbahn mit dem Pkw der Zeugin S , die bei der Beklagten haftpflichtversichert ist, zusammen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat behauptet, daß die Zeugin S bei Annäherung an die Einmündung deutlich ihre Geschwindigkeit verlangsamt und zusätzlich zur "Lichthupe" mit der Hand Zeichen gegeben habe, so daß sich ein unzweideutiger Verzicht der Zeugin S auf ihr Vorfahrtsrecht ergeben habe. Als sie, die Klägerin, deshalb angefahren sei, habe die Zeugin S ihr Fahrzeug wieder beschleunigt und sei ungebremst in den Opel Omega gefahren. Die Klägerin hat behauptet, die Zeugin S habe damit nicht nur fahrlässig gehandelt, sondern den Zusammenprall bewußt und vorsätzlich im Rahmen eines von ihr unternommenen Suizidversuches herbeigeführt. Sie hat behauptet, über ein unstreitig erlittenes Schleudertrauma auch eine Kiefergelenksfraktur erlitten zu haben, die über 1 1/2 Jahre das Tragen einer Gebißführungsplatte erforderlich gemacht habe. Eine endgültige Ausheilung der Verletzung sei nicht sicher.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat behauptet, die Klägerin habe mit ihrem Fahrzeug ohne Blinkzeichen, jedoch mit eingeschaltetem Fernlicht an der Mittellinie gestanden, so daß die Zeugin S geblendet worden sei. Diese habe deshalb die Geschwindigkeit ihres Fahrzeugs geringfügig herabgesetzt und zur Warnung der Klägerin ihre Lichthupe betätigt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klägerin angehört sowie die Zeuginnen E , H und W (Beifahrerinnen der Klägerin) sowie S uneidlich vernommen und dann die Klage aus im wesentlichen folgenden Gründen abgewiesen: Bereits das von der Klägerin persönlich geschilderte Verhalten der Zeugin S lasse nicht mit der erforderlichen Sicherheit auf einen Vorfahrtsverzicht schließen, da dieses auch dahin gedeutet werden könne, daß sie die Klägerin auf eine Blendung durch eingeschaltetes Fernlicht aufmerksam machen wollte. Im übrigen sei die Unfalldarstellung der Klägerin nicht erweislich. Die Klägerin habe auch nicht bewiesen, daß die Zeugin S den Verkehrsunfall vorsätzlich herbeigeführt habe. Der auf die Feststellung der Ersatzpflicht künftiger materieller Schäden gerichtete Antrag sei mangels Feststellungsinteresses unzulässig, weil die Klägerin nach ihren persönlichen Angaben materielle Schäden aus dem Führen der Gebißführungsplatte nicht erlitten habe. Im übrigen sei der Feststellungsantrag unbegründet, weil ein schuldhaftes Verhalten der Zeugin S nicht bewiesen sei. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter. Sie rügt die Beweiswürdigung des Landgerichts und steht auf dem Standpunkt, daß in dem als erwiesen anzusehenden zweimaligen Betätigen der "Lichthupe" und im Abbremsen praktisch bis zum Stillstand ein Verzicht auf das Vorrecht der Zeugin S liege. Nachdem die Zeugin S zusätzlich ein Handzeichen gegeben habe, habe sie, die Klägerin, sich durch Blickkontakt vergewissert, fahren zu dürfen. Sie, die Klägerin, habe darauf vertrauen dürfen, daß die Zeugin S ihr gezeigtes Fahrverhalten auch dahin meine, ihr das Vorrecht einzuräumen. Der auf materielle Zukunftsschäden bezogene Feststellungsantrag sei zulässig, weil neben Heilbehandlungskosten eine mit finanziellen Folgen verbundene Ausbildungsunterbrechung in Betracht komme. Auch sei die Erforderlichkeit einer zusätzlichen Operation noch nicht geklärt.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte verteidigt mit näheren Darlegungen das angefochtene Urteil.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung und des Vorbringens der Parteien im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat die Klägerin persönlich nach § 141 ZPO angehört. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung wird auf den Vermerk des Berichterstatters zur Senatssitzung verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil ihre Klage zu Recht abgewiesen, denn sie kann von dem Beklagten nach den §§ 7 StVG, 823, 847 BGB, 3 PflVG keinen Ersatz ihrer Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 16. Januar 1998 verlangen. Ein schuldhafter Verstoß der Zeugin S gegen ihre Verkehrspflichten ist nicht gegeben; deshalb steht der Klägerin kein Anspruch auf Schmerzensgeld zu (I.); ihr eigenes schwerwiegendes Verschulden stellt die Klägerin auch hinsichtlich ihrer Feststellungsanträge klaglos (II.).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Ein schuldhafter Verstoß der Zeugin S gegen ihre Verhaltenspflichten im Straßenverkehr ist nicht erweislich, so daß ein Anspruch der Klägerin auf Schmerzensgeld nicht besteht.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Da die Klägerin ihren bisherigen Vortrag, das Unfallgeschehen vom 16. Januar 1998 stelle einen Suizidversuch der Zeugin S dar, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat fallengelassen hat, stand allein der Vorwurf fahrlässigen Verhaltens zur Entscheidung durch den Senat.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Angesichts dessen, daß die Klägerin grundsätzlich den Vorrang der Zeugin S zu beachten hatte (§ 9 Abs. 3 Satz 1 StVO), wäre ein dem Beklagten zurechenbares schuldhaftes Verhalten der Zeugin S dann in Betracht gekommen, wenn diese auf ihr Vorfahrtsrecht verzichtet hätte; in diesem Fall hätte sie deutlich der Klägerin zu verstehen geben müssen, wenn sie von dem ihr zustehenden Recht wieder Gebrauch machen wollte (§ 1 Abs. 2 StVO).</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Mit dem Landgericht ist der Senat jedoch der Auffassung, daß die Klägerin noch nicht einmal einen Sachverhalt behauptet hat, dem ein Vorfahrtsverzicht zu entnehmen ist. Nach ganz einhelliger Auffassung ist dieser nur dann anzunehmen, wenn der Berechtigte seinen Verzicht unmißverständlich anzeigt (BGH DAR 1960, 137, 139; KG VM 1980, 87; Jagusch/Hentschel § 8 StVO Rdn. 37), wobei im Interesse der Verkehrssicherheit strenge Anforderungen gestellt werden. Soweit die Klägerin bei ihrer ausführlichen persönlichen Anhörung vor dem Landgericht angegeben hat, daß die Zeugin S zweimal aufgeblendet, ihre Geschwindigkeit deutlich verlangsamt und mit beiden Händen Winkzeichen gegeben habe, so reicht dies zur Feststellung eines Vorfahrtsverzichts nicht aus. Denn nach der strengen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH DAR 1960, 137, 139), die dem Erfordernis klarer und unmißverständlich zu beurteilender Vorfahrtsregelungen Rechnung trägt, kann selbst ein kurzes, oft auf Vorsicht beruhendes Anhalten des Bevorrechtigten nicht ohne weiteres als Verzicht gewertet werden. Die Abgabe von Leuchtzeichen durch Betätigung der "Lichthupe" hat nach § 16 Abs. 1 StVO allein die Funktion, andere Verkehrsteilnehmer zu warnen; Warnzeichen dürfen in aller Regel nicht als Zeichen der Verständigung gegeben werden (BGH NJW 1977, 1057). Zwar ist nicht zu übersehen, daß es sich im Verkehrsgeschehen vielfach eingebürgert hat, die Lichthupe gleichwohl als Verständigungsmittel einzusetzen. Wegen des gesetzlichen Zwecks von Leuchtzeichen kommt der Lichthupe jedoch nicht die erforderliche Eindeutigkeit zu. Auch den von der Klägerin dem Senat geschilderten Winkzeichen kann kein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen werden, da diese nicht von der erforderlichen Unmißverständlichkeit waren. Nach der Art der von der Klägerin dem Senat demonstrierten Winkbewegung kann eine Verwechselung mit einem Hinweis auf eine als blendend empfundene Fahrzeugbeleuchtung nicht völlig ausgeschlossen werden. Im übrigen fällt auf, daß die Klägerin am Unfallort gegenüber den Polizeibeamten nicht von zusätzlichen Gesten oder Handzeichen gesprochen hat. Bei einer Gesamtwürdigung der von der Klägerin vorgetragenen Umstände ist die Bewertung, es habe zwischen der Vorfahrtsberechtigten und der Wartepflichtigen eine Verständigung stattgefunden, die irgendwelchen Zweifeln keinen Raum läßt, nicht gerechtfertigt. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Daran mag auch das Berufungsvorbringen der Klägerin nichts zu ändern, mit dem sie offenbar den Versuch unternommen hat, den strengen an einen Vorfahrsverzicht zu stellenden Voraussetzungen gerecht zu werden. So soll die Zeugin S nunmehr ihr Fahrzeug "fast bis zum Stillstand" abgebremst haben; die Lichthupe soll nun "mindestens" zweimal eingesetzt worden sein - in der Klageschrift war von einem einmaligen Lichthupen und bei der persönlichen Anhörung vor dem Landgericht von zweimaligem Lichtzeichengeben die Rede - und "natürlich" habe sie sich auch durch Blickkontakt mit der Zeugin S über den Vorfahrtsverzicht "vergewissert", hiervon war zuvor noch nie die Rede gewesen. Auf den letzten Gesichtspunkt ist die Klägerin bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Senat auch nicht mehr zurückgekommen. Angesichts der zum Unfallzeitpunkt herrschenden Dunkelheit ist es dem Senat auch nicht verständlich, wie die Klägerin hierzu verläßliche Beobachtungen gemacht haben will, es sei denn, es wäre das Fernlicht des von ihr geführten Opel Omega eingeschaltet gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Senat ist ebenso wie das Landgericht der Überzeugung, daß jedenfalls die Schilderung der Klägerin nicht erweislich ist. Die Zeuginnen E , H und W (allesamt ihre Beifahrerinnen) haben weder die Winkzeichen der Zeugin S noch den Blickkontakt zwischen der Klägerin und dieser bestätigt. Zwar ist bei letzterem zu berücksichtigen, daß ein Blickkontakt des Fahrzeugführers mit anderen Verkehrsteilnehmern von Beifahrern vielfach nicht wahrgenommen wird; auffällig bleibt jedoch, daß die Beifahrerinnen - die sonst jede Einzelheit wahrgenommen haben wollen - die behaupteten Winkbewegungen mit beiden Händen nicht gesehen haben. Da eine Vergewisserung per Blickkontakt nach der Senatsverhandlung nicht zugrunde gelegt werden kann, bleiben danach allein das Verlangsamen der Geschwindigkeit und das Lichtzeichen geben als Anknüpfungspunkte für einen Vorfahrtsverzicht. Angesichts der Vielzahl der Motive für ein solches Verhalten gerade bei Dunkelheit kann dieses bei der erforderlichen objektiven Betrachtung nicht als Vorfahrtsverzicht verstanden werden, weil dann die unumgängliche Klarheit der Vorfahrtsberechtigung gefährdet wäre.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Zeugin S kann auch nicht als schuldhaftes Fehlverhalten zur Last gelegt werden, daß sie durch das Verlangsamen ihres Fahrzeugs und das Lichtzeichengeben eine unklare Verkehrssituation geschaffen hätte, so daß sie auf das Verhalten der Klägerin, die durch sie irritiert sein konnte, Obacht hätte geben müssen (§ 1 Abs. 2 StVO). Denn dies hätte die Feststellung vorausgesetzt, daß die Zeugin S durch ihr Verhalten einen Vertrauenstatbestand zugunsten der Klägerin gesetzt hätte. Dies wäre jedoch nur dann in Betracht zu ziehen gewesen, wenn es feststellbar wäre, daß die Zeugin S zu einem Lichtzeichengeben von vornherein keinen anderen Grund gehabt hatte und wenn Feststellungen zu ihrem konkreten Fahrverhalten möglich wären. Beides ist hier jedoch nicht gegeben:</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">So konnten die Zeuginnen E , H und W keine Angaben dazu machen, ob die Klägerin nicht irrtümlich das Fernlicht des von ihr geführten Fahrzeugs eingeschaltet hatte, so wie es die Zeugin S begründet hat. Der Senat hatte zu berücksichtigen, daß das Einschalten des Fernlichts nicht bereits einige Zeit vor der Kollision erfolgt sein müßte, sondern der damals 18-jährigen Klägerin, die weniger als einen Monat Fahrerlaubnisinhaberin war und das Fahrzeug ihres Vaters lenkte, beim Betätigen des linken Blinkers im Einmündungsbereich unterlaufen sein könnte. Angesichts dieser Umstände vermag sich der Senat ebenso wie das Landgericht in seiner überzeugend begründeten Entscheidung nicht über die Aussage der Zeugin S hinwegzusetzen, die bekundet hat, sich durch das Licht des von der Klägerin geführten Fahrzeugs geblendet gefühlt zu haben. Daß sich die Klägerin in der Berufungsbegründung zum Beweis der Behauptung, nicht mit Fernlicht gefahren zu sein, auf das Zeugnis ihrer Beifahrerinnen beruft, gab zu deren erneuter Vernehmung keinen Anlaß, weil diese hierzu bereits erstinstanzlich vernommen und neue Erkenntnismöglichkeiten nicht dargetan worden sind. Die Senatsverhandlung hat ergeben, daß die Klägerin dies nunmehr ebenfalls so sieht. Auch der unter Sachverständigenbeweis gestellten Behauptung der Klägerin, wegen der Linksabbiegeposition des Fahrzeugs sei eine Blendung der Zeugin S ausgeschlossen gewesen, ist nicht weiter nachzugehen, weil die genaue Stellung der Fahrzeuge auch nicht annäherungsweise bekannt ist und ebensowenig verläßlich dokumentiert wurde. Feststellungen zum Fahrverhalten der Zeugin S können ebenfalls nicht getroffen werden, weil es hierfür an objektiven Anknüpfungspunkten fehlt. Die Klägerin hatte erstinstanzlich insoweit lediglich von einer Verlangsamung gesprochen; zweitinstanzlich soll der VW Golf fast bis zum Stillstand gekommen sein. In welcher Entfernung zum späteren Kollisionsort dies geschehen sein soll, wird nicht näher mitgeteilt. Die Angabe der Klägerin vor dem Senat, vor der Kollision hätten die Fahrzeuge nahezu direkt voreinander gestanden, ist zu vage, um eine sachverständige Begutachtung zu ermöglichen, was der Senat als Fachsenat selbst beurteilen kann. Auch zur Frage der erneuten Beschleunigung des VW Golfs fehlt es an brauchbaren Angaben. Die Klägerin will diese am Aufheulen des Golf-Motors erkannt haben, hat jedoch erst dann gebremst, als ihre Beifahrerin sie auf das Beschleunigen des Golfs aufmerksam machte, was darauf schließen läßt, daß die Klägerin selbst den Golf offenbar nicht weiter beobachtet hat. Von einem Aufheulen des Motors hat sonst keine Insassin des Opel Omega etwas bekundet.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Mangels erweislichen Verschuldens der Zeugin S scheidet deshalb ein auf die §§ 823, 847 BGB gestützter Schmerzensgeldanspruch der Klägerin aus.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Auch die Feststellungsanträge der Klägerin hat das Landgericht zu Recht abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Zwar wäre angesichts der offenbar noch nicht abgeschlossenen Behandlung der Klägerin das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO hinsichtlich künftiger materieller Schäden zu bejahen gewesen, falls der Kieferbruch - wie die Klägerin behauptet - auf dem Unfall beruht, weil die Klägerin dann materielle unfallbedingte Schäden in Gestalt weiterer Heilbehandlungskosten mit Eigenanteilen erleiden kann.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Gleichwohl hat das Landgericht den Feststellungsanspruch bezüglich künftiger materieller Schäden im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil der Feststellungsanspruch unbegründet ist. Zwar kann nach Auffassung des Senates für die Zeugin S der Unabwendbarkeitsnachweis nach § 7 Abs. 2 StVG nicht als geführt angesehen werden. Ein "Idealfahrer" hätte von seinem überlegenen Standpunkt in seine Erwägungen einbezogen, daß ein Wartepflichtiger ein Verlangsamen des Vorfahrtsberechtigten bei gleichzeitiger Betätigung der Lichthupe falsch verstehen könnte und deshalb größte Vorsicht bei der Weiterfahrt an den Tag gelegt. Daß die Zeugin S diese äußerste mögliche Sorgfalt hat walten lassen, ist nicht erweislich.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Allerdings führt die Abwägung der Verursachungsbeiträge nach § 17 Abs. 1 StVG dazu, daß der Haftungsanteil der Zeugin S zurücktritt. Der Unfall beruht so sehr auf der Vorfahrtsverletzung seitens der Klägerin, daß es gerechtfertigt ist, sie ihren Schaden selbst tragen zu lassen. </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Entgegen der von der Klägerin in der Senatsverhandlung vertretenen Auffassung spielt der von ihr behauptete Umstand, daß die Zeugin S an einer psychischen Erkrankung leidet, bei der Abwägung nach § 17 StVG keine Rolle. Denn eine solche etwaige Erkankung hat sich im Verkehrsgeschehen nicht erweislich objektiviert niedergeschlagen. Der Schluß von einer psychischen Störung auf ein auffälliges Verhalten im Straßenverkehr, wie ihn die Klägerin vor dem Sent gezogen hat, ist nicht gerechtfertigt. Ebenso ohne Bedeutung für die Abwägung der Verursachungsanteile ist der Umstand, daß die Zeugin S eine mit Beruhigungsmitteln angereicherte Fruchtsaftflasche am Unfalltag mitgeführt hat, zumal die Klägerin selbst nicht behauptet, daß die Zeugin S vor der Kollision unter dem Einfluß eines Beruhigungsmittels, zu dessen Art ebenfalls nichts näheres vorgetragen ist, gestanden hätte.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat es beim Linksabbiegen an der erforderlichen Beachtung des Gegenverkehrs mangeln lassen. Ihre Wartepflichtverletzung gegenüber der Zeugin S wiegt auch subjektiv schwer, weil sie sich ohne zureichenden Anhaltspunkt im Verhalten der Zeugin S zum Abbiegen entschlossen hat. Angesichts ihres schwerwiegenden Verschuldens besteht kein Anlaß, von dem Grundsatz, daß der Linksabbieger im allgemeinen den gesamten Schaden zu tragen hat, auch wenn sich der Zusammenstoß für den Gegenverkehr nicht als unabwendbares Ereignis darstellt (vgl. Geigel/Haag Kap. 27 Rz. 85) abzuweichen. </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Der Feststellungsanspruch bezüglich künftiger immaterieller Schäden ist ebenfalls unbegründet, denn der Beklagte hat mangels Verschuldens der Zeugin S - wie ausgeführt - für immaterielle Schäden der Klägerin nicht einzustehen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels hat die Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Beschwer der Klägerin überschreitet nicht 60.000,00 DM.</p>
|
114,466 | olgk-1999-09-21-hes-16599-203- | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
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"state": 12,
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} | HEs 165/99 - 203 - | 1999-09-21T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:46 | 2019-02-12T08:36:05 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0921.HES165.99.203.00 | <span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>G r ü n d e</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">In dem seit dem Jahre 1996 anhängigen Ermittlungsverfahren hat die Staatsanwaltschaft Aachen unter dem 21. Dezember 1998 Anklage erhoben. Gegenstand der Anklageschrift sind dreißig Fälle des Betruges und vierzehn Fälle des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, in zwei Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung; der Angeklagte soll zwischen Juli 1991 und Juli 1996 absichtlich Verkehrsunfälle provoziert haben, um Ansprüche gegen die Versicherungsgesellschaften der Unfallgegner durchzusetzen. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Zugleich mit der Anklageerhebung hat die Staatsanwaltschaft beantragt, gegen den bis dahin auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten Haftbefehl zu erlassen; dies u. a. mit der Begründung, dieser werde nunmehr erstmalig mit dem Beweisergebnis des Ermittlungsverfahrens konfrontiert. Die zunächst mit dieser Sache befasste 1. große Strafkammer des Landgerichts Aachen (61 KLs 31/98) hat entsprechend diesem Antrag am 14. Januar 1999 Haftbefehl, gestützt auf den Haftgrund der Fluchtgefahr, erlassen. Der Angeklagte ist am 10. März 1998 festgenommen worden und befindet sich seit dieser Zeit in dieser Sache ununterbrochen in Untersuchungshaft. Nach der Verkündung des Haftbefehls ist die Anklageschrift am 12. März 1999 mit einer Erklärungsfrist von einer Woche zugestellt worden.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Unter dem 28. Juni 1999 hat der Vorsitzende der 1. großen Strafkammer angezeigt, dass eine Terminierung derzeit nicht möglich sei, da von Ende Juli 1999 bis voraussichtlich mindestens Januar 2000 vor dieser Strafkammer eine anderweitige Umfangssache verhandelt werde. Die Sache ist durch Beschluss des Präsidiums des Landgerichts Aachen vom 28. Juli 1999 auf die 3. große Strafkammer dieses Gerichts übertragen worden. Diese hat mit Beschluss vom 16. August 1999 (63 KLs 7/99) das Hauptverfahren eröffnet. Beginn der Hauptverhandlung ist nunmehr auf den 22. Oktober 1999 bestimmt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Akten sind dem Senat zur Entscheidung über eine Fortdauer der Untersuchungshaft nach §§ 121, 122 StPO vorgelegt worden.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Dem Antrag auf Haftfortdauer kann nicht entsprochen werden. Der Haftbefehl ist aufzuheben (§ 121 Abs. 2 StPO), weil die Voraussetzungen für eine Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus nach § 121 Abs. 1 StPO nicht vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte ist allerdings der ihm zur Last gelegten Taten aufgrund der in der Anklageschrift vom 21. Dezember 1998 im Einzelnen aufgeführten Beweismittel dringend verdächtig.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Zum Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) erscheint jedoch schon die Begründung in dem Haftbefehl vom 14. Januar 1999 nicht bedenkenfrei. Die Strafkammer geht selbst davon aus, dass keine Anzeichen dafür bestehen, dass der Angeklagte im Verlauf des Ermittlungsverfahrens versucht hat, sich diesem zu entziehen. Richtig ist zwar sodann, dass der Angeklagte nach Anklageerhebung erstmals "konkret" mit dem Beweisergebnis und mit der Vielzahl und Schwere der Tatvorwürfe konfrontiert wird; damit musste er jedoch - wenn er die ihm vorgeworfenen Taten wie in dem angeklagten Umfang tatsächlich begangen hat - ohnehin rechnen. Soweit die Strafkammer in dem Haftprüfungstermin vom 11. Mai 1999 zur Begründung der Fluchtgefahr auch darauf abgestellt hat, der Angeklagte verkrafte die Haftsituation nicht, kann eine Auseinandersetzung hiermit - der Senat verfügt nicht über den persönlichen Eindruck von dem Angeklagten, den die Mitglieder der Strafkammer gewonnen haben - ebenso dahinstehen wie mit der Frage des Gesundheitszustandes und der Haftfähigkeit des Angeklagten. Der Haftbefehl muss nämlich jedenfalls aus den Gründen nachstehend zu 2. aufgehoben werden.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Untersuchungshaft darf nach § 121 Abs. 1 StPO über sechs Monate hinaus nur dann aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund ein Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen. An einem solchen wichtigen Grund fehlt es. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Wie in der Rechtsprechung anerkannt ist (vgl. u. a. BGH NStZ 91, 546; Senatsentscheidung MDR 91, 662, 663 und ständige Rechtsprechung des Senats) und vom Bundesverfassungsgericht gerade in neuerer Zeit nochmals nachhaltig betont wurde (BVerfG StV 91, 307 = NStZ 91, 397; NStZ 91, 397, 398; StV 98, 557, 558; vgl. auch BVerfGE 46, 194, 195), ist die Anordnung und Fortdauer der Untersuchungshaft nur dann zulässig, wenn und soweit der legitime Anspruch der staatlichen Gemeinschaft auf vollständige Klärung der Tat und rasche Bestrafung des Täters nicht anders als durch vorläufige Inhaftierung des Verdächtigen gesichert werden kann. Dabei erlaubt die Vorschrift des Art. 2 Abs. 2 GG den Eingriff in die persönliche Freiheit einer Person nur so lange, wie es zur Durchführung des Strafverfahrens unumgänglich notwendig ist. Gerichte und Strafverfolgungsbehörden haben deshalb alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die Ermittlungen so schnell wie möglich zum Abschluss zu bringen und eine gerichtliche Entscheidung über die dem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Versäumnisse der Strafrechtspflege dürfen selbst dann nicht zu Lasten eines Beschuldigten gehen, wenn dieser schwerer Straftaten dringend verdächtig ist (vgl. BGH NStZ 91, 546; dem folgend auch die Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Senat StV 92, 524).</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Dabei folgt aus dem grundrechtlichen Schutz des einem nicht verurteilten Beschuldigten zustehenden Freiheitsrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG sowie aus der Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der der Untersuchungshaft auch unabhängig von der zu erwartenden Strafe Grenzen setzt, die Notwendigkeit, dass die Vorschrift des § 121 Abs. 1 StPO als Ausnahmeregelung grundsätzlich eng auszulegen ist (BVerfG StV 92, 123; BGH NStZ 91, 546, 547).</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Diesen Anforderungen wird - wie dies auch die Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft nicht verkennt - die Verfahrensweise in der vorliegenden Sache zwischen dem Eingang der Anklage vom 21. Dezember 1998 und der Überlastungsanzeige des Vorsitzenden der 1. Strafkammer vom 28. Juni 1999 nicht gerecht.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Nachdem zunächst schon unter dem 14. Januar 1999 der beantragte Haftbefehl erlassen worden war und die Akten unter dem 18. Januar 1999 der Staatsanwaltschaft zur weiteren Veranlassung zugeleitet wurden, kam es aus Gründen, die der Akte nicht zu entnehmen sind, erst am 10. März 1999 zu der Festnahme des Angeklagten in dessen Wohnung. Diese Verzögerung erfolgte zwar zu einem Zeitpunkt, da sich der Angeklagte noch in Freiheit befand. Sie hat aber dennoch Auswirkung auf die Dauer der späteren Untersuchungshaft, weil es ihretwegen erst am 12. März 1999 zur Zustellung der Anklage im Anschluss an die Haftbefehlsverkündung kam und von daher der weitere Zeitablauf beinflusst wurde, der letztlich am 28. Juni 1999 die Überlastungsanzeige des Vorsitzenden der 1. großen Strafkammer veranlasste.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Nachdem unter dem 12. März 1999 die Zustellung der Anklage mit einer Erklärungsfrist von nur einer Woche veranlasst worden war, sind in der Hauptsache verfahrensfördernde Maßnahmen bei der 1. Strafkammer bis zu der Überlastungsanzeige vom 28. Juni 1999 nicht mehr festzustellen. Der Beschluss vom 29. März 1999 über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und die Durchführung des Haftprüfungstermins vom 11. Mai 1999 betrafen ebensowenig Entscheidungen in der Sache selbst im Hinblick auf eine zukünftige Hauptverhandlung wie die ansonsten der Akte noch zu entnehmenden Briefbeschlagnahmen. Obwohl die Strafkammer mit dem Haftbefehl vom 14. Januar 1999 sogar dringenden Tatverdacht bejaht hatte, ist nach Ablauf der Erklärungsfrist im Anschluss an die Zustellung der Anklage ein - nur hinreichenden Tatverdacht erfordernder - Eröffnungsbeschluss nach § 203 StPO durch die 1. Strafkammer nicht ergangen. Auch der Verteidigerwechsel (von Rechtsanwalt S. auf Rechtsanwältin St. - in der Zeit zwischen 31. März 1999 und dem 29. April 1999 -) hatte auf die Verfahrensweise keinen Einfluss.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Hat es somit seit Eingang der Anklage bei der 1. Strafkammer (die ausweislich der Zweitakte spätestens am 29. Dezember 1998 erfolgte) sechs Monate gedauert, ehe die Überlastungsanzeige vom 28. Juni 1999 erfolgte (ohne dass bis dahin eine Eröffnung des Hauptverfahrens oder frühere Terminierungsversuche festzustellen wären), so hat dies im Ergebnis dazu geführt, dass die bis zu dieser Überlastungsanzeige schon mehr als drei Monate andauernde Untersuchungshaft bis zum nunmehr vorgesehenen Beginn der Hauptverhandlung mehr als sieben Monate andauern würde. Zwar haben nämlich der Präsidiumsbeschluss des Landgerichts Aachen vom 28. Juli 1999 und der sich dem sogleich anschließende Eröffnungsbeschluss der nunmehr zuständig gewordenen 3. Strafkammer dem in Haftsachen geltenden besonderen Beschleunigungsgebot nunmehr Rechnung getragen. Es hat dies aber dazu geführt, dass wegen nunmehriger Verhinderung des Verteidigers im September und Oktober 1999 (die nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden darf, zumal seitens des Vorsitzenden der 3. Strafkammer nach Übertragung der Sache erst im August 1999 der Versuch von Terminsabsprachen unternommen werden konnte) Termin zur Hauptverhandlung nicht vor dem 18. Oktober 1999 hätte bestimmt werden können.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Unter diesen Umständen liegt aufgrund des Verfahrensablaufs seit Ende Dezember 1998 insgesamt kein wichtiger Grund vor, der nach dem Ausnahmetatbestand des § 121 Abs. 1 StPO eine Fortdauer der Untersuchungshaft auch noch Ablauf der sechs-Monats-Frist rechtfertigen würde.</p>
|
114,467 | olgk-1999-09-21-15-u-16298 | {
"id": 822,
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} | 15 U 162/98 | 1999-09-21T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:46 | 2019-02-12T08:36:05 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1999:0921.15U162.98.00 | <h2>Tenor</h2>
Auf die Anschlußberufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten - das Urteil der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 12. November 1998 - 29 0 302/96 - im Zinsausspruch dahingehend abgeändert, daß anstelle von 4 % Zinsen auf den ausgeurteilten Hauptsachebetrag 5,85 % Zinsen seit dem 01. Januar 1996 zu zahlen sind.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 DM abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheitsleistung darf auch in Form der selbstschuldnerischen Bürgschaft einer Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>T a t b e s t a n d</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Zwischen dem Kreis W. sowie den kreisangehörigen Gemeinden und
Städten - darunter die Klägerin - ist am 23.12.1992 eine
"Vereinbarung zur Herbeiführung der Abstimmung nach § 6 Abs. 3
Verpackungsverordnung" (künftig: AV) mit der in diesem Vertrag als
"D. S. De. GmbH" bezeichneten Beklagten und der Arbeitsgemeinschaft
der Entsorger des Kreisgebietes geschlossen worden (Bl. 18 ff. GA).
Diese AV, die wegen aller Einzelheiten in Bezug genommen wird,
beinhaltet in ihrem § 5 u.a. die Entgeltregelung, auf die die
Klägerin ihren Klageanspruch stützt. Diese Bestimmung lautet wie
folgt:</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">§ 5</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">(1)</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Für die Schaffung bzw. Erweiterung
sowie für die Sauberhaltung von Stellflächen für Container
einschließlich möglicher Sondernutzungsgebühren oder Mieten zahlt
die DSD an die entsorgungspflichtige Körperschaft ein Entgelt in
Höhe von 3,-- DM pro Einwohner und Jahr für die Vertragslaufzeit,
sofern als Zielgröße eine Stelldichte von 500 Einwohnern je
Stellplatz und eine Belegung mit vier Containern je Stellplatz vor
Ort vereinbart werden.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">(2)</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Die entsorgungspflichtige Körperschaft
ist, soweit erforderlich, im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten
bei der Standortsuche für die zur Durchführung des Systems
erforderlichen Sammelbehälter und bei der Erteilung der notwendigen
Erlaubnisse und Genehmigungen behilflich. ...</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">§ 9 AV besagt auszugsweise folgendes:</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">§ 9</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">(1)</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">...</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Die DSD zahlt für Abfallberatung und
Öffentlichkeitsarbeit einen Pauschalbetrag von 1,50 DM pro
Einwohner und Jahr für die ersten 18 Monate; dieser Betrag wird
unabhängig von etwaigen Vorleistungen seitens der DSD ...
gezahlt.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Dieser Aufwand wird auch danach durch
die DSD vergütet werden; über die Höhe der Vergütung wird anhand
des tatsächlichen Bedarfs neu verhandelt. ...</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">In § 10 Abs. 2 AV heißt es:</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Werden zwischen der DSD und anderen
Gebietskörperschaften ... Vereinbarungen getroffen, die für die
Gebietskörperschaft günstiger sind, so kann die Gebietskörperschaft
die Übernahme dieser Vertragsbestimmungen in diese
Abstimmungsvereinbarung verlangen, sofern die dafür maßgeblichen
tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen. Dies gilt nicht für
Leistungspreise (Tonnageentgelte, Aufwandspauschalen).</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Ausweislich § 11 Abs. 4 AV war die Abstimmung für eine Laufzeit
von 10 Jahren abgeschlossen, die sich automatisch verlängern können
sollte.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die der AV zugehörige Anlage 1 (Bl. 27 ff. GA) beinhaltet im 1.
Teil eine "Allgemeine Systembeschreibung", die die in "Stufe 1 ab
01. Dezember 1992" zu erfassende Sammelmenge, System sowie
Entleerungs- bzw. Sammelrhythmus nennt; am Schluß des jeweiligen
Abschnitts für "Stufe 1" heißt es:</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Beginn der Verdichtung des
...containernetzes</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Ziel: ...1 Station je 500 E bis 31.
Dezember 1993</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Als 2. Teil schließt sich die "Systembeschreibung je Stadt/
Gemeinde" an. Ziffer 2.13 betrifft die Klägerin. Auch darin ist
jeweils von einer "Stufe 1 - ab 01.12.1992" die Rede, für die u.a.
vorgesehen ist:</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Verdichtung des bestehenden
Depotcontainernetzes ... in Richtung auf 500 Einwohner je
Containerstandplatz</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Im Stadtgebiet der Klägerin, in dem zum Jahreswechsel 1994/95
36.653 Einwohner gelebt haben sollen, waren ihren Angaben zufolge
bis Ende 1993 37 Containerstandorte eingerichtet, bis Ende 1995 39
und bis Ende September 1998 insgesamt 43, woraus sie eine zuletzt
erreichte Stellplatzdichte von ca. 1 : 860 errechnet hat. Das
Pauschalentgelt von 3,00 DM pro Einwohner gemäß § 5 Abs. 1 AV ist
seitens der Beklagten für die Jahre 1993 und 1994 entrichtet
worden, für 1995 hat sie - nach vorangegangenen Mahnungen -
lediglich eine Zahlung von 36.513,00 DM geleistet, was einer
Pauschale von 1,00 DM pro Einwohner entsprechen soll. Die nach den
Zahlenangaben der Klägerin noch offene Differenz von (36.653 EW x
3,00 DM/EW = 109.959,00 DM abzüglich gezahlter 36.513,00 DM =)
73.446,00 DM ist Gegenstand ihrer Klageforderung.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Sie hat behauptet, die weitere Verdichtung des Stellplatznetzes,
die aus abfallwirtschaftlichen Gründen geboten sei, nur deswegen
nicht stärker forciert zu haben, weil die Beklagte für 1994 viel zu
spät und für 1995 schließlich nur noch einen Bruchteil des
vereinbarten Entgelts gezahlt habe, das - wie die Erfahrung
mittlerweile gezeigt habe - selbst in voller Höhe nicht annähernd
kostendeckend sei; dazu wäre eine Pauschale von mindestens 4,00 DM
pro Einwohner und Jahr erforderlich.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Sie - die Klägerin - nehme ständig Bankkredit in einer die
Klageforderung übersteigenden Höhe in Anspruch.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">die Beklagte zu verurteilen, an sie
73.446,00 DM nebst 6 % Zinsen seit dem 01.01.1996 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Sie hat behauptet, im Jahre 1995 seien im Stadtgebiet der
Klägerin lediglich 34 Containerstandorte vorhanden gewesen, was
einer Stellplatzdichte von 1 : 1078 entspreche. Diese habe sich in
der Praxis als völlig ausreichend erwiesen, um die von der
Verpackungsverordnung in der Anlage geforderten Sammelmengen und
-quoten zu erreichen, weshalb beide Parteien seit 1993 nicht mehr
auf die Einrichtung zusätzlicher Stellplätze gedrungen hätten.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Sofern § 5 Abs. 1 AV überhaupt tatbestandsmäßig erfüllt sei, was
sie im Blick auf dessen Wortlaut verneine, so müsse - so hat sie
gemeint - jedenfalls eine Anpassung des Vertragspreises wegen der
ursprünglichen Fehlvorstellungen der Parteien über den zur
Bewältigung der Aufgaben nötigen Aufwand vorgenommen werden. In
diesem Zusammenhang hat sie behauptet, die
Abstimmungsvereinbarungen seien bundesweit den zwischenzeitlich
gewonnenen Erkenntnissen angepaßt worden, mit allen anderen
beteiligten Kommunen habe sie sich auf ein Entgelt von 1,00 DM pro
Einwohner und Jahr seit dem 01.01.1995 geeinigt.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat durch Urteil vom 12.11.1998 der Klage bis
auf die 4 % übersteigende Zinsforderung stattgegeben und diese
Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin habe nach den getroffenen Vereinbarungen Anspruch
auf die Zahlung von 3,00 DM pro Einwohner/Jahr, was rechnerisch den
Betrag der Klageforderung ausmache. Das Rechtsinstitut des Wegfalls
der Geschäftsgrundlage wie auch der Grundsatz von Treu und Glauben
stünden nicht entgegen. Die Beklagte habe sich in Kenntnis dessen,
daß eine bestimmte Stellplatzdichte noch nicht erreicht gewesen
sei, auf die Entgeltvereinbarung eingelassen, ohne konkrete
zeitliche Regelungen für die Verwirklichung der Zielvorgaben zu
treffen. Daß die Klägerin auf keinen Fall eine weitere Verdichtung
vornehmen wolle, habe die Beklagte nicht unter Beweis gestellt; für
die von jener behauptete Inanspruchnahme von Bankkredit hingegen
fehle es an einem prozessual beachtlichen Beweisantritt der
Klägerin.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Ergänzend wird auf das angefochtene Urteil verwiesen, das der
Beklagten am 17.11.1998 zugestellt worden ist. Dagegen richtet sich
ihre am 17.12.1998 bei dem Oberlandesgericht eingegangene Berufung,
die sie - nach Fristverlängerungen bis zum 18.03.1999 - mit einem
am 16.03.1999 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz
begründet hat.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte, die auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug
nimmt, hält an ihrer Rechtsauffassung fest, daß die
tatbestandlichen Voraussetzungen eines Entgeltanspruchs gemäß § 5
Abs. 1 AV nicht erfüllt seien. Die in Ziffer 2.13 der Anlage 1 zur
AV gewählte Formulierung "in Richtung auf", die dem Text der
"Allgemeinen Systembeschreibung" im 1. Teil vorgehe, rechtfertige
nicht die Annahme, daß eine Stellplatzdichte als "Zielgröße"
verbindlich zwischen den Parteien vereinbart worden sei.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Selbst im Falle abweichender Beurteilung aber stehe der Klägerin
jedenfalls kein Anspruch in der eingeklagten Höhe zu, weil die
Geschäftsgrundlage der - unterstellt: wirksam - getroffenen
Entgeltabsprache weggefallen sei. Dann nämlich habe mit der
Vereinbarung einer Verdichtung von 1 : 500 als "Zielgröße" die
Klägerin nach dem Wortlaut der "Allgemeinen Systembeschreibung" die
Verpflichtung übernommen, bis zum 31.12.1993 für alle
Wertstoffarten eine Sammelstation je 500 Einwohner zur Verfügung zu
stellen. Tatsächlich - so behauptet sie - seien die
Erfassungsquoten bereits mit einer halb so hohen Stellplatzdichte
zu erreichen, was damals für beide Seiten nicht vorhersehbar
gewesen sei, weshalb nunmehr aber keine Partei mehr ein Interesse
an einer Vergrößerung der Zahl der Sammelplätze habe. Es sei - so
führt die Beklagte weiter aus - mit Treu und Glauben unvereinbar,
der Klägerin für Schaffung bzw. Erweiterung sowie Sauberhaltung von
nur 50 % der projek-tierten Standorte auf die Dauer von 10 Jahren
das Entgelt zuzubilligen, das ihr bei zeitgerechter Erfüllung ihrer
Vertragspflicht hätte zustehen sollen.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Zu einem vergleichbaren Ergebnis gelange man - so wendet die
Beklagte hilfsweise ein - über die Heranziehung von § 325 i.V.m. §
323 BGB; wegen Nichterfüllung mindestens der Hälfte der sie
treffenden vertraglichen Hauptpflicht im Verlauf des Jahres 1995
habe sie in diesem Umfang ihren Anspruch auf die Gegenleistung
verloren.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">das angefochtene Urteil abzuändern und
die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">die Berufung zurückzuweisen;</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Sicherheitsleistung durch
Bankbürgschaft zuzulassen.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Sie legt zudem Anschlußberufung ein mit dem Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">unter teilweiser Abänderung des
angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 73.446,00
DM nebst 5,85 § Zinsen seit dem 01.01.1996 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen
Sachvortag; sie tritt - unter Verteidigung des angefochtenen
Urteils, soweit ihr günstig - den gegnerischen Rechtsausführungen
entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Sie macht geltend, die Zahlungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 AV sei
ausschließlich von der Vereinbarung einer bestimmten
Stellplatzdichte als "Zielgröße" abhängig gemacht worden und habe
ohne Rücksicht darauf, wann das Vorhaben in die Tat umgesetzt sein
würde, während der gesamten Vertragslaufzeit bestehen sollen.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Sie weist darauf hin, daß sich aus den von der Beklagten als B 3
und B 4 überreichten Anlagen zur Berufungsbegründung (Bl. 148-151
GA), auf die verwiesen wird, entnehmen lasse, daß schon vor
Abschluß der AV die Problematik der eventuellen Nichterreichung der
angestrebten Stellplatzdichte bekannt gewesen sei; gleichwohl habe
man die Entgeltvereinbarung in der Form des § 5 Abs. 1 AV
getroffen. Sie behauptet, an der ursprünglich gemeinsamen
Zielvorstellung stets festgehalten und sich - anders als die
Beklagte - um deren Verwirklichung beständig und insoweit
erfolgreich bemüht zu haben, als derzeit eine Verdichtung von 1 :
748 erreicht sei.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Im übrigen wiederholt sie ihr Vorbringen zur Inanspruchnahme von
Bankkredit, der mit 5,85 % jährlich zu verzinsen sei.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">die Anschlußberufung
zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Sie hält einen 4 % übersteigenden Verzugsschaden der Klägerin
angesichts zu beachtender Zinsbindungsfristen für nicht schlüssig
dargetan.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird
auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der
von den Parteien zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen.
Die zu Informationszwecken beigezogene Akte 29 0 51/96 LG Köln = 15
U 145/98 OLG Köln ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen; auch auf deren Inhalt wird verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten
ist - ebenso wie die (unselbständige) Anschlußberufung der Klägerin
- zulässig. In der Sache hat nur das Rechtsmittel der Klägerin
Erfolg, während dasjenige der Beklagten der Zurückweisung
unterliegt.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Im Ergebnis zu Recht nämlich hat das Landgericht dem Klageantrag
- bis auf einen Teil des Zinsbegehrens - entsprochen. Diese
Entscheidung hält den dagegen geführten Angriffen der Berufung
stand.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">In Übereinstimmung mit der Vorinstanz hält auch der Senat die
tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der in § 5 Abs. 1 AV geregelten
Entgeltzahlungspflicht der Beklagten für gegeben. Diese ist nach
dem Wortlaut der Vertragsklausel davon abhängig gemacht, daß "als
Zielgröße" eine Stelldichte von 500 Einwohnern je Stellplatz und
eine Belegung mit 4 Containern je Stellplatz vor Ort "vereinbart"
werde. Diesem Erfordernis ist durch die Anlage 1 zur AV Genüge
getan. Sowohl in deren 1. Teil, die "Allgemeine Systembeschreibung"
als auch in die speziell das Verhältnis der Prozeßparteien
betreffende Ziffer 2.13 sind diese "Zielvorgaben" - wenn auch etwas
unterschiedlich formuliert - übernommen worden. Ob eine dieser
Regelungen Geltungsvorrang vor der anderen verdient, braucht nicht
vertieft erörtert zu werden, weil sie in keinem inneren
Wertungswiderspruch stehen. Entgegen dem von der Berufung
verfochtenen Sprachverständnis drückt das Wort "Ziel" nicht etwas
qualitativ anderes - rechtlich Höherwertiges - aus als die
Formulierung "in Richtung auf". Sowohl durch diese wie durch jene
Wortwahl wird umschrieben, daß die Umsetzung eines bestimmten
Konzeptes angestrebt werde, ohne daß der Verwirklichung dieses
Vorhabens aber schon klar umrissene Konturen im Hinblick auf Ort
und Zeit gegeben waren und für den Fall des Scheiterns der
Bemühungen um eine Realisierung der übereinstimmenden Vorstellung
irgendeiner der Beteiligten von Sanktionen bedroht sein sollte.
Eben das bezeichnet - und genügt für - die einvernehmliche
Festschreibung einer "Zielgröße", wodurch die
Entgeltzahlungspflicht der Beklagten im Sinne des § 5 Abs. 1 AV
ausgelöst werden sollte.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Nur mit diesem Begriffsverständnis läßt sich zwanglos die
Tatsache in Einklang bringen, daß die Beklagte die nach Maßgabe
dieser Vertragsklausel berechnete Pauschale für die Jahre 1993 und
1994 an die Klägerin zur Anweisung gebracht hat, ohne die sachliche
Berechtigung dieser Forderungen in Zweifel zu ziehen. Hätte sie von
vornherein dem § 5 Abs. 1 AV die Interpretation zuteil werden
lassen, die sie ihm jetzt zu geben versucht, hätte es die Wahrung
ihrer eigenen Interessen geboten, schon damals die Ansprüche der
Klägerin zurückzuweisen, da die Jahre 1993 und 1994 unter der
Geltung keiner anderen "Zielgrößen"-Vereinbarung gestanden haben
als derjenigen, die für die Folgezeit in Kraft war und es noch ist.
Der widerspruchslose Ausgleich der für die beiden ersten
Vertragsjahre verlangten Bereitstellungs- und
Unterhaltungspauschale läßt - zumal eine anderslautende Erklärung
der Beklagten fehlt - verständigerweise nur darauf schließen, daß
in der Vergangenheit auch sie die tatbestandlichen Voraussetzungen
des § 5 Abs. 1 AV als erfüllt angesehen, ihre Definition der
"Zielgrößen"-Vereinbarung sich also offenbar von derjenigen der
Klägerin nicht unterschieden hat. Folglich wäre, auch wenn man eine
Mehrdeutigkeit des Klauselinhaltes annähme, wegen des Vorrangs des
von den Vertragsschließenden übereinstimmend Gemeinten und
Gewollten für eine Auslegung nicht einmal mehr Raum.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Das nach der - urkundlich belegten (Bl. 167 f. GA) -
Einwohnerzahl der Klägerin zum Stichtag 31.12.1994 ermittelte
Pauschaljahresentgelt für 1995 im Gesamtbetrag von 109.959,00 DM
wird von der Beklagten in vollem Umfang geschuldet; eine Anpassung
des Vertragspreises hat sie nicht zu beanspruchen.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Die von ihr bemühten Regeln über den Wegfall oder die Änderung
der Geschäftsgrundlage greifen nur ein, wenn die bei Abschluß des
Vertrages zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen
und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Partei
oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem
Vorhandensein oder dem späteren Eintritt bestimmter Umstände, auf
denen der Geschäftswille der Parteien aufbaute, sich im Nachhinein
als fehlsam erwiesen haben (vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB 58.
Aufl. § 242 Rdz. 113 und die dort. Nachw.). Enthält bereits der
Vertrag nach seinem - gegebenenfalls durch ergänzende Auslegung zu
ermittelnden - Inhalt Regeln für Fehlen, Wegfall oder Veränderung
bestimmter Umstände, scheidet eine Anpassung gemäß § 242 BGB aus
(BGHZ 90, 69, 74; Palandt/Heinrichs a.a.O. Rdz. 116, jew.
m.w.Nachw.). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß die
Geschäftsgrundlage weggefallen ist, daß die Parteien eine Änderung
nicht in den Kreis ihrer Erwägungen einbezogen haben und daß den
gegebenen Umständen nach die Leistungserbringung für ihn unzumutbar
ist, trägt der Schuldner (Baumgärtel/ Strieder, Handbuch der
Beweislast im Privatrecht Bd. 1 2. Aufl. § 242 Rdz. 17).</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich das
Entgeltanpassungsverlangen der Beklagten als ungerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Soweit sie ihre Vorstellung ins Feld führt, dergemäß sie nicht
mehr Containerstellplätze habe bedienen wollen, als dies zwecks
Erfüllung der Sammelquote erforderlich gewesen sei, ist - von der
Fragwürdigkeit dieser Vorstellung als einer beachtlichen
"Geschäftsgrundlage" abgesehen - diese Argumentation nicht
geeignet, ihre Herabsetzungsforderung zu tragen, weil eine
"Zielverfehlung", die sie als ihren eigenen Vertragsinteressen
förderlich erachtet, keinen Anlaß gibt, sie auf Kosten anderer
Beteiligter aus wirksam begründeten Vertragspflichten zu
entlassen.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Um zu einer der Beklagtten günstigeren Beurteilung gelangen zu
können, müßten sich dem Prozeßvorbringen hinreichende Anhaltspunkte
dafür entnehmen lassen, daß die Parteien übereinstimmend davon
ausgegangen sind, die angestrebte Stellplatzdichte sei für ein
Funktionieren des Systems unabdingbar erforderlich, diese
Zielvorgabe werde kurzfristig umgesetzt, wovon der Anspruch der
Klägerin auf die festgeschriebene Pauschale abhängig sei, und daß
sich diese beiderseitige Vorstellung aufgrund von seinerzeit nicht
bedachten Umständen als irrig erwiesen hat, wofür der Vertrag keine
Regelung vorsieht. Ein derartiger Sachverhalt indes ist nicht
schlüssig dargetan.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">In § 5 Abs. 1 AV ist die Zahlung der Pauschale nicht vom Ob und
Wann der Herstellung eines bestimmten Verdichtungsgrades abhängig
gemacht. Bei Abschluß dieser Vereinbarung war unstreitig den
Beteiligten bekannt und bewußt, daß zu jenem Zeitpunkt die
Stellplatzdichte im Stadtgebiet der Klägerin noch weit von der
Zielvorgabe von 1 : 500 entfernt war. Selbst wenn das in der
"Allgemeinen Systembeschreibung" aufgeführte Planziel der Stufe 1
bis Ende 1993 erreicht worden wäre, hätte die Beklagte zumindest
für die Dauer diesen Jahres die volle Pauschale zu zahlen gehabt,
was sie selbst - wie oben schon erwähnt - auch nicht anders gesehen
hat. Zudem ist von ihr das Entgelt für 1994 ungekürzt entrichtet
worden, obwohl nach Ablauf jenes Jahres feststand, daß die
Zielsetzung bis dahin nicht - auch nicht annähernd - realisiert
worden war. Dieses Verhalten der Beklagten liefert nicht nur - wie
bereits abgehandelt - ein Indiz für ein übereinstimmendes
Verständnis der Parteien vom Regelungsgehalt des § 5 Abs. 1 AV,
sondern auch für eine gleichlautende Interpretation der in der
"Allgemeinen Systembeschreibung" enthaltenen "Ziel"-Vorgabe im
Sinne einer Absichtserklärung, die von keinem auf die Übernahme von
Haftungsfolgen o.ä. gerichteten Rechtsbindungswillen getragen war.
Mit ihren im Prozeß unternommenen Anstrengungen, der "Allgemeinen
Systembeschreibung" den Charakter einer die Klägerin bindenden
Verpflichtungserklärung beizulegen, setzt sich die Beklagte in
einen - unaufgelösten - Widerspruch zu ihrem früheren Verhalten, in
dem ein anderes Verständnis zum Ausdruck kommt.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Vor diesem Hintergrund ist nichts dafür ersichtlich, daß und
wieso sich mit Ablauf des Jahres 1994 an der Rechtsnatur des
Entgelts im Sinne des § 5 Abs. 1 AV als einer zielorientierten,
aber nicht in eine Wechselbezüglichkeit zu der konkret erreichten
Stellplatzdichte gesetzten Aufwandspauschale etwas geändert haben
sollte.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Dem Anpassungsverlangen der Beklagten wegen vermeintlichen
Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist entgegenzuhalten, daß der
Vertrag selbst Regelungen über die Ausgestaltung des aufzubauenden
Wertstofferfassungssystems in Befolgung der abfallwirtschaftlichen
Zielvorstellungen der entsorgungspflichtigen Körperschaft enthält
(§ 4 AV) und auch die Zielgröße der Stellplatzdichte zum
Bestandteil der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen erhoben
worden ist, weswegen diesbezüglich die fraglichen Grundsätze keine
abändernde Wirkung entfalten können.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Zu berücksichtigen ist auch, daß § 5 Abs. 1 AV ausdrücklich die
Geltung der darin geregelten Zahlungsverpflichtung für die Dauer
der Vertragslaufzeit vorsieht. Demgegenüber ist in § 9 Abs. 1 AV
eine zeitlich befristete Vergütungsregelung festgeschrieben und
bestimmt, daß anschließend die Höhe neu nach Maßgabe des
tatsächlichen Bedarfs verhandelt werde. Daraus wird deutlich, daß
die Parteien die Möglichkeit einer zeitlichen Befristung, um noch
unbekannten Umständen unter Auswertung dann vorliegender
Erkenntnisse Rechnung tragen zu können, durchaus bedacht haben.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Deswegen muß es der Beklagten verwehrt bleiben, einseitig
Vorteile daraus zu ziehen, daß - wie sie geltend macht - mit
Abschluß der AV "N." betreten worden sei, so daß sie über keine
verläßlichen Kalkulationsgrundlagen verfügt habe. Mit solcherlei
Unsicherheitsfaktoren hatten die übrigen Vertragsbeteiligten
gleichermaßen umzugehen. So reklamiert auch die Klägerin eine
Benachteiligung für sich, weil sie der Festlegung einer
Aufwandspauschale zugestimmt habe, die - wie inzwischen die
Erfahrung gelehrt habe - mitnichten kostendeckend sei. Dieses sich
aus der Rechnung mit noch unbekannten Größen ergebende Risiko hätte
durch eine Befristung etwa - wie im Rahmen des § 9 Abs. 1 AV
geschehen - eingegrenzt werden können, wovon man bei der Fassung
des § 5 Abs. 1 AV indes abgesehen hat. Diese Willensentschließung
der Parteien bringt es mit sich, daß jede von ihnen für die ihr
nachteiligen Folgen eines Kalkulationsirrtums selbst einzustehen
hat, es sei denn, im Vertrag wäre dies abweichend geregelt.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">In diesem Zusammenhang ist auf § 10 Abs. 2 AV hinzuweisen, in
dem sich die Kommune das Recht auf ein einseitiges
Anpassungsverlangen ausbedungen hat, von dem Leistungspreise aber
erklärtermaßen ausgenommen sind. Darin offenbart sich einerseits
ein vorhandenes Problembewußtsein, was Risikobegrenzung anbetrifft,
andererseits aber auch eine gewisse Risikobereitschaft, soweit es
um die Akzeptanz vertraglich festgeschriebener Leistungsentgelte
geht.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Dies wiederum ist dem Argument der Beklagten entgegenzuhalten,
die Klägerin dürfe sich einer Preisanpassung nicht verweigern, weil
sich - was bestritten ist - andere Gebietskörperschaften damit
einverstanden erklärt hätten. Insoweit hat - argumentum a maiore ad
minus - zu gelten, daß, wenn schon die Kommune ein ihr im Grundsatz
zugestandenes Anpassungsrecht hinsichtlich der Vertragspreise nicht
ausüben darf, eine solche Befugnis erst recht der Beklagten versagt
bleiben muß, der nicht einmal im allgemeinen ein derartiges Recht
vertraglich vorbehalten worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Desweiteren ist anzumerken, daß sich aus den mit der
Berufungsbegründung zu den Akten gereichten Anfragen des
interfraktionellen Arbeitskreises einerseits, des Umweltamtes der
Klägerin andererseits nichts für die Richtigkeit des von der
Beklagten eingenommenen Rechtsstandpunktes gewinnen läßt, belegen
sie doch gerade das - auch zur Kenntnis der Beklagten gelangte -
Problembewußtsein in bezug auf die Bemessungsgrundlage für die hier
streitige Aufwandspauschale schon im zeitlichen Vorfeld der
Vertragsunterzeichnung. Danach bleibt kein Raum für die Annahme,
seinerzeit sei die Möglichkeit gar nicht bedacht worden, daß die
Herstellung der projektierten Stellplatzdichte der Kommune
vielleicht nicht möglich oder von ihr eventuell nicht mehr
gewünscht sein werde.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Nach alledem können die Grundsätze über den Wegfall der
Geschäftsgrundlage vorliegend keine Berücksichtigung finden.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Die Berufung auf §§ 325, 323 BGB verhilft der Rechtsverteidigung
der Beklagten ebensowenig zum Erfolg. Es fehlt schon - wie in
anderem Zusammenhang bereits ausgeführt - an einer bindenden
vertraglichen Verpflichtung der Klägerin zur Schaffung einer
festgelegten Anzahl von Containerstellplätzen binnen einer von ihr
einzuhaltenden Frist. Mangels Begründung einer dementsprechenden
Pflichtenbindung überhaupt erübrigt sich eine Befassung mit der
Frage, ob sie denn, wenn sie eingegangen worden wäre, die Qualität
einer vertraglichen Hauptleistungspflicht im Verhältnis zu der
Beklagten hätte, deren Interesse erklärtermaßen dahin geht, nur so
viele Stellplätze wie unbedingt nötig, aber eben so wenig wie
möglich bedienen zu müssen. Schließlich scheitert die Bejahung des
Merkmals der Unmöglichkeit daran, daß die durch keinerlei
Fixtermine befristete - angeblich geschuldete - Leistungserbringung
nachholbar ist.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Während der Berufung der Beklagten aus den vorstehend
dargelegten Gründen kein Erfolg beschieden sein kann, ist auf die
Anschlußberufung der Klägerin der Zinsausspruch des angefochtenen
Urteils antragsgemäß zu erhöhen. Der Senat sieht es in Würdigung
auch ihres - der Beklagten bekannten - Vorbringens in dem
Parallelrechtsstreit 29 0 51/96 LG Köln = 15 U 145/98 OLG Köln und
der dort als Anlagen zu ihrem Schriftsatz vom 10.05.1999
überreichten Urkunden (BA Bl. 287 ff.) in Anbetracht der daraus
ersichtlichen Schuldenstände und Kreditaufnahmen als hinreichend
substantiiert dargetan an, daß bei rechtzeitiger Zahlung seitens
der Beklagten der Finanzierungsbedarf entsprechend niedriger
angesetzt und der Aufwand für Kreditmittel in diesem Ausmaß
eingespart worden wäre. Dies stellt sich als Verzugsschaden dar,
den die Klägerin gemäß §§ 284 Abs. 2 S. 1, 286 Abs. 1 BGB ersetzt
verlangen kann, so daß ihrem Rechtsmittelbegehren stattzugeben
war.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1,
97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Gegenstandswert für das Berufungsverfahren</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">und Wert der Beschwer für die Beklagte:</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">73.446,00 DM</p>
|
114,469 | olgham-1999-09-20-8-u-1299 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 8 U 12/99 | 1999-09-20T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:46 | 2019-02-14T10:24:51 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0920.8U12.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 31.07.1998 gefaßten Beschlüsse, die die Einziehung der von dem Kläger gehaltenen Geschäftsanteile zum Gegenstand hatten.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist Alleinerbe seines am 05.11.1997 verstorbenen</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Vaters P.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte wurde im Jahr 1979 als eine Familien-GmbH gegründet. Gründungsgesellschafter waren der derzeitige Geschäftsführer der Beklagten, seine damalige Ehefrau und sein Sohn, der verstorbene Vater des Klägers.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Zuletzt hielt der Vater des Klägers vom Stammkapital der Beklagten in Höhe von 50.000,00 DM Geschäftsanteile in Höhe von 23.200,00 DM und 1.800,00 DM; weitere Geschäftsanteile im Wert von insgesamt ebenfalls 25.000,00 DM hielt der jetzige Gesellschaftergeschäftsführer W.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Im Jahr 1984 heiratete P die Mutter des Klägers. Im zeitlichen Zusammenhang mit dieser Eheschließung schlossen der Geschäftsführer der Beklagten, W, und sein Sohn P am 04.09.1984 einen Erbvertrag vor dem Notar Dr.O in R (UR-Nr. ), in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Im Jahr 1994 reichte die Mutter des Klägers die Scheidung ein.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Nach dem Tod des Vaters des Klägers am 05.11.1997 schlug der Geschäftsführer der Beklagten, W, die Erbschaft aus, weil er wegen der Zugewinnauseinandersetzung eine Überschuldung des Nachlasses vermutete. Erbe seines Vaters wurde sodann der Kläger.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Auf Betreiben des Gesellschaftergeschäftsführers der Beklagten wurde am 31.07.1998 eine Gesellschafterversammlung abgehalten.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Punkt 5) der Tagesordnung lautete:</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Einziehung der von dem Gesellschafter J im Erbgang nach seinem Vater P nunmehr gehaltenen Geschäftsanteile im Nominalbetrag von 23.200,00 DM und 1.800,00 DM unter Bezugnahme auf § 11 Abs.3 in Verbindung mit § 5 des Gesellschaftervertrages gegen eine nach § 13 des Gesellschaftervertrages zu ermittelnde Abfindung.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die dabei hier interessierende Regelung in § 5 des Gesellschaftsvertrages lautet:</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">§ 5</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px"><u>Einziehung von Geschäftsanteilen
</u>Die Gesellschafter können die Einziehung von Geschäftsanteilen eines Gesellschafters ohne dessen Zustimmung beschließen wenn
a) ...
b) der Gesellschafter verstirbt und seine Gesellschaftsrechte kraft Gesetzes oder durch Verfügung von Todes wegen nicht auf einen anderen Gesellschafter oder eheliche Abkömmlinge eines Gründergesellschafters übergehen;
c) ...
Die Beschlußfassung über die Einziehung erfolgt mit einfacher Stimmenmehrheit. Der betroffene Gesellschafter hat hierbei kein Stimmrecht.
Statt der Einziehung kann die Gesellschaft nach entsprechender Beschlußfassung der Gesellschafter verlangen, daß der Geschäftanteil ganz oder teilweise von ihr erworben oder auf von ihr benannten Gesellschafter oder dritte Personen übertragen wird.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">§ 11 des Gesellschaftsvertrages lautet demgegenüber auszugs-</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">weise:</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">§ 11 Erbfolge</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Geht der Gesellschaftsanteil eines Gesellschafters von Todes wegen über, so ist der Erwerber des Geschäftsanteils verpflichtet, innerhalb von 6 Monaten seit Erbfall alle Gesellschafter schriftlich von diesem Erwerb zu unterrichten.
Der bzw. die Erben/Vermächtnisnehmer sind verpflichtet, den übergegangenen Geschäftsanteil den verbleibenden Gesellschaftern zu einem nach § 13 des Gesellschaftsvertrages zu ermittelnden Preis zum Kauf anzubieten.
Erfüllt der Gesellschafter, welcher seinen Geschäftsanteil von Todes wegen erworben hat, die vorstehende Verpflichtung nicht binnen einer durch die Gesellschaft schriftlich gesetzten Frist von 2 Monaten, so wird sein Geschäftsanteil eingezogen. Die Einziehung erfolgt gemäß § 5 des Gesellschaftsvertrages.
Das Erwerbsrecht steht den Gesellschaftern in dem Verhältnis zu, in welchem die Nennbeträge der von ihnen gehaltenen Geschäftsanteile zueinander stehen. Falls mehrere Erwerbsberechtigte ihr Erwerbsrecht ausüben, so ist der Geschäftsanteil entsprechend zu teilen. ... Der Geschäftsanteil gewährt kein Stimmrecht, solange das Erwerbsverfahren nicht abgeschlossen ist.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die als Anlage 2 zur Klage eingereichte Kopie des Gesellschaftsvertrages(Bl.12 bis 23 GA) sowie auf die als Anlage 3 eingereichte Kopie der Tagesordnung der Gesellschafterversammlung per 31.Juli 1998 (Bl.24 f GA) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">In der Gesellschafterversammlung am 31.07.1998 wurden der Gesellschaftergeschäftsführer W von Rechtsanwalt Dr. R aus M und der Kläger von Rechtsanwalt Dr.G aus R vertreten; Rechtsanwalt Dr.R stimmte für die Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers, Rechtsanwalt Dr.G stimmte als Vertreter des Klägers dagegen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 07.08.1998 zeigte der Geschäftsführer der Beklagten dem Vertreter des Klägers, Rechtsanwalt Dr.G, an, daß er als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beklagten die Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers erkläre.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat sich mit der am 26.08.1998 eingegangenen Klage gegen die im Zusammenhang mit der Einziehung seiner Geschäftsanteile gefaßten Gesellschafterbeschlüsse gewendet. Er hat die Ansicht vertreten, es fehlte an einer rechtlichen Grundlage für die Einziehung seiner Geschäftsanteile. Als ehelicher Abkömmling seines Vaters, eines Gründungsgesellschafters, sei eine Einziehung nach § 5 des Gesellschaftsvertrages nicht möglich. § 11 des Gesellschaftervertrages gelte nur für Erben, die nicht eheliche Abkömmlinge von Gründungsgesellschaftern seien.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><ol class="absatzLinks"><li>festzustellen, daß in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 31.07.1998 die Anträge des Gesellschafters W, die folgenden Beschlüsse zu fassen, abgelehnt worden seien:
</li>
<span class="absatzRechts">26</span><ol class="absatzLinks"><li>Einziehung der von dem Gesellschafter J im Erbgang nach seinem Vater P nunmehr gehaltenen Geschäftsanteile im Nominalbetrag von 23.200,00 DM und 1.800,00 DM unter Bezugnahme auf § 11 Abs. 3 in Verbindung mit § 5 des Gesellschaftervertrages gegen eine nach § 13 des Gesellschaftervertrages zu ermittelnde Abfindung (TOP 5 der Tagesordnung);
</li>
<li>Beauftragung des Geschäftsführers W, dem Gesellschafter J gegenüber die Einziehung seiner Geschäftsanteile schriftlich zu erklären (TOP 6);
</li>
<li>Beauftragung des Geschäftsführers W, entsprechend § 13 des Gesellschaftervertrages in der geltenden Fassung das vorgesehene Einziehungsentgelt zu ermitteln und die im Gesellschaftervertrag vorgesehenen Raten zu Lasten der offenen Rücklagen für den gesellschaftsvertraglich fstgelegten Fälligkeitstermin an den Gesellschafter J zu zahlen oder im Wege der Verhandlung andere Zahlungsmodalitäten zu vereinbaren (TOP 7);
</li>
<li>Aufstockung des Nennbetrages der Geschäftsanteile des Gesellschafters W entsprechend, d.h. Aufstockung des von Herrn W gehaltenen Geschäftsanteils im Nominalbetrag von 4.200,00 DM um 1.800,00 DM auf 6.000,00 DM sowie Aufstockung des weiteren von Herrn W gehaltenen Geschäftsanteils im Nominalbetrag von 5.800,00 DM um 23.200,00 DM auf 29.000,00 DM (TOP 8);
</li></ol>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">hilfsweise zu Ziffer 1.festzustellen, daß die zu verstehenden Ziffern 1.1 bis 1.4. wiedergegebenen Gesellschafterbeschlüsse zu TOP 5 bis 8 der Tagesordnung der Gesellschafterversammlung vom 31.07.1998 nichtig seien;
äußerst hilfsweise zu Ziffer 1. die vorstehend bezeichneten Gesellschafterbeschlüsse für nichtig zu erklären;</p>
<span class="absatzRechts">28</span><ol class="absatzLinks" start="2"><li>festzustellen, daß er Gesellschafter der Beklagten mit Geschäftsanteilen in Nennwerten von 23.200,00 DM und 1.800,00 DM sei.</li></ol>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Sie hat die Auffassung vertreten, dem Klageantrag zu Ziff. 2 fehle das Feststellungsinteresse, da diese Feststellung schon die Folge einer positiven Formulierung des Antrags zu 1) sei.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Im übrigen sei die Einziehung wirksam. Sie basiere auf § 11 des Gesellschaftsvertrages, der die Verletzung gesellschaftsvertraglicher Pflichten sanktioniere. Die Geschäftsanteile seien unter Beachtung der verfahrensrechtlichen Vorschriften wirksam eingezogen worden.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">§ 11 gelte für alle Erben, somit auch für die ehelichen Abkömmlinge der Gründungsgesellschafter.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat unter Abweisung der Klage im übrigen dem Hilfsantrag des Klägers entsprochen und den Beschluß zu Ziff. 1.1 des Klageantrags (TOP 5 der Tagesordnung) für nichtig gehalten. Die Regelung des § 11 des Gesellschaftsvertrages gelte für den Kläger als ehelichen Abkömmling eines Gründungsgesellschafters nicht.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage insgesamt erreichen möchte.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte behauptet, es sei der übereinstimmende Wunsch der Gesellschafter W und P gewesen, die Aufnahme unerwünschter weiterer Gesellschafter zu verhindern. Das habe seinen Niederschlag auch in den Regelungen des Gesellschaftsvertrages gefunden. Erste unangenehme Erfahrungen hätten die Gesellschafter mit der Vermögensauseinandersetzung anläßlich der Scheidung des Gesellschafters W schon im Jahre 1981 gemacht. Aus diesen Erfahrungen heraus sei am 13.12.1982 § 4 des Gesellschaftsvertrages neu gefaßt worden, und bei dieser Fassung sei ausdrücklich von einer Privilegierung ehelicher Abkömmlinge von Gründungsgesellschaftern abgesehen worden.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Anlaß für die Regelung in § 11 des Gesellschaftervertrages in der derzeit geltenden Fassung sei das Scheidungsverfahren der Eltern des Klägers gewesen; auch hier habe derselbe Wunsch bestanden, einen "closed shop" bei den Gesellschaftern zu gewährleisten. Die Neuregelung des § 11 habe nach dem Willen der Gesellschafter auch eine Änderung des § 5 bedeuten sollen. Eheliche Abkömmlinge hätten nicht privilegiert werden sollen, sondern die Regelung des § 11 habe für alle Erben gleichermaßen Geltung. Zum Beweis für den tatsächlichen Willen der Gesellschafter bei der Abfassung des § 11 beruft sich die Beklagte auf die eidliche Parteivernehmung ihres Geschäftsführers.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er wiederholt seine Auffassung, der Gesellschaftsvertrag sei dahin auszulegen, daß § 11 für eheliche Abkömmlinge eines Gründungsgesellschafters keine Geltung habe.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Einer Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten als Partei zum Beweis für die Motivation der Gesellschafter bei der Neuregelung des § 11 widerspricht er.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat der hilfsweise erhobenen Nichtigkeitsklage zu Recht stattgegeben und die Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers für nichtig gehalten.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Der Gesellschaftsvertrag bietet keine rechtliche Grundlage für die Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Eine zwangsweise Einziehung von Geschäftsanteilen ist nur zulässig, wenn deren Voraussetzungen in der Satzung hinreichend bestimmt geregelt sind (so Baumbach-Hueck, GmbHG, 16.Aufl. § 34, Rn.6; Scholz/Westermann, GmbHG, 8.Aufl. § 34, Rn.13; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8.Aufl., § 34, Rn.38). Insbesondere bei einer Einziehung ohne eine volle Abfindung, wie sie hier nach § 13 des Gesellschaftsvertrages stattfinden sollte, müssen die Voraussetzungen klar umschrieben sein, damit sich jeder Gesellschafter darauf einstellen kann (Baumbach-Hueck, aaO., BGH, Urt.v.19.09.1977 - II ZR 11/76 - in NJW 1977, S.2316).</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten läßt eine klare Regelung der Einziehungsvoraussetzungen und auch des Einziehungsverfahrens jedenfalls für den Fall der Rechtsnachfolge im Erbgang vermissen. Der Gesellschaftsvertrag enthält dazu unterschiedliche Bestimmungen, die nicht ohne weiteres miteinander zu vereinbaren sind:</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Nach § 11 des Gesellschaftsvertrages hat bei isolierter Betrachtung dieser Vorschrift jeder Erbe ohne Ausnahme den übrigen Gesellschaftern seinen ererbten Geschäftsanteil innerhalb näher bestimmter Fristen zum Kauf anzubieten. Jeder der übrigen Gesellschafter kann das Angebot annehmen oder auch ausschlagen; machen mehrere Gesellschafter von ihrem Erwerbsrecht Gebrauch, erfolgt eine Teilung des ererbten Geschäftsanteils, und die Erwerber erwerben den Anteil in dem Verhältnis, in welchem die Nennbeträge der von ihnen jeweils gehaltenen Geschäftsanteile zueinander stehen. Bei diesem Verfahren ist eine Einziehung in der Regel nicht vorgesehen; diese erfolgt allenfalls als Sanktion, wenn der Erbe seiner Andienungspflicht nicht nachkommt. Kommt der Erbe seiner Andienungspflicht jedoch nach und nimmt keiner der übrigen Gesellschafter sein Angebot an, ist für eine Einziehung kein Raum mehr. Der Erbe bleibt Gesellschafter.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Nach § 5 des Gesellschaftsvertrages kann die Gesellschaft die Einziehung von Geschäftsanteilen beschließen, wenn ein Gesellschafter verstirbt und seine Gesellschaftsrechte <u>nicht</u> auf einen anderen Gesellschafter oder eheliche Abkömmlinge eines Gründergesellschafters übergehen. Die Einziehung betrifft also nicht jeden, sondern nur nicht privilegierte Erben; sie kann dann aber unabhängig davon erfolgen, ob der Erbe seiner Andienungspflicht nach § 11 nachgekommen ist oder nicht. Die Beschlußfassung über die Einziehung erfolgt mit einfacher Stimmenmehrheit, wobei der betroffene Gesellschafter kein Stimmrecht hat. Statt der Einziehung kann verlangt werden, daß der Geschäftsanteil auf die Gesellschaft, auf einen von ihr benannten Gesellschafter oder auf einen von ihr benannten Dritten übertragen werde. Die Verfügungsgewalt über den ererbten Geschäftsanteil steht in diesem Fall also der Mehrheit der Gesellschafter zu; ein Minderheitsgesellschafter hätte danach keine Chance, sein ihm in § 11 eingeräumtes Erwerbsrecht gegen die Stimmmen der Mehrheit auszuüben.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Die Regelungen in den §§ 5 und 11 des Gesellschaftsvertrages sind von ihrem bloßen Wortlaut her demnach unvereinbar sowohl hinsichtlich der Stellung der betroffenen Erben als auch hinsichtlich der Rechte der übrigen Gesellschafter. Hinsichtlich der Erben enthält § 5 eine ausdrückliche Privilegierung anderer Gesellschafter sowie ehelicher Abkömmlinge der Gründungsgesellschafter, deren Anteile nach § 5 nicht eingezogen werden dürfen. Für sonstige nach § 5 nicht privilegierte Erben bleibt unklar, ob eine Einziehung ihrer Anteile auch erfolgen kann, wenn sie ihrer Andienungspflicht nach § 11 nachgekommen sind. Die Andienungspflicht des § 11 geht in Ansehung des § 5 praktisch ins Leere, da die Gesellschafter nach § 5 mit Mehrheitsbeschluß auch ohne Andienung durch die nichtprivilegierten Erben und ohne Fristen deren Anteile entweder erwerben oder einziehen können.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Angesichts dieser Widersprüche im Gesellschaftsvertrag hat der Senat durch Auslegung zu beurteilen, wie sich die Vorschriften der §§ 5 und 11 zu einander verhalten und ob die Satzung der Beklagten danach für die Einziehung von Geschäftsanteilen auch ehelicher Abkömmlinge von Gründungsgesellschaftern eine Grundlage bietet.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Aus der Formulierung des § 11 ist nicht ersichtlich, daß damit die Privilegierung der ehelichen Abkömmlinge von Gründungsgesellschaftern, wie sie in § 5 festgeschrieben ist, aufgehoben werden sollte. Vielmehr sieht § 11 eigentlich eine Besserstellung der Erben gegenüber § 5 insoweit vor, als ererbte Anteile danach nur im Fall einer Verletzung der den Erben auferlegten Andienungspflicht eingezogen werden können. Daß jedoch die Privilegierung aufgehoben werden sollte dadurch, daß § 11 auf die Unterscheidung des § 5 hinsichtlich privilegierter und sonstiger Erben nicht eingeht, erschließt sich dem objektiven Leser des Gesellschaftsvertrages nicht ohne weiteres.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Auch aus § 4 des Gesellschaftsvertrages folgt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht, daß eine Privilegierung ehelicher Abkömmlinge der Gründungsgesellschafter, wie sie § 5 noch vorsieht, im Gesellschaftsvertrag insgesamt aufgehoben worden sein sollte. </p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">§ 4 des Gesellschaftsvertrages betrifft die Übertragung und Veräußerung von Geschäftsanteilen und lautet:</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Geschäftsanteile an der Gesellschaft dürfen grundsätzlich nur mit Zustimmung aller Stimmen der Gesellschafter übertragen werden. Ohne Zustimmung aller Gesellschafter ist eine Geschäftsanteils-Übertragung auch dann nicht zulässig, wenn der Erwerber ein Gesellschafter oder ein ehelicher Abkömmling eines Gründungsgesellschafters ist.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Aus dieser im Jahr 1982 erfolgten Regelung zur Veräußerung von Geschäftsanteilen in § 4, die damals den § 5 in der noch heute geltenden Fassung unberührt gelassen hat, läßt sich im Gegenteil entnehmen, daß zwischen dem Erwerb durch Abtretung von Geschäftsanteilen und dem Erwerb von Todes wegen klar unterschieden wurde. Die ausdrückliche Erwähnung von Gesellschaftern und ehelichen Abkömmlingen als potentiellen Erwerbern weist darauf hin, daß diesen nach dem Gesellschaftsvertrag grundsätzlich eine besondere Stellung eingeräumt war, denn anders hätte es ihrer Erwähnung in § 4 nicht bedurft. Der Umstand, daß damals gerade auch unter dem Eindruck einer scheidungsbedingten Vermögensauseinandersetzung die Privilegierung der ehelichen Abkömmlinge in § 5 anders als in § 4 <u>nicht</u> aufgehoben worden ist, spricht gegen ein den gesamten Gesellschaftsvertrag durchziehendes Prinzip eines "closed shop" der Gesellschafter, wonach jeder Gesellschafter stets die Aufnahme eines ungeliebten weiteren Gesellschafters sollte verhindern können.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Aus dem Umstand schließlich, daß die Regelung des § 11 zeitlich später als die in § 5 getroffene Regelung vereinbart worden ist, folgt auch nicht der Vorrang des § 11 und die Aufhebung des § 5, dies schon deshalb nicht, weil § 11 wegen der Einziehung ausdrücklich auf § 5 verweist und damit zeigt, daß die Bestimmungen des § 5 nicht etwa übersehen worden oder in Vergessenheit geraten waren. </p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Wenn aber § 5 des Gesellschaftsvertrages fortgelten sollte, so kann ein Nebeneinander beider Regelungen (§ 5 und § 11) nur widerspruchsfrei dahingehend verstanden werden, daß § 11 nur Anwendung auf nicht privilegierte Erben findet. Andernfalls würde die Regelung des § 5 b) ins Leere gehen. Der Sinn des § 11 besteht dann darin, der nach § 5 möglichen Einziehung das Andienungsverfahren des § 11 mit den dort genannten Fristen und dem einzelnen Gesellschaftern eingeräumten Erwerbsrecht vorzuschalten.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Auch die Behauptung der Beklagten, mit der Änderung des § 11 sei entgegen dem Wortlaut der Regelung eine Änderung des § 5 tatsächlich gewollt gewesen, vermag der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Beklagte mit dem Antrag auf Vernehmung ihres Geschäftsführers als Partei keinen zulässigen Beweis für den von ihr behaupteten übereinstimmenden Willen aller Gesellschafter bei der Beschlußfassung über § 11 angeboten hat, denn der Kläger hat der Parteivernehmung widersprochen (§ 447 ZPO). Ein Fall des § 448 ZPO liegt hier nicht vor, denn auch im Fall der Beweisnot setzt die Anwendung des § 448 ZPO eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Behauptung voraus (vgl.Musielak/Huber, ZPO, § 448 Rn.6), die der Senat angesichts der bereits dargelegten Sonderstellung der ehelichen Abkömmlinge von Gründungsgesellschaftern im Gesellschaftsvertrag verneint. Auch der Gesichtspunkt der Waffengleichheit (vgl. EGMR, Urt.v.27.10.1993, in NJW 1995, S.1413) gebietet hier nicht die Anwendung des § 448 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Von der Beweissituation abgesehen kommt es aus Rechtsgründen auf den tatsächlichen Willen der beschlußfassenden Gesellschafter hier im Ergebnis aber auch nicht an. </p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Bei der Auslegung von Gesellschaftsverträgen können nach ständiger Rechtsprechung unterschiedliche Kriterien maßgebend sein, je nachdem ob es sich bei den auszulegenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages um individualrechtliche Bestimmungen oder um sogenannte körperschaftliche Bestimmungen handelt.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Für individualrechtliche Bestimmungen besitzen die §§ 133 und 157 BGB uneingeschränkte Gültigkeit, wohingegen bei allen körperschaftlichen Bestimmungen eine normenähnliche Auslegung geboten ist (vgl.Scholz/Emmerich, GmbHG, 8.Aufl. § 2, Rn.35 m.w.N.; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8.Aufl. § 2 Rn.139). Gesellschaftsvertragliche Regelungen körperschaftsrechtlicher Art haben nach den Grundsätzen der sogenannten objektiven Satzungsauslegung zu erfolgen (BGH, Urteil v. 16.12.1991- II ZR 58/91 - in NJW 1992, S. 892; BGH, Urteil v. 11.10.1993 - II ZR 155/92 - in NJW 1994. S.51; BGH, Urteil v. 17.02.1997 - II ZR 41/96 - in NJW 1997, S.1510). Zu den körperschaftlichen Bestimmungen rechnen die grundsätzlichen Regelungen über die Beziehungen der Gesellschafter zur Gesellschaft, Bestimmungen über die Abfindung beim Ausscheiden sowie auch die über die Veräußerung und Vererbung von Geschäftsanteilen (Scholz/Priester, GmbHG, 8.Aufl., § 53, Rn.10), um die es vorliegend geht.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Bei der Auslegung dieser körperschaftlichen Bestimmungen haben alle Umstände außer Betracht zu bleiben, die außerhalb der Vertragsurkunde liegen und damit nicht allgemein erkennbar sind, wie etwa die Entstehungsgeschichte des Gesellschaftsvertrages sowie die Vorstellungen, Absichten und Äußerungen von Personen, die an der Abfassung des Gesellschaftsvertrages mitgewirkt haben (so BGH, Urteil v. 27.10.1986 - II ZR 240/85 - in NJW 1987, S. 1890 unter Hinweis auf BGHZ 14, 25 (37) = NJW 1954, 1401; BGH, LM § 549 ZPO Nr. 25; RGZ 159, 321 (326); ferner BGH, Urt.v.16.02.1981 - II ZR 89/79 - in GmbHR 1982, S.129).</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Diese Grundsätze gelten auch für personalistische oder Familiengesellschaften, da der spätere Beitritt anderer Gesellschafter nie auszuschließen ist (Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8.Aufl. § 2, Rn.139; Scholz/Emmerich, aaO.; BGH, Urt.vom 16.02.1981 - II ZR 89/79 - aaO.; BGH, Urteil v. 17.02.1997 - II ZR 41/96 - aaO.).</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Nach den demnach anzuwendenden Grundsätzen einer objektiven Satzungsauslegung sind die Motivation und die Vorstellungen der beiden Gesellschafter W und P bei der Beschlußfassung zum § 11 des Gesellschaftsvertrages für die Auslegung der Vorschriften ohne Bedeutung, so daß es auch aus diesem Grund einer Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten als Partei nicht bedurfte.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
</ol> |
114,471 | olgk-1999-09-20-ss-45299-z-203-z | {
"id": 822,
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} | Ss 452/99 (Z) 203 Z | 1999-09-20T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:46 | 2019-02-12T08:36:06 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0920.SS452.99Z203Z.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><span style="text-decoration:underline;">G r ü n d e</span></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat die Betroffene durch Urteil vom 01.02.1999 in Abwesenheit wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit nach §§ 1 Abs. 2, 9 Abs. 5 StVO zu einer Geldbuße von 120,00 DM verurteilt. Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">"Die Betroffene befuhr am 02.07.1998 um 19.45 Uhr mit ihrem Pkw Taxi Mercedes, amtl. Kennzeichen x-xx xxx, in Köln die M. Straße. In Höhe des Hauses Nr. x hielt sie rechts kurz an und wendete dann ihr Fahrzeug. Dabei übersah sie den von hinten kommenden Zeugen S., der mit seinem Kleinkraftrad gerade die rechts haltende Betroffene überholen wollte, wozu er ordnungsgemäß den Blinker gesetzt hatte, als diese plötzlich zum Wenden nach links herüberzog. Dabei kam es zu Zusammenstoß beider Fahrzeuge."</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 03.02.1999 - am 05.02.1999 beim Amtsgericht eingegangen - hat die Betroffene Zulassung der Rechtsbeschwerde und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Hauptverhandlung beantragt. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist mittlerweile rechtskräftig verworfen. Das angefochtene Urteil ist dem Verteidiger am 02.03.1999 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 07.06.1999 - am gleichen Tag bei Gericht eingegangen - hat der Verteidiger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Begründungsfrist beantragt, die Fristversäumung mit Büroversehen entschuldigt und den Zulassungsantrag mit der Verletzung </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">formellen und materiellen Rechts begründet. Zur Verfahrensrüge hat er unter anderem folgendes ausgeführt: </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">"Es liegt ein Verfahrensfehler vor, der sich als Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellt . Zum Hauptverhandlungstermin vom 01.02.1999 war die Betroffene nicht erschienen, weil sie erkrankt war. Hierüber informierte der Verteidiger auch das Gericht. Er erklärte, daß die Betroffene nicht erscheinen könne, da sie ihre Wohnung wegen eines grippalen Infektes nicht verlassen könne.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">Gleichzeitig stellte der Verteidiger folgenden Antrag:</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">"In der Bußgeldsache gegen Breidt wird beantragt, die Hauptverhandlung auszusetzen. Die Betroffene ist nach dem Kenntnisstand des Unterzeichners schwerwiegend erkrankt, wie sein Büro heute morgen telefonisch mitgeteilt hat: danach leidet die Betroffene an einem schweren grippalen Infekt, der es ihr - zumindest - unmöglich macht, ihre Wohnung zu verlassen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">Hilfsweise wird beantragt, die Betroffene von der Anwesenheitspflicht zu entbinden: der Verteidiger wird sich äußern, die Betroffene dagegen nicht."</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">Hierauf erging folgender <span style="text-decoration:underline;">Gerichtsbeschluss:</span></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">"Die Betroffene wird von ihrem persönlichen Erscheinen entbunden."</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">Anschließend gab der Verteidiger eine Äußerung ab. Wiederum im Anschluss hieran wurde der Zeuge S. vernommen. Dabei ergaben sich erhebliche Schwierigkeiten bezüglich des Geschehensablaufes, weil der Zeuge S. Dinge bekundete, zu denen der Verteidiger nicht Stellung nehmen konnte. Der Verteidiger stellte deshalb den Antrag, die Hauptverhandlung auszusetzen, hilfsweise sie zu unterbrechen. Es handelt sich um den Antrag, der im Protokoll als "Beweisantrag - Anlage zum Protokoll II" bezeichnet wird. Dieser Antrag hat folgenden Wortlaut:</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">"In der Bußgeldsache gegen Breidt wird nunmehr beantragt, die Hauptverhandlung auszusetzen (hilfsweise: sie zu unterbrechen), um der Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zur Sache zu äußern. Die Betroffene will sich insbesondere zu der Aussage des Zeugen S. äußern, sie widerlegen und das Gericht davon überzeugen, dass der Zeuge entgegen seinen heutigen Angaben mit hohem Tempo um die Kurve kam und in die Mengenicherstraße hineinfuhr, dass er für die Betroffene nicht sichtbar war und auf der linken Seite der M.straße fuhr und dass sich der Unfall unmittelbar hinter dem Beginn der M.straße ereignet hat."</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">Dieser Antrag ist mit folgendem <span style="text-decoration:underline;">Gerichtsbeschluss</span> zurückgewiesen worden:</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">"Der Beweisantrag wird zurückgewiesen, da nach Auffassung des Gerichts der Sachverhalt ausreichend geklärt ist und die Betroffene ausdrücklich erklärt hat, dass ohne ihr Erscheinen verhandelt wird."</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">Im Anschluss hieran ist das Urteil verkündet worden."</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist ist der Betroffenen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da nach dem Vorbringen ihres Verteidigers die Fristversäumung auf einem Versehen im Büro des Verteidigers zurückzuführen ist, das der Betroffenen nicht zum Vorwurf gemacht werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der damit zulässige Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Da im angefochtenen Urteil nur eine Geldbuße von 120,00 DM festgesetzt worden ist, könnte die Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 1 u. 2 OWiG nur zugelassen werden, wenn es geboten wäre, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Ein solcher Fall liegt nicht vor. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Materiell-rechtlich wirft das angefochtene Urteil keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Das Urteil ist auch nicht - was schon im Zulassungsverfahren zu prüfen ist (Senatsentscheidungen NZV 1998, 476 = VRS 95, 383; NZV 1999, 264 = VRS 96, 451) - wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Allerdings ist durch die Behandlung des ersten Aussetzungsantrags das rechtliche Gehör der Betroffenen verletzt worden. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozeßgrundrecht sicher stellen, dass die erlassene Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (BVerfG NJW 1992, 2811). Das Gericht ist verpflichtet, die Ausführungen von Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG NJW 1996, 2785, 2786; Senatsentscheidungen VRS 94, 123; NZV 1998, 476 = VRS 95, 383; NZV 1999, 264 = VRS 96, 451). </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Nach diesen Grundsätzen hätte das Amtsgericht zunächst den primär gestellten Aussetzungsantrag bescheiden müssen. Über einen Aussetzungsantrag des Verteidigers, der in der Hauptverhandlung wegen der Verhinderung eines Betroffenen gestellt wird, ist durch begründeten Beschluss zu entscheiden, damit der Verteidiger zur Frage der genügenden Entschuldigung noch Ausführungen machen kann (BayObLG bei Göhler NStZ 1988, 66; Göhler OWiG, 12. Aufl., § 73 Rdnr 19). Dabei ist vom Amtsgericht zu beachten, dass der Betroffene ein Anwesenheitsrecht hat und die Hauptverhandlung bei entschuldigtem Ausbleiben des Betroffenen nicht durchgeführt werden darf, und zwar auch dann nicht, wenn der Betroffene durch ein Verteidiger vertreten ist, es sei denn, dass dieser sich gleichwohl mit einer Verhandlung in Abwesenheit des Betroffenen einverstanden erklärt (Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 73 Rdnr 19). Das Anwesenheitsrecht des Betroffenen ist durch die Neuregelung der §§ 73, 74 OWiG nicht in Frage gestellt worden (vgl. Göhler a.a.O. § 73 Rdnr 17). Ebensowenig wie ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG bei entschuldigtem Ausbleiben ergehen darf, darf in Abwesenheit des Betroffenen eine Hauptverhandlung durchgeführt werden, wenn er teilnehmen will und ihm ein Erscheinen unmöglich oder unzumutbar ist und er deshalb Terminsverlegung beantragt hat (BayObLG VRS 50, 224; NStZ 1995, 39 = VRS 88, 266; OLG Karlsruhe VRS 59, 450 u. 91, 193). Krankheit entschuldigt das Ausbleiben, wenn sie nach Art und Auswirkung eine Beteiligung an der Hauptverhandlung unzumutbar macht; Verhandlungsunfähigkeit muss nicht vorliegen (OLG Düsseldorf NStZ 1984, 331; OLG Hamm NStZ - RR 1998, 281; Senatsentscheidungen VRS 72, 442, 444; 75, 113; 83, 444, 446; Senatsentscheidung vom 21.04.1998 - SS 108/98). Werden - wie im vorliegendem Fall durch die Mitteilung des Verteidigers, die Betroffene könne wegen eines schweren grippalen Infekts ihre Wohnung nicht verlassen, - schlüssig Umstände vorgetragen, die die Beteiligung der Betroffenen an der Hauptverhandlung nicht zumutbar erscheinen lassen, so hat das Gericht etwaige Zweifel durch Ermittlungen im Freibeweis zu beheben (vgl. BayObLG NJW 1998, 172; 1999, 879; Senatsentscheidungen VRS 71, 371 und NJW 1993, 1345). </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Wird das Anwesenheitsrecht eines Betroffenen verletzt, weil bei entschuldigtem Ausbleiben der Hauptverhandlung zur Sache verhandelt wird, so verstößt diese Verfahrensweise gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (BayObLG NStZ 1995, 39 = VRS 88, 266; OLG Düsseldorf VM 1991 Nr. 117). </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Verletzung des rechtlichen Gehörs führt aber nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, wenn dies auf dem Verfahrensfehler beruht (Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 80 Rdnr 16 b). Im vorliegenden Fall beruht das Urteil nicht auf der Nichtbescheidung des Aussetzungsantrags und der darin liegenden Verletzung des rechtlichen Gehörs der Betroffenen. Es ist anerkannt, dass auch bei einem entschuldigten Ausbleiben die Verhandlung in Abwesenheit durchgeführt werden kann, wenn der anwesende Verteidiger sich damit einverstanden erklärt oder sich rügelos für den Betroffenen zur Sache einlässt (BayObLG VRS 50, 224; NZV 1998, 341 = VRS 95, 103; OLG Düsseldorf VRS 63, 467; NZV 1993, 81 = VRS 84, 42; Göhler a.a.O. § 73 Rdnr 19). </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Dies ist im vorliegenden Fall geschehen. Der Verteidiger hat neben dem Aussetzungsantrag hilfsweise beantragt, die Betroffene von der Anwesenheitspflicht zu entbinden und erklärt, der Verteidiger werde sich zur Sache äußern, die Betroffene selbst werde sich dagegen nicht äußern. Der Verteidiger hat damit eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er im Falle einer Ablehnung des Aussetzungsantrags mit einer Verhandlung in Abwesenheit der Betroffenen nach § 74 Abs. 1 OWiG einverstanden ist. Ob der Hilfsantrag nur aus prozesstaktischen Gründen gestellt wurde, um den Erlass eines Verwerfungsurteils nach § 74 Abs. 2 OWiG zu verhindern, ist ohne Bedeutung, da sich dadurch nichts an der Eindeutigkeit der prozessualen Erklärung ändert. Konsequenterweise hat sich der Verteidiger auch nach eigenem Vorbringen in der Rechtsbeschwerdebegründung nach der Entbindung der Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zur Sache geäußert. Dass er später - nach Vernehmung des Zeugen S. - aus anderen Gründen erneut Aussetzung beantragt hat, ändert nichts daran, dass er zunächst mit einer Abwesenheitsverhandlung einverstanden war. Wegen dieses Einverständnisses ist es auch unerheblich, ob das Amtsgericht möglicherweise rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen einer Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen nach § 73 Abs. 2 OWiG angenommen hat, weil es offenbar diese Befreiung auf die Erklärung des Verteidigers in der Hauptverhandlung gestützt hat, obwohl der Verteidiger vor der Entscheidung über die Entbindung nicht die in § 73 Abs. 2 OWiG geforderten Erklärungen abgeben konnte (vgl. Senatsentscheidung vom 15.04.1999 - Ss 144/99). </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Soweit in der Behandlung des zweiten Aussetzungsantrags eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegen soll, weil es der Betroffenen unmöglich gemacht worden sei, sich zur Aussage des Zeugen S. zu äußern, ist die entsprechende Verfahrensrüge nicht ordnungsgemäß erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Wird die Versagung rechtlichen Gehörs gerügt, muss - zumindest dann, wenn - wie hier - die Rechtsverletzung darin liegen soll, dass einem Betroffenen keine Möglichkeit eingeräumt wurde, sich zu allen entscheidungserheblichen und ihm nachteiligen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern - vorgetragen werden, was im Fall der Gewährung rechtlichen Gehörs geltend gemacht worden wäre (BayObLG NJW 1992, 1907 = VRS 83, 209; VRS 91, 353; NZV 1999, 99 = VRS 96, 18; OLG Düsseldorf VRS 93, 119; NZV 1998, 254; DAR 1999, 275 = VRS 97, 57; OLG Hamm NZV 1999, 220 = VRS 96, 60 u. VRS 97, 142; Senatsentscheidungen NZV 1992, 419 = VRS 83, 367; VRS 87, 207; NZV 1999, 264 = VRS 96, 451). Eine besondere Begründung ist geboten, wenn zunächst zum Ausdruck gebracht worden ist, der Betroffene werde sich zur Sache nicht äußern (OLG Hamm VRS 96, 60). Es bedarf keiner Entscheidung, ob insoweit der Vortrag in der Rechtsbeschwerdebegründung hinreichend bestimmt ist, da das Rechtsbeschwerdevorbringen schon aus anderen Gründen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Nachdem das Amtsgericht die Betroffene auf Antrag ihres Verteidigers von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden hatte, konnte die Hauptverhandlung nach § 74 Abs. 1 OWiG in Abwesenheit der Betroffenen durchgeführt werden. Lässt sich in einem solchen Fall ein Betroffener nach § 73 Abs. 3 OWiG durch einen Verteidiger vertreten, so nimmt dieser für ihn das rechtliche Gehör wahr (Göhler a.a.O. § 74 Rdnr 17; KK - OWiG Senge § 74 Rdnr 18). Nur wenn ein Verteidiger sich außerstande sieht, ohne Rücksprache mit dem Betroffenen eine Stellungnahme abzugeben, kann die Fürsorgepflicht es gebieten, einem Antrag auf Unterbrechung oder Vertagung zu entsprechen (KK - OWiG Senge § 74 Rdnr 18). Eine Versagung rechtlichen Gehörs kann in diesem Fall nur vorliegen, wenn in der Hauptverhandlung - im vorliegenden Fall insbesondere bei der Vernehmung des Zeugen S. - neue Umstände bekannt wurden, mit denen nicht zu rechnen war. Der Rechtsbeschwerdebegründung kann nicht entnommen werden, dass der Zeuge S. in der Hauptverhandlung eine andere Darstellung des Unfalls, in den er und die Betroffene verwickelt waren, gegeben hat als im Ermittlungsverfahren. </p>
|
114,472 | olgk-1999-09-20-16-u-2599 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
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"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 16 U 25/99 | 1999-09-20T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:46 | 2019-02-12T08:36:06 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1999:0920.16U25.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 09.02.1999 - 3 O 457/98 - wie folgt abgeändert und neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 30.000,00 DM zu zahlen
Zug um Zug gegen Herausgabe der Originalurkunde vom 28.06.1996/03.07.1996 über die Vereinbarung zwischen Herrn W. B., Kaufmann, und die Klägerin über die Abtretung des Anspruches auf Zahlung der Garantietantieme von 40.000,00 DM des Herrn W. B. gegen die Beklagte, für Herrn W. B. unter-zeichnet von Herrn K. T.;
im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites einschließlich der Kos-ten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu
27 % und die Beklagte zu 73 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig;
auch in der Sache hat sie zum Teil Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist teilweise begründet, denn die Klägerin hat
gegen die Beklagte lediglich einen Anspruch auf Zahlung von
30.000,00 DM Zug um Zug gegen Herausgabe der
Originalabtretungsurkunde vom 28.06.1996/03.07.1996. Wegen des
weitergehenden Zahlungsanspruches sowie wegen der Zinsforderung war
die Klage hingegen abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung
von 30.000,00 DM aus abgetretenem Recht. Der Senat hat im Ergebnis
keine Zweifel, dass Herr T. als Vertreter des Zedenten W. B. dessen
Garantietantiemeansprüche aus dem Geschäftsführerdienstvertrag vom
30.04.1996 mit der Beklagten wirksam an die Klägerin abgetreten
hat.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Dabei kann dahinstehen, ob sich bereits aus der "Vollmacht" vom
13.06.1996, gegebenenfalls in Verbindung mit dem Schreiben des
Herrn B. an die Klägerin vom 17.06.1996 mit ausreichender
Sicherheit entnehmen lässt, ob Herr B. Herrn T. gem. § 167 BGB
bevollmächtigt hatte, ihn auch persönlich und nicht nur in seiner
Eigenschaft als Geschäftsführer der Firma CEC zu vertreten. Denn
aus dem späteren, von der Beklagten nicht bestrittenen Verhalten
des Herrn B. ist zu schließen, dass B. die Abtretung der
Tantiemeansprüche durch Herrn T. an die Klägerin jedenfalls nach §
177 BGB genehmigt hatte. Eine solche Genehmigung folgt aus der
Übersendung des Geschäftsführervertrages, den die Klägerin mit
Schreiben vom 12.09.1996 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die
Sicherungsabtretungen in der Vereinbarung vom 28.06.1996/03.07.1996
von B. anforderte. Die darauf folgende Übersendung des
Geschäftsführervertrages hatte damit offensichtlich nur den Sinn,
die Pflichten des Herrn B. als Zedenten aus § 402 BGB zu erfüllen.
Ist B. dieser Pflicht indessen widerspruchslos nachgekommen, folgte
daraus weiterhin, dass er mit der Abtretung seiner Forderungen
gegen die Beklagte durch T. einverstanden war. Es kommt deshalb
auch nicht darauf an, ob (nochmals) in dem Schreiben vom
19.09.1996, mit dem B. den Geschäftsführervertrag an die Klägerin
übersandte, eine Genehmigung liegt, so dass das diesbezügliche
Bestreiten der Beklagten unerheblich ist. Jedenfalls aber spricht
nach dem Verhalten des Herrn B. - Übersendung des
Geschäftsführervertrages auf Anforderung der Klägerin unter
Bezugnahme auf die Sicherungsabtretungen - eine Vermutung für sein
Einverständnis mit der Abtretung, so dass es der Beklagten oblegen
hätte, diese Vermutung zu erschüttern.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Auch gegen die Wirksamkeit der Abtretung im Übrigen hat der
Senat keine Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die abgetretene Forderung ist hinreichend bestimmt bzw. als
künftige Forderung bestimmbar. Unter Berücksichtigung des
Sicherungszweckes der Abtretung ist die Abtretung des Anspruches
"auf Zahlung einer Garantietantieme von DM 40.000,00" bei
objektiver Betrachtungsweise dahingehend auszulegen, dass B.
sämtliche künftig fällig werdenden Garantietantiemeansprüche gegen
die Beklagte an die Klägerin abgetreten hatte.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Wirksamkeit der Abtretung steht kein Abtretungsverbot im
Sinne des § 399 2. Alternative BGB entgegen. Zwar kann die
Vereinbarung einer Verschwiegenheitspflicht im Einzelfall ein
konkludentes Abtretungsverbot enthalten (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR
1994, 438f). Für den Regelfall gilt dies jedoch nicht und besondere
Umstände, die hier auf die konkludente Vereinbarung eines
Abtretungsverbotes hinweisen, bestehen nicht. Aus dem Gebot zur
Verschwiegenheit nach § 85 Abs. 1 GmbHG folgt in Verbindung mit §
134 BGB kein Abtretungsverbot, da die Geltendmachung des
abgetretenen Gehaltsanspruches, der auf ein vereinbartes Festgeld
und nicht auf eine erfolgsbezogene Vergütung gerichtet ist,
regelmäßig ohne Rückgriff auf Geschäftsgeheimnisse möglich ist. Es
ist bei dieser Sachlage nicht gerechtfertigt, die Erfüllung der
Informationspflicht nach § 402 BGB zumindest für den typischen Fall
mit der Verpflichtung zur Preisgabe der Schweigepflicht
unterliegender Daten des geschützten Unternehmens gleichzusetzen
und unter diesem Gesichtspunkt Gehaltsansprüche des
GmbH-Geschäftsführers nach § 134 BGB grundsätzlich als unantastbar
anzusehen (vgl. dazu BGH NJW 1996, 2576 f). Eine Ausnahme von
diesem Regelfall besteht hier nicht schon deswegen, weil die
Beklagte und Herr B. die Pflicht zur Verschwiegenheit ausdrücklich
im Vertrag geregelt haben. Die Verschwiegenheitspflicht nach Ziff.
6 des Vertrages geht ihrem Inhalt nach nämlich nicht über das in §
85 Abs. 1 GmbHG normierte Verschwiegenheitsgebot hinaus, so dass,
wenn aus § 85 Abs. 1 GmbHG in der Regel kein gesetzliches Verbot
folgt, aus Ziff. 6 des Vertrages auf ein konkludent vereinbartes
Abtretungsverbot nicht ohne weitere Anhaltspunkte für einen
entsprechenden Willen der Vertragsschließenden geschlossen werden
kann. Ein Abtretungsverbot ist im vorliegenden Fall auch nicht
ausnahmsweise anzunehmen, weil es sich bei der abgetretenen
Forderung um Tantiemeansprüche handelt. Anders als die ebenfalls im
Vertrag zugesagte erfolgsabhängige Tantieme ist der hier
abgetretene Tantiemeanspruch der Höhe nach garantiert. Er ist damit
unabhängig vom Unternehmensgewinn und hängt ebenso wie das
Festgehalt nicht von bestimmten innerbetrieblichen Interna ab, die
der Geheimhaltungspflicht unterliegen könnten. Für die
Garantietantiemeansprüche muss deshalb das Gleiche gelten wie für
den sonstigen (Fest-) Gehaltsanspruch.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Garantietantiemeanspruch des Herrn W. B. gegen die Beklagte
ist für das Jahr 1996 jedoch lediglich in Höhe von 30.000,00 DM
entstanden und nur in diesem Umfange auf die Klägerin übergegangen.
Denn Herr B. war frühestens ab April 1996 bei der Beklagten
beschäftigt, so dass der Garantietantiemeanspruch für dieses Jahr
auch nur anteilig entsprechend der von B. geleisteten Dienstzeit
entstanden ist. Dagegen spricht nicht bereits, dass die Zahlung der
Tantieme in Höhe von 40.000,00 DM garantiert, also anders als die
zusätzlich vereinbarte erfolgsabhängige Tantieme nicht von einem
bestimmten Leistungserfolg abhängig war. Vielmehr gilt mangels
entgegenstehender Anhaltspunkte der Grundsatz, dass eine Tantieme
als Beteiligung am Unternehmensgewinn nur anteilig zu zahlen ist,
wenn der Dienstverpflichtete oder Arbeitnehmer im Laufe des Jahres
ausscheidet (vgl. BAGZ 5, 317; Palandt-Putzo, 58. Aufl. 1999, § 611
Rdnr. 78) bzw. erst im Laufe des Jahres seine Tätigkeit aufnimmt.
Denn stellt die Tantieme eine Art der Beteiligung am
Unternehmensgewinn dar, ist sie grundsätzlich nur für den Zeitraum
gerechtfertigt, in dem der Dienstverpflichtete oder Arbeitnehmer
für diesen Unternehmensgewinn auch verantwortlich ist und an dessen
Erzielung mitwirkt. Anhaltspunkte für eine andere Beurteilung der
hier getroffenen Vereinbarung bestehen nicht. Sowohl die
Garantietantieme als auch die hier zugesagten Jahresfestbezüge in
Höhe von 180.000,00 DM jährlich sind Vergütung im Sinne des § 611
BGB. Da aber die Jahresfestbezüge offenbar nur (zeit-) anteilig
gezahlt wurden, nämlich in gleichen Monatsraten von 15.000,00 DM
und damit insgesamt für 1996 in Höhe von nur 135.000,00 DM, ist im
Sinne der oben genannten Zweifelsregelung davon auszugehen, dass
das Gleiche auch für die weiter zugesagte Vergütung in Form der
Garantietantieme gelten sollte.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Gegen den wirksam von Herrn B. an die Klägerin abgetretenen
Anspruch in Höhe von 30.000,00 DM stehen der Beklagten keine
Einwendungen gem. §§ 404, 407 Abs. 1 BGB zu.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte kann der Klägerin nicht die Nichtigkeit des
Geschäftsführervertrages mit B. gem. § 404 BGB in Verbindung mit §
142 BGB entgegensetzen, denn sie ist für die von der Klägerin
bestrittenen Anfechtung des Dienstvertrages mit B. beweisfällig
geblieben. Angesichts des Bestreitens der gesamten Vorgänge um die
behauptete Anfechtung hätte die Beklagte sich nicht allein auf
Beweisantritte für die behauptete Täuschung beschränken dürfen.
Beweisantritte für die sonstigen Voraussetzungen einer wirksamen
Anfechtung, wie etwa den Zugang der Anfechtungserklärung nach § 143
BGB waren auch nicht im Hinblick auf den weiteren Sachvortrag der
Beklagten entbehrlich. Insbesondere folgt der Zugang der
Anfechtungserklärung nicht daraus, dass die Beklagte und B. noch am
gleichen Tage den Geschäftsführerdienstvertrag vom 30.04.1996
rückwirkend aufgehoben und darüber neue Vereinbarungen getroffen
haben. Denn beide Rechtsgeschäfte bestehen unabhängig voneinander,
wobei der Abschluß eines Aufhebungsvertrages vielmehr noch gegen
eine wirksame Anfechtung sprechen könnte, was hier aus den zuvor
dargelegten Gründen aber nicht weiter aufgeklärt werden muss.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Auch die rückwirkende Aufhebung des Vertrages in der
Vereinbarung vom 16.01.1997 braucht die Klägerin nicht gegen sich
gelten zu lassen. Bei der rückwirkenden Aufhebung handelt es sich
um ein Rechtsgeschäft, dass nach der Abtretung zwischen dem
Schuldner, der Beklagten und dem bisherigen Gläubiger, Herrn B. in
Ansehung der Forderung vorgenommen wurde. Nach § 407 Abs. 1 BGB
muss die Klägerin dieses Rechtsgeschäft nur dann gegen sich gelten
lassen, wenn die Beklagte die Abtretung bei der Vornahme des
Rechtsgeschäftes nicht kannte. Zwar bestehen begründete Zweifel
daran, ob die Klägerin der Beklagten mit dem Schreiben vom
21.12.1996 und der Übersendung einer fragmentarischen Kopie der
Abtretungsurkunde die nötige Kenntnis im Sinne des</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">§ 407 Abs. 1 BGB verschafft hatte (vgl. dazu RGZ 88, 4, 8; BGHZ
102, 68, 74). Selbst wenn aber die Beklagte dadurch in rechtlich
bedeutsamer Weise keine Kenntnis erlangt hatte, ist es ihr
verwehrt, sich auf dieses unzureichende Verhalten der Klägerin zu
berufen. Denn die Beklagte muss sich die Kenntnis ihres
Geschäftsführers B. als einen von mehreren Geschäftsführern und
damit als ihr Vertretungsorgan gem. § 167 Abs. 1 BGB zurechnen
lassen. Dem steht nicht die Anfechtung oder spätere Aufhebung des
Geschäftsführervertrages entgegen, da es sich bei der Kenntnisnahme
um einen tatsächlichen Vorgang handelt, der nicht rückwirkend durch
die Änderung der Vertragsverhältnisse beseitigt werden kann.
Außerdem ist Herr B. durch die Vereinbarung vom 16.01.1997 erneut
rückwirkend zum Geschäftsführer bestellt worden, so dass auch aus
diesem Grunde gegen seine Kenntnis als Vertretungsorgan der
Beklagten keine Bedenken bestehen. Die Beklagte konnte deshalb für
die gesamte Dauer der Beschäftigung B.s als Geschäftsführer nicht
mehr wirksam über die abgetretenen Garantietantiemeansprüche
verfügen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Beklagten steht indessen ein Leistungsverweigerungsrecht
nach § 410 Abs. 1 BGB zu, so dass die Klägerin Zahlung nur Zug um
Zug gegen Herausgabe der Originalabtretungsurkunde verlangen
kann.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Nach Wortlaut, Sinn und Zweck des § 410 Abs. 1 BGB reicht
entgegen der Auffassung des Landgerichts die Herausgabe einer
Fotokopie der Abtretungsurkunde nicht aus; der Meinung des BAG (NJW
1968, 2078 = AP Nr. 3 zu § 398 BGB) folgt der Senat nicht. Die
Vorschrift des § 410 BGB verlangt die <i>Aushändigung</i> einer
Urkunde, d.h. einer verkörperten Gedankenerklärung, die geeignet
und bestimmt ist, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen, und den
Aussteller (§ 126 BGB) erkennen läßt. Das ist bei einer Fotokopie
nicht der Fall, auch wenn das Original vorgelegen hat. Außerdem hat
§ 410 BGB den Zweck, dem Schuldner ein Beweismittel an die Hand zu
geben, um die Rechtsposition, die er nach § 409 BGB erlangt hat,
auch leicht beweisen zu können. Diesem Zweck genügt aber ebenfalls
nur die Aushändigung des Originals (vgl. § 420 ZPO;
Staudinger-Kaduk, 12. Aufl., 1994, § 410 Rdnr. 8 f).</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Unschädlich ist hingegen und steht der Erfüllung der
Herausgabeverpflichtung nicht entgegen, dass die Abtretungsurkunde
nicht von dem Zedenten B., sondern in dessen Vertretung von Herrn
T. unterschrieben worden ist. Die Schriftform, die § 410 BGB
voraussetzt, ist nämlich auch durch die Unterzeichnung des
Schriftstückes durch einen Vertreter gewahrt, wenn sich wie hier
die Vertreterstellung aus der Urkunde selbst ergibt (vgl. RGZ 96,
286, 289; Münchner Kommentar-Fröschler, 3. Aufl., § 126 Rdnr. 21).
Sinn und Zweck des § 410 BGB erfordern ebenfalls nicht, dass der
Zedent die Urkunde selbst unterschrieben hat. § 410 BGB ist
insoweit wiederum im Zusammenhang mit § 409 BGB zu sehen. Die
Vorschrift des § 410 BGB soll für den Schuldner die Rechtswirkungen
des § 409 BGB durch die Verschaffung von Beweismitteln absichern.
Dafür reicht aber auch eine von einem Vertreter unterzeichnete
Originalurkunde aus. Nach § 409 Abs. 1 BGB muss der Zedent die
Abtretung gegen sich gelten lassen, wenn er sie dem Schuldner
angezeigt hat, auch wenn sie nicht erfolgt oder unwirksam ist. Das
Gleiche gilt, wenn der Zessionar dem Schuldner eine von dem
Zedenten ausgestellte Abtretungsurkunde vorlegt. Da sowohl bei der
Abtretung als Rechtsgeschäft als auch bei der Ausstellung der
Urkunde nach § 126 BGB eine Stellvertretung nach allgemeinen Regeln
zulässig ist, ist die Abtretung auch bei Vorlage einer von einem
Stellvertreter für den Zedenten unterzeichneten Abtretungsurkunde
gegenüber dem Altgläubiger als wirksam anzusehen; der Schuldner
wird durch Leistung an den (angeblichen) neuen Gläubiger frei.
Dabei kommt es nach § 409 Abs. 1 BGB nicht darauf an, ob die
Vollmacht überhaupt oder in wirksamer Weise erteilt wurde und die
Abtretung wirksam ist. Ist die Abtretung nämlich tatsächlich nicht
erfolgt oder nichtig (vgl. dazu Staudinger-Kaduk, a.a.O., § 409
Rdnr. 11) oder auch schwebend unwirksam, § 177 BGB, wirkt die
Anzeige durch den Zedenten oder die Vorlegung der Abtretungsurkunde
durch den Zessionar rechtsgestaltend. Durch die Vorlage der
Originalabtretungsurkunde gilt die Abtretung als wirksam erfolgt.
Die Beklagte kann also mit befreiender Wirkung an die Klägerin
leisten; W. B. ist nicht mehr aktiv legitimiert. Zum Schutz der
Beklagten reicht es daher aus, wenn ihr die von dem Vertreter T.
unterzeichnete Originalabtretungsurkunde ausgehändigt wird.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung Zug um Zug gegen
Aushändigung der Originalabtretungsurkunde steht schließlich nicht
entgegen, dass die Klägerin eine Abtretungsurkunde bereits zur
Gerichtsakte gereicht hat. Zur Beseitigung des
Leistungsverweigerungsrechtes der Beklagten nach § 410 BGB ist
vielmehr eine Aushändigung erforderlich. Ein entsprechendes Angebot
der Klägerin im Sinne des § 293 BGB war ihrem Sachvortrag nicht zu
entnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Hingegen hat die Beklagte Zweifel an der Echtheit der von der
Klägerin zur Akte gereichten Urkunde nicht substantiiert dargelegt.
Gemäss § 440 Abs. 2 ZPO besteht für die Echtheit der Urkunde eine
gesetzliche Vermutung (§ 292 ZPO), denn die Echtheit der
Unterschriften ist zwischen den Parteien nicht streitig. Mangels
Vorliegens der Voraussetzungen des § 419 ZPO, denen das Vorbringen
der Beklagten insoweit nicht genügt, hätte die Beklagte sich nicht
darauf beschränken dürfen, die Echtheit der Urkunde zu bestreiten;
sie trägt vielmehr die Last des Gegenbeweises.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Eine Verzinsung des Zahlungsanspruches entfällt wegen der
Einrede des Zurückbehaltungsrechtes.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Dabei war das
weitere Unterliegen der Klägerin wegen der Zug um Zug-Verurteilung
mit einem Wert von 500,00 DM zu bemessen entsprechend dem Aufwand,
der für die Klägerin voraussichtlich mit der tatsächlichen
Herausgabe der Urkunde an die Beklagte verbundenen ist.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet
sich nach §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.</p>
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114,473 | olgk-1999-09-20-16-u-3199 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
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"city": null,
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} | 16 U 31/99 | 1999-09-20T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:46 | 2019-02-12T08:36:06 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1999:0920.16U31.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 18.12.1999 - 3 O 208/98 - wie folgt abgeändert und neugefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 24.030,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11.06.1998 zu zahlen;
im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 10 % und die Beklagte zu 90 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Sie hat jedoch in der Sache nur hinsichtlich des zuerkannten</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mehrwertsteuerbetrages Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet. Insbesondere
ist die Beklagte als Gesellschaft englischen Rechts parteifähig und
zulässigerweise am Sitz ihrer Niederlassung verklagt worden. Die
Beklagte ist auch passivlegitimiert. Der Senat verweist insoweit
zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen
in dem angefochtenen Urteil, gegen die die Beklagte keine Einwände
mehr erhoben hat, und macht sie sich zu eigen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat gegen die Beklagte gem. § 326 Abs. 1 BGB einen
Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 24.030,00 DM.
Zu Recht hat das Landgericht das Vorliegen der Voraussetzungen
dieses Schadensersatzanspruches bejaht.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Durch die Schreiben der Klägerin vom 08.08.1997 und 25.08.1997
ist die Beklagte (in höflicher Form) aufgefordert worden, die
Vorkasse-Rechnung vom 06.06.1997 zu begleichen. Diese Schreiben
genügen den Anforderungen an eine Mahnung im Sinne des § 284 BGB,
so dass die Beklagte mit ihrer Zahlungspflicht in Verzug geraten
war.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 19.12.1997 ist der Beklagten eine Nachfrist
zur Zahlung der 50%-igen Vorkasse bis zum 30.01.1998 gesetzt
worden. Darüber hinaus enthält das Schreiben eine
Ablehnungsandrohung im Sinne des § 326 Abs. 1 BGB durch den Hinweis
auf § 9 AGB der Klägerin und der Geltendmachung von 25 % der
Auftragssumme für den Fall des fruchtlosen Fristablaufes. Auch dies
genügt den Anforderungen des § 326 Abs. 1 BGB. Die
Ablehnungsandrohung muss klar und eindeutig den Willen des
Gläubigers erkennen lassen, nach fruchtlosem Ablauf der Frist die
Erfüllung endgültig abzulehnen und stattdessen die in § 326 Abs. 1
BGB genannten Rechtsfolgen aus dem Verzug des Schuldners
herzuleiten; die Erklärung muss deutlich ersehen lassen, dass der
Gläubiger seinen Erfüllungsanspruch für den Fall nicht
rechtzeitiger Leistung des Schuldners endgültig und unwiderruflich
aufgibt (vgl. Münchener Kommentar-Emmerich, 3. Aufl., § 326 Rdnr.
84). Die Klägerin hat zwar nicht wörtlich und ausdrücklich ihre
Erfüllungsbereitschaft abgelehnt, aber aus dem Hinweis auf § 9 der
AGB und der Forderung nach 25 % der Auftragssumme ergab sich unter
Heranziehung des hier einschlägigen § 9 Ziff. 5 a der AGB auch für
die Beklagte eindeutig, dass die Klägerin am Vertrag nicht mehr
festhalten wollte. Ob § 9 Ziff. 5 a der AGB unwirksam ist, spielt
in diesem Zusammenhang keine Rolle und kann deshalb dahinstehen,
denn für die Ablehnungsandrohung kommt es nur auf den hier
eindeutigen Sinn der Erklärung und den sich daraus ergebenden
Willen des Gläubigers an.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Unerheblich ist darüber hinaus der Einwand der Beklagten im
nachgelassenen Schriftsatz vom 6.9.1999, dass die Klägerin die
Mahnschreiben ihr erst zusammen mit dem Schreiben vom 19.12.1999
übersandt habe. Denn nach allgemeiner Meinung reicht es für die
Entstehung des Schadensersatzanspruches nach § 326 Abs. 1 BGB aus,
dass die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung mit der
verzugsbegründenden Mahnung verbunden wird.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches gem. § 326
Abs. 1 BGB steht ferner nicht entgegen, dass die Klägerin der
Beklagten nochmals die Möglichkeit ergeben hatte, bis zum
31.01.1998 50 % der Auftragssumme auszugleichen. Die Voraussetzung
des § 326 Abs. 1 BGB einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung
soll dem Schuldner gerade die Möglichkeit geben, seinen
vertraglichen Pflichten doch noch nachzukommen, um die Rechtsfolgen
des § 326 Abs. 1 BGB abzuwenden. Die Nachfristsetzung kann deshalb
schon aufgrund der Systematik des § 326 Abs. 1 BGB die zuvor
herbeigeführten Verzugsfolgen nicht beseitigen. Aber auch wenn die
Gewährung einer nochmaligen Zahlungsfrist bis zum 31.01.1998 hier
im konkreten Einzelfall - wie die Beklagte meint - als Angebot
verstanden werden müsse, "durch diese Zahlung das primäre
Schuldverhältnis wieder zu begründen", würde dies die
Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht hindern, da die
Beklagte dieses Angebot durch ihre Nichtzahlung nicht angenommen
hat.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat ihr Wahlrecht bzgl. der Rechtsfolgen des § 326
Abs. 1 BGB dahingehend ausgeübt, dass sie Schadensersatz wegen
Nichterfüllung verlangt. Diesen Schadensersatzanspruch hat die
Klägerin der Höhe nach in nicht zu beanstandender Weise mit
24.030,00 DM netto beziffert. Erhebliche Einwendungen hat die
Beklagte dem nicht entgegengesetzt. Gegen die ordnungsgemäße
Einführung des entsprechenden klägerischen Sachvortrages in das
Verfahren bestehen keine Bedenken. Die konkrete Berechnung ihres
Schadens ist mit Schriftsatz vom 04.11.1998 zwar auf einem
Briefbogen nicht postulationsfähiger Rechtsanwälte erfolgt,
unterschrieben ist der Schriftsatz gleichwohl aber von dem</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin
Rechtsanwalt Liebeskind, so dass die Vorschrift des § 78 Abs. 1 ZPO
nicht verletzt ist. Bis auf die Position Montagekosten hat die
Beklagte im Übrigen gegen die einzelnen Positionen der
Schadensberechnung keine Einwände erhoben. Soweit sie die
Kalkulation mit Nichtwissen bestritten hat, ist dies gem. § 138
Abs. 4 ZPO unzulässig und damit unerheblich, denn die Beklagte wäre
durchaus in der Lage gewesen, die Kalkulation (= Berechnung)
nachzurechnen. Die von der Beklagten bestrittenen eingesparten
Montagekosten schätzt der Senat gem. § 287 ZPO auf die von der
Klägerin angegebenen 4.400,00 DM. Die von der Klägerin für die
Montage angegebene Stundenzahl scheint im Hinblick auf die Größe
der einzubauenden Küche angemessen. Angesetzt hat die Klägerin
insoweit 4 1/2 Arbeitstage für zwei Mitarbeiter. Dagegen bestehen
nach den dem Auftrag vom 28.04.1997/30.04.1997 zu entnehmenden
erforderlichen Montagearbeiten keine Bedenken. Gleiches gilt für
den Stundensatz von 50,00 DM, der ebenfalls gemessen an den
üblichen Kosten einer Facharbeiterstunde nicht zu beanstanden
ist.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Da der von der Klägerin konkret berechnete Schaden in Höhe von
24.030,00 DM bereits über die nach den AGB vereinbarte Pauschale
von 25 % der Auftragssumme liegt, kann hier dahinstehen, ob der
Schaden - in geringerer Höhe - auch nach den AGB der Klägerin
begründet wäre.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Beklagten hat jedoch insoweit Erfolg, als sie
zur Zahlung von Mehrwertsteuer verurteilt worden ist. Die Klägerin
hat keinen Anspruch auf Zahlung von Mehrwertsteuer auf die geltend
gemachte Schadensersatzforderung. Die Leistung von Schadensersatz
wegen Nichterfüllung hat keinen Entgeltcharakter im Sinne des § 1
Umsatzsteuergesetz, so dass dieser Schadensersatzanspruch nicht der
Mehrwertsteuer unterliegt (vgl. BGH NJW 1987, 1690;
Rau/Dürrwächter, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 8 Aufl. 1998, §
1 Rdnr 410; Palandt/Heinrichs, 58. Aufl. 1999, § 325 Rdnr 16).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs.
1, 187 Abs. 1 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr.
10, 711, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Streitwert für das Berufungsverfahren: 26.737,50 DM.</p>
|
114,474 | lagd-1999-09-17-9-13-sa-71899 | {
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} | 9 (13) Sa 718/99 | 1999-09-17T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:46 | 2019-02-12T08:36:06 | Urteil | ECLI:DE:LAGD:1999:0917.9.13SA718.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">T a t b e s t a n d</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten über die Verpflichtung des beklagten Landes, dem Kläger fünf Urlaubstage aus dem Jahre 1996 nachzugewähren.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist seit 1979 bei der B. Universität Gesamthochschule W. angestellt. Er wird in deren Rechenzentrum als Systemprogrammierer beschäftigt. Am 08.10.1996 beantragte er bei dem für die Personalangelegenheiten zuständigen Kanzler, ihn für den Besuch der von der Weiterbildungseinrichtung Forum U. für den 18.11. 22.11.1996 ausgeschriebenen Veranstaltung Sylt Eine Insel in Not von der Arbeit freizustellen. Diese Veranstaltung war als Arbeitnehmerweiterbildung von der Bildungsberatung und Bildungswerbung der Stadt K.in der Broschüre Bildungsurlaubs-Angebote in NRW wie folgt angekündigt:</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer schützt seit mehreren Jahren das größte zusammenhängende Wattengebiet der Erde. Ziel des Seminars ist es, sich einen Überblick über den Lebensraum zu verschaffen und den Zusammenhang zwischen Meeresverschmutzung, Klimaveränderungen und Zerstörung des Wattenmeers begreifbar zu machen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das geplante Programm sah wie folgt aus:</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Sonntag: Anreise</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Montag:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">10.00 10.45 Uhr Begrüßung und Kennenlernen der Teilnehmer/innen</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:54px"> Vorstellung des Seminarverlaufes</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">11.00 12.30 Uhr Entstehung und Geschichte der schleswig-holsteinischen</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:54px"> Nordseeküste, des Wattenmeeres, der Inseln und</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:54px"> Halligen</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">14.00 17.00 Uhr Die Insel Sylt als Teil der schleswig-holsteinischen Geest</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:160px">- Auswirkungen der Umwelteinflüsse auf den Geestkern</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:160px">der Insel</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:160px">- Küstenschutzmaßnahmen im Wandel der Zeit</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:160px">- Nutzen und Kosten der Schutzmaßnahmen</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Dienstag:</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">10.00 12.15 Uhr Einblick in einen Lebensraum</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:160px">- Ökosystem Wattenmeer</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:160px">- Auswirkungen von Umweltbelastung auf dieses</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:142px">System ( schwarze Flecken etc.)</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:160px">- Beispiele des angewandten und pädagogischen Naturschutzes</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:142px">14.00 17.00 Uhr Die Bedeutung des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:160px">- Vergleich mit anderen Nationalparks</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:160px">- Schutzmaßnahmen des Bundes und des Landes für das Wattenmeer</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:160px">- Interessenkonflikte und Gesetzgebung</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:160px">- Entwicklung des Nationalparks</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Mittwoch:</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">10.00 12.15 Uhr Natur- und Kulturgeschichte der Nordfriesischen Inseln</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">14.00 15.30 Uhr Vorbereitung der Fragestunde</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:54px"> Natur-, Umweltschutz und/oder Tourismus </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:160px">- Ausarbeitung von Fragen in Arbeitsgruppen</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">20.00 21-30 Uhr Fragestunde mit Naturschutzexperten/Politiker/</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:54px"> Tourismusexperten</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Donnerstag:</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">09.30 12.30 Uhr Die internationale ökologische Bedeutung des Watten-</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:54px"> meeres für den Vogelzug</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">14.30 16.00 Uhr Geschichtliche Entwicklung des Tourismus und dessen</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:54px"> Auswirkungen auf die Insel</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:54px"> Westerland: Entwicklung eines Dorfes zum Weltbad.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Freitag:</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">10.00 12.15 Uhr Schutzstation Wattenmeer</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:54px"> Nutzung und Gefährdung des Wattenmeeres</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:54px"> und der Nordsee</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:54px"> internationale Bedeutung des Wattenmeeres</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:54px"> Schutzkonzepte und Maßnahmen zum Erhalt</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:54px"> dieses Lebensraumes und deren kritische</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:54px"> Einschätzung</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">13.30 15.00 Uhr Abschlußdiskussion</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:54px"> Probleme des Naturschutzes in unserer Gesellschaft</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:54px"> Erholungsbedürfnis contra Naturschutz</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:54px"> Möglichkeiten jeder/jedes Einzelnen zum Schutze</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:54px"> Natur beizutragen</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:54px"> Seminarauswertungen/Kritik</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Nach Auswertung des Programms lehnte der Kanzler mit Schreiben vom 14.10.1996 eine Freistellung des Klägers ab.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat daraufhin beim Arbeitsgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht haben die Parteien am 12.11.1996 einen Prozessvergleich folgenden Inhalts geschlossen:</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:53px">1. Der Kläger ist berechtigt, in der Zeit vom 18.11. 22.11.96 an der Bildungs-</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:53px">veranstaltung Sylt eine Insel in Not teilzunehmen.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:53px">2. Ob diese Arbeitsbefreiung als Weiterbildung nach dem Arbeitnehmer-</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:53px">weiterbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen von der Beklagten unter</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:53px">Lohnfortzahlung zu tragen ist oder auf den Erholungsurlaub des Klägers</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:53px">anzurechnen ist, soll vom rechtskräftigen Ausgang des Hauptsachever-</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:53px">fahrens abhängig sein.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Mit der am 06.12.1996 zur Hauptsache erhobenen Klage hat der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">festzustellen, dass die Beklagte den Kläger in der Zeit vom</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">18. November bis 22. November 1196 von der Arbeit zum</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung nach</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz für die Bildungs-</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">urlaubsveranstaltung Sylt eine Insel in Not freizustellen hat</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">und der vorbezeichnete Zeitraum nicht auf den tariflichen</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Jahresurlaub des Klägers anzurechnen ist.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Das beklagte Land hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px"> die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Durch Urteil vom 08.04.1997 hat das Arbeitsgericht Wuppertal die Klage des Klägers abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 24.07.1997 13 Sa 775/97 zurückgewiesen und die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen worden. Durch Urteil vom 17.11.1998 hat der 9. Senat des BAG 9 AZR 503/97 das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 24.07.1997 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen. Dabei ist dem Landesarbeitsgericht aufgegeben worden, in der erneuten Berufungsverhandlung die erforderlichen Feststellungen zum didaktischen Konzept sowie zur zeitlichen und sachlichen Ausrichtung der einzelnen Lerneinheiten zu treffen und hiernach ausgehend von dem vom Senat geprägten Begriff zu beurteilen, ob die Veranstaltung der politischen Weiterbildung gedient habe.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Das Forum für P. und i. Begegnung e.V. ist dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers beigetreten. Nachdem der Kläger dem Forum für P. und i.Begegnung e.V. den Streit verkündet hatte, hat das beklagte Land den Antrag auf Zurückweisung des Streithelfers fallen gelassen.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Mit Schriftsatz vom 13.08.1999 erläutert nunmehr der Streithelfer und Streitverkündete des näheren die inhaltliche Ausgestaltung und das didaktische Konzept der Bildungsveranstaltung. Auf den Inhalt dieses Schriftsatzes wird Bezug genommen. Der Kläger macht sich diese Ausführungen zu Eigen.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Der Kläger und der Streitverkündete beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wuppertal vom</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">08.04.1997 8 (4) Ca 5400/96 festzustellen, dass die Beklagte</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">den Kläger in der Zeit vom 18.November bis 22. November 1996</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">von der Arbeit zum Zwecke der beruflichen und politischen</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Weiterbildung nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz für</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Bildungsurlaubsveranstaltung Sylt eine Insel in Not </p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">freizustellen hat und der vorbezeichnete Zeitraum nicht auf den</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">tariflichen Jahresurlaub des Klägers anzurechnen ist.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Das beklagte Land beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Wuppertal vom 08.04.1997 8 (4) Ca 5400/96 zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Das beklagte Land hält an seiner bereits im ersten Rechtszug im Schriftsatz vom 24.02.1997 näher dargestellten Auffassung fest, wonach die vom Kläger besuchte Veranstaltung insgesamt gesehen nicht als politische Weiterbildungsmaßnahme angesehen werden könne.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in beiden Rechtszügen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 08.04.1997 ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">1. Soweit es um die Zulässigkeit der vom Kläger erhobenen Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) geht, wird auf die Ausführungen des 9. Senats des BAG im Urteil vom 17.11.1998 unter I 1 verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">2. Nach den Feststellungen des 9. Senats des BAG (a. a. O.) steht darüber hinaus fest, dass lediglich noch abklärungsbedürftig war, ob die vom Kläger besuchte Veranstaltung entsprechend § 1 Abs. 2 AWG der politischen Weiterbildung gedient hat, während die übrigen anspruchsbegründenden Voraussetzungen für eine Freistellungs- und Entgeltfortzahlungspflicht nach § 1 Abs. 1, § 7 Abs. 1 AWbG vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">a) In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Streithelfers und Streitverkündeten kann davon ausgegangen werden, dass der vom Kläger besuchten Veranstaltung ein ausreichendes didaktisches Konzept im Sinne der Spruchpraxis des 9. Senats des Bundesarbeitsgerichts (24.08.1993 9 AZR 240/90 NZA 1994, 456 = EzA § 7 AWbG Nordrhein-Westfalen Nr. 16 = AP Nr. 9 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW) zugrunde lag.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Zweifelhaft ist jedoch in diesem Zusammenhang, ob die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 24.07.1997 nicht allein deswegen hätte zurückgewiesen werden müssen, weil der Kläger zu einem entsprechenden didaktischen Konzept der Veranstaltung nichts vorgetragen hatte, obwohl vom beklagten Land unter Hinweis auf die Rechtsprechung des 9. Senats des BAG sowohl von der didaktischen als auch von der sachlichen Seite her Bedenken geltend gemacht worden waren. Da der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für Maßnahmen der beruflichen und politischen Weiterbildung von der Arbeit freizustellen hat, muss er auch beurteilen können, ob die anspruchsbegründenden Voraussetzungen für eine Freistellung des Arbeitsnehmers vorliegen. Die zum Teil in der Literatur (vgl. etwa Klevemann, BB 1989, 209 ff.; Schlömp-Röder, AuR 1988, 373 ff.) vertretene Auffassung, dass der Arbeitnehmer vor Inanspruchnahme des Arbeitnehmerweiterbildungsurlaubs nicht verpflichtet wäre, Veranstalter, Thema oder Ort der Bildungsveranstaltung zu nennen und dem Arbeitgeber nur eine nachträgliche Kontrolle der anspruchsbegründenden Voraussetzungen gestattet sei, ist abzulehnen, weil ein derartiger Freistellungsanspruch durch die gesetzliche Regelung nicht mehr gedeckt ist. Diese Bewertung liegt wohl der Entscheidung des 9. Senats des BAG vom 09.05.1995 (- 9 AZR 185/94 - NZA 1996, 256 = AP Nr. 14 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW) zugrunde. Danach muss sich das für die Beurteilung maßgebende Konzept zunächst aus dem vom Veranstalter ausgegebenen Programm und dessen Erklärungen dazu, z. B. in einem Einladungsschreiben, ergeben. Lassen diese Unterlagen nicht erkennen, dass das vom Veranstalter verfasste didaktische Konzept auf eine Verbesserung und Förderung des Verständnisses der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge auf einem oder mehreren politischen Gebieten gerichtet ist, so besteht kein Anspruch auf Freistellung nach § 1 AWbG.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn der Arbeitnehmer darlegt und im Streitfall beweisen kann, dass die Veranstaltung nach einem vom Programm und seiner Erläuterungen abweichenden didaktischen Konzept durchgeführt ist, das den gesetzlichen Voraussetzungen genügt. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer Tatsachen vortragen, aus denen sich die Änderung des bisherigen didaktischen Konzepts ergibt und die den Schluss zulassen, es liege nunmehr ein Konzept zur Vermittlung von Kenntnissen zur politischen Weiterbildung vor. Es soll nicht ausreichen, dass der Arbeitnehmer vorträgt, in einzelnen Lerneinheiten seien Kenntnisse auf dem einen oder anderen politischen Gebiet ermittelt worden.</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Aus dieser grundsätzlichen Bewertung ist zu entnehmen, dass der Arbeitgeber nicht nur vor der Weiterbildungsfreistellung des Arbeitnehmers ersehen muss, ob es sich um eine anerkannte Bildungsveranstaltung handelt, sondern darüber hinaus auch aufgrund der Informationen des Arbeitnehmers eine Beurteilung darüber anstellen kann, ob die Veranstaltung der beruflichen oder politischen Weiterbildung zu dienen bestimmt ist. Zumindest in der prozessualen Auseinandersetzung um die Freistellungsberechtigung ist es dann Sache des Arbeitnehmers, das sachliche und didaktische Konzept der Lerninhalte näher zu konkretisieren, wenn der Arbeitgeber dies wie im vorliegenden Fall bereits im ersten Rechtszuge geschehen mit durchaus beachtlichen Argumenten in Abrede stellt. Die Revisionsentscheidung des 9. Senats des BAG vom 17.11.1998</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">- 9 AZR 503/97 - erweckt den Eindruck, dass es hierauf nicht ankäme, zumal der 9. Senat des BAG davon ausgeht, dass vom Kläger weder das didaktische Konzept noch die zeitliche und sachliche Ausrichtung der einzelnen Lerneinheiten ausreichend vorgetragen worden sind (II 2 der Gründe).</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">b) Bereits aus dem mit der Klageschrift überreichten Programm geht hervor, dass die zeitliche Dimension der vom Kläger besuchten Veranstaltung insgesamt gesehen nicht ausreichen kann, um sie als politische Weiterbildungsmaßnahme im Sinne von § 1 Abs. 2 AWbG qualifizieren zu können. Der 9. Senat des BAG hat offenbar in der Entscheidung vom 17.11.1998 9 AZR 503/97 die auf Blatt 7 und 8 d. A. angegebene Seminarzeit für ausreichend erachtet. Diese Bewertung konnte die Berufungskammer nicht überzeugen. Nur an zwei Tagen belief sich die gesamte Zeit der Veranstaltung auf 5,15 Stunden, während an den weiteren drei Tagen vier Stunden und 30 Minuten bzw. drei Stunden und 45 Minuten nicht überschritten worden sind. In die über fünfstündigen Seminarteile entfielen zudem Exkursionen auf der Insel, die während der Wanderungsphasen keine Wissensvermittlung an die Gruppe zulassen. Abgesehen davon ist nicht mehr nachvollziehbar, ob und inwieweit die Vorbereitung der Fragestunde am Mittwoch und die Fragestunde selbst mit Naturschutzexperten, Politikern und Tourismusexperten politische Bildung vermittelt.</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Das AWbG in NW enthält keine konkrete Vorgabe der täglich zu leistenden Unterrichtsstunden. Im Gegensatz dazu wird in Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz eine mindestens sechsstündige Unterrichtszeit eingefordert. Auch für das Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz NW hat der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts (11.05.1993 9 AZR 289/89 NZA 1993, 990) eine Bildungsveranstaltung dann noch als eine der Arbeitnehmerweiterbildung angesehen, wenn am letzten Tag nur noch 3 1/4 Zeitstunden unterrichtet wurde, an anderen Tagen aber sechs Zeitstunden und mehr zur Weiterbildung genutzt wurden. In diesem Zusammenhang hat der 9. Senat lediglich unbeanstandet gelassen, dass am letzten Tag, der mit der Abreise zusammenfiel, nur noch 3 1/4 Zeitstunden Wissen vermittelt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">Unabhängig davon, dass der Gesetzgeber anders als in anderen Landesgesetzen in Nordrhein-Westfalen keine Zeitvorgaben für die Wissensvermittlung festgeschrieben hat, verdeutlichen die Landesgesetze von Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz, welcher zeitliche Umfang angemessen erscheint, damit eine Bildungsveranstaltung vom Gepräge her der Weiterbildung, nicht aber anderen Zwecken zu dienen bestimmt ist. Nach diesen Maßstäben steht bei der vom Kläger besuchten Veranstaltung nicht die politische Weiterbildung, vielmehr der Freizeitwert im Vordergrund.</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Da der Kläger in der Sache unterlegen ist, fallen ihm die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zur Last. Die Kosten der Nebenintervention hat der Streitverkündete zu tragen.</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Gegen diese Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist für das beklagte Land kein Rechtsmittel gegeben. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat die Berufungskammer erneut die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen. Es bedarf vor allem einer notwendigen Klarstellung für die betriebliche Praxis, ob und welche Informationen dem Arbeitgeber vor seiner Entscheidung über die Freistellung zu einer Bildungsveranstaltung vom Arbeitnehmer zuteil werden müssen, um beurteilen zu</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">können, ob überhaupt ein Freistellungsanspruch besteht. Dies ist deshalb erforderlich, weil es kein Selbstbeurlaubungsrecht des Arbeitnehmers gibt. Darüber hinaus bedarf es der Klarstellung der Darlegungslast des Arbeitnehmers im Rahmen der prozessualen Auseinandersetzung, wenn der Arbeitgeber substantiiert bestreitet, dass Inhalt oder didaktisches Konzept einer besuchten Weiterbildungsveranstaltung den anspruchsbegründenden Voraussetzungen nicht genügt. Schließlich ist zu klären, ob auf der Grundlage des AWbG NW ein zeitliches Mindestmaß an täglichen Unterrichtsstunden nicht unterschritten werden darf bzw. die Gesamtunterrichtszeit ein bestimmtes Maß erreichen muss, um als Weiterbildungsmaßnahme anerkannt werden zu können.</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">IV.</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">Rechtsmittelbelehrung</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil kann von dem Kläger </p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">REVISION</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">Für das beklagte Land ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Die Revision muss</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">innerhalb einer Notfrist von einem Monat</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">Bundesarbeitsgericht,</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">Graf-Bernadotte-Platz 5,</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">34119 Kassel,</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist gleichzeitig oder</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">schriftlich zu begründen.</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">Boewer Dr. Heidorn Baumgarten</p>
|
114,475 | vg-dusseldorf-1999-09-17-15-k-598997 | {
"id": 842,
"name": "Verwaltungsgericht Düsseldorf",
"slug": "vg-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 15 K 5989/97 | 1999-09-17T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:47 | 2019-01-18T16:07:09 | Urteil | ECLI:DE:VGD:1999:0917.15K5989.97.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der am xxxxxxx 1960 geborene Kläger war von 1991 bis 1998
- zuletzt als Akademischer Oberrat in der Stellung eines
Oberarztes - an der xxxxxxxxxxxxxx Klinik der
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxx (xxxxxxxxxxx xxxxxxxxxx)
beschäftigt. Am 18. April 1991 legte er dem Beklagten sein
Gesuch um Zulassung zur Habilitation und Verleihung der Venia
legendi für das Fachgebiet xxxxxxxxxx an der Universität
xxxxxxxxxx vor. Dem Antrag fügte er als Verzeichnis seiner
bisher veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten eine
Aufstellung von Buchbeiträgen und Publikationen in
Zeitschriften bei.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Fakultätsrat der Medizinischen Fakultät der Universität
xxx xxxxxxx (Fakultätsrat) beschloß am 16. Mai 1991 die
Eröffnung des Habilitationsverfahrens. Zugleich wählte er die
Mitglieder der Habilitationskommission und benannte für die
vom Kläger vorgelegte schriftliche Habilitationsleistung zum
Thema "xxxxxxxxxxxxxxxxxx
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx" den Direktor der
xxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxx der Universität
xxxxxxxxxx, Herrn Prof. Dr. xxxxxxxx, als Referenten sowie als
Koreferenten die Profes. Dres. xxxxxx (Universität
xxxxxxxxxxx) und xxxxxxxx (Universität xxxxxxx).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Prof. Dr. xxxxxxxx schloß sein Referat vom 22. Mai 1991 mit
der uneingeschränkten Empfehlung, die Arbeit des Klägers als
Habilitationsleistung anzunehmen. Seine Beurteilung
zusammenfassend führte er unter anderem aus, sie dokumentiere
"in einzigartiger Weise (...) die Synopse aus klinischer
Erfahrung und operativer Notwendigkeit, verbunden mit dem
Einsatz aufwendiger Experimentalstudien im Bereich der
traumatologischen Grundlagenforschung". Die Studie sei
"ausgezeichnet geplant, einwandfrei durchgeführt,
übersichtlich und photographisch gut" festgehalten und erlaube
als anwendungsorientierte Grundlagenforschung "eine Umsetzung
auf klinische Verhältnisse". Prof. Dr. xxxxxxxx empfahl in
seinem Koreferat vom 31. Mai 1991 die Annahme der Arbeit des
Klägers ohne Einschränkung; zur Begründung wies er unter
anderem darauf hin, daß</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">"The author has (...) carried out very extensive,
expensive and time consuming studies on animals. These
studies are very well conducted (...). He has used his
techniques very wisely and the results from this thesis will
no doubt be noted around the world. (...) The author has
documented his experimental techniques and his results very
well (...)".</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Prof. Dr. xxxxxx beurteilte die Schrift des Klägers
ebenfalls als habilitationswürdig. Sein Gutachten vom
8. August 1991 hob unter anderem hervor, der methodische
Ansatz der Arbeit sei "gut gewählt", angesichts der
"erfreulich klein(en) Zahl der Versuchstiere" sei "für einige
Untersuchungen die Anzahl der zur Verfügung stehenden
Transplantate relativ gering (...), so daß statistische
Aussagen entweder nicht oder nur mit Vorbehalt möglich (...)"
seien; dennoch sei aber "die gesamte Versuchsplanung
wohldurchdacht und überlegt" und die " Einbeziehung von
klinischen, makroskopisch-anatomischen und histologisch-
morphologischen Parametern (...) sinnvoll geplant" und durch
biomechanische und mikroangiographische Untersuchungen
abgerundet.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Als Mitglied der Habilitationskommission empfahl auch PD
Dr. xxxxxxx in seinem schriftlichen Votum vom 8. August 1991
die uneingeschränkte Annahme der Arbeit des Klägers als "eine
umfassende tierexperimentelle Untersuchung an 32 xxxxxxxxx",
die "sorgfältig geplant, zielstrebig durchgeführt und
übersichtlich dokumentiert" sei.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Nachdem die Habilitationskommission in ihrer Sitzung vom
11. September 1991 die Annahme der Arbeit des Klägers als
schriftliche Habilitationsleistung beschlossen und der Kläger
seine mündliche Prüfungsleistung erbracht hatte, habilitierte
ihn die Medizinische Fakultät der Universität xxxxxxxxxx
(Fakultät) am 17. Oktober 1991 und verlieh ihm zugleich die
Venia legendi für das Fach xxxxxxxxxx.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Unter dem 3. Mai 1995 übersandte Dr. xxxx, Oberarzt an der
xxxxx xxxxxxxxx Klinik der Universität xxxxxxx, dem Beklagten
ein an den Kläger gerichtetes Schreiben gleichen Datums, in
dem er dem Kläger vorwarf, dieser habe - ohne Hinweis auf die
fremde Urheberschaft - im Jahr 1995 in einem in der
xxxxausgabe des "xxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxx" (xxxx)
erschienenen Aufsatz zum Thema
"xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx" ein
von ihm - Dr. xxxx - stammendes Bild veröffentlicht, das zudem
nicht das zeige, wofür es benannt sei. Mit Schreiben vom
8. Mai 1995 räumte der Kläger gegenüber dem Beklagten ein
doppelten Versehen bei der Veröffentlichung des Bildes ein und
wies darauf hin, daß er zwischenzeitlich die mit einem Hinweis
auf die Fehlveröffentlichung verbundene Publikation eines
nachgereichten Bildes veranlaßt habe. Mit Schreiben vom 17.
Dezember 1995 rügte Prof. Dr. xxxxxx (Universität xxxxxxx)
gegenüber dem Beklagten, daß das als Erratum im xxxxxxxx 1995
in dem xxxx veröffentliche Bild manipuliert sei, weil es sich
zusammensetze aus Details einer von ihm und Dr. xxxx
stammenden elektronenmikroskopischen Aufnahme sowie einer
früheren Aufnahme des Klägers.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Unter dem 14. Mai 1996 wandte sich der Beklagte an den
Vorsitzenden der Ständigen Habilitationskommission der
Fakultät. Er bat um Prüfung der Frage, ob dem Kläger
Habilitation und Venia legendi zu entziehen seien, und um
Vorbereitung einer gegebenenfalls für erforderlich gehaltenen
Entscheidung des Fakultätsrates. Zur Begründung verwies der
Beklagte auf dem Anschreiben nebst Anlagen beigefügte
Aktenvermerke, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug
genommen wird (Beiakte Heft -BA- 5 S. 535 bis 704), und führte
u. a. aus, nach seinen Vorermittlungen bestehe der Verdacht,
daß der Kläger in wissenschaftlichen Veröffentlichungen eine
Abbildung manipuliert und identische Bilder als Abbildung
unterschiedlicher Präparate ausgewiesen habe; die im xxxx 1995
im xxxx durch ihn publizierten Ergebnisse seiner
wissenschaftlichen Arbeit entbehrten möglicherweise sogar
einer experimentellen Grundlage. Zudem enthalte das mit dem
Habilitationsantrag vorgelegte Schriftenverzeichnis des
Klägers zum großen Teil unrichtige Angaben.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 17. Juni 1996 - auf dessen Inhalt
verwiesen wird (BA 5 S. 747 ff.) - gab die Ständige
Habilitationskommission dem Kläger Gelegenheit, zu den
vorbezeichneten Vorhaltungen ebenso Stellung zu nehmen wie zu
dem Ergebnis der weiter angestellten Ermittlungen.
Diesbezüglich führte die Habilitationskommission aus, die in
der Habilitationsschrift des Klägers mit 32 angegebene Zahl an
Versuchsxxxxxx und die sich aus der Einteilung in Kollektive
von 3, 6 und 12 Monaten mit je 10 xxxxxx ergebende Lebensdauer
der einzelnen Versuchstiere widersprächen den Aufzeichnungen
der Tierversuchsanstalt der Universität xxxxxxxxxx (TVA) über
die ihm für experimentelle Studien zur Verfügung gestellten
Foxhounds und deren Überlebenszeit. Auch liege die in der
Habilitationsschrift genannte Zahl für die hergestellten und
morphometrisch ausgewerteten elektronenmikroskopischen
Aufnahmen über der Zahl der durch das Institut für Pathologie
der Universität xxxxxxxxxx dokumentierten Untersuchungen.
Auffällig sei ferner, daß die in der Habilitationsschrift als
Ergebnis biomechanischer Versuche angegebenen Prozentwerte für
die im Vergleich zu Kontrollpräparaten ermittelte
durchschnittliche Reißfestigkeit der Transplantate identisch
seien mit den Zahlen, die der Kläger in dem in
"xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx, 1990" auf
S. xxx veröffentlichen Abstract
"xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx.
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx(xxx)"
(xxxxxxxxxxxx) publiziert habe. Zudem erwähne der Kläger in
dem Abstract 26 Tierversuche, obwohl nach den Aufzeichnungen
der TVA bis Ende 1989 erst 9 Tierversuche abgeschlossen
gewesen seien. Ebenso spreche der Kläger in seinem in der
Januarausgabe 1995 des xxxx erschienen Aufsatz
"xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
xxx xxxxxxxxxxxxxxxxx" von 30 Tierexperimenten mit bestrahlten
Transplantaten; demgegenüber weise die Dokumentation der TVA
für den Zeitpunkt des Redaktionsschlusses nur drei beendete
Tierversuche auf. Die als Erratum in dem xxxx veröffentlichte
Abbildung sei gefälscht. Außerdem enthielten die weiteren
Veröffentlichungen des Klägers zum Thema
"xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx" mehrfach
Doppelpublikationen, in denen teilweise das Ergebnis von
(angeblichen) Versuchen mit bestrahlten xxxxxxxxxxxx durch
Bilder unbestrahlter Präparate belegt werde. Auch der dort
genannte Umfang der Tierexperimente mit bestrahlten
xxxxxxxxxxxx, die Angaben über die Einteilung in
Versuchskollektive sowie die benannte Zahl an
elektronenmikroskopischen Untersuchungen stünden im
Widerspruch zu den Aufzeichnungen der TVA bzw. des
pathologischen Instituts der Universität xxxxxxxxxx.
Schließlich habe der Kläger unter den durch ihn verfaßten
"xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx" zu dem wissenschaftlichen Beitrag in
der xxxx die Unterschrift von Prof. Dr. xxxxxx als Mitautor
ohne dessen Einverständnis gesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">In seiner Stellungnahme an die Ständige
Habilitationskommission vom 23. Juli 1996 - hinsichtlich der
Einzelheiten und der beigefügten Anlagen wird verwiesen auf
BA 5 S. 760 ff. - wandte der Kläger sich gegen die ihm
gegenüber erhobenen Vorwürfe. In Bezug auf die Beanstandungen
an seiner Habilitationsschrift führte er dabei unter anderem
aus, die Zahl der dort angegebenen Tierversuche könne schon
deshalb nicht mit den Aufzeichnungen der TVA übereinstimmen,
weil er und seine Projektgruppe einen großen Teil der Versuche
und ihrer histologischen Auswertungen in den Tierlaboratorien
des xxxxxxxxxxx in den USA durchgeführt und in der
Habilitationsschrift auch Ergebnisse analoger Experimente
ausgewertet habe, die in den Jahren von 1983 bis 1987 an der
TVA durchgeführt worden seien. Im übrigen sei die
Dokumentation der TVA aber auch lückenhaft und zum Teil
falsch. Nach seinen Aufzeichnungen habe das Institut für
Pathologie der Universität xxxxxxxxxx zumindest 6 Präparate
untersucht; transmissions- und rasterelektronenoptische Bilder
seien aber auch in den Laboratorien des xxxxxxxxxxx gefertigt
worden.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Am 17. September 1996 beschloß die Ständige
Habilitationskommission im wesentlichen aus den bereits in dem
an den Kläger gerichteten Anhörungsschreiben vom 17. Juni 1996
genannten Gründen, dem Fakultätsrat durch den Beklagten die
Entziehung von Habilitation und Venia legendi des Klägers
empfehlen zu lassen; wegen der Einzelheiten wird auf den
Inhalt der an den Beklagten gerichteten Stellungnahme der
Ständigen Habilitationskommission vom 17. September 1996
verwiesen (BA 5 S. 888 ff.).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Nachdem er den Inhalt seiner Stellungnahme vom
23. Juli 1996 bereits schriftlich ergänzt hatte, erläuterte
der Kläger diesen gegenüber Vertretern der Fakultät am
23. Oktober 1996 auch mündlich. Nach dem durch den damaligen
Dekan der Fakultät, Prof. Dr. xxxxxx, und Prof. Dr. xxxxxx,
damals Prodekan, gezeichneten Gesprächsprotokoll
- hinsichtlich der Einzelheiten wird Bezug genommen auf BA 5
S. 959 ff. - gab er dabei unter anderem an, bei Fertigstellung
des xxxxxxxxxxxxx im "August oder Dezember 1989" habe er über
die Reißfestigkeitsdaten aus 12 Tierversuchen verfügen können.
Das Ergebnis dieser experimentellen Studien an 7 bei der TVA
unter der Projektnummer xxxxxxxxxxxxxxx geführten xxxxx sowie
an einem weiteren durch die TVA zur Verfügung gestellten xxxx
und 4 in Laboratorien des xxxxxxxxxxx untersuchten xxxxxx mit
unbestrahlten und durch LAD (ligament augmentation device)
verstärkten (anterior cruciate ligament) ACL-Transplantaten
habe Eingang in seine Habilitationsschrift und die späteren
Publikationen gefunden. Die weiteren im xxxxxxxxxxxx genannten
xxxxx stammten sämtlich aus vor 1988 durchgeführten
Forschungsprojekten. Im xxxxxxxxxx habe man seines Wissens zur
fraglichen Zeit sowohl mit xxxxxx als auch mit xxxxxx
experimentiert; ob er selbst xxxxx oder xxxxxx operiert habe,
könne er nicht sagen, da die Tiere bei den Operationen immer
mit Tüchern abgedeckt gewesen seien. Er habe aber jedenfalls
stets geglaubt, die aus den USA erhaltenen
Reißfestigkeitsdaten resultierten aus Versuchen mit xxxxxx.
Abgesehen davon sei wissenschaftlich belegt, daß sich die
xxxxxxxxxxx von xxxxxx und xxxxxx hinsichtlich ihrer
Reißfestigkeit nicht wesentlich unterschieden.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">In seiner Sitzung vom 24. Oktober 1996 beschloß der
Fakultätsrat in Anwesenheit von 13 seiner Mitglieder - davon 8
aus der Gruppe der Professoren - in geheimer Abstimmung den
"Widerruf" der Habilitation des Klägers mit der Begründung, er
habe diese durch arglistige Täuschung und in wesentlicher
Beziehung unvollständige und irreführende Angaben erwirkt;
zugleich entzog der Fakultätsrat dem Kläger unter Anordnung
der sofortigen Vollziehung dieser Entscheidung die Venia
legendi und führte aus, Widerruf und Rücknahme der
Lehrbefugnis seien geboten, nachdem der Kläger durch sein
Verhalten das in seiner Stellung erforderliche Ansehen und
Vertrauen verletzt und auch die Lehrbefugnis durch arglistige
Täuschung erlangt habe; wegen der weiteren Einzelheiten des
Sitzungsverlaufs wird auf BA 5 S. 976 ff. Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 25. Oktober 1996 teilte der Beklagte dem
Kläger die Beschlüsse des Fakultätsrates mit und fügte die von
ihm zur Begründung herangezogene Stellungnahme der Ständigen
Habilitationskommission vom 17. September 1996 bei. Dort hatte
die Kommission zu dem Verteidigungsvorbringen des Klägers
unter anderem ausgeführt, die Habilitationsschrift könne keine
Ergebnisse von Versuchen enthalten, die in den USA oder vor
1988 in der TVA durchgeführt worden seien. Im xxxxxxxxxx habe
man ausweislich nach dortiger Darstellung seinerzeit
ausschließlich mit xxxxxx experimentiert und im übrigen weder
für den Kläger noch mit ihm Untersuchungen durchgeführt. In
der TVA habe man vor 1988 nur xxxxxxx xxxxx operiert; bei
diesen ohne Beteiligung des Klägers durchgeführten Versuchen
sei aber weder die vom Kläger in der Habilitationsschrift
beschriebene Operationsmethode noch das LAD verstärkte
Transplantat eingesetzt worden. Nach allem enthalte die
Habilitationsschrift erfundene oder gefälschte Daten, die ihr
Ergebnis in Frage stellten.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger Widerspruch und
stellte am 2. November 1996 bei dem erkennenden Gericht einen
Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Zu seiner
Begründung legte er auch die am 14. Januar 1997 an Eides statt
abgegebene Versicherung vor, nach der die in der
Habilitationsschrift genannten Zahlen zutreffend sind und aus
Versuchen an der TVA sowie analogen und teilweise
wissenschaftlich ausgewerteten Versuchen der Laboratorien des
xxxxxxxxxxx resultieren. Das vorläufige Rechtsschutzgesuch
blieb ohne Erfolg (Beschluß vom 11. April 1997
- 15 L 4204/96 -).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 20. Juni 1996 seinen
Widerspruch ergänzend begründet und der Fakultätsrat am
3. Juli 1997 aus den Gründen der entsprechenden Empfehlung der
Ständigen Habilitationskommission vom 27. Juni 1997
beschlossen hatte, den Widerspruch als unbegründet
zurückzuweisen, teilte der Beklagte dem Kläger dieses
Beratungsergebnis durch Bescheid vom 5. Juli 1997 mit. Der
Entscheidung fügte er die Stellungnahme der Ständigen
Habilitationskommission vom 27. Juni 1997 bei, wegen deren
Einzelheiten auf BA 6 S. 1374 ff. verwiesen wird. Zugleich
übermittelte er dem Kläger im Wortlaut die im Protokoll über
die Sitzung vom 3. Juli 1997 festgehaltenen
Ermessenserwägungen des Fakultätsrates, denen zufolge das
öffentliche Interesse an einem Ausschluß ungeeigneter
Lehrpersonen von Forschung und Lehre das Interesse des Klägers
überwiegt, von den Nachteilen verschont zu bleiben, die mit
einer solchen Maßnahme für ihn persönlich und wirtschaftlich
sowie für sein akademisches und berufliches Fortkommen
verbunden sind. Schwere und Wiederholung der über einen
Zeitraum von 6 Jahren nachgewiesenen Täuschungshandlungen
zeigten, daß der Kläger als Wissenschaftler charakterlich
ungeeignet sei.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat am 18. Juli 1997 Klage erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Er macht geltend, die angefochtenen Entscheidungen des
Beklagten seien bereits formell rechtswidrig. Der Fakultätsrat
habe über den Entzug von Habilitation und Venia legendi in
unzutreffender Besetzung befunden. Zur Rücknahme bzw. zum
Widerruf von Lehrbefähigung und Lehrbefugnis sei bereits nach
den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts nur die
Behörde berufen, die die aufzuhebenden Entscheidungen
getroffen habe. Entgegen den damit maßgeblichen Regelungen in
§ 28 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes über die Universitäten des
Landes Nordrhein-Westfalen (UG) und § 15 Abs. 3 der
Habilitationsordnung der Medizinischen Fakultät der
Universität xxxxxxxxxx (HO) habe aber bei der Beschlußfassung
über den Entzug von Habilitation und Venia legendi das
Stimmrecht nicht allen Mitgliedern der Gruppe der Professoren
der Fakultät offen gestanden; für eine Beteiligung der
Studenten und wissenschaftlichen Mitarbeiter an den
Entscheidungen fehle es demgegenüber an einer Rechtsgrundlage.
Rechtlich zu beanstanden sei auch, daß der Fakultätsrat seine
Beschlüsse in geheimer Abstimmung gefaßt habe.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Weiterhin ist der Kläger der Auffassung, die angefochtenen
Regelungen seien auch in der Sache rechtswidrig. Sein
Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren teils vertiefend und
teils erweiternd macht der Kläger unter teilweiser Bezugnahme
auf seinen Vortrag im vorläufigen Rechtsschutzverfahren
- wegen der Einzelheiten wird insoweit Bezug genommen vor
allem auf die dortigen Schriftsätze vom 30. Dezember 1996,
2. und 20. Januar 1997, 24. Februar 1997 und 25. März 1997 -
bezüglich der den Entzug der Habilitation betreffenden
Entscheidung unter anderem geltend , der Fakultätsrat habe
nicht geprüft, ob die ihm vorgeworfenen Täuschungshandlungen
für seine Habilitierung überhaupt ursächlich geworden
seien.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Daß in seine Habilitationsschrift, wenn auch nur in
geringem Umfang, Ergebnisse von Tierversuchen des xxxxxxxxxxx
eingeflossen seien, habe er nicht offengelegt, um dem
unzutreffenden Eindruck vorzubeugen, im Auftrag dieses
pharmazeutischen Unternehmens Forschung mit dem Ziel der
Produktförderung (LAD) betrieben zu haben -L 185-. Die ihm aus
den USA übermittelten Daten habe er in Beziehung gesetzt zu
eigenen und in der Literatur veröffentlichten
Forschungsergebnissen. Damit seien die bei xx gewonnenen
Erkenntnisse wissenschaftlich ausgewertet in die
Habilitationsschrift eingegangen -L 185-. Dies gelte auch für
die Untersuchung von Präparaten, die er aus den USA erhalten
habe K und für die Resultate dort angestellter
histologischer und elektronenmikroskopischer Untersuchungen
von Proben, die er zwecks Auswertung in die USA versandt habe
K. Die in der Habilitationsschrift dargestellten Versuche
zur Bestimmung der Reißfestigkeit seien indes sämtlich an der
Universität xxxxxxxxxx durchgeführt worden K.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Entgegen seiner ursprünglichen Darstellung habe er die in
dem xxx xxxxxxxx veröffentlichten Versuchsergebnisse nach
August 1989 nicht mehr korrigiert -L 183-. Er sei bemüht, die
Übereinstimmung der dort genannten Prozentzahlen mit den in
der Habilitationsschrift publizierten Werten weiter
aufzuklären, könne aber diesbezüglich ein Versehen seinerseits
nicht ausschließen -L 186-. Der um den Faktor 2 erhöhte Wert
der im xxxxxxxxxxxx genannten Reißfestigkeitsdaten beruhe
jedenfalls auf einem zunächst unerkannt gebliebenen
Maßstabablesefehler -L 64 f.-. In dem xxxxxxxxxxxx habe er
verwertet das Ergebnis der ersten xxxxxxxxxxxx Versuchsreihe
an 20 nichtaugmentierten Tieren, die Ergebnisse von Versuchen
mit Extremitäten, die aus anderen, damals begleitend
durchgeführten Experimenten stammten, das Resultat des
Versuchs mit dem TVA-xxxx xxxxx und einem weiteren xxxx aus
dem Projekt xxxxxxxxxxxxxxx sowie das aus den USA erhaltene
Ergebnis von wohl 4 Tierversuchen, die im xxxxxxxxxx
durchgeführt worden seien K. Insgesamt habe man an 31 von
32 dem Projekt xxxxxxxxxxxxxxx zuzuordnenden Tieren
knochengestielte xxxxxxxxxtransplantationen mit LAD-
Augmentation vorgenommen K.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">die Bescheide des Beklagten vom 25. Oktober 1996
und vom 5. Juli 1997 aufzuheben,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">hilfsweise</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">die in den Schriftsätzen zur Begründung der
Klage vom 20. November 1997 und 18. Juni 1998
angeregten Beweise zu erheben.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Er ist der Auffassung, die angefochtenen Bescheide seien
formell rechtmäßig. Die Ausführungen im Verwaltungsverfahren
und im gerichtlichen Eilverfahren vertiefend macht der
Beklagte weiter unter anderem geltend, der Fakultätsrat habe
in der durch die anzuwendende Regelung des § 28 Abs. 4
Satz 2 UG vorgeschriebenen Zusammensetzung über den Entzug von
Habilitation und Venia legendi entschieden. Anders als die
Feststellung der Lehrbefähigung und die Erteilung der
Lehrbefugnis trage die Entscheidung über den Entzug von
Habilitation und Venia legendi nicht den Charakter einer
Prüfungsentscheidung; Täuschungshandlungen sowie unrichtige
oder irreführende Angaben ließen sich ebenso ohne besonderen
fachwissenschaftlichen Sachverstand feststellen, wie deren
Ursächlichkeit für eine Habilitierung. Bereits durch die
dolose Vorlage einer den Anforderungen der Fakultät nur
teilweise entsprechenden Publikationsliste habe der Kläger
sich als für eine Habilitierung unwürdig erwiesen; nichts
anderes gelte im Hinblick auf die Vorlage der nicht auf der
behaupteten experimentellen Grundlage beruhenden
Habilitationsschrift K 56 f..</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes
wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen
Verwaltungsgänge sowie den Inhalt der Gerichtsakten des
vorliegenden Verfahrens und des Verfahrens 15 L 4204/96.
</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Das Rubrum war nach § 88 VwGO von Amts wegen gemäß den
§§ 78 Abs. 1 Ziffer 2 VwGO i. V. m. § 5 Abs. 2 AG VwGO NW auf
den Beklagten umzustellen, nachdem dieser die angefochtenen
Bescheide entsprechend der sich aus § 27 Abs. 1 Satz 4 UG für
ihn ergebenden Befugnis erlassen hat, Beschlüsse des
Fachbereichs(Fakultäts)rates auszuführen,</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">vgl. hierzu für den Fall der Rücknahme einer Lehrbefugnis:
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
(OVG NW), Urteil vom 20. Dezember 1991 - 15 A 77/89 -,
Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (NWVBl.) 1992,
S. 212 ff.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Klage hat keinen Erfolg; sie ist zwar als
Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft und auch
im übrigen zulässig, in der Sache aber nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Bescheide des Beklagten vom 25. Oktober 1996 und
5. Juli 1997 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in
eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO); Entziehung von
Habilitation und Venia legendi begegnen keinen im Ergebnis
rechtlich durchgreifenden Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Der Entzug der Habilitation ist allerdings nur gestützt auf
§ 48 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 VwVfG NW rechtmäßig; die insoweit
in den angefochtenen Bescheiden als spezielle
Ermächtigungsgrundlage (§ 1 Abs. 1 VwVfG NW) herangezogene
Vorschrift des § 14 Abs. 2 HO in der hier maßgeblichen Fassung
von Februar 1996 deckt die getroffene Entscheidung nicht.
Unschädlich ist zwar, daß mit ihr - anders als in § 14
Abs. 2 HO und den angegriffenen Bescheiden formuliert - die
durch Verwaltungsakt getroffene Feststellung der
Lehrbefähigung des Klägers in der Sache nicht widerrufen,
sondern - entsprechend dem verwaltungsrechtlich die Aufhebung
rechtswidriger Verwaltungsakte kennzeichnenden
Sprachgebrauch - als anfänglich rechtswidrig mit Wirkung ex
tunc zurückgenommen worden ist. Für die Rücknahme einer
Habilitation bietet § 14 Abs. 2 HO aber keine hinreichende
Rechtsgrundlage. Die Satzungsvorschrift ist mangels einer zum
Erlaß solcher Regelungen ermächtigenden gesetzlichen Grundlage
nichtig.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Aufhebung einer Habilitationsentscheidung bedarf nach
dem verfassungsrechtlichen Grundsatz vom Vorbehalt des
Gesetzes einer gesetzlichen Ermächtigung, weil sie in die
durch Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte
Berufsfreiheit eingreift. Sie entzieht dem Betroffenen nämlich
eine Rechtsstellung, der mit der Feststellung der Befähigung,
ein wissenschaftliches Fach in Forschung und Lehre selbständig
zu vertreten (§ 95 Abs. 1 UG), berufseröffnende Bedeutung
zukommt,</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom
16. März 1994 - 6 C 1/93 -, Neue Zeitschrift für
Verwaltungsrecht (NVwZ) 1994, S. 1209 ff (S. 1210).</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Den Erlaß von Satzungsbestimmungen über die Rücknahme einer
Habilitation erlaubt die hier aus dem Universitätsgesetz
einzig als Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommende
Vorschrift des § 95 Abs. 5 UG nicht. Danach regelt "Das Nähere
(...) die Habilitationsordnung, die der Senat auf Vorschlag
des Fachbereichs durch Satzung erläßt." Nach Wortlaut, Sinn
und Zweck sowie nach der systematischen Stellung dieser
Bestimmung ermächtigt sie allein zum Erlaß solcher Regelungen,
die das auf eine Habilitierung ausgerichtete und
prüfungsrechtlichen Charakter tragende</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 16. März 1994, a. a. O., vom
22. Februar 1974 - VII C 9.71 -, Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) Band 45 S. 39 ff. (48 f.)
sowie Urteil vom 28. März 1963 - VIII C 57.62 -, BVerwGE 16,
S. 50 ff. (51); Lennartz in Denninger, Hochschulrahmengesetz,
Kommentar, 1984, zu § 15, Rdnr. 12; Waldeyer in Hailbronner,
Kommentar zum Hochschulrahmengesetz, Ordner 1, Stand:
Juni 1999 (Hailbronner), zu § 15 Rdnr. 11.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Verfahren betreffen. Soweit § 95 Abs. 5 UG nämlich die
Befugnis delegiert, das "Nähere" zu regeln, nimmt die
Vorschrift Bezug auf die vorhergehenden Absätze des § 95 UG
und meint damit die Ausgestaltung des Verfahrens, das dem
förmlichen Nachweis der Befähigung dient, ein Fach in
Forschung und Lehre selbständig zu vertreten (§ 95 Abs. 1 UG).
Die Ermächtigungsnorm deckt folglich allein
Satzungsbestimmungen, die Anforderungen an die Zulassung zum
Habilitationsverfahren (§ 95 Abs. 2 UG) und die zu erbringende
Habilitationsleistung (§ 95 Abs. 3 UG) enthalten sowie solche,
die den Prüfungsablauf (§ 95 Abs. 4 UG) im einzelnen
betreffen. Zu diesem Prüfungsverfahren zählt aber die
Rücknahme einer Habilitation mit dem ihr vorgeschalteten
Verwaltungsverfahren nicht. Abgesehen davon, daß eine solche
Verwaltungsentscheidung bereits begrifflich eine Habilitierung
voraussetzt und sich damit nur an ein abgeschlossenes
Habilitationsverfahren anschließen kann, fehlt dem ihr
zugrunde liegenden Verfahren auch der prüfungsrechtliche
Charakter. Es dient entgegen der Auffassung des Klägers gerade
nicht der Feststellung, ob in der Person des Habilitierten aus
fachlicher Sicht die Voraussetzungen der Lehrbefähigung jemals
erfüllt waren oder noch gegeben sind. Das Rücknahmeverfahren
ist vielmehr auf die Prüfung und Entscheidung der Frage
ausgerichtet, ob der Nachweis einer (vermeintlich oder
tatsächlich vorhandenen) Lehrbefähigung auf rechtlich zu
mißbilligende Art und Weise erbracht ist und deshalb nicht
aufrecht erhalten bleiben kann. Dieses Verdikt setzt, auch
wenn sich Täuschungshandlungen oder Ähnliches nebst ihrer
Kausalität unter Umständen nur mit Hilfe von Fachverstand
erkennen lassen, keine fachwissenschaftliche Beurteilung der
erbrachten Prüfungsleistung voraus.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Obwohl der Beklagte seine Rücknahmeentscheidung damit auf
eine fehlerhafte Rechtsgrundlage stützt, hat sie rechtlich
Bestand. Gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO sind nur solche
angefochtenen Regelungen aufzuheben, die in der Rechtsordnung
keine Entsprechung finden. Damit schließt die
Rechtmäßigkeitsprüfung durch das Gericht auch andere als die
von Behörde benannten Rechtsgrundlagen ein, wenn und soweit
aus Sicht dieser anderen Rechtsgründe an dem angegriffenen
Verwaltungsakt nichts Wesentliches geändert werden muß,</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1994 - 8 C 14.92 -,
BVerwGE 95 S. 176 ff. (183 f.), Urteil vom 30. Juni 1989
- 4 C 40.88 -, BVerwGE 82 S. 185 ff. (188 f.), Urteil vom
19. August 1988 - 8 C 29.87 - BVerwGE 80 S. 96 ff. (98) und
Urteil vom 27. Januar 1982 - 8 C 12/81 -, BVerwGE 64,
S. 356 ff. (357 f.).</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Dies ist in Bezug auf § 48 Abs. 1 VwVfG NW der Fall. Die
dortige - und hier gemäß § 2 Abs. 3 Ziff. 3 S. 1 VwVfG NW
anwendbare - Regelung erlaubt ebenso wie die rechtswidrig
durch den Beklagten angewandte Vorschrift des § 14 Abs. 2 HO
die Rücknahme von Prüfungsentscheidungen, die auf rechtlich zu
mißbilligende Weise erlangt und damit rechtsfehlerhaft sind.
Entspricht damit die angefochtene Rücknahmeentscheidung nach
Zweck und Tenor der Regelung § 48 Abs. 1 VwVfG NW, steht dem
Rückgriff auf diese Norm auch nicht entgegen, daß § 48 Abs. 1
VwVfG NW anders als die ihrem Wortlaut nach gebundene
Vorschrift des § 14 Abs. 2 HO als Ermessensnorm ausgestaltet
ist. Denn ausweislich des hier für die Rechtskontrolle
maßgeblichen Widerspruchsbescheides des Beklagten hat der
Fakultätsrat die für und wider eine Rücknahme der Habilitation
sprechenden Gründe gegeneinander abgewogen und damit Ermessen
ausgeübt.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Gemessen an den Voraussetzungen des § 48 VwVfG NW ist die
Rücknahme der Habilitation rechtlich nicht zu beanstanden. Die
Entscheidung ist formell ordnungsgemäß zustande gekommen.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Zu Recht hat über die Rücknahme der Habilitation der gemäß
den §§ 28 Abs. 1 S. 1, 95 Abs. 4 UG hochschulintern
zuständige,</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">OVG NW, Urteil vom 20. Dezember 1992, a.a.O., (214)</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Fakultätsrat in der sich aus § 12 Abs. 3 S. 1 der Satzung
zur Neufassung der Grundordnung der Universität xxxxxxxxxx
i. V. m. § 28 Abs. 2 S.1 und S. 2 UG ergebenden Besetzung
entschieden. Entgegen der Auffassung des Klägers waren an
Beratung und Beschlußfassung in dieser Angelegenheit die
übrigen Professoren und habilitierten Mitglieder der Fakultät
nicht gemäß § 28 Abs. 4 S. 2 UG zu beteiligen. Die Rücknahme
der Habilitation ist keine "Beschlußfassung über eine
Habilitation" i. S. dieser Norm.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">§ 28 Abs. 4 S. 2 UG entspricht den Vorgaben der
(zwischenzeitlich weggefallenen bzw. geänderten) §§ 38 Abs. 5
S. 1, 15 Abs. 4 des Hochschulrahmengesetzes (HRG [a. F.]) in
der hier noch maßgeblichen, zuletzt durch Gesetz vom
20. Mai 1994 (BGBl. I S. 1078) geänderten Fassung der
Bekanntmachung vom 9. April 1987 (BGBl. I S.1170), nach denen
für die Durchführung von Habilitationsverfahren allen
Professoren des Fachbereichs Mitwirkungsrechte einzuräumen
sind, soweit sie die durch die Prüfung festzustellende
Qualifikation besitzen; diese Vorschriften tragen damit
zugleich der aus Art. 5 Abs. 3 GG folgenden Verantwortung der
Gesamtheit der Professoren eines Fachbereichs für den Erhalt
der dortigen Qualität von Forschung und Lehre Rechnung,</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">BVerwG Urteil vom 16. März 1994, a.a.O., (1210).</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">In den damit nach Wortlaut, Sinn und Zweck auf die
Beurteilung der fachlichen Qualifikation zugeschnittenen
Anwendungsbereich des § 28 Abs. 4 S. 2 UG fällt die Rücknahme
einer Habilitation nicht, weil diese Entscheidung - wie oben
ausgeführt - gerade nicht die Beurteilung der
Fachqualifikation des Habilitierten betrifft und damit nicht
der prüfungsrechtlichen Verantwortung der Professoren eines
Fachbereichs für eine qualifizierte wissenschaftliche
Forschung und Lehre unterfällt.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Offen bleiben kann demgegenüber, ob Vertreter der Gruppe
der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter im Fakultätsrat (§ 28
Abs. 2 S. 1 Ziffer 6 UG) zu Recht nicht nur an der Beratung
über die Rücknahme der Habilitation, sondern auch ohne Verstoß
gegen die § 38 Abs. 4 S. 2 HRG [a. F] umsetzende Vorschrift
des § 14 Abs. 1 S. 1 UG an der die Beratung abschließenden
Beschlußfassung mitwirken durften. Nach der genannten Norm
wirken nichtwissenschaftliche Mitarbeiter einer Hochschule an
solchen Entscheidungen nur beratend mit, die Forschung,
künstlerische Entwicklungsvorhaben, Lehre oder die Berufung
von Professor(inn)en unmittelbar berühren. Eine in diesem
Sinne wissenschaftsrelevante Angelegenheit,</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 29. Mai 1973 - 1 BvR
424/71 und 325/72 - Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) Band 35, S. 80 ff.
(123 ff.); Hailbronner in Hailbronner, zu § 38 Rdnr. 81;
Leuze in Leuze/Bender, Gesetz über die Universitäten des
Landes Nordrhein-Westfalen, Kommentar, Stand: Dezember 1998,
zu § 14 Rdnr. 2, 4 f. und 7,</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">dürfte die Entscheidung über die Rücknahme einer
Habilitation nicht betreffen, wenngleich sie Konsequenzen für
Forschung und Lehre an einer Hochschule haben kann und im Fall
des zwischenzeitlich an der Universität xxxxxxxxxx nicht mehr
in Forschung und Lehre tätigen Klägers auch nach sich gezogen
hat. Da die Rücknahmeentscheidung keine (erneute)
fachwissenschaftliche Beurteilung der für eine Habilitation
nach § 95 Abs. 1 UG erforderlichen Fähigkeiten voraussetzt,
spricht vieles dafür, daß sie Fragen von Forschung und Lehre
inhaltlich nicht unmittelbar, sondern lediglich mittelbar
dadurch berührt, daß sie sich auf die an der Hochschule
geleistete Forschungsarbeit und das dort vorgehaltene
Lehrangebot tatsächlich auswirkt. Indes bedarf diese
Rechtsfrage hier keiner abschließenden Klärung. Ein in der
Beteiligung von Vertretern der Gruppe der
nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter an der Stimmabgabe etwa
liegender Verfahrensfehler bleibt angesichts des einstimmig
gefaßten Beschlusses jedenfalls rechtsfolgenlos; diesbezüglich
wird zur weiteren Begründung auf die Gründe der Entscheidung
des erkennenden Gerichts im vorläufigen Rechtsschutzverfahren
Bezug genommen,</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Beschluß vom 11. April 1997 - 15 L 4204/96 -, S. 27 f. des
Beschlußabdrucks;</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">die dortigen Ausführungen im Zusammenhang mit der
Entscheidung des Fakultätsrates über den Entzug der Venia
legendi gelten hier sinngemäß.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Auch im übrigen erweist sich das durchlaufene
Verwaltungsverfahren als rechtsfehlerfrei. Daß die Ständige
Habilitationskommission - ein nicht entscheidungsbefugter
Ausschuß des Fakultätsrates i. S. des § 28 Abs. 5 S. 1 UG - im
Vorfeld der Rücknahmeentscheidung mit der Sache befaßt war,
begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Tätigkeit dieses
Gremiums hat sich gemäß der Aufgabenzuweisung in § 20 S. 3
Ziffer 4 HO auf Sachverhaltsermittlungen zur "Vorbereitung des
Widerrufs oder Entzugs der Habilitation oder der Venia
legendi" sowie das Ausarbeiten eines für den Fakultätsrat
bestimmten Entscheidungsvorschlages beschränkt.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Meinung des Klägers ist schließlich auch nicht
zu beanstanden, daß der Fakultätsrat über die Rücknahme der
Habilitation in geheimer Abstimmung entschieden hat. Offen
bleiben kann dabei, ob diese Verfahrensweise nicht schon gemäß
der mit § 40 Abs. 2 S. 3 HRG [a.F.] übereinstimmenden
Vorschrift des § 15 Abs. 3 UG geboten war, weil die Rücknahme
einer Habilitation i. S. dieser Norm als Entscheidung in einer
Personalangelegenheit zu qualifizieren ist,</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">so wohl Hailbronner in Hailbronner, zu § 40 Rdnr. 11.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Denn andernfalls war der Fakultätsrat mangels gesetzlicher
Vorgaben in der Wahl der Modalitäten des Abstimmungsverfahrens
frei. Übergeordnete Rechtsgrundsätze, nach denen die
Entscheidung über die Rücknahme einer Habilitation in offener
Abzustimmung zu treffen ist, sind nicht ersichtlich.
Insbesondere ergibt sich ein solches Gebot nicht aus der
Rechtspflicht, über das Vorliegen der nach § 95 Abs. 1 UG für
die Feststellung der Lehrbefähigung maßgeblichen
Voraussetzungen offen und namentlich abzustimmen,</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">vgl. dazu OVG NW, Urteil vom 16. Januar 1995
- 22 A 969/94 -, S. 13 und S. 30 des Urteilsabdrucks.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Diese Notwendigkeit findet ihre Rechtfertigung in Art. 12
Abs. 1, 3 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG. Danach ist es
verfassungsrechtlich geboten, daß der in Prüfungsverfahren zur
Entscheidung Berufene Verantwortung für die vorgenommene
Bewertung einer Prüfungsleistung übernimmt und die
Prüfungsentscheidung in Bezug auf die Wahrung der ihr
rechtlich gesetzten Grenzen der gerichtlichen Kontrolle
unterliegt. Der Entscheidung über die Rücknahme einer
Habilitation fehlt indes der prüfungsrechtliche Charakter und
damit der für ein Verbot der geheimen Abstimmung rechtlich
maßgebliche Anknüpfungspunkt.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Die nach allem formell rechtmäßige Rücknahmeentscheidung
ist nach Maßgabe des § 48 Abs. 1 VwVfG NW auch inhaltlich
nicht zu beanstanden. Die zu Gunsten des Klägers nach § 95
Abs. 1 UG getroffene Feststellung seiner Befähigung, ein
wissenschaftliches Fach in Forschung und Lehre selbständig zu
vertreten, ist rechtswidrig und ihre Rücknahme frei von
Ermessensfehlern.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Die Habilitierung des Klägers war rechtswidrig. Dabei kann
offen bleiben, ob die Zulassung des Klägers zu dieser Prüfung
rechtswidrig war und sich dieser Umstand, anders als im
Regelfall,</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">vgl. Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2,
3. Auflage 1994, (Niehues) Rdnr. 101.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">auf die Prüfungsentscheidung selbst auswirkt.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat mit der Annahme seiner schriftlichen
Habilitationsleistung (§ 9 Abs. 2 HO) jedenfalls eine der nach
§ 95 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 1 UG für eine Habilitation
rechtlich notwendigen Voraussetzungen und damit zugleich die
Feststellung seiner Lehrbefähigung durch arglistige Täuschung
erwirkt. Eine solche Prüfungsentscheidung ist
rechtsfehlerhaft, weil es ihr mit der durch den Prüfling nicht
ordnungsgemäß erbrachten Prüfungsleistung an der Grundlage
fehlt, die für eine dem prüfungsrechtlichen Gebot der
Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) genügende
Leistungsbewertung erforderlich ist,</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">vgl. Niehues, a. a. O., Rdnr. 143 ff.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Rechtlich unerheblich ist deshalb hier der
wissenschaftliche Wert der Habilitationsschrift und damit die
Frage, ob der Kläger im Zeitpunkt seiner Habilitierung
tatsächlich die beruflich qualifizierende Fähigkeit besessen
hat, an der Medizinischen Fakultät der Universität xxxxxxxxxx
im Fach xxxxxxxxxx selbständig zu lehren und zu forschen (§ 95
Abs. 1 UG i. V. m. § 1 Abs. 1 HO).</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Eine (Prüfungs-)Entscheidung erlangt durch arglistige
Täuschung, wer durch unrichtige Angaben oder Verschweigen von
Tatsachen bei den für die zu treffende Entscheidung maßgeblich
Verantwortlichen einen Irrtum hervorruft oder aufrechterhält
und dabei in dem Bewußtsein handelt oder billigend in Kauf
nimmt, diese zu einer günstigen Entschließung bestimmen zu
können, wenn die genannten Umstände in dem Sinne für die dann
behördlich getroffene Entscheidung ursächlich werden, daß sie
ohne die Täuschung unterblieben oder nicht mit diesem Inhalt
oder nicht zu diesem Zeitpunkt ergangen wäre,</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">OVG NW, Urteil vom 20. Dezember 1991, a. a. O., S. 213
m. w. N. aus der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der nach § 9 Abs. 3
S. 1 HO getroffenen Entscheidung der Habilitationskommission
über die Annahme der schriftlichen Habilitationsleistung des
Klägers erfüllt. Der diese Feststellung tragende Sachverhalt
ergibt sich dabei zur Überzeugung des Gerichts unter
Berücksichtigung des Inhalts der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge bereits aus dem Vorbringen der Beteiligten
im Verwaltungsverfahren sowie zu dem vorläufigen
Rechtsschutzantrag und im vorliegenden Verfahren. Anlaß, den
entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen oder
entsprechend den Beweisantritten des Klägers weiter
aufzuklären, besteht nicht.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Die Beweisanträge des Klägers, die sämtlich nur hilfsweise
gestellt und damit nicht gemäß § 86 Abs. 2 VwGO in der
mündlichen Verhandlung, sondern erst in den Gründen des
Urteils zu bescheiden sind,</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">vgl. Kopp / Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung,
11. Auflage 1998, (Kopp / Schenke), § 86 Rdnr. 19; Eyermann,
Verwaltungsgerichtsordnung, 10. Auflage 1998, (Eyermann),
§ 86 Rdnr. 25,</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">bleiben alle erfolglos. Soweit sie Sachverhalte in Bezug
nehmen, die das mit dem Habilitationsantrag vorgelegte
Schriftenverzeichnis und die nach der Habilitierung
erschienenen Publikationen betreffen, sind die Beweisanträge
ungeachtet der ihnen zum Teil anhaftenden Rechtsmängel
jedenfalls deshalb abzulehnen, weil das Urteil auf diesen
unter Beweis gestellten Umständen nicht beruht. Tatsachen, die
ungeeignet sind, die Entscheidung zu beeinflussen, sind
rechtlich irrelevant; über sie braucht kein Beweis erhoben zu
werden,</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1981, NVwZ 1982, S. 243
(244); Kopp / Schenke, a. a. O., Rdnr. 21; Eyermann,
a. a. O., Rdnr. 38.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Die übrigen Beweisanträge des Klägers sind, soweit sie
nicht schon deshalb abzulehnen sind, weil mit ihnen Umstände
in Bezug genommen werden, die keinen thematischen Zusammenhang
mit entscheidungserheblichen Tatsachen aufweisen, aus den
unten jeweils im Zusammenhang mit den einzelnen Beweisthemen
dargestellten Gründen abzulehnen.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Arglistig getäuscht hat der Kläger über die experimentelle
Grundlage der im Kapitel "3. Ergebnisse" seiner
Habilitationsschrift S. 54 ff als Resultat
tierexperimenteller Studien ausgewiesenen Befunde. Sie beruhen
in wesentlichem Umfang jedenfalls nicht auf den in der Arbeit
in Kapitel "2. Experimenteller Teil" S. 32 ff beschriebenen
Versuchen. Soweit er dies nicht sogar einräumt, hat der Kläger
dem Täuschungsvorwurf Entscheidungserhebliches nicht
entgegengesetzt. Nach seinem Vorbringen, das vielfach und zum
Teil gravierend widersprüchlich und offensichtlich von dem
steten Bemühen geprägt ist, den Sachvortrag immer wieder an
Vorhalte der Gegenseite anzupassen, bleibt die Herkunft einer
Vielzahl von Versuchsergebnissen zwar letztlich unklar. Der
Vortrag rechtfertigt zur Überzeugung der Kammer aber die
Feststellung, daß die in der Habilitationsschrift angeführten
Experimentaldaten entsprechend dem an Beispielen belegten
Kernvorwurf des Beklagten in rechtlich beachtlichem Umfang
nicht unter den dort angeführten Bedingungen ermittelt worden
sind.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Unrichtig ist die Darstellung in der Habilitationsschrift,
nach der die als Ergebnis der biomechanischen Prüfung
ausgewiesenen Daten auf den in der Arbeit beschriebenen
Versuchen beruhen. Soweit der Kläger zur Herkunft dieser Daten
in seiner schriftlichen Stellungnahme an die Ständige
Habilitationskommission vom 23. Juli 1996 angedeutet und in
dem mit Vertretern der Fakultät am 22. Oktober 1996 geführten
Gespräch erklärt hat, die Habilitationsschrift enthalte ebenso
wie das bereits zuvor publizierte xxx xxxxxxxx unter anderem
ihm aus den USA übermittelte Reißfestigkeitsdaten von vier
Tieren des xxxxxxxxxxx, steht dies - wie weiter unten zu
zeigen sein wird - zum Inhalt seiner Arbeit in eklatantem
Widerspruch. Darüber hinaus ist die damalige Behauptung
unzutreffend, daß beiden Publikationen das Ergebnis von
Versuchen zur Reißfestigkeit an Kreuzbändern von sieben
xxxxxxxxx der TVA-Projektnummer xxxxxxxxxxxxxxx zugrunde
liegt. Die im xxxxxxxxxxxx publizierten Daten hatte der Kläger
nämlich bereits schriftlich fixiert, bevor Tierexperimente aus
dem genannten Projekt in der von ihm benannten Zahl
abgeschlossen waren.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Die in dem xxxxxxxxxxxx für die Reißfestigkeit von
xxxxxxxxxxxx genannten Newton-Werte und Prozentangaben
entsprechen denjenigen, die der Kläger in seinem bereits vor
dem 3. Mai 1989 fertiggestellten Manuskript zu diesem Beitrag
festgehalten hat. Entgegen seiner Darstellung in dem Gespräch
vom 22. Oktober 1996 enthielt das Manuskript diese Zahlen
nicht erst seit "August oder Dezember 1989"; anders als im
Eilverfahren mit Schriftsatz vom 30. Dezember 1996 L
ausgeführt, ist das Manuskript in Bezug auf die Versuchsdaten
auch nicht letztmals Ende Dezember 1989 überarbeitet worden.
Bereits am 3. Mai 1989 hatte der Kläger nämlich das Manuskript
zu dem xxxxxxxxxxxx mit den dort später publizierten Newton-
und Prozentwerten Herrn Dr. xxxxxxxxxx vom xxxxxxxxxx in den
USA zur textlichen Überarbeitung zugesandt; dies belegt die
durch Dr. xxxxxxxxxx seinem Schreiben vom 27. Januar 1997 -BA
6 S. 1090- an den damaligen Prodekan der Medizinischen
Fakultät beigefügte Faxkopie -BA 6 S. 1091-. Bis zum
3. Mai 1989 war ausweislich der TVA-Dokumentation über das
Ende der zu dem Projekt xxxxxxxxxxxxxxx gehörigen Versuche -BA
5 S. 725, 866- aber nur der an einem Leberkarzinom leidende
Versuchsxxxx xxxxx eingeschläfert.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Die Richtigkeit der TVA-Aufzeichnungen in diesem Punkt
steht außer Zweifel, selbst wenn entsprechend der Rüge des
Klägers Daten zum Ende einzelner Versuche dort nicht taggenau
protokolliert sein sollten. Seinen zunächst der TVA-
Dokumentation insoweit widersprechenden Sachvortrag hat der
Kläger später aufgegeben bzw. nicht substantiiert aufrecht
erhalten. Den durch Dr. xxxxxxxxxx benannten Tatsachen
Rechnung tragend hat er im vorläufigen Rechtsschutzverfahren
mit Schriftsatz vom 24. Februar 1997 nicht nur eingeräumt, daß
das Manuskript zu dem xxxxxxxxxxxx nach dem 3. Mai 1989
unverändert geblieben ist L 183, sondern auch seinen Vortrag
zur Herkunft der in dem xxxxxxxxxxxx benannten
Reißfestigkeitsdaten modifiziert. Die dortige Darstellung,
nach der das xxxxxxxxxxxx neben der Auswertung der im
xxxxxxxxxx durchgeführten Tierversuche das Ergebnis eines
Versuchs an einem nicht dem Projekt xxxxxxxxxxxxxxx
zuzuordnenden (Ersatz-)xxxx der TVA und das Resultat des im
Rahmen des Projekts xxxxxxxxxxxxxxx bis zum 3. Mai 1989
bereits abgeschlossenen Versuchs L 184 f. enthalte, erkennt
die Richtigkeit der TVA-Aufzeichnungen für den hier fraglichen
Zeitpunkt an. Einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts von
Amts wegen oder einem Beweisantrag folgend bedarf es daher
mangels in diesem Zusammenhang streitiger und zugleich
entscheidungserheblicher Tatsachen nicht.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Entgegen dem im Eilverfahren modifizierten Vorbringen
beinhaltet das xxxxxxxxxxxx aber auch das Ergebnis des aus dem
Projekt xxxxxxxxxxxxxxx in Bezug genommenen Tierversuchs
nicht. Diese Schilderung des Klägers ist vor dem Hintergrund
seiner Behauptung unglaubhaft, daß die dem xxxxxxxxxxxx
zugrunde liegenden Versuchsergebnisse in die
Habilitationsschrift eingegangen sind. Nach der
Habilitationsarbeit ist aber der an einem Leberkarzinom
leidende - und nach der TVA-Dokumentation allein vor dem
3. Mai 1989 eingeschläferte - xxxx gerade aus dem Versuch
genommen worden -S.-.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Ob in dem xxxxxxxxxxxx der Versuch an einem durch die TVA
zur Verfügung gestellten Ersatzxxxx ausgewertet ist, kann hier
letztlich dahinstehen. Gegen diese Behauptung spricht zwar
vieles, nachdem die Leiterin der TVA in ihren Auskünften vom
5. Juni 1996 -BA 5 S. 722- und vom 16. August 1996 -BA 5
S. 861- erläutert hat, daß ein solches Versuchstier in der
TVA-Dokumentation verzeichnet sein müßte, gleichwohl dort aber
nicht zu finden ist. Diese vom Kläger inhaltlich angezweifelte
Darstellung des Sachverhalts bedarf keiner weiteren Prüfung,
weil die Verwertung von Reißfestigkeitstets an xxxxxxxxxxxx
nur eines TVA-Ersatzxxxxxx zugunsten des Klägers als wahr
unterstellt werden kann. Die Darstellung in der
Habilitationsschrift des Klägers bleibt in rechtserheblicher
Weise unrichtig, wenn anstatt der dort angegebenen zehn
xxxxxxxxxtransplantate lediglich eines aus der als in
xxxxxxxxxx durchgeführt beschriebenen Versuchsreihe
stammt.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang beantragt hat,
durch die Vernehmung von Zeugen Beweis zu der Tatsache zu
erheben, "daß die Tierversuchsanlage als Ersatz für zwei
xxxxx, die vorzeitig aus dem Versuch genommen werden mußten,
teilweise aber noch verwertet werden konnten, zwei andere
xxxxx zur Verfügung gestellt hat", ist dieser Antrag
abzulehnen.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Abgesehen von der fehlenden rechtlichen Relevanz der
Verwertung von Ergebnissen aus Versuchen mit einem der Ersatz-
xxxxx ist die unter Beweis gestellte Tatsache auch schon nicht
entscheidungserheblich, weil der Erhalt der xxxxx nichts
darüber besagt, ob diesen Tieren entnommene Transplantate den
in der Habilitationsschrift beschriebenen Reißfestigkeitstets
unterzogen worden sind und deren Ergebnisse in die Arbeit des
Klägers Eingang gefunden haben. Im übrigen ist der
Beweisantrag ferner mangels der erforderlichen Substantiierung
abzulehnen. Unsubstantiierten Beweisanträgen braucht das
Gericht nicht nachzugehen; unsubstantiiert sind dabei neben
Anträgen, die das Beweisthema nicht hinreichend
konkretisieren, auch solche, die dazu dienen sollen, erkennbar
ohne jede tatsächliche Grundlage erhobene oder "aus der Luft
gegriffene" und ohne Auseinandersetzung mit Gegenargumenten
"ins Blaue hinein" aufrecht erhaltene Behauptungen zu
stützen,</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">vgl. etwa BVerwG, Beschluß vom 14. Januar 1998
- 3 B 214.97 -, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Buchholz) 310
§ 86 Abs. 1 Nr. 286 und Beschluß vom 29. März 1995
- 11 B 21.95 -, Buchholz, a. a. O., Nr. 266.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">So liegt der Fall hinsichtlich des behaupteten Erhalts
eines zweiten TVA Ersatz-xxxxxx. Dafür daß Reißfestigkeitstets
an transplantierten xxxxxxxxxxxx eines solchen xxxxxx in das
xxxxxxxxxxxx - und damit in die Habilitationsschrift
eingegangen sind, spricht - wie oben ausgeführt und im
weiteren darzulegen sein wird - schon nach dem eigenen Vortrag
des Klägers nichts. Beruhen nämlich die in dem xxxxxxxxxxxx
für die Reißfestigkeit von xxxxxxxxxxxx genannten Werte,
soweit den Einlassungen des Klägers zu folgen ist, mit nur
einer Ausnahme allein auf der Auswertung von in den USA
durchgeführten Tierexperimenten, gilt nach seinem Vorbringen
gleiches für die in der Habilitationsschrift angeführten
Reißfestigkeitsdaten.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Bereits in seiner Stellungnahme vom 23. Juli 1996 ist der
Kläger der ihm vorgehaltenen Divergenz zwischen der in der
Habilitationsschrift genannten und in der Dokumentation der
TVA festgehaltenen Zahl an Tierversuchen mit dem Hinweis
begegnet, daß ein "großer Teil der angegebenen Versuche und
ihrer histologischen Auswertungen von mir und meiner
Projektgruppe in Tierlaboratorien des xxxxxxxxxxx in den USA
gemacht worden sind". Diese Behauptung bezieht sich
offensichtlich auch auf die seiner Habilitations-schrift
zugrunde liegende Studie. Seine schriftlichen Angaben vom
23. Juli 1996 zur Herkunft der Versuchstiere erläuternd hat
der Kläger nämlich in dem Gespräch vom 22. Oktober 1996
ausdrücklich erklärt, in seiner Habilitationsschrift habe er
bei der Reißfestigkeitsanalyse die Daten von jeweils zwei dem
6-Monatskollektiv und zwei dem 12-Monatskollektiv
zuzuordnenden xxxxxx berücksichtigt. Danach sind aber in die
Habilitationsschrift jedenfalls aus den USA stammende
ermittelte Reißfestigkeitsdaten eingeflossen. Daß die im
xxxxxxxxxxxx verwerteten Versuchsergebnisse mit den der
Habilitationsschrift zugrunde liegenden Daten identisch sind,
ist als Behauptung auch den weiteren Ausführungen des Klägers
immanent, mit denen er erklärt, daß die im xxxxxxxxxxxx für
die Reißkraft genannten Newton-Werte von den in der
Habilitationsschrift bezeichneten Werten um (etwa) den
Faktor 2 abweichen. Wie mit Schriftsatz vom 30. Dezember 1996
im Eilverfahren vorgetragen soll diese Divergenz allein auf
einem erst nach der Veröffentlichung des xxxxxxxxxxxxx
erkannten Fehler beim Ablesen der originären
Reißkraftprotokolle beruhen L 64 f.. Ob und inwieweit der
Kläger diese Behauptung später hat relativieren oder
zurücknehmen wollen, kann dahinstehen; das ohne eine solche
Absicht gänzlich unverständliche, mit Schriftsatz vom
24. Februar 1997 angekündigte Bemühen, den Grund für die
Übereinstimmung der Prozentzahlen im xxx xxxxxxxx und der
Habilitationsschrift aufzuklären L 186, ist jedenfalls
erfolglos geblieben.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger demgegenüber zwecks Begründung der Klage
mit Schriftsatz vom 20. November 1997 L behauptet, die in
der Habilitationsschrift dargestellten
Reißfestigkeitsuntersuchungen seien sämtlich in xxxxxxxxxx
ausgeführt worden, und mit Schriftsatz vom 18. Juni 1998 K
76 weiter vorträgt, er habe zwar aus den USA
Reißfestigkeitsdaten erhalten, diese aber in der
Habilitationsschrift nicht verwertet, sind diese Behauptungen
völlig "aus der Luft gegriffen", weil sie entsprechend den
obigen Feststellungen in nicht aufzulösendem Widerspruch zu
den dort erörterten Angaben zu Herkunft und Identität der
Reißfestigkeitsdaten stehen, die im xxxxxxxxxxxx und in der
Habilitationsschrift verarbeitet sind.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Schon aus diesem Grund ist auch der gestellte Antrag, durch
die Vernehmung von Zeugen Beweis zu der Tatsache zu erheben,
daß "die in der Habilitationsschrift dargestellten
Reißfestigkeitsuntersuchungen in xxxxxxxxxx ausgeführt
wurden", als unsubstantiiert abzulehnen. Abgesehen davon ist
die Vernehmung von Zeugen zum Nachweis der aufgestellten
Behauptung kein taugliches Beweismittel. Durch Dritte ist
regelmäßig nicht unmittelbar wahrzunehmen, welche Daten
letztlich zur Auswertung in einer Habilitationsarbeit
herangezogen werden, wenn denn ihr Urheber, wie dies
prüfungsrechtlich zu fordern ist, für deren Inhalt allein
verantwortlich zeichnet. Anhaltspunkte dafür, daß - und
gegebenenfalls welche - der benannten Zeugen gleichwohl
Angaben zu der aufgestellten Tatsachenbehauptung machen
können, bietet der Sachvortrag des Klägers nicht. Ebenso
abzulehnen ist schließlich der Beweisantrag, der darauf
abzielt, Zeugen zu der Tatsache zu vernehmen, daß "32 xxxxx
(...) in der Tierversuchsanlage xxxxxxxxxx in der
Versuchsreihe xxxxxxxxxxxxxxx operiert (... worden sind,
wobei) an 31 xxxxxx eine homologe knochengestielte
xxxxxxxxxtransplantation mit LAD-Augmentation am rechten
xxxxxxxxxx vorgenommen" worden ist. Diese (im übrigen wohl
unstreitige) Behauptung ist als Tatsache nicht
entscheidungserheblich, weil sie nichts darüber besagt, ob und
welchem Umfang Ergebnisse dieser Versuchsreihe in die
Habilitationsschrift eingegangen sind.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Die Auswertung von in den USA durchgeführten
Reißfestigkeitstests in der Habilitationsschrift widerspricht
deren Darstellung zu den experimentellen Grundlagen der
Studie. Nach dem objektivem Erklärungswert der dortigen
Ausführungen haben mit Ausnahme der
rasterelektronenmikroskopischen Nachuntersuchungen von
Präparaten, die als im Labor der Firma xx durchgeführt
bezeichnet werden -S.-, nicht nur sämtliche operativen
Eingriffe an den Versuchsxxxxxx, sondern auch alle übrigen
Untersuchungen in Einrichtungen der Universität xxxxxxxxxx
stattgefunden. Die zu der experimentellen Studie in der
Habilitationsschrift diesbezüglich geschilderten Einzelheiten
lassen daran keinen Zweifel.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Die zur Beschreibung der Operationsverfahren gewählte
Formulierung "Alle operativen Eingriffe wurden unter streng
sterilen Kautelen in den Operationssälen der
Tierversuchsanlage xxxxxxxxxx durch das gleiche Operations-
und Anästhesieteam durchgeführt." -S.- schließt bereits
angesichts ihrer sprachlich unmißverständlichen Fassung aus,
daß die zur Auswertung in der Studie herangezogenen
Transplantationen an anderen Orten als in der TVA xxxxxxxxxx
erfolgt sind. Ein solches Verständnis der Versuchsbeschreibung
war offensichtlich auch intendiert. Soweit der Kläger dies im
Eilverfahren mit der im Schriftsatz vom 30. Dezember 1996
aufgestellten Behauptung hat in Abrede stellen wollen, die
zitierte Textpassage beschreibe lediglich die in der TVA
herrschenden Operationsbedingungen L, findet eine solche
Deutung der zitierten Textpassage schon in deren Wortlaut
keine Stütze. Sie widerspricht ferner den in der Arbeit zu den
Versuchsbedingungen weiter geschilderten Details, die bei
verständiger Würdigung für die Annahme auch außerhalb der TVA
durchgeführter Operationen schon keinen Raum lassen, weil die
Versuchstiere unterschiedslos "postoperativ in den geräumigen
Einzelboxen der Tierversuchsanstalt der Universität xxxxxxxxxx
untergebracht" -S.- waren, deren "... groß angelegte
Laufgehege und Gänge ..." für "eine tägliche Mobilisation
(...) ausreichend Gelegenheit" -S.- boten, und während "der
gesamten Versuchsdauer (...) monatlich das Laufverhalten der
Tiere überprüft sowie eine klinische Untersuchung
durchgeführt" -S.- worden ist. Überhaupt nichts mehr
spricht für die Annahme andernorts als in der TVA
durchgeführter Operationen, wenn die operativen Eingriffe
ferner dadurch als zeitlich und inhaltlich aufeinander bezogen
dargestellt werden, daß zunächst ein "xxxxxxxxx (...) einem
ersten Spenderxxxx entnommen" -S.- worden ist, während bei
"allen weiteren Eingriffen (...) der jeweils zu operierende
xxxx sowohl als Transplantatempfänger als auch gleichzeitig
wieder als Transplantatspender für den nächstfolgenden
Versuchsxxxx" -S.- gedient hat, und die
xxxxxxxxxtransplantate "in einen Plastikbehälter zur
sofortigen Tieffrierung bei minus 80°C eingelegt" -S.- und
"durchschnittlich 12 Tage" -S.- nach ihrer Entnahme wieder
implantiert wurden.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Haben somit nach dem Inhalt der Habilitationsschrift die
Operationen und postoperativen Beobachtungen der Versuchsxxxxx
in der TVA stattgefunden und kennzeichnet die Arbeit allein
die rasterelektronenoptische Nachuntersuchung als in den USA
durchgeführt, sind auch die Ausführungen in der
Habilitationsschrift zu den weiteren experimentellen Studien
ernstlich nur dahingehend zu verstehen, daß die für die
insoweit erhobenen Befunde erforderlich gewesenen Präparate
sämtlich in Einrichtungen der Universität xxxxxxxxxx gewonnen
und dort auch untersucht worden sind. Dementsprechend werden
in der Habilitationsschrift auch die einzelnen Resultate der
biomechanischen Prüfungen ebenso wie die jeweiligen Ergebnisse
der mikroangiographischen, histomorphologischen und der
neurohistologischen Analysen als unter methodisch gleichen
Bedingungen ermittelt beschrieben S. 41 f., 42 f., 44 ff. und
48 ff..</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Diese Beschreibung des experimentellen Teils der Studie in
der Habilitationsschrift ist aber nicht nur unrichtig, soweit
der Kläger nach seiner Stellungnahme vom 23. Juli 1996 dort
auch Ergebnisse in den Jahren 1983 bis 1987 an der TVA analog
durchgeführter Experimente ebenso ausgewertet hat wie in den
USA ermittelte Reißfestigkeitsdaten. Dies gilt vielmehr auch,
soweit der Kläger zur Begründung seiner Klage mit Schriftsatz
vom 20. November 1997 K ausgeführt hat, daß seine Arbeit
unter anderem Forschungsergebnisse enthält, die am Institut
für Topographische Anatomie und Biomechanik bei der
Untersuchung solcher Präparate gewonnen worden sind, die aus
den Laboratorien der Firma xx stammen.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Angesichts der Verwertung von Ergebnissen solcher
Fremdversuche ist auch die Darstellung in der
Habilitationsschrift unrichtig, nach der alle im Rahmen der
Studie auf ihre Reißfestigkeit hin untersuchten xxxxxxxxxxx
aus der dort beschriebenen Operationsreihe stammen. Die
gegenteilige Annahme setzte unter Berücksichtigung der
weiteren Versuchsbeschreibung in der Habilitationsschrift
entweder die Untersuchung in der TVA zunächst transplantierter
und später dann entnommener xxxxxxxxxxx in den USA voraus,
oder aber - nach Transplantation und postoperativer
Beobachtungen in der TVA - den Transport von Versuchstieren in
die Laboratorien des xxxxxxxxxxx, um sie dort für nachfolgende
Untersuchungen der Kreuzbänder einzuschläfern. Während die
erstgenannte Verfahrens-weise der Habilitationsschrift -S.-
widerspricht, die Tests zur Reißfestigkeit der
transplantierten xxxxxxxxxxx binnen einer Stunde nach dem
Einschläfern der Versuchstiere beschreibt, ist für die
letztgenannte Prozedur weder etwas ernstlich ersichtlich noch
vorgetragen. Schon nach dem Vortrag des Klägers zu Art und
Umfang seiner Zusammenarbeit mit der Firma xx in dem Gespräch
vom 22. Oktober 1996 und nach seinen schriftsätzlichen
Ausführungen vom 30. Dezember 1996 L 39 f> zur Begründung
des Eilantrages sowie vom 20. November 1997 K zur
Klagebegründung resultieren die aus den USA erhaltenen
Untersuchungsbefunde vielmehr aus Experimenten, die auf
Tierversuchen des xxxxxxxxxxx beruhen.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Offensichtlich hiervon ausgehend ist der Kläger bereits in
dem Gespräch vom 22. Oktober 1996 dem Vorhalt begegnet, im
xxxxxxxxxx habe es zur fraglichen Zeit Versuche nur an xxxxxx
gegeben. Für den Hinweis, er habe in seiner Arbeit die ihm aus
den USA übermittelte Daten über die Reißfestigkeit von
xxxxxxxxxxxx in dem Glauben ausgewertet, daß diese von Hunden
stammten, und seinen weiteren - im Eilverfahren mit
Schriftsatz vom 24. Februar 1997 L 174 erneuerten - Vortrag
zum wissenschaftlichen Wert seiner Habilitationsleistung, nach
der die Reißfestigkeit von xxxxxxxxxxxx bei xxxxxx und xxxxxx
vergleichbar ist, bestand aber nur dann ein nachvollziehbarer
Anlaß, wenn diese Daten entgegen dem Inhalt der
Habilitationsschrift tatsächlich jedenfalls nicht von den in
der TVA, sondern von in den USA transplantierten xxxxxxxxxxxx
stammten. Gerade dies bekräftigend hat der Kläger auch den an
ihn unter dem 29. Oktober 1996 gerichteten Brief von
Dr. xxxxxxxxxx L 71 f. in der dem Gericht vorgelegten
Übersetzung L 86 f. um die im Originaltext nicht vorhandene
Anmerkung "in den USA" ergänzt, soweit dort von "im
Oktober 1988 operierten xxxxxx" die Rede ist. Gleichen Inhalts
ist ferner die eidesstattliche Versicherung des Klägers vom
14. Januar 1997 L. Daß die Habilitationsschrift
Ergebnisse von Untersuchungen enthält, die nicht auf die dort
beschriebene Operationsreihe zurückzuführen sind, ist
schließlich auch der Klagebegründung zu entnehmen, in der der
Kläger mit Schriftsatz vom 20. November 1997 K auf zu
Untersuchungszwecken aus den USA erhaltene und damit dort
gewonnene Präparate hinweist.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Ob der Kläger tatsächlich aus den USA Präparate in dem
Glauben erhalten und untersucht und das Ergebnis der
Untersuchungen in seine Habilitationsschrift eingestellt hat,
ist nach allem nicht entscheidungserheblich. Sein Antrag, zum
Nachweis dieser Behauptungen durch die Vernehmung von Zeugen
Beweis zu erheben, ist daher ebenfalls abzulehnen.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Stammen danach nicht alle untersuchten Kreuzbänder und
Präparate aus in der TVA durchgeführten operativen Eingriffen,
ist ferner die Darstellung der Habilitationsschrift
unzutreffend, nach der bei sämtlichen operativen Eingriffen
das gleiche Operations- und Anästhesieteam eingesetzt war.</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Die Arbeitsgruppe des Klägers war an in den USA
durchgeführten Tierversuchen nicht beteiligt. Dies gilt schon
für den Kläger als Mitglied des Teams, das nach dem Inhalt der
Studie verantwortlich zeichnet für die Durchführung der
Transplantationen als Teil der wissenschaftlichen Arbeit und
Voraussetzung aller weiter durchgeführten Untersuchungen. Die
gegenteiligen Ausführungen des Klägers in seiner schriftlichen
Stellungnahme vom 23. Juli 1996 und dem Gespräch vom
22. Oktober 1996, nach denen er selbst an solchen in den USA
durchgeführten Versuchen bzw. Operationen beteiligt war, deren
Ergebnisse in die Habilitationsschrift eingeflossen sind,
entsprechen offenbar nicht der Wahrheit. Abgesehen davon, daß
der Kläger im Eilverfahren mit Schriftsatz vom
24. Februar 1997 bestritten hat, jemals solche Angaben gemacht
zu haben L 185, sind die Behauptungen zur Beteiligung an
diesen Tierversuchen auch sonst unglaubhaft. Daß der Kläger
als sachkundiger, mit einer Studie an xxxxxx befaßter
Wissenschaftler und Operateur nicht, wie in dem Gespräch vom
22. Oktober 1996 weiter ausgeführt, gewußt haben will, ob er
Operationen, die für seine Habilitationsschrift von
maßgeblicher Bedeutung sind, an xxxxxx oder xxxxxx durchführt,
ist auch dann schlichtweg nicht nachvollziehbar, wenn die auf
dem Operationstisch liegenden Versuchstiere tatsächlich
jeweils mit Tüchern abgedeckt waren.</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Unrichtig ist damit auch die Darstellung der
Habilitationsschrift, nach der die Versuchshunde jeweils
sowohl als Transplantatempfänger als auch als
Transplantatspender für das nächste zu operierende Tier
gedient haben. Ein solcher Versuchsaufbau ist bei teilweise
auch in den USA durchgeführten Tieroperationen
auszuschließen.</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Hiermit übereinstimmend erweist sich auch die Schilderung
in der Habilitationsschrift als unzutreffend, nach der die
Operationsreihe in der TVA nach wenig mehr als einem Jahr
abgeschlossen war. Innerhalb dieses Zeitraums, der sich aus
den Angaben in der Habilitationsschrift ergibt, nach denen
zwischen den 31 Transplantationsvorgängen jeweils
durchschnittlich 12 Tage gelegen haben, sind an Einrichtungen
der Universität xxxxxxxxxx Operationen der in der
Habilitationsschrift beschriebenen Art nicht durchgeführt
worden. Für Versuchszwecke genehmigte xxxxxxxxx, die nach der
Dokumentation der TVA in dem hier fraglichen Zeitraum nur
unter der Projektnummer xxxxxxxxxxxxxxx zur Verfügung standen,
sind ausweislich der Aufzeichnungen der TVA für
tierexperimentelle Studien des Klägers zwischen dem
17. Oktober 1988 und dem 19. März 1990 -BA Heft 5 S. 725, 865-
und damit über einen Zeitraum von mehr als 17 Monaten
abgegeben worden. Daran besteht trotz der verschiedentlich
durch den Kläger gegen die Verläßlichkeit der TVA-
Dokumentation erhobenen Einwände kein Zweifel. Abgesehen
davon, daß er stets nur die protokollierten Daten zum
jeweiligen Ende der Versuche in Frage gestellt hat, begegnet
die Richtigkeit des dokumentierten und hier maßgeblichen
Abgabezeitraums schon deshalb keinen durchgreifenden Bedenken,
weil für Oktober 1988 die Abgabe von acht und für März 1990
die Abgabe von vier xxxxxx festgehalten ist. Etwaige
Ungenauigkeiten einzelner Abgabedaten sind daher ungeeignet,
einen Abgabezeitraum von weit mehr als 17 Monaten ernstlich in
Abrede zu stellen. Mangels der Notwendigkeit, den Sachverhalt
diesbezüglich weiter aufzuklären, war auch der Anregung des
Klägers nicht zu folgen, Sektionsprotokolle der TVA
beizuziehen.</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Nach allem ist die Versuchsbeschreibung in der
Habilitationsschrift auch in einer Vielzahl weiterer Punkte
unrichtig. Vor dem Hintergrund in den USA durchgeführter
Tierversuche sowie angesichts der Behauptung, von dort neben
Präparaten für Untersuchungszwecke auch Versuchsergebnisse
erhalten zu haben, sind die Angaben in der
Habilitationsschrift über Rasse, Alter, Geschlecht und Gewicht
der Versuchstiere -S.- ebenso unzutreffend wie die
Ausführungen zu den postoperativen Beobachtungen -S.-;
gleiches gilt für die geschilderte Lebensdauer der xxxxx nebst
der von ihr abhängenden Einordnung der Tiere in
Versuchskollektive -S.- sowie für die beschriebene
Gleichförmigkeit sowohl der Operationsverfahren S. 34 f. als
auch der zu den einzelnen Experimenten angeführten
methodischen Bedingungen S. 39 ff.. Diesen Ausführungen in
der Versuchsbeschreibung der Habilitationsschrift liegen
jeweils nicht durchweg eigene Erkenntnisse des Klägers
zugrunde. Die experimentellen Bedingungen, unter denen in den
Laboratorien des xxxxxxxxxxx Versuchsergebnisse erzielt und
vom Kläger untersuchte Präparate gewonnen worden sind, waren
ihm selbst ersichtlich nicht bekannt, nachdem er das aus den
USA erhaltene Material lediglich in dem Glauben ausgewertet
haben will, Daten und Präparate stammten von xxxxxx.</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">Steht aufgrund des klägerischen Vorbringens nach allem
fest, daß die Beschreibung des experimentellen Teils seiner
Studie in Kapitel 2 der Habilitationsschrift durchgehend
unrichtige Angaben enthält, ist der zu Lasten des Klägers
erhobene Vorwurf der Täuschung erwiesen. Dies gilt, auch wenn
sich über die oben getroffenen Feststellungen hinaus nicht
bestimmen läßt, welche der einzelnen in der Arbeit genannten
Forschungsergebnisse weiter nicht unter den beschriebenen
Versuchsbedingungen ermittelt sind.</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat zwar gemäß § 86 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 VwGO den
Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, ohne dabei an das
tatsächliche Vorbringen der Beteiligten und ihre
Beweisanregungen und Beweisanträge gebunden zu sein. Die
Amtsermittlungspflicht findet aber, wie sich aus § 86 Abs. 1
S. 1 Hs. 2 VwGO ergibt, ihre Grenze an der Mitwirkungspflicht
der Beteiligten. Diese sind gehalten, ihnen geläufige
Tatsachen, mit denen sie ihre Anträge begründen, selbst
vorzutragen; das Gericht ist nicht verpflichtet, in nicht
durch entsprechendes Vorbringen oder konkrete Anhaltspunkte
veranlaßte Nachforschungen darüber einzutreten, ob vielleicht
irgendein bislang nicht entdeckter Umstand auf die
Rechtmäßigkeit des zu beurteilenden Verwaltungshandelns von
Einfluß sein könnte,</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 23. November 1982 - 9 C 74.81 -,
BVerwGE 66 S. 237 ff (238) m. w. N. aus der Rechtsprechung;
Kopp / Schenke, a. a. O., § 86 Rdnr. 12; Eyermann, a. a. O.,
§ 86 Rdnr. 20.</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Insbesondere gebieten die von einem Beteiligten allgemein
geäußerten Zweifel an der Rechtmäßigkeit behördlichen Handelns
eine dezidierte Fehlersuche nicht,</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Beschluß vom 6. März 1996 - 4 B 184/95 -, NVwZ-
RR 1997, S. 82 f.; Eyermann, a. a. O., § 86 Rdnr. 10.</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">Namentlich gilt dies entsprechend dem in § 444 ZPO
kodifizierten Rechtsgedanken der Beweisvereitelung für solche
Umstände, deren Kenntnis ausschließlich oder doch überwiegend
in der Sphäre eines Beteiligten liegen und dementsprechend
nicht ohne ihm zumutbare Mitarbeit aufzuklären sind,</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">Kopp / Schenke, a. a. O., § 108 Rdnr. 17; Eyermann,
a. a. O., § 86 Rdnr. 20.</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">So liegt der Fall hier. Anhaltspunkte für eine weitere
Aufklärung des Sachverhalts bietet das Vorbringen des Klägers
nicht. Das - zuletzt noch im Termin zur mündlichen
Verhandlung - wiederholte Eingeständnis, daß seine
Habilitationsschrift unrichtige Angaben enthält, verpflichtet
den Kläger in gesteigertem Maß, solche Umstände darzulegen,
die geeignet sind, den entsprechenden und durch einen
schlüssigen Tatsachenvortrag substantiierten Vorwurf des
Beklagten wenigstens in seiner Reichweite einzugrenzen. Dies
war ihm möglich und auch zumutbar, weil die hierfür in
Betracht kommenden Einzelumstände sämtlich allein in seiner
Kenntnissphäre liegen. Dieser Pflicht ist der Kläger nicht
nachgekommen. Sein Vorbringen ist im Kern auf die Behauptung
beschränkt geblieben, die ihm vorgehaltene Unrichtigkeit von
Angaben in der Habilitationsschrift sei nur von marginalem
Umfang, ohne diesen Vortrag etwa hinsichtlich Zahl, Zeitpunkt
und Bedingungen der in den USA durchgeführten Tierexperimente
und Reißfestigkeitstests oder Verwendungszweck der aus den USA
stammenden Präparate auch nur im Ansatz zu substantiieren.
Soweit der Kläger sich dabei zur Begründung darauf beruft, daß
er hierzu wegen der zwischenzeitlich verstrichenen Zeit nicht
mehr in der Lage sei, ist dies eine rechtlich unbeachtliche
Schutzbehauptung. Die Qualifikation seines
Verteidigungsvorbringens als unsubstantiiert hat ihren Grund
rechtlich nicht in fehlendem Detailreichtum zu einem an sich
nachvollziehbaren Vortrag. Sie beruht vielmehr auf der
Erkenntnis, daß der Kläger - wie oben dargelegt - keine der im
Verlauf des Verfahrens zur Herkunft der in der
Habilitationsschrift aufgestellten Behauptungen (in vollem
Umfang) aufrecht erhalten, sondern immer dann modifiziert
und/oder durch ihnen widersprechenden Sachvortrag ersetzt hat,
wenn sich seine ursprüngliche Sachverhaltsdarstellung aufgrund
zwischen-zeitlich neu gewonnener Erkenntnisse des Beklagten
als falsch er-wiesen hatte. Dies belegt nachhaltig, daß es dem
Kläger nicht an Kenntnissen über die damaligen Geschehnisse
mangelt, sondern daß er mit der Wahrheit leichtfertig umgeht.
Dies geht zu seinen Lasten.</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">Die Täuschung des Klägers ist für die Annahme seiner
schriftlichen Habilitationsleistung auch ursächlich gewesen.
Daß die Habilitationskommission die tierexperimentelle Studie
des Klägers in Kenntnis der Unrichtigkeit der
Versuchsbeschreibung in dem aufgezeigten Umfang nicht,
zumindest aber nicht ohne weitere Prüfung bereits am
11. September 1991 als habilitationswürdig anerkannt hätte,
liegt auf der Hand. Gerade die Auswahl der Versuchsparameter
als Grundlage einer experimentellen Studie ist für die
Beurteilung der Fähigkeit zur selbständigen Forschung von
maßgeblicher Bedeutung; die Beurteilung der schriftlichen
Habilitationsleistung des Klägers im Referat von Prof. Dr.
xxxxxxxx bringt dies ebenso deutlich zum Ausdruck wie deren
Bewertung in den CO-Referaten der Profes. Dres. xxxxxx und
xxxxxxxx. Rechtlich unerheblich ist dabei, ob und inwieweit
die drei Referenten der Habilitationsschrift entsprechend der
durch den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung
aufgestellten Behauptung um die Unrichtigkeit der Darstellung
in der zu begutachtenden Arbeit gewußt haben. Ungeachtet der
Frage, ob ein solch kollusives Zusammenwirken von Prüfling und
Prüfer überhaupt zugunsten des Klägers rechtlich Beachtung
finden könnte, hätte der Kläger mittels der Gutachter dann
jedenfalls die übrigen Mitglieder der Habilitationskommission
zur Annahme seiner schriftlichen Habilitationsleistung durch
deren Verschweigen ihres Wissens bestimmt.</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat die experimentelle Grundlage seiner Arbeit
in der Habilitationsschrift auch in dem Bewußtsein unrichtig
beschrieben, die Habilitationskommission hierdurch zur Annahme
seiner schriftlichen Habilitationsleistung bestimmen zu
können. Dies steht fest, nachdem er zur Begründung seines
Eilantrages mit Schriftsatz vom 24. Februar 1997 L 185
eingeräumt hat, die aus den USA stammenden Versuchsergebnisse
in der Habilitationsschrift nicht sämtlich gekennzeichnet zu
haben, um dem Eindruck eines im Auftrag des xxxxxxxxxxx zur
Produktförderung durchgeführten Forschungsvorhabens
entgegenzuwirken.</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">War die Habilitierung des Klägers nach allem schon wegen
der durch arglistige Täuschung erwirkten Annahme seiner
schriftlichen Habilitationsleistung rechtswidrig, war der
Beklagte an der Rücknahme der Habilitation auch nicht durch
die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 S. 1 VwVfG NW gehindert. Diese
Entscheidungsfrist, die mit der Kenntnis von der
Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts beginnt,</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Großer Senat, Entscheidung vom 19. Dezember 1998
- GrSen 1/84 und GrSen 2/84 -, NJW 1985, S. 819 ff.,</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">ist gewahrt, nachdem die Fakultät nicht vor Erhalt der an
den Beklagten gerichteten Stellungnahme der Ständigen
Habilitationskommission vom 17. September 1996 um die
Rechtswidrigkeit der Habilitierung des Klägers gewußt haben
kann und die vom 25. Oktober 1996 datierende
Rücknahmeentscheidung dem Kläger noch im Oktober 1996
zugegangen ist.</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">Auch im übrigen hält die Entscheidung über die Rücknahme
der Habilitation einer Rechtskontrolle stand; in der hier
maßgeblichen Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
5. Juli 1997 ist der angefochtene Bescheid vom
25. Oktober 1996 insoweit frei von Ermessensfehlern
(§ 114 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">Der Ermessensbetätigung liegt mit dem Vorwurf, über die
Herkunft einzelner in der Habilitationsschrift angeführter
Versuchsergebnisse arglistig getäuscht zu haben, ein im
Ergebnis zutreffend ermittelter Sachverhalt zugrunde. Wie die
übrigen dem Kläger gemachten Vorhaltungen qualifiziert die dem
Widerspruchsbescheid beigefügte Begründung der
Ermessensentscheidung auch und gerade die im Zusammenhang mit
der Anfertigung der Habilitationsschrift stehenden
Täuschungshandlungen nicht als schlichte Entgleisungen, die
für sich genommen ohne Rechtsfolgen bleiben könnte.
Rechtlichen Bedenken begegnet diese Bewertung nicht. Sie ist
mit der getroffenen und ihrerseits rechtsfehlerfreien
Feststellung, daß eine funktionsfähige Wissenschaft die
Grenzen zwischen Wissenschaft und Täuschung kennende und sie
respektierende Wissenschaftler benötige, und durch die
gleichzeitige Bezugnahme auf Schwere und Umfang dieser
Täuschungen nachvollziehbar begründet. Die zum Beleg der Dauer
eines wissenschaftlich unredlichen Verhaltens des Klägers
weiter in Bezug genommenen Vorwürfe haben damit ausweislich
der seitens des Fakultätsrates für seine Ermessensbetätigung
dargelegten Gründe rechtlich allein Bedeutung für die
zeitgleich getroffene und begründete Entscheidung über den
Entzug der Venia legendi; im vorliegenden Zusammenhang sind
sie ohne Belang.</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">Der Ermessensentscheidung liegt schließlich auch eine
ausreichende Abwägung der von der Rücknahmeentscheidung
betroffenen Belange des Klägers und der Allgemeinheit
zugrunde. Rechtlich nicht zu beanstanden ist es, dem
öffentlichen Interesse am Ausschluß unredlicher
Wissenschaftler von Forschung und Lehre den Vorrang
einzuräumen vor den beruflichen, privaten und wirtschaftlichen
Interessen des Klägers am Fortbestand seiner Habilitation.</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">Erweist sich damit die Rücknahme der Habilitation als
rechtmäßig, ist auch die Entscheidung über den Entzug der
Venia legendi ohne Rechtsfehler und verletzt den Kläger nicht
in eigenen Rechten.</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">Offen bleiben kann dabei hier, ob der Entzug der Venia
legendi auch aus den in den angefochtenen Bescheiden genannten
Gründen als Widerruf und / oder Rücknahme der Lehrbefugnis
rechtmäßig ist. Namentlich bedarf es keiner Prüfung, ob die
Ausführungen der Kammer zur Bestätigung der
Widerrufsentscheidung im Eilverfahren,</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">Beschlusses vom 11. April 1997, a.a.O., S. 24 ff. des
Umdrucks,</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">ohne Aufklärung des Sachverhalts weiter Geltung
beanspruchen können, nachdem der Kläger sein gegen die
Rechtmäßigkeit gerichtetes Vorbringen im Klageverfahren mit
hilfsweise gestellten Beweisanträgen verbunden hat. Seine
Lehrbefugnis ist gemäß § 18 Abs. 1 lit. d) HO ohne weiteren
Rechtsakt erloschen, nachdem die Vorschrift diese Rechtsfolge
unter anderem an den schon an den Entzug der Habilitation
anknüpft und die Rücknahme der Lehrbefähigung des Klägers
- wie oben ausgeführt - rechtmäßig ist.</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">Gegen die Rechtmäßigkeit der Satzungsbestimmung bestehen
keine Bedenken. Sie beruht auf der Ermächtigungsnorm des § 95
Abs. 5 UG und widerspricht nicht der Vorschrift des § 95
Abs. 7 S. 2 UG, die mit dem Verweis auf § 54 Abs. 4 S. 3 und
S. 4 UG für die Venia legendi lediglich Widerrufs- und
Rücknahmegründe kodifiziert und damit für die Normierung von
Erlöschensgründen in der Habilitationsordnung Raum läßt,</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">vgl. Epping in Leuze / Bender, a. a. O., zu § 95
Rdnr. 81.</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">Der in § 18 Abs. 1 lit. d) HO kodifizierte
Erlöschenstatbestand steht schließlich auch in Einklang mit
dem materiellen Recht, nachdem eine Habilitierung rechtlich
notwendige Bedingung für die Erteilung der Lehrbefugnis
(vgl. § 95 Abs. 6 S. 1 UG) und damit auch für deren
rechtmäßigen Fortbestand ist.</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der
Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus
den §§ 167 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 VwGO und den §§ 708 Ziffer 11,
711 ZPO.</p>
|
114,477 | ovgnrw-1999-09-17-10-b-158599 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
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"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 10 B 1585/99 | 1999-09-17T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:47 | 2019-02-12T13:54:24 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0917.10B1585.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Zulassungsantrag ist unbegründet. Der geltend gemachte
Zulassungsgrund liegt nicht vor. Der angegriffene Beschluß des
Verwaltungsgerichts begegnet aus den von den Beigeladenen
dargelegten Gründen keinen ernstlichen Zweifeln an seiner
Richtigkeit (§§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragstellerin
auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach §§ 80a Abs. 3,
80 Abs. 5 VwGO gegenüber der den Beigeladenen unter dem
2. Juli 1999 erteilten Teilbaugenehmigung entsprochen. Es hat
bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen maßgeblich
darauf abgestellt, das Vorhaben der Beigeladenen, auf das sich
die Teilbaugenehmigung mit der hierin enthaltenen Entscheidung
über seine grundsätzliche Vereinbarkeit mit dem maßgeblichen
Bauplanungs- und Bauordnungsrecht bezieht, verletze die
Antragstellerin als Eigentümer des unmittelbar angrenzenden
Grundstücks H. platz 10 in ihren Rechten. Auf den das
Baugrundstück - und das Grundstück der Antragstellerin -
erfassenden Bebauungsplan Nr. 5 I S "H. platz" der Stadt
W. (Satzungsbeschluß vom 3. März 1994) könne nicht
abgehoben werden. Dieser Plan erweise sich wegen näher
angeführter und auch im Eilverfahren offenkundiger
Abwägungsmängel als unwirksam. Auf der Grundlage des § 34
BauGB stelle sich das Vorhaben unter Einschluß der
Erkenntnisse der Ortsbesichtigung I. Instanz als der
Antragstellerin gegenüber rücksichtslos dar.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Beigeladenen machen mit ihrem Zulassungsvorbringen
geltend, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von einer
ausnahmsweise auch im nachbarrechtlichen Eilverfahren
beachtlichen offensichtlichen Unwirksamkeit des Bebauungsplans
Nr. 5 I S ausgegangen. Die angeführten Abwägungsmängel
bestünden nicht, jedenfalls aber seien sie nicht offenkundig.
Namentlich könne der planerischen Entscheidung des Rates über
die Inhalte dieses Bebauungsplans nicht entgegengehalten
werden, es fehle an der das Plangebiet erfassenden
Bestandsaufnahme. Das Gegenteil folge aus den von der Stadt in
den Jahren 1983 bis 1985 sowie 1988 und 1989 in Auftrag
gegebenen Strukturgutachten zur Ortskernplanung des
Stadtteiles S. . Diese Materialien, die ursprünglich
in die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 5 S "Ortsmitte"
einbezogen worden seien, seien auch Abwägungsmaterial des hier
streitigen Bebauungsplans Nr. 5 I S gewesen. Dieser Plan
erfasse einen Teilbereich des Ursprungsbebauungsplans 5 S und
beinhalte dessen Weiterentwicklung.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der beschließende Senat teilt die Bedenken der Beigeladenen
gegenüber den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die
Planaufstellungsvorgänge ließen eine hinreichende Aufnahme der
im Plangebiet vorhandenen Nutzungen offensichtlich vermissen.
Dies allein ist jedoch nicht hinreichend, die Beurteilung des
Verwaltungsgerichts über die Unwirksamkeit des Bebauungsplans
Nr. 5 I S im Ergebnis in Zweifel zu ziehen. Das
Verwaltungsgericht hat die evidente Unwirksamkeit dieses
Planes nicht allein auf die angeblich fehlende
Bestandsaufnahme gestützt. Es hat weitergehend - und
selbständig tragend - zahlreiche weitere Abwägungsdefizite
hervorgehoben, die der Planung in einer für ihren
Geltungsanspruch erheblichen Weise (§ 214 Abs. 3 BauGB)
anhaften. So ist darauf hingewiesen worden, gerade die
Überplanung eines Gebiets mit einem hohen Anteil an
Wohnnutzung (faktisches Mischgebiet) im Straßenrandbereich als
Kerngebiet bedürfe gewichtiger städtebaulicher Gründe. Zudem
müßten die vom Rat für erforderlich gehaltenen strukturellen
Veränderungen des erfaßten Bereiches zumindest langfristig als
realisierbar erscheinen. Die wechselseitige Verträglichkeit
- wie zu ergänzen ist: gerade auch im Verhältnis zu der
bestandsgeschützt vorhandenen Altbebauung - müsse sachgerecht
ermittelt und abgewogen werden. Gleiches gelte etwa für die
Immissionslasten, die von der im Bebauungsplan Nr. 5 I S
erstmals festgesetzten Zu- und Ausfahrt der Tiefgarage (76
auch publikumsoffene Stellplätze) auf die Umgebung ausgehen
könnten. All diesen Anforderungen sei ersichtlich nicht genügt
worden. Die Beigeladenen sind diesen Ausführungen, die mit der
ständigen Rechtsprechung in Normenkontrollverfahren
übereinstimmen, nicht mit Substanz entgegengetreten. Auch
sonst ist hiergegen nichts zu erinnern mit der Folge, daß sich
das streitige Vorhaben und die hierauf bezogene baurechtliche
Gestattung auf diese planerischen Festsetzungen offenkundig
mangels Wirksamkeit nicht stützen können. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beigeladenen haben darüber hinaus mit dem
Zulassungsantrag beanstandet, das Verwaltungsgericht habe die
Prüfung versäumt, ihr Vorhaben im Verhältnis zu dem Grundstück
der Antragstellerin bei Unwirksamkeit des Bebauungsplans
Nr. 5 I S an den Festsetzungen des "Vorgängerbebauungsplans"
Nr. 5 S zu messen. Dieser lebe bei einer etwaigen
Unwirksamkeit des Folgebebauungsplans mangels eigenständiger
Aufhebung wieder auf. Eine Beurteilung nach § 34 BauGB und dem
dort angesprochenen allgemeinen Rücksichtnahmegebot, wie es
das Verwaltungsgericht vorgenommen habe, komme damit nicht in
Betracht. Nach Maßgabe des Bebauungsplans Nr. 5 S, der im
verfahrensbetroffenen Bereich auch nicht durch die
rechtskräftige Normenkontrollentscheidung des 10a-Senats des
Gerichts (Beschluß vom 17. Juli 1996 - 10a D 49/96.NE -) für
nichtig erklärt worden sei, verletze die streitige
Teilbaugenehmigung keine Rechte der Antragstellerin.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Auch dieser Vortrag ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel
an der Richtigkeit des vom Verwaltungsgericht gefundenen
Ergebnisses zu begründen. Allerdings weist das
Zulassungsvorbringen zutreffend auf die vom Verwaltungsgericht
offenbar nicht in den Blick genommene Rechtsprechung des
BVerwG </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Urteil vom 10. August 1990
- 4 C 3.90 - BVerwGE 85, 289 = BRS 50
Nr. 2</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">hin. Danach ist bei Unwirksamkeit eines
"Nachfolgebebauungsplans" (hier: des Bebauungsplans Nr. 5 I S)
das betroffene Grundstück nicht quasi automatisch als nicht
beplant anzusehen, vielmehr bedarf es der Prüfung, ob der
"Ursprungsbebauungsplan" (hier: der Bebauungsplan Nr. 5 S) in
diesem Falle wiederauflebt. Dies hängt davon ab, ob der Rat
der Gemeinde neben seiner Beschlußfassung über den "neuen"
Bebauungsplan zugleich auch einen selbständigen Beschluß über
die Aufhebung des früheren Bebauungsplans gefaßt hat, der
ferner erkennen lassen muß, daß diese Aufhebung auch dann
Bestand haben soll, wenn die "neuen" Festsetzungen sich im
nachhinein als unwirksam erweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Vgl. aus jüngerer Zeit auch Beschluß
des 7. Senats des Gerichts vom
30. Dezember 1998 - 7 B 2201/98 -.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Einen solchen qualifizierten Aufhebungsbeschluß hat der Rat
der Stadt W. , wie aus den vorgelegten
Planaufstellungsvorgängen, insbesondere aus der
Sitzungsniederschrift vom 3. März 1994 folgt, ersichtlich
nicht gefaßt. Die Aussage, wonach mit Inkrafttreten des
Bebauungsplans Nr. 5 I S die zur Zeit für den erfaßten Bereich
geltenden Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 5 S "Ortsmitte"
außer Kraft treten, greifen allein den allgemeinen Rechtssatz
auf, daß eine spätere Norm die frühere verdrängt. Eine
eigenständige Aufhebung der ursprünglichen Bauleitplanung
liegt hierin eindeutig nicht.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Gleichwohl hat dieser wohl anzunehmende Mangel in der
Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht zur Folge, daß
damit die dort vorgenommene Bewertung, das Vorhaben der
Beigeladenen verletze die Antragstellerin in ihren Rechten,
Zweifeln unterläge. Die Beurteilung des Verwaltungsgerichts
erweist sich nämlich jedenfalls aus anderen Gründen, die ohne
weiteres auch ohne Durchführung eines Beschwerdeverfahrens auf
der Hand liegen, im Ergebnis als richtig. Damit ist für die
Bejahung des angeführten Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2
Nr. 1 VwGO kein Raum.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Auf den Bebauungsplan Nr. 5 S der Stadt W. kann sich
das Vorhaben der Beigeladenen nämlich ebenfalls nicht stützen.
Dieser Bebauungsplan ist gleichfalls - auch - in dem hier in
Rede stehenden Bereich aus materiellen Gründen offenkundig
unwirksam. Dies ergibt sich schon aus folgendem: Der 10a-Senat
des beschließenden Gerichts hat mit seinem den Beteiligten
bekannten Beschluß vom 17. Juli 1996 - 10a D 49/96.NE - den
Bebauungsplan Nr. 5 S "Ortsmitte" der Stadt W. im
Normenkontrollverfahren für nichtig erklärt, soweit dieser den
Bereich südlich der H. straße, östlich der L. straße,
nördlich der H. straße und westlich der Straße
H. platz erfaßt. Von der Nichtigkeitserklärung
ausgenommen worden ist, wie aus dem Tenor des Beschlusses und
seiner Begründung folgt, einmal der als Kerngebiet
festgesetzte Bereich der Flurstücke 249 und 250, d.h. der
Eckbereich zwischen L. straße/H. straße/T. , ferner
die Parkplatzfläche des Flurstücks 290, ebenso die den
Bebauungsplan Nr. 5 S im übrigen ausmachenden Bereiche
außerhalb des Gevierts, gebildet durch die L. straße im
Westen, die H. straße im Süden und Osten und die
H. straße im Norden. Klarstellend ist ferner in der
Normenkontrollentscheidung (Blatt 6 des Beschlusses) darauf
hingewiesen worden, daß die vom zeitlich später in Kraft
getretenen Bebauungsplan Nr. 5 I S erfaßten Flächen und die
hierauf bezogenen planerischen Festsetzungen nicht Gegenstand
des Verfahrens sind. Allein aus diesem Grunde war der
10a-Senat seinerzeit gehindert, auch über die Gültigkeit der
Festsetzungen zu entscheiden, die den hier interessierenden
Bereich des Bebauungsplans Nr. 5 S ursprünglich ausmachten,
nicht aber deshalb, weil, wie die Beigeladenen meinen, dieser
Bereich wegen rechtlicher und tatsächlicher Selbständigkeit
abtrennbar und eigenständig lebensfähig wäre. Das Gegenteil
ist offenkundig der Fall. Dieser Bereich steht in einer sich
aufdrängenden Weise planerisch in einem untrennbaren
Zusammenhang mit den das Straßengeviert im übrigen
ausmachenden Festsetzungen. Schon die vom Rat gewollte
Verknüpfung der Erschließungssysteme des betreffenden Bereichs
durch Straßen, Wege und Parkplatzflächen verdeutlicht dies.
Auch die seinerzeit festgesetzten baulichen
Ausnutzungsmöglichkeiten nach Art, Maß und Bauweise waren nach
dem verlautbarten planerischen Willen des Rates aufeinander
bezogen. Die in dem genannten Normenkontrollverfahren
festgestellten Abwägungsmängel, gerade was die eröffnete
verdichtete Bebauungsmöglichkeit betrifft, gelten ohne
weiteres auch für den hier zu beurteilenden und städtebaulich
nicht abtrennbaren Bereich. Diese Nichtigkeitsgründe führen
damit auch zur Unwirksamkeit der dem Bebauungsplan Nr. 5 I S
zeitlich vorausgegangenen Planung. Damit stellt sich nicht die
mit dem Zulassungsantrag aufgeworfene Frage, ob sich die
seinerzeit fristgerecht von Dritten erhobenen Abwägungsrügen,
die im Rahmen des § 215 Abs. 1 BauGB "inter omnes-Wirkung"
haben, gerade auch auf den hier zu beurteilenden Bereich
bezogen haben oder sich überhaupt haben beziehen können,
nachdem dieser Bereich zwischenzeitlich Gegenstand einer
eigenen Bauleitplanung geworden war. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Unterliegt nach alledem das Grundstück, auf dem die
Beigeladenen ihr Vorhaben verwirklichen wollen und teilweise
bereits verwirklicht haben, keiner wirksamen qualifizierten
Bauleitplanung, so ist es mit dem Verwaltungsgericht
planungsrechtlich an § 34 BauGB zu messen. Ob auf dieser
Grundlage der Antragstellerin ein Anspruch auf Wahrung des
faktischen Gebietscharakters (§ 34 Abs. 2 BauGB) bzw. ein nach
Rücksichtslosigkeitskriterien zu beurteilender nachbarlicher
Abwehranspruch zukommt, bedarf keiner Vertiefung. Die
Nachbarrechtsverletzung folgt nämlich bereits daraus, daß das
Vorhaben grenzständig zum Grundstück der Antragstellerin hin
ausgeführt werden soll bzw. ausgeführt worden ist, ohne daß
hierfür eine planungsrechtliche Legitimation besteht. Damit
fehlt es auch offenkundig an den Voraussetzungen, unter denen
gemäß § 6 Abs. 1 BauO NW 1995 das bauordnungsrechtliche
Abstanderfordernis entfallen könnte. Die Verletzung der
abstandrechtlichen Maßgaben zu Lasten der Antragstellerin ist
nicht zweifelhaft. Allein dies hat schon eine
Nachbarrechtsverletzung zu Lasten der Antragstellerin zur
Folge. Dem ist mit der begehrten Aussetzungsentscheidung unter
Einschluß der Anordnung Ziffer 3 des angefochtenen Beschlusses
entgegenzuwirken.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Von weiteren Ausführungen sieht der Senat ab, §§ 146 Abs. 6
Satz 2, 124 a Abs. 2 Satz 2 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO, §§ 20
Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluß ist unanfechtbar.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,478 | ovgnrw-1999-09-17-18-b-232798 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 18 B 2327/98 | 1999-09-17T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:47 | 2019-02-12T13:54:24 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0917.18B2327.98.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde der Antragsteller hat Erfolg. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes zu Unrecht abgelehnt. Die im
vorliegenden Fall vorzunehmende Interessenabwägung fällt
zugunsten der Antragsteller aus, weil sich die
Ordnungsverfügung vom 2. September 1998 als offensichtlich
rechtswidrig erweist. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der Antragsteller zu 1. bis 8. fehlt es
bereits an der sachlichen Zuständigkeit des Antragsgegners zum
Erlaß der hier streitigen Abschiebungsandrohung. Aufgrund des
von ihnen gestellten Asylantrags war allein das Bundesamt für
die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge für den Erlaß einer
Abschiebungsandrohung zuständig geworden (§§ 5 Abs. 1 Satz 2,
34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Mit der Begründung der
Zuständigkeit des Bundesamtes für den Erlaß einer
Abschiebungsandrohung entfällt aus gesetzessystematischen
Gründen grundsätzlich zugleich die Befugnis der
Ausländerbehörde zum Erlaß einer entsprechenden Verfügung. Nur
im Rahmen des § 52 AuslG, der hier ersichtlich nicht
einschlägig ist, verbleibt es in derartigen Fällen bei der
Zuständigkeit der Ausländerbehörde für den Erlaß einer
Abschiebungsandrohung. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Bei dieser Abgrenzung ist sichergestellt, daß die
Voraussetzungen für den Erlaß einer Abschiebungsandrohung im
Zusammenhang mit einem Asylverfahren grundsätzlich nur in
einem Verfahren, und zwar vor dem hierfür sachlich und
personell besonders ausgestatteten Bundesamt überprüft werden
und eine vom Gesetzgeber schwerlich gewollte Doppelprüfung
vermieden wird. Gleichzeitig wird, was vor allem mit Blick auf
§ 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG bedeutsam ist, die rechtliche
Gleichbehandlung derjenigen Ausländer gewährleistet, die im
Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung suchen. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Vgl. Senatsbeschluß vom 28. Oktober
1996 - 18 B 3414/95 -, AuAS 1997,
64.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Es führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung, daß das
Bundesamt bereits mit seinem ablehnenden Asylbescheid vom
30. Juli 1996 eine Abschiebungsandrohung erlassen hatte. Diese
ist durch Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 16. Juni
1997 - - aufgehoben worden. Damit ist
asylverfahrensrechtlich insoweit der ursprüngliche Zustand
wieder hergestellt worden, so daß das Bundesamt erneut eine
Abschiebungsandrohung erlassen muß. Dies ergibt sich
ungeachtet der Frage, ob und ggf. unter welchen
Voraussetzungen das Bundesamt nach bestandskräftigem Abschluß
des Asylverfahrens für ausländerrechtliche Angelegenheiten
zuständig bleibt, </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">- vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom
16. April 1996 - 18 B 3392/95 - und vom
26. August 1996 - 18 B 1069/95 - </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">bereits aus § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Danach erläßt das
Bundesamt nach den §§ 50 und 51 Abs. 4 AuslG die
Abschiebungsandrohung, wenn der Ausländer nicht als
Asylberechtigter anerkannt wird und keine
Aufenthaltsgenehmigung besitzt. So ist es hier. Die
Antragsteller zu 1. bis 8. sind nicht als Asylberechtigte
anerkannt worden und besitzen keine
Aufenthaltsgenehmigung.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Dem Erlaß einer erneuten Abschiebungsandrohung durch das
Bundesamt steht der im übrigen bestandskräftig gewordene
Asylbescheid vom 30. Juli 1996 nicht entgegen. Aus § 34 Abs. 2
AsylVfG, wonach die Abschiebungsandrohung mit der Entscheidung
über den Asylantrag verbunden werden soll, ergibt sich
zugleich, daß das Bundesamt grundsätzlich auch dann noch für
den Erlaß der Abschiebungsandrohung zuständig bleibt, wenn die
sich auf den Asylantrag beziehende Entscheidung bereits
ergangen und bestandskräftig geworden ist. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG Hamburg, Beschluß vom
18. Juni 1997 - Bs VI (VII)
143/95 -.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Eine Zuständigkeit des Antragsgegners ist schließlich auch
nicht durch die den Antragstellern zu 1. und 2. mehrfach
erteilten Duldungen begründet worden. Insoweit kann es offen
bleiben, ob die Ausländerbehörde nach erfolglosem
Asylverfahren für den Erlaß einer Abschiebungsandrohung
generell zuständig wird, wenn dem Ausländer ein
asylverfahrensunabhängiger Aufenthalt</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">- vgl. hierzu Senatsbeschluß vom
1. Juni 1995 - 18 B 2001/94 -</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">ermöglicht worden ist. Den Antragstellern zu 1. bis 8. ist
ein derartiger Aufenthalt bisher nicht eingeräumt worden. Die
ihnen zwischenzeitig erteilten Duldungen gewährten ihnen kein
Aufenthaltsrecht. Ihre Abschiebung ist nur wegen tatsächlicher
Abschiebungshindernisse vorübergehend ausgesetzt worden.
Maßgeblich war insofern ausweislich der Duldungsverfügungen,
daß die Antragsteller über keinen Paß bzw. kein
Paßersatzpapier verfügten. Dementsprechend waren die Duldungen
mit der auflösenden Bedingung verbunden, daß sie bei
Ausstellung eines Passes oder Paßersatzpapieres erlöschen. Bei
einem solchen Sachverhalt kommt keiner eigenständigen
Bedeutung zu, daß möglicherweise die Antragstellerin zu 2.
vorübergehend aus gesundheitlichen Gründen nicht reisefähig
war und ihr sowie den anderen Antragstellern unter Umständen
deshalb ebenfalls eine Duldung hätte erteilt werden müssen.
Dessen ungeachtet dürfte aber regelmäßig auch eine derartig
legitimierte Duldung nicht auf ein asylverfahrensunabhängiges
Bleiberecht führen, weil sie an der asylrechtlich begründeten
Ausreisepflicht nichts verändert, sondern - wie bei der
Paßlosigkeit - nur die Konsequenz der Ausländerbehörde daraus
ist, daß es ihr vorübergehend unmöglich ist, ihrer
Abschiebungsverpflichtung nachzukommen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die gegenüber der Antragstellerin zu 9. erlassene
Abschiebungsandrohung ist aus Ermessensgründen
rechtsfehlerhaft. Nach § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG NW soll die
Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte
erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres
Ermessens ausgegangen ist. Dem wird der angefochtene Bescheid
nicht gerecht. Es ist bereits nicht erkennbar, daß der
Antragsgegner hinsichtlich der in seinem Ermessen stehenden
Bestimmung einer Ausreisefrist (§ 50 Abs. 1 Satz 1 AuslG)
überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen hat. Die
Ausländerbehörde hat jedoch abzuwägen zwischen dem
öffentlichen Interesse an der baldigen Ausreise des Ausländers
und dessen privaten Belangen. Dabei ist die Ausreisefrist so
zu bemessen, daß der Ausländer noch diejenigen Angelegenheiten
regeln kann, die seine Anwesenheit erfordern</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">- vgl. BVerwG, Urteil vom 22.
Dezember 1997 - 1 C 14.96 -, InfAuslR
1998, 217 -</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">bzw. die es ihm ermöglichen, unter zumutbaren Bedingungen
auszureisen. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Abschiebungsandrohung des Antragsgegners enthält keine
entsprechenden Ausführungen. Auf solche kann schon unter
Berücksichtigung der nur kurzen Ausreisefrist von 10 Tagen
wegen der Besonderheiten des vorliegenden Falles (sieben
minderjährige Kinder, schwere Krankheit des Antragstellers zu
7.) auch nicht ausnahmsweise verzichtet werden. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Des weiteren ist die Abschiebungsandrohung ohnehin mit
einer zu kurz bemessenen Ausreisefrist versehen worden. Die
Frist ist deshalb zu kurz bemessen, weil es der am 26. Januar
1998 geborenen Antragstellerin zu 9. nicht zugemutet werden
kann, ohne ihre Mutter, der Antragstellerin zu 2., deren
Ausreisepflicht gegenwärtig aus den vorgenannten Gründen nicht
zwangsweise durchzusetzen ist, auszureisen. Wenn jedoch die
Ausreisefrist zu kurz bemessen ist, so ergibt sich hieraus
zwangsläufig die Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung;
denn die Ausreisefrist ist - jedenfalls in der Regel (§ 50
Abs. 1 und 5 AuslG) - wesentlicher Bestandteil der
Abschiebungsandrohung.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Vgl. Senatsbeschluß vom 19.
September 1996 - 18 B 3505/95 -,
NWVBl 1997, 108.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die
Streitwertfestsetzung folgt aus § 20 Abs. 3 iVm § 13 Abs. 1
GKG.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
</p>
|
114,479 | olgk-1999-09-17-19-u-1099 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
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} | 19 U 10/99 | 1999-09-17T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:47 | 2019-02-11T10:39:22 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1999:0917.19U10.99.00 | <span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch des Beklagten
gegen das Versäumnisurteil vom 02.07.1999 ist nicht begründet.
Seine Berufung kann auch weiterhin keinen Erfolg haben. Er ist
verpflichtet, den der Höhe nach unstreitigen Kaufpreis für die im
September 1997 bei der Klägerin bestellten Hemden zu bezahlen (§
433 II BGB).</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber beruft der Beklagte sich ohne Erfolg darauf, es
habe sich um ein unternehmensbezogenes Geschäft gehandelt, weil er
bei der Warenbestellung der Klägerin nach der Bekundung des Zeugen
W. einen Briefbogen mit dem Briefkopf "R. Maßhemden M. B."
übergeben habe; er habe der Klägerin auch die
UmsatzsteuerIdentifikationsnummer seines Sohnes angegeben. In einem
solchen Falle werde der jeweilige Unternehmensinhaber, hier also
sein Sohn M. B., Vertragspartner. Die Regel des § 164 II BGB sei
dann nicht anzuwenden. Das ist insoweit richtig, als bei
unternehmensbezogenen Geschäften der Wille der Beteiligten im
Zweifel dahin geht, dass der Betriebsinhaber Vertragspartner werden
soll (BGH NJW 1996, 1053, 1054; 1995, 43, 44; dort zitiert: RGZ 67,
148, 149; BGHZ 91, 148, 152 = NJW 1984, 2164 = LM § 11 GmbHG Nr.
33; BGHZ 92, 259, 268 = NJW 1985, 136 = LM § 1643 BGB Nr. 7).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Dies gilt auch dann, wenn der Geschäftspartner den Vertreter für
den Betriebsinhaber hält oder sonst unrichtige Vorstellungen über
die Person des Betriebsinhabers hat (BGH NJW 1996, 1053, 1054 m.
zahlr. Nachw.). Die Rechtslage ist hier aber anders, weil die
unmittelbaren Vertragsbeteiligten die Einschaltung des Beklagten
als Handelnden im eigenen Namen gewollt haben; deshalb ist dieser
Vertragspartner der Klägerin geworden (vgl. BGH NJW 1984, 1347,
1348; 1990, 2678, 2679; OLG Düsseldorf OLGR 1994, 181, 182). Der
Zeuge W. - dessen Aussage die Berufungsbegründung nicht angreift -
hat bekundet, dass sich der Beklagte zunächst telefonisch gemeldet
und gesagt habe, er brauche Ware für einen Kunden, weil ein
rumänischer Lieferant ausgefallen sei. Bei dem Gespräch habe der
Beklagte einen Kunden der Klägerin als Referenzadresse genannt, der
dann auf Nachfrage der Klägerin den Beklagten empfohlen habe. Die
Klägerin sah also in dem ihr bis dahin unbekannten Beklagten einen
Kunden, mit dem persönlich sie das Geschäft unbedenklich machen
konnte. Nach Darstellung des Zeugen W. hat der Beklagte mit keinem
Wort erwähnt hat, dass jemand anderes als er selbst als Besteller
in Betracht käme. Die Firma auf dem übergebenen Briefbogen hielt
die Klägerin für die des Beklagten persönlich; dass es sich um die
Firma seines Sohnes handelte, war für die Klägerin nicht erkennbar.
Dementsprechend hat der Beklagte auch später, als der Zeuge W. ihn
wegen der Identifikationsnummer anrief, gesagt, diese Nummer laute
auf seinen Namen und seine Anschrift. Auch anschließend, als er mit
dem Anwalt der Klägerin über Zahlungsmodalitäten verhandelte, hat
er unstreitig keinen Hinweis darauf gegeben, dass er persönlich
nicht Vertragspartner der Klägerin sei und daher auch nicht hafte.
Wenn die Berufungsbegründung ausführt, es sei bei den Telefonaten
immer nur um die Verbindlichkeiten der Fa. R. Maßhemden M. B.
gegangen, dann mag das insofern richtig sein, als der Beklagte so
bei der Klägerin durch Überreichung des Briefbogens aufgetreten
war. Die Schlußfolgerung, "also" habe es sich um die
Verbindlichkeiten des Sohnes gehandelt, trifft jedoch aus den
genannten Gründen nicht zu. Abgesehen von diesen Erwägungen würde
der Beklagte der Klägerin auch aus Rechtsschein haften. Der BGH hat
das insbesondere dann angenommen, wenn der
Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH im Geschäftsverkehr
auftrat, ohne kenntlich zu machen, dass er für einen
Unternehmensträger mit beschränkter Haftungsmasse handelte (z.B.
NJW 1990, 2678, 2679; vgl. Palandt/Heinrichs, BGB 57. Aufl., § 164
Rz. 3 m. w. Nachw.). Dazu hat der BGH (a.a.O.) ausgeführt: "Tritt
der Vertreter des Unternehmensträgers gegenüber einem
Geschäftspartner oder allgemein im Geschäftsverkehr in der Weise
auf, daß er den Eindruck erweckt, er sei selber oder zusammen mit
anderen der Träger des Unternehmens, der dieses in unbeschränkter
persönlicher Haftung betreibt, so muß er sich gegenüber dem auf den
damit zurechenbar gesetzten Schein gutgläubig Vertrauenden so
behandeln lassen, als entspräche der Schein der Wirklichkeit." Der
Gedanke läßt sich über die GmbH hinaus verallgemeinern. Dazu
zutreffend das OLG Düsseldorf (DB 1992, 570): "... Der Bekl. müßte
sich dann wenigstens den von ihm hervorgerufenen Schein der
Unternehmerschaft zurechnen lassen. Es ist nämlich in der
höchstrichterlichen Rechtspr. anerkannt, daß derjenige, der den
Eindruck erweckt, er sei Träger des Unternehmens, sich gegenüber
dem gutgläubigen Vertragspartner so behandeln lassen muß, als
entspräche der Schein der Wirklichkeit." Der Unterschied zu dem
vorher erwähnten Grundsatz, dass bei unternehmensbezogenen
Geschäften der wahre Betriebsinhaber auch dann Vertragspartner
wird, wenn die Gegenseite den Vertreter für den Betriebsinhaber
hält, liegt darin, dass hier der Vertreter besondere Gründe für die
irrige Annahme seiner Unternehmereigenschaft schafft.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO. Das Urteil ist
nach den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO vorläufig vollstreckbar.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Wert der Beschwer des Beklagten: 19.449,15 DM.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Jaeger Gedig Pütz</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">- 4 -</p>
|
114,480 | lagk-1999-09-16-10-sa-53499 | {
"id": 795,
"name": "Landesarbeitsgericht Köln",
"slug": "lagk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Arbeitsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 10 Sa 534/99 | 1999-09-16T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:47 | 2019-02-11T10:39:22 | Urteil | ECLI:DE:LAGK:1999:0916.10SA534.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"> Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Freizeitausgleich nicht nur für dienstplanmäßige Feiertagsarbeit, sondern auch dann zu gewähren, wenn der dienstplanmäßig freie Tag auf einen Wochenfeiertag fällt. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"> Die Klägerin ist seit dem 01.09.1986 im Pflegedienst der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte betreibt ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie. Sie beschäftigt ca. 135 Mitarbeiter im Tagdienst und ca. 20 Mitarbeiter im Nachtdienst. Die Klägerin arbeitet ausschließlich im Nachtdienst. Im Nachtdienst besteht die Regelung, dass die Mitarbeiter/innen in einer Woche 77 Stunden arbeiten und dafür in der Folgewoche Freizeit haben. Die im Tagdienst (Früh- und Spätdienst) Beschäftigten arbeiten dienstplanmäßig nicht nach einem festen Rhythmus. Gelegentlich arbeiten nach den betrieblichen Notwendigkeiten Mitarbeiter/innen des Nachtdienstes auch im Tagdienst und umgekehrt. Die Beklagte ist berechtigt, Beschäftigte des Nachtdienstes bis zu 10 Tage im Jahr im Tagdienst einzusetzen. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) Anwendung. Nach § 1 Abs. 1 der Anlage 5 AVR beträgt die regelmäßige Arbeitszeit der Mitarbeiter durchschnittlich 38,5 Stunden in der Woche. Dabei ist der Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Arbeitszeit in der Regel ein Zeitraum von 13 Wochen zugrunde zu legen. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks"> Bis September 1997 berechnete die Beklagte bei allen ihren Mitarbeitern eine monatliche Sollarbeitsstundenzahl in der Weise, dass sie alle Arbeitstage im Monat mit 7,7 Stunden multiplizierte, um so auf die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden zu kommen. Bei der Berechnung der Anzahl der Arbeitstage zog die Beklagte die Samstage, Sonntage und Wochenfeiertage </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">unabhängig davon ab, ob diese in eine Arbeitswoche oder eine Freischichtwoche der Arbeinehmer fielen. Ab Oktober 1997 änderte die Beklagte diese Berechnung für die im Nachtdienst tätigen Beschäftigten, in dem sie außer den Samstagen und Sonntagen nur noch die Wochenfeiertage abzog, die in eine Arbeitswoche der Arbeitnehmer fielen. Die in den Freizeitblock der Nachtdienstmitarbeiter/innen fallenden Wochenfeiertage berücksichtigte sie bei der Ermittlung der monatlichen Sollarbeitsstundenzahl nicht mehr als arbeitszeitmindernd. Für die im Tagdienst beschäftigten Arbeitnehmer blieb es bei der alten Regelung. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks"> Da die Beklagte die neue Berechnung für den Nachtdienst zunächst rückwirkend ab März 1997 eingeführt hatte, hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verpflichten, die alte Regelung auch nach dem 01.03.1997 beizubehalten. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, soweit sie sich gegen die Rückwirkung richtete. Im übrigen hat es die Klage als unbegründet abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie vertritt die Auffassung, nach § 2 Abs. 3 Unterabsatz 2 der Anlage 5 AVR seien auch die in die Freizeitwoche fallenden Wochenfeiertage arbeitszeitmindernd zu berücksichtigen. Im übrigen folge ihr Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"> festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"> auch ab Oktober 1997 Freizeitausgleich nicht nur für dienst-</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"> planmäßige Feiertagsarbeit, sondern auch dann zu gewäh-</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"> ren, wenn der dienstplanmäßig freie Tag auf einen Wochen-</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"> feiertag fällt. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"> die Berufung zurückzuweisen. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"> Sie vertritt die Auffassung, ein Anspruch der Klägerin ergebe sich weder aus den AVR noch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Ungleichbehandlung zwischen den in Tagschicht und den in Nachtschicht arbeitenden Beschäftigten sei deshalb gerechtfertigt, weil die Tagschichtmitarbeiter/innen nicht wie die in der Nachtschicht in einem festen Rhythmus arbeiteten. Dadurch sei eine höhere Belastung für die Tagschichtmitarbeiter/innen gegeben, die ihre Bevorzugung rechtfertige. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"> Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><u><b> Entscheidungsgründe</b> </u></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"> Die nach dem Beschwerdewert statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"> Die nach § 256 ZPO zulässige Feststellungsklage ist begründet. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">I. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass auch für sie als Nachtschichtmitarbeiterin die in eine Freischichtwoche fallenden Wochenfeiertage bei der Berechnung der Sollarbeitszeit arbeitszeitmindernd berücksichtigt werden. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">1. Dieser Anspruch ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin allerdings nicht aus den AVR. Die regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin beträgt im Durchschnitt von 13 Wochen 38,5 Stunden wöchentlich (§ 1 Abs. 1 der Anlage 5 AVR). Die Klägerin erbringt daher die arbeitsvertraglich von ihr geschuldete Leistung, wenn sie nach den für sie bestehenden Dienstplänen bzw dem festen Rhythmus im Nachtdienst mit einer Arbeitswoche und einer darauf folgenden Freiwoche durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich arbeitet, unabhängig davon, ob ein Wochenfeiertag in diese Woche fällt oder nicht. § 1 Abs. 8 der Anlage 5 AVR macht deutlich, dass durch einen Wochenfeiertag keine Verminderung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eintritt. Denn die wöchentliche Arbeitszeit </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">ist nach dieser Bestimmung auf die Tage in der Woche zu verteilen, an denen in der Einrichtung regelmäßig gearbeitet wird. Eine Woche ist der Zeitraum von Montag 0.00 Uhr bis Sonntag 24.00 Uhr (§ 1 Abs. 8 S. 2 der Anlage 5 AVR). In der Einrichtung der Beklagten wird rundum in der Woche gearbeitet. § 2 Abs. 1 der Anlage 5 AVR bestimmt, dass in Einrichtungen, deren Aufgaben Nacht-, Wechselschicht-, Schicht-, Sonn- oder Feiertagsarbeit erfordern, dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich gearbeitet werden muss, wobei dienstplanmäßige Arbeit die Arbeit ist, die innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an den nach dem Dienstplan festgelegten Kalendertagen regelmäßig zu leisten ist (§ 1 Abs. 8 S. 3 der Anlage 5 AVR). </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks"> Die Klägerin beruft sich ohne Erfolg auf § 2 Abs. 3 Unterabsatz 2 der Anlage 5 AVR. Diese Bestimmung regelt die Arbeit an Feiertagen und ordnet an, dass dafür ein Ersatzruhetag zu gewähren ist, der nicht auf einen anderen gesetzlichen Feiertag fallen darf. Die Klägerin macht keinen Anspruch auf Ausgleich für an einem Wochenfeiertag geleistete Arbeit geltend, sondern sie verlangt einen Ausgleich für die dienstplanmäßig an einem Wochenfeiertag gewährte Freizeit. Fällt nach dem Dienstplan der Feiertag in die Arbeitswoche, zieht die Beklagte diesen Tag nach wie vor von der Sollarbeitszeit ab, d.h. sie berücksichtigt ihn als arbeitszeitmindernd. Darum geht es im vorliegenden Rechtsstreit nicht. Ein Anspruch auf Freizeitausgleich für Wochenfeiertage, die dienstplanmäßig in die Freiwoche fallen, ist in § 2 Abs. 3 Unterabsatz 2 der Anlage 5 AVR gerade nicht gewährt worden (vergl. zu einer ähnlichen Fallgestaltung die Entscheidung des BAG im Urteil vom 04.08.1988 - 6 AZR 269/86 - nicht veröffentlicht). </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">2. Der Anspruch lässt sich auch nicht aus § 2 EFZG herleiten. Der Anspruch auf die Feiertagsbezahlung erwächst nur dann, wenn allein der Feiertag Ursache des Arbeitsausfalls ist. Der gesetzliche Anspruch entsteht dagegen nicht, wenn der Arbeitsausfall auf anderen Gründen beruht, etwa weil der Angestellte an diesem Tag dienstplanmäßig freigestellt ist (BAG aaO). </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">3. Soweit das Arbeitsgericht einen Anspruch aus betrieblicher Übung erwogen und verneint hat, ist dem zuzustimmen. Das Berufungsgericht nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf die Entscheidungsgründe der Vor-instanz Bezug, denn es kommt zu übereinstimmenden Feststellungen (§ 543 Abs. 1 ZPO). In der Berufungsinstanz hat sich die Klägerin mit diesem rechtlichen Gesichtspunkt auch nicht mehr befasst und das Urteil der Vorinstanz insoweit nicht angegriffen. </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">4. Der Anspruch der Klägerin folgt aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks"> Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet dem Arbeitgeber, einzelne Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen von einer allgemeinen begünstigenden Regelung willkürlich, d.h. ohne sachlichen Grund auszuklammern. Dem liegt die Wertung zugrunde, dass der Arbeitgeber an eine von ihm selbst gesetzte aus seinem tatsächlichen Verhalten erkennbare Regel in der Weise gebunden ist, dass er nur aus sachlichen Gründen von ihr abweichen darf. Liegt ein sachlicher Grund nicht vor, kann der übergangene Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der allgemeinen Regelung behandelt zu werden. </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">So liegt der Fall hier. </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks"> Zunächst ist festzustellen, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, in die dienstplanmäßig freie Zeit fallende Wochenfeiertage arbeitszeitmindernd zu berücksichtigen. Dies gilt sowohl für die Beschäftigten im Nachtdienst als auch für die im Tagdienst. Dies sieht die Beklagte heute nicht anders, selbst wenn der langjährig gewährte Freizeitausgleich an alle Beschäftigten früher auf einem Irrtum in der Rechtsanwendung beruht haben sollte. Die Beklagte hat die bis September 1997 ohne Rechtsgrund erbrachten Leistungen ab Oktober 1997 nur noch an die im Tagdienst Beschäftigten weiter gewährt, während sie die Mitarbeiter/innen im Nachtdienst von der Vergünstigung ausgeklammert hat. Dadurch wird eine Arbeitnehmergruppe, zu der die Klägerin gehört, in vergleichbarer Lage schlechter gestellt, ohne das es dafür anerkennenswerte sachliche Gründe gibt. </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks"> Für die Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung einer Differenzierung kommt es darauf an, ob sich nach dem Zweck der Vergünstigung Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, der einen Arbeitnehmergruppe Leistungen vorzuenthalten, die der anderen eingeräumt werden. Eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern ist dann mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, wenn die Unterscheidung gerade nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt ist. Das ist vorliegend nicht der Fall. </p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks"> Die Beklagte hat sich ausweislich ihres Schreibens vom 29.08.1997 an die Klägerin zunächst darauf berufen, dass ihr bei der Überprüfung des Berechnungsmodus für die Sollstunden aufgefallen sei, dass die bisherige Berechnungsweise fehlerhaft ist. Bei Mitarbeitern, die in einem festen Rhythmus arbeiteten, dürften nur die Wochenfeiertage in Abzug gebracht werden, die in der Dienstwoche des Mitarbeiters lägen. Damit läßt sich die unterschiedliche Behandlung zwischen den Arbeitskräften im Tag- und Nachtdienst nicht rechtfertigen. Auch die Arbeitnehmer im Tagdienst haben keinen Anspruch darauf, dass in die dienstplanmäßig freie Zeit fallende Wochenfeiertage arbeitszeitmindernd berücksichtigt werden, wobei es auf die unterschiedlichen Freischichtmodelle zwischen Tag- und Nachtschicht nicht ankommt. </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks"> Die Beklagte hat sich weiter als Rechtfertigung für die Differenzierung zwischen den beiden Mitarbeitergruppen darauf berufen, dass der feste Rhythmus im Nachtdienst den dort Beschäftigten eine bessere Vorhersehbarkeit ihres Einsatzes erlaube als den Mitarbeitern im Tagdienst, die unregelmäßig eingesetzt würden. Soweit die Mitarbeiter im Tagdienst Früh- und Spätdienst leisten, also im Schichtdienst tätig sind, erhalten sie für ihre Erschwernisse die vertraglich vorgesehene Schichtzulage. Im übrigen müssen auch die Mitarbeiter/innen des Nachtdienstes damit rechnen, gelegentlich im Tagdienst eingesetzt zu werden. Da nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Klägerin für den Tagdienst im Grundsatz Monatsdienstpläne erstellt werden, besteht auch für die Mitarbeiter/innen des Tagdienstes eine gewisse Vorhersehbarkeit ihres Einsatzes. </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks"> Eine Differenzierung, die an die dienstplanmäßige Freizeit anknüpft und diese unterschiedlich danach bewertet, ob der Mitarbeiter im Tag- oder Nachtdienst tätig ist, ist nach Auffassung der Berufungskammer sachlich nicht gerechtfertigt. In beiden Diensten ist nach der Erörterung in der Berufungsverhandlung die dienstplanmäßige Freistellung feiertagsunabhängig. Fällt ein Wochenfeiertag in die Freizeit, so soll dies beim Tagdienst zu einer Arbeitszeitminderung führen, nicht aber beim Nachtdienst. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich von der Differenzierung zwischen Verwaltungsmitarbeitern in der 5-Tage-Woche auf der einen Seite und Arbeitnehmern in Freischichtmodellen auf der anderen Seite. Bei Verwaltungsangestellten in der 5-Tage-Woche ist der Feiertag ohnehin frei, es besteht keine Arbeitspflicht. Diese Gruppe von Arbeitnehmern ist nicht vergleichbar mit den Arbeitnehmern, die nach einem Freischichtsystem arbeiten. Im Freischichtsystem ergibt erst der Dienstplan, ob Feiertage frei sind. Innerhalb eines solchen Systems ist ein Sachgrund für eine Differenzierung bei der Behandlung von Wochenfeiertagen in der dienstplanmäßigen Freizeit nicht ersichtlich. </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks"><u><b> Rechtsmittelbelehrung</b> </u></p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks"> Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlicher Grund. </p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks"> Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird verwiesen. </p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">(Schroeder) (Hanel) (Brinkmann) </p>
|
114,481 | ovgnrw-1999-09-16-19-a-546698 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 19 A 5466/98 | 1999-09-16T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:47 | 2019-02-12T13:54:24 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0916.19A5466.98.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg,
weil die Voraussetzungen für eine Zulassung nach § 124 Abs. 2
der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - nicht vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Es ist schon zweifelhaft, ob der Antrag der Vorschrift des
§ 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO genügt, wonach die Gründe, aus
denen die Berufung zuzulassen ist, innerhalb der Antragsfrist
dargelegt werden müssen. "Dargelegt" im Sinne dieser
Vorschrift ist ein Zulassungsgrund nur, wenn er zweifelsfrei
vom Kläger benannt wird und konkret ausgeführt ist, warum
dieser Zulassungsgrund vorliegen soll. Es spricht viel dafür,
daß der Schriftsatz vom 16. November 1998 diesen Anforderungen
deshalb nicht genügt, weil in ihm vorab auf vier der in
§ 124 a genannten Zulassungsgründe Bezug genommen wird (§ 124
Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 1. und 2. Alternative, Nr. 3 VwGO), ohne
daß das folgende Vorbringen jeweils einem oder mehreren der
genannten Zulassungsgründe zugeordnet oder etwa gar
herausgearbeitet wird, warum diese vorliegen sollen. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Jedenfalls aber ist die geltend gemachte grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO
nicht dargelegt. Der Kläger trägt zur Begründung seines
Zulassungsantrages vor, daß er angesichts der früheren
Handhabung der Verlängerung der Geltungsdauer seiner
Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung durch die Beklagte
darauf habe vertrauen dürfen, daß die Verlängerung jedenfalls
nicht ohne eine vorherige "Abmahnung/Vorankündigung" allein
aufgrund der nach der letzten Verlängerung abgeurteilten bzw.
begangenen Straftaten versagt werden würde, und daß die
Nichtverlängerung angesichts seiner persönlichen Lebens- und
Familiensituation unverhältnismäßig sei. Diese Fragen
betreffen allein seinen Einzelfall und sind einer allgemeinen
Klärung nicht zugänglich. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit seinem Vorbringen hat der Kläger auch nicht im Sinne
des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ernstliche Zweifel an der
Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts
begründet, das die die Verlängerung der Fahrgasterlaubnis
ablehnenden Bescheide als rechtmäßig angesehen hat. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 15 f Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 2 der Straßenverkehrs-
Zulassungs-Ordnung - StVZO -, der zum Zeitpunkt der
Entscheidung des Verwaltungsgerichts noch nicht durch Artikel
2 Ziffer 2 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum
Straßenverkehr und zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher
Vorschriften vom 18. August 1998 (BGBl. I S. 2214) aufgehoben
war, wird die Geltungsdauer der Fahrerlaubnis zur
Fahrgastbeförderung auf Antrag des Inhabers jeweils bis zu
drei Jahren verlängert, wenn u.a. kein Anlaß zur Annahme
besteht, daß die Voraussetzung des § 15 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Halbsatz 2 StVZO, wonach keine Bedenken gegen die persönliche
Zuverlässigkeit bestehen dürfen, fehlt. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die persönliche Zuverlässigkeit ist nach der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Beschluß vom 1. September 1970 - VII
B 60.70 -, Buchholz 442.16 § 15 e StVZO
Nr. 1 und Beschluß vom 19. März 1986
- 7 B 19.86 -, Buchholz a.a.O. Nr. 3 =
NJW 1986, 2779</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">und des erkennenden Senats des Oberverwaltungsgerichts für
das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NW)</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Beschluß vom 25. August 1998 - 19 A
3812/98 -, NWVBl. 1999, 151 m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">eine persönliche Charaktereigenschaft, die die
Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen kennzeichnet und für
deren Prüfung wesentlich darauf abzustellen ist, ob der
Betroffene sich des Vertrauens, er werde die Beförderung von
Fahrgästen ordentlich ausführen, würdig zeigt oder nicht. Sie
betrifft das besondere Vertrauensverhältnis zwischen dem Taxi-
bzw. Mietwagenfahrer und seinen Fahrgästen in Bezug auf deren
ordnungsgemäße Beförderung und ist durch Würdigung der
Gesamtpersönlichkeit des Betroffenen anhand aller bekannten
verwertbaren Straftaten und Ordnungswidrigkeiten
verkehrsrechtlicher und nichtverkehrsrechtlicher Art sowie
sonstiger aktenkundig gewordener Vorkommnisse zu beurteilen.
Dabei genügt der in § 15 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2
StVZO getroffenen Regelung zufolge das Bestehen von Bedenken
gegen die persönliche Zuverlässigkeit; der Nachweis mangelnder
Zuverlässigkeit ist nicht erforderlich. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Annahme des Verwaltungsgerichts, daß insbesondere die
im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Taxifahrer stehenden
Straftaten, wegen derer der Kläger durch Urteile des
Amtsgerichts Bonn vom Februar 1995 und vom Oktober 1996 (84 Cs
27 Js 2036/93-502/94 und 80 Cs 133 Js 382/96-364/96) wegen
gefährlicher Körperverletzung bzw. Körperverletzung zu einer
Geld- und einer Bewährungsstrafe verurteilt worden ist, unter
gleichzeitiger Berücksichtigung früherer Straftaten Bedenken
an seiner persönlichen Zuverlässigkeit begründen, steht nicht
entgegen, daß die Straßenverkehrsbehörde in früheren Jahren
trotz rechtskräftiger Verurteilungen die Fahrerlaubnis zur
Fahrgastbeförderung verlängert und den Kläger nicht vorab auf
die nunmehr drohende Nichtverlängerung der Fahrerlaubnis
hingewiesen hat. Zum einen hat die Behörde entgegen der
Auffassung des Klägers gerade nicht bei vergleichbarer
Fallkonstellation überraschend Bedenken gegen die persönliche
Zuverlässigkeit bejaht. Denn es versteht sich von selbst, daß
die Annahme, jemand werde sich eine strafrechtliche
Verurteilung zu Herzen nehmen und künftig straffrei bleiben,
um so weniger gerechtfertigt ist, je mehr Straftaten begangen
werden, und daß Bedenken gegen die persönliche Zuverlässigkeit
des Bewerbers um so eher gerechtfertigt sind, wenn die
Straftaten im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Taxifahrer
stehen. Zum anderen ist der von dem Kläger gewünschte Hinweis
der Straßenverkehrsbehörde im Gesetz nicht vorgesehen und
angesichts des ordnungsrechtlichen Charakters der Vorschriften
des Fahrerlaubnisrechts, die dem Schutz von Rechtsgütern
anderer Verkehrsteilnehmer, vorliegend speziell der Fahrgäste,
dienen sollen, auch nicht aus übergeordneten Gesichtspunkten,
z.B. des Vertrauensschutzes, geboten. Im übrigen folgt schon
aus der gesetzlichen Befristung der Verlängerung auf bis zu
drei Jahre hinreichend deutlich, daß der Inhaber einer
Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung sich in jedem
Verlängerungszeitraum wieder so verhalten muß, daß Bedenken
gegen seine persönliche Zuverlässigkeit nicht entstehen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des
Verwaltungsgerichts folgen auch nicht daraus, daß nicht
zugunsten des Klägers berücksichtigt worden ist, daß ihm durch
die Nichtverlängerung eine bzw. sogar seine einzige
Verdienstmöglichkeit genommen wird. Denn nach dem Wortlaut des
§ 15 f StVZO ist bei Bedenken gegen die persönliche
Zuverlässigkeit die Verlängerung der Fahrerlaubnis zwingend zu
versagen und der Behörde ein Ermessen zur Berücksichtigung
persönlicher Belange nicht eröffnet. Auch insoweit steht der
ordnungsrechtliche Charakter dieser Vorschrift einer
erweiternden Auslegung entgegen. Nur ergänzend wird deshalb
darauf hingewiesen, daß die Behauptung des Klägers, er und
seine dreiköpfige Familie seien allein wegen der Versagung der
Verlängerung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung auf
Sozialhilfe angewiesen, im Widerspruch zu seinen Ausführungen
in den Strafverfahren steht, wonach er durch das Taxifahren
nur ein geringes Einkommen erziele (600,-- DM ausweislich des
Urteils vom Februar 1995 bzw. 100,-- bis 200,-- DM ausweislich
des Urteils vom Oktober 1996) und wonach er selbst bzw. seine
Familienmitglieder Sozialhilfe bezögen. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Nach alledem weist auch die Rechtssache nicht die
behaupteten besonderen tatsächlichen und rechtlichen
Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Abschließend sei darauf hingewiesen, daß die Rechtslage
sich für den Kläger durch die am 1. Januar 1999 in Kraft
getretene Fahrerlaubnisverordnung - FeV - nicht verbessert
hat. Soweit nach § 48 FeV die Verlängerung der Fahrerlaubnis
zur Fahrgastbeförderung voraussetzt, daß keine Tatsachen die
Annahme rechtfertigen, daß der Fahrerlaubnisinhaber nicht die
Gewähr dafür bietet, daß er der besonderen Verantwortung bei
der Beförderung von Fahrgästen gerecht wird, hat der
Gesetzgeber die von der Rechtsprechung gefundene Auslegung zum
Tatbestandsmerkmal der persönlichen Zuverlässigkeit in § 15 e
StVZO a.F. im Kern übernommen, so daß diese oben dargestellte
Rechtsprechung für die neu gefaßten Vorschriften fortgilt.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">So OVG NW, Beschluß vom 23. August
1999 - 19 B 1010/99 -.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die
Streitwertfestsetzung und -änderung beruht auf den §§ 13 Abs.
1, 14, 25 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.
Der Senat setzt in ständiger Rechtsprechung in
Hauptsacheverfahren, die die Erteilung, Verlängerung oder
Entziehung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung
betreffen, den Streitwert in Höhe des gesetzlichen
Auffangwertes gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG fest, wenn es - wie
hier - nicht zugleich um die Fahrerlaubnis der Klasse 2 oder 3
geht.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Vgl. Senatsbeschluß vom 4. Februar
1999 - 19 E 61/99 -, m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluß ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3
Satz 2 GKG unanfechtbar.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,482 | olgham-1999-09-16-2-ws-25999 | {
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"jurisdiction": null,
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} | 2 Ws 259/99 | 1999-09-16T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:47 | 2019-02-14T10:24:17 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0916.2WS259.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Gründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeführerin wurde zu der auf den 7. Mai 1998 vor der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bochum anberaumten Berufungshauptverhandlung für 9.00 Uhr geladen. Die Ladungsschrift wurde ihr am 21. April 1998 durch persönliche Übergabe förmlich zugestellt. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 29. April 1998, welches am folgenden Tage beim Landgericht Bochum einging, teilte die Beschwerdeführerin mit, sie habe leider feststellen müssen, dass sie an diesem Tag schon einen anderen Gerichtstermin beim Amtsgericht in Witten um 9.30 Uhr wahrnehmen müsse. Beigefügt war diesem Schreiben die an die Rechtsanwälte O und Partner in X gerichtete Ladung des Amtsgerichts Witten in der Zivilrechtssache 2 C 524/97. Wie das Schreiben der Beschwerdeführerin nebst Anlage sowie die beigezogenen Zivilprozessakten 2 C 524/97 AG Witten ersichtlich machen, lag der Entschuldigung folgender Sachverhalt zugrunde:</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">In dem Rechtsstsreit C ./. Firma N GmbH & Co. KG</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">- 2 C 524/97 AG Witten - war die Arbeitgeberin der Beschwer-</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">deführerin auf Zahlung von Schadensersatz aus Anlass eines Verkehrsunfalles wegen angeblicher mangelhafter Sicherung einer von der Beklagten unterhaltenen Baustelle, für die die Beschwerdeführerin als Bauleiterin verantwortlich zeichnete, verklagt worden. Das Amtsgericht Witten lud mit Verfügung vom 26. Januar 1998 die Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten zu dem auf den 7. Mai 1998 um 9.30 Uhr anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung. Diese teilten dem Amtsgericht Witten mit Schreiben vom 27. April 1998 mit, die Beschwerdeführerin werde zum Termin am 7. Mai 1998 als Zeugin gestellt werden. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Eine Reaktion des Landgerichts Bochum auf das Schreiben vom </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">29. April 1999 erfolgte nicht. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Da die Beschwerdeführerin zur Hauptverhandlung vor dem Landgericht Bochum nicht erschien, verhängte die bezeichnete kleine Strafkammer gegen sie durch den im Hauptverhandlungsprotokoll vom 7. Mai 1998 festgehaltenen Beschluss ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 DM, ersatzweise sechs Tage Ordnungshaft. Ferner wurden ihr und einer weiteren ebenfalls nicht erschienenen Zeugin die durch ihr Nichterscheinen entstandenen Mehrkosten auferlegt. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsätzen ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 17. August 1998 und 18. Februar 1999, die als "Dienstaufsichtsbeschwerde" bzw. "Erinnerung" bezeichnet worden sind, sinngemäß nach § 51 Abs. 2 StPO die Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses beantragt. Das Landgericht Bochum hat den Antrag durch den angefochtenen Beschluss als unbegründet zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Ladung in dem Zivilprozess vor dem Amtsgericht Witten sei an die Rechtsanwälte O und Partner gerichtet gewesen, wobei nicht ersichtlich sei, dass das persönliche Erscheinen der Beschwerdeführerin vor dem Amtsgericht Witten angeordnet worden sei. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen Beschluss richtet sich die durch die Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin eingelegte Beschwerde vom 28. April 1999, deren Argumentation allerdings großenteils das Postulat der Sachlichkeit außer Acht lässt. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die gemäß § 304 StPO statthafte (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 51 Rn. 28) Beschwerde ist im Ergebnis begründet. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeführerin hatte ihr Ausbleiben nämlich rechtzeitig genügend entschuldigt. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Wie ihrem Schreiben vom 29. April 1998 zu entnehmen ist, war sie davon ausgegangen, zuvor eine Ladung in dem Zivilprozess durch das Amtsgericht Witten erhalten zu haben. Auch wenn dies objektiv nicht zutreffend war und sie lediglich unter Aushändigung der an die Prozessbevollmächtigten der im Zivilprozess Beklagten ergangenen Ladung durch diese als Zeugin gestellt werden sollte, war es der juristisch nicht ausgebildeten Beschwerdeführerin offensichtlich nicht möglich, zwischen der im Strafverfahren erfolgten hoheitlichen Ladung und der im Zivilverfahren beabsichtigten Stellung als Zeugin durch die Partei zu unterscheiden. Insoweit hatte die Beschwerdeführerin auch hinreichende Unterlagen eingereicht, die als rechtzeitig eingegangenes Entschuldigungsschreiben anzusehen waren und eine Reaktion der Strafkammer hierauf erfordert hätte, falls sie gleichwohl das Erscheinen zur Berufungshauptverhandlung für erforderlich hielt (vgl. Löwe-Rosenberg-Dahs, StPO, 25. Aufl., Rn. 12 zu § 51). Bei der gegebenen Sachlage kann davon ausgegangen werden, dass sich die Beschwerdeführerin in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden hat. Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die in der Zeugenladung beigefügte Belehrung, dass ein Zeuge von der Pflicht, zum Termin zu kommen, nur dann befreit ist, wenn ihm dies vom Gericht ausdrücklich mitgeteilt wird. Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt nämlich darin, dass sich die Zeugin mit einer von ihr ebenfalls als amtlich angesehenen Ladung vor ein anderes Gericht entschuldigt hat. Insofern kann der Beschwerdeführerin nicht angelastet werden, dass sie sich trotz Ausbleibens einer Reaktion des Landgerichts nicht noch einmal über ihre Erscheinungspflicht bzw. die Anerkennung des von ihr vorgebrachten Entschuldigungsgrundes vergewissert hat. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Damit waren der angefochtene Beschluss sowie der Ordnungsgeldbeschluss vom 7. Mai 1998 aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">An dieser Entscheidung ist der Senat auch nicht dadurch gehindert, dass die Beschwerdeführerin zwischenzeitlich im März 1999 auf Aufforderung der Staatsanwaltschaft das Ordnungsgeld vollständig gezahlt hat, wie sich aus dem vom Senat beigezogenen Vollstreckungsheft des Ordnungsgeldes (50 VRs 59/99 StA Bochum) ergibt. Die unter dem 28. April 1999 erhobene Beschwerde macht jedenfalls deutlich, dass die Beschwerdeführerin weiterhin den Grund der Anordnung des Ordnungsgeldes beseitigt wissen will. Durch die Zahlung des Ordnungsgeldes hat sie ihr Rechtschutzinteresse und Beschwerderecht nicht verloren, da sie auch weiterhin beschwert ist. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung der §§ 467 und 473 StPO.</p>
|
114,483 | olgham-1999-09-16-6-u-10399 | {
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"name": "Oberlandesgericht Hamm",
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"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 6 U 103/99 | 1999-09-16T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:47 | 2019-02-14T10:24:19 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0916.6U103.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte erwarb Anfang 1997 in ein am ...-Kanal gelegenes Grundstück, zu dem ein seinerzeit mit Pappeln bepflanzter Hochwasserschutzwall gehört. Neben diesem stellte der Kläger, der auf einem Teil des Grundstücks als Pächter eine Gaststätte betreibt, um die Jahresmitte 1997 einen Wohnwagen mit Vorzelt ab. Anfang Januar 1998 stürzte bei einem Sturm eine Pappel um und fiel auf den Wohnwagen, der dadurch stark beschädigt wurde. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit dem Vorwurf, der Beklagte habe in Bezug auf die Pappeln seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, hat der Kläger ihn auf Schadensersatz in Höhe von 14.922,45 DM in Anspruch genommen. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, eine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten, wie sie von der Rechtsprechung bezüglich der von Bäumen ausgehenden Gefahren konkretisiert worden seien, sei nicht dargelegt. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter und macht geltend, der Beklagte habe während seiner Besitzzeit ab Anfang 1997 keinerlei Kontrollen vorgenommen; außerdem sei bei Pappeln eine höhere Sorgfalt angezeigt; eine Sichtkontrolle und ein Zurückschneiden hätten im vorliegenden Fall nicht ausgereicht, weil die später umgestürzte Pappel weitgehend trocken gewesen sei; sie habe Anzeichen für mangelnde Lebensfähigkeit und erhöhte Umsturzgefahr gezeigt. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Er behauptet, er habe die erforderlichen Sichtkontrollen durchgeführt, und bestreitet, daß Anzeichen von Krankheit oder sonst mangelnder Standfestigkeit sich gezeigt hätten. Er macht geltend, gegebenenfalls treffe den Kläger ein wesentliches Mitverschulden, und er bestreitet die Schadenshöhe. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat die Parteien angehört und ein mündliches Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. ... eingeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf den Berichterstattervermerk Bezug genommen. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Klägers hat überwiegend Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist dem Kläger gemäß §§ 823, 535, 581 BGB und nach den Regeln über die positive Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet, weil er seinen Sorgfaltspflichten als Grundstückseigentümer und Verpächter nicht hinreichend nachgekommen ist. Der Kläger muß jedoch gemäß § 254 BGB ein Drittel seines Schadens selbst tragen, weil auch er die Anzeichen für die mangelnde Standsicherheit der später umgestürzten Pappel hätte erkennen können. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte war sowohl als Grundstückseigentümer im Rahmen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht wie auch als Verpächter gegenüber dem Kläger als Pächter gehalten, Vorkehrungen gegen die Gefahren zu treffen, die durch ein Umstürzen von Pappeln auf dem Gelände entstehen konnten, welches zum Teil vom Beklagten und zum anderen Teil vom Kläger als Pächter genutzt wurde (zur Verkehrssicherungspflicht auf einem verpachteten Grundstück vgl. OLG Zweibrücken, VersR 94, 1489; OLG Düsseldorf, OLGR 94, 147). Ebenso wie bei Straßenbäumen wäre grundsätzlich zweimal jährlich durchgeführte Sichtkontrollen ausreichend gewesen (vgl. OLG Hamm - 9. ZS - OLGR 97, 67; OLG Karlsruhe VersR 94, 358 mit Anmerkung Breloer; OLG Hamm, - 9. ZS - VersR 98, 188 mit Anmerkung Breloer). Eingehende Untersuchungen müssen nur dann vorgenommen werden, wenn bestimmte Umstände auf eine besondere Gefährdung hindeuten.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall steht auf Grund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. ... fest, daß der Beklagte entweder keine hinreichenden Sichtkontrollen durchgeführt hat, oder daß er seine eigene Sachkunde in vorwerfbarer Weise überschätzt hat und deswegen die äußerlich sichtbaren Krankheitsanzeichen an der Pappel übersehen hat, die infolge fortgeschrittener innerlicher Verrottung nicht mehr hinreichend standfest war und deswegen beim Sturm abgebrochen und auf den Wohnwagen des Klägers gefallen ist. Der Sachverständige hat anhand der Lichtbilder, die außer dem beschädigten Wohnwagen auch die Reste der beim Sturm umgestürzten Pappel zeigen, überzeugend erläutert, daß auch vorher schon hinreichend deutliche Krankheitsanzeichen sichtbar waren, die bei sorgfältiger Sichtkontrolle hätten entdeckt werden können. Zu einer derart sorgfältigen Sichtkontrolle bestand hier zum einen deswegen Veranlassung, weil nach übereinstimmender Darstellung der Parteien die umgestürzte Pappel nicht zu der Reihe der auf dem Hochwasserschutzdamm gepflanzten Pappeln gehörte, sondern kleiner als diese und deswegen in besonderer Weise ihrem Schatten ausgesetzt war. Zum anderen war Sorgfalt auch deswegen geboten, weil Pappeln bekanntermaßen zu den anfälligeren Gehölzen gehören (vgl. OLG Karlsruhe, VersR 94, 358; OLG München, DAR 85, 25; OLG Düsseldorf, VersR 96, 249 = OLGR 95, 66). Wäre der Beklagte seiner Verpflichtung zur Vornahme sorgfältiger Sichtkontrollen in ausreichendem Maße nachgekommen, so wären - davon ist der Senat auf Grund der Ausführungen des Sachverständigen überzeugt - die äußerlich sichtbaren Krankheitsanzeichen erkannt worden, und bei einer anschließenden eingehenden Untersuchung wäre die mangelnde Standfestigkeit der Pappel rechtzeitig entdeckt worden, was wegen des Ausmaßes ihrer innerlichen Verrottung entweder zu ihrer Abholzung oder zumindest zum Entfernen des darunter abgestellten Wohnwagens geführt hätte. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 254 BGB muß der Kläger aber ein Teil seines Schadens selbst tragen. Er war nicht nur als Pächter neben den Beklagten ebenfalls für die Verkehrssicherheit des Grundstücks verantwortlich, sondern war auch im eigenen Interesse gehalten, seinen Wohnwagen keinen vermeidbaren Gefahren auszusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Im Fall der Vermietung oder Verpachtung eines Grundstücks an einen Dritten hängt die Verteilung der Verantwortlichkeit zwischen Eigentümer und Pächter von den Umständen ab. Im Falle einer langandauernden Verpachtung und alleinigen Nutzung des Grundstücks durch den Pächter mag es im Einzelfall angemessen erscheinen, ihm im Verhältnis zum Verpächter die überwiegende oder alleinige Verantwortlichkeit zuzuweisen. Hier lag aber die Grundstücksüberlassung erst kurze Zeit zurück, und es kommt entscheidend hinzu, daß der Beklagte selbst einen Teil des insgesamt übersichtlichen Grundstücks bewohnte. Unter diesen Umständen erschien es dem Senat sachgerecht, ihm im Verhältnis zum Kläger die überwiegende Verantwortlichkeit zuzuweisen und dessen Schadensersatzanspruch wegen seiner Mitverantwortlichkeit um ein Drittel zu kürzen. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Da der Kläger seinen Wohnwagen nicht hat reparieren lassen, sondern ihn in beschädigtem Zustand verkauft hat, ist zwischen den beiden Möglichkeiten der Naturalrestitution - Reparatur oder Ersatzbeschaffung - ein strenger Kostenvergleich vorzunehmen (vgl. BGH NJW 92, 302 = r+s 92, 15; Senat r+s 99, 326). Dieser führt dazu, daß nicht die geltend gemachten Reparaturkosten von 14.922,45 DM zugrundezulegen sind, sondern die Differenz zwischen dem mit 16.000,00 DM festgestellten Wiederbeschaffungswert und dem Restwert. Für dessen Höhe ist nicht das Restwertangebot in Höhe von 4.500,00 DM maßgeblich, welches der vom Haftpflichtversicherer des Beklagten beauftragte Schadensgutachter von der Firma ... eingeholt hat, zumal nicht ersichtlich ist, ob und wann es dem Kläger zugegangen ist (zur Bedeutung des Restwertsangebots vgl. im übrigen Senat, r+s 99, 326), sondern der Erlös von 3.500,00 DM, den der Kläger im Rahmen der ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten erzielt hat (vgl. LG Freiburg, DAR 99, 408). Es ergibt sich demgemäß ein berücksichtigungsfähiger Schaden von 12.500,00 DM, den der Beklagte entsprechend seiner Haftungsquote von 2/3 dem Kläger in Höhe von 8.333,33 DM zu ersetzen hat. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Zinsentscheidung und die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 284, 288 BGB, §§ 92, 708 Nr. 10, 713, 546 ZPO. </p>
|
114,484 | olgham-1999-09-16-6-u-7599 | {
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} | 6 U 75/99 | 1999-09-16T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:47 | 2019-02-14T10:24:21 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0916.6U75.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit ihrer Klage hat die Klägerin - sie betreibt in der Rechtsform der GmbH eine Gaststätte - vollen Ersatz ihrer bei einem Verkehrsunfall vom 20.01.1998 in ... erlittenen materiellen Schäden begehrt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge A. befuhr am Unfalltag mit dem Pkw der Klägerin die ...straße und kollidierte im Kreuzungsbereich der ... Straße mit dem - untergeordneten - Pkw der Beklagten. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat der Klage nach Vernehmung von Zeugen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens entsprechend einem Anerkenntnis der Beklagten auf der Grundlage einer 2/3-Haftung stattgegeben, die geltend gemachten Ansprüche der Höhe nach - insbesondere wegen einer von der Klägerin begehrten abstrakten Nutzungsausfallentschädigung - reduziert und insgesamt 8.918,00 DM zugesprochen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richten sich die Berufung der Klägerin und die Anschlußberufung der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin nimmt die vom Landgericht angenommene Haftungsquote von 2/3 hin und verlangt zusätzliche Erstattung von Mietwagenkosten gemäß Rechnung der Firma N. vom 10.02.1998 für weitere zwei Tage (358,00 DM x 2/3 = restliche 238,66 DM) und darüber hinaus erneut - zum Teil klageerweiternd - abstrakten Nutzungsausfall für die Zeit vom 20.01.1998 - 04.06.1998 (132 Tage a 152,00 DM x 2/3 = weitere 13.376,00 DM), insgesamt somit weitere 13.614,66 DM.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Mit näheren Ausführungen hält die Klägerin die Auffassung im angefochtenen Urteil, für ein gewerblich genutztes Fahrzeug könne eine Nutzungsausfallentschädigung nicht verlangt werden, für unzutreffend. Dies - so die Klägerin - gelte auch deshalb, weil das unfallbeschädigte Fahrzeug, obwohl es ihr steuerlich zugeordnet sei, nur in ganz geringem Umfang ihren gewerblichen Interessen diene.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mit ihrer Anschlußberufung haben die Beklagten geltend gemacht, den von ihnen anerkannten Betrag von 8.918,00 DM schon erstinstanzlich an die Klägerin gezahlt zu haben, ohne daß dies im Antrag der Klägerin und im Tenor der angefochtenen Entscheidung berücksichtigt worden sei. Unstreitig sind der Klägerin die gezahlten 8.918,00 DM am 04.06.1998 gutgeschrieben worden.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Im Senatstermin haben die Parteien den Rechtsstreit wegen dieses Betrages in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat nur wegen eines restlichen Betrages in Höhe von 238,66 DM (restliche Mietwagenkosten) Erfolg, im wesentlichen aber ist sie unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz die Rechnungen der Firma N. vom 03.02. und vom 10.02.1998 vorgelegt. Damit ist hinreichend belegt, daß die Klägerin an diesen beiden Tagen, ca. 2 Wochen nach dem Unfall, erneut einen Mietwagen für ihre Gaststätte als Ersatz für den geschädigt ausgefallenen Mercedes in Anspruch nehmen mußte.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Anstatt des ausgefallenen Mercedes 300 SE hat die Klägerin jeweils einen VW angemietet, so daß der in anderen Fällen übliche Eigenersparnisabzug hier nicht geboten war (vgl. OLG Celle VersR 94, 741; Senat in r + s 99, 194 f.).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die weitergehende Berufung der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht der Klägerin Ansprüche auf Ersatz einer abstrakten Nutzungsaufallentschädigung für das gewerblich genutzte Fahrzeug versagt. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, daß nach der älteren Rspr. auch eine Handelsgesellschaft in Einzelfällen Gläubigerin eines Anspruchs auf Nutzungsentschädigung sein konnte (KG VersR 1970, 185), ferner eine öffentlich rechtliche Körperschaft oder eine gemeinnützige Einrichtung. Dies ist beispielsweise entschieden worden für einen Polizeistreifenwagen (LG Köln VersR 1967, 986), für ein Bundeswehrfahrzeug (BGH NJW 1985, 2471) und für einen Müllwagen (KG MDR 1972, 50).</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Sämtliche Entscheidungen sind aber zeitlich vor dem Beschluß des Großen Senats für Zivilsachen vom 09.07.1986 (BGHZ 98, 212 ff.) ergangen. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">In dieser Entscheidung wird der Anwendungsbereich des § 251 Abs. 1 BGB für die Zubilligung einer abstrakten Nutzungsausfallentschädigung auf solche Sachen beschränkt, auf deren ständige Verfügbarkeit die <u>eigenwirtschaftliche</u> Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist. Dagegen wird bei erwerbswirtschaftlichem, produktivem Einsatz der beschädigten Sache die Verkürzung ihres Nutzungswertes im wesentlichen durch den Gewinnentgang ausgewiesen, dessen Ersatz § 252 Satz 1 BGB ausdrücklich anordnet. Der Große Senat hat aus dem Fehlen einer entsprechenden Vorschrift für die eigenwirtschaftliche Nutzung des Vermögens nicht gefolgert, daß das Gesetz sich gegen den Geldersatz für Einbußen im eigenwirtschaftlichen Einsatz dieser Wirtschaftsgüter entschieden habe, sondern im Gegenteil ausgeführt, daß ohne eine solche Erweiterung und gleichzeitige Beschränkung auf diesen Bereich der Schadensausgleich zu unbefriedigenden Ergebnissen führen würde, insbesondere dort, wo es um Wirtschaftsgüter mit zentraler Bedeutung für die eigene Lebenshaltung geht.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Im hiesigen Fall geht es gerade nicht um die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung, sondern um ein erwerbswirtschaftlich oder zu fremdem Nutzen eingesetztes Fahrzeug. Für diese Fälle muß es deshalb nach Auffassung des Senats bei Entschädigungen für entgangenen Gewinn nach § 252 BGB oder für den Ersatz von Mietwagenkosten - im Falle der tatsächlichen Anmietung - verbleiben (so auch Staudinger/Schiemann, 13. Bearbeitung 1998, § 251 BGB, Rdn. 81; ebenso Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 3. Aufl. 1997, Anh. I, Rdn. 129; Senat in NJW-RR 1989, 1194).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Es kommt deshalb im Ergebnis auch nicht darauf an, ob das unfallbeschädigte Fahrzeug der Klägerin nur in geringem Umfang deren gewerblichen Interessen diente. Sollte die Klägerin das Fahrzeug darüber hinaus ihrer Geschäftsführerin oder deren Ehemann für private Zwecke zur Verfügung gestellt haben, so vermag der Ausfall des Fahrzeugs für diese Zwecke einen eigenen Schaden der Klägerin gemäß §§ 249 ff. BGB nicht zu begründen. Vielmehr würde es sich allenfalls um einen nicht erstattungsfähigen Drittschaden handeln.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.</p>
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114,485 | olgham-1999-09-16-6-u-9299 | {
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<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die am 30.09.1938 geborene Klägerin verlangt vollen Ersatz ihrer materiellen und immateriellen Schäden nach einem Sturz mit dem Fahrrad am 05.09.97 gegen 18.15 Uhr in G . Es handelt sich um reine Anwohnerstraßen. Die Geschwindigkeit dort ist auf 30 km/h beschränkt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat die Beklagten wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht in Anspruch genommen und behauptet, der zur Unfallzeit 5-jährige Sohn der Beklagten habe mit seinem Fahrrad - auf dem Sattel sitzend - zunächst am rechten Fahrbahnrand gestanden und sich mit einem anderen Jungen, der ebenfalls auf einem Fahrrad gesessen habe, unterhalten. Als sie - die Klägerin - an den beiden Kindern vorbeigefahren sei, sei der Sohn der Beklagten plötzlich mit einem Schlenker auf die Fahrbahn gefahren, wodurch es zu einer Kollision mit dem Fahrrad der Klägerin gekommen sei. Bei dem Sturz erlitt die Klägerin eine Trümmerfraktur des linken Oberarms, eine Kieferhöhlenwandfraktur und eine Radiusköpfchenfraktur links.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage ohne Beweisaufnahme und ohne Anhörung der Parteien im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Unfallhergang sei ungeklärt und ein Verschulden des Kindes J nicht feststellbar. Auch sei eine Aufsichtspflichtverletzung der Beklagten nicht festzustellen, da der Beklagte zu 1) sich in der Nähe der späteren Unfallstelle aufgehalten und praktisch immer ein Auge auf seinen Sohn geworfen habe. Dies sei angesichts der örtlichen Gegebenheiten und der relativ verkehrsruhigen Anwohnerstraße ausreichend gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die mit näheren Ausführungen weiterhin ein unfallursächliches Verhalten des Kindes und eine Aufsichtspflichtverletzung der Beklagten behauptet. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil, bestreiten, daß ihr Sohn überhaupt den Unfall verursacht habe und machen darüber hinaus geltend, die Zeugin D eigens mit der Beaufsichtigung von J beauftragt zu haben. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat die Parteien angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung von fünf Zeugen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung und Beweisaufnahme wird auf den Vermerk des Berichterstatters zum Senatstermin vom 16.09.1999 Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen einer Haftung nach § 832 BGB sind nicht gegeben, da jedenfalls die Vermutung für eine schuldhafte Aufsichtspflichtverletzung durch die Beklagten widerlegt ist.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Zwar spricht viel für die Richtigkeit der Unfalldarstellung der Klägerin, wonach sie deshalb gestürzt sein will, weil J plötzlich mit seinem Fahrrad in ihre Fahrspur geraten ist. Es spricht nichts dafür, daß die Klägerin diese Version etwa wahrheitswidrig erfunden und den gesamten Prozeß auf sich genommen hätte, wenn nicht das Kind der Beklagten mit seinem plötzlichen Verhalten die entscheidende Ursache für den anschließenden Sturz der Klägerin gesetzt hätte. Dafür spricht auch das weitere vorprozessuale und auch erstinstanzliche Prozeßverhalten der Beklagten sowie die unstreitige Tatsache, daß J der Klägerin Blumen ins Krankenhaus gebracht hat. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Ob die Aussage des Urgroßvaters von J , des Zeugen H , der erstmals in der Berufungsinstanz als Unfallzeuge benannt worden ist, der Unfalldarstellung der Klägerin ernsthaft entgegensteht, erscheint zweifelhaft. Nach seiner Aussage soll es irgendein unfallursächliches Verhalten seines Urenkels J nicht gegeben haben. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Letztlich mag dies dahinstehen, da unter den gegebenen Umständen jedenfalls eine Aufsichtspflichtverletzung der Beklagten nicht gegeben ist. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Umfang der gebotenen Aufsicht über Minderjährige bestimmt sich nach Alter, Eigenart und Charakter, wobei sich die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen danach richtet, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen in der konkreten Situation tun müssen, um Schädigungen Dritter durch ihr Kind zu verhindern (st. Rspr.: vgl. etwa BGH VersR 93, 485; BGH VersR 84, 968 = NJW 84, 2574). </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten habe ihrer Aufsichtspflicht in ausreichendem Maße entsprochen, indem sie die Aufsicht über ihren fünfjährigen Sohn der Zeugin D , der Schwägerin des Beklagten übertragen haben. Dies war nach den glaubhaften Aussagen der Zeugin D und der Beklagten - wie schon in der Vergangenheit des öfteren - deshalb geschehen, weil die beklagte Ehefrau einkaufen gegangen und der beklagte Ehemann mit Arbeiten an seinem Haus beschäftigt war. Eine solche verabredete und bereits in der Vergangenheit mehrfach praktizierte Betreuung der Kinder während der Abwesenheit der Eltern führt unabhängig davon, ob vertragliche Regelungen über eine Übernahme der Aufsicht getroffen werden, zu einer Übertragung der Aufsichtspflicht (vgl. OLG Celle in VersR 69, 334; OLG Hamm in OLGR 1997, 49). Eine Pflichtverletzung der Beklagten könnte sich deshalb nur aus einem Auswahl- oder Kontrollverschulden ergeben, etwa wenn sich in der Vergangenheit gezeigt hätte, daß die Zeugin D der übernommenen Aufgabe nicht hinreichend gewachsen gewesen wäre. Hierfür aber gibt es keinerlei Anhaltspunkte, weder aus der Person der Zeugin noch aus dem Verhalten des Kindes J in der Vergangenheit.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Insbesondere mußten die Beklagten ihrem 5-jährigen Sohn auch nicht verbieten, sich mit seinem Fahrrad überhaupt im Bereich der Anwohnerstraße aufzuhalten. Es handelt sich nach den Aussagen mehrerer Zeugen und auch nach dem Eindruck der im Senatstermin in Augenschein genommenen Fotos um eine verhältnismäßig ruhige Anwohnerstraße, auf der Kinder regelmäßig spielen und sogar dort sitzen, um zu malen. Den Verkehrsteilnehmern - Anwohnern und Besuchern - ist dies bekannt; entsprechend langsam wird gefahren. Auch nach Angaben der Klägerin handelt es sich nicht etwa um eine Durchgangsstraße im Sinne einer Abkürzung oder eines Schleichweges für fremde Verkehrsteilnehmer. J konnte bereits seit zwei Jahren ohne Stützräder problemlos Fahrradfahren. Da es im Unfallbereich auch keine Bürgersteige gab, sondern nur einen schmalen optischen Randstreifen, wäre im übrigen auch ein Verstoß gegen die Pflicht zur Gehwegbenutzung nach § 2 Abs. 5 StVO nicht feststellbar (vgl. Jagusch, § 2 StVO, Rdn. 29 a). </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Unter diesen Umständen reichten die Belehrungen der Eltern gegenüber ihrem Sohn zu vorsichtigem Verhalten im Bereich der Anwohnerstraße und die Übertragung der entsprechenden Aufsicht auf die Zeugin D aus, ohne daß es ergänzender Hinweise oder Verbote bedurft hätte. Denn ein normal entwickeltes Kind braucht gewisse Freiräume pädagogisch vertretbarer Maßnahmen, die sich aus den Erziehungszielen der §§ 1631 Abs. 1 und 1626 Abs. 2 BGB ergeben (BGH VersR 84, 968; Hamm NJW-RR 88, 798).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Kommt es dennoch im Rahmen dieser vertretbaren Freiräume zu schädigenden Ereignissen, so müssen diese von der Allgemeinheit und auch vom Geschädigten als allgemeines Lebensrisiko regelmäßig entschädigungslos hingenommen werden.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.</p>
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114,486 | lsgnrw-1999-09-16-l-16-kr-4198 | {
"id": 799,
"name": "Landessozialgericht NRW",
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"state": 12,
"jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | L 16 KR 41/98 | 1999-09-16T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:47 | 2019-02-12T13:54:25 | Urteil | ECLI:DE:LSGNRW:1999:0916.L16KR41.98.00 | <span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten streiten um die Höhe der Anrechnung der dem Kläger gewährten Berufsunfähigkeitsrente auf das ihm gezahlte Krankengeld (Krg).</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zahlte dem Kläger ab dem 08.11.1995 werktäglich Krg in Höhe von 52,70 DM fortlaufend u.a. aufgrund ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 19.11.1996 bis 03.12.1996 durch Zahlungsanordnung bis 30.11.1996. Am 20.11.1996 erhielt die Beklagte die Mitteilung der LVA Westfalen, daß dem Kläger rückwirkend zum 01.11.1995 Rente wegen Berufsunfähigkeit bewilligt worden war; die Rentenzahlung betrug ab dem 01.07.1996 1.334,53 DM monatlich abzüglich eines Krankenversicherungsbeitrags in Höhe von 89,41 DM sowie eines Pflegeversicherungsbeitrages von 11,34 DM, so daß dem Kläger 1.233,78 DM monatlich ausgezahlt wurden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Unter dem 28.11.1996 setzte die Beklagte den Zahlbetrag des Krg auf 1,37 DM ab dem 22.11.1996 herab und teilte dem Kläger auf dessen Einwand hin mit, daß das Krg um den Bruttobetrag der Berufsunfähigkeitsrente zu kürzen sei.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 14.01.1997, bei der Beklagten am 16.01.1997 eingegangen, wandte sich der Kläger gegen diese Kürzungen und machte geltend, dieses führe dazu, daß ihm ein Betrag von 100,75 DM netto weniger zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zur Verfügung stehe als vor Bewilligung der Berufsunfähigkeitsrente. Diese Schlechterstellung rechtfertigten die gesetzlichen Bestimmungen nicht. Am 07.08.1997 legte er außerdem vorsorglich Widerspruch ein.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.1997 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, weil das Krg um den Zahlbetrag der Berufsunfähigkeitsrente zu kürzen sei. Aus Gründen der Gleichbehandlung aller Rentner sei hierunter der Betrag der Bruttorente zu verstehen, weil andernfalls für die Zeit des Krg-Bezuges ein eigener Versicherungsanteil nicht geleistet werden brauche.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat am 17.10.1997 vor dem Sozialgericht - SG - Münster Klage erhoben. Er sieht in der Anrechnungsweise der Beklagten einen erheblichen Eingriff in seine Besitzstandsrechte und einen Verstoß gegen die geltenden gesetzlichen Bestimmungen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Mit Urteil vom 27.01.1998 hat das SG die Beklagte antragsgemäß verurteilt, Krg unter Berücksichtigung nur der Nettoberufsunfähigkeitsrente zu zahlen und die Berufung zugelassen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Gegen das ihr am 06.03.1998 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.04.1998 Berufung eingelegt, mit der sie ihre Rechtsauffassung weiterverfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">das Urteil des SG Münster vom 27.01.1998 abzuändern und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Er macht geltend, die Auffassung der Beklagten verstoße gegen den Normzweck der gesetzlichen Regelung des § 50 Abs. 2 SGB V.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die kraft Zulassung statthafte und auch ansonsten zulässige Berufung ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger Krg nur unter Kürzung um die Netto-Berufsunfähigkeitsrente, also ohne Anrechnung der Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung der Rentner zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Nach § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB V wird das Krg um den Zahlbetrag der Rente wegen Berufsunfähigkeit oder der Teilrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung gekürzt, wenn die Leistung von einem Zeitpunkt nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der stationären Behandlung an zuerkannt wird. Weder Wortlaut noch Entstehungsgeschichte noch Sinn und Zweck dieser Bestimmung sprechen für die von der Beklagten vorgenommenen Auslegung i.S. einer Kürzung des Krg in Höhe der Bruttorente, also einschließlich der Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB V ist das Krg. lediglich um den "Zahlbetrag" der entsprechenden Rente zu kürzen. Die zusätzliche Verwendung dieses Begriffs wäre aber unverständlich und überflüssig wenn tatsächlich die gesamte Rente einschließlich entsprechender Versicherungsanteile zur Anrechnung kommen sollte. Der Zusatz erhält daher nur einen Sinn, wenn lediglich die dem Versicherten tatsächlich zufließende Leistung bei der Kürzung zu berücksichtigen ist (vgl. Krauskopf, Kommentar zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung, Rdn. 29 zu § 50 SGB V; Hauck/Haines, Kommentar zum SGB V, Rdn. 74 zu § 50; im Ergebnis ebenso Kummer in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, § 23 Rdn. 188).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Diese Interpretation entspricht auch der Entstehungsgeschichte der Regelung in § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB V. Schon die vor Inkrafttreten des SGB V maßgebliche Bestimmung des § 183 Abs. 1 RVO enthielt die Regelung, daß das Krg, wenn dem Versicherten während des Bezuges von Krg Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 des Reichsknappschaftsgesetzes von einem Träger der Rentenversicherung zugebilligt wurde, um den Betrag der für den gleichen Zeitraum gewährten Rente gekürzt wurde. Unter dem Begriff "gewährter Rente" wurde auch schon früher die effektiv gezahlte Rente verstanden (vgl. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 18. Aufl., 17/368). Durch die zum 01.01.1989 in Kraft getretene Regelung des § 50 Abs. 2 SGB V sollte insoweit keine Änderung erfolgen (BT-Drucks. 11/2237, S. 181 f.). Da zudem ausdrücklich in die Neuregelung der Begriff "Zahl betrag" aufgenommen worden ist, kann dies nur dahin verstanden werden, daß die Kürzungen lediglich den tatsächlich, effektiv an den Versicherten ausgezahlten Rentenbetrag erfassen und diesem ein ungeschmälerter Betrag in Höhe der bisher bezogenen Leistungen erhalten bleiben sollte (so auch Wagner, Gemeinschaftskommentar zum SGB, Rdn. 43 zu § 50 SGB V).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Auch Sinn und Zweck der Bestimmung des § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB V sprechen für dieses Ergebnis. Durch diese Vorschrift soll die Gewährung von Doppelleistungen vermieden werden (vgl. Krauskopf a.a.O. Rdn. 4 zu § 50 SGB V; so auch schon zur Vorgängervorschrift BSG SozR § 183 RVO Nr. 67; SozR 2200 § 183 Nr. 40 S. 110). Die Anrechnung der Bruttorente hätte aber nicht nur die Vermeidung des Bezugs von Doppelleistungen mit Lohnersatzcharakter zur Folge, sondern führte darüber hinaus zu einer Verringerung des dem Versicherten gewährten Zahlbetrages. Eine solche gesetzgeberische Intention ist nicht erkennbar.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die gegenteilige Auslegung dieser Vorschrift (vgl. dazu Lekon, Die Leistungen, 1991, 121, 130) gebietet auch nicht die Gleichbehandlung der Bezieher von Renten wegen Berufsunfähigkeit. Prüfungsmaßstab kann insoweit allein Art. 3 Abs. 1 GG sein, der es dem Gesetzgeber verbietet, Gruppen von Normadressaten unterschiedlich zu behandeln, obwohl zwischen ihnen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (BVerfGE 55, 72, 88). Die Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes verlangt den Vergleich von Lebenssachverhalten, die einander nie in allen, sondern stets nur in einzelnen Merkmalen gleichen, wobei es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers ist, zu entscheiden, welche von diesen Merkmalen er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht (vgl. BVerfGE 83, 395, 410; 87, 1, 36). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Gesetzgeber aber nicht gehalten gewesen, bei der Gruppe der Krg-Bezieher, denen nachträglich Rente wegen Berufsunfähigkeit zuerkannt wird, im Hinblick auf die Gruppe der Bezieher von Rente wegen Berufsunfähigkeit, die nicht in einem solchen Leistungsbezug stehen, den tatsächlichen Auszahlungsbetrag zusätzlich um die Versicherungsbeitragsanteile der Rentenleistung zu kürzen. Abgesehen davon, daß diese Beiträge von der Rente auch bei ersteren Beziehern einbehalten werden, ergibt sich dies daraus, daß der Anspruch auf Krg ohnehin befristet ist und der Versicherte darauf vertrauen kann, daß das Krg für die Anspruchsdauer unter Zusammenrechnung mit der später gewährten weiteren Lohnersatzleistung in der Summe gleich bleibt. Andernfalls hätte es der Versicherte auch in der Hand, seinen Leistungsanspruch zu manipulieren, indem er den Antrag auf Bewilligung der Rente erst mit Wirkung für das Erlöschen des Krg-Bezuges stellen würde. Daher ist die von der Beklagten vorgenommene Kürzung um die Bruttorente weder sachlich geboten noch bedeutet die Nichtberücksichtigung der Versicherungsanteile eine willkürliche Schlechterstellung der sonstigen Bezieher von Rente wegen Berufsunfähigkeit.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Da der angefochtene Bescheid der Beklagten daher schon aus diesem Grunde auf den Antrag des Klägers abzuändern war, kann es dahinstehen, ob die Beklagte - jedenfalls für die Zeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum 03.12.1996 bzw. die Zahlungsanordnung bis zum 30.11.1996 - die Kürzung ohnehin nur durch förmlichen Aufhebungsbescheid (§ 48 SGB X) hätte vornehmen dürfen (vgl. dazu BSG SozR 2200 § 182 Nr. 103).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Berufung mußte daher mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückgewiesen werden.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat der Frage der Auslegung des § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGG grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.</p>
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114,487 | lg-dortmund-1999-09-15-6-o-21999 | {
"id": 806,
"name": "Landgericht Dortmund",
"slug": "lg-dortmund",
"city": 407,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 6 O 219/99 | 1999-09-15T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:47 | 2019-01-18T16:07:09 | Urteil | ECLI:DE:LGDO:1999:0915.6O219.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">in Höhe von 192.160,45 DM.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Q-straße 35 a in V, eingetragen im Grundbuch von</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">V, G1. Dieses Grundstück</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">ist ein Hinterliegergrundstück und hat keine eigene</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Verbindung zur Straße. Der Weg zur Straße sowie die</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Frisch- und Abwasserleitungen verlaufen vielmehr über</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">das Grundstück der Beklagten, Q-Straße 35, Flur ##,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Flurstück ###, welches die Klägerin den Beklagten mit</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">notariellem Kaufvertrag vom 06.03.1992 verkauft hatte.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Eine Vereinbarung wegen eines Wegerechts in Form einer</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Dienstbarkeit wurde zwischen den Parteien nicht ge-</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">troffen. lm Kaufvertrag wurde die Eintragung in das</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Baulastverzeichnis zitiert und in § 3 heißt es unter</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">anderem: "Die aus dem Baulastverzeichnis hervorgehende</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Belastung wird jedoch zur Duldung von den Käufern über-</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">nommen . "</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">1992 beabsichtigte die Klägerin, das Einfamilienhaus</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">auf dem Grundstück Q-Straße 35a aufzustocken und</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">vier Mietwohnungen zu errichten. Im Oktober 1992</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">forderte die Klägerin die Beklagten auf, aufgrund des</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Vertrages eine Grunddienstbarkeit eintragen zu lassen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten teilten am 06.01.1993 mit, dass sie keine</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Grunddienstbarkeit wünschten, wohl aber zu einer</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">schuldrechtlichen Vereinbarung wegen der gewünschten</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Nutzungseinräumung gegen Kostenbeteiligung von 2/3</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">bereit: seien. Die Klägerin verlangte im April 1993 die</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Unterzeichnung der vom Notar entworfenen schuldrecht-</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">lichen Dienstbarkeit durch die Beklagten. Aufgrund der</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Bauarbeiten, die die Klägerin auf dem Hinterlieger-</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">grundstück ausführen ließ, kam es in der Folgezeit zu</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Streitigkeiten. Die Beklagten, untersagten der Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">daraufhin im Juni 1993 die Benutzung der Zufahrt für</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Baufahrzeuge. Es kam zu einem Verfahren vor dem Amts-</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">gericht Unna (3 bC 27/93), in welchem die Parteien am</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">18.06.1993 eine vorläufige Einigung über die Ausführung</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">der Bauarbeiten erzielten und die Klägerin versprach,</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">den früheren Zustand der Zuwegung auf ihre Kosten</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">wiederherzustellen, falls dieser durch Baufahrzeuge</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">beschädigt werde. Das Amtsgericht Unna ging von einem</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Notwegerecht zugunsten der Klägerin aus.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 12.08.1993 an die Bevollmächtigten</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">der Klägerin forderten die Prozeßbevollmächtigten der</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Beklagten, die Klägerin solle nicht einseitig Ansprüche</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">reklamieren, andererseits aber selbst bestehende Ver-</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">pflichtungen nicht erfüllen. Sie schlugen vor, eine</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">einvernehmliche Regelung über sämtliche Punkte, über</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">die zur Zeit Streit bestehe, herbeizuführen, weil die</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Frage der schuldrechtlichen Dienstbarkeit nicht losge-</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">löst werden könne. Mit Schreiben vom 25.08.1993</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">forderten sie für die Beklagten Abhilfe wegen der von</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">den Baufahrzeugen angerichteten Schäden. Mit Schreiben</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">vom 26.09.1993 forderten die Bevollmächtigten der</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Klägerin die Beklagten auf, vorab die schuldrechtliche</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Dienstbarkeit abzugeben und zur Verfügung zu stellen,</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">sodann könne alles andere erörtert werden, und drohten</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Klageerhebung an. Mit Schreiben vom 11.10.1993 er-</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">klärten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">hierauf, dass diese keine Geschenke an die Klägerin zu</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">verteilen hätten und sie die von der Klägerin unter-</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">schriebene Erklärung über die schuldrechtliche Dienst-</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">barkeit vom 14.04.1993 nicht separat unterschreiben.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">würden, insbesondere wegen der Verhältnisse, die sich</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">in der Zwischenzeit geändert hätten, und forderten</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Klärung verschiedener Fragen, bevor eine gemeinsame Be-</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">sprechung zwecks Vereinbarung stattfinden könne. Auf</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">dieses Schreiben antworteten die Bevollmächtigten der</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Klägerin mit Schreiben vom 25.03.1994, dessen Beant-</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">wortung hätte aufgeschoben werden müssen, da sich die</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Fertigstellung des Bauvorhabens der Klägerin zeitlich</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">erheblich verschoben habe. Sie baten um einen Be-</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">sprechungstermin zur Regelung der Angelegenheit. Diese</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Besprechung fand am 14.04.1994 im Büro der Prozessbe-</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">vollmächtigten der Beklagten statt. Hierauf schrieben</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">die Bevollmächtigten der Klägerin am 21.04.1994, dass</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">der Beklagte zu 1.) nunmehr die Wasserleitung zum Hause</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">der Klägerin abgesperrt habe, was sie allerdings nicht</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">weiter vertiefen wollten, um den Streit nicht zu ver-</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">schärfen. Bezüglich des Wegerechtes erklärten sie die</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Bereitschaft der Klägerin, für jede der vier Eigentums-</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">wohnungen für die Benutzung und Unterhaltung der Zu-</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">wegung ein Entgelt von 60,00 DM pro Monat zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">vorausgesetzt, es werde auch Einvernehmen bezüglich der</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Verlegung der Wasserleitung erzielt. Mit Schreiben vom</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">29.04.1994 nahmen die Prozessbevollmächtigten der Be-</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">klagten auf die Besprechung Bezug und gaben die Vor-</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">stellungen der Beklagten zur Einigung in sechs Punkten</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">bekannt.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 24.05.1994 erklärte die Klägerin den</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Beklagten, dass sie bereit sei, den Verkauf an diese</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">rückabzuwickeln einschließlich angefallener Kosten ab-</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">züglich gezogener Nutzungen, und bat darum, deren</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Forderungen bekannt zu geben. Daraufhin bezifferten die</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Beklagten mit Schreiben vom 31.05.1994 ihre Kosten auf</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">666.604,10 DM und erklärten, gegen Zahlung von</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">650.000,00 DM zurückzuverkaufen. Per Fax vom 13.06.1994</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">forderte die Klägerin Nachweis der Kosten und der Ab-</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">rechnung und Vorlage von Unterlagen, Mietverträge</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">u.s.w.. Mit Schreiben vom 15.07.1994 teilten die</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Prozessbevollmächtigten der Beklagten den Bevoll-</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">mächtigten der Klägerin mit, dass die Beklagten die ge-</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">forderten Unterlagen der Klägerin unmittelbar zugesandt</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">bzw. zur Verfügung gestellt hätten, und setzten Frist</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">zur Erklärung zum Vergleichsangebot. Gleiches geschah</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">mit Schreiben vom 07.09.1994, 28.11.1994 und</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">06.01.1995, ohne dass eine Antwort erteilt wurde.</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">Nach Anwaltswechsel forderten die Prozessbevoll-</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">mächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 09.05.1997</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">die Einräumung eines Notwegerechtes und drohten Klage</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">an. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten teilten</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">mit Schreiben vom 13.05.1997 mit, dass eine Einigung</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">über sämtliche Punkte erforderlich sei. Daraufhin erhob</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">die Klägerin mit Schriftsatz vom 27.08.1997 gegen die</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Beklagten Klage vor dem Landgericht Dortmund, die Be-</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">klagten zur Duldung zu verurteilen, dass die Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">eine Frischwasser- und eine Abwasserleitung verlege und</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">unterhalte sowie die Bewohner ihres Grundstücks die Zu-</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">wegung betreten und überqueren dürften und mit Fahr-</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">zeugen benutzen dürften. In diesem Verfahren schlossen</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">die Parteien am 11.02.1998 einen Vergleich auf Wider-</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">ruf. Die Beklagten widerriefen mit Schriftsatz vom</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">19.02.1999 und unterbreiteten der Klägerin gleichzeitig</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">einen geänderten Vergleichsvorschlag (6 0 460/97).</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">In der Folgezeit verkauften die Beklagten ihr Grund-</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">stück an die Eheleute Y, die mit der Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">am 21.07.1998 eine notarielle Vereinbarung über die</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">Einräumung eines Wegerechtes und Leitungsrechtes gegen</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">Entgelt trafen und das Wegerecht dinglich im Grundbuch</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">absichern ließen. Der Rechtsstreit wurde daraufhin</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">übereinstimmend für erledigt erklärt. Durch Beschluß</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">vom 28.12.1998 wurde über die Kosten des Rechtsstreits</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">entschieden. In dem Beschluss ging die Kammer von einem</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">Notwegerecht zugunsten der Klägerin und einem Zurückbe-</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">haltungsrecht der Beklagten aus, weshalb es die Kosten</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">im Verhältnis von 55 % zu Lasten der Klägerin und 45 %</p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">zu Lasten der Beklagten verteilte.</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 24.02.1999 forderte die Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks">Schadensersatz von den Beklagten in der jetzt geltend</p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">gemachten Höhe und setzte Frist bis zum 10.03.1999.</p>
<span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin begehrt für den Zeitraum vom 01.04.1994</p>
<span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">bis zum 30.04.1998 Erstattung entgangener Mieteinnahmen</p>
<span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks">von den Beklagten. Sie behauptet, ihr seien Mietein-</p>
<span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks">nahmeverluste in Höhe von 204.430,45 DM (netto Kalt-</p>
<span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks">mieten) aufgrund des Verhaltens der Beklagten ent-</p>
<span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks">standen. Die Beklagten hätten sich beharrlich ge-</p>
<span class="absatzRechts">148</span><p class="absatzLinks">weigert, die Klägerin bzw. ihre Mieter auf das hinter-</p>
<span class="absatzRechts">149</span><p class="absatzLinks">liegende Grundstück zu lassen, und die Wasserversorgung</p>
<span class="absatzRechts">150</span><p class="absatzLinks">für das hinterliegende Grundstück über einen im Haus</p>
<span class="absatzRechts">151</span><p class="absatzLinks">der Beklagten befindlichen Regulator abgestellt. Sie</p>
<span class="absatzRechts">152</span><p class="absatzLinks">habe im März 1994 auf ihrem Grundstück vier Wohnungen</p>
<span class="absatzRechts">153</span><p class="absatzLinks">errichtet, welche bereits im Februar/März 1994 zur Ver-</p>
<span class="absatzRechts">154</span><p class="absatzLinks">mietung angeboten worden seien. Es hätten sich als</p>
<span class="absatzRechts">155</span><p class="absatzLinks">Interessentin vor allem auch das Immobilienbüro</p>
<span class="absatzRechts">156</span><p class="absatzLinks">I aus V mit Schreiben vom. 12.03.1994 ge-</p>
<span class="absatzRechts">157</span><p class="absatzLinks">meldet. Sämtliche Wohnungen wären im April 1994 ver-</p>
<span class="absatzRechts">158</span><p class="absatzLinks">mietet worden, hätten nicht die Beklagten Ende März</p>
<span class="absatzRechts">159</span><p class="absatzLinks">1994 die Wasserzufuhr zu ihrem Grundstück gesperrt. Die</p>
<span class="absatzRechts">160</span><p class="absatzLinks">Wasserzufuhr hätten sie gesperrt, als sie bemerkt</p>
<span class="absatzRechts">161</span><p class="absatzLinks">hätten, dass die ersten Mieter mit der Inneneinrichtung</p>
<span class="absatzRechts">162</span><p class="absatzLinks">des vollständig erstellten Hauses begannen, so dass die</p>
<span class="absatzRechts">163</span><p class="absatzLinks">Eheleute F der Klägerin am 27.03.1994 mitgeteilt</p>
<span class="absatzRechts">164</span><p class="absatzLinks">hätten, die Wohnung wegen der fehlenden Wasserzufuhr</p>
<span class="absatzRechts">165</span><p class="absatzLinks">nicht mieten zu können. Sie versuche seit April 1994</p>
<span class="absatzRechts">166</span><p class="absatzLinks">vergeblich, das Gebäude Q-Straße 35a nutzbar zu.</p>
<span class="absatzRechts">167</span><p class="absatzLinks">machen. Nicht nur die Eheleute F, sondern auch die</p>
<span class="absatzRechts">168</span><p class="absatzLinks">Familie L hätten den Mietvertrag wegen der</p>
<span class="absatzRechts">169</span><p class="absatzLinks">fehlenden Wasserzufuhr nicht unterzeichnet. Die Wasser-</p>
<span class="absatzRechts">170</span><p class="absatzLinks">leitung sei nicht eingefroren, sondern von den Be-</p>
<span class="absatzRechts">171</span><p class="absatzLinks">klagten gesperrt worden. Rechtsanwalt X habe</p>
<span class="absatzRechts">172</span><p class="absatzLinks">Rechtsanwalt D telefonisch zugesagt, auf den Be-</p>
<span class="absatzRechts">173</span><p class="absatzLinks">klagten zu 1.) einzuwirken, und dafür Sorge zu tragen,</p>
<span class="absatzRechts">174</span><p class="absatzLinks">dass die Wasserzufuhr wieder freigegeben werde. Die Be-</p>
<span class="absatzRechts">175</span><p class="absatzLinks">klagten hätten jegliche Einigung über den Notweg und</p>
<span class="absatzRechts">176</span><p class="absatzLinks">die Notwegrente abgelehnt, weil sie hieran nicht</p>
<span class="absatzRechts">177</span><p class="absatzLinks">interessiert gewesen seien, so dass es nicht zu einer</p>
<span class="absatzRechts">178</span><p class="absatzLinks">Vereinbarung gekommen sei.</p>
<span class="absatzRechts">179</span><p class="absatzLinks">Es seien die Beklagten gewesen, die den Vorschlag</p>
<span class="absatzRechts">180</span><p class="absatzLinks">unterbreiteten, den Kaufvertrag rückabzuwickeln, wes-</p>
<span class="absatzRechts">181</span><p class="absatzLinks">halb sie - die Klägerin - das Schreiben vom 24.05.1994</p>
<span class="absatzRechts">182</span><p class="absatzLinks">an die Beklagten, habe richten lassen. Deren Forderung</p>
<span class="absatzRechts">183</span><p class="absatzLinks">sei jedoch mit 170 .000,00 DM über dem Kaufpreis über-</p>
<span class="absatzRechts">184</span><p class="absatzLinks">höht gewesen. Unterlagen habe sie niemals erhalten,</p>
<span class="absatzRechts">185</span><p class="absatzLinks">weshalb keine Einigung über den Rückkauf erfolgt sei.</p>
<span class="absatzRechts">186</span><p class="absatzLinks">Es treffe nicht zu, dass sie drei Jahre nichts unter-</p>
<span class="absatzRechts">187</span><p class="absatzLinks">nommen habe. Die Beklagten hätten im Verfahren 7 O</p>
<span class="absatzRechts">188</span><p class="absatzLinks">17/95 LG Münster unhaltbare Forderungen gestellt. Sie</p>
<span class="absatzRechts">189</span><p class="absatzLinks">habe versucht, das Grundstück anderweitig zu er-</p>
<span class="absatzRechts">190</span><p class="absatzLinks">schließen, was die Beklagten durch Nachbarwiderspruch</p>
<span class="absatzRechts">191</span><p class="absatzLinks">verhindert hätten, wie die Ordnungsverfügung der Stadt</p>
<span class="absatzRechts">192</span><p class="absatzLinks">Unna vom 29.09.1997 zeige. Auch hiergegen hätten die</p>
<span class="absatzRechts">193</span><p class="absatzLinks">Beklagten Widerspruch eingelegt, über welchen wegen des</p>
<span class="absatzRechts">194</span><p class="absatzLinks">Verkaufs der Beklagten nicht mehr entschieden worden</p>
<span class="absatzRechts">195</span><p class="absatzLinks">sei.</p>
<span class="absatzRechts">196</span><p class="absatzLinks">Sie hätte für die Wohnung Nr.1 1.192,00 DM (91,69 m2), </p>
<span class="absatzRechts">197</span><p class="absatzLinks">für die Wohnung Nr.2 1.317,55 DM (101,35 m2), für die</p>
<span class="absatzRechts">198</span><p class="absatzLinks">Wohnung Nr. 3 937,70 DM (72,13 rm2) und für die Wohnung</p>
<span class="absatzRechts">199</span><p class="absatzLinks">Nr. 4 724, 8O DM (55,76 m2) an Kaltmiete erzielt, so</p>
<span class="absatzRechts">200</span><p class="absatzLinks">dass der entgangene Mietzinsgewinn monatlich</p>
<span class="absatzRechts">201</span><p class="absatzLinks">4.172,00 DM, jährlich 50.064,00 DM ergeben hätte. Der</p>
<span class="absatzRechts">202</span><p class="absatzLinks">Mieteinnahmeverlust für die Zeit vom 01.04.1994 bis</p>
<span class="absatzRechts">203</span><p class="absatzLinks">30.04.1998 betrage daher 204.430,45 DM. Hiervon sei ein</p>
<span class="absatzRechts">204</span><p class="absatzLinks">Betrag von 12.250,00 DM abzuziehen, der den Beklagten</p>
<span class="absatzRechts">205</span><p class="absatzLinks">als angemessene Notwegerente für die Erhaltung des</p>
<span class="absatzRechts">206</span><p class="absatzLinks">Weges sowie die Benutzung durch die Mieter zu zahlen</p>
<span class="absatzRechts">207</span><p class="absatzLinks">sei.</p>
<span class="absatzRechts">208</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">209</span><p class="absatzLinks">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,</p>
<span class="absatzRechts">210</span><p class="absatzLinks">an sie 192.180,45 DM nebst 7,25 % Zinsen seit dem</p>
<span class="absatzRechts">211</span><p class="absatzLinks">11.03.1999 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">212</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten, beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">213</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">214</span><p class="absatzLinks">Sie bestreiten, die Wasserzufuhr zum Haus gesperrt zu</p>
<span class="absatzRechts">215</span><p class="absatzLinks">haben, und behaupten, dass diese im Winter zugefroren</p>
<span class="absatzRechts">216</span><p class="absatzLinks">sei und die Wasseruhr geplatzt sei, weshalb die</p>
<span class="absatzRechts">217</span><p class="absatzLinks">Gelsenwasser die Wasseruhr abmontiert und die Leitung</p>
<span class="absatzRechts">218</span><p class="absatzLinks">totgelegt habe. Sie hätte wegen der Kosten, die sie für</p>
<span class="absatzRechts">219</span><p class="absatzLinks">die Neuinstallation einer Wasseruhr hätten tragen</p>
<span class="absatzRechts">220</span><p class="absatzLinks">müssen, eine neue Wasseruhr abgelehnt.</p>
<span class="absatzRechts">221</span><p class="absatzLinks">Die Wohnungen der Klägerin seien unvermietbar gewesen</p>
<span class="absatzRechts">222</span><p class="absatzLinks">und stünden noch heute leer. Die Klägerin habe im Jahre</p>
<span class="absatzRechts">223</span><p class="absatzLinks">1995/1996 notwendige Reparaturen unterlassen, weshalb</p>
<span class="absatzRechts">224</span><p class="absatzLinks">ein Einbruchsversuch erfolgt sei und der Schaden bis</p>
<span class="absatzRechts">225</span><p class="absatzLinks">heute nicht repariert sei, vielmehr die Ausgangstür nur</p>
<span class="absatzRechts">226</span><p class="absatzLinks">mit Brettern zugenagelt sei.</p>
<span class="absatzRechts">227</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin treffe ein hundertprozentiges Mitver-</p>
<span class="absatzRechts">228</span><p class="absatzLinks">schulden, weil sie beim Verkauf des Grundstücks an die</p>
<span class="absatzRechts">229</span><p class="absatzLinks">Beklagten gewußt habe, dass die Überfahrt über das von</p>
<span class="absatzRechts">230</span><p class="absatzLinks">ihnen gekaufte Grundstück nötig war. Die Klägerin habe</p>
<span class="absatzRechts">231</span><p class="absatzLinks">ca. drei Wochen vor dem Vertragsschluß erklärt, ihr</p>
<span class="absatzRechts">232</span><p class="absatzLinks">Haus würde ohne Veränderungen verkauft oder vermietet.</p>
<span class="absatzRechts">233</span><p class="absatzLinks">Daraufhin habe der Beklagte zu 1. ) ihr erklärt, dass er</p>
<span class="absatzRechts">234</span><p class="absatzLinks">gegen die Überfahrt eines neuen Eigentümers nichts ein-</p>
<span class="absatzRechts">235</span><p class="absatzLinks">zuwenden hätte. Die Klägerin habe damals allerdings be-</p>
<span class="absatzRechts">236</span><p class="absatzLinks">reits gewußt, dass sie ihr Gebäude aufstocken wolle,</p>
<span class="absatzRechts">237</span><p class="absatzLinks">denn sie habe bereits einen Bauantrag gestellt. Die</p>
<span class="absatzRechts">238</span><p class="absatzLinks">Wohnungen sollten als Eigentumswohnungen verkauft</p>
<span class="absatzRechts">239</span><p class="absatzLinks">werden, wie sich aus dem Schreiben ihres damaligen Be-</p>
<span class="absatzRechts">240</span><p class="absatzLinks">vollmächtigten vom 21.04.1994 ergebe.</p>
<span class="absatzRechts">241</span><p class="absatzLinks">In der Folgezeit sei die Klägerin völlig untätig ge~</p>
<span class="absatzRechts">242</span><p class="absatzLinks">blieben, was eine Verletzung ihrer Schadensminderungs-</p>
<span class="absatzRechts">243</span><p class="absatzLinks">pflicht darstelle. Zumindest hätte die Klägerin aus der</p>
<span class="absatzRechts">244</span><p class="absatzLinks">zu ihren Gunsten eingetragenen Baulast vorgehen können</p>
<span class="absatzRechts">245</span><p class="absatzLinks">und müssen.</p>
<span class="absatzRechts">246</span><p class="absatzLinks">Es treffe auch nicht zu, dass sich die Beklagten ge-</p>
<span class="absatzRechts">247</span><p class="absatzLinks">weigert hätten, an einer Lösung mitzuwirken. Hierzu</p>
<span class="absatzRechts">248</span><p class="absatzLinks">seien sie immer bereit gewesen. Sie seien allerdings</p>
<span class="absatzRechts">249</span><p class="absatzLinks">berechtigt gewesen, sich nicht den einseitigen</p>
<span class="absatzRechts">250</span><p class="absatzLinks">Forderungen der Klägerin zu beugen, sondern auf eine</p>
<span class="absatzRechts">251</span><p class="absatzLinks">Gesamtlösung zu dringen. Diese hätten sie, wie sich aus</p>
<span class="absatzRechts">252</span><p class="absatzLinks">dem vorgerichtlichen Schriftverkehr ergebe, immer ange-</p>
<span class="absatzRechts">253</span><p class="absatzLinks">boten, ohne dass die Klägerin hierauf eingegangen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">254</span><p class="absatzLinks">Vielmehr habe sie monatelang geschwiegen und dann</p>
<span class="absatzRechts">255</span><p class="absatzLinks">schließlich nach der Besprechung vom 14.04.1994 das</p>
<span class="absatzRechts">256</span><p class="absatzLinks">Grundstück zurückkaufen wollen. Ihr Angebot, zum Preis</p>
<span class="absatzRechts">257</span><p class="absatzLinks">von 650.000,00 DM das Grundstück zurückzuverkaufen, sei</p>
<span class="absatzRechts">258</span><p class="absatzLinks">annehmbar gewesen, weil sie es später im Jahre 1998 zu</p>
<span class="absatzRechts">259</span><p class="absatzLinks">diesem Preis verkauft hätten. Aus den Unterlagen ergebe</p>
<span class="absatzRechts">260</span><p class="absatzLinks">sich, dass die Klägerin das Verfahren und eine Einigung</p>
<span class="absatzRechts">261</span><p class="absatzLinks">mutwillig verzögert habe.</p>
<span class="absatzRechts">262</span><p class="absatzLinks">Im übrigen habe auch nur eine Verpflichtung der Be-</p>
<span class="absatzRechts">263</span><p class="absatzLinks">klagten, wenn überhaupt, Zug um Zug gegen Zahlung einer</p>
<span class="absatzRechts">264</span><p class="absatzLinks">Notwegrente bestanden. Hierzu sei die Klägerin nicht</p>
<span class="absatzRechts">265</span><p class="absatzLinks">bereit gewesen, weshalb ein Schadensersatzanspruch aus-</p>
<span class="absatzRechts">266</span><p class="absatzLinks">scheide.</p>
<span class="absatzRechts">267</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen</p>
<span class="absatzRechts">268</span><p class="absatzLinks">den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu</p>
<span class="absatzRechts">269</span><p class="absatzLinks">den Akten gereichten Urkunden und die zu Informations-</p>
<span class="absatzRechts">270</span><p class="absatzLinks">zwecken beigezogenen Akten 6 0 460/97 LG Dortmund und</p>
<span class="absatzRechts">271</span><p class="absatzLinks">3 bC 27/93 AG Unna Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">272</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe</u></p>
<span class="absatzRechts">273</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">274</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat einen Schadensersatzanspruch gegen die</p>
<span class="absatzRechts">275</span><p class="absatzLinks">Beklagten, weder dem Grunde noch der Höhe nach schlüssig</p>
<span class="absatzRechts">276</span><p class="absatzLinks">dargetan.</p>
<span class="absatzRechts">277</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">278</span><p class="absatzLinks">Ein Anspruch auf Ersatz entgangener Mieteinnahmen hätte</p>
<span class="absatzRechts">279</span><p class="absatzLinks">der Klägerin aus § 286 BQB gegen die Beklagten zustehen</p>
<span class="absatzRechts">280</span><p class="absatzLinks">können. Voraussetzung wäre gewesen, dass die Beklagten</p>
<span class="absatzRechts">281</span><p class="absatzLinks">mit der Erfüllung einer Verpflichtung aus einem ver-</p>
<span class="absatzRechts">282</span><p class="absatzLinks">traglichen oder aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis</p>
<span class="absatzRechts">283</span><p class="absatzLinks">der Klägerin gegenüber in Schuldnerverzug waren.</p>
<span class="absatzRechts">284</span><p class="absatzLinks">Voraussetzung wäre also gewesen, dass die Beklagten der</p>
<span class="absatzRechts">285</span><p class="absatzLinks">Klägerin die Gewährung einer Zuwegung und einer neuen</p>
<span class="absatzRechts">286</span><p class="absatzLinks">Wasserleitung für ihr Hinterliegergrundstück geschuldet</p>
<span class="absatzRechts">287</span><p class="absatzLinks">hätten.</p>
<span class="absatzRechts">288</span><p class="absatzLinks">Aus dem notariellen Kaufvertrag ergab sich der Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">289</span><p class="absatzLinks">gegenüber keine Verpflichtung, die Zuwegung zu dulden</p>
<span class="absatzRechts">290</span><p class="absatzLinks">und ihr zu gestatten, eine neue Frischwasser- und Ab-</p>
<span class="absatzRechts">291</span><p class="absatzLinks">Wasserleitung unterhalb dieser Zuwegung zu verlegen.</p>
<span class="absatzRechts">292</span><p class="absatzLinks">Im notariellen Kaufvertrag sind unter Belastungen die</p>
<span class="absatzRechts">293</span><p class="absatzLinks">im Grundbuch unter Abteilung II und Abteilung III ein-</p>
<span class="absatzRechts">294</span><p class="absatzLinks">getragenen Belastungen sowie die im Baulastverzeichnis</p>
<span class="absatzRechts">295</span><p class="absatzLinks">eingetragene Verpflichtung gegenüber den jeweiligen</p>
<span class="absatzRechts">296</span><p class="absatzLinks">Eigentümern und Nutznießern der Grundstücke der</p>
<span class="absatzRechts">297</span><p class="absatzLinks">Klägerin bestehende Verpflichtung erwähnt, eine näher</p>
<span class="absatzRechts">298</span><p class="absatzLinks">gekennzeichnete Grundstücksfläche von jeglicher Be-</p>
<span class="absatzRechts">299</span><p class="absatzLinks">bauung freizuhalten und als Zuwegung und zur Verlegung</p>
<span class="absatzRechts">300</span><p class="absatzLinks">und Unterhaltung der Abwasserleitung und der erforder-</p>
<span class="absatzRechts">301</span><p class="absatzLinks">lichen Kontrollschächte zur Verfügung zu stellen. Auf-</p>
<span class="absatzRechts">302</span><p class="absatzLinks">grund der in § 3 Abs. 2 Satz 2 des Kaufvertrages ge-</p>
<span class="absatzRechts">303</span><p class="absatzLinks">troffenen Regelung, wonach die aus dem Baulastver-</p>
<span class="absatzRechts">304</span><p class="absatzLinks">zeichnis hervorgehende Belastung zur Duldung von den</p>
<span class="absatzRechts">305</span><p class="absatzLinks">Käufern Übernommen werde, ergab sich keine privat-</p>
<span class="absatzRechts">306</span><p class="absatzLinks">rechtliche Verpflichtung der Beklagten der Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">307</span><p class="absatzLinks">gegenüber.</p>
<span class="absatzRechts">308</span><p class="absatzLinks">Eine Baulast ist eine öffentlich-rechtliche Ver-</p>
<span class="absatzRechts">309</span><p class="absatzLinks">pflichtung des Baulastverpflichteten, die von der Bau-</p>
<span class="absatzRechts">310</span><p class="absatzLinks">aufsichtsbehörde mit hoheitlichen Mitteln durchgesetzt</p>
<span class="absatzRechts">311</span><p class="absatzLinks">werden kann. Aufgrund der Baulast und der Übernahme der</p>
<span class="absatzRechts">312</span><p class="absatzLinks">Baulast durch die Beklagten entstand für die Beklagten</p>
<span class="absatzRechts">313</span><p class="absatzLinks">keine Pflicht zur Duldung der baulastkonformen Nutzung</p>
<span class="absatzRechts">314</span><p class="absatzLinks">(BGHZ 88, 97; 94, 160). Zwar hätte es der ausdrück-</p>
<span class="absatzRechts">315</span><p class="absatzLinks">lichen Übernahme der Baulast durch die Beklagten nicht</p>
<span class="absatzRechts">316</span><p class="absatzLinks">bedurft und diese Belastung auch bestanden, wenn sie</p>
<span class="absatzRechts">317</span><p class="absatzLinks">diese nicht gekannt hätten; aus der in § 3 Abs. 2</p>
<span class="absatzRechts">318</span><p class="absatzLinks">Satz 2 erklärten Übernahme ergibt sich jedoch nicht,</p>
<span class="absatzRechts">319</span><p class="absatzLinks">dass die Beklagten mehr übernehmen wollten als sie</p>
<span class="absatzRechts">320</span><p class="absatzLinks">öffentlich-rechtlich mussten; insbesondere nicht, dass</p>
<span class="absatzRechts">321</span><p class="absatzLinks">sie darüber hinaus der Klägerin gegenüber eine zivil-</p>
<span class="absatzRechts">322</span><p class="absatzLinks">rechtliche Verpflichtung übernehmen wollten. Da der</p>
<span class="absatzRechts">323</span><p class="absatzLinks">Vertrag vom Notar beurkundet wurde, ist davon auszu-</p>
<span class="absatzRechts">324</span><p class="absatzLinks">gehen, dass dieser bei Übernahme einer auch privat-</p>
<span class="absatzRechts">325</span><p class="absatzLinks">rechtlichen Nutzungsverpflichtung eine Absicherung</p>
<span class="absatzRechts">326</span><p class="absatzLinks">durch die Eintragung einer Grunddienstbarkeit vorge-</p>
<span class="absatzRechts">327</span><p class="absatzLinks">nommen hätte. Aus der weiteren Regelung in § 3 Abs. 3</p>
<span class="absatzRechts">328</span><p class="absatzLinks">des Kaufvertrages, wonach andere als die erwähnten, im</p>
<span class="absatzRechts">329</span><p class="absatzLinks">Grundbuch und im Baulastverzeichnis eingetragenen Be-</p>
<span class="absatzRechts">330</span><p class="absatzLinks">lastungen nicht übernommen werden, ergibt sich, dass</p>
<span class="absatzRechts">331</span><p class="absatzLinks">eine zivilrechtliche Absicherung der übernommenen Bau-</p>
<span class="absatzRechts">332</span><p class="absatzLinks">last von den Parteien nicht gewollt war.</p>
<span class="absatzRechts">333</span><p class="absatzLinks">Gleichwohl ergab sich eine Verpflichtung der Beklagten,</p>
<span class="absatzRechts">334</span><p class="absatzLinks">der Klägerin einen Notweg sowie ein Leitungsrecht zu</p>
<span class="absatzRechts">335</span><p class="absatzLinks">gewähren, aus §§ 918 Abs. 2, 917 BGB. § 918 Abs. 2 BGB</p>
<span class="absatzRechts">336</span><p class="absatzLinks">begründet eine Pflicht zur Einräumung eines Notwegs und</p>
<span class="absatzRechts">337</span><p class="absatzLinks">Notleitungsrechts, wenn Grundstücke ursprünglich im</p>
<span class="absatzRechts">338</span><p class="absatzLinks">selben Eigentum standen, wie dies hier der Fall war.</p>
<span class="absatzRechts">339</span><p class="absatzLinks">Dass sich die Beklagten als Schuldner mit der Erfüllung</p>
<span class="absatzRechts">340</span><p class="absatzLinks">ihrer Verpflichtung zur Gewährung des Notwegs und der</p>
<span class="absatzRechts">341</span><p class="absatzLinks">Notleitung in Verzug befanden, hat die Klägerin nicht</p>
<span class="absatzRechts">342</span><p class="absatzLinks">in ausreichendem Maße substantiiert dargetan. Eine Ver-</p>
<span class="absatzRechts">343</span><p class="absatzLinks">letzung ihrer Pflichten hätte es dargestellt, wenn die</p>
<span class="absatzRechts">344</span><p class="absatzLinks">Beklagten die Wasserleitung gesperrt hätten; ob dies</p>
<span class="absatzRechts">345</span><p class="absatzLinks">der Fall war, braucht nicht aufgeklärt zu werden. Denn</p>
<span class="absatzRechts">346</span><p class="absatzLinks">eine Aufforderung der Klägerin an die Beklagten, die</p>
<span class="absatzRechts">347</span><p class="absatzLinks">Wasserzufuhr wiederherzustellen, ist nicht vorgetragen.</p>
<span class="absatzRechts">348</span><p class="absatzLinks">Insbesondere das Schreiben der Bevollmächtigten der</p>
<span class="absatzRechts">349</span><p class="absatzLinks">Klägerin vom 21.04.1994 enthält nicht einmal eine Auf-</p>
<span class="absatzRechts">350</span><p class="absatzLinks">forderung zur Öffnung der angeblich abgesperrten</p>
<span class="absatzRechts">351</span><p class="absatzLinks">Wasserleitung, so dass insoweit ein Verzug der Be-</p>
<span class="absatzRechts">352</span><p class="absatzLinks">klagten nicht ersichtlich ist. Was die Zuwegung be-</p>
<span class="absatzRechts">353</span><p class="absatzLinks">trifft, kann das Schreiben der Bevollmächtigten der</p>
<span class="absatzRechts">354</span><p class="absatzLinks">Klägerin vom 11.04.1994 mit der Aufforderung, das Tor</p>
<span class="absatzRechts">355</span><p class="absatzLinks">unverzüglich zu öffnen, als Gewährung der Zuwegung an-</p>
<span class="absatzRechts">356</span><p class="absatzLinks">gesehen werden. Eine Verweigerung der Erfüllung ihrer</p>
<span class="absatzRechts">357</span><p class="absatzLinks">Verpflichtungen insoweit liegt nicht vor. Der Vortrag</p>
<span class="absatzRechts">358</span><p class="absatzLinks">der Klägerin hierzu ist weitgehend unsubstantiiert.</p>
<span class="absatzRechts">359</span><p class="absatzLinks">Wie sich aus dem von den. Beklagten vorgelegten un-</p>
<span class="absatzRechts">360</span><p class="absatzLinks">streitigen Schriftverkehr der Parteien ergibt, haben</p>
<span class="absatzRechts">361</span><p class="absatzLinks">die Beklagten bereits im Jahre 1993 den Abschluss eines</p>
<span class="absatzRechts">362</span><p class="absatzLinks">schuldrechtlichen Vertrages zur gewünschten Nutzung an-</p>
<span class="absatzRechts">363</span><p class="absatzLinks">geboten, allerdings gegen die Zahlung eines Entgeltes,</p>
<span class="absatzRechts">364</span><p class="absatzLinks">welches ihnen gemäß § 917 Abs. 2 BGB für das Notweg-</p>
<span class="absatzRechts">365</span><p class="absatzLinks">und Notleitungsrecht zustand. Dies zeigen die Schreiben</p>
<span class="absatzRechts">366</span><p class="absatzLinks">der Beklagten vom 06.01.1993, wonach sie eine schuld-</p>
<span class="absatzRechts">367</span><p class="absatzLinks">rechtliche Vereinbarung zur gewünschten Nutzungsein-</p>
<span class="absatzRechts">368</span><p class="absatzLinks">räumung gegen Kostenbeteiligung vorschlugen. Hieraus</p>
<span class="absatzRechts">369</span><p class="absatzLinks">ergibt sich, dass die Beklagten bereits damals ein Zu-</p>
<span class="absatzRechts">370</span><p class="absatzLinks">rückbehaltungsrecht, welches ihnen aufgrund ihres An-</p>
<span class="absatzRechts">371</span><p class="absatzLinks">spruchs auf Zahlung einer Notwegerente zustand, geltend</p>
<span class="absatzRechts">372</span><p class="absatzLinks">machten, wenn dies auch nicht ausdrücklich erklärt</p>
<span class="absatzRechts">373</span><p class="absatzLinks">wurde. Dass die Beklagten insoweit ein Zurückbe-</p>
<span class="absatzRechts">374</span><p class="absatzLinks">haltungsrecht geltend machten, ergibt sich auch aus</p>
<span class="absatzRechts">375</span><p class="absatzLinks">ihrem Schreiben vom 12.08.1993 an die Bevollmächtigten</p>
<span class="absatzRechts">376</span><p class="absatzLinks">der Klägerin. Wenn die Beklagten hierin ausführen, dass</p>
<span class="absatzRechts">377</span><p class="absatzLinks">die Klägerin nicht einseitig Ansprüche geltend machen</p>
<span class="absatzRechts">378</span><p class="absatzLinks">könne, andererseits bestehende Verpflichtungen nicht</p>
<span class="absatzRechts">379</span><p class="absatzLinks">erfülle, so zeigt dies, dass sie das ihnen zustehende</p>
<span class="absatzRechts">380</span><p class="absatzLinks">Zurückbehaltungsrecht bereits damals geltend machten.</p>
<span class="absatzRechts">381</span><p class="absatzLinks">Gleiches ergibt sich aus ihrem Schreiben vom 11.10.1993</p>
<span class="absatzRechts">382</span><p class="absatzLinks">an die Klägerin. Ihre Ausführungen, keine Geschenke an</p>
<span class="absatzRechts">383</span><p class="absatzLinks">die Klägerin zu machen, und verschiedene andere Fragen,</p>
<span class="absatzRechts">384</span><p class="absatzLinks">die im Zuge der Baumaßnahmen entstanden waren, zu</p>
<span class="absatzRechts">385</span><p class="absatzLinks">klären, und dann eine Vereinbarung in einer gemeinsamen</p>
<span class="absatzRechts">386</span><p class="absatzLinks">Besprechung zu treffen, zeigt, dass sie die ihnen zu-</p>
<span class="absatzRechts">387</span><p class="absatzLinks">stehenden Gegenrechte geltend machten. Eine Auf-</p>
<span class="absatzRechts">388</span><p class="absatzLinks">forderung der Klägerin gegenüber den Beklagten nach</p>
<span class="absatzRechts">389</span><p class="absatzLinks">diesem Schreiben und ein tatsächliches Angebot ihrer-</p>
<span class="absatzRechts">390</span><p class="absatzLinks">seits, die geforderte Notwegrente zu zahlen und die</p>
<span class="absatzRechts">391</span><p class="absatzLinks">durch die Baufahrzeuge entstandenen Beschädigungen zu</p>
<span class="absatzRechts">392</span><p class="absatzLinks">beseitigen, ist seitens der Klägerin nicht erfolgt. Auf</p>
<span class="absatzRechts">393</span><p class="absatzLinks">die von der Klägerin im Schreiben vom 25.03.1994 er-</p>
<span class="absatzRechts">394</span><p class="absatzLinks">betene Besprechung wegen des Durchfahrtsrechtes haben</p>
<span class="absatzRechts">395</span><p class="absatzLinks">sich die Beklagten eingelassen. Nach der Besprechung</p>
<span class="absatzRechts">396</span><p class="absatzLinks">vom 14.04.1994 haben die Beklagten ihre Vorstellungen</p>
<span class="absatzRechts">397</span><p class="absatzLinks">im Schreiben vom 29.04.1994 bekannt gegeben und</p>
<span class="absatzRechts">398</span><p class="absatzLinks">wiederum die Zahlung für die Benutzung gefordert. Ob-</p>
<span class="absatzRechts">399</span><p class="absatzLinks">wohl die Klägerin diese Verpflichtung eingehen wollte,</p>
<span class="absatzRechts">400</span><p class="absatzLinks">wie ihr Schreiben vom 21.04.1994 zeigt, hat sie den Be-</p>
<span class="absatzRechts">401</span><p class="absatzLinks">klagten zu keinem Zeitpunkt eine Zahlung tatsächlich</p>
<span class="absatzRechts">402</span><p class="absatzLinks">angeboten oder gar geleistet, so dass das Zurückbe-</p>
<span class="absatzRechts">403</span><p class="absatzLinks">haltungsrecht der Beklagten nicht in Wegfall kam. Auf</p>
<span class="absatzRechts">404</span><p class="absatzLinks">das Angebot der Beklagten vom 29.04.1994 ging die</p>
<span class="absatzRechts">405</span><p class="absatzLinks">Klägerin, wie der Schriftverkehr zeigt, in der Folge-</p>
<span class="absatzRechts">406</span><p class="absatzLinks">zeit nicht ein, sondern ließ sich auf Verhandlungen mit</p>
<span class="absatzRechts">407</span><p class="absatzLinks">den Beklagten über den Rückkauf ein, die nicht zum Er-</p>
<span class="absatzRechts">408</span><p class="absatzLinks">gebnis führten. Auf die vielfachen Erinnerungsschreiben</p>
<span class="absatzRechts">409</span><p class="absatzLinks">der Beklagten im Jahre 1994 reagierte die Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">410</span><p class="absatzLinks">ebenfalls nicht. Da den Beklagten ein Zurückbe-</p>
<span class="absatzRechts">411</span><p class="absatzLinks">haltungsrecht zustand, welches sie bereits frühzeitig</p>
<span class="absatzRechts">412</span><p class="absatzLinks">geltend gemacht hatten, befanden sie sich der Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">413</span><p class="absatzLinks">gegenüber in dem Zeitraum, für welchen diese Schadens-</p>
<span class="absatzRechts">414</span><p class="absatzLinks">ersatz begehrt, nämlich vom 01.04.1994 bis 30.04.1998,</p>
<span class="absatzRechts">415</span><p class="absatzLinks">zu keiner Zeit in Schuldnerverzug. Der Schuldner, der</p>
<span class="absatzRechts">416</span><p class="absatzLinks">ein Zurückbehaltungsrecht hat und geltend macht, gerät</p>
<span class="absatzRechts">417</span><p class="absatzLinks">nicht in Verzug bzw. ein etwaiger Schuldnerverzug, der</p>
<span class="absatzRechts">418</span><p class="absatzLinks">schon bestanden hat, entfällt im Zeitpunkt, in welchem</p>
<span class="absatzRechts">419</span><p class="absatzLinks">das Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht wird. Da die</p>
<span class="absatzRechts">420</span><p class="absatzLinks">Beklagten von Anfang an auf Erfüllung ihrer Ansprüche</p>
<span class="absatzRechts">421</span><p class="absatzLinks">bestanden, waren, sie zu keiner Zeit in Schuldnerverzug.</p>
<span class="absatzRechts">422</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">423</span><p class="absatzLinks">Anderweitige Ansprüche der Klägerin sind nicht ersicht-</p>
<span class="absatzRechts">424</span><p class="absatzLinks">lich. Schadensersatzansprüche aus positiver Vertrags-</p>
<span class="absatzRechts">425</span><p class="absatzLinks">verletzung sind gegenüber Ansprüchen aus Verzug</p>
<span class="absatzRechts">426</span><p class="absatzLinks">subsidiär, so dass diese nicht in Frage kommen. An-</p>
<span class="absatzRechts">427</span><p class="absatzLinks">sprüche aus unerlaubter Handlung sind nicht ersicht-</p>
<span class="absatzRechts">428</span><p class="absatzLinks">lich.</p>
<span class="absatzRechts">429</span><p class="absatzLinks">Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91</p>
<span class="absatzRechts">430</span><p class="absatzLinks">Abs. l, 709 ZPO.</p>
|
114,488 | lagd-1999-09-15-12-sa-97099 | {
"id": 793,
"name": "Landesarbeitsgericht Düsseldorf",
"slug": "lagd",
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"state": 12,
"jurisdiction": "Arbeitsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 12 Sa 970/99 | 1999-09-15T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:47 | 2019-02-11T10:39:22 | Urteil | ECLI:DE:LAGD:1999:0915.12SA970.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">T a t b e s t a n d :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin verlangt eine betriebliche Witwenrente.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die am 02.07.1947 geborene Klägerin ist die Witwe des Architekten Hermann A.. Ihr am 28.05.1936 geborener, schwerbehinderter Ehemann war seit dem 15.11.1965 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin angestellt. Ihm waren Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der Versorgungsordnung der Beklagten, die Gegenstand einer am 07.06.1982 geschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarung war, zugesagt. Die Versorgungsordnung (nachfolgend: VO) bestimmt u. a. Folgendes:</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px"> § 6 Witwenrente</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">1. Eine Witwenrente erhält die Ehefrau eines Mitarbeiters oder Firmenrentners, wenn der Verstorbene den Unterhalt seiner Familie überwiegend bestritten hat (Haupternährer-Eigenschaft).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">2. Eine Witwenrente wird nicht gezahlt, wenn ...</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">...</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">5. Die Witwenrente wird lebenslänglich, letztmalig für den Sterbemonat, gewährt. Der Anspruch erlischt jedoch mit Ablauf des Monats, in dem die Witwe eine neue Ehe eingeht. In diesem Fall erhält die Witwe eine einmalige Abfindung in Höhe von 24 Monatsbeträgen ihrer Witwenrente. Die Witwe ist verpflichtet, ihre Wiederverheiratung der Firma unverzüglich mitzuteilen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">...</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">§ 7 Witwerrente</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">§ 6 gilt entsprechend für den Witwer einer Mitarbeiterin oder Firmenrentnerin.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">...</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">§ 9 Höhe der Versorgungsleistungen</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">...</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">7. Die Witwenrente beträgt 60 % der Firmenrente, die der verstorbene Ehemann bei seinem Tode bezog oder die er bezogen hätte, wenn er am Todestag berufsunfähig geworden und ausgeschieden wäre.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px"> Diese Regelung gilt entsprechend für die Witwerrente. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Nach längeren Krankheitszeiten schied der Ehemann der Klägerin am 30.06.1994 bei der Beklagten aus. Nach 23-monatigem Bezug von Arbeitslosengeld erhielt ab dem 01.06.1996 BfA-Rente. Außerdem gewährte ihm die Beklagte ab diesem Zeitpunkt betriebliche Altersrente in Höhe von DM 820,00. Am 25.08.1998 verstarb der Ehemann der Klägerin.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Die Klägerin ist seit dem Jahr 1982 bei der Firma S. angestellt. Nach den Verdienstabrechnungen lag ihr Arbeitsverdienst bis einschließlich 1992 niedriger als der ihres Ehemannes. Ab 1993 überstieg das Einkommen der Klägerin vom Bruttobetrag her die aufgrund der Krankheitszeiten, anschließenden Arbeitslosigkeit und Verrentung verringerten Einkünfte des Ehemannes. Lediglich im Jahr 1994 waren die Einkünfte des Ehemannes aufgrund einer bezogenen Abfindung noch etwas höher. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung vom 23.08.1999 (Bl. 100 der Gerichtsakte), die Verdienstabrechnungen (Bl. 101 ff.) und die Steuerbescheide von 1985 bis 1998 (Bl. 143 ff.) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Die Klägerin hat im März 1999 vor dem Arbeitsgericht Essen Klage erhoben und beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px"> </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px"> die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:70px">1. für die Zeit vom 01.09.1998 bis 31.03.1999 eine rückständige Witwenrente von 3.444,00 DM nebst jeweils 4 % Zinsen von 492,00 DM seit dem 01.10., 01.11., 01.12.1998 und 01.01., 01.02., 01.03., 01.04.1999,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:70px">und</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:70px">2. laufend ab April 1999 eine monatliche Witwenrente von 492,00 DM, zahlbar jeweils am Monatsende, zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px"> die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Ablebens ihres Ehemannes Haupternährerin gewesen sei und ihr daher nach § 6 Abs. 1 VO Witwenrente nicht zustehe.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Mit Urteil vom 06.05.1999 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte mit der form-und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Sie vertieft ihre erstinstanzlichen Rechtsausführungen und beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:70px">das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 06.05.1999 abzuändern und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px"> die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Sie hat in der Verhandlung vor der Kammer am 15.09.1999 über die Verwendung der von ihr und ihrem Ehemann bezogenen Einkünfte nähere Auskunft gegeben. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift des vorgenannten Tages Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den von den Parteien vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze mit den hierzu überreichten Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist unbegründet. Der Klägerin steht nach § 6 Nr. 1 VO Witwenrente zu.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">1. § 6 Nr. 1 VO grenzt die Anspruchsberechtigung danach ab, ob der Verstorbene den Unterhalt seiner Familie überwiegend bestritten hat oder nicht. An näheren Maßstäben für die Feststellung der Haupternährer-Eigenschaft lässt es die Bestimmung fehlen. Sie bedarf daher der Auslegung, die ihrerseits, weil es sich bei der VO um eine Gesamtbetriebsvereinbarung handelt, nach den für die Auslegung von Betriebsvereinbarungen geltenden Regeln vorzunehmen ist. Danach ist zunächst der Wortlaut maßgebend. Über den reinen Wortlaut hinaus ist sodann der wirkliche Wille der Betriebspartner und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, soweit die Betriebsvereinbarung, insbesondere der Gesamtzusammenhang der getroffenen Regelungen, diesen Willen und Zweck erkennbar zum Ausdruck bringt (BAG, Urteil vom 15.12.1998, 1 AZR 332/98, ZIP 99, 812, zu 1 der Gründe; vgl. BAG, Urteil vom 16.05.1995, 3 AZR 395/94, AP Nr. 10 zu § 1 TVG Tarifverträge: Papierindustrie, zu I 1 [zur Tarifauslegung]).</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">2. Der Wortlaut des § 6 Nr. 1 VO gibt keinen endgültigen Aufschluss.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Begriffe des Bestreitens des Familienunterhalts bzw. des Ernährers knüpfen an die zur Verfügung gestellten Mittel, i. e. Geldmittel, an. Mit dem Adverb überwiegend bzw. dem Präfix Haupt- wird auf den prozentualen Anteil (mehr als 50 %) der zugewendeten Mittel abgestellt. Diese quantitative Festlegung sagt zunächst nichts darüber aus, zu welcher Zeit bzw. in welchem Zeitraum die Haupternährer-Eigenschaft vorgelegen haben muss. Nach allgemeinem Sprachempfinden und Sprachgebrauch wird jedoch als Haupternährer gerade und nur das Familienmitglied bezeichnet, das bezogen auf einen längeren Zeitraum die überwiegenden Mittel für den Unterhalt bereitgestellt hat. Der Umstand, dass ein anderes Familienmitglied gelegentlich oder kurzzeitig höhere Mittel der Familienkasse hat zufließen lassen, macht dieses Mitglied nicht zum Haupternährer. Aus diesem Grund kann nicht auf die Verhältnisse an einem bestimmten Stichtag , etwa den Monat des Ablebens des Mitarbeiters bzw. Firmenrentners</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">abgestellt werden. Vielmehr ist in der Rückschau für einen repräsentativen Zeitraum die Haupternährer-Eigenschaft festzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Dieser sprachliche Erstbefund lässt offen, welcher Zeitraum maßgebend ist und inwieweit es sich auswirkt, wenn in der Vergangenheit die Haupternährer-Eigenschaft zwischen den Ehepartnern wechselte. Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 VO lässt immerhin die Berücksichtigung eines solchen Wechsels zu und macht nicht ohne weiteres den während der gesamten Dauer der Ehe, des Arbeits- und/oder Ruhestandsverhältnisses geleisteten finanziellen Unterhalt zum Maßstab.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">3. Zweck der betrieblichen Altersversorgung ist es, als Teil der Gesamtversorgung zur Erhaltung des Lebensstandardes des Firmenrentners beizutragen. Indem die Präambel zur VO (Abschnitt I a. E.) diesen Zweck benennt, beschreibt sie die genuine Zwecksetzung jeder betrieblichen Altersversorgung. Des Weiteren hat das Bundesarbeitsgericht erkannt, dass in der Regel auch die Betriebstreue gefördert und belohnt werden soll (z. B. BAG, Urteil vom 22.11.1994, 3 AZR 349/94, AP Nr. 24 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu B III 2, Urteil vom 09.12.1997, 3 AZR 661/96, AP Nr. 40, zu B II 2 a; vgl. BAG, Urteil vom 03.11.1998, 3 AZR 454/97, ZIP 99, 1145, zu B II). Dies gilt auch für die VO, die den Anspruch auf Firmenrente und deren Höhe von der Firmenzugehörigkeit und der Versorgungsgruppe abhängig macht (§§ 9 bis 11 VO).</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Des Weiteren ist anzuerkennen, dass einerseits die Hinterbliebenenversorgung auf dem Arbeitsverhältnis des verstorbenen Arbeitnehmers beruht und seinem Interesse an einer angemessenen Versorgung seiner Familienangehörigen Rechnung trägt, andererseits der Arbeitgeber überhaupt keine Hinterbliebenenversorgung versprechen muss und ein finanzielles Interesse an der Begrenzung der Versorgungslasten hat (BAG, Urteil vom 28.03.1995, 3 AZR 343/94, AP Nr. 14 zu § 1 BetrAVG Hinterbliebenenversorgung, zu II 2, Urteil vom 16.04.1997, 3 AZR 28/96, AP Nr. 16, zu II 3 b).</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Aus diesen allgemeinen Erwägungen lassen sich indessen keine konkreten Folgerungen für die Auslegung des § 6 Abs. 1 VO ableiten. Die Beklagte hat keine Witwenversorgung versprechen müssen; sie hat dies aber getan. Dabei hat sie ihre Versorgungsleistung nicht an der individuellen Bedürftigkeit des Firmenrentners oder seiner Witwe ausgerichtet, sondern eine generalisierende und typisierende Regelung ge-</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">schaffen (vgl. BAG, Urteil vom 07.03.1995, 3 AZR 282/94, AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu B II 2 d ee). Hieran muss sie sich festhalten und messen lassen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Bei diesem Ansatz liegt dem Differenzierungsmerkmal des Haupternährers zum einen die Vorstellung zugrunde, dass das Arbeitseinkommen bzw. die Gesamtversorgung (vgl. § 9 Nr. 6 VO) des Mitarbeiters/Firmenrentners zu dessen Lebzeiten im Wesentlichen den Unterhalt der Familie sicherstellten und dieser Versorgungsgrad, wenn auch verringert und begrenzt (§ 6 Nr. 3 bis 5, § 8, § 9 Nr. 7 VO), dem überlebenden Ehegatten und Kind erhalten bleiben sollte. Zum anderen stellt § 6 Nr. 1 VO auf die Erwerbstätigkeit des Haupternährers, seinem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten, deshalb ab, weil typischerweise nur dieses Arbeitsverhältnis als Altersversorgungsgrundlage in Betracht kommt, wohingegen die Ehefrau als Nebenernährerin aus Berufstätigkeit keine oder nur geringe Versorgungsansprüche erwirbt (vgl. BArbBl. 98, 21). Mit der zugesagten Gesamtversorgung wird auf den Lebensstandard des Mitarbeiters vor dem Eintritt in den Ruhestand angeknüpft. Die versprochene Versorgungsleistung soll die Lücke verringern, die sich mit dem Eintritt des Versorgungsfalls zwischen dem durch die letzten aktiven Bezüge begründeten Lebensstandard und der sozialversicherungsrechtlichen Grundversorgung auftut. Die Witwenrente hat, indem auf den Wegfall des Haupternährers abgestellt wird, dieselbe lückenfüllende Funktion.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Der so verstandene Versorgungszweck legt es nahe, dass in die Beurteilung der Haupternährer-Eigenschaft die Verhältnisse im Zeitpunkt des Ablebens des Mitarbeiters oder Firmenrentners (§ 6 Nr. 1 VO) einzubeziehen sind. Dies bedeutet entgegen der Auffassung der Beklagten freilich nicht, dass aus Gründen der klaren und einfachen Ermittlung es nur auf die Verhältnisse am Tag bzw. im Monat des Ablebens ankommt und diese Verhältnisse den (konkreten) Versorgungsbedarf der Witwe ergeben (Seite 4 des Schriftsatzes vom 01.09.1999). Die Beklagte übersieht zum einen, dass eine solche punktuelle Betrachtung Zufälligkeiten und Einflussmöglichkeiten der Begünstigten Raum gäbe (vgl. BAG, Urteil vom 17.02.1998, 3 AZR 578/96, AP Nr. 38 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu II 3 b) und die Witwenrente nicht davon abhängt, ob ein tatsächlicher Versorgungsbedarf besteht, sondern dass Witwenrente zu gewähren ist, sofern die statuierten Voraussetzungen vorliegen, also auch bei fehlender Bedürftigkeit der Witwe.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Zum anderen ist zu bedenken, dass die Witwenrente bis zum Tod gezahlt wird (§ 6 Nr. 5 VO), also der Versorgungsbedarf auf eine Zeitspanne bezogen wird, für den eigene Einkünfte der Witwe nicht feststehen und, falls vorhanden, stark variieren können, z. B. bei Arbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit, Erreichen der Altersgrenze. Das Einkommen der Witwe zum Zeitpunkt des Todes ihres Ehemannes oder in dessen letzten Lebensjahren indiziert nicht, dass ihr künftiger Versorgungsbedarf abgedeckt wird. Dieser Einsicht trägt auch § 6 Nr. 5 Satz 2 VO durch die pauschalisierte Abgeltung der Rentenansprüche bei Wiederheirat Rechnung.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Sind daher die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Ablebens des Mitarbeiters bzw. Firmenrentners für den künftigen Versorgungsbedarf der Witwe nicht ohne weiteres aussagekräftig, kommt in Betracht, die Haupternährer-Eigenschaft nach der gesamten Dauer der Ehe, soweit ein Arbeitsverhältnis bzw. Ruhestandsverhältnis zur Beklagten bestanden hat, festzustellen (so LAG Hamm, Urteil vom 08.12.1998, 6 Sa 674/98, zu 3 c, LAG Düsseldorf, Urteil vom 15.04.1999, 2 (12) Sa 12/99, zu II). Dafür spricht der Entgeltcharakter der Versorgung, die dem Arbeitnehmer als Gegenleistung für Arbeitsleistung und Betriebstreue eine über die sozialversicherungsrechtliche Grundsicherung hinausgehende Versorgung gewähren will.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Bei dieser Betrachtung ist der Ehemann der Klägerin Haupternährer , weil er in mindestens 8 von insgesamt 12 Jahren aufgrund höherer Einkünfte den Lebensunterhalt der Familie überwiegend bestritt. Die Klägerin hatte höhere Brutto-Einkünfte in den Jahren 1993, sowie 1995 bis 1998, was allerdings nicht zwangsläufig bedeutet, dass ihre Netto-Einkünfte die weitgehend steuerfreien Einkünfte des Ehemannes in dieser Zeit überstiegen. Danach kann offen bleiben, ob eine vom nicht mehr berufstätigen Ehemann geleistete Haushaltsführung zu berücksichtigen wäre und inwieweit es sich auswirkt, dass der Ehemann an seinen Sohn monatlichen Unterhalt von ca. DM 600,00 leistete, während mit dem übrigen Gesamtverdienst nicht nur der bloße Unterhalt bestritten wurde, sondern auch darüber hinausgehende Ausgaben getätigt wurden.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">4. Die Auslegung des § 6 Nr. 1 VO darf schließlich nicht übergehen, dass die Bestimmung an § 1266 RVO ( Witwerrente erhält der Ehemann nach dem Tod seiner versicherten Ehefrau, wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie überwiegend</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">bestritten hat ") angelehnt ist. Zu § 1266 RVO war anerkannt, dass die versicherte Ehefrau den Unterhalt der Gesamtfamilie (einschließlich aller unterhaltsberechtigten</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Kinder, vgl. BSGE 63, 79, BSG NJW 81, 1008) überwiegend bestritten haben musste, es auf den tatsächlich geleisteten Unterhalt nach dem Nettoeinkommen ankam und nicht nur finanzielle Aufwendungen, sondern auch Haushaltstätigkeit der Eheleute zu berücksichtigen waren. In zeitlicher Hinsicht waren die für den Unterhalt bzw. die Unterhaltskasse erbrachten Leistungen während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tod der Versicherten maßgebend. § 1266 RVO ist, weil verfassungsrechtlich obsolet, durch Artikel 1 Nr. 28 HEZG gestrichen worden und gelangt nicht mehr zur Anwendung, wenn die versicherte Ehefrau vor dem 01.01.1986 verstorben ist (vgl. nunmehr § 46 SGB VI).</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Regelungsinhalt und Schicksal des § 1266 RVO sind freilich für die Auslegung von § 6 Nr. 1 (§ 7) VO nicht maßgebend. Der Gesetzgeber handelte aus sozialpolitischen Gründen, knüpfte an das gesetzliche Versicherungsverhältnis, ein überkommenes Verständnis von der Rolle der Frau und der Familienhalt an und bestimmte auch nach familienfreundlichen Gesichtspunkten das Maß der Versorgung. Die Intentionen und Systematik der gesetzlichen Rentenversicherung könne nicht Rechtfertigung für betriebliche Altersversorgungsregelungen sein. Zwar dient, wie ausgeführt, die betriebliche Altersversorgung auch der Versorgung der begünstigten Arbeitnehmer und ihrer Hinterbliebenen. Sie ist jedoch zugleich Entgelt für die im Unternehmen erbrachte Betriebstreue (BAG, Urteil vom 16.03.1993, 3 AZR 389/92, AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Teilzeit, zu 3, Urteil vom 12.11.1994, a. a. O., zu B III 3).</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">5. Hielte man § 6 Nr. 1 VO gleichwohl mit dem Inhalt für auslegungsfähig, dass es auf die Haupternährer-Eigenschaft während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes ankommt, wäre die danach vorzunehmende Unterscheidung zwischen begünstigten und nicht begünstigten Witwen zu undifferenziert und sachwidrig. Bei beiden Gruppen ist der künftige Versorgungsbedarf ungewiss. Die zuletzt inne gehabte Haupternährer-Eigenschaft besagt nichts darüber, dass die Witwe, wenn sie ihre Erwerbsquelle (Arbeitsverhältnis) verliert, der zusätzlichen Versorgung durch die Witwenrente nicht bedarf. Wenn die Beklagte die Witwenrente von dem Versorgungsbedarf abhängig machen wollte, hätten ihr andere angemessene Regelungsmöglichkeiten zur</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Verfügung gestanden, etwa die Anrechnung von anderweitigem Arbeitseinkommen oder sonstigen Bezügen (vgl. BAG, Urteil vom 22.11.1994, a. a. O.). Das Kriterium der Haupternährer-Eigenschaft vor bzw. beim Ableben des Mitarbeiters bzw. Firmenrent-</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">ners erfasst nicht sachgerecht den künftigen Versorgungsbedarf, sondern führt in seiner praktischen Anwendung zu einer offenbaren Ungleichbehandlung. Dieser Befund</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">hat zur Folge, dass die Einschränkung des § 6 Nr. 1 VO ( wenn ... ) unwirksam ist. Die Teilnichtigkeit führt nicht zur Nichtigkeit der gesamten Witwenversorgung. Weil nach § 6 Nr. 1 VO jedenfalls die Witwen der Haupternährer Anspruch auf Versorgung haben, können die ausgeschlossenen Witwen nach § 1 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG Gleichbehandlung und damit ebenfalls Witwenrente verlangen (vgl. BAG, Urteil vom 09.12.1997, 3 a. a. O., zu III 1).</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">6. Dieselbe Rechtsfolge ergibt sich im Übrigen daraus, dass die Einschränkung des § 6 Nr. 1 VO gegen das Gebot der Normenklarheit (vgl. BAG, Urteil vom 04.12.1997,2 AZR 809/96, AP Nr. 143 zu § 4 TVG Ausschlussfristen, zu B II 3, Beschluss vom 29.01.1980, 1 ABR 45/79, AP Nr. 22 zu § 5 BetrVG 1972, zu B V 1 a) verstößt. Unklarheiten ergeben sich nicht nur hinsichtlich des maßgeblichen Beurteilungszeitraums, sondern auch der zu berücksichtigenden Mittel (Arbeitseinkommen, Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, aus Kapitalvermögen usw.) hinsichtlich dessen, was einerseits Unterhalt , andererseits (erhöhter) Lebensstandard und Luxus ist, inwieweit es auf die Brutto- oder Nettoeinkünfte und die Steuerklassenwahl ankommt, wie zu verfahren ist, wenn von den Arbeitseinkünften des einen Ehegatten der Unterhalt bestritten wird, während die (höheren) Einkünfte des anderen Ehegatten oder dessen Vermögen etwa für Luxusausgaben oder für die Ansparung von Vermögen verwendet werden. Ebenso ist unklar, wie der von den Ehegatten unterschiedlich geleistete Anteil der Haushaltsführung festzustellen, zu berücksichtigen und zu bewerten ist. Hinzu kommt die gemeinschaftsrechtliche Problematik des Merkmals der Haupternährer-Eigenschaft , auf die die 2. Kammer des LAG Düsseldorf im Urteil vom 15.04.1999 hingewiesen hat.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die Gerichte können zwar nicht ohne weiteres eine unklare Regelung kassieren, sondern haben zunächst im Wege der Auslegung die Klärung des Regelungsinhalts zu versuchen. Vorliegend ist jedoch eine solche Klärung mit den anerkannten Auslegungsmethoden nicht möglich. Vielmehr würde den Gerichten praktisch abverlangt, die</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Regelungsdefizite durch eigene Rechtssetzung zu beseitigen. Dies übersteigt nach Auffassung der Kammer die Aufgabe der Gerichte. Daher müssen es die Beteiligten</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">hinnehmen, dass einer unklaren und nicht mehr auslegungsfähigen Regelung die Anerkennung der Rechtswirksamkeit versagt wird.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Die Kosten der erfolglos gebliebenen Berufung hat die Beklagte als unterlegene Partei zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Die Kammer hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache für die Beklagte die Revision zugelassen.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Dr. Plüm Novak Kemmerlings</p>
|
114,489 | ovgnrw-1999-09-15-2-a-161996a | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
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"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
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} | 2 A 1619/96.A | 1999-09-15T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:48 | 2019-02-12T13:54:25 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0915.2A1619.96A.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der 1957 in H. bei N. geborene Kläger zu 1. und
die dort 1952 geborene Klägerin zu 2. sind türkische
Staatsangehörige. Sie siedelten 1977 nach Istanbul über; dort
wurden 1977 die Klägerin zu 3. und 1981 die Klägerin zu 4.
geboren. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin zu 3. reiste am 15. November 1992, die übrigen
Kläger reisten am 24. Dezember 1992 mit dem Flugzeug nach
Deutschland ein. Am 21. Januar 1993 beantragten die Kläger
ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Sie gaben an, sie seien
syrisch-orthodoxe Christen aramäischer Volkszugehörigkeit.
</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Bei der Anhörung im Rahmen der Vorprüfung vor dem Bundesamt
für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (im folgenden:
Bundesamt) trug der Kläger zu 1. vor: Er habe die Grundschule
im Dorf absolviert und sei dann für sieben Jahre nach N.
zu einem Juwelier in die Lehre gegangen. Nachdem er die
Unterdrückung nicht mehr habe ertragen können, sei er mit
seiner Ehefrau im Jahre 1977 nach Istanbul umgezogen. Dort
habe er ein Juweliergeschäft eröffnet und es bis zur Ausreise
betrieben. Im Jahre 1987 seien ihm einige Dinge in seinem
Juwelierladen gestohlen worden. Er habe Namen der Leute, die
er für die Täter gehalten habe, bei der Polizei angegeben.
Anschließend habe er anonyme Drohanrufe erhalten und sei
deshalb von Ende 1989 bis März 1990 nach Deutschland gegangen.
Bis 1990 habe die Familie nicht vorgehabt, irgendwo einen
Asylantrag zu stellen, obwohl sie in dieser Zeit auch viele
Schwierigkeiten erlebt habe. Zeitweise hätten seine Kinder am
islamischen Religionsunterricht in der Schule nicht teilnehmen
müssen. Als der Lehrer, der ihnen in dieser Richtung geholfen
habe, nicht mehr dagewesen sei, hätten die Kinder wieder
Schwierigkeiten gehabt. Seine Kinder B. und U. hätten
die Schule seit 1991 bzw. 1992 nicht mehr besuchen dürfen,
weil sie beim Religionsunterricht durchgefallen seien. Neben
seinem Juweliergeschäft habe er mit einem Freund noch ein
Textilgeschäft betrieben. Im April 1992 sei sein Mitarbeiter
erschossen worden. Die Täter hätten zwei Lederjacken
mitgenommen. Einen Monat später habe er Telefonanrufe von
Unbekannten erhalten, die gesagt hätten, sie hätten eine
falsche Person ermordet. Vielmehr habe er - der Kläger zu 1. -
umgebracht werden sollen. Am 24. April 1992 sei er nach einem
Kirchbesuch von einigen Fanatikern angegriffen worden. Sein
Bruder habe einen dieser Fanatiker an der Stimme erkannt. Er
habe gesagt, er vermute, das sei einer derjenigen gewesen, die
oft nach dem Überfall bei ihnen angerufen hätten. Bei diesem
Vorfall sei sein Vater verletzt worden und habe 15 Tage im
Krankenhaus verbringen müssen. Der Kläger zu 1. sei außerdem
"der zweite Mann" in der Kirche N. K. gewesen. Er habe
sich in der Verwaltung betätigt. Nach dem Vorfall im April
1992 habe er oft Anträge bei der Staatsanwaltschaft gestellt
und gebeten, sein Telefon zu überwachen. Trotzdem habe es
wieder Anrufe gegeben und die Staatsanwaltschaft habe gesagt,
man habe nichts in der Hand. Im Juli 1992 seien zwei
Zivilisten, die er als Polizisten der Wache C. L. erkannt
habe, ins Geschäft gekommen und hätten Geld verlangt. Sie
hätten dann 600 g unbearbeitetes Gold mitgenommen. Danach sei
er noch einmal angerufen worden und es sei gesagt worden,
seine Kinder würden entführt werden. Er habe sich auch wegen
der beiden Polizisten an die Polizei gewandt. Die habe jedoch
gesagt, das könne nicht sein. Ihm persönlich sei nichts
passiert; bis auf die allgemeine Unterdrückung habe er keine
Schwierigkeiten gehabt. Finanziell sei es der Familie sehr gut
gegangen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit Datum vom 10. März 1993 reichten die Kläger eine
ergänzende Stellungnahme ein. Wegen des Inhalts wird auf Blatt
57 bis 59 der Beiakte Heft 1 Bezug genommen. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 7. April 1993 lehnte das Bundesamt den
Asylantrag der Kläger ab. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Gegen den am 4. Mai 1993 zugestellten Bescheid haben die
Kläger am 11. Mai 1993 Klage erhoben, zu deren Begründung sie
ergänzend vorgetragen haben: Es sei ihnen in keiner Weise
möglich gewesen, irgendwelchen Schutz des türkischen Staates
zu erlangen. Der Kläger zu 1. sei zwar nie von der Polizei
förmlich verhaftet, jedoch mehrere Male vorgeladen und
systematisch unter Druck gesetzt worden. Bei den Verhören, die
in der Regel sieben bis acht Stunden gedauert hätten, sei er
immer wieder massiv bedroht worden. Ergänzend haben die Kläger
auf das Vorbringen des Bruders des Klägers zu 1. im
Parallelverfahren 14a K 1609/93.A (VG Gelsenkirchen)
verwiesen. Insoweit wird auf Blatt 60 bis 64 der Gerichtsakte
Bezug genommen. Die Kläger haben sich außerdem auf eine
Gruppenverfolgung syrisch-orthodoxer Christen in der Türkei
berufen und hierzu umfangreich unter Hinweis auf zahlreiche
Erkenntnisquellen vorgetragen. Insoweit wird auf Blatt 27 bis
59 der Gerichtsakte Bezug genommen. Der Kläger zu 1. ist in
der mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 1996 vor dem
Verwaltungsgericht zu seinem Asylbegehren gehört worden.
Insoweit wird auf das Protokoll dieser Sitzung verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Kläger haben beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Beklagte unter Aufhebung des
Bescheides des Bundesamtes für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
vom 7. April 1993 zu verpflichten, die
Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen
und festzustellen, daß die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des
Ausländergesetzes vorliegen. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">
Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">
Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom
12. Februar 1996 stattgegeben und zur Begründung im
wesentlichen ausgeführt: Die Kläger könnten sich auf eine
Gruppenverfolgung der syrisch-orthodoxen Christen im Tur Abdin
berufen. Eine inländische Fluchtalternative in Istanbul
bestehe nicht. Zwar hätten die Kläger zunächst 1977 eine
inländische Fluchtalternative in Istanbul ergriffen. Diese sei
aber zwischenzeitlich zerstört worden. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Auf den Antrag des Beteiligten hat der Senat die Berufung
zugelassen, zu deren Begründung der Beteiligte vorträgt, die
Kläger könnten sich nicht (mehr) auf eine Gruppenverfolgung
der syrisch-orthodoxen Christen im Tur Abdin berufen, weil sie
aufgrund der Verlegung ihres Lebensmittelpunktes nach Istanbul
im Jahre 1977 die asylrechtlich erforderliche Bindung an diese
Gruppe verloren hätten. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Beteiligte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern
und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">
Die Kläger beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und weisen ergänzend
darauf hin, daß aufgrund der Auflösung der syrisch-orthodoxen
Gemeinde in Istanbul die Kläger im Falle einer Rückkehr ihren
Lebensunterhalt nicht sicherstellen könnten. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte verweist darauf, daß die
"Vorverfolgungsgeschich-te" der Kläger aufgrund
widersprüchlicher Schilderungen nicht glaubhaft sei. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat den Kläger zu 1. in der mündlichen
Verhandlung zu seinem Begehren angehört. Insoweit wird auf das
Protokoll der Sitzung vom 15. September 1999 Bezug
genommen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes
wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten (1 Heft) und des
Oberkreisdirektors des Kreises V. (4 Hefte) sowie auf die
Gerichtsakte 14a K 1609/93.A (VG Gelsenkirchen) im Verfahren
des Bruders des Klägers zu 1. und anderer Bezug genommen. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat zum Zwecke der Entscheidung die nachfolgenden
in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen ausgewertet.
</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Erkenntnisliste </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">1. Yonan, Assyrer heute, Dezember 1978
2. Hofmann, Zur Lage der Armenier, ein Überblick, pogrom Nr. 64, Mai/Juni 1979
3. Yonan, Die Lage der christlichen Minderheiten in der Türkei - pogrom Nr. 64,
Mai/Juni 1979
4. Stephanjan, Die imperialistische Politik des kaiserlichen Deutschland
gegenüber Westarmenien während des 1. Weltkrieges, pogrom Nr. 64, Mai/Juni
1979
5. Inhaltliche Zusammenfassung des Memorandums des Patriarchen der
Armenisch-Apostolischen Kirche in der Türkei, pogrom Nr. 64, Mai/Juni 1979
6. Auszug aus dem Jahresbericht des armenischen Patriarchen Schnork Kalustian
über das Jahr 1978, pogrom Nr. 64, Mai/Juni 1979
7. Harb-Anschütz, Gutachten an den Bayer. VGH über die gegenwärtige Situation
der syrischen Christen im Tur Abdin in der Südosttürkei v. 7.8.1979
8. epd-Dokumentation Nr. 49/79, Christliche Minderheiten aus der Türkei, v.
12.11.1979
9. Yonan, Die Situation der Christen in der Türkei, November 1979, in
Materialdienst der Evangelischen Akademie Bad Boll, Nr. 2/80
10. amnesty international (ai), Stellungnahme an VG Ansbach über syrisch-
orthodoxe Christen v. 21.1.1980
11. Auswärtiges Amt (AA), Auskunft an Bundesministerium des Innern - BMI - (510-
516.80 TUR) v. 15.2.1980
12. Koutcharian, der Völkermord an den Armeniern und seine Auswirkungen,
pogrom Nr. 72/73, Mai 1980
13. Palakjan, Das armenische Golgatha, - Auszug aus dem gleichnamigen Buch -
pogrom Nr. 72/73, Mai 1980
14. Hartunian, Vom Lausanner Friedensvertrag bis heute, pogrom Nr. 72/73, Mai
1980
15. VG Gelsenkirchen, Terminsprotokoll (14 K 10.118/80) über Anhörung Patriarch
Yakub III und Bischof Cicek v. 20.5.1980
16. Carragher, Stellungnahme an Bayer. VGH v. 15.10.1980
17. Schwedisches Außenministerium, Gutachterliche Stellungnahme zur Situation
der Christen in der Türkei v. 3.4.1981
18. Reisebericht einer schwedisch-norwegischen Reisegruppe v. 29.4.1981
19. Hofmann, Stellungnahme zur Lage der Armenier in Istanbul/Konstantinopel v.
2.5.1981
20. AA, Auskunft an VG Gelsenkirchen (510-516/80 TUR) v. 13.5.1981
21. Dabag, Christen aus der Türkei in der Bundesrepublik Deutschland, die
Situation der Armenier, Materialdienst der evangelischen Akademie Bad Boll,
Nr. 6/81
22. Rauch, Die Christen aus der Türkei und Yaghnam, Die Arabisch-Orthodoxe
Gemeinschaft in der BRD, Materialdienst der Evangelischen Akademie Bad
Boll, Nr. 6/81 von Oktober 1980
23. Text des Westdeutschen Rundfunks zur Sendung "Dich, Ararat, vergeß ich
nie/Die Armenier" v. 17.6.1981
24. Staatssekretär von Staden (BT-Drs. 9/650) v. 6.7.1981
25. Barbé, Schreiben an ZDWF betr. Arabisch-Rum-Orthodoxe-
Kirchengemeinschaft in Deutschland, v. 10.8.1981
26. AA, Auskunft an VG Oldenburg (510-516/4154) v. 24.09.1981
27. Manuskript eines Beitrags des Norddeutschen Rundfunks über die Armenier in
der Türkei v. 12.10.1981
28. Koutcharian, Atatürks 100. Geburtstag, die Militärjunta und die Armenier,
pogrom Nr. 85, Oktober/November 1981
29. Drei armenische Grundschulen in Konstantinopel/Istanbul geschlossen, pogrom
Nr. 85, Oktober/November 1981
30. Hofmann, Armenier in der Bundesrepublik, pogrom Nr. 85, Oktober/November
1981
31. Hofmann, Nationale Minderheiten aus und in der Türkei und im Nahen Osten,
pogrom Nr. 85 Oktober/November 1981
32. Hofmann/Koutcharian, Diarbekir und Hatay: Flüchtlingsbe-richte, pogrom
Nr. 85, Oktober/November 1981
33. AA, Auskunft an VG Hamburg (510-516/4274) v. 13.11.1981
34. Wiskandt, Gutachten für das Bundesamt zur Situation der Christen in der Türkei
v. 24.11.1981
35. Schweiz. Ev. Pressedienst v. 21.1.1982
36. Diestelmann, Die Situation der syrisch-orthodoxen Christen in der Türkei und in
der Bundesrepublik Deutschland, v. 7.4.1982
37. Carragher, Stellungnahme v. 19.4.1982 zum Gutachten Wiskandt
38. Hofmann, Stellungnahme v. 28.4.1982 zum Gutachten Wiskandt
39. Diakonisches Werk, Stellungnahme v. 6.5.1982 zum Gutachten Wiskandt
40. EKD, Stellungnahme des Pfarrers Klautke zur Situation der syrisch-orthodoxen
Gemeinde in Istanbul an VG Minden v. 18.5.1982
41. Cicek, Die Gründe für die Auswanderung der syrischen Christen aus der Türkei,
v. 19.7.1982
42. Harb-Anschütz, Stellungnahme an VG Minden zur Lage der syrisch-orthodoxen
Christen, insbesondere in Großstädten wie Istanbul v. 17.8.1982
43. AA, Auskunft an VG Stade (510-516/4539) v. 18.10.1982
44. Hofmann, Stellungnahme an OVG NW v. 3.4.1983
45. AA, Auskunft an OVG NW (514-516/80 TUR) v. 18.4.1983
46. Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland, Stellungnahme an OVG
NW v. 19.5.1983
47. Harb-Anschütz, Schreiben an OVG NW v. 30.6.1983
48. Müller in ZDWF, Stellungnahme zur Lage der Christen aus der Türkei v.
21.7.1983
49. Yonan, Arabischsprachige orthodoxe Christen in der Türkei pogrom 102/103,
Oktober 1983
50. epd-Dokumentation, Christen aus der Türkei suchen Asyl, v. 24.10.1983
51. AA, Auskunft an VG Karlsruhe (510-516/6486) v. 12.12.1983
52. AA, Auskunft an BMI (510-516/80 TUR) v. 10.1.1984
53. AA, Auskunft an VG Karlsruhe (510-516/80 TUR) v. 25.5.1984
54. epd-Dokumentation Nr. 26/84, Die Lage der christlichen Minderheiten in der
Türkei, v. 12.6.1984
55. Oberkampf, Situation der syrisch-orthodoxen Christen, v. 23.6.1984
56. AA, Auskunft an Bayer. VGH (510-516/80 TUR) v. 26.6.1984
57. AA, Auskunft an VG Schleswig (514-516/6936) v. 9.7.1984
58. Zeitungsbericht "Vorwärts" zum Wehrdienst in der Türkei v. 26.7.1984
59. Oehring, Stellungnahme an VG Minden, Zur Lage der christlichen Minderheiten
in der Türkei v. 14.9.1984
60. Okolisan, Bericht über eine Studien- und Begegnungsfahrt in die Türkei v. 11. -
27.9.84
61. Hofmann, (Zwangs-)Übertritte von Armeniern türkischer Staatsbürgerschaft
zum Islam nehmen in besorgniserregendem Umfang zu v. 30.10.1984.
62. AA, Auskunft an VGH Baden-Württemberg (510-516/7170) v. 9.11.1984
63. AA, Auskunft an Bayer. VGH (510-516.80 TUR) v. 15.11.1984
64. Taylan, Gutachten an VGH Baden-Württemberg v. 1.12.1984
65. Bayer. VGH, Terminsprotokoll über Anhörung von Müller, Wiskandt, Oehring
und Cicek v. 3.12.1984
66. Anschütz, Die syrischen Christen vom Tur Abdin, 1985
67. Anschütz/Harb, Christen im Vorderen Orient, Deutsches-Orient-Institut,
Sondernummer 20, Hamburg 1985
68. Max-Planck-Institut, Gutachten an VGH Baden-Württemberg v. 16.1.1985
69. Berberoglu, Stellungnahme an VG Mainz v. 21.1.1985
70. Hofmann, Stellungnahme an VG Stuttgart v. 4.2.1985
71. Wießner, Stellungnahme an VG Stuttgart v. 17.3.1985
72. AA, Auskunft an Bayer. VGH (510-516/7387) v. 12.4.1985
73. Binswanger, Gutachten an VGH Baden-Württemberg v. 7.5.1985
74. Oehring, Stellungnahme an VG Gelsenkirchen v. 30.5.1985
75. Müller, Reisebericht zur Lage der Christen in der Türkei v. 22.6.1985
76. Mildenberger (EKD), Stellungnahme an Bayer. VGH v. 5.7.1985
77. AA, Auskunft an VG Ansbach (510-516/7640) v. 7.10.1985
78. AA, Auskunft an VG Minden (514-516/7902) v. 3.3.1986
79. AA - Lagebericht Türkei v. 20.6.1986
80. Mildenberger (EKD), Stellungnahme an VG Hamburg vom Juli 1986
81. Taylan, Gutachten an VG Ansbach v. 7.8.1986
82. AA, Auskunft an Bayer. VGH (514-516/8201) v. 26.8.1986
83. AA, Auskunft an OKD Lippe (514-516/E) v. 9.9.1986
84. Wießner, Stellungnahme an VG Hamburg v. 14.10.1986
85. AA, Auskunft an VG Hamburg (514-516/8267) v. 10.11.1986
86. AA, Auskunft an VG Köln (514-516/8315) v. 2.12.1986
87. VG Gelsenkirchen, Terminsprotokoll über Anhörung des Dr. Tasci am 6.1.1987
88. Franz, Stellungnahme an VG Köln v. 12.1.1987
89. Hofmann, Stellungnahme an VG Köln v. 17.1.1987
90. Schraps, Stellungnahme an VG Köln vom 19.1.1987
91. Hofmann, gutachterliche Stellungnahme an das VG Köln, v. 04.02.1987
92. AA, Auskunft an VG Stuttgart (514-516/8052) v. 24.2.1987
93. AA - Lagebericht Türkei v. 15.3.1987
94. Oehring, Gutachten an VG Köln v. 27.3.1987
95. Yonan, Die Entwicklung der politischen Verhältnisse in der Türkei unter der
Regierung Özal und die Auswirkungen auf die Lage der syrisch-orthodoxen
Christen im Tur Abdin und Istanbul, v. 7.4.1987
96. AA, Auskunft an VG Hamburg (514-516/8496) v. 21.5.1987
97. AA, Auskunft an VG Ansbach (514-516/8546) v. 1.6.1987
98. AA, Auskunft an VGH Baden-Württemberg (514-516/8562) v. 16.6.1987
99. VG Köln, Terminsprotokoll über die Anhörung des Dr. Tasci v. 24.6.1987
100. AA - Lagebericht Türkei v. 29.6.1987
101. Klautke, Stellungnahme an VGH Baden Württemberg v. 30.6.1987
102. AA, Auskunft an VGH Baden-Württemberg (514-516/8541) v. 6.7.1987
103. AA, Auskunft an OVG Lüneburg (514-516/8286) v. 13.8.1987
104. AA, Auskunft an Bezirksregierung Weser-Ems (514-516 E NN) v. 17.8.1987
105. EKD-Kirchenamt, Stellungnahme an Rechtsanwalt König v. 9.10.1987
106. AA, Auskunft an OVG NW (514-516/8286) v. 12.10.1987
107. AA, Auskunft an VGH Baden-Württemberg (514-516/8678) v. 12.11.1987
108. AA, Auskunft an VG Gelsenkirchen (514-516/8695) v. 16.11.1987
109. AA, Auskunft (514-516.80 TUR) v. 8.12.1987
110. AA, Auskunft an VG Gelsenkirchen (514-516/8695) v. 14.12.1987
111. Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien in Deutschland, Memorandum zum
Aufenthaltsrecht syrisch-orthodoxer Chri-sten in Deutschland vom Dezember
1987
112. Oehring, Gutachten an VGH Baden-Württemberg v. 15.1.1988
113. AA - Lagebericht Türkei v. 20.1.1988
114. Oehring, Gutachten an VG Gelsenkirchen zur Lage der arabisch-orthodoxen
Christen v. 15.2.1988
115. Hofmann/Koutcharian, Armenien-Chronik laufender Ereignisse, pogrom
Nr. 139, 3/88
116. Erichsen, Die Religionspolitik im türkischen Erziehungswesen von der Atatürk-
Ära bis heute, vom April 1988
117. Klautke, Stellungnahme zur Situation in der Türkei für die christlichen und
yezidischen Minderheiten v. 19.4.1988
118. Taylan, Gutachten an VG Karlsruhe v. 15.5.1988
119. Oehring, Stellungnahme an VG Düsseldorf v. 25.5.1988
120. Oehring, Stellungnahme an VG Kassel v. 11.7.1988
121. Oehring, Stellungnahme an VG Karlsruhe v. 11.7.1988
122. AA - Lagebericht Türkei v. 19.7.1988
123. Sternberg-Spohr, Gutachten zur Situation der Yezidi in der Türkei, August 1988
124. Binswanger, Stellungnahme an VGH Baden-Württemberg v. 2.9.1988
125. Binswanger, Stellungnahme an VG Karlsruhe v. 24.9.1988
126. Terminsprotokoll des VG Braunschweig vom 11.10.1988 - 5 VG A 416/85, 5 VG
A 150/88
127. Taylan, Stellungnahme an Hess. VGH v. 2.11.1988
128. AA - Lagebericht Türkei v. 14.11.1988
129. Artikel über Gebet im Religionsunterricht v. 20.11.1988
130. VG Köln, Terminsprotokoll über die Anhörung des Pfarrers Klautke v. 9.12.1988
131. Schreiben des Staatssekretärs des AA an das Innenministerium des Landes
NW v. 22.12.1988
132. AA, Auskunft an VG Minden (514-516/9583) v. 29.12.1988
133. Yonan, Ein vergessener Holocaust, Die Vernichtung der christlichen Assyrer in
der Türkei, pogrom Taschenbuch 1018, 1989
134. AA, Auskunft an VG Ansbach (514-516/9551) v. 12.1.1989
135. AA, Auskunft an Hess. VGH (514-516/9673) v. 17.1.1989
136. Binswanger, Stellungnahme an Hess. VGH v. 27.1.1989
137. Wießner, Stellungnahme an VG Ansbach v. 5.3.1989
138. Oehring, Stellungnahme an VG Ansbach v. 20.3.1989
139. Gstrein, Zwischen den Mühlsteinen, Kirchenzeitung Köln Nr. 13 v. 31.3.1989
140. Oehring, Stellungnahme an Hess. VGH v. 2.4.1989
141. Yonan, Kann Istanbul für syrisch-orthodoxe Christen aus dem Tur Abdin eine
inländische Fluchtalternative sein? ZDWF-Schriftenreihe Nr. 32, April 1989
142. AA, Auskunft an VG Braunschweig (514-516/8460) v. 5.6.1989
143. AA, Auskunft an VG Ansbach (514-516/9917) v. 9.6.1989
144. Deutscher Bundestag, Stenographisches Protokoll der 26. Sitzung des
Unterausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe am 19.6.1989
145. AA - Lagebericht Türkei v. 18.8.1989
146. Taylan, Stellungnahme an OVG Rheinland-Pfalz v. 4.9.1989
147. Oehring, Stellungnahme an VG Ansbach v. 25.9.1989
148. AA, Auskunft an OVG NW (514-516 80 TUR) v. 18.10.1989
149. AA, Auskunft an VG Oldenburg (514-516/10317) v. 9.11.1989
150. Diakonische Werke und Gesellschaft für bedrohte Völker, Reader zum Kongreß
"Glaubensflüchtlinge aus der Türkei" v. 10.11.1989
151. AA - Lagebericht Türkei v. 15.11.1989
152. VG Hamburg, Terminsprotokoll über Anhörung Oehring v. 28.11.1989
153. Weber/Günter/Reuther, Zur Lage der Christen in der Türkei, Bericht einer
ökumenischen Besuchsreise vom November 1989
154. epd-Dokumentation Nr. 2/90 v. 8.1.1990
155. Hess. VGH, Terminsprotokoll über die Anhörung von Taylan v. 22.1.1990
156. AA, Auskunft an OVG Rheinland-Pfalz (514-516/10381) v. 15.2.1990
157. AA, Auskunft an VG Oldenburg (514-516/10606) v. 12.3.1990
158. AA, Auskunft an VG Minden (514-516/10561) v. 12.3.1990
159. Oehring, Stellungnahme an VG Hannover v. 15.3.1990
160. Hess. VGH, Terminsprotokoll über die Anhörung von 6 Zeugen v. 22.3.1990
161. AA, Auskunft an OVG NW (514-516/10711) v. 23.5.1990
162. Oehring, Stellungnahme an OVG Rheinland-Pfalz v. 15.6.1990
163. AA, Auskunft an VG Karlsruhe (514-516/10826) v. 1.8.1990
164. Wießner, Stellungnahme an OVG Rheinland-Pfalz v. 2.9.1990
165. News Spot Ankara v. 13.9.1990 in Aktueller Informationsdienst Moderner
Orient, Heft 20/1990, Kazanciyan zum 83. Patriarchen der Armenischen Kirche
gewählt
166. AA, Auskunft an VG Stuttgart (514-516/11117) v. 17.10.1990
167. AA - Lagebericht Türkei v. 25.10.1990
168. FAZ: Noch steht das Kloster Mar Gabriel, v. 4.12.1990
169. AA - Lagebericht Türkei v. 16.1.1991
170. AA, Auskunft an VG Karlsruhe (514-516/11556) v. 1.2.1991
171. Oehring, Stellungnahme an VG Bremen v. 25.3.1991
172. epd-Dokumentation Nr. 36/91, v. 2.9.1991, Südost-Türkei: "In der Region
herrscht praktisch Bürgerkrieg"
173. FR, v. 25.10.1991: Eine kleine und schwache Minderheit - Orthodoxe in
Istanbul,
174. Der Spiegel Hefte 13, 14 und 15/1992 "Wir werden euch ausrotten", Kampf um
Berg-Karabach und der Völkermord an den Armeniern
175. AA - Lagebericht Türkei v. 20.2.1992
176. SZ, v. 11.3.1992: Wischen wir das Armenierproblem doch einfach vom Tisch
177. AA - Lagebericht v. 12.6.1992
178. FAZ, v. 1.7.1992: Die Schüsse von N.
179. AA, Auskunft an VG Karlsruhe (514-44/679/13762) v. 6.10.1992
180. AA, Auskunft an VG Wiesbaden (514-516/13931) v. 18.12.1992
181. Föderation der Syrischen Vereine in der BRD v. 14.1.1993
182. ai, Stellungnahme an VG Stuttgart (EUR 44/679/92.234) v. 18.1.1993
183. AA, Auskunft an VG Stuttgart (514-516/13634) v. 1.2.1993
184. AA, Auskunft an VG Karlsruhe (514-516/14194) v. 21.4.1993
185. AA - Lagebericht Türkei v. 28.4.1993
186. Eilers, Leichte Beute, pogrom 170, April/Mai 1993
187. Hermes, Türkei erhöht Druck auf Armenier, pogrom 170, April/Mai 1993
188. Neppert, Situation der syrisch-orthodoxen Christen in der Türkei v. 18.5.1993
189. AA, Auskunft an VG Karlsruhe (514-516/14542) v. 25.5.1993
190. AA, Auskunft an VG Stuttgart (514-516/14184) v. 26.5.1993
191. Oehring, Stellungnahme an VG Gießen v. 15.8.1993
192. Oehring, Stellungnahme an VG Wiesbaden v. 15.8.1993
193. Oehring, Stellungnahme an VG Münster v. 20.8.1993
194. Oehring, Stellungnahme an VG Ansbach v. 20.8.1993
195. Oehring, Stellungnahme an VG Karlsruhe v. 20.8.1993
196. Assyrische Demokratische Organisation, Türkisches Militär zerstört das alte
assyrische Dorf Bore (türkisch: Bardak-ci), v. 25.8.1993
197. AA, Auskunft an VG Wiesbaden (514-516/14996) v. 3.9.1993
198. AA, Auskunft an VG Münster (514-516/14725) v. 10.9.1993
199. AA, Auskunft an VG Münster (514-516/14725 b) v. 10.9.1993
200. Diestelmann, Stellungnahme an OVG Niedersachsen v. 14.9.1993
201. Wießner, Stellungnahme an OVG Niedersachsen v. 16.9.1993
202. Wießner, Stellungnahme an VG Gießen v. 18.9.1993
203. ai, Stellungnahme an VG Arnsberg v. 20.9.1993
204. AA, Auskunft an VG Chemnitz (514-516/14654) v. 22.9.1993
205. ai, Die aktuelle Menschenrechtssituation für Christen in der Türkei, Fehlen einer
inländischen Fluchtalternative, v. 27.9.1993
206. ai, Stellungnahme an VG Stuttgart v. 1.10.1993
207. Sternberg-Spohr, Update einer Bestandsaufnahme der Restbevölkerung der
Volksgruppen der kurdischen EZDI (Yezidi, Jesiden) und der christlichen
Assyrer in der Süd-Ost-Türkei (Kurdistan-Türkei) im März 1993 v. 4.10.1993
208. ai, Stellungnahme an VG Gießen v. 20.10.1993
209. ai, Stellungnahme an VG Karlsruhe (syrisch-orthodoxe Christen) v. 20.10.1993
210. ai, Stellungnahme an VG Karlsruhe (arabisch-orthodoxe Christen) v.
20.10.1993
211. FAZ, 29.10.1993: Nicht länger der "Kranke Mann"
212. FAZ, 30.10.1993: Von innen her bedroht
213. Oehring, Stellungnahme an VG Ansbach v. 31.10.1993
214. ai, Angedrohte Zwangsräumung und Zerstörung eines von Christen bewohnten
Dorfes, v. 16.11.1993
215. AA - Lagebericht Türkei v. 16.11.1993
216. Oehring, Stellungnahme an VG Karlsruhe v. 18.11.1993
217. Kathpress Nr. 273, Türkische Armee räumte Christendorf mit Gewalt, v.
25.11.1993
218. Der Spiegel, 6.12.1993: Zerstört und entleert
219. FAZ: Neue Kämpfe im Südosten der Türkei v. 14.12.1993
220. Neppert, Bericht zur allgemeinen Situation der syrisch-orthodoxen Christen in
der Türkei v. 21.12.1993
221. SZ, 27.12.1993: Die Nächte der ungestraften Morde
222. AA, Auskunft an OVG Hamburg (514-516/15239) v. 28.12.93
223. FR, 29. 12.1993: Ein blutiges Jahr neigt sich dem Ende zu
224. epd, 12.1.1994, Kirche fordert Bleiberecht für Christen
225. Pfarrer Demir, Schreiben v. 10.1.1994
226. AA, Auskunft an VG Minden (514-516/16105) v. 4.3.1994
227. Syriac Universal Alliance, Christenverfolgung hat kein Ende v. 26.3.1994
228. ai, Stellungnahme an VG Ansbach (rum-orthodoxe Christen) v. 31.3.1994
229. AA - Lagebericht Türkei v. 29.4.1994
230. Wießner, Stellungnahme an VG Karlsruhe v. 29.4.1994
231. ai, Türkei-Bericht (Christen aus dem Tur Abdin) v. 3.5.1994
232. Hahn, Stellungnahme zur Situation der syrisch-evangeli-schen Christen in
Istanbul v. 31.5.1994
233. AA - Ergänzung zum Lagebericht Türkei v. 6.6.94
234. FAZ, 7.6.1994: Zwischen Mühlsteinen zerrieben
235. AA, Auskunft an VG Gelsenkirchen (514-516/16394) v. 8.6.1994
236. AA - Bericht über die asyl- und abschiebungsrechtliche Lage in der Türkei v.
21.6.94 (Stand: 20.6.1994)
237. Terminsprotokolle der Beweisaufnahmen vor dem Hess. VGH im Verfahren 12
UE 1220/93 v. 18.4.1994 bis 5.7.1994
238. AA, Auskunft an OVG Niedersachsen (514-516/16665) v. 25.7.1994
239. AA, Auskunft an VG Kassel (514-516/16659) v. 25.7.1994
240. AA, Auskunft an VG Würzburg (514-516/16055) v. 26.7.1994
241. Neppert, Informationen über den Militärdienst junger christlicher Wehrpflichtiger
in der Türkei v. 14.8.1994
242. AA - Ergänzung zum Lagebericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Türkei (Gefährdungslage der Christen und Yeziden) v. 22.8.1994
(Stand: 22.8.1994)
243. AA, Auskunft an OVG Niedersachsen (514-516/17353) v. 19.9.1994
244. ai, Gefährdung von syrisch-orthodoxen und chaldäischen Christen und Yeziden
aus der Türkei v. 14.12.1994
245. Innenministerium NW, Zusammenfassender Bericht über die Türkeireise einer
gemeinsamen Delegation des Innenministeriums und der Evangelischen Kirche
im Rheinland v. 21.12.1994
246. Föderation der syrischen (aramäischen) Vereine in der BRD e.V.,
Stellungnahme v. 22.12.1994
247. AA, Auskunft an VG Braunschweig (514-516/18442)v. 27.12.1994
248. Oehring, Stellungnahme an VG Mainz v. 10.1.1995
249. AA - Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei v.
17.1.1995 (Stand: 16.1.1995).
250. Hofmann, Stellungnahme an OVG NW v. 20.02.1995
251. Wießner, Stellungnahme an VG Mainz v. 23.2.1995
252. AA - Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Türkei (514-
516.80/3) v. 13.3.1995 (Stand 13.3.1995)
253. AA - Bericht über die Türkei (514-516.80/3 TUR) v. 7.4.1995 (Stand: 24.1.1995)
254. Wießner, Stellungnahme an OVG NW v. 1.5.1995
255. Oehring, Stellungnahme an OVG NW v. 3.5.1995
256. Oehring, Stellungnahme an OVG NW v. 5.5.1995
257. AA, Auskunft an OVG NW (514-516/20032) v. 28.6.1995
258. AA, Auskunft an OVG NW (514-516/20031) v. 28.6.1995
259. AA - Bericht - über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Türkei (514-
516.80/3) v. 30.6.1995 (Stand 30.6.1995)
260. Wießner, Stellungnahme an OVG NW v. 8.9.1995
261. AA, Auskunft an VG Regensburg (514-516.00/21315) v. 26.10.1995
262. AA, Auskunft an VG Ansbach (514-516.00/15717) v. 13.11.1995
263. AA, Auskunft an VG Freiburg (514-516.00/22174) v. 28.11.1995
264. ai, Stellungnahme an VG Regensburg v. 30.11.1995
265. AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage - Türkei - (514-
516.80/3 TUR) v. 7.12.1995 (Stand 5.12.1995)
266. Oehring, Stellungnahme an VG Regensburg vom 31.1.1996
267. AA, Auskunft an VG Wiesbaden (514-516.00/22881) v. 14.2.1996
268. Oehring, Stellungnahme an OVG Niedersachsen v. 26.2.1996
269. Oehring, Stellungnahme an VG Chemnitz v. 2.4.1996
270. AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage - Türkei - (514-
516.80/3) v. 17.4.1996 (Stand 17.4.1996)
271. Oehring, Stellungnahme an VG Freiburg v. 17.4.1996
272. Oehring, Stellungnahme an OVG Niedersachsen v. 23.4.1996
273. ai, Stellungnahme an VG Freiburg v. 31.7.1996
274. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei (514-
516.80/3) v. 13.8.1996 (Stand Anfang August 1996)
275. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei (514-
516.80/3) v. 4.12.1996 (Stand Mitte November 1996)
276. a) Armenische Gemeinde Köln, Stellungnahme an OVG NW v. 4.2.1997
b) Ergänzendes Schreiben der Armenischen Gemeinde Köln v. 15.7.1998
277. AA, Auskunft an VG Freiburg v. 25.7.1997 (514-516.80/28675)
278. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei (514-
516.80/3) v. 10.4.1997 (Stand März 1997)
279. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei (514-
516.80/3) v. 18.7.1997 (Stand Juli 1997)
280. Gesellschaft für bedrohte Völker v. 1.10.1997 (Autoren: Yonan und Hermes)
281. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei (514-
516.80/3) v. 20.11.1997 (Stand November 1997)
282. AA, Auskunft an VG Köln (514-516.80/30836) v. 21.1.1998
283. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei (514-
516.80/3) v. 31.3.1998 (Stand März 1998)
284. Erkenntnisse des Bundesamtes zum Herkunftsland Türkei, Religion und
Gesellschaft, 1.12.1996 bis 31.3.1998
285. Hahn, Stellungnahme zur Situation einer zum christlichen Glauben
(evangelisch-lutherisch) konvertierten alleinstehenden Frau aus der Türkei v.
29.5.1998
286. Gesellschaft für bedrohte Völker, Fortschreibung der gutachterlichen
Stellungnahme vom 18.4.1997 zur Lage der Armenier in der Republik Türkei
bzw. in Istanbul v. 27.6.1998
287. AA, Auskunft an VG Mainz (514-516.80/32157) v. 8.7.1998
288. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei (514-
516.80/3 TUR) v. 18.9.1998 (Stand September 1998)
289. Zülch, Aramäische Christen bis heute verfolgt, pogrom 1998, S. 200
290. Oehring, Stellungnahme an VG Mainz v. 27.2.1999
291. ai, Stellungnahme an VG Koblenz (EUR 44/96.407) v. 8.3.1999
292. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei (514-
516.80/3 TUR) v. 7.9.1999</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">293.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist begründet. Die Klage ist abzuweisen. Die
Kläger haben keinen Anspruch auf Anerkennung als
Asylberechtigte gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG, weil sie nicht
politisch Verfolgte im Sinne dieser Vorschrift sind. Ihnen
steht auch kein Anspruch auf die Feststellung zu, daß die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG sind nicht
ersichtlich. </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Nach Art. 16 a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politisch
Verfolgter ist, wer in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse
Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein
prägen, gezielt Rechtsverletzungen ausgesetzt ist, die ihn ihrer Intensität nach aus
der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluß vom 10. Juli
1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80,
315, 333 ff.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Politische Verfolgung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG ist grundsätzlich
staatliche Verfolgung. Jedoch können auch Verfolgungsmaßnahmen Dritter einen
Asylanspruch nach dieser Bestimmung begründen. Sie fallen als mittelbare staatliche
Verfolgung allerdings nur dann in den Schutzbereich des Art. 16 a Abs. 1 GG, wenn
der Staat für das Tun der Dritten wie für eigenes Handeln verantwortlich ist. Das ist
dann der Fall, wenn der Staat Verfolgungsmaßnahmen Dritter anregt oder derartige
Handlungen unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt. Eine tatenlose Hinnahme liegt
nicht bereits dann vor, wenn die Bemühungen des grundsätzlich schutzbereiten
Staates zur Unterbindung asylerheblicher Übergriffe Dritter mit unterschiedlicher
Effektivität greifen. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Staat mit den ihm an sich
zur Verfügung stehenden Mitteln im großen und ganzen Schutz gewährt. Davon
kann dann keine Rede sein, wenn der Staat zur Schutzgewährung entweder nicht
bereit ist oder wenn er sich nicht in der Lage sieht, die ihm an sich verfügbaren Mittel
im konkreten Fall gegenüber Verfolgungsmaßnahmen Dritter einzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluß vom 1. Juli
1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -, BVerfGE
76, 143, 169; BVerfG, Beschluß vom
10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -,
BVerfGE 80, 315, 335.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Das Asylgrundrecht beruht auf dem Zufluchtgedanken und setzt grundsätzlich
einen kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung, Flucht und Asyl voraus. Daher
ist von wesentlicher Bedeutung, ob der Asylbewerber vorverfolgt oder unverfolgt
ausgereist ist. Steht fest, daß der Asylsuchende wegen erlittener oder unmittelbar
bevorstehender politischer Verfolgung ausgereist ist und daß ihm auch ein
Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates wegen Fehlens einer inländischen
Fluchtalternative nicht zumutbar war, so ist er gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG
asylberechtigt, es sei denn, er kann in seinem Staat wieder Schutz finden. Hat der
Asylsuchende sein Land hingegen unverfolgt verlassen, so kann sein Asylbegehren
nach Art. 16 a Abs. 1 GG nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund asylerheblicher
Nachfluchtgründe politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
droht.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluß vom
26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -,
BVerfGE 74, 51, 64 f..</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Asylrelevante politische Verfolgung - und zwar sowohl unmittelbar als auch
mittelbar staatlicher Art - kann sich nicht nur gegen Einzelpersonen richten, sondern
auch gegen durch gemeinsame asylerhebliche Merkmale gekennzeichnete Gruppen
von Menschen. Eine Gruppenverfolgung liegt vor, wenn die Gruppe als solche Ziel
einer politischen Verfolgung ist, so daß im landesweiten, regionalen oder lokalen
Bereich jedes einzelne Mitglied allein deshalb, weil es dieses gruppenspezifische
Merkmal aufweist, politische Verfolgung zu befürchten hat. Richtet sich eine solche
politische Verfolgung gegen eine Gruppe von Menschen, die durch gemeinsame
asylerhebliche Merkmale - etwa die Rasse oder die Religion - verbunden sind, so ist
in der Regel davon auszugehen, daß die Verfolgung auf jeden Angehörigen der
Gruppe zielt. Jedes von einer derartigen Regelvermutung erfaßte Gruppenmitglied,
das sich im Zeitraum der Verfolgungshandlungen im Verfolgungsgebiet aufgehalten
hat, ist daher ohne Rücksicht darauf als verfolgt anzusehen, ob sich die
Verfolgungsmaßnahmen in seiner Person bereits konkret verwirklicht haben. Eine
Betroffenheit von einer Gruppenverfolgung ist allerdings dann nicht anzunehmen,
wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, daß der einzelne Angehörige von
der Gruppenverfolgung ausgenommen ist, so daß die Regelvermutung für ihn nicht
gilt.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluß vom 23. Januar
1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, BVerfGE 83,
216, 230 ff.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Kriterium für die Bestimmung und Abgrenzung der Gruppe, auf
die die Verfolgung zielt, ist das tatsächliche
Verfolgungsgeschehen. Dieses ist nicht immer so eindeutig, daß
sich Art und Zusammensetzung der verfolgungsbetroffenen
Gruppen ohne weiteres nach einem bestimmten Merkmal, etwa
einer bestimmten Ethnie oder Religion, bestimmen lassen. In
vielen Fällen begeht der Verfolger oder duldet der zum Schutz
verpflichtete Staat Übergriffe nur in bestimmten Teilen des
Staatsgebiets, während es anderswo diese Übergriffe nicht
gibt. In dieser unterschiedlichen Bedrohungslage kann sich
entweder eine regionale oder eine örtlich begrenzte
Gruppenverfolgung manifestieren. Kennzeichen einer
"regionalen" Gruppenverfolgung ist es, daß der unmittelbar
oder mittelbar verfolgende Staat die gesamte Gruppe im Blick
hat, sie aber - als "mehrgesichtiger Staat" - beispielsweise
aus Gründen politischer Opportunität nicht oder jedenfalls
derzeit nicht landesweit verfolgt. Bei einer derartigen
"Regionalisierung" des äußerlichen Verfolgungsgeschehens, das
unter gewissen Bedingungen stets in eine landesweite
Verfolgung umschlagen kann, bleiben die außerhalb der Region,
in der die Verfolgung praktiziert wird, lebenden
Gruppenmitglieder mitbetroffen; ihre potentielle Gefährdung
macht sie zwar nicht selbst zu Verfolgten, rechtfertigt aber
die Anwendung des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes,
wenn die regionale Gefahr als objektiver Nachfluchttatbestand
nach ihrer Flucht auftritt. Dagegen liegt eine "örtlich
begrenzte" Gruppenverfolgung vor, wenn sich die
Verfolgungsmaßnahmen nicht gegen alle durch übergreifende
Merkmale wie Ethnie oder Religion verbundenen Personen
richten, sondern nur gegen solche, die (beispielsweise)
zusätzlich aus einem bestimmten Ort oder Gebiet stammen oder
dort ihren Wohnsitz oder Aufenthalt oder Grundbesitz haben.
Dann sind die Angehörigen der religiösen oder ethnischen
Gemeinschaft, die nicht gleichzeitig auch die weiteren die
Gruppe konstituierenden Merkmale - etwa die
Gebietsansässigkeit - in eigener Person aufweisen, von der
Verfolgung von vornherein nicht betroffen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. September
1997 - 9 C 43.96 -, BVerwGE 105, 204,
207 ff. = NVwZ 1999, 308, 309.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Nach diesen Grundsätzen haben die Kläger keinen Anspruch
auf Anerkennung als Asylberechtigte. </p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">I. Die Kläger werden nicht als Einzelpersonen politisch
verfolgt. Sie haben die Türkei Ende 1992 unverfolgt verlassen
(1.) und können sich auch nicht auf Nachfluchtgründe berufen
(2.).</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">1. Eine asylrelevante individuelle Verfolgung der Kläger
kann sich nur aus den Vorgängen im Jahre 1992 unmittelbar vor
der Ausreise ergeben. Der Kläger zu 1. gab bei seiner Anhörung
vor dem Bundesamt selbst an, die Familie habe bis zum Jahre
1990 nicht vorgehabt, irgendwo einen Asylantrag zu stellen.
Außerdem eröffnete er noch im Jahre 1991 ein größeres
Textilgeschäft in Istanbul und hob mehrfach hervor, der
Familie sei es finanziell gut gegangen. Soweit sich die Kläger
auf Schwierigkeiten der Kinder beim Schulbesuch berufen, wird
die Schwelle der Asylerheblichkeit nicht erreicht. Es ist
nicht ersichtlich, daß die Kläger durch diese Schwierigkeiten
in eine für sie so ausweglose Lage geraten sind, daß ihnen nur
noch das Verlassen des Landes blieb.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Bei den für das Jahr 1992 vorgetragenen Vorgängen (Überfall
im März/April 1992 und Ermordung eines Mitarbeiters, Überfall
im Juli 1992 durch Polizeibeamte sowie Drohanrufe etwa seit
April 1992) handelt es sich ausschließlich um Verfolgungen
durch Dritte. Sie sind - wie dargelegt - dem Staat nur dann
zuzurechnen, wenn er Verfolgungsmaßnahmen Dritter anregt oder
derartige Handlungen unterstützt, billigt oder tatenlos
hinnimmt. Das hält der Senat für nicht erwiesen. Das
Vorbringen der Kläger ist gerade zu dieser Frage so
widersprüchlich und gesteigert, daß es insgesamt unglaubhaft
ist. Bei der Anhörung am 25. Januar 1993 hatte der Kläger zu
1. im wesentlichen dargelegt, seine Anzeigen seien von
Staatsanwaltschaft und Polizei mehr oder weniger abgewiegelt
worden. So habe die Staatsanwaltschaft hinsichtlich der
Drohanrufe gesagt, das könne nicht wahr sein, man habe nichts
in der Hand. Auch hinsichtlich des Überfalls durch die beiden
Polizisten sei ihm gesagt worden, "das könne nicht sein." Erst
in der ergänzenden schriftlichen Stellungnahme, die die Kläger
mit Schriftsatz vom 10. März 1993 zu den Akten gereicht haben,
will der Kläger zu 1. von der Polizei mehrfach eingesperrt,
verhört und massiv bedroht worden sein. Die Erklärung, das
Asylvorbringen am 25. Januar 1993 sei deswegen nicht
vollständig, weil die Kläger Angst vor dem türkisch-
moslemischen Dolmetscher gehabt hätten, ist nicht glaubhaft.
Vielmehr haben die Kläger bereits bei der zweistündigen
Anhörung am 25. Januar 1993 detaillierte Angaben über
Verfolgungsmaßnahmen durch Moslems gemacht. Es ist nicht
nachvollziehbar, daß sie ausgerechnet die angeblichen
Mißhandlungen durch die Polizei überhaupt nicht erwähnen.
Weitere Abweichungen ergeben sich bei Berücksichtigung der
Angaben des Bruders des Klägers zu 1., Herrn B. E. .
Dieser behauptete bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt, die
Überfälle auf das Geschäft seien angezeigt worden, die
polizeilichen Ermittlungen hätten jedoch nichts ergeben.
Später trug der Bruder des Klägers zu 1. vor, erst ein
Bestechungsgeld von 50 Millionen türkischer Lira habe die
Polizei veranlaßt, wenigstens eine Anzeige aufzunehmen. Nach
den Angaben des Klägers zu 1. in der mündlichen Verhandlung
vor dem Senat hat die Polizei den Überfall auf sein Geschäft
und die Ermordung des Mitarbeiters dagegen sofort aufgenommen,
allerdings ihn selbst für eine Woche festgehalten und auch
geschlagen. Abgesehen davon, daß von einer einwöchigen
Festnahme bislang nie die Rede war, ergibt sich aus dieser
Aussage, daß die Polizei sehr wohl Ermittlungen angestellt
hat, die aber ergebnislos geblieben sind. Der Kläger zu 1. hat
in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am
12. Februar 1996 wiederum nichts über Mißhandlungen bei der
Polizei berichtet. Als er den Polizisten, der sein Geschäft
überfallen habe, angezeigt habe, habe man ihm gesagt, "dieser
Mann macht so etwas nicht." Er sei dann noch als "Heide"
beschimpft worden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
hat der Kläger zu 1. dagegen gesagt, seine Anzeige zu diesem
Vorfall sei sofort aufgenommen worden; einige Tage später habe
man ihn jedoch beschieden, der benannte Polizist sei am Tattag
in Urlaub gewesen und könne daher nicht der Täter sein.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Da die Angaben der Kläger über das Verhalten von Polizei
und Staatsanwaltschaft insgesamt nicht glaubhaft sind, kann
der Senat nicht davon ausgehen, daß der türkische Staat die
gegen die Kläger begangenen Straftaten unterstützt, gebilligt
oder tatenlos hingenommen hat. Angesichts dessen braucht der
Senat auf weitere zahlreiche Unstimmigkeiten im Vortrag (so
soll beispielsweise der Überfall der Polizisten einmal im Juli
1992, einmal im März 1992 stattgefunden haben; nach einer
Aussage sollen zwei Polizeibeamte, nach einer anderen soll nur
ein Polizeibeamter beteiligt gewesen sein) nicht
einzugehen.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">2. Die Kläger können sich auch nicht auf asylrechtlich
beachtliche Nachfluchtgründe berufen. Anhaltspunkte für einen
individuellen Nachfluchtgrund sind weder vorgetragen noch
ersichtlich. </p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">II. Die Kläger können sich auch nicht als Mitglieder der
syrisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft auf eine
Gruppenverfolgung berufen. </p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">1. Allerdings vertritt der Senat in ständiger
Rechtsprechung die Auffassung, daß syrisch-orthodoxe Christen
aus dem ländlichen Bereich des Tur Abdin in der Türkei einer
dem türkischen Staat zuzurechnenden mittelbaren
Gruppenverfolgung durch die moslemische Bevölkerungsmehrheit
ohne inländische Fluchtalternative insbesondere in Istanbul
unterliegen. </p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Vgl. Urteil vom 24. August 1994
- 2 A 10312/90 -; Urteil vom
19. Oktober 1995 - 2 A 10110/89 -.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts um eine sogenannte "örtlich
begrenzte" Gruppenverfolgung, die sich nicht gegen alle
syrisch-orthodoxen Christen in der Türkei richtet, sondern nur
gegen solche, die im ländlichen Bereich des Tur Abdin ihren
Wohnsitz oder Aufenthalt haben. </p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Vgl. ausführlich BVerwG, Urteil vom
9. September 1997 - 9 C 43.96 -, NVwZ
1999, 308 = BVerwGE 105, 204; ferner
BVerwG, Beschuß vom 21. Februar 1997
- 9 B 738.96 -. </p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Zu dieser Gruppe gehören die Kläger nicht (mehr). Zwar
stammen die Kläger zu 1. und 2. aus dem Tur Abdin. Sie hatten
jedoch zum Zeitpunkt ihrer Ausreise Ende 1992 die für eine
Anerkennung in asylrechtlicher Hinsicht notwendige Bindung an
diese Gruppe der syrisch-orthodoxen Christen bereits verloren,
weil sie im Jahre 1977 nach Istanbul übergesiedelt waren und
sich dort eine Existenz aufgebaut hatten. Schon deshalb
konnten und mußten sie nicht (mehr) befürchten, daß sich die
den Mitgliedern der Gruppe der syrisch-orthodoxen Christen im
Tur Abdin drohenden Verfolgungsschläge auch in Istanbul
jederzeit verwirklichen konnten. </p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">2. In Istanbul unterlagen bzw. unterliegen syrisch-
orthodoxe Christen keiner Gruppenverfolgung. Das gilt sowohl
für den Zeitpunkt der Ausreise der Kläger Ende 1992 (a.) als
auch für die Gegenwart (b.). </p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">a. Aus den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen ist nicht ersichtlich, daß die in
Istanbul lebenden syrisch-orthodoxen Christen zum Zeitpunkt der Ausreise der
Kläger einer asylrechtlich erheblichen Gruppenverfolgung unterlagen. Wesentlicher
Grund für die Annahme einer Gruppenverfolgung syrisch-orthodoxer Christen in
deren Stammsiedlungsgebieten im Südosten der Türkei ist der dort herrschende
Vertreibungsdruck, der von den zuwandernden Kurden auf die angestammte
christliche Bevölkerung im Südosten der Türkei ausgeübt wurde bzw. ausgeübt wird
und der wesentlich auch durch die archaische Feudalstruktur mit der
Herrschaftsgewalt der Agas und ihrer Helfer begünstigt wird.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Vgl. grundlegend OVG NW, Urteil vom
24. August 1994 - 2 A 10312/90 -.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Dieser die asylrechtliche Lage der syrisch-orthodoxen Christen im Tur Abdin
prägende Vertreibungsdruck ist jedoch für die außerhalb ihres angestammten
Siedlungsgebietes in Städten in der Westtürkei wie vor allem Istanbul lebenden
syrisch-orthodoxen Christen nicht in gleicher Weise spürbar. Denn dort herrschen
andere Sozialstrukturen und er ist - in Anknüpfung an das asylrechtliche Merkmal der
Religionszugehörigkeit - wesentlich auch auf die Aneignung des umfangreichen
landwirtschaftlichen Grundbesitzes der syrisch-orthodoxen Christen im Tur Abdin
gerichtet und deshalb in dieser Stärke in den türkischen Städten etwa in der
Westtürkei oder an der südlichen Mittelmeerküste wegen der dort herrschenden
anderen Grundbesitzverhältnisse nicht anzutreffen.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der Frage der unmittelbaren oder mittelbaren Gruppenverfolgung der
syrisch-orthodoxen Christen in Istanbul in Anknüpfung an das asylerhebliche
Merkmal der Religionszugehörigkeit hat der für die christlichen Asylbewerber aus der
Türkei früher zuständige 14. Senat des erkennenden Gerichts zuletzt in seinem Urteil
vom 9. September 1993 - 14 A 10303/87 - (mit aktualisierten Zitatnummern der
Erkenntnisquellen nach dem vorliegenden Verfahren) insbesondere für die Zeit bis
Anfang der 90er Jahre ausgeführt:</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">"Die syrisch-orthodoxen Christen waren und sind in Istanbul aber auch
keinen Beeinträchtigungen der Religionsfreiheit in einer Weise ausgesetzt,
daß das durch Art. 16 a Abs. 1 GG geschützte religiöse Existenzminimum
gefährdet gewesen wäre. Maßstab für die Beurteilung der
Asylerheblichkeit von Beeinträchtigungen der Religionsfreiheit ist, ob der
Gläubige durch die ihm auferlegten Einschränkungen oder
Verpflichtungen als religiös geprägte Persönlichkeit in ähnlich schwerer
Weise wie bei Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit oder die
physische Freiheit in Mitleidenschaft gezogen wird, so daß er in eine
Notsituation gerät, in der ein religiös ausgerichtetes Leben und damit ein
vom Glauben geprägtes "Personsein" nicht einmal mehr im Sinne eines
"religiösen Existenzminimums" möglich ist.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 1. Juli
1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -, BVerfGE 76, 143, 158 und vom 9.
November 1988 - 2 BvR 288 und 388/88 -, InfAuslR 1989,
63.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Ein solcher Eingriff in das "religiöse Existenzminimum" war und ist
jedenfalls seit Beginn der 80er Jahre für die in Istanbul lebenden syrisch-
orthodoxen Christen aramäischer Volkszugehörigkeit mit hinreichender
Sicherheit auszuschließen. In Istanbul dürften im Zeitpunkt der Ausreise
der Klägerin etwa 14.000 (vgl. EKD-Kirchenamt, Stellungnahme von Juli
1986, Nr. 80 der Erkenntnisliste, Seite 5 - E 80, 5 -) und derzeit rund
10.000 syrisch-orthodoxe Christen (vgl. Auswärtiges Amt - AA -, Auskunft
vom 12. Januar 1989, E 134, 1; Klautke, Aussage vom 9. Dezember 1988,
E 130, 3; Oehring, gutachterliche Stellungnahme vom 15. Februar 1988,
E 114, 17) gelebt haben. bzw. leben. Für die Annahme eines Zerfalls der
syrisch-orthodoxen Kirchengemeinden in Istanbul seit Beginn der 80er
Jahre fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Nach Art. 24 Abs. 1 und 2 der türkischen Verfassung aus dem Jahre
1982 sind Glaubensgemeinschaften gegen Eingriffe in die Religionsfreiheit
geschützt, ist insbesondere auch die Freiheit von Gottesdiensten
gewährleistet (Binswanger, Gutachten vom 7. Mai 1985, E 73, 3; Oehring,
Stellungnahme vom 25. Mai 1988, E 119, 17 und 18). Zwar werden die
syrisch-orthodoxen Christen, anders als die Armenier, Griechen und
Juden, vom türkischen Staat nicht zu den nichtmoslemischen
Minderheiten gerechnet, denen der Lausanner Friedensvertrag von 1923
Sonderrechte, wie etwa das Recht, eigene karitative, religiöse und soziale
Einrichtungen oder Schulen zu betreiben, einräumt (Binswanger,
Stellungnahme vom 2. September 1988, E 124, 1; EPD-Dokumentation
Nr. 49/79 vom 12. November 1979, E 8, 57 f.). Auch sieht sich die Syrisch-
Orthodoxe Kirche gewissen administrativen Erschwernissen, wie der
Einschränkung der Verfügungsgewalt über kirchliches Vermögen und
Behinderungen der Bautätigkeit, ausgesetzt, und wird ihr, insbesondere
wenn es um die religiöse Betätigung in der Öffentlichkeit geht, "das Leben
schwer gemacht" (Oehring, Aussage vom 3. Dezember 1984, E 65, 15;
AA, Lagebericht Türkei vom 20. Juni 1986, E 79, 7; Yonan, Gutachten
vom 7. April 1987, E 95, 19; Weber pp., Bericht von November 1989,
E 153, 3 f.).</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Derartige Maßnahmen, von denen nicht nur die Syrisch-Orthodoxe
Kirche, sondern mittelbar auch die einzelnen Glaubensangehörigen
betroffen sein können, bleiben jedoch unterhalb der asylrechtlich
erheblichen Schwelle. Sie stellen die Existenz der Syrisch-Orthodoxen
Kirche nicht in Frage und nehmen den Gläubigen nicht die Möglichkeit
zum religiösen Bekenntnis, zum Gebet und zum Gottesdienst im häuslich-
privaten Bereich und in Gemeinschaft mit anderen Gemeindemitgliedern.
Zwar hat die seelsorgerische Betreuung der syrisch-orthodoxen Christen
in der Türkei dadurch gelitten, daß in den letzten Jahrzehnten viele
Priester die angestammten Siedlungsgebiete verlassen haben (Wießner,
Stellungnahme vom 14. Oktober 1986, E 84, 3) und die Priesterausbildung
lediglich in Form der "mündlichen Überlieferung" oder im Ausland erfolgen
muß (Binswanger, Stellungnahme vom 2. September 1988, E 124, 2;
Yonan, Gutachten vom 7. April 1987, E 95, 19; Wießner, Stellungnahme
vom 14. Oktober 1986, E 84, 6; EKD-Kirchenamt, Stellungnahme von Juli
1986, E 80, 6 f.); die syrisch-orthodoxen Christen haben aber auch in
Istanbul die Möglichkeit des gemeinsamen Gebetes und des öffentlichen
Gottesdienstes unter Leitung ihrer Pfarrer nach ihrem überlieferten
Brauch. Sie verfügen hier über ein eigenes Zentrum und sind in weiteren
(mindestens fünf) Kirchen zu Gast (AA, Auskunft vom 12. Januar 1989,
E 134, 2, und vom 10. November 1986, E 85, 7; Klautke, Aussage vom 9.
Dezember 1988, E 130, 9; Müller, Aussage vom 3. Dezember 1984, E 65,
3; Oehring, ebenda, E 65, 13, und Gutachten vom 14. September 1984,
E 59, 6; EKD-Kirchenamt, Stellungnahme vom 18. Mai 1982, E 40, 49,
und Aussage vom 3. Dezember 1984, E 65, 8). So sieht Wießner
(Stellungnahme vom 14. Oktober 1986, E 84, 6) für die Syrisch-Orthodoxe
Kirche in Istanbul eine größere Chance zur Bewahrung der eigenen
Tradition als in Europa. Das EKD-Kirchenamt (Stellungnahme von Juli
1986, E 80, 6) stellt einen für ein Überleben ausreichenden Grad an
religiöser Freiheit fest und hat den Eindruck gewonnen, daß die
Gemeinschaft insgesamt Lebenskraft zeigt.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Auch eine mittelbare staatliche Verfolgung läßt sich für den Zeitpunkt
der Ausreise der Klägerin nicht feststellen; denn regelmäßige,
gegebenenfalls dem Staat zurechenbare Übergriffe asylerheblichen
Ausmaßes durch die moslemische Bevölkerung gegen die christlichen
Mitbewohner wegen deren Konfession dergestalt, wie diese nach
Auffassung des Senats (vgl. etwa Urteil vom 24. August 1989 - 14 A
10052/87 -) für die Heimatregion der Klägerin jedenfalls bis zum Jahre
1980 festzustellen waren, sind für Istanbul nicht ersichtlich. Zwar dürften
gelegentliche Beschimpfungen und Belästigungen der Christen seitens
der moslemischen Bevölkerung, welche in einem allgemeinen religiösen
Überlegenheitsgefühl ihre Ursache haben, durchaus vorkommen. Dies
mag es erschweren, daß sich bei den Christen subjektiv ein Gefühl der
Sicherheit einstellt. Es läßt sich aber schon nicht feststellen, daß die
moslemische Bevölkerung den Christen mit einer feindlichen
Grundeinstellung begegnet. So hat Pfarrer Klautke, der in der Zeit von
1975 bis 1987 für die evangelische Kirche in Istanbul gearbeitet hat und
gerade auch deshalb die Gewähr für eine neutrale Bewertung der Lage
der christlichen Gemeinden bietet, bekundet, ihm sei weder über
Behinderungen beim Kirchenbesuch noch - mit einer Ausnahme - über
körperliche Übergriffe berichtet worden (Aussage vom 9. Dezember 1988,
E 130, 9). Es spricht vieles dafür, daß Pfarrer Klautke als langjähriger
Beobachter und Kenner der Verhältnisse in Istanbul derartige, seine
berufliche Tätigkeit berührende Vorkommnisse erfahren hätte, wenn sie
sich in einer die Lage der Christen bestimmenden Häufigkeit und Intensität
ereignet hätten. Pfarrer Klautke hat vielmehr den Eindruck gewonnen, daß
die Christen von den Moslems - möglicherweise mit Ausnahme der
konservativen Stadtteile - generell geachtet werden (vgl. auch Wiskandt,
Aussage vom 3. Dezember 1984, E 65, 6 f.; Wießner, Stellungnahme vom
17. März 1985, E 71, 4; AA, Auskunft vom 12. April 1985, E 72, 4; EKD-
Kirchenamt, Stellungnahme von Juli 1986, E 80, 6). Selbst die Stimmen,
die die Situation der syrisch-orthodoxen Christen grundsätzlich
ungünstiger einschätzen, erlauben nicht die Feststellung einer permanent
akuten Gefährdungslage asylerheblichen Gewichts. So schließt etwa
Oehring Übergriffe auf Christen nicht aus, erachtet sie aber auch nicht als
"allgegenwärtig"; Behinderungen des Kirchenbesuchs sind - von
Bagatellvorfällen abgesehen - auch ihm nicht bekannt geworden
(Gutachten vom 14. September 1984, E 59, 6,7; vgl. auch Stellungnahme
vom 27. März 1987, E 94, 5). Die von verschiedener Seite erwähnten
Beispiele von Diskriminierungen christlicher Kinder in der Schule,
insbesondere während des "Ethik-Unterrichts", hindern eine derartige
Einschätzung nicht. Aus solchen Vorkommnissen folgt insbesondere nicht,
daß die Christen in Istanbul ganz allgemein in einem Klima religiöser
Verachtung leben mußten."</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">
Der Senat hat sich dieser, die genannten auch ihm vorliegenden
Erkenntnisquellen zutreffend und erschöpfend auswertenden
Beurteilung angeschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Vgl. etwa Urteil vom 16. August 1996
- 2 A 10143/88 -.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Neuere Erkenntnisse, nach denen dies zu überprüfen oder
anders zu sehen wäre, sind nicht dargetan oder ersichtlich.
Auf der Grundlage dieser Beurteilung steht zur Überzeugung des
Senats fest, daß syrisch-orthodoxe Christen in Istanbul zum
Zeitpunkt der Ausreise der Kläger Ende 1992 nicht mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit politischer Verfolgung in
Form der an ihre Religionszugehörigkeit anknüpfenden
unmittelbaren oder mittelbaren Gruppenverfolgung rechnen
mußten. </p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">b. Es kann auch nicht festgestellt werden, daß die Kläger als Mitglieder der
syrisch-orthodoxen Religionsgemeinschaft bei einer Rückkehr nach Istanbul mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmittelbaren oder mittelbaren
Gruppenverfolgung unterläge. Anhaltspunkte für eine derzeit stattfindende
Gruppenverfolgung der syrisch-orthodoxen Christen in Istanbul haben die Kläger
nicht vorgetragen. Sie sind auch aus den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen
nicht erkennbar. Danach sind syrisch-orthodoxe Christen in Istanbul im Regelfall
keinen Verfolgungen und Benachteiligungen durch den türkischen Staat oder private
Dritte wegen ihres christlichen Glaubens ausgesetzt. Sie werden dort genauso häufig
oder selten Opfer von Straftaten wie z.B. Eigentumsdelikten wie ihre nichtchristlichen
Mitbürger und werden auch in ihrer Religionsausübung nicht behindert. Für ihre
seelsorgliche Betreuung stehen nach wie vor insgesamt sieben Kirchen und eine
genügende Zahl von Priestern zur Verfügung. Die christlichen Schulkinder sind seit
August 1990 nicht mehr zur Teilnahme am Religions- und Ethikunterricht
verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Vgl. Oehring (193); AA (215), (229),
(252),(253), (262), (270) und
(292).</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Auch Wießner stellt ausdrücklich fest, daß es in der Türkei keine staatlich
organisierte Verfolgung von Christen gibt.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Vgl. Wießner (230).</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Zwar spricht er insoweit von Benachteiligungen der Christen, die sich aus einer
einem bestimmten Überlegenheitsgefühl der Moslems entspringenden abschätzigen
Bewertung des Christentums durch den Staat und seine Organe ergeben oder
ergeben könnten. Die von ihm in diesem Zusammenhang genannten
Benachteiligungen etwa auf dem privaten Arbeitsmarkt oder bei der öffentlichen
Religionsausübung lassen jedoch nicht erkennen, daß dadurch die Grenze zur
asylrechtlichen Erheblichkeit überschritten wird. Der Umstand, daß danach ein
allgemeiner Druck auf die Christen ausgeübt wird, reicht für die Annahme einer
politischen Gruppenverfolgung (noch) nicht aus.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Zwar stellt auch amnesty international insoweit fest, daß sich der
Vertreibungsdruck der Christen landesweit verstärkt hat.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Vgl. ai (231) und (264).</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Daß dieser Druck in Istanbul zu einer Gruppenverfolgung der Christen geführt
hat, geht aus seinen Stellungnahmen jedoch nicht hervor. Die darin ebenfalls
genannten Berichte von Christen über Diskriminierungen durch moslemische
Arbeitskollegen oder über ihre Furcht, z.B. offen eine Kette mit einem Kreuz zu
tragen, sind zu wenig substantiiert, um daraus auf eine allgemeine Benachteiligung
der Christen in Istanbul mit asylrechtlicher Relevanz schließen zu müssen.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Der Annahme einer asylrechtlich relevanten Benachteiligung steht vor allem
entgegen, daß Oehring selbst weiterhin ausdrücklich davon spricht, daß die syrisch-
orthodoxe Religionsgemeinschaft in Istanbul von Beeinträchtigungen in Form von
verbalen Angriffen und Drohungen oder gewalttätigen Angriffen und Übergriffe auf
ihre Einrichtungen bisher nicht betroffen gewesen ist. Beeinträchtigungen einzelner
syrisch-orthodoxer Christen in Istanbul sind danach um so unwahrscheinlicher, je
länger sie mit Angehörigen verschiedener Gruppen, insbesondere mit sich dem
Türkentum verbundenen Moslems zusammenleben.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Vgl. Oehring (256) und (266).</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Anhaltspunkte dafür, daß die syrisch-orthodoxen Christen bei einer
generalisierenden Betrachtungsweise in Istanbul heute einer mittelbaren staatlichen
Gruppenverfolgung durch die moslemische Bevölkerungsmehrheit unterliegen, sind
auch danach selbst unter Berücksichtigung dessen, daß durch das Wiedererstarken
des Islam auch in Istanbul etwa aufgrund des Ergebnisses der Regionalwahlen im
Jahre 1994 die Verunsicherung und Verängstigung der dortigen christlichen
Gemeinden zugenommen und der Drang zur Auswanderung der Christen verstärkt
worden ist,</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">vgl. Wießner (254),</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">nicht festzustellen. Oehring spricht in seiner Stellungnahme von 1999 (290)
sogar von "einem beachtlichen Anwachsen der syrisch-orthodoxen Gemeinde in
Istanbul". Auch aus dem neuesten Lagebericht des Auswärtigen Amtes ergeben sich
keine Hinweise auf eine Gruppenverfolgung der syrisch-orthodoxen Christen in
Istanbul. Dort heißt es, daß etwa 12.000 syrisch-orthodoxe Christen in Istanbul leben.
Sie seien in sieben Kirchengemeinden organisiert. Dort fänden regelmäßig
Gottesdienste und religiöse Feiern statt. In den Gemeinden werde Religionsunterricht
und Sprachunterricht in klassischem (liturgischem) Aramäisch sowie der
neuaramäischen Umgangssprache erteilt. In Istanbul gebe es seit einiger Zeit ein
patriarchalisches Vikariat der Syrisch-Orthodoxen Kirche unter einem Metropoliten,
das der neuen Bevölkerungsentwicklung Rechnung trage. Die Christen seien nicht in
nennenswertem Umfang Übergriffen ihrer islamischen Nachbarn ausgesetzt; die
Sicherheitskräfte schritten erforderlichenfalls zum Schutze der Christen ein. </p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Vgl. AA (292).</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Aus der von den Klägern zu den Akten gereichten
Stellungnahme des Patriarchats von Antiochien,
Patriarchalvikariat der Syrisch-Orthodoxen Erzdiözese in
Deutschland, vom 13. August 1999 ergibt sich nichts anderes.
Die dort aufgestellte Behauptung, in Istanbul gebe es für
syrisch-orthodoxe Christen "keine Chance zu überleben", ist
substanzlos, nicht belegt und widerspricht den umfangreichen
oben ausgewerteten Erkenntnissen des Senats aus vielen anderen
Quellen. Gleiches gilt für die Behauptung, bei Befragungen
nach der Gruppenzugehörigkeit seien "zahlreiche Menschen
umgebracht" worden. Die Stellungnahme beruht im übrigen auf
unzutreffenden Voraussetzungen, wenn sie davon ausgeht, es
seien nur "noch einige syr.-orth. Familien in Istanbul zu
finden".</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">III. Nach alledem liegt eine politische Verfolgung der Kläger sowohl in Form der
unmittelbaren oder mittelbaren Gruppenverfolgung als auch in Form der
Einzelverfolgung nicht vor. Unter Berücksichtigung der dem Senat vorliegenden
Erkenntnisse ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, daß für die Kläger in
Istanbul eine Gefährdungslage im Übergangsbereich zwischen Einzel- und
Gruppenverfolgung aufgrund von Referenzfällen stattgefundener oder stattfindender
politischer Verfolgung oder eines Klimas allgemeiner moralischer, religiöser oder
gesellschaftlicher Verachtung besteht, die in ihnen eine begründete
Verfolgungsfurcht entstehen lassen könnte. Aufgrund dessen ist es den Klägern bei
einer "qualifizierenden" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und
Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung,</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">vgl. BVerwG, Urteile vom 5. November
1991 - 9 C 118.90 -, Buchholz 402.25
§ 1 AsylVfG Nr. 147, vom 8. September
1992 - 9 C 8.91 - und vom 23. Juli 1991
- 9 C 154.90 -, BVerwGE 88, 367,</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">gegenwärtig zuzumuten, in die Türkei zurückzukehren. Die nach dem Vortrag der
Kläger und den Erkenntnissen des Gerichtes für ihre politische Verfolgung
sprechenden Umstände sind unter Berücksichtigung der Intensität und Häufigkeit
möglicher Übergriffe und Benachteiligungen bei objektiver Beurteilung nicht von
einem solchen Gewicht, daß sich daraus bei objektiver Betrachtung für die Kläger die
begründete Furcht ableiten läßt, selbst Opfer asylrechtlich relevanter
Verfolgungsmaßnahmen zu werden. </p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf die Feststellung, daß die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Ist, wie dargelegt, Leben oder
Freiheit der Kläger bei einer Rückkehr in die Türkei nicht aus politischen Gründen
bedroht, besteht schon aus diesen Grunde auch kein Anspruch der Kläger auf die
Feststellung, daß sie die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG erfüllen. </p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG sind nicht dargetan und nicht
ersichtlich. </p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b Abs. 1
AsylVfG, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO
i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO. </p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2
VwGO nicht vorliegen. </p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,496 | olgham-1999-09-15-20-u-6499 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 64/99 | 1999-09-15T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:48 | 2019-02-14T10:24:25 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0915.20U64.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>G r ü n d e :</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">(abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO)</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist die Ehefrau und für den Todesfall Bezugsberechtigte aus einer Lebensversicherung, die ihr Ehemann, der am 16.04.1998 verstorbene C, am 06.04.1995 bei der Beklagten beantragt hatte. Versicherungsbeginn war nach dem Antrag der 01.05.1995. Die Beklagte nahm den Antrag an und stellte einen entsprechenden Versicherungsschein aus. Nach den dem Vertrag zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen verpflichtete sich die Beklagte in teilweiser Abweichung von § 169 VVG, auch in den Fällen einer Selbsttötung des Versicherungsnehmers zu leisten. In § 11 heißt es dazu:</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">(1)</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Bei Selbsttötung leisten wir, wenn seit Zahlung des Einlösebeitrags oder seit Wiederherstellung der Versicherung drei Jahre vergangen sind. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">(2)</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Bei Selbsttötung vor Ablauf der 3-Jahres-Frist besteht Versicherungsschutz nur dann, wenn uns nachgewiesen wird, daß die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen worden ist. Andernfalls zahlen wir die eingezahlten Beiträge unverzinst zurück. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Am Nachmittag des 16.04.1998 wurde der Ehemann der Klägerin erhängt in seiner Wohnung aufgefunden. Die Notärztin konnte nur noch den Tod feststellen. Die Klägerin hat die Beklagte auf Auszahlung der Versicherungssumme in Anspruch genommen und nach deren Ablehnung Klage erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Versicherungsnehmer habe sich das Leben genommen, so daß die Beklagte gemäß § 169 VVG leistungsfrei sei. Nach den vorliegenden Umständen sei es überzeugt davon, daß der Kläger nicht in einem die freie Geistesbetätigung ausschließenden Zustand gehandelt habe und es sich auch nicht um eine fehlgeschlagene Selbstmorddemonstration gehandelt habe, sondern daß der Versicherungsnehmer in voller Absicht aus dem Leben geschieden sei. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit welcher sie unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrages ihr Begehren weiterverfolgt. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Es steht zur Überzeugung des Senats fest, daß der Versicherungsnehmer freiwillig und bewußt aus dem Leben geschieden ist. Das schließt der Senat aus den Umständen des Todes und den weiteren, im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehenden dargelegten Umständen. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Nach den vorliegenden und ihrem Inhalt nach unstreitigen Akten der Staatsanwaltschaft Detmold 3 UJs 130/98 wurde der Versicherungsnehmer erhängt aufgefunden. Das freie Ende des Seils war an der 3. Treppenstufe von oben gesehen festgeknotet. Die Beine des Versicherungsnehmers hatten keinen Bodenkontakt mehr. Unter ihm am Boden lag ein umgekippter Schemel. Hinweise für ein Fremdverschulden fanden sich nicht. Ein solches wird auch nicht behauptet. Danach hatte der Versicherungsnehmer, wie von ihm abzusehen war, nach Einleitung des Geschehens und Umstoßen des Hockers keine Möglichkeit mehr einzugreifen und den zu erwartenden tödlichen Verlauf des Geschehens aufzuhalten oder zu steuern. Das Erhängen ist eine Todesart, bei welcher der Schluß auf einen Selbstmord besonders nahe liegt (BGH VersR 87, 503). Wer solch ein Geschehen in Gang setzt, handelt sehr wahrscheinlich final und nicht lediglich in Demonstrationsabsicht. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende maßgeblich von einem früher vom Senat entschiedenen Fall (VersR 89, 690). Jener Entscheidung hatte ein untypischer Fall des Erhängens vorgelegen, dessen nähere Umstände die Demonstrationsabsicht offenkundig machten: Dort knotete der Versicherungsnehmer einen Gürtel an der Türklinke fest und erhängte sich im Sitzen, was darauf schließen ließ, daß er glaubte, das Geschehen jederzeit abbrechen zu können, und er wußte seine Ehefrau im Nebenzimmer, mit welcher er vorher kommunizierte und der gegenüber er seine Strangulationsabsicht mehrfach bekundete. Hier hingegen war der Versicherungsnehmer allein im Haus. Er erhängte sich an einer Stelle, die von außen und auch für das Haus Betretende nicht gleich einsehbar war. Vor dem Hintergrund, daß der Tod bei einem Ereignis wie dem vorliegenden schnell eintritt, war nach alledem mit einem Hinzutreten und Eingreifen Dritter nicht zu rechnen. Deshalb führte auch der Umstand, daß die Klägerin ihren Besuch beim Versicherungsnehmer für den Nachmittag des 16.04. angekündigt hatte, zu keiner anderen Bewertung. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist der Ansicht, der Versicherte habe bereits einige Wochen vor dem 16.04. eine Selbstmorddemonstration vorgenommen. Sie schildert, sie sei hinzugekommen, als ihr Mann eine Badewanne mit heißem Wasser gefüllt und ein scharfes Messer bereitgelegt habe. Insoweit ist aber zweifelhaft, ob es sich dabei tatsächlich um eine Selbstmorddemonstration oder nicht viel eher um echte Selbstmordvorbereitungen gehandelt hat. Letztere liegt zur Überzeugung des Senats näher. Eine sogenannte Selbstmorddemonstration, die immer Appellcharakter hat, hat nur dann Sinn, wenn sie ihren Adressaten auch erreicht. Das mag bei dem von der Klägerin geschilderten Ereignissen der Fall gewesen sein. Zu Weiterungen ist es damals jedenfalls nicht gekommen. Nach Entdeckung durch die Klägerin hat der Versicherte jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt nicht weiter agiert. Weitere Selbstmordversuche oder Demonstrationen berichtete die Klägerin nicht. Die Notärztin hat aber beim Versicherungsnehmer an den Handgelenken querverlaufende, bereits verschorfte Schnittwunden gefunden. Diese deuten darauf hin, daß es sich um sogenannte "Zauderschnitte" handelt, wie viele, sich mit Selbstmordgedanken tragende Menschen sie sich zufügen. Hätten diese Schnitte Demonstrationscharakter haben sollen, hätte es nahegelegen, diese auch der Umwelt, in erster Linie der Ehefrau, die sich von ihm getrennt hatte, zur Kenntnis zu bringen. Da sie hiervon aber tatsächlich keine Kenntnis hatte, liegt es näher, daß der Versicherungsnehmer sich diese Schnitte in suizidaler Absicht zugefügt hat, von dem Versuch dann aber zurückgetreten ist. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Kein besonders Gewicht mißt der Senat dem Umstand bei, daß der Versicherungsnehmer, wie die Klägerin dargelegt hat, sich mit Reiseplänen getragen hat. Es ist nach der Erfahrung des Senats in ähnlich gelagerten Fällen nicht selten, daß Menschen, die sich ernsthaft mit Suizidgedanken tragen, gleichwohl noch Zukunftspläne schmieden. Der Suizid steht dabei immer erst am Ende einer Entwicklung, die psyisch als extrem belastend empfunden wird, aber durchaus Momente der Hoffnung auf eine Wende zum besseren enthalten kann. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Das deutlichste Indiz für einen Suizid einerseits und gegen einen Unfall bzw. eine fehlgeschlagene Selbstmorddemonstration andererseits stellt der Inhalt des beim Versicherungsnehmer vorgefundenen Abschiedsbriefs dar. Dieser macht deutlich, daß der Versicherungsnehmer sein bisheriges Leben "bilanziert" hat und er darin, daß er aus dem Leben scheide, die Lösung der persönlichen und wirtschaftlichen Probleme seiner Familie sehe, wobei er die Auszahlung der Lebensversicherungssumme namentlich erwähnte. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die genannten Kriterien reichen nach alledem zur vollständigen Überzeugungsbildung des Senats dahin aus, daß der Versicherungsnehmer sich bewußt das Leben genommen hat. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Anknüpfungstatsachen dafür, daß der Versicherungsnehmer in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit gehandelt haben könnte, sind nicht dargelegt und erkennbar. Aus dem Umstand, daß der Versicherungsnehmer Alkoholiker war, zieht der Senat einen entsprechenden Schluß nicht. Denn abgesehen davon, daß gerade bei alkoholgewöhnten Alkoholkranken ein derartiger Zustand erst bei höheren Blutalkoholkonzentrationen erreicht wird, hat die Klägerin konkret zum Alkoholkonsum des Versicherungsnehmers allgemein und speziell am 16.04. nichts dargelegt. Auch aus der Todesermittlungssache 3 UJs 130/98 ergeben sich keinerlei Hinweise auf einen zuvor stattgefundenen Alkoholkonsum und dessen Umfang. Anhaltspunkte dafür, daß sich beim Versicherungsnehmer infolge langjährigen Alkoholmißbrauchs Persönlichkeitsveränderungen insbesondere des Umfangs ergeben hätten, daß er nicht mehr als geschäftsfähig anzusehen wäre, sind weder dargelegt noch ersichtlich. Vielmehr sprechen Art und Inhalt des vorgefundenen Abschiedsbriefs, die die Motive für die Entscheidung des Versicherungsnehmers nachvollziehbar darlegen, gegen derartige krankhafte Persönlichkeitsveränderungen mit der Folge einer Geschäftsunfähigkeit. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Nach dem Vorstehenden stände der Klägerin ein Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme nur dann zu, wenn am 16.04.1998 die 3-Jahres-Frist gemäß § 11 Abs. 1 der Versicherungsbedingungen bereits abgelaufen gewesen wäre. § 11 Abs. 1 stellt insoweit maßgeblich auf den Zeitpunkt der Zahlung des Einlösebeitrages ab. Die Besonderheit im konkreten Fall ist, daß der Versicherungsnehmer der Beklagten eine Bankeinzugsermächtigung erteilt hatte, er es selbst somit nicht mehr in der Hand hatte, wann der Einlösebetrag gezahlt bzw. abgebucht wurde. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wann im konkreten Fall der Zeitpunkt der Zahlung des Einlösebeitrags eingetreten war. In Betracht kommen hier zum einen der Zeitpunkt der tatsächlichen Abbuchung, der Zeitpunkt der Erteilung der Abbuchungserlaubnis und schließlich der Zeitpunkt des Vertragsbeginns. Nach Auffassung des Senats ist hier der letztgenannte Zeitpunkt, nämlich der 01.05.1995, der maßgebliche Zeitpunkt. Denn zwar hatte der Versicherungsnehmer mit Antragsunterzeichnung und Erteilung der Bankeinzugsermächtigung einen wesentlichen Teil, wenn auch noch nicht alles, getan, um seiner Beitragspflicht nachzukommen. Denn darüber hinaus war noch erforderlich, daß zu dem Zeitpunkt, als die Beklagte abbuchen durfte, sein Konto die entsprechende Deckung aufwies. Der Vertrag sollte am 01.05.1995 in Kraft treten. An diesem Tag sollte die Deckung durch die Beklagte einsetzen. An diesem Tag sollte auch erst die Beitragspflicht des Versicherungsnehmers einsetzen. Erst zu diesem Zeitpunkt war der Einlösebeitrag fällig. Erst an diesem Tage durfte die Beklagte von der Abbuchungsermächtigung Gebrauch machen. Aus diesem Grunde ist nach Ansicht des Senats in den Fällen, in denen eine Einzugsermächtigung erteilt wird, als Zeitpunkt der Zahlung des Einlösebetrages derjenige Zeitpunkt anzusehen, an dem die Versicherung erstmals von der Bankeinzugsermächtigung Gebrauch machen darf, dieser Einlösungsbeitrag also fällig ist. Auf den Zeitpunkt abzustellen, an dem tatsächlich der Bankeinzug erfolgt bzw. wann die Gutschrift tatsächlich erfolgt, erscheint dem Senat auch vor dem Hintergrund des § 38 VVG unangemessen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Danach begann im vorliegenden Fall die Frist von 3 Jahren am 01.05.1995. Am 16.04.1998 war sie noch nicht abgelaufen. Auch nach § 11 Abs. 1 der Versicherungsbedingungen ist die Beklagte daher zur Zahlung der Versicherungssumme nicht verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Keine der Parteien wird durch die vorliegende Entscheidung zu mehr als 60.000,00 DM beschwert.</p>
|
114,497 | olgham-1999-09-15-2-ws-27099 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
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"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 Ws 270/99 | 1999-09-15T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:48 | 2019-02-14T10:24:25 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0915.2WS270.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>G r ü n d e :</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Durch Urteil des Amtsgerichts Iserlohn vom 23. März 1999 ist der Verurteilte wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von neun Monaten verurteilt worden. Zugleich ist ihm verboten worden, für die Dauer von drei Monaten im öffentlichen Straßenverkehr ein Fahrzeug zu führen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil hat er fristgerecht ein Rechtsmittel eingelegt, das er mit Schreiben vom 3. Mai 1999 als Berufung bezeichnet hat. In der Berufungshauptverhandlung vom 30. Juni 1999 hat er die von ihm eingelegte Berufung zurückgenommen. Die Staatsanwaltschaft hat der Rücknahme zugestimmt. Die Strafkammer hat daraufhin in der Hauptverhandlung einen Beschluss folgenden Inhalts verkündet:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">"Die Kosten des zurückgenommenen Rechtsmittels hat der Angeklagte zu tragen, nachdem er die Berufung wirksam zurückgenommen hat, § 473 StPO."</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit wortgleichen Schreiben vom 9. Juli, 14. Juli und 21. Juli 1999 hat der Verurteilte mitgeteilt, dass er die "neun Monate Freiheitsstrafe nicht anerkenne." Der Vorsitzende der Strafkammer hat ihn mit Schreiben vom 18. August 1999 darauf hingewiesen, dass das Urteil nach wirksamer Rücknahme der Berufung rechtskräftig sei. Mit Schreiben vom 19. August 1999 hat der Verurteilte mitgeteilt, dass er "die neun Monate Haft nicht annehmen kann."</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Strafkammer sieht die Eingaben des Verurteilten unter Bezugnahme auf den in anderer Sache ergangenen Beschluss des Senats vom 20. Mai 1999 (2 Ws 158, 161 - 164/99) als sofortige Beschwerde gegen den Kostenbeschluss vom 30. Juni 1999 an und hat die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Eingaben des Verurteilten sind nicht als sofortige Beschwerde gegen den Kostenbeschluss vom 30. Juni 1999 anzusehen. Der Verurteilte hat sich nämlich weder ausdrücklich gegen diese Entscheidung gewandt, noch kann seine Erklärung, dass er das Urteil nicht anerkennen könne, gemäß § 300 StPO als sofortige Beschwerde gegen diese Entscheidung ausgelegt werden. Vielmehr sind seine Schreiben als Einwendungen gegen die von ihm erklärte Berufungsrücknahme anzusehen. Hat der Verurteilte eine unzweifelhaft erklärte Berufungsrücknahme nachträglich angefochten oder widerrufen (vgl. OLG Düsseldorf, MDR 1985, 429), oder sonst die Unwirksamkeit der abgegebenen Erklärung geltend gemacht (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 60), hat das Berufungsgericht die Berufung für erledigt zu erklären (vgl. BGH a.a.O.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 302 Rdnr. 11). Erst über die gegen diese Entscheidung eingelegte sofortige Beschwerde hätte der Senat zu entscheiden. Die von der Strafkammer angeführte o.g. Senatsentscheidung betraf einen anderen Sachverhalt. Dort lag eine schriftliche Erklärung vor, die dahingehend zu überprüfen war, ob in ihr überhaupt eine Berufungsrücknahme zu sehen war. Diese Frage war von der Strafkammer vorgreiflich im Rahmen des zunächst erlassenen Kostenbeschlusses und vom Senat im Rahmen der ausdrücklich eingelegten Kostenbeschwerde zu prüfen.</p>
|
114,501 | olgk-1999-09-15-19-w-3299 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 19 W 32/99 | 1999-09-15T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:48 | 2019-02-12T08:36:03 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0915.19W32.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Die Beschwerde der Antragstellerin vom 03.08.1999 gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 15.07.1999 - 21 O 42/99 - wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">G r ü n d e</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die 53jährige Antragstellerin begehrt Prozeßkostenhilfe für eine
beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerinnen auf Zahlung von
100.000,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Sie bezieht ein Einkommen in Höhe von 3.153,00 DM, bestehend aus
Mieteinnahmen von 1.740,00 DM brutto und einer Pension von 1.413,00
DM brutto. Hiervon hat sie regelmäßige Abzüge von insgesamt 957,28
DM. Aus Vorprozessen ist sie mit monatlichen Raten an Anwalt und
Steuerberater in Höhe von 650,00 DM belastet.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin besitzt drei Eigentumswohnungen im Wert von
insgesamt 440.000,00 DM. Hiervon bewohnt sie eine Wohnung im Wert
von 220.000.- DM selbst. Sie verfügt über eine im Jahr 2001 fällig
werdende Lebensversicherung mit einer Ansparsumme von 180.000,00
DM, welche im Fälligkeitszeitpunkt mit 250.000,00 DM zzgl.
Gewinnbeteiligung zur Auszahlung kommen wird, welche sich auf etwa
50.000,- DM belaufen wird.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Sie hat Darlehensverbindlichkeiten gegenüber ihrer Schwester in
Höhe von 500.000,00 DM, auf welche sie Zins- und Tilgungsleistungen
nicht erbringt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat den Antrag auf Gewährung von
Prozeßkostenhilfe durch Beschluss vom 11.08.1999 - 21 O 42/99 - mit
der Begründung zurückgewiesen, es sei der Antragstellerin
zuzumuten,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">sich die zur Finanzierung des Prozesses nötigen Mittel durch
Aufnahme eines Kredits zu beschaffen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie
vertritt die Auffassung, eine Beleihung der Lebensversicherung sei
ihr nicht zuzumuten, da es sich hierbei um ihre Altersversorgung
handle. Im übrigen benötige sie den Auszahlungsbetrag um den Kredit
ihrer Schwester zurückzuführen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die
Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde der Antragstellerin ist gem. §§ 127 Abs. 3 Satz 2
in Verbindung mit § 567 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im übrigen
zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat zurecht die Gewährung von Prozeßkostenhilfe
mit Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse der Antragstellerin
abgelehnt. Gem. § 114 ZPO ist nämlich Voraussetzung der
Bewilligung, dass die Partei nach ihren persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Hierbei hat die
Partei gem. § 115 Abs. 2 ZPO ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies
zumutbar ist. Zum Vermögen der Antragstellerin gehören drei
Eigentumswohnungen mit einem Gesamtwert von 440.000,00 DM und eine
Lebensversicherung, welche ein Ansparguthaben von 180.000,00 DM
aufweist und im Jahr 2001 mit 250.000,00 DM zzgl.
Überschussbeteiligung ausgezahlt werden wird. Die Antragstellerin
kann sowohl die ihr gehörenden vermieteten beiden
Eigentumswohnungen als auch die Lebensversicherung als
Vermögensgegenstand einsetzen, um hierdurch ihre Prozeßkosten zu
finanzieren. Zum Einsatz des Vermögens zählt nämlich auch die
Nutzung als Kreditsicherung. Hierbei ist es auch im Rahmen der
Prozeßkostenhilfe grundsätzlich zulässig, die Partei auf die
Möglichkeit der Kreditaufnahme zu verweisen (BGH NJW RR 1990, 450,
OLG Bamberg FamRZ 1990, 763; OVG Münster FamRZ 86, 188; VG
Frankfurt am Main NJW RR 87, 1535; Stein/Jonas/Burg ZPO 21. Aufl.
VII/1993, § 115 Abs. 3 Rdnr 94, Münchener Kommentar ZPO</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">1992 § 115 Rdnr 57). Voraussetzung hierbei ist, dass die
Verwertung des betreffenden Vermögensgegenstandes im Wege der
Beleihung grundsätzlich zumutbar und die damit verbundene
finanzielle Belastung für den Antragsteller angemessen ist
(Münchener Kommentar a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Soweit in der Literatur vertreten wird, eine Kreditaufnahme zur
Finanzierung von Prozeßkosten könne grundsätzlich dann nicht
verlangt werden, wenn mit der Tilgung des Kredites Zinszahlungen
verbunden seien die einen solchen Kredit teurer ausfallen lasse als
die nach der Tabelle aus dem monatlichen Einkommen ggf. zu
leistenden Monatsraten (Christel NJW 1981, 785, 790; Grunsky NJW
80, 2041, 2042; Schneider MDR 1981, 1, 2 Zöller ZPO 19. Aufl. 1994
§ 115 Rdnr 65; Musielak ZPO 1999 § 115 Rdnr 50) kann dem nur dann
zugestimmt werden, wenn mit der Aufnahme eines Personalkredites
Zins- und Tilgungsleistungen aus dem laufenden Einkommen verbunden
sind. Im übrigen ist jedoch eine differenzierte Betrachtungsweise
unter Berücksichtigung der konkreten Einkunfts- und
Vermögenssituation des Antragstellers erforderlich. So muss einer
Kreditaufnahme für den Antragsteller immer dann zumutbar sein, wenn
sie nur zu Überbrückungszwecken erfolgen muss, bis nämlich
einsatzpflichtiges Vermögen verwertet werden kann (Musielak a.a.O.
§ 115 Rdnr 50). Dies gilt um so mehr, wenn der Verwertung des
Vermögensgegenstandes, hier einer wirtschaftlich zweckgebundenen
Lebensversicherung lediglich das Argument entgegensteht, dass bei
Kündigung vor Beendigung der regelmäßigen Vertragslaufzeit hebliche
Verluste an Zinsen und Überschussbeteiligungen drohen und gerade
dies für den Antragsteller eine unzumutbare Härte darstellt. Wird
dem Antragsteller aber einerseits durch Zumutbarkeitserwägungen ein
Vermögensteil belassen, weil er innerhalb der nächsten zwei Jahre
eine erhebliche Rendite erwarten lässt - hier von der
Antragstellerin mit mehr als 70.000,00 DM beziffert -, kann
andererseits erwartet werden, dass er den Vermögensgegenstand zur
Finanzierung weitaus niedrigerer Prozeßkosten hier: ca. 11.000,00
DM, ggf. unter Mitfinanzierung der hierfür entstehenden Zinsen
einsetzt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin kann sich auch nicht darauf berufen, sie
benötige die Lebensversicherung zu ihrer Alterssicherung.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Lebensversicherung der Antragstellerin zählt grundsätzlich
zum einsetzbaren Vermögen gemäß § 115 Absatz 2 ZPO. Die Verwertung
der Lebensversicherung durch Beleihung stellt nämlich keine
unzumutbare Härte im Sinne der §§ 115 Abs. 2 Satz 2, 88 Abs. 2 Satz
2 BSHG dar. Nach § 88 Abs. 2 Satz 2 BSHG ist von einer besonderen
Härte bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen dann auszugehen, wenn
unter anderem die Aufrechterhaltung einer angemessenen
Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Bei der
Prozeßkostenhilfe handelt es sich zwar um eine Hilfe in besonderen
Lebenslagen. Die Aufrechterhaltung einer angemessenen
Alterssicherung durch die Antragstellerin ist aber durch eine
Kreditaufnahme für den beabsichtigten Prozeß nicht wesentlich
erschwert. Die Antragstellerin verfügt insgesamt über Grundvermögen
im Wert von nach ihren Angaben 440.000,00 DM. Sie hat die
Auszahlung einer Lebensversicherung von 250.000,00 DM zzgl.
Überschussbeteiligung, welche nach unwidersprochenen Angaben der
Antragsgegnerin mindestens 50.000,00 DM ausmachen zu erwarten
mithin ein Vermögen im Wert von insgesamt 740.000,00 DM. Angesichts
dessen ist selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie
ihrer Schwester 500.000,00 DM schuldet, die Alterssicherung durch
eine Kreditaufnahme für Prozeßkosten in Höhe von 11.000,00 DM nicht
nennenswert erschwert.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus ist die 53jährige Antragstellerin in der Lage aus
ihrem derzeitigen Einkommen die entstehende Lücke in der
Alterssicherung wieder aufzufüllen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Bei einem verfügbaren Einkommen von 3.153,- DM</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">abzüglich Sozialvericherung, ./. 207,28 DM</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Nebenkosten der Mietwohnungen ./. 500,- DM</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Heizung ./. 250,- DM</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Raten für Anwalt und Steuerberater ./. 650,- DM</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">des Vorprozesses</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Selbstbehalt ./. 672,- DM</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">___________</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">verbleibt ein einsetzbares Einkommen von 873,72 DM</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">welches die Antragstellerin zumindest in dem Maße zur Ansparung
einer Alterssicherung verwenden kann, als ihr nach der Tabelle zu §
115 ZPO eine Ratenzahlung zur Prozeßkostenhilfe aufzuerlegen wäre.
Nach Abzahlung der Raten an Anwalt und Steuerberater aus dem
Vorprozeß wird sich der verfügbare Betrag um 650 DM erhöhen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO. Die
Antragstellerin trägt die Gerichtskosten gem. § 49 GKG, 1905
Kostenverzeichnis ohne besonderen Ausspruch.</p>
|
114,502 | vg-arnsberg-1999-09-14-11-k-476897 | {
"id": 841,
"name": "Verwaltungsgericht Arnsberg",
"slug": "vg-arnsberg",
"city": 384,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 11 K 4768/97 | 1999-09-14T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:49 | 2019-01-18T16:07:10 | Urteil | ECLI:DE:VGAR:1999:0914.11K4768.97.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Der am 28. Juni 1991 geborene Kläger wird seit seinem 3. Lebensjahr wegen
Verhaltensverzögerung, Wahrnehmungsstörungen sowie Störungen der
Körperkoordination und der Körperwahrnehmung in der Praxis für Heilpädagogik und
Psychomotorik der Heilpädagogin X1. behandelt. Die Mutter des Klägers
beantragte im Juni 1997 für diesen Eingliederungshilfe nach § 35 a des
Sozialgesetzbuches - 8. Buch: Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII) und gab an, daß
die bisherige Behandlung zwar bereits zu einer Verminderung der
entwicklungshemmenden Faktoren geführt habe, doch bestehe weiterhin
Behandlungsbedarf. In einem am 12. Juni 1997 durchgeführten Hilfeplangespräch
kamen die Eltern des Klägers mit den Mitarbeitern des Jugendamtes überein, daß
die Maßnahme ab dem 28. Juni 1997 für zunächst 12 Monate fortzusetzen sei, um
eine gezielte Förderung zu ermöglichen. Notwendig seien wöchentlich 2 Einheiten
Heilpädagogik in Einzeltherapie sowie ein monatliches Elterngespräch.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte bewilligte dem Kläger sodann mit Bescheid vom 8. Juli 1997 für die
Zeit vom 28. Juni 1997 für die Zeit bis zum 30. Juni 1998 Eingliederungshilfe in Form
einer heilpädagogischen Einzeltherapie mit 2 Sitzungen pro Woche sowie einem
Elterngespräch pro Monat. Der Bescheid enthielt den Hinweis, daß die Hilfe im
Rahmen der festgelegten Vergütungsregelung für heilpädagogische und
mototherapeutische Behandlungen geleistet wird. Ferner heißt es in dem Bescheid,
daß dieser der entsprechenden Praxis zur Abrechnung mit dem Jugendamt Witten
vorzulegen sei. Nach der auf der Bescheidrückseite abgedruckten
Vergütungsregelung werden für eine 45-minütige Einzelbehandlung höchstens
78,00 DM vergütet und für Kooperationsgespräche mit Ärzten, Lehrern, Kollegen und
Diensten der psychosozialen Versorgung ebenfalls höchstens 78,00 DM je
Zeitstunde.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Bereits mit Schreiben vom 25. Juni 1997 hatte der Vater des Klägers den
Beklagten gebeten, einen erneuten Behandlungsauftrag der auch bisher mit der
Behandlung befaßten Frau X1. zu erteilen; die vom Jugendamt benannten
Alternativen kämen wegen Wartezeiten von etwa 1 Jahr nicht in Betracht. Hierauf
antwortete der Beklagte unter dem 4. Juli 1997, daß sich die Bewilligungspraxis
seines Jugendamtes einheitlich nach dem zwischen dem Kreissozialamt und den
heilpädagogischen Praxen im Ennepe-Ruhr-Kreis ausgehandelten
Vergütungsrahmen richte.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Unter dem 29. Juli 1997 übersandte die Heilpädagogin X1. dem Beklagten
erstmals eine Rechnung über die im Juli 1997 durchgeführten Maßnahmen, wobei
sie 132,81 DM je Einheit berechnete. Der Beklagte überwies einen geringeren als
den geforderten Betrag, weil er pro Einheit lediglich 78,00 DM ansetzte.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Am 1. August 1997 erhoben die Eltern des Klägers gegen den Bescheid des
Beklagten vom 8. Juli 1997 Widerspruch und führten aus, daß sich dieser
Widerspruch allein auf die auf der Bescheidrückseite abgedruckte
Vergütungsregelung beziehe. Frau X1. , die ihren Sohn bereits seit 3 Jahren mit
großem Erfolg behandele, sehe sich nämlich nicht mehr in der Lage, die Behandlung
zu einem seit Jahren unveränderten Kostensatz von 78,00 DM je Einheit
durchzuführen. Die Behauptung des Beklagten, daß die Vergütungsregelung mit den
heilpädagogischen Praxen im Ennepe-Ruhr-Kreis ausgehandelt worden sei, treffe
nicht zu. Vielmehr habe der Kreis diesen Satz schlicht festgelegt. Frau X1.
indessen könne, wie Berechnungen ihres Steuerberaters ergeben hätten, nur dann
kostendeckend arbeiten, wenn ihr ein Stundensatz von 132,00 DM bewilligt werde.
Ein Anspruch auf Übernahme der vollen Kosten in Höhe von 132,00 DM folge aus
§ 35 a SGB VIII. Ein Wechsel der Therapeuten könne ihrem Sohn auch im Hinblick
auf die Regelung in § 5 SGB VIII nicht zugemutet werden.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.
September 1997, zur Post gegeben am 30. September 1997, unter Hinweis auf die
Verbindlichkeit der Vergütungsregelung, der sich das Jugendamt Witten im Interesse
einer gleichmäßigen Handhabung angeschlossen habe, zurück.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat am 22. Oktober 1997 Klage erhoben. Er trägt vor, daß die
Anspruchsvoraussetzungen des § 35 a SGB VIII unstreitig gegeben seien. Bei der
vom Beklagten dennoch vorgenommenen Einschränkung der Kostenübernahme
handele es sich um eine unselbständige Nebenbestimmung, die gegen § 32 Abs. 1
SGB X verstoße. Nach dieser Regelung dürften Verwaltungsakte, auf die ein
Anspruch bestehe, grundsätzlich nur dann mit Nebenbestimmungen versehen
werden, wenn dies durch eine Rechtsvorschrift zugelassen sei. Hier sei eine solche
Rechtsvorschrift nicht ersichtlich. Bei dem am 12. Juni 1997 durchgeführten
Hilfeplangespräch seien alle Beteiligten davon ausgegangen, daß die weitere
Betreuung des Klägers in der heilpädagogischen Praxis X1. erfolgen solle. Bereits
in diesem Gespräch habe Frau X1. darauf hingewiesen, daß sie ausweislich der
Kostenberechnung ihres Steuerberaters pro Behandlungseinheit 132,81 DM
berechnen müsse, um kostendeckend zu arbeiten. Zu der Durchführung einer
Betriebskostenberechnung habe sie sich nach einem Gespräch mit dem
Jugendamtsleiter, das am 29. Januar 1997 stattgefunden habe, veranlaßt gesehen.
Der Amtsleiter habe ihr mitgeteilt, daß grundsätzlich auf Betriebskostenbasis
abgerechnet werde. Hinsichtlich der Fortsetzung der Therapie in der Zeit vom 28.
Juni 1997 bis 30. Juni 1998 habe sie mit den Eltern des Klägers lediglich mündlich
vereinbart, daß die notwendigen Maßnahmen durchgeführt werden sollten; eine
schriftlich Vereinbarung sei nicht geschlossen worden. Zivilrechtliche Dienstverträge
seien nicht formbedürftig. Die vom Beklagten vorgenommene Beschränkung der
Kostenübernahme verstoße auch gegen das in § 5 SGB VIII festgeschriebene
Wunsch- und Wahlrecht. Auf die Frage, ob die Fortsetzung der Therapie in der
Praxis X1. , wie der Kläger und seine Eltern es wünschten, unverhältnismäßige
Mehrkosten verursache, komme es deswegen gar nicht an, weil gar keine Alternative
zu einer Bedarfsdeckung in der Praxis X1. bestünde. Der Kläger werde bereits seit
3 ½ Jahren von Frau X1. betreut, und ein Wechsel zu einer anderen Einrichtung
wäre mit Umstellungsschwierigkeiten behaftet, so daß der weitere Erfolg der
Behandlung in Frage stünde. Falls es entgegen seiner - des Klägers - Auffassung
doch auf die Grenze der unverhältnismäßigen Mehrkosten ankomme, könnten die in
der Vergütungsregelung festgelegten Sätze nicht als Maßstab herangezogen
werden. Es geht nicht an, daß der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die freien
Träger systematisch auf einen bestimmten Satz drücke, zu dem diese freien Träger
nicht kostendeckend arbeiten könnten, um sodann im Rahmen von § 5 SGB VIII auf
diese für die freien Träger ruinösen Bedingungen zu verweisen. Bei den
Frühförderstellen akzeptiere das Jugendamt des Beklagten Kostensätze, die nach
dem Selbstkostendeckungsprinzip ermittelt seien. Falls der von Frau X1.
errechnete Kostensatz von 132,81 DM gleichwohl entgegen seiner - des Klägers -
Auffassung als unverhältnismäßig hoch zu qualifizieren sei, bestehe jedenfalls ein
Anspruch auf Kostenübernahme in Höhe von 93,60 DM je Therapieeinheit. Dieser
Betrag liege um 20 % oberhalb der vom Beklagten zugrundegelegten 78,00 DM,
weshalb insoweit noch nicht von unverhältnismäßigen Mehrkosten gesprochen
werden könne. Diese Grenze sei erst überschritten, wenn der Aufpreis mehr als 20 %
betrage. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"> den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom
8. Juli 1997 in der Fassung des Widerspruchsbeschei-
des vom 19. September 1997 zu verpflichten, ihm - dem
Kläger - Eingliederungshilfe gemäß § 35 a SGB VIII
zur Durchführung einer heilpädagogischen Therapie in
der Praxis für Heilpädagogik X1. , C1.-straße , X. zu bewilligen, und
zwar ohne Begrenzung des zu vergütenden Honorars auf 78,00 DM pro
Einheit Heilpädagogik (45 Minuten),</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"> hilfsweise,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"> den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom
8. Juli 1997 in der Fassung des Widerspruchsbeschei-
des vom 19. September 1997 zu verpflichten, die
Kosten für eine heilpädagogische Behandlung des
Klägers in Höhe von 93,60 DM pro Behandlungseinheit
(2 Einheiten pro Woche) zu übernehmen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">
Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"> die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Er macht geltend, daß eine Nichtbeachtung der Vergütungsregelung im Fall des
Klägers gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße. Der
Bewilligungsbescheid vom 8. Juli 1997 stelle eine einheitliche Regelung dar und
enthalte keine Nebenbestimmung. Dem Kläger gegenüber sei die Zusage erteilt
worden, die Kosten für heilpädagogische Maßnahmen bis zu dem festgestellten
Höchstbetrag zu erstatten. Mit dieser Bewilligung sei auch der Anspruch des Klägers
auf Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII erfüllt. Ein Wechsel zu einer anderen
heilpädagogischen Praxis sei dem Kläger zumutbar.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten im übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Verfahrensakte
sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Klage hat weder mit dem Haupt- noch mit dem Hilfsantrag Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Sie ist als Verpflichtungsklage zulässig, soweit der Kläger die Verpflichtung des
Beklagten zur Gewährung von - unbegrenzter - Eingliederungshilfe für die Zeit vom
28. Juni 1997 bis zum 30. Juni 1998 erstrebt.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Soweit das zeitlich nicht näher eingegrenzte Klagebegehren sich auf die Zeit
nach dem 30. Juni 1998 bezieht, fehlt der Klage das notwendige
Rechtsschutzbedürfnis. Zu berücksichtigen ist, daß der Hilfefall in dem
streitgegenständlichen Bescheid für die Zeit bis zum 30. Juni 1998 geregelt ist. Die
Dauer dieses Regelungszeitraums bestimmt auch die Zeitspanne die der
gerichtlichen Prüfung des Begehrens in der Sache unterliegt, denn in der
Rechtsprechung ist anerkannt, daß ein Anspruch auf laufende Sozialleistungen nur
in dem zeitlichen Umfang der gerichtlichen Überprüfung unterliegt, den zuvor die
beklagte Behörde durch ihre Bescheide geregelt hat.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-
Westfalen (OVG NW), Urteil vom 8. November 1982
- 8 A 56/81 - und Beschluß vom 30. Juni 1982
- 8 B 176/82 -.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn die Behörde sich - wie hier - entschlossen
hat, die Bewilligung nicht auf die Zeit bis zum nächstgelegenen Zahlungszeitpunkt zu
begrenzen, sondern die gesamte Zeit bis zum nächsten Hilfeplangespräch durch
einen Bescheid abdecken wollte. In einem derartigen Fall kommt es auch nicht
darauf an, wann der Widerspruchsbescheid, der regelmäßig die letzte den Hilfefall
betreffende Verwaltungsentscheidung darstellt, ergangen ist.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom
8. Juni 1995 - 5 C 30/93 -, in: Fürsorgerechtliche
Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte
(FEVS), Band 46, S. 94 ff.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">In der Sache dringt der Kläger weder mit dem Haupt- noch dem Hilfsantrag
durch, weil der Bescheid des Beklagten vom 8. Juli 1997 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 19. September 1997 rechtmäßig ist und den Kläger
nicht in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, daß der
Beklagte ihm für die Zeit vom 28. Juli 1997 bis zum 30. Juni 1998 weitere
Eingliederungshilfemaßnahmen ohne Begrenzung des zu vergütenden Honorars auf
78,00 DM pro Einheit Heilpädagogik bewilligt bzw. die Kosten für eine
heilpädagogische Behandlung in Höhe von 93,60 DM pro Behandlungseinheit
übernimmt. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Regelung in § 35 a SGB VIII, die nach Lage der Dinge allein als
Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, rechtfertigt ein derartiges Begehren des
Klägers nicht. Allerdings gehört der Kläger - hierüber besteht zwischen den
Beteiligten Einigkeit - zu dem in dieser Regelung angesprochenen Personenkreis
der von einer seelischen Behinderung zumindest Bedrohten, weswegen für ihn in
dem hier maßgeblichen Zeitraum - wie im Hilfeplan vom 12. Juni 1997 vereinbart -
Eingliederungshilfe in Form einer heilpädagogischen und psychomotorischen
Behandlung zu erbringen ist. Diese vereinbarten Eingliederungshilfeleistungen sind
dem Kläger in dem zuvor festgelegten Umfang und vor allem unter Einschaltung der
mit dem Hilfefall vertrauten Therapeutin X1. zuteil geworden. Art und Form der
Leistungserbringung entsprechen damit vollständig den Erwartungen und Wünschen
des Klägers bzw. seiner Eltern.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Kläger bzw. seine Eltern mußten zur Erlangung der begehrten
Therapieleistungen auch nicht zusätzlich eigene Mittel aufwenden. Vielmehr hat Frau
X1. als Leistungserbringerin nur mit dem Beklagten abgerechnet. Ihre von dem
Kläger zu den Akten gereichten Rechnungen weisen als Adressaten ausschließlich
das Jugendamt der Stadt Witten aus. Der Kläger - bzw. seine Eltern - wurde
demgegenüber von Frau X1. nicht in Anspruch genommen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger, vertreten durch seine Eltern, als
Hilfeempfänger, Frau X1. als Leistungserbringerin und dem Beklagten als
verpflichteten Leistungsträger haben sich dabei in der Weise gestaltet, daß zwischen
dem Kläger und Frau X1. ein privatrechtlicher Behandlungsvertrag bestand und
daß die Leistungspflicht des Beklagten sich aus dem Bewilligungsbescheid vom 8.
Juli 1997 ergab. Wenn ein Jugendhilfeträger seiner Leistungsverpflichtung
gegenüber einem Kind oder Jugendlichen nicht selbst durch eigene Kräfte
nachkommt, sondern hierfür Dritte wie etwa eine heilpädagogische Praxis
eingeschaltet werden, so kommt zwischen dem Leistungserbringer und dem
Leistungsempfänger regelmäßig ein dem Privatrecht zuzuordnender
Behandlungsvertrag zustande, der von den öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen
zwischen dem Leistungsberechtigten und dem Jugendhilfeträger zu trennen ist. Eine
rechtliche Beziehung des Jugendhilfeträgers mit der leistungserbringenden Institution
ergibt sich nur dann, wenn eine Vereinbarung nach § 77 SGB VIII besteht oder eine
Kostenzusage erteilt wurde.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Vgl. Wiesner/Kaufmann/Moersberger/Oberloskamp/Struck: SGB
VIII Kinder- und Jugendhilfe, Kommentar, 1995,
Rdnrn. 66 f., 73 ff. vor § 11.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Zwischen diesen verschiedenen Rechtsbeziehungen besteht aber deswegen
eine gewisse Interdependenz, weil die Höhe des Anspruchs des Hilfeempfängers
gegen den öffentlichen Leistungsträger durch den Preis beeinflußt wird, den der
Hilfeempfänger zur Erlangung der benötigten Hilfsmaßnahmen - unter Beachtung
seines Wunsch- und Wahlrechts - zu entrichten hat.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Hier hat der Beklagte dadurch Einfluß auf den Vertrag des Klägers mit der
ausgewählten heilpädagogischen Praxis genommen, daß er in seinem
Bewilligungsbescheid ausdrücklich dazu aufforderte, diesen Bescheid der
entsprechenden Praxis zur Abrechnung mit dem Jugendamt Witten vorzulegen, und
daß er außerdem auf die dem Bescheid beigegebene Vergütungsordnung hinwies.
Durch die Beschränkung der Bewilligung auf die in dieser Vergütungsregelung
genannten Höchstsätze ist der Kläger deswegen nicht beeinträchtigt, weil diese
Verfahrensweise des Beklagten nicht dazu geführt hat, daß der Kläger - bzw. seine
Eltern - aufgrund der Durchführung der Therapie in der Praxis X1. noch
Zahlungsansprüchen ausgesetzt ist. Zwischen den Eltern des Klägers und Frau X1.
wurde nach den Ausführungen der Klägerseite in dem Schriftsatz vom 4. Juni 1999
lediglich mündlich vereinbart, daß die notwendigen und erforderlichen Maßnahmen
durchgeführt werden sollten. Von einer mündlichen oder schriftlichen Abrede über
das pro Therapieeinheit zu zahlende Entgelt wird insoweit nichts mitgeteilt. Soweit
der Kläger in dem nachgereichten Schriftsatz vom 20. September 1999 ergänzend
vortragen läßt, seinen Eltern sei klar gewesen, daß die Leistung der Heilpädagogin
X1. nur zu einem Satz von 132,81 DM erbracht werden würde, bezieht sich dies
nicht auf den Inhalt der seinerzeit abgegebenen Willenserklärungen. Angesprochen
sind damit lediglich mögliche subjektive Vorstellungen der Eltern des Klägers bei
Abschluß des Behandlungsvertrages. Gegen eine Auslegung der Willenserklärungen
im Sinne der in diesem Schriftsatz vom 20. September 1999 vertretenen Auffassung
spricht weiter, daß die Abwicklung des Vertrages genauso erfolgte wie bei den
vorangegangenen Behandlungseinheiten. Frau X1. richtete ihre Rechnungen wie
zuvor nur an den Beklagten und unternahm nichts gegen die vorgenommenen
Kürzungen. Dies läßt nur die Schlußfolgerung zu, daß sie selbst nicht von einer
Zahlungsverpflichtung der Eltern des Klägers ausging, weil eine solche nicht
vereinbart war. </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Der angegriffene Bewilligungsbescheid erweist sich ferner nicht wegen eines
Verstoßes gegen § 42 SGB X als rechtswidrig.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die vom Kläger insoweit beanstandete Aussage, daß die Bewilligung im Rahmen
der festgelegten Vergütungsregelung für heilpädagogische und mototherapeutische
Behandlungen geleistet wird, stellt keine Auflage oder sonstige Nebenbestimmung
dar. Daß es sich bei dem Verweis auf die Vergütungsregelung nicht um eine
Bedingung oder Befristung handelt, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des
Bescheides. Der Hinweis auf die Vergütungsregelung bezieht sich nicht auf den
Beginn und das Ende der Bewilligung, sondern allein auf den Umfang der gewährten
Geldleistungen. Als Auflage nach § 32 Abs. 2 Nr. 4 SGB X ist die Einbeziehung der
Vergütungsregelung und die Festlegung von Höchstpreisen für die einzelnen
Therapiemaßnahmen deswegen nicht anzusehen, weil dem Kläger hierdurch keine
- neben die Bewilligung tretende - Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflicht
auferlegt wird. Die angesprochene Bewilligung erfährt hierdurch lediglich eine
Beschränkung der Höhe bzw. des Umfangs nach, so daß von einer inhaltlichen
Einschränkung oder Veränderung des Verwaltungsakts gegenüber dem Antrag
gesprochen werden kann. In einem derartigen Fall aber ist von einer - vom Antrag
aus betrachtet - modifizierten Bewilligung auszugehen. Eine isolierte Anfechtung und
Aufhebung der Einschränkung oder Veränderung kommt nicht in Betracht; der
Hilfeempfänger muß vielmehr sein auf den Erhalt der uneingeschränkten Bewilligung
gerichtetes Begehren weiterverfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Daß hier ein solcher Anspruch auf uneingeschränkte Bewilligung nicht besteht,
wurde indessen oben bereits festgestellt. Aufgrund des Nichtsbestehens dieses
Anspruchs ist die Klage sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag
abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß
§ 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben
sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der
Zivilprozeßordnung.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,504 | lg-wuppertal-1999-09-14-16-s-9099 | {
"id": 818,
"name": "Landgericht Wuppertal",
"slug": "lg-wuppertal",
"city": 509,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 16 S 90/99 | 1999-09-14T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:49 | 2019-01-18T16:07:11 | Urteil | ECLI:DE:LGW:1999:0914.16S90.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe :</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Anschlußberufung ist als unselbständige Berufung zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger war unstreitig in der Zeit vom 14.06. bis zum 14.07.1998 zu 100 % arbeitsunfähig und mithin die ersten 4 Tage seines Urlaubes noch zu 100 % arbeitsunfähig. Bereits dies rechtfertigt eine Absage des Urlaubs, da der Kläger nicht darauf verwiesen werden kann, seinen Urlaub wenigstens teilweise, mithin für die Zeit einer reduzierten Arbeitsunfähigkeit, zu nehmen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Dass der Kläger seinen Urlaub um wenige Tage nach hinten hätte verschieben können ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Klägers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">1.)</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Insbesondere steht dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung weiterer 2.000,00 DM als Schadensersatz zu.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Dieser Anspruch ist insbesondere nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger nicht das über die Beklagte zu 3.) übermittelte Angebot auf Zahlung von 12.000,00 DM der Firma Xx abgewartet hat.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Dabei kann dahinstehen, ob grundsätzlich eine Verpflichtung des Klägers besteht, nach Eingang des Gutachtens eine gewisse Zeit abzuwarten, um der Beklagtenversicherung die Möglichkeit zu geben, Einwendungen gegen das Gutachten zu erheben. Gegen eine derartige Verpflichtung bestehen bereits erhebliche Zweifel, da der Geschädigte der Herr # des Restitutionsgeschehens ist und dieser grundsätzlich seiner gegenüber dem Schädiger bestehenden Schadensminderungspflicht genüge getan hat, wenn er sich zur Feststellung des Restwertes eines Sachverständigen bedient und ihm insoweit auch ein Auswahlverschulden nicht zur Last fällt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Bestehen auch sonst keine begründeten Zweifel an den erstellten Gutachten, besteht grundsätzlich keine Verpflichtung, das Gutachten den Beklagten zur Kenntnis zu bringen vor dem Verkauf des Fahrzeuges.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><img height="26" width="27" src="16_S_90_99_Urteil_19990914_0.jpeg" alt="Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik." /></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Diese Frage kann aber letztlich dahinstehen, da auch die Beklagten nicht behauptet haben, dass der Sachverständige fehlerhaft den Restwert ermittelt hätte auf der Basis der Preise des allgemeinen Marktes. Vielmehr behaupten sie nur, dass ein höherer Restwert durch einen professionellen Restwertaufkäufer zu erzielen gewesen wäre. Hierauf braucht sich der Geschädigte aber nicht einzulassen. Der Geschädigte ist als Herr des Restitutionsgeschehens grundsätzlich berechtigt selbst zu entscheiden, ob er das Fahrzeug behalten will oder verkaufen möchte. Im letzteren Fall kann er selbst wählen, ob er sein Fahrzeug etwa der ihm vertrauten Vertragswerkstatt oder einem anderen Gebrauchtwarenhändler bei dem Erwerb eines Ersatzfahrzeuges in Zahlung geben will. Er ist nicht gehalten, sich auf einen höher ren Restwert verweisen zu lassen, der nur auf einem dem Geschädigten erst durch den Schädiger eröffneten Sondermarkt zu erzielen wäre (ständige Rechtsprechung: BGH NJW 1993, 1849, 1850; NJW 1992, 903, 904).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Insoweit ist es auch unerheblich, ob der Verkauf des Wagens erst am 28.06.1998 erfolgte oder bereits am 18.06.1998, denn es ist dem Kläger nicht zuzumuten, eine Inzahlungnahme des Fahrzeuges - wie hier - abzulehnen, um das Fahrzeug an einen professionellen Restwertverkäufers zu veräußern (BGH NJW 1992, 903, 904).</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger nach Behauptung der Beklagten auch eine sogenannte Eintauschprämie erhalten haben sollte, führt dies grundsätzlich nicht zu einer Kürzung seines Anspruchs. Der Kläger muss sich nämlich überobligationsmäßige Anstrengungen - hier den Ankauf eines Naufahrzeuges - nicht anrechnen lassen (BGH DAR 1992, 172).</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Daraus folgt unmittelbar, dass dem Kläger grundsätzlich auch ein Anspruch auf Erstattung der Finanzierungskosten in Höhe von 64,10 DM zusteht.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagten die Finanzierungskosten bestritten haben, hat der Kläger sowohl die Tatsache, dass ihm Finanzierungskosten entstanden sind als auch deren Höhe nachgewiesen durch den vorgelegten Bankauszug der F Bank. Hieraus ergibt sich ein Kontostand zu Lasten des Klägers in Höhe von 2.000,00 DM sowie der geltend gemachte Zinsschaden.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Dagegen hat die Berufung keinen Erfolg, soweit der Kläger die Zahlung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 170,17 DM begehrt. Dabei kann dahinstellen, ob für die telefonische Befragung des Zeugen eine gesonderte Gebühr entsteht, da der Kläger insoweit jedenfalls gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen hat. Die Frage, ob ein Zeuge zur Aussage bereit ist, bedarf nicht der Klärung durch einen Rechtsanwalt.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">IV.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Schließlich kann der Kläger auch kein höheres Schmerzensgeld fordern. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in der amtsgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger aufgrund seiner Vorerkrankung keine schmerzstillenden Mittel einnehmen konnte und deshalb auch unter Schlafbeeinträchtigung litt, ist diesem Gesichtspunkt bei Zuerkennung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 2.000,00 DM bereits ausreichend Rechnung getragen worden.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Wert des Beschwerdegegenstandes: 4.048,66 DM.</p>
|
114,505 | olgham-1999-09-14-34-u-2699 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 34 U 26/99 | 1999-09-14T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:49 | 2019-02-14T10:24:38 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0914.34U26.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Von der Darstellung des <b>Tatbestandes</b> wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger ist der ihm angesichts des substantiierten Bestreitens der Beklagten obliegende Beweis, daß sämtliche Schäden am Pkw Opel-Senator durch den Verkehrsunfall vom 25.11.1996 verursacht worden sind, nicht gelungen. Vielmehr steht zur Überzeugung des Senats aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. T vom 18.12.1997 i.V.m. der mündlichen Erläuterung dieses Gutachtens im Senatstermin vom 14.09.1999 fest, daß die am Pkw Opel-Senator vorliegenden Schäden nicht allein auf den Unfall vom 25.11.1996 zurückgeführt werden können. Der Sachverständige hat schon in seinem Gutachten vom 18.12.1997 dargelegt, zwar könne ein Anstoß des vom Beklagten zu 3) gefahrenen Pkw VW Golf gegen das Heck des klägerischen Pkw Opel-Senator aus technischer Sicht nicht ausgeschlossen werden, jedoch könne bei einem solchen Anstoß der umfangreiche Schaden am Heck des Pkw Opel-Senator nicht entstanden sein. Der Sachverständige hat diese Ausführungen im Senatstermin vom 14.09.1999 dahingehend ergänzt, daß bei einem geraden Auffahren des Pkw VW Golf auf das Heck des Pkw Opel-Senator größere Schäden am Pkw VW Golf hätten eintreten müssen. Der Sachverständige hat diese Ausführungen durch die zur Erläuterung im vorgenannten Termin vorgelegte Lichtbildmappe als Dokumentation zu einem von ihm durchgeführten sogenannten "Crash-Test" eindrucksvoll belegt. Insbesondere aus dem oberen Lichtbild der Anlage A 12 i.V.m. der sich aus der Anlage A 11 ergebenden Kollisionsgeschwindigkeit von 33,572 km/h folgt, daß bei einer solchen Aufprallgeschwindigkeit erhebliche Deformationen am Vorderteil des bei diesem "Crash-Test" verwendeten VW Golf eingetreten sind. Demgemäß müßten am vom Beklagten zu 3) zum Unfallzeitpunkt gesteuerten Pkw VW Golf beim Zusammenstoß mit dem vom Kläger gesteuerten Pkw Opel-Senator eher noch größere Verformungen eingetreten sein, weil der Beklagte zu 3) ausweislich seiner erstinstanzlich erfolgten persönlichen Anhörung im Kammertermin vom 04.07.1997 mit einer Geschwindigkeit von ca. 50 km/h auf das klägerische Fahrzeug aufgeprallt ist. Dabei ist vom Sachverständigen vor Durchführung dieses sogenannten "Crash-Tests" am Pkw VW Golf noch eine sogenannte "amerikanische Stoßstange", d.h. eine besonders stabile Stoßstange, befestigt worden. Der Sachverständige weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, daß selbst diese stabile Stoßstange gebrochen ist.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Senat ist aufgrund dieser Ausführungen des Sachverständigen daher davon überzeugt, daß bei einem geraden Auffahrvorgang erhebliche Schäden am vom Beklagten zu 3) gesteuerten Pkw VW Golf hätten auftreten müssen. Aus den nach dem Unfall gefertigten Lichtbildern vom VW Golf ergibt sich jedoch, daß dies nicht der Fall ist.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger im Senatstermin vom 14.09.1999 behauptet hat, das von ihm gesteuerte Fahrzeug habe schräg gestanden, als der vom Beklagten zu 3) gesteuerte Pkw von hinten aufgefahren sei, hat der Sachverständige zwar bekundet, in diesem Fall hätten erhebliche Verformungen beim auffahrenden Fahrzeug nicht auftreten müssen. Dann seien aber die - auf den nach dem Unfall gefertigten Lichtbildern zu sehenden - seitlichen Verformungen insbesondere am von hinten gesehen rechten hinteren Seitenblech des klägerischen Fahrzeugs nicht erklärbar. Diese Verformungen müßten dann bereits vor dem Unfall vorgelegen haben. Daraus folgt, daß durch einen schrägen Auffahrvorgang nicht sämtliche Schäden, die dem klägerischen Schadensersatzanspruch zugrundeliegen, am klägerischen Pkw verursacht worden sein können. Der vom Kläger geltend gemachte Schaden kann dann jedenfalls teilweise nicht dem behaupteten Unfalltatbestand zugeordnet werden; vielmehr liegen dann Vorschäden vor, die dem vom Kläger behaupteten Kontakt zwischen dem Opel-Senator und dem VW Golf nicht zugerechnet werden können.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Auch wenn es nach der letztgenannten Unfallversion dabei bleibt, daß ein Teil der Schäden am Pkw Opel-Senator einer Berührung mit dem VW Golf technisch-physikalisch zugeordnet werden kann, führt das nicht dazu, daß die Verursachung dieses Teilschadens durch die behauptete Kollision als bewiesen angesehen werden kann. Denn im Hinblick auf das durch die nicht gegebene Kompatibilität einiger Schäden mit dem behaupteten Zusammenstoß der unfallbeteiligten Fahrzeuge feststehende unredliche Vorgehen des Klägers kann nicht ausgeschlossen werden, daß auch dieser Teilschaden einem anderen Ereignis zugeordnet werden kann (vgl. dazu Geyer, VersR 1989, 882, 884 f. m.w.N.). Außerdem hätte es dem Kläger oblegen, Art und Umfang des Vorschadens sowie Art und Weise der Schadensbeseitigung unter Beweisantritt darzulegen, um dem Senat eine Prüfung zu ermöglichen, ob durch den Zusammenstoß mit dem Pkw des Beklagten zu 3) ein abgrenzbarer weiterer Schaden entstanden ist (OLG Köln, NZV 1996, 241; OLG Düsseldorf, VersR 1993, 1123, 1124). Mangels entsprechender Darlegungen und Anknüpfungspunkte ist daher auch eine Schadensschätzung gem. § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht möglich.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Im übrigen hat der Kläger dann, wenn der Pkw Opel-Senator eine Vorschädigung aufzuweisen hatte, eine vollumfängliche, sach- und fachgerechte Reparatur der festgestellten Vorschäden nachzuweisen (vgl. Goerke, VersR 1990, 707). An einem solchen Nachweis fehlt es aber.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Bei diesem Sachverhalt hatte der Senat auch keinen Anlaß, die vom Kläger für den Umstand, daß der Pkw Opel-Senator vor dem Unfall absolut unbeschädigt gewesen sei, benannten Zeugen zu vernehmen. Zum einen haben die Beklagten diese Behauptung unstreitig gestellt. Zum anderen kann diese Behauptung als wahr unterstellt werden, weil sie nichts daran ändert, daß es vor dem der Klage zugrundeliegenden Unfallschaden zu einem anderen Unfallgeschehen gekommen sein kann, welches der Kläger im nachhinein über einen gestellten Unfall regulieren lassen wollte.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 515 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 713 ZPO.</p>
|
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"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
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} | 22 U 30/99 | 1999-09-14T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:49 | 2019-02-12T08:36:04 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1999:0914.22U30.99.00 | <h2>Tenor</h2>
I.
Auf die Berufungen der Beklagten zu 1) und 2) und auf die Anschlußberufung der Klägerin wird - unter Zu-rückweisung der jeweils weitergehenden Berufungen -das Urteil des Landgerichts Bonn vom 17.12.1998 - 7 0 368/96 - teilweise abgeändert und insgesamt, wie folgt, neu gefaßt:
1.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 78.087,18 DM nebst Zinsen in Höhe von
5,75 % vom 16.5.1996 bis zum 30.10.1996,
5 % vom 31.10.1996 bis zum 29.1.1997,
4 % vom 30.1.1997 bis zum 17.4.1997,
4,6 % vom 18.4.1997 bis zum 11.3.1998
4,3 % vom 12.3.1998 bis zum 27.8.1998
4 % seit dem 28.8.1998
zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, daß die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen weiteren Schaden zu ersetzen, der wegen der mangelhaften Planung der vollverglasten süd-westlichen Fassade des Bürogebäudes des Bauvorhabens "Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" nach dem 11.12.1997 entstanden ist und noch entstehen wird.
3.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen ein-schließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens 7 OH 8/95 LG Bonn tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von
130.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die jeweilige Sicherheit kann auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, der Deutschen Bundesbank oder einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>Tatbestand</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Klägerin ist Eigentümerin und
Bauherrin des Objekts "Haus der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland" in der A.allee in B.. Das hierzu gehörende nach
Südwesten ausgerichtete Verwaltungsgebäude hat eine vollverglaste
Fassade, hinter der sich Büroräume befinden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Mit Ingenieurvertrag vom 13.4.1998
wurde die Beklagte zu 1) von der Klägerin mit der Durchführung
verschiedener Fachingenieurleistungen, unter anderem betreffend den
Wärmeschutz des Gebäudes beauftragt. Wegen des Inhalts des
Vertrages im einzelnen wird auf die Ablichtungen Bl. 8 ff. des
selbständigen Beweisverfahrens 7 OH 8/95 LG Bonn Bezug
genommen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Beklagten zu 2) wurden mit
Architektenvertrag vom 16.3.1989 mit dem Ausarbeiten von
Ausführungsunterlagen als Teil der Grundleistungen der
Leistungsphasen 3 und 4, den Grundleistungen der Leistungsphasen 5,
6, 7 (teilweise) und 8 (teilweise) beauftragt. Wegen der
Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf den Inhalt
des Vertrages Bl. 23 ff. der Akten des selbständigen
Beweisverfahrens Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Baumaßnahme wurde jedenfalls im
wesentlichen entsprechend den planerischen Vorgaben der Beklagten
zu 2) unter Berücksichtigung der von der Beklagten zu 1) in ihrem
Beitrag zur H.-Bau und ihrem an die Klägerin gerichteten Telefax
vom 6.3.1999 genannten Anforderungen zur Verwirklichung eines
effektiven Wärmeschutzes ausgeführt; zwischen den Parteien ist
streitig, ob die Sonnenschutzmarkisen entsprechend der Planung
ausgeführt wurden.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Nach Fertigstellung des Gebäudes und
Übergabe an den Nutzer wurden an die Klägerin Beschwerden über zu
hohe Raumtemperaturen herangetragen. Das von der Klägerin in
Auftrag gegebene Privatgutachten zur Klärung der Ursachen und
Verantwortlichkeiten hierfür sowie zu Art und Umfang möglicher
Sanierungsmaßnahmen kam zu dem Ergebnis, daß die Anforderungen der
DIN 4108 Teil II zum sommerlichen Wärmeschutz nicht erfüllt seien
und zur Sanierung ein Austausch der vorhandenen Verglasung gegen
Sonnenschutzglas zu erfolgen habe. Da die Beklagten nach Vorlage
des Privatgutachtens einen Planungsmangel nicht anerkannten,
leitete die Klägerin das selbständige Beweisverfahren 7 OH 8/95 LG
Bonn ein. Wegen der Einzelheiten der in jenem Verfahren getroffenen
der Feststellungen des Sachverständigen Professor Dr. K. wird auf
den Inhalt des Gutachtens vom 17.12.1995 (Bl. 135 - 151 der
Beiakten) Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Klägerin ließ die Verglasung gegen
Sonnenschutzglas austauschen. Zur Ermittlung des Schadens stellte
sie eigene Mitarbeiter ab, für deren Tätigkeit sie einen Aufwand in
Höhe von 3.563,89 DM berechnet. Die Planungs- und
Aufsichtsleistungen beim Austausch der Verglasung führte die
Klägerin durch eigenes Personal durch. Für diese Arbeiten macht sie
ein Architektenhonorar in Höhe von 4.158,10 DM geltend.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Insgesamt hat die Klägerin von den
Beklagten Ersatz folgender Kosten verlangt:</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Kosten Verglasungaustausch 78,815,65
DM</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Gutachterkosten 21.240,50 DM</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Aufwendungen Schadensermittlung
3.563,89 DM</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Eigene Planungs- und Aufsichts-</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Leistungen 4.158,10 DM</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Abzüglich Sowieso-Kosten</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">eingebautes Isolierglas - 26.127,07
DM</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">insgesamt: 81.651,07 DM</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Klägerin hat behauptet, die
Innentemperaturen in dem Verwaltungsgebäude seien an mehreren Tagen
derart angestiegen, daß die Räume zu Arbeitszwecken kaum noch zu
nutzen gewesen seien. Hierfür sei die mangelhafte Werkleistung der
Beklagten ursächlich. Die Anforderungen der DIN 4108 Teil II
"Sommerlicher Wärmeschutz" seien nicht beachtet worden. Das Objekt
sei fälschlicherweise der Kategorie "erhöhte natürliche Belüftung
vorhanden" zugeordnet worden, die Innenbauart sei unzutreffend als
"schwer" eingestuft worden, zudem sei den Sonnenschutzvorrichtungen
ein zu hoher Abminderungsfaktor "z" im Sinne der DIN beigemessen
worden.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Aufgrund der Ausführungen des vom
Landgericht im vorliegenden Verfahren beauftragten Sachverständigen
Professor N. in seinem Gutachten vom 11.12.1997 hat die Klägerin
die Klage um den Feststellungsantrag zu Ziffer 2) erweitert.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">1.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">die Beklagten als Gesamtschuldner zu
verurteilen, an sie 81.651,07 DM nebst 5,75 % Zinsen seit dem
16.5.1996 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">2.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">festzustellen, daß die Beklagten als
Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen weiteren
Schaden zu ersetzen, der auf die mangelhafte Planung der
vollverglasten süd-westlichen Fassade des Bürogebäudes des
Bauvorhabens "Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland"
hin entstanden ist und künftig noch entsteht.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Beklagten zu 1) und 2) haben
beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Beklagten haben behauptet, die
Einstufung als "erhöhte natürliche Belüftung vorhanden" sei in
Absprache mit dem Mitarbeiter G. der Klägerin vorgenommen worden.
Eine solche sei auch tatsächlich durchführbar. Ein Mangel des
Gebäudes wegen angeblich zu hoher Temperaturen liege im übrigen
nicht vor. Die Berechnungen der Beklagten zu 1) entsprechend der
DIN 4108 II seien zutreffend.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Beklagten zu 2) haben darüberhinaus
die Ansicht vertreten, sie seien für etwaige Fehler in den Vorgaben
der Beklagten zu 1) nicht verantwortlich, solche seien für sie
nicht erkennbar gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Das Landgericht hat nach Einholung
schriftlicher Gutachten des Sachverständigen Professor N. und
Vernehmung der Zeugen G. und F. durch Urteil vom 17.12.1998, auf
dessen Inhalt einschließlich seiner Verweisungen Bezug genommen
wird, die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin
73.929,08 DM nebst 5,75 % Zinsen seit dem 16.5.1996 als Ersatz der
Kosten des Verglasungsaustauschs und der Einholung des
Privatgutachtens zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, sowohl die
Planungsleistungen der Beklagten zu 1) als auch die Leistungen der
Beklagten zu 2) als Architekten seien im Hinblick auf den
sommerlichen Wärmeschutz mangelhaft. Ein Anspruch auf Ersatz ihrer
eigenen Aufwendungen zur Schadensermittlung und -beseitigung stehe
der Klägerin demgegenüber nicht zu. Der Feststellungsantrag sei
unzulässig, da der Klägerin der einfachere Weg der Leistungsklage
zur Verfügung stehe.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Gegen dieses ihnen jeweils am
28.12.1998 zugestellte Urteil haben die Beklagten zu 1) und zu 2)
jeweils am 28.1.1999 Berufung eingelegt, die die Beklagte zu 1) am
3.5.1999 und die Beklagte zu 2) am 26.4.1999 - und zwar nach
jeweiliger entsprechender Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist - begründet haben.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Klägerin hat gegen das ihr am
4.1.1999 zugestellte Urteil am 3.2.1999 Berufung eingelegt, die sie
nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am
3.5.1999 begründet hat.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Mit ihren Berufungen begehren die
Beklagten die Abweisung der Klage insgesamt. Die Klägerin verfolgt
mit ihrer Berufung den Anspruch auf Erstattung fiktiven
Architektenhonorars für die von ihr selbst vorgenommenen Planungs-
und Aufsichtsleistungen beim Austausch des Fensterglases sowie
ihren Feststellungsantrag weiter.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Beklagten zu 1) und 2) wiederholen
und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie meinen, das
Gutachten des Sachverständigen Prof. N. sei nicht brauchbar, da er
weder die Berechnungen nach der DIN 4108 II nachvollzogen noch
konkrete Feststellungen, insbesondere aufgrund von Messungen, zu
den im Gebäude auftretenden Temperaturen getroffen habe. Auch die
Verantwortlichkeit der jeweiligen Beklagten für den Mangel sei
nicht geklärt. Im übrigen liege ein überwiegendes Mitverschulden
der fachkundigen Klägerin vor.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Beklagte zu 2) meint darüberhinaus,
die Klägerin müsse sich ein etwaiges mitwirkendes Verschulden der
Beklagten zu 1) zurechnen lassen, zudem die Fehlinformation durch
ihren Mitarbeiter G. über die "erhöhte natürliche Belüftung".</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Berufung der Klägerin halten die
Beklagten für unbegründet; sie wiederholen und vertiefen hierzu im
wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">1.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">unter teilweiser Abänderung des
angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">2.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">die Berufung der Klägerin
zurückzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">3.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">ihnen zu gestatten, eine etwaige
Sicherheitsleistung auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank
oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbringen zu dürfen.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">1.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">die Berufungen der Beklagten
zurückzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">2.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">unter teilweiser Abänderung des
erstinstanzlichen Urteils</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">a)</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">festzustellen, daß die Beklagten
gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen weiteren
Schaden zu ersetzen, der wegen der mangelhaften Planung der
vollverglasten süd-westlichen Fassade des Bürogebäudes "Haus der
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" nach dem 11.12.1997
entstanden ist und noch entstehen wird,</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">b) die Beklagten gesamtschuldnerisch
zur Zahlung weiterer 4.158,10 DM nebst 5,75 % Zinsen seit dem
16.5.1996 zu verurteilen,</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">3.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">der Klägerin nachzulassen, eventuelle
Sicherheiten durch Bürgschaft der Deutschen Bundesbank zu
erbringen.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Klägerin verteidigt zunächst im
Hinblick auf die Berufungen der Beklagten das erstinstanzliche
Urteil und stützt ihre Ausführungen insbesondere auf das Gutachten
des Sachverständigen N.. Zu ihrem Feststellungsantrag ist sie der
Auffassung, aufgrund der Schwierigkeiten der Ermittlung eines
hinreichenden Wärmeschutzes sei ihr nicht zuzumuten, wegen der
weiteren Schadensfolgen Leistungsklage zu erheben. Darüberhinaus
könne sie nach § 635 BGB den zur Mängelbeseitigung erforderlichen
Betrag und damit auch Ersatz der erforderlichen Kosten für die
Einschaltung eines Architekten verlangen.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Wegen der weiteren Einzelheiten des
Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von
den Parteien gewechselten Schriftsätze und eingereichten Unterlagen
Bezug genommen. Die Akten des selbständigen Beweisverfahrens 7 OH
8/95 LG Bonn sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Der Senat hat Beweis erhoben durch
Anhörung des Sachverständigen Prof. N. in der mündlichen
Verhandlung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Sitzungsniederschrift vom 10.08.1999 (Bl. 538-544 d.A.)
verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D
E</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die - zulässigen - Berufungen der
Beklagten haben in der Sache bis auf einen Teil des zugesprochenen
Zinssatzes keinen Erfolg, demgegenüber ist die - gleichfalls
zulässige - Berufung der Klägerin bis auf einen Teil des
geltendgemachten Zinssatzes begründet.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">A. Berufungen der Beklagten zu 1) und zu 2)</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">I.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Der Klägerin steht der geltendgemachte
Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Anbringung der
Sonnenschutzverglasung und der Einholung des Privatgutachtens der
Sachverständigen T. und O. in der vom Landgericht zugesprochenen
Höhe von insgesamt 73.929,08 DM gegen die Beklagten als
Gesamtschuldner gemäß §§ 635, 421 BGB zu.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Das Gebäude wies nämlich aufgrund des
nicht ausreichenden sommerlichen Wärmeschutzes einen erheblichen
Mangel auf, der auf einem von der Beklagten zu 1) zu vertretenden
Fehler bei der Ermittlung des erforderlichen Wärmeschutzes und der
ungeprüften Übernahme der Berechnungen der Beklagten zu 1) durch
die Beklagte zu 2) beruht, obwohl dieser die fehlerhafte Ermittlung
der Vorgaben erkennbar war.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">1.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Aufgrund der fehlerhaften Vorgaben der
Beklagten zu 1) ist nicht gewährleistet, daß bei längeren
Wärmeperioden im Sommer die Innentemperaturen in den Büroräumen des
Verwaltungstrakts nicht oder jedenfalls nicht wesentlich über die
Außentemperaturen ansteigen.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">a)</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Nach den überzeugenden Ausführungen des
Sachverständigen Prof. N. in seinem Gutachten vom 11.12.1997 (Bl.
203 ff.d.A.) und seinem Ergänzungsgutachten vom 29.7.1998 (Bl. 284
ff. d.A.) in Verbindung mit dem Ergebnis der mündlichen Anhörung
des Sachverständigen im Termin vor dem Senat vom 10.8.1999 ist das
Gebäude nach seiner Gesamtkonzeption nicht geeignet, hinreichenden
Wärmeschutz während einer heißen Sommerperiode zu gewährleisten.
Vielmehr steigen die Temperaturen im Inneren des Gebäudes während
einer solchen Periode kontinuierlich an und übersteigen nach
einigen Tagen, für die Benutzer deutlich spürbar, die
Außentemperaturen.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Dies beruht nach den ohne weiteres
einleuchtenden Ausführungen des Sachverständigen darauf, daß den
Besonderheiten des Gebäudes, nämlich der nach Südwesten gerichteten
Glasfassade, nicht durch Zusammenwirken und Optimierung
wesentlicher baulicher Elemente Rechnung getragen worden ist. Wände
und Decken der Büroräume haben, wie der Sachverständige im
einzelnen dargelegt hat, gemessen an den durch die Glasfassade und
den Sonnenlichteinfall bedingten Wärmeverhältnissen keine
hinreichende Speicherkapazität, um tagsüber die Wärme aufnehmen zu
können. Da eine Lüftung nachts bzw. in den frühen Morgenstunden
nicht durchgeführt werde und auch nicht durchgeführt werden könne,
insbesondere eine Querlüftung im Hinblick auf die Feuerschutztüren
an den die Büroräume begrenzenden Fluren nicht möglich sei, könnten
sich die vorhandenen Wärmespeicher nicht wieder entladen, um so am
nächsten Tag die Wärme wieder aufnehmen zu können. Hinzu komme, daß
das Gebäude jedenfalls nicht vollständig durch die Markisen
verschattet sei und zudem aufgrund der auf den Reinigungsgängen vor
der Fassade angebrachten Lochbleche eine ausreichende Kaminwirkung
hinter den Markisen (Abzug der warmen Luft von der Fassade nach
oben) nicht stattfinde. Davon abgesehen könne aber auch ein
100%iger Sonnenschutz durch entsprechende Verschattung im Hinblick
auf die mangelnde Speicherkapazität und Belüftungsmöglichkeit
nachts bzw. in den frühen Morgenstunden eine Überhitzung der Räume
an heißen Sommertagen nicht vermeiden.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Daß diese Ausführungen zutreffend sind
und insbesondere die Anforderungen der DIN 4108 II, wie der
Sachverständige überzeugend dargelegt hat, sich auf das "normale"
Bauen, also auf Gebäude mit üblichen Fensterflächenanteilen an der
Außenwand und nicht mit einer vollständig verglasten Fassade
beziehen, ist ohne weiteres nachvollziehbar und einleuchtend. Auch
im Gutachten der Sachverständigen T. und O. vom 29.9.1994 wird
darauf hingewiesen, daß die DIN 4108 nur Empfehlungen enthalte, die
Beurteilungskriterien relativ grob seien und nur erste Hinweise
ergäben (Anlage K 1, S.5; K 1 a, S. 1). Der im selbständigen
Beweisverfahren beauftragte Gutachter Prof. K. hat ebenfalls auf
die Vergröberungen in der DIN hingewiesen und auf die
Notwendigkeit, daß sich die Berechnungen daher auf der sicheren
Seite zu bewegen hätten, zudem darauf, daß die DIN nur für den
Regelfall gelte (Bl. 141 d. Beiakten). Auch der von der Beklagten
zu 1) beauftragte Sachverständige Prof. H., auf dessen Ausführungen
die Beklagten sich stützen, hat darauf hingewiesen, daß die DIN
bewußt nur Empfehlungen gebe, da nur wenig Erfahrungen vorlägen
(Bl. 65, 66 d.A.).</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Soweit diese Sachverständigen dennoch
die Berechnungen der Beklagten zu 1) auf der Grundlage der DIN
rechnerisch nachvollzogen haben, beruht dies, soweit ersichtlich,
und wie der Sachverständige Prof. K. ausdrücklich ausgeführt hat
(Bl. 136 d. Beiakten), auf den Vorgaben durch die Beweisfragen.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">b)</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Selbst wenn man aber die Heranziehung
der DIN 4108 II zur Berechnung des erforderlichen Wärmeschutzes
nicht bereits im Ansatz für verfehlt hielte, stünde aufgrund der
insoweit überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Prof. K.
und T. und O. fest, daß die Berechnungen und Vorgaben der Beklagten
zu 1), insbesondere der von ihr vorgegebene Wert des
Abminderungsfaktors z 0,3125 ausgehend von einem
Gesamtenergiedurchlaß von 0,25, nicht zutreffend waren. Vielmehr
hätte nach der DIN der Gesamtenergiedurchlaßwert kleiner als 0,14
sein müssen, da eine erhöhte natürliche Belüftung nicht vorlag.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">aa)</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Tatsächlich ist eine nächtliche oder
frühmorgendliche Belüftung in dem Bürogebäude nämlich nicht mit
zumutbarem Aufwand durchführbar, wie dies bereits nach der DIN bei
Bürogebäuden in der Regel anzunehmen ist. Abgesehen davon, daß
hiergegen Sicherheitsaspekte sprechen, insbesondere nachvollziehbar
ist, daß die sicherheitstechnischen Einrichtungen ein Öffnen der
Fenster zum Dauerlüften außerhalb der Dienstzeiten nicht zulassen,
ist auch nicht ersichtlich, daß es der Klägerin möglich und
zumutbar wäre, etwa den Hausmeister dazu zu verpflichten, sämtliche
Fenster nachts oder in den frühen Morgenstunden vor Dienstbeginn zu
öffnen.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Davon abgesehen wäre zur hinreichenden
Entleerung der Speichermassen im Gebäude und entsprechenden
Abkühlung, wie der Sachverständige N. überzeugend ausgeführt hat,
auch eine Querlüftung erforderlich, die schon aufgrund der
Feuerschutztüren nicht möglich bzw. nicht zulässig wäre.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">bb)</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Auch eine entsprechende Vereinbarung
mit der Klägerin über die Einstufung des Gebäudes als erhöht
natürlich belüftbar und damit über die nächtliche bzw.
frühmorgendliche Lüftung ist nicht ersichtlich. Insbesondere aus
den Aussagen der Zeugen G. und F. in erster Instanz ergibt sich
eine solche Vereinbarung nicht. Nach der Aussage des seinerzeit bie
der Bundesbaudirektion der Klägerin bschäftigten Zeugen G. ist
diese Frage nicht "reflektiert worden". Auf das Fax der Beklagten
zu 1) vom 6.3.1991 hin, in dem der Begriff der "erhöhten
natürlichen Belüftung" genannt worden sei, habe er keine Probleme
gesehen. Demgegenüber hat der für die Beklagte zu 1) tätige Zeuge
F. bekundet, er habe schon gesagt, daß die Organisation so sein
müsse, daß Fenster auch geöffnet werden könnten und tatsächlich
auch geöffnet würden und das "vor allem" nachts oder in den frühen
Morgenstunden. Aus diesen Aussagen ergibt sich, daß zumindest nicht
mit der hinreichenden Klarheit durch die fachkundige, als
Sonderfachmann beauftragte Beklagte zu 1) bzw. deren Mitarbeiter F.
darauf hingewiesen worden ist, daß es von ganz entscheidender
Bedeutung war, ob die Klägerin organisatorisch sicherstellen
konnte, daß eine längere Lüftung nachts oder am frühen Morgen
stattfinden konnte und daß von der Klägerin hierüber eine
verbindliche Entscheidung verlangt wurde. Angesichts der Bedeutung
dieses Aspektes hätte die Beklagte zu 1) dies mit allen
Konsequenzen darstellen und nachfragen müssen, ob und wie denn in
dem Bürogebäude eine solche Belüftung - anders als im Regelfall bei
Bürogebäuden - stattfinden könne. Sie hätte darauf hinweisen
müssen, daß hiermit der ausreichende Wärmeschutz stand und fiel.
Daß statt dessen dem Zeugen G. die Bedeutung dieses Punktes nicht
klar gemacht worden ist, ergibt sich aus dessen Aussage; eine
entsprechende hinreichende Aufklärung ist auch der Aussage des
Zeugen F. nicht zu entnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Aus diesem Grunde brauchten auch die
Mitarbeiter der Klägerin die Übersendung des Faxes vom 6.3.1991
nicht in dem Sinne zu verstehen, daß hiermit besondere
Anforderungen an ihre Organisation der Lüftung gestellt wurden.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">cc)</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Ausgehend von dem sich bei Fehlen einer
erhöhten natürlichen Belüftung aus der DIN ergebenden
Gesamtenergiedurchlaßwert von 0,14 waren die Berechnungen der
Beklagten, die von einem Wert von 0,25 ausgingen, nicht richtig.
Selbst wenn man von einer 100 %igen Verschattung ausginge, die
aufgrund der seitlichen Schlitze zwischen den einzelnen Bahnen der
Markisen der Planung gerade nicht entspräche, wäre nach den
Ausführungen der Sachverständigen T. und O. von einem Wert von
0,144 auszugehen (z=0,18 x 0,8), nach dem Gutachten des
Sachverständigen Prof. K. von einem Wert von 0,16. Demgegenüber
sind die Ausführungen des Sachverständigen Prof. H. in seinem
Gutachten, bei Ausführung des Sonnenschutzes gemäß Planung, nämlich
geschoßhoch, seien Werte von 0,09 bzw. 0,11 zugrundezulegen, nicht
nachvollziehbar. Soweit dem Vorbringen der Beklagten zu entnehmen,
war jedenfalls eine geschoßhohe und auch seitlich vollständig
geschlossene Abdeckung nicht geplant; die Beklagten haben nur den
Einstellwinkel der Markise beanstandet.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">dd)</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Selbst wenn im übrigen als
Ausgangspunkt die Werte der DIN zugrundegelegt werden könnten,
bedürften diese, wie sich ohne weiteres aus der Besonderheit der
Glasfassade und der Anwendbarkeit der DIN auf den Regelfall ergibt,
zumindest einer deutlichen Korrektur durch Einrechnen einer
Sicherheitsspanne. Daß die in der DIN zugrundegelegten Werte, die
ohnehin nach den Darstellungen aller Sachverständiger nur relativ
grobe Empfehlungen geben können, exakte Berechnungen im
vorliegenden Fall nicht zulassen, liegt auf der Hand.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">ee)</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Das gleiche gilt hinsichtlich des
Ausgangspunktes "leichte/schwere Bauweise" der DIN. Unabhängig
davon, wie das Gebäude letztlich zu qualifizieren ist, steht
jedenfalls aufgrund der überzeugenden Ausführungen des
Sachverständigen N. fest, daß aufgrund der Akustikdecke, des
Bodenbelags und der an den Wänden stehenden Schränke keine
uneingeschränkte Wärmeaufnahme und Speicherfähigkeit der Wände
bestand. Auch dies hätte, wenn die Empfehlungen der DIN als
Ausgangspunkt anwendbar wären, durch entsprechende
Sicherheitsspannen berücksichtigt werden müssen.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">2.</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Aus diesen Umständen folgt, wie der
Sachverständige N. gleichfalls überzeugend dargelegt hat, daß bei
längeren Wärmeperioden die Temperaturen im Inneren des Gebäudes
zwangsläufig nicht unwesentlich über die Außentemperaturen hinaus
ansteigen können.</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Dies zu verhindern ist, wie die DIN
4108 ausdrücklich formuliert, Zweck der in der DIN ausgesprochenen
Empfehlungen. Steht aber fest, daß die Vorgaben der DIN aufgrund
der Besonderheiten des Gebäudes mit seiner verglasten Fassade
jedenfalls deutlich überschritten werden müssen und sind diese
Vorgaben hier nicht einmal eingehalten, so muß es als
ausgeschlossen angesehen werden, daß durch die tatsächlichen
Wärmeschutzmaßnahmen der Zweck der DIN gleichwohl erreicht werden
kann. Wie dies möglich sein soll, haben die Beklagten weder
nachvollziehbar und plausibel dargelegt noch ist dies sonst
ersichtlich. Die Durchführung von konkreten Messungen ist daher
nicht erforderlich. Die Meßergebnisse, auf die die Beklagten sich
beziehen, sind schon nach den äußeren Bedingungen, insbesondere
nach Art, Umfang und Zeit der Lüftungen, Standort des Meßgeräts
etc., nicht hinreichend nachvollziehbar. Fest steht jedenfalls, daß
ohne längere nächtliche oder frühmorgendliche Lüftung ein
hinreichender Abzug der im Gebäude gespeicherten Wärme nicht
möglich ist, so daß sich das Gebäude zwangsläufig bei einer Folge
mehrerer heißer Tage über die Außentemperaturen hinaus
aufheizt.</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">3.</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Dies stellt einen Mangel des Gebäudes
dar.</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Der Zweck der DIN, die die Beklagte zu
1) herangezogen hat und auf den sie ausdrücklich hingewiesen hat,
ist es, ein Ansteigen der Innentemperaturen über die
Außentemperaturen hinaus zu vermeiden.</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Soweit die Beklagte zu 1) meint, sie
habe aus der vorgegebenen Planung des Gebäudes "das beste machen
sollen", widerspricht dies nicht nur den Vorgaben der DIN, die sie
sich selbst zueigen gemacht hat, hierfür gibt es auch keinerlei
Anhaltspunkte. Insbesondere gab es keinen Anlaß anzunehmen, daß die
Klägerin etwa aufgrund der architektonischen Besonderheiten des
Gebäudes geringere Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz
hätte stellen wollen.</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Auch die Beklagte zu 2) hatte keinen
Anlaß, von geringeren Anforderungen auszugehen. Insbesondere war
ihr bekannt, daß die Beklagte zu 1) nach den Vorgaben der DIN und
damit entsprechend deren Zweck ihre Berechnungen anstellte.</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Es kann auch nicht davon ausgegangen
werden, daß die übermäßige Erwärmung sich auf einige wenige Tage im
Sommer bezieht. Der diesjährige Sommer 1999 belegt das
Gegenteil.</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">4.</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Für den Mangel des Bauwerks sind beide
Beklagte verantwortlich.</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">a)</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Beklagte zu 1) war nach dem mit ihr
geschlossenen Vertrag nicht nur gemäß Ziffer 3.2.3 mit den
Grundleistungen für die vollständige Bearbeitung der HU-Bau,
sondern nach Ziffer 3.3.2 insbesondere mit dem Abstimmen des
geplanten Wärmeschutzes mit der Ausführungsplanung und Vergabe
beauftragt. Die in diesem Zusammenhang erbrachten Leistungen der
Beklagten waren fehlerhaft, insbesondere die Vorgabe der Beklagten
zu 1) in ihrem Fax vom 6.3.1991, in dem sie einen
Abminderungsfaktor von z o,3125 als ausreichend bezeichnet
hat.</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Hierdurch hat die Beklagte zu 1) eine
eindeutige Vorgabe für die Ausführungsplanung gegeben, die, wie
ausgeführt, fehlerhaft war. Die Beklagte zu 1) hätte darauf
hinweisen müssen, daß die Werte der DIN, die ohnehin nur als
Empfehlungen ausgestaltet sind, nicht bzw. nicht ohne weiteres auf
ein Gebäude mit derart ungewöhnlichen Bedingungen anwendbar waren
und allein durch eine entsprechende Verschattung des Gebäudes ein
hinreichender Wärmeschutz nicht erreichbar war.</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Dies mußte sich der Beklagten zu 1) als
Fachmann auf diesem Gebiet ohne weiteres erschließen. Sie hätte
auch ohne weiteres erkennen können, daß eine nächtliche bzw.
frühmorgendliche Lüftung ohne detaillierte Absprachen und
Aufklärung der Klägerin nicht als möglich zugrundegelegt werden
konnte.</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">b)</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Auch die Beklagte zu 2) ist dafür
verantwortlich, daß die fehlerhaften Vorgaben der Beklagten zu 1)
in die Ausführungsplanung und Ausführung des Gebäudes Eingang
gefunden haben.</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Nach dem mit ihr geschlossenen Vertrag
oblag der Beklagten zu 2) nicht nur die Bearbeitung der
Ausführungsunterlagen, sondern darüber hinaus auch wesentliche
Teile der Leistungsphasen 6,7 und 8 des § 15 HOAI.</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Der Architekt, dem diese Aufgaben
übertragen sind, hat zwar die Vorgaben und Planungen des
Sonderfachmanns nur insoweit zu überprüfen, als deren Grundlagen in
sein Fachwissen als Architekt fallen (BGH NJW 97, 2173, 2174; OLG
Köln NJW-RR 94, 1110; OLG Köln BauR 88, 241, 244). Diese
Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall aber erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Auch der Beklagten zu 2) mußte aufgrund
ihrer Fachkenntnisse als Architekten klar sein, daß das Gebäude
aufgrund der nach Südwesten gerichteten Glasfassade gerade bei der
Bemessung des sommerlichen Wärmeschutzes besonders sensibel war.
Schon aus dem Inhalt der DIN 4108 selbst ergab sich, daß es sich
bei dieser Norm nur um eine Empfehlung handelte. Auch für die
Beklagte zu 2) mußte es auf der Hand liegen, daß die Empfehlungen
dieser DIN extreme Verhältnisse wie bei dem hier fraglichen Bau
nicht oder möglicherweise nicht berücksichtigten.</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Aus der Übersendung des Faxes der
Beklagten zu 1) vom 6.3.1991 an sie zur Kenntnis und der hierin
enthaltenen Angabe über die erhöhte natürliche Belüftung konnte die
Beklagte zu 2) jedenfalls nicht ohne weiteres entnehmen, daß dies
auf eine Absprache mit der Klägerin zurückging. Selbst bei
oberflächlicher Durchsicht der ihr zugänglich gemachten Unterlagen
mußte die Richtigkeit der Ausführungen der Beklagten zu 1) der
Beklagten zu 2) - auf der Basis des Kenntnisstandes eines
durchschnittlichen Architekten -zumindest so zweifelhaft
erscheinen, daß sie durch entsprechende Nachfragen hätte abklären
müssen, ob die Vorgaben gesichert und die besonders sensiblen
Verhältnisse des Gebäudes hinreichend berücksichtigt waren.</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">c)</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Beklagten haften der Klägerin gemäß
§ 421 BGB als Gesamtschuldner.</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Daß der Sonderplaner und der Architekt
für ihre jeweiligen Fehler, die zu einem Mangel des Gebäudes
geführt haben, dem Bauherrn gesamtschuldnerisch haften - wenn auch
ggfs. bei Anwendung der Bestimmungen der §§ 278, 254 BGB nur mit
einer Quote - ist einhellige Auffassung (vgl. Werner/Pastor, Der
Bauprozeß, 8. Aufl., Rn. 1999; Locher, Das private Baurecht, Rn.
291; Locher/Koeble/Frik, 7. Aufl., Einl. Rn. 130).</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">d)</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Klägerin braucht sich kein
Mitverschulden anrechnen zu lassen.</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">aa)</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">ein Mitverschulden der Klägerin liegt
weder deshalb vor, weil die Klägerin über fachkundige Mitarbeiter
verfügte, noch weil sie selbst vor ca. 20 Jahren die sog.
KREV-Studie in Auftrag gegeben und sich hieraus etwa besondere
Erkenntnisse ergeben.</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Auch der fachkundige Bauherr darf, wie
das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, darauf vertrauen, daß
der von ihm beauftragte sachkundige Dritte sach- und fachgerecht
arbeitet. Die Beauftragung eines Fachmanns bringt zum Ausdruck, daß
der Auftraggeber seine Fachkenntnisse gerade nicht einbringen will.
Daß den Mitarbeitern der Klägerin etwa ohne eigene Prüfung die
Fehlerhaftigkeit der Planungsvorgaben erkennbar war oder sie diese
erkannt haben, ist nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Daß den hier eingeschalteten
Mitarbeitern der Klägerin die vor immerhin 20 Jahren eingeholte
KREV-Studie entweder nicht bekannt war oder sie deren Inhalt nicht
heranzogen, kann der Klägerin, die sich von einer eigenen Prüfung
durch die Beauftragung der Beklagten gerade entlasten wollte, nicht
als Mitverschulden vorgeworfen worden. Es war vielmehr Aufgabe der
von ihr beauftragten Fachleute, sich diese Kenntnisse selbst zu
verschaffen.</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">bb)</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Klägerin braucht sich auch ein
Verhalten des Zeugen G. nicht als eigenes Verschulden zurechnen zu
lassen. Eine Verletzung von Obliegenheiten durch den Zeugen G. ist
nämlich nicht ersichtlich. Ohne entsprechende konkrete und
nachhaltige Hinweise durch die Beklagte zu 1), die nicht gegeben
wurden, brauchte er die Einzelfragen des Wärmeschutzes und
insbesondere die Frage der erhöhten natürlichen Belüftung weder zu
problematisieren noch selbst zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">cc)</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Schließlich braucht sich die Klägerin
auch weder das Verschulden der Beklagten zu 1) als Sonderfachmann
im Verhältnis zur Beklagten zu 2) noch das Verschulden der
Beklagten zu 2) bei einer Inanspruchnahme der Beklagten zu 1) gemäß
§§ 254, 278 BGB anrechnen zu lassen. Weder die Beklagte zu 1) noch
die Beklagte zu 2) waren nämlich Erfüllungsgehilfe der Klägerin im
Verhältnis zur jeweils anderen Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Nach der Rechtsprechung des BGH (BauR
1971, 265, 269) haften Statiker und Architekt, die für den gleichen
Mangel verantwortlich sind, in voller Höhe gesamtschuldnerisch,
ohne sich auf den fehlerhaften Beitrag des jeweils anderen
haftungsmindernd berufen zu können. Diese Rechtsprechung ist auch
auf die Haftung des Sonderfachmanns und des Architekten anzuwenden
(vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 8. Aufl. Rn 2465).</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Demgegenüber ist nach der
Rechtsprechung mehrerer Oberlandesgerichte und einer teilweise im
Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl. zum Meinungsstand
Werner/Pastor aa0 Rn 1983) sowohl der Architekt als auch der
Statiker bzw. Sonderfachmann Erfüllungsgehilfe des Bauherrn.</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Der Senat ist der Auffassung, daß weder
der Sonderfachmann noch der Architekt Erfüllungshilfen des Bauherrn
sind.</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Erfüllungshilfe des Bauherrn kann nur
sein, wer im Verhältnis zu dem jeweiligen Vertragspartner des
Bauherrn im Pflichtenkreis des Bauherrn, und zwar im Rahmen von
Verpflichtungen, die dem jeweils anderen Vertragspartner gegenüber
bestehen, tätig ist (vgl. hierzu OLG Köln NJW-RR 1997, 597,
598).</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Der Architekt, der die Leistungen des
Sonderfachmanns entgegennimmt und verwertet, ist aber nicht dem
Sonderfachmann gegenüber im Pflichtenkreis des Bauherrn tätig. Dem
Bauherrn obliegt gegenüber dem Sonderfachmann nicht die
Verpflichtung, dessen Leistungen mit dem Sachverstand eines
Architekten zu überprüfen. Der Architekt, der trotz entsprechenden
Fachwissens einen Fehler des Sonderfachmanns nicht erkennt,
verletzt daher nicht eine dem Bauherrn diesem gegenüber obliegende
Verpflichtung.</p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Auch der Sonderfachmann wird im
Verhältnis zum planenden und bauleitenden Architekten nicht im
Pflichtenkreis des Bauherrn diesem gegenüber tätig. Wie ausgeführt,
kommt eine Haftung des Architekten ohnehin nur in Betracht, wenn
der durch den Fehler des Sonderfachmanns betroffene Bereich dem
Wissensstand eines Architekten zuzurechnen ist. In diesem, das
allgemeine Fachwissen des Architekten betreffenden Bereich, wird
aber der Sonderfachmann gerade nicht im Pflichtenkreis des Bauherrn
tätig. Dieser schuldet dem Architekten, den er mit der fachkundigen
Architektenleistung beauftragt hat, gerade keine fehlerfreie
Leistung des Sonderfachmanns im allgemeinen Wissensbereich des
Architekten. Dieses Wissen einzusetzen und zu verwerten, hat der
Bauherr gerade den Architekten beauftragt.</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">6.</p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Klägerin kann daher von beiden
Beklagten als Gesamtschuldnern Ersatz der Kosten der
Sonnenschutzverglasung und der Einholung des Gutachtens der
Sachverständigen T. und O. zur Ursache des Mangels und zur Art der
Beseitigung verlangen.</p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">a)</p>
<span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Zwar genügt nach den Ausführungen des
Sachverständigen N. die Anbringung des Sonnenschutzglases zur
Beseitigung des Mangels nicht. Sie hat aber jedenfalls auch nach
Auffassung dieses Sachverständigen zur Verbesserung des
Wärmeschutzes beigetragen. Diese Maßnahme war daher jedenfalls zur
Verringerung des Schadens angemessen und geeignet.</p>
<span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Darüberhinaus durfte die Klägerin die
getätigten Aufwendungen aber auch deshalb für erforderlich halten,
weil die Sachverständigen T. und O. ebenso wie der Sachverständige
Prof. K. diese Maßnahme als richtig und ausreichend bezeichnet
hatten. Die Beklagten, denen diese Gutachten vorlagen, haben zu
keiner Zeit vor Erstattung des Gutachtens des Sachverständigen
Prof. N. geltend gemacht, daß der Einbau des Sonnenschutzglases zur
Verbesserung des Wärmeschutzes nicht ausreichend sei. Die von der
Klägerin getätigten Aufwendungen hierfür sind daher adäquate Folge
des von den Beklagten zu verantwortenden Mangels.</p>
<span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">b)</p>
<span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Auch die Aufwendungen für das
außergerichtliche Sachverständigengutachten durfte die Klägerin zur
Klärung des Mangels und dessen Beseitigung für erforderlich halten.
Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen des
erstinstanzlichen Urteils, gegen die die Beklagten sich nicht
gewendet haben.</p>
<span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">II.</p>
<span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Der sich unter dem Gesichtspunkt des
Verzuges gemäß §§ 284, 285, 286 BGB ergebende Zinsanspruch der
Klägerin ist nur in dem aus dem Tenor des Urteils ersichtlichen
Umfang begründet.</p>
<span class="absatzRechts">148</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Soweit die Beklagten trotz Vorlage des
Rundschreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 28.8.1998
den Zinsanspruch nach Grund und Höhe bestritten haben, haben sie
nicht behauptet, der Inhalt dieses Rundschreibens sei etwa
unrichtig. Hierfür bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte.</p>
<span class="absatzRechts">149</span><p class="absatzLinks">B. Berufung der Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">150</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">I.</p>
<span class="absatzRechts">151</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Klage auf Feststellung, daß die
Beklagten zum Ersatz allen weiteren Schadens verpflichtet sind, ist
begründet.</p>
<span class="absatzRechts">152</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">1.</p>
<span class="absatzRechts">153</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Feststellungsklage ist
zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">154</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Daß der Mangel durch den Austausch des
Fensterglases gegen Sonnenschutzglas möglicherweise nicht
vollständig behoben ist, ist der Klägerin erst durch das Gutachten
des Sachverständigen Prof. N. vom 11.12.1997 bekannt geworden. Den
Feststellungsantrag hat sie sodann mit Schriftsatz vom 4.2.1998
angekündigt, das Urteil des Landgericht ist aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 19.11.1998 ergangen.</p>
<span class="absatzRechts">155</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Erhebung einer Leistungsklage war
der Klägerin bis zur letzten mündlichen Verhandlung in erster
Instanz nicht zumutbar. Welche Maßnahmen zur Mängelbeseitigung
erforderlich und ausreichend waren, bedurfte angesichts der
Ausführungen des Sachverständigen Prof. N. einer eingehenden und
exakten Planung. Dabei brauchte die Klägerin sich nicht etwa sofort
für den Einbau einer Klimaanlage, soweit dies überhaupt in dem
Verwaltungsgebäude zulässig wäre, zu entscheiden. In Betracht kamen
vielmehr nach dem Gutachten des Sachverständigen eine Vielzahl
anderer Maßnahmen, die den derzeitigen Zustand verbessern konnten,
so etwa die Entfernung der Lochbleche auf den Reinigungsgängen vor
der Fassade und der Einbau von Lüftungsschlitzen oder bauliche
Veränderungen, die die Speicherfähigkeit der Räume zu verbessern
geeignet waren. Die Entscheidung, welche dieser Maßnahmen die
Klägerin treffen wollte, und die bereits hierfür erforderliche
Kostenermittlung konnten jedenfalls bis zum Abschluß der 1. Instanz
von der Klägerin nicht erwartet werden.</p>
<span class="absatzRechts">156</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">War danach die Feststellungsklage
jedenfalls bei ihrer Erhebung zulässig, war es weder unter
prozeßökonomischen Gesichtspunkten erforderlich noch der Klägerin
zumutbar, in zweiter Instanz zur Leistungsklage überzugehen (vgl.
hierzu: BGH NJW 84, 1552, 1554; OLG Köln BauR 88, 241). Angesichts
des Streits der Parteien über den Einfluß der jeweiligen
Komponenten auf den Wärmeschutz war jedenfalls nicht zu erwarten,
daß über die Berechtigung und Höhe etwaiger weiterer Ansprüche der
Klägerin ohne Durchführung einer Beweisaufnahme entschieden werden
konnte. Darüberhinaus wäre den Parteien durch die Erhebung der
Leistungsklage in zweiter Instanz eine Tatsacheninstanz verloren
gegangen. Schließlich ist der Klägerin aber auch derzeit angesichts
der fortdauernden erheblichen Schwierigkeiten der nachträglichen
Schaffung eines ausreichenden Wärmeschutzes eine abschließende
Entscheidung über die zu treffenden Maßnahmen und Berechnung der
Kosten noch nicht zumutbar.</p>
<span class="absatzRechts">157</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">2.</p>
<span class="absatzRechts">158</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Feststellungsklage ist auch
begründet.</p>
<span class="absatzRechts">159</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Für die Erhebung einer
Schadensersatzfeststellungsklage ist nicht der Nachweis des
Bestehens oder künftigen Entstehens weiterer Schäden erforderlich.
Es genügt vielmehr, wenn weitere als die geltend gemachten
Schadensfolgen entfernt möglich sind, mag ihre Art und ihr Umfang,
sogar ihr Eintritt ungewiß sein (BGH BauR 91, 606, 611).</p>
<span class="absatzRechts">160</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Nach den überzeugenden Ausführungen des
Sachverständigen Prof. N. ist das Entstehen weiterer Kosten zur
Beseitigung des Mangels nicht nur entfernt möglich, es steht
vielmehr fest, daß die bisherigen Mängelbeseitigungsmaßnahmen durch
Einsatz des Sonnenschutzglases für sich gesehen den Mangel nicht
beheben können. Dies beruht, wie der Sachverständige einleuchtend
dargelegt hat, insbesondere auf der zu geringen Speicherfähigkeit
der Räume und des fehlenden Wärmeabzugs durch nächtliches und
frühmorgendliches Lüften.</p>
<span class="absatzRechts">161</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">II.</p>
<span class="absatzRechts">162</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Der Klägerin steht auch der geltend
gemachte Anspruch auf Ersatz ihrer eigenen Planungs- und
Aufsichtsleistungen beim Austausch des Fensterglases in Höhe des
fiktiven Architektenhonorars zu.</p>
<span class="absatzRechts">163</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Zwar kann der Geschädigte nicht die
eigenen Arbeitleistungen zur Ermittlung und Feststellung des
Schadens ersetzt verlangen. Eigene Arbeitsleistungen zur
Beseitigung des Schadens, die einen Marktwert haben, kann der
Geschädigte hingegen erstattet verlangen (BGH NJW 1996, 921, 922
unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Schadensrecht).</p>
<span class="absatzRechts">164</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Hinzuziehung eines Architekten wäre
vorliegend angesichts des Umfangs der Maßnahme an der
vollverglasten Fassade angemessen gewesen. Die Leistungen der
Klägerin haben auch einen Marktwert, der dem Honorar eines
Architekten für diese Leistungen entspricht. In dieser Höhe kann
die Klägerin daher von den Beklagten Ersatz verlangen.</p>
<span class="absatzRechts">165</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Richtigkeit der in sich schlüssigen
Berechnungen der Klägerin haben die Beklagten nicht im einzelnen
angegriffen.</p>
<span class="absatzRechts">166</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">III.</p>
<span class="absatzRechts">167</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Der Zinsanspruch ist nur in dem aus dem
Tenor ersichtlichen Umfang berechtigt. Insoweit kann auf die obigen
Ausführungen zur Berufung der Beklagten Bezug genommen werden.</p>
<span class="absatzRechts">168</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">C.</p>
<span class="absatzRechts">169</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92
II, 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">170</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Schriftsätze des Beklagten zu 1)
vom 18.08.1999 und der Klägerin vom 10.09.1999 haben vorgelegen;
sie geben zu einer anderen Beurteilung keinen Anlaß.</p>
<span class="absatzRechts">171</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Wert der Beschwer für die Beklagten:
über 60.000,- DM</p>
|
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<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Gründe:
In entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das
übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärte Verfahren einzustellen.
Unter den gegebenen Umständen entspricht es billigem Ermessen i. S. v. § 161 Abs.
2 VwGO, der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da sie nach dem
derzeitigen Verfahrensstand voraussichtlich unterlegen wäre. Zur Begründung kann
auf die Ausführungen im Schriftsatz der Beklagten vom 09.06.1999 verwiesen
werden, denen das Gericht im Wesentlichen folgt. Dafür, dass die Zuteilung der
streitigen Rufnummer an den Dritten rechtswidrig war, sind beim derzeitigen
Verfahrensstand hinreichende Anhaltspunkte nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">
Der festgesetzte Streitwert entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert (§ 13 Abs.
1 Satz 2 GKG).</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,511 | olgham-1999-09-13-13-u-6199 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 13 U 61/99 | 1999-09-13T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:49 | 2019-02-14T10:24:43 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0913.13U61.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin, eine Innungskrankenkasse, nimmt den Beklagten als Gesellschafter-Geschäftsführer wegen unterlassener Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen der in Konkurs gefallenen Firma P Bau GmbH in Anspruch und zwar für den Zeitraum von Februar 1995 bis Juli 1995. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die GmbH war nach den Feststellungen des Konkursverwalters M spätestens ab 10. Februar 1995 zahlungsunfähig. Am 10.05.1995 beantragte die Klägerin Eröffnung des Konkursverfahrens. Der Konkurs wurde am 01.08.1995 eröffnet. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die GmbH schuldete für den Zeitraum von Februar bis Juli 1995 Gesamtversicherungsbeiträge in Höhe von 62.185,83 DM. Im Laufe des Rechtsstreits wurden aus der Konkursmasse insgesamt 15.949,19 DM gezahlt, so daß an Rückständen 46.236,64 DM verbleiben. In diesem Betrag sind Arbeit<u>nehmer</u>anteile in Höhe von 21.740,07 DM enthalten (Schriftsätze der Klägerin vom 20.11.1998 und 21.05.1999).</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte wurde durch Strafbefehle des Amtsgerichts Dortmund vom 29.12.1995 - 73 Js 1384/95 - wegen Konkursverschleppung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 50,00 DM verurteilt. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat in Höhe des aus der Konkursmasse gezahlten Betrages von 15.949,19 DM den Rechtsstreit für erledigt erklärt und im übrigen in Höhe von 46.236,64 DM Zahlung verlangt. Der Beklagte hat in erster Instanz keine Sachdarstellung abgegeben. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 GmbHG bestehe nicht. Zwar könne die Klägerin grundsätzlich das negative Interesse ersetzt verlangen. Hier sei die Klägerin aber wie eine Deliktsgläubigerin zu behandeln, so daß die Rechtsprechung zu den sogenannten Neugläubigern auf sie keine Anwendung finde. Ansprüche aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 a) StGB stünden der Klägerin ebenfalls nicht zu, da die GmbH spätestens ab dem 10.02.1995 zahlungsunfähig gewesen sei und so die Arbeitnehmeranteile nicht mehr habe abführen können.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die meint, es komme auf eine Unterscheidung zwischen vertraglichen Gläubigern und Deliktsgläubigern nicht an. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile abzuführen. Da er dies nicht getan habe, sei er zum Schadensersatz verpflichtet. Mit weiterem Schriftsatz vom 07.07.1999 stützt die Klägerin ihre Ansprüche auf alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen, insbesondere im Hinblick auf ein Schaden der Arbeitnehmer aus übergegangenem Recht gemäß §§ 115 ff, 119 SGB. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">unter Abänderung des angefochtenen Urteils</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">1.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">den Beklagten zu verurteilen, an sie 46.236,64 DM nebst </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">4 % Zinsen ab dem 22.03.1997 zu zahlen. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">2.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">festzustellen, daß im übrigen der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil mit näherer Begründung. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin steht aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Zahlungsanspruch gegen den Beklagten zu.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der geltend gemachte Zahlungsanspruch folgt nicht aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Zwar hat der Beklagte den Tatbestand des § 64 Abs. 1 GmbHG, der nach einhelliger Meinung Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist (vgl. Palandt, BGB, 58.Aufl., § 823 Rn. 146 m.w.N.) erfüllt. Dies ist unter den Parteien auch nicht im Streit. Streitig ist, ob der von der Klägerin geltend gemachte Schaden in den Schutzbereich des § 64 GmbHG fällt. </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Nach der neueren Rechtsprechung des BGH (BGH NJW 94, 2220 = BGHZ 126, 181) hat der Geschäftsführer einem Neugläubiger, der in der Phase der Konkursverschleppung Forderungen gegen die GmbH erlangt hat, das negative Interesse zu ersetzen. Während Altgläubiger den sogenannten Quotenschaden ersetzt bekommen, d.h. den Betrag, um den sich die Konkursquote des Gläubigers durch Verzögerung der Konkurseröffnung gemindert hat, erhält der Neugläubiger den Schaden ersetzt, der ihm dadurch entsteht, daß er mit der konkursreifen GmbH noch in Rechtsbeziehung getreten ist. Der danach zu ersetzende Schaden besteht nicht in dem Erfüllungsanspruch des Gläubigers. Denn das wäre das grundsätzlich nicht geschützte positive Interesse. Zu ersetzen ist vielmehr nur das negative Interesse bzw. der Vertrauensschaden, der z.B. in Form von Vorleistungen oder Aufwendungen, die der vertragliche Neugläubiger in Folge des Vertragsschlusses mit der konkursreifen GmbH erbracht hat, entstanden sein könnte (vgl. BGH NJW 99, 2182; Baumbach-Hoeck, GmbHG, § 64 Rn. 26; Scholz, GmbHG, § 64 Rn. 37 ff). </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Ein solches negatives Interesse hat die Klägerin, die die Stellung eines vertraglichen Neugläubigers beansprucht, nicht geltend gemacht. Sie verlangt nicht Ersatz ihres Vertrauensschadens, sondern vielmehr die ersatzweise Erfüllung ihrer Beitragsforderung. Sie will so gestellt werden, als wäre die GmbH für den hier streitigen Zeitraum noch solvent gewesen. Das aber wird im Rahmen der §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG nicht geschützt. </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Ein Zahlungsanspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG läßt sich auch nicht damit begründen, daß die Klägerin bei rechtzeitiger Konkursantragstellung durch den Beklagten oder entsprechend früherer Entlassung der Arbeitnehmer der GmbH für diese keinen Sozialversicherungsschutz mehr hätte bereitstellen müssen. Ein Schaden käme nur insoweit in Betracht, wie die Klägerin konkrete Leistungen erbracht hätte. Abgesehen davon, daß hierzu konkreter Vortrag fehlt, fällt dieser Schaden auch nicht in den Schutzbereich des § 64 Abs. 1 GmbHG. Der Sozialversicherungsträger ist nämlich nicht wie ein vertraglicher Neugläubiger anzusehen. Der Schutzzweck des § 64 GmbHG besteht darin, die konkursreife GmbH vom Geschäftsverkehr fernzuhalten. In diesen Schutzzweck ist der Sozialversicherungsträger nicht einbezogen, da er seine Gläubigerstellung allein im Hinblick auf das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis erhalten hat. Diese Rechtsbeziehung der Beteiligten sind zunächst unabhängig von Konkurs und von der Versäumung der Konkursantragspflicht (vgl. im einzelnen dazu BGH NJW 99, 2183).</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB, 266 a StGB in Höhe der Arbeitnehmeranteile besteht nicht. </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Zwar hat der Beklagte die geschuldeten Arbeitnehmeranteile nicht abgeführt. § 266 a StGB verlangt aber ein "Vorenthalten" der Arbeitnehmeranteile. Da § 266 a StGB ein echtes Unterlassungsdelikt ist, setzt die Verwirklichung des Tatbestandes voraus, daß die Erfüllung der Handlungspflicht dem Geschäftsführer tatsächlich möglich gewesen sein muß, d.h. der Geschäftsführer muß trotz Zahlungsfähigkeit der GmbH nicht gezahlt haben (BGH NJW 97, 130, 132; NJW 97, 133, 134; Dreher, StGB, § 266 a Rn. 12; Lackner, StGB, 22. Aufl., § 266 a Rn. 10). Da der Gläubiger im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB sämtliche Voraussetzungen des Tatbestandes des Schutzgesetzes beweisen muß, muß er daher auch die Zahlungsfähigkeit der GmbH nachweisen (Holzkämper, BB 96, 2142, 2143). Eine Umkehr der Beweislast (so OLG Düsseldorf VersR 99, 372) ist nicht gerechtfertigt. Der Sozialversicherungsträger hat über den Konkursverwalter genügend Möglichkeiten, die tatsächliche Zahlungsfähigkeit der GmbH feststellen zu können. </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist dieser Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen. Sie hat zur tatsächlichen Zahlungsfähigkeit der GmbH keine konkreten Angaben gemacht. Der Konkursverwalter hat nach gründlicher Sichtung der vorhandenen Unterlagen und der "völlig desolaten Buchhaltung" festgestellt, daß die GmbH spätestens ab dem 10.02.1995 zahlungsunfähig gewesen sei. Löhne und Gehälter sind ab März 1995 nicht mehr gezahlt worden (Seite 16 des Gutachtens M vom 11.09.1995). Daß der GmbH gleichwohl noch irgendwelche Geldmittel zur Verfügung gestanden haben sollen, ist von der Klägerin nicht dargelegt und aus den Unterlagen auch nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin behauptet, es seien noch in dem hier in Rede stehenden Zeitraum von Februar bis Juli 1995 Löhne gezahlt worden, reicht dieser pauschale Vortrag nicht aus. Er ist durch nichts belegt und stellt eine Behauptung ins Blaue hinein dar. Aus den Unterlagen, die dem Konkursverwalter zur Verfügung standen, ergibt sich dafür nichts. Der Konkursverwalter stellt im Gegenteil fest, daß die Löhne ab März nicht mehr gezahlt worden sind. Soweit die Klägerin im Senatstermin dargelegt hat, sie habe die Arbeitnehmer mit einem Fragebogen angeschrieben und habe von einem ausländischen Arbeitnehmer die Mitteilung erhalten, er habe im Juli 1995 Lohn bekommen, reicht auch dieser Vortrag im Hinblick auf den vom Sachverständigen festgestellten Sachverhalt nicht aus. Erforderlich ist, daß die <u>GmbH</u> noch über tatsächliche Geldmittel verfügte. Dies ist nicht konkret anhand von Buchungsbelegen oder Kontoauszügen dargetan. Der Vortrag, ein Arbeitnehmer habe noch im Juli 95 Lohn erhalten, belegt dies nicht. </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Soweit die Klägerin Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht der Arbeitnehmer geltend macht, fehlt es auch hier an einem substantiierten Vortrag. Zwar gehören die Sozialversicherungsbeiträge bei wirtschaftlicher Betrachtung zu dem vom Arbeitgeber geschuldeten Arbeitsentgelt. Es ist aber nicht dargetan, welcher durch den Beklagten verursachte Schaden den Arbeitnehmern entstanden sein soll. Soweit den Arbeitnehmern keine Löhne mehr gezahlt worden sind, besteht ein Anspruch der Arbeitnehmer gegen die GmbH. Insoweit handelt es sich um Masseschulden, die mit entsprechender Konkursquote zu begleichen sind. Soweit die Klägerin an einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB denkt (vgl. Schulin, Sozialversicherungsrecht, § 11 Rn. 172) ist nichts zum Schaden dargetan. Versicherungsleistungen in der Krankenversicherung und in der Arbeitslosenversicherung bestehen unabhängig von den Beitragszahlungen. Im übrigen könnte auch hier ein Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer persönlich nur bestehen, wenn es ihm wegen der noch vorhandenen Liquidität der GmbH möglich war, die Beiträge zu überweisen. Dafür ist die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig. Konkrete Ausführungen zur Zahlungsfähigkeit aber fehlen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Beschwer für den Feststellungsantrag beträgt 2.000,00 DM.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Der Streitwert bei einseitiger Erledigungserklärung beurteilt sich nach dem Kosteninteresse (BGH NJW-RR 96, 1210 = WM 96, 1563; BGHN ZM 99, 21).</p>
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} | 6 U 43/99 | 1999-09-13T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:49 | 2019-02-14T10:24:15 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0913.6U43.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Schadensersatz fordert der Kläger, der am 06.02.1996 gegen 11.30 Uhr bei nach vorangegangenem Schneefall wieder trockenem Frostwetter auf dem Tankstellengelände des Beklagten stürzte, als er nahe einer überdachten Tanksäule durch die Fahrertür seines Pkw ausstieg und mit dem rechten Fuß auf einer zu Eis gefrorenen Wasserpfütze ausrutschte. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat behauptet, die Eisfläche habe sich dadurch gebildet, daß in einer Wasserkanne bereitgestelltes Wasser von Tankstellenkunden verschüttet worden sei; auf dem grauen Verbundsteinpflaster sei sie nicht zu erkennen gewesen. Unter der Tankstellenüberdachung sei nicht gestreut gewesen. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat ausgeführt, es sei richtig, daß in dem überdachten Bereich um die Tanksäulen herum weder Salz noch abstumpfende Mittel gestreut worden seien, während auf dem übrigen Gelände einschließlich der Waschanlagenzufahrt Schnee geräumt und gelegentlich auch Tausalz eingesetzt worden sei. Die Eisfläche, auf der der Kläger ausgerutscht sei, müsse sich erst kurz vor dem Unfall gebildet haben, und zwar möglicherweise durch verschüttetes Wasser, eventuell auch durch herabgefallenen Schnee aus einem Fahrzeugkotflügel. Derartige Gefahrenstellen seien aber regelmäßig von seinen Mitarbeitern, die die Fläche alle 5 bis 15 Minuten kontrolliert hätten, beseitigt worden. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung weiterer Schadensersatzverpflichtung des Beklagten gerichtete Klage nach Zeugenvernehmung abgewiesen, weil der Beklagte seiner Verkehrssicherungspflicht in hinreichendem Maße nachgekommen sei. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Klageziel unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags weiter. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung, behauptet allerdings nunmehr, auch unter der Tankstellenüberdachung sei Streusalz eingesetzt worden. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat überwiegend Erfolg. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Wegen der Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht ist der Beklagte dem Kläger gemäß §§ 823, 847 BGB in einem um 1/3 Mitverschuldensanteil gekürzten Umfang zum Schadensersatz verpflichtet. Als Schmerzensgeldbetrag schuldet der Beklagte dem Kläger 15.000,00 DM. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Nach Benutzung der Pkw-Waschanlage ist der Kläger ca. 15 m weit unter die Tankstellenüberdachung gefahren, wo er in Fahrtrichtung gesehen ca. 0,8 m rechts neben dem Sockel angehalten hat, auf dem die Tanksäulen stehen. Er hat die Fahrertür vollständig geöffnet und ist vorwärts ausgestiegen, wobei er mit dem linken Fuß auf dem Betonsteinpflaster festen Halt hatte. Er hat dann den rechten Fuß nachgezogen, rutschte mit diesem jedoch auf der Eisfläche mit einer Ausdehnung von zwischen 0,3 und 0,7 m seitlich weg, wordurch er zu Fall kam und sich u.a. eine Ruptur des medialen Kapselbandapparates am rechten Knie zuzog. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Als Tankstellenbetreiber oblag es dem Beklagten, dafür Sorge zu tragen, daß Kunden auf seinem Gewerbegrundstück nicht zu Schaden kommen konnten. Hierzu gehörte es u.a., witterungsbedingte Gefahrenquellen zu beseitigen und das neue Entstehen solcher Gefahren zu unterbinden (vgl. Palandt/Thomas, BGB, 58. Auflage § 823 Rn. 87 m.w.N.; OLG Hamm OLGR 98, 210; zfs 84, 33; OLG Köln NZV 99, 165). Der Beklagte haftet gemäß §§ 823, 847 BGB, weil er die dazu erforderlichen organisatorischen Maßnahmen nur unzureichend getroffen hat. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Dem Entstehen einer Eisfläche, wie sie hier dem Kläger zum Verhängnis geworden ist, hätte durch die Verwendung von Streumitteln entgegengewirkt werden können. Dabei kann dahinstehen, ob die Temperaturen so niedrig lagen, daß die Verwendung von Streusalz keine ausreichende Wirkung mehr entfalten konnte. Denn selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte der Beklagte durch Streuen von Granulat sicherstellen können, daß sich keine dünnen Eisflächen mit glatter und damit besonders gefahrenträchtiger Oberfläche hätten bilden können. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Derartige Streumaßnahmen hat der Beklagte nicht angeordnet. Soweit er erstmals im Berufungsverfahren geltend macht, auch auf der überdachten Tankstellenfläche sei, wenn auch in geringerem Umfang als auf dem sonstigen Gelände, Streusalz eingesetzt worden, kann er damit nicht gehört werden. Denn in erster Instanz hat er den Vortrag des Klägers, es sei nicht gestreut gewesen, mit Schriftsatz vom 20.08.1988 ausdrücklich bestätigt. Darüber hinaus ist der diesbezügliche übereinstimmende Vortrag der Parteien während der erstinstanzlichen Beweisaufnahme zur Sprache gekommen. Damit hat der Beklagte das Unterbleiben von Streumaßnahmen unter der Tankstellenüberdachung zugestanden, woran er nunmehr gemäß §§ 532, 288 ZPO gebunden ist. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Wenn der Beklagte aber davon absah, auf der überdachten Fläche nahe den Tanksäulen Streusalz oder Granulat einzusetzen, dann hätte er seine Mitarbeiter in der Weise einsetzen müssen, daß zu Boden gelangtes Wasser jeweils so schnell beseitigt wurde, daß es nicht erst zu einer glatten Eisfläche gefrieren konnte. Dies ist nicht geschehen. Daß jemand abgeordnet gewesen ist, um die Fläche bei der Tankstelle nahezu ununterbrochen zu kontrollieren, hat die erstinstanzliche Beweisaufnahme nicht ergeben. Nach der Darstellung des Klägers, die der Beklagte nicht bestreitet, ist die Eisfläche dadurch entstanden, daß Kunden Wasser aus den bereitgestellten Kannen verschüttet hat. Es handelte sich hierbei um warmes Wasser, das jedenfalls nicht sofort zu Eis gefrieren konnte, sobald es zu Boden gelangte. Wenn es gleichwohl nicht von einem Mitarbeiter des Beklagten beseitigt wurde, bevor es zu einer glatten Eisfläche gefror, zeigt dies, daß der Beklagte die angeordneten Kontrollen durch sein Personal nicht engmaschig genug angelegt hatte. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der somit schadensersatzpflichtige Beklagte haftet jedoch nicht in vollem Umfange für die dem Kläger entstandenen Schäden, weil dem Kläger Mitverschulden anzulasten ist, das gemäß § 254 BGB zu einer Anspruchskürzung führt. Auch für den Kläger waren die bereits oben erwähnten Umstände erkennbar, die selbst in dem überdachten Tankstellenbereich zum Auftreten von Nässe mit daraus folgender Bodenglätte führen konnten. Hierauf hätte er sich einstellen müssen, auch wenn er die Eisfläche, auf der er gestürzt ist, auf dem grauen Betonpflaster nicht selbst wahrgenommen hat. Die zum Schutze seiner eigenen Gesundheit gebotene Sorgfalt hat er jedoch außer acht gelassen. Er hätte sich beim Aussteigen aus seinem Pkw mit den Händen an seinem Fahrzeug festen Halt verschaffen können und müssen, bis er sicher war, sich mit beiden Füßen auf rutschfestem Untergrund bewegen zu können. Dem ist der Kläger nicht gerecht geworden. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Allerdings wiegt das Unfallverschulden des Beklagten, der die grundsätzlich berechtigten Sicherungserwartungen seiner Kunden erfüllen mußte, wesentlich schwerer als die momentane Unachtsamkeit des Klägers im Unfallzeitpunkt. Es war daher sachgerecht, das Mitverschulden des Klägers auf lediglich 1/3 zu veranschlagen. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat sich bei dem Unfall im Alter von 56 Jahren eine Ruptur des medialen Kapselbandapparates am rechten Kniegelenk zugezogen und mußte zunächst zwei Wochen lang stationär behandelt werden. Während dieser Zeit erfolgte am 09.02.1996 eine operative Rekonstruktion des Reservestreckapparates. Das rechte Bein blieb danach 6 Wochen lang geschient. Es entwickelte sich eine Dystrophie des rechten Kniegelenkes. Als Dauerfolgen blieben ausweislich des fachorthopädischen Gutachtens des Arztes für Orthopädie P vom 14.01.1998 Belastungsschmerzen mit einer daraus resultierenden Gangstörung, eine Muskelverschmächtigung des rechten Ober- und Unterschenkels, eine Kalksalzminderung im Hüftgelenks- und Sprunggelenksbereich sowie im Bereich der rechten Kniescheibe, eine Kapselverdickung des rechten Kniegelenks sowie eine funktionelle Bewegungseinschränkung mit Streckdefizit von 10o und Beugemaximum von 90o. Der Kläger befindet sich seit der Entlassung aus der stationären Behandlung laufend in ambulanter Behandlung, während der wegen der Schmerzen eine zweimalige Injektionstherapie durchgeführt wurde. Eine am 29.01.1999 durchgeführte weitere Knieoperation brachte außer einer gewissen Schmerzlinderung keine wesentliche Besserung. Obwohl bei dem Kläger schon vor dem Unfall eine erhebliche Kniegelenksarthrose bestand, empfand er bis dahin keine Gehbeschwerden. Inzwischen sieht er sich jedoch nicht mehr in der Lage, wie zuvor leichtere Wandertouren oder auch nur längere Spaziergänge zu unternehmen. Statt dessen sucht er körperlichen Ausgleich mehr beim Radfahren, was ihm jedoch wegen der eingeschränkten Beugbarkeit des rechten Kniegelenks ebenfalls Probleme bereitet. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich des Mitverschuldens des Klägers ist ein Schmerzensgeldbetrag von 15.000,00 DM als Ausgleich für die immateriellen Nachteile des Klägers angemessen. Dieses Schmerzensgeld wäre auch dann nicht niedriger anzusetzen, wenn die Unfallfolgen, wie der Beklagte behauptet, ohne den in der Kniegelenksarthrose liegenden Vorschaden folgenlos ausgeheilt sein würde. Denn dem Schädiger sind grundsätzlich auch diejenigen Auswirkungen seiner Verletzungshandlung zuzurechnen, die sich erst deshalb ergeben haben, weil der Verletzte bereits einen Vorschaden hatte (vgl. BGH r+s 97, 64; OLG Hamm VersR 94, 1322 = r+s 94, 98). </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Dem Feststellungsbegehren des Klägers war in dem durch das Mitverschulden eingeschränkten Umfang stattzugeben. Denn angesichts der Art der Verletzung besteht die nicht entfernt liegende Möglichkeit weiterer Verwirklichung der Schadensersatzverpflichtung des Beklagten. </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die prozessuale Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 708 Nr. 10, 546 ZPO. </p>
|
114,513 | lsgnrw-1999-09-13-l-16-b-5699-kr | {
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"level_of_appeal": null
} | L 16 B 56/99 KR | 1999-09-13T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:49 | 2019-02-12T13:54:23 | Beschluss | ECLI:DE:LSGNRW:1999:0913.L16B56.99KR.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Gründe:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Mit Recht hat es das Sozialgericht abgelehnt, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Kläger vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung einer solchen Leistung medizinische Rehabilitationsmaßnahmen zu gewähren (§ 40 Abs 2 S. 2 des Sozialgesetzbuchs (SGB) V).</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes kam hier - außerhalb einer Normierung im Sozialgerichtsgesetz (SGG) - im wesentlichen nur unter den vom Bundesverfassungsgericht (in BVerfGE 46, 166, 178) herausgestellten einschränkenden Voraussetzungen in Betracht, daß ohne den begehrten einstweiligen Rechtsschutz "schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre". Solche Umstände sind vom Antragsteller nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - iVm § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und auch sonst nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nicht nur wegen der Gewährung von Geldleistungen, sondern auch wegen der Gewährung von Sach- und/oder Dienstleistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der sozialen Pflegeversicherung (SPV) muß sich nämlich der Versicherte, dessen eigene Mittel nicht hinreichen, um notwendige Krankenbehandlung oder Pflege sicherzustellen, nach ständiger Rechtsprechung des Senats (etwa Beschl. v. 15.3.1998 L 16 B 68/98) bis zur Entscheidung der Hauptsache grundsätzlich auf die Inanspruchnahme von Sozialhilfe verweisen lassen, und notfalls auch auf die Zuhilfenahme der Gerichte der (allgemeinen) Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Durchsetzung seiner Ansprüche gegen das Sozialamt. Dies ist ihm bei Abwägung seiner und der Interessen der Kasse regelmäßig zumutbar. Einerseits nämlich ist die Sozialhilfe als Grundsicherung mit Auffangfunktion gerade stets dann zu gewähren, wenn sonstige Mittel nicht zur Verfügung stehen, und andererseits liefe eine schon vor der Entscheidung in der Hauptsache mit Kosten belastete Antragsgegnerin Gefahr, diese auch im Falle ihres späteren Obsiegens von einem mittellosen Antragssteller nicht zurückzuerlangen. So besehen läge in der vorläufigen Leistungsgewährung zwar keine Vorwegnahme der Hauptsache, die einstweilige Leistung käme aber in ihrer Wirkung einer grundsätzlich unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache (vgl. BVerfGE 86,382 = NJW 92,2749) gleich.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Es bestand auch kein Anlaß, der beklagten Kasse eine solche Gefahr hier ausnahmsweise aufzubürden. Im Gegenteil ist nicht einmal ersichtlich, ob der Antragsteller nicht ohnehin über ausreichende Mittel verfügt. Er hat dazu nichts vorgetragen, sich vielmehr im wesentlichen darauf verlegt, die Berechtigung seines Anspruchs auf vorzeitige Durchführung einer Kur zu untermauern. Die Klärung dieser Frage bleibt indes grundsätzlich dem Hauptverfahren vorbehalten; sie war hier nur insoweit zu prüfen, als eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Kasse die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ausnahmsweise ermöglicht hätte. Von einer offensichtlichen Fehlerhaftigkeit der Sicht der Beklagten konnte sich der Senat aber aus den vom SG im angefochtenen Beschluss angeführten Gründen nicht überzeugen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde (§§ 172 ff SGG) nicht anfechtbar.</p>
|
114,514 | olgk-1999-09-13-9-w-2399 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 9 W 23/99 | 1999-09-13T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:49 | 2019-02-11T10:39:20 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0913.9W23.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Prozeßkostenhilfe verweigernde Beschluß der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 21.6.1999 - 24 O 57/99 - aufgehoben und das Landgericht angewiesen, Prozeßkostenhilfe nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zu verweigern.
Der Antrag des Beklagten, ihm für die Beschwerde im Prozeßkostenhilfeverfahren Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>G r ü n d e :</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Beschwerde des Beklagten
hat in der Sache - vorläufigen - Erfolg und führt zur Aufhebung des
angefochtenen Beschlusses.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Erfolgsaussichten der Verteidigung des Beklagten gegen die
Klage können derzeit und insbesondere nicht aus den Gründen des
landgerichtlichen Beschlusses verneint werden. Der angefochtene
Beschluß ist ohne ausreichende Entscheidungsgrundlage ergangen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin verlangt im Regreßweg nach § 3 Nr. 9 S. 2 PflVG vom
Beklagten die Erstattung von Schadensersatzleistungen an den
Geschädigten aus einem Verkehrsunfall vom 11.4.1996. Sie stützt
sich dabei auf das rückwirkende Außerkrafttreten der dem Beklagten
erteilten vorläufigen Deckungszusage gem. § 1 Abs. 4 S. 2 AGB 95
(früher: § 1 Abs. 2 S. 4 AGB 88).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung der Klägerin kann der Regreßanspruch
nicht auf § 38 Abs. 2 VVG gestützt werden. Danach tritt
Leistungsfreiheit des Versicherers ein, wenn die Erstprämie im
Zeitpunkt des Versicherungsfalls noch nicht gezahlt ist.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Dies ist zwar vorliegend der Fall. Die Vorschrift des § 38 Abs.
2 VVG ist aber in Fällen, in denen der Versicherungsfall innerhalb
der Zeit der vorläufigen Deckung eintritt, nicht anwendbar
(Römer/Langheid, VVG, Rdnr. 27 zu § 38). Es gilt vielmehr
ausschließlich § 1 Abs. 4 S. 2 AKB 95.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Gewährt der Kraftfahrzeughaftpflicht-Versicherer vorläufige
Deckung wie üblich und auch hier durch Aushändigung der
Doppelkarte, ohne zunächst hierfür einen Versicherungsbeitrag zu
verlangen, ist sog. deckende Stundung der Prämie vereinbart und die
in ihren Rechtsfolgen sehr einschneidende Vorschrift des § 38 Abs.
2 VVG stillschweigend abbedungen. Es wäre ein Widerspruch in sich,
wenn der Versicherer sich bei dieser Sachlage bei Auftreten eines
Schadenfalles innerhalb der Zeit der vorläufigen Deckung auf die
noch nicht gezahlte Erstprämie und damit auf § 38 Abs. 2 VVG
berufen könnte. Ganz abgesehen davon tritt die Fälligkeit der
Erstprämie gem. § 35 VVG erst nach Aushändigung des
Versicherungsscheins sowie bei Verträgen nach dem sog. Policemodell
gem. § 5 a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VVG erst nach dem Ablauf der
Widerspruchsfrist ein (Römer/Langheid, VVG, Rdnr. 4 zu § 35).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Zugang der mit dem Versicherungsschein vom 3.5.1996
übersandten Erstprämienrechnung ist vom Beklagten bestritten. Die
insoweit beweispflichtige Klägerin hat hierzu Beweis
angetreten.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn der Zugang des Versicherungsscheins und der
Prämienrechnung nachgewiesen ist, führt dies jedoch nicht ohne
weiteres zum rückwärtigen Außerkrafttreten der vorläufigen
Deckungszusage.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Offensichtlich zur Abklärung der weiteren Voraussetzungen des §
1 Abs. 4 S. 2 AKB 95 und der erforderlichen, ordnungsgemäßen
Belehrung (vgl. hierzu zuletzt OLG Hamm r + s 98, 99; 95, 403; OLG
Düsseldorf r + s 97, 442; OLG Köln r + s 96, 388 m.w.N.) hat das
Landgericht die Klägerin mit Verfügung vom 15.4.1999 zur Vorlage
des Versicherungsscheins vom 3.5.1996 aufgefordert.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Dem ist die Klägerin bislang nicht nachgekommen. Dennoch hat das
Landgericht das Prozeßkostenhilfegesuch des Beklagten durch
Beschluß vom 21.6.1999 zurückgewiesen, ohne die erforderlichen
Voraussetzungen des rückwärtigen Außerkrafttretens der vorläufigen
Deckungszusage sachgemäß prüfen zu können.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Dies nötigt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Prozeßkostenhilfe für die Beschwerde im
Prozeßkostenhilfeverfahren ist nicht zu bewilligen und der Antrag
des Beklagten insoweit zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Eine Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ist wegen §
127 Abs. 4 ZPO nicht veranlaßt.</p>
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114,515 | olgk-1999-09-13-13-w-5599 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 13 W 55/99 | 1999-09-13T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:49 | 2019-02-11T10:39:20 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0913.13W55.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 09.08.1999 gegen den Beschluß des Landgerichts Aachen vom 22.07.1999 - 10 O 634/98 - wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
Der Beschwerdewert wird auf 2.735,- DM festgesetzt.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>G R Ü N D E</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des
Landgerichts Aachen vom 22.07.1999, mit dem die Kosten des in der
Hauptsache erledigten Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben worden
sind, ist unzulässig. Die Beklagte erhebt zu Recht die Einrede des
Rechtsmittelverzichts, § 514 ZPO entsprechend.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">In dem Verhandlungstermin am 22.07.1999 haben die
Prozeßbevollmächtigten der Parteien über den Inhalt des
Terminprotokolls hinaus unstreitig auf eine Begründung des zu
verkündenden Kostenbeschlusses nach § 91a Abs.1 ZPO verzichtet, §
313 Abs.1 Satz 2 ZPO entsprechend, wohingegen ein ausdrücklicher
Rechtsmittelverzicht nicht erklärt worden ist. In dem erklärten
Verzicht auf eine Begründung des Kostenbeschlusses liegt jedoch
auch ein Verzicht auf die sofortige Beschwerde nach § 91a Abs.2
ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Senat hält in dieser in der Rechtsprechung kontrovers
beurteilten Auslegungsfrage an der bereits mit Beschluß vom
19.05.1998 - 13 W 29/98 (unveröffentlicht) - vertretenen Auffassung
fest, daß in einer Erklärung, auf die schriftliche Begründung einer
gemäß § 91a Abs.1 ZPO zu treffenden Kostenentscheidung zu
verzichten, regelmäßig zugleich ein stillschweigend erklärter
Rechtsmittelverzicht zu sehen ist (so auch OLG Hamm - 33.
Zivilsenat - OLGR 1992, 351; OLG Hamm - 20. Zivilsenat - NJW-RR
1993, 827; OLG Hamm - 12. Zivilsenat - OLGR 1994, 71 = NJW-RR 1994,
1407; OLG Hamm - 29. Zivilsenat - OLGR 1995, 180 = NJW-RR 1996,
509; OLG Brandenburg, NJW-RR 1995, 1212; and. Ans. OLG Hamm - 18.
Zivilsenat - NJW-RR 1995, 1213; OLG Hamm - 8. Zivilsenat - OLGR
1995, 192 = NJW-RR 1996, 63; OLG Hamm - 10. Zivilsenat - NJW-RR
1997, 318; SchlHOLG, OLGR 1998, 15 = NJW-RR 1998, 1371). Ein
gegenüber dem Gericht erklärter Rechtsmittelverzicht braucht nicht
ausdrücklich erklärt zu sein. Entscheidend ist allein, ob eine
Erklärung oder konkludente Handlung bei objektiver Betrachtung
unzweideutig erkennen läßt, daß die Partei auf das Rechtsmittel
verzichten wollte. Dies ist vorliegend der Fall:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Verzicht auf die Begründung der Kostenentscheidung macht
deutlich, daß die Parteien nach Erledigungserklärung der Hauptsache
den Rechtsstreit in erster Instanz auch im Kostenpunkt abschließen
wollten und auf eine Überprüfung der Kostenentscheidung in der
Rechtsmittelinstanz keinen Wert legten. Für eine Nachprüfung durch
das Beschwerdegericht ist die Darstellung der Entscheidungsgründe
aber unerläßlich. Indem die Parteien auf eine Mitteilung der
Entscheidungsgrundlage verzichteten, brachten sie erkennbar zum
Ausdruck, daß für sie die Nachvollziehbarkeit der
Kostenentscheidung bedeutungslos ist und die Einlegung eines
Rechtsmittels ausgeschlossen sein sollte. Der Verzicht auf die
Begründung des Kostenbeschlusses gibt auch nur dann Sinn, wenn
damit zugleich ein Rechtsmittelverzicht verbunden ist. Da - wie
allgemein anerkannt ist - rechtsmittelfähige Beschlüsse begründet
werden müssen, ginge ein Verzicht auf die Begründung ohne
Rechtsmittelverzicht ins Leere.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Ein Verzicht nur auf die Begründung läßt sich auch nicht mehr
kostenrechtlich motivieren, weil sich die dreifache Gebühr für das
Verfahren im allgemeinen (GKG-KV Nr. 1201) bei einer
Kostenentscheidung nach § 91a ZPO auch dann nicht auf den einfachen
Tabellensatz (entsprechend GKG-KV Nr. 1202) ermäßigt, wenn die
Parteien auf eine Begründung des Kostenbeschlusses verzichtet
haben. Angesichts dieser bereits seit dem
Kostenrechtsänderungsgesetz von 1994 bestehenden Rechtslage gibt
der Gesichtspunkt der Kostenersparnis für einen isolierten
Begründungsverzicht nichts mehr her.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Auslegung der Parteierklärungen im Sinne eines konkludenten
Rechtsmittelverzichts wird hier durch weitere Umstände bestätigt.
So ergibt sich aus der Beschwerdeerwiderung vom 16.08.1999, daß und
weshalb der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten nach dem Verlauf
der dem Kostenbeschluß vorangegangenen Erörterung der Sach- und
Rechtslage in der Sitzung am 22.07.1999 davon ausgegangen ist, daß
der Kostenbeschluß wegen des übereinstimmenden Begründungsverzichts
endgültig sein sollte. In diesem Sinne hat sich auch der
Vorsitzende der Zivilkammer als Einzelrichter in seinem den
Parteien bekannt gegebenen Aktenvermerk vom 12.08.1999 geäußert;
ebenso wie der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten ist er von einem
konkludenten Rechtsmittelverzicht ausgegangen. Anzumerken ist
schließlich, daß auch unter Berücksichtigung des Sach- und
Streitstandes zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen
Verhandlung dem Begründungsverzicht des Prozeßbevollmächtigten der
Klägerin keine andere Auslegung als die eines damit einhergehenden
stillschweigenden Rechtsmittelverzichts zukommen kann. Die Beklagte
hatte die behaupteten Mietrückstande im einzelnen bestritten. Wie
sich dem Schriftsatz der Klägerin vom 25.05.1999, in welchem der
Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist,
entnehmen läßt, sollte eine Aufklärung, in welcher Höhe
Zahlungsforderungen der Klägerin aus dem Mietverhältnis bestehen,
in diesem Verfahren gerade nicht mehr erfolgen ("<i>Eine
Gesamtabrechnung sämtlicher Forderungen und etwaiger
Gegenforderungen im Rahmen dieses Verfahrens soll nicht erfolgen.
Die Klägerin will vielmehr dieses Verfahren - auch kostenmäßig -
beenden und weitere Forderungen und Gegenforderungen außerhalb
dieses Verfahrens klären</i>"). Entgegen der in dem Schriftsatz vom
25.05.1999 vertretenen Auffassung war die fristlose Kündigung der
Klägerin vom 07.10.1998 aber nicht schon dann wirksam und damit die
Räumungsklage begründet, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung aufgrund
des insoweit unstreitigen Sachverhalts nur die titulierte Miete für
Dezember 1997 und Nachforderungen aus Nebenkostenabrechnungen für
die Zeit vom 01.01.-31.05. und 01.06.-31.10.1997 rückständig
gewesen sein sollten. Nach § 554 Abs.1 Satz 1 Nr.2 BGB ist eine
fristlose Kündigung nur dann wirksam, wenn der Mieter mit der
Entrichtung des Mietzinses in Höhe von mindestens zwei Monatszinsen
in Verzug ist. Mietzins im Sinne des Gesetzes sind nur die
laufenden Mieten, d.h. der monatlich geschuldete Nettomietzins
zuzüglich etwa vereinbarter monatlicher Nebenkostenvorauszahlungen.
Bei der Berechnung eines nach § 554 Abs.1 BGB erheblichen
Mietrückstandes sind Nachforderungen aus Nebenkostenabrechnungen
mithin außer Ansatz zu lassen. Um solche handelt es sich aber bei
den titulierten Forderungen in Höhe von weiteren 1.302,10 DM und
1.189,42 DM, nachdem die Parteien ausweislich des
Unterpachtvertrages vom 10.08.1995 zwar eine Pflicht der Beklagten
zur Übernahme bestimmter Betriebskosten, aber keine hierauf
monatlich zu leistenden Vorauszahlungen vereinbart haben. Wäre
mithin die fristlose Kündigung wegen Rückstandes mit nur einer
Monatsmiete unwirksam gewesen, erscheint es folgerichtig, daß sich
auch der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin mit der in Aussicht
gestellten Kostenaufhebung unter Verzicht auf die hiergegen
mögliche sofortige Beschwerde einverstanden erklärt hat, weil eine
Aufklärung, in welcher Höhe möglicherweise weitere Rückstände
bestanden, erklärtermaßen nicht mehr erfolgen sollte.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Auf dogmatische Bedenken gegen die Wirksamkeit eines
vorweggenommenen Rechtsmittelverzichts kommt es schon deshalb nicht
an, weil die Parteien anerkanntermaßen bereits vor der Entscheidung
rechtswirksam vereinbaren können, daß sie kein Rechtsmittel gegen
die künftige Entscheidung einlegen werden. Eine solche Vereinbarung
begründet eine prozessuale Einrede, die zur Verwerfung des
Rechtsmittels führt.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde war demgemäß zu verwerfen, § 574 Satz 2 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Dem Wert des Beschwerdeverfahrens waren die von der Klägerin zu
tragenden außergerichtlichen Kosten und die hälftigen
Gerichtskosten zugrunde zu legen (wie im Schriftsatz vom 17.08.1999
berechnet).</p>
|
114,516 | olgk-1999-09-13-16-wx-6599 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 16 Wx 65/99 | 1999-09-13T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:49 | 2019-02-11T10:39:21 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0913.16WX65.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 11.03.1999
- 29 T 2/99 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt die An-tragsgegnerin. Eine Erstattung aussergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 20.000,00 DM festgesetzt.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>G r ü n d e :</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Antragsteller und die Antragsgegnerin bilden die
Wohnungseigentümergemeinschaft der Wohnungseigentumsanlage F.
Straße in K.-M..</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der inzwischen verstorbene Ehemann und Rechtsvorgänger der
Antragsgegnerin war ursprünglich Alleineigentümer des Grund-
stückes F. Straße , das mit einem eingeschossigen Flachgeschäftsbau
bebaut war. Im Jahre 1972 erwarben die Antragsteller von dem
Ehemann der Antragsgegnerin 8/10 Miteigentumsanteile an dem
Hausgrundstück. Mit Teilungserklärung vom 21.08.1975 teilten die
Eigentümer das Eigentum in Miteigentumsanteile von je 2/10
Miteigentumsanteil, ein Miteigentumsanteil verbunden mit dem
Sondereigentum (Teileigentum) an den sämtlichen im Erdgeschoß
befindlichen und nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen mit einem
Zubehörraum im Kellergeschoß, die übrigen Miteigentumsanteile
jeweils mit dem Sondereigentum an den inzwischen errichteten
Wohnungen im 1. bis 4. Obergeschoss. Dem Ehemann der
Antragsgegnerin wurde der 2/10 Anteil verbunden mit dem
Sondereigentum (Teileigentum) an den im Erdgeschoß befindlichen und
nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumlichkeiten nebst Zubehörraum im
Kellergeschoß zu Alleineigentum zugeordnet; die übrigen
Miteigentumsanteile gingen an die Antragsteller. In der
Teilungserklärung war das Teileigentum der Antragsgegnerin
mehrfach, auch in Klammerzusätzen als "Ladenlokal", "Laden" und
"Ladenbereich" bezeichnet, der Teileigentümer als
"Ladeneigentümer", evtl. Mieter dieses Objektes als "Ladenmieter".
Nach § 4 Ziff. 1 der Teilungserklärung sind die Wohnungs- und
Teileigentümer berechtigt, die Wohnung/das Teileigentum nach
Belieben zu nutzen, soweit sich nicht Beschränkungen aus dem Gesetz
oder aus diesem Vertrag, d.h. der Teilungserklärung ergeben.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Im Zeitpunkt des Erwerbes des Miteigentums an dem Grundstück
durch die Antragsteller und der Teilung in Wohnungs-/Teileigentum
befand sich in den Räumen im Erdgeschoß, dem jetzigen Teileigentum
der Antragsgegnerin, ein Fischfachgeschäft der Nordsee-Kette als
reines Verkaufsgeschäft mit den üblichen Ladenöffnungszeiten ohne
Imbißangebote. Anschließend betrieben die Antragsteller bzw. deren
Sohn bis Ende 1997 als Mieter der Antragsgegnerin in den Räumen ein
Optikerfachgeschäft. Das Mietverhältnis endete wegen
Meinungsverschiedenheiten, insbesondere über den zukünftig zu
zahlenden Mietzins. Mit Mietvertrag vom 01.10.1997 vermietete die
Antragsgegnerin sodann die Räumlichkeiten an einen Herrn K., der
die Räume mit einem Aufwand von etwa 400.000,00 DM zu einem
Fast-Food-Betrieb modernster Art umbaute. Der Betrieb wurde von der
Stadt K. am 10.02.1998 konzessioniert als "Schank- und
Speisewirtschaft im Rahmen einer Imbißwirtschaft ohne
Sitzgelegenheiten". In dem Betrieb werden Speisen zubereitet und
verkauft zur Mitnahme oder zum sofortigen Verzehr an Stehtischen,
die in dem Verkaufsraum aufgestellt sind. Der Betrieb ist montags
bis freitags bis 23:00 Uhr geöffnet, am Wochenende bis 01:00 Uhr
morgens. Mit Ordnungsverfügung vom 07.01.1999 ist dem Mieter K.
wegen Beschwerden über Geruchsbelästigungen inzwischen aufgegeben
worden, "die Nutzung des Imbisses im Erdgeschoß des Gebäudes F.
Straße 7" einzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Wegen angeblicher Geruchsbelästigungen durch den Betrieb des
Mieters K. haben die Mieterinnen der Wohnungen im 1. und 2. OG, die
dort Arztpraxen betreiben, gegenüber ihren Vermietern, den
Antragstellern bereits seit einiger Zeit die Miete gemindert. Sie
haben darüber hinaus gegen die Antragsteller sowie den Mieter K.
ein Beweissicherungsverfahren wegen der behaupteten
Geruchsbelästigungen angestrengt. Wegen des Ergebnisses dieses
Beweissicherungsverfahrens wird auf das Gutachten des
Sachverständigen Kä. vom 22.12.1998 (Bl. 239ff GA) Bezug
genommen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Antragsteller haben (sinngemäß) beantragt, der
Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, ihr Sondereigentum
an den sämtlichen im Erdgeschoß befindlichen Räumen mit einem
Zubehörraum im Kellergeschoß des Hauses F. Straße zum Zwecke des
Betreibens einer Gastronomie zu nutzen oder nutzen zu lassen. Sie
haben im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Nutzung des
Teileigentums als Imbißbetrieb den Regelungen der Teilungserklärung
widerspreche. Darin sei bezüglich des Teileigentums der
Antragsgegnerin eine Zweckbestimmung dahingehend getroffen, dass
das Teileigentum nur als Ladengeschäft genutzt werden könne. Wegen
der von dem Betrieb ausgehenden Geruchsbelästigungen könne diese
Nutzung von ihnen auch nicht geduldet werden. Mit Beschluss vom
01.12.1998 hat das Amtsgericht dem Antrag der Antragsteller
stattgegeben. Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige
Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Landgericht durch Beschluss
vom 11.03.1999 zurückgewiesen. Mit ihrer sofortigen weiteren
Beschwerde begehrt die Antragsgegnerin weiterhin die Aufhebung des
amtsgerichtlichen Beschlusses. Sie ist der Auffassung, dass die
derzeitige Nutzung ihres Teileigentums von den Vereinbarungen in
der Teilungserklärung gedeckt sei. Jedenfalls aber seien die
Antragsteller nach Treu und Glauben verpflichtet, die derzeitige
Nutzung zu dulden. Geruchsbelästigungen gingen von dem Betrieb in
ihrem Teileigentum nicht aus.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere
Beschwerde ist zulässig (§ 45 Abs. 1 WEG, §§ 20, 22 Abs. 1, 27, 29
FGG). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Ausführungen des Landgerichts halten der dem Gericht der
weiteren Beschwerde allein möglichen rechtlichen Nachprüfung (§ 27
FGG, § 550 ZPO) im Ergebnis stand.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Ohne Rechtsirrtum hat das Landgericht angenommen, dass den
Antragstellern nach § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 BGB gegen die
Antragsgegnerin ein Anspruch zusteht, es zu unterlassen, ihre Räume
zu dem Zweck des Betreibens einer Gastronomie zu nutzen oder nutzen
zu lassen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Das Teileigentum der Antragsgegnerin ist in der
Teilungserklärung als "Laden" oder "Ladenlokal" bezeichnet. In
dieser Bezeichnung liegt eine die Nutzung des Teileigentums
einschränkende Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter gem. §§ 5
Abs. 4, 10 Abs. 1 Satz 2, 15 Abs. 1 WEG, die eine Nutzung des
Teileigentums der Antragsgegnerin in der derzeitigen Form nicht
zuläßt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Teilungserklärung unterliegt wie alle Grundbucheintragungen
der selbständigen Auslegung durch das Rechtsbeschwerdegericht.
Dabei ist auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich für
einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des
Erklärten ergibt und hat allein nach objektiven Gesichtspunkten und
unabhängig von den Absichten ihres Verfassers zu erfolgen (vgl. BGH
NJW 1993, 1321; Senat NJW-RR 1995, 851; OLG Schleswig NZM 1999, 79,
80). Nächstliegende Bedeutung einer in Abschnitt II § 1 der
Teilungserklärung im Rahmen der Aufteilungsvereinbarung gewählten
Bezeichnung "Ladenlokal" für die nicht zu Wohnzwecken dienenden
Räume im Sinne des § 1 Ziff. 1 der Teilungserklärung sowie die
Bezeichnung "Laden" für das Teileigentum an den vorhandenen Räumen
im Parterre im Rahmen der Begriffsbestimmungen nach § 2 Ziff. 1 und
2 der Teilungserklärung ist, dass die Bezeichnung "Laden" oder
"Ladenlokal" eine rechtlich verbindliche Zweckbestimmung darstellt,
durch die jedenfalls keine Nutzung zugelassen wird, die mehr stört
oder beeinträchtigt als ein Laden(-lokal). Die Bezeichnung als
Laden oder Ladenlokal stellt bei der gebotenen objektiven
Betrachtungweise nicht nur eine örtliche Beschreibung des
Teileigentums der Antragsgegnerin dar, denn die örtliche Lage des
Teileigentums der Antragsgegnerin ist bereits in § 1 Ziff. 1 des
Abschnittes II der Teilungserklärung bestimmt durch die Bezugnahme
auf den Aufteilungsplan sowie durch die sonstigen Angaben "im
Erdgeschoß" bzw. "im Parterre". Auch ist nicht nur das Teileigentum
als Laden oder Ladenlokal bezeichnet, sondern der Teileigentümer,
d.h. jetzt die Antragsgegnerin, und potentielle Dritte als Nutzer
des Teileigentums werden "Ladeneigentümer" und "Ladenmieter"
genannt (vgl. Abschnitt II § 1 am Ende, Abschnitt V der
Teilungserklärung). Hieran zeigt sich deutlich, dass die
Bezeichnung Laden oder Ladenlokal nicht nur eine örtliche
Beschreibung ist, sondern eine Zweckbestimmung, durch die die
gewerbliche Nutzung eingeschränkt wird.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Etwas Anderes folgt nicht aus der Vereinbarung in § 4 des
Abschnittes III der Teilungserklärung. Danach ist der
Wohnungseigentümer bzw. Teileigentümer (vgl. Abschnitt II § 2 Ziff.
1) berechtigt, die Wohnung oder das Teileigentum nach Belieben zu
nutzen, soweit sich nicht Beschränkungen aus dem Gesetz oder diesem
Vertrag ergeben. Eine Einschränkung ergibt sich aber gerade aus der
zuvor festgelegten Zweckbestimmung des Teileigentums, d.h. die
eingeschränkte Nutzung des Teileigentums als Laden oder Ladenlokal
ist dem Teileigentum bereits immanent, so dass durch die
Nutzungsregelung in § 4 nur darüber hinausgehende Einschränkungen
grundsätzlich untersagt sind, soweit nicht den anderen über das bei
einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein
Nachteil entsteht (§ 4 Ziff. 1 Satz 2) und nicht berechtigte
Interessen der anderen Miteigentümer entgegenstehen (§ 4 Ziff. 2).
Damit steht die zuvor getroffene Zweckbestimmung des Teileigentums
der in § 4 vereinbarten Nutzung "nach freiem Belieben" nicht
entgegen; sie stellt vielmehr den Rahmen dar, innnerhalb dessen
eine Nutzung "nach freiem Belieben" möglich ist. Auf die von der
Antragsgegnerin angeführte Rechtsprechung des OLG Stuttgart (ZMR
1989, 312f) und des Bayrischen Obersten Landesgerichts (ZMR 1998,
184f), die der Senat im Übrigen teilt (vgl. Senatsbeschluss vom
16.04.1999 - 16 Wx 8/99 -), kommt es deshalb nicht an. Die
Teilungserklärung enthält insoweit keine Widersprüche, erst recht
sind Widersprüche zu den Angaben im Aufteilungsplan nicht
erkennbar, so dass es auf die in den genannten Fällen zu
entscheidende Frage, welche Bestimmungen vorgehen, nicht
ankommt.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Bezeichnung als
"Laden" den Betrieb einer bis in die Nacht geöffneten "Gaststätte"
oder wie hier "gaststättenähnlichen Einrichtung" grundsätzlich
nicht zulässt (vgl. Senat, NJW-RR 1995, 851; BayObLG ZMR 1985,
206f; KG ZMR 1986, 296f; OLG Karlsruhe NJW-RR 1994, 146f; KG NZM
1999, 425; Weitnauer, WEG 8. Aufl. 1995, § 15 Rdnr. 14;
Bärmann/Pick/Merle, WEG 7. Aufl. 1997, § 13 Rdnr. 49f). In
rechtlich nicht zu beanstandende Weise hat das Landgericht
ausgeführt, dass der Betrieb eines Stehimbisses in den Räumen der
Antragsgegnerin, der als "Schank- und Speisewirtschaft im Rahmen
einer Imbißwirtschaft ohne Sitzgelegenheit" konzessioniert ist,
nicht mehr von der Zweckbestimmung "Laden" gedeckt ist, sondern
einer Gaststätte gleichkommt, die nach anerkannter Rechtsprechung
im Rahmen der Gebrauchsregelung "Laden" oder "Ladenlokal" nicht
betrieben werden darf. Dabei hat das Landgericht zu Recht darauf
abgestellt, dass die für ein "Laden(lokal)" üblichen
Ladenschlusszeiten bei der Nutzung als Imbiß nicht eingehalten
werden. Denn das bedeutet für die betroffenen Wohnungseigentümer
länger andauernder Publikumsverkehr, insbesondere auch an
Wochenenden und an den Abenden mit den damit unweigerlich
verbundenen Geräuschentwicklungen. Die derzeit herrschende
allgemeine Diskussion um die Neuregelung der Ladenschlusszeiten ist
für die Beurteilung dieses Falles unerheblich; eine Aussetzung des
Verfahrens bis zu einer evtl. Neuregelung des Ladenschlussgesetzes
kommt deshalb nicht in Betracht. Entscheidend für die
Unvereinbarkeit der derzeitigen Nutzung mit der Zweckbestimmung in
der Teilungserklärung ist nämlich nicht allein der Umstand, dass
der Betrieb auch ausserhalb der geltenden Ladenöffnungszeiten
geöffnet ist, sondern dass die erweiterte Nutzungsart als solche
störender ist als die in der Teilungserklärung vorgesehene (vgl.
dazu auch OLG Karlsruhe NJW-RR 1994, 146, 147). Gerade die mögliche
Lärmbelästigung in den Abendstunden und/oder an Wochenenden ist
nicht vergleichbar mit den Lärmbeeinträchtigungen, die von einem
Ladengeschäft ausgehen können und dort in der Regel zu den üblichen
Anlieferungs- und Einkaufszeiten während des Tages bestehen werden.
Beim Betrieb einer Gaststätte oder einer gaststättenähnlichen
Einrichtung ist demgegenüber nicht auszuschließen, dass gerade in
den Abendstunden und an Wochenenden vermehrt mit Geräuschen an- und
abfahrender Fahrzeuge, Türenschlagen und mehr oder weniger
lautstarken Unterhaltungen vor und in dem Imbiß gerechnet werden
muss, Störungen also, die mit einem Einzelhandelsgeschäft, das
üblicherweise in einem Laden oder Ladenlokal betrieben wird,
grundsätzlich nicht verbunden sind. Unerheblich sind dabei die
konkreten zur Zeit gegebenen Beeinträchtigungen, da deren Auftreten
oder Nichtauftreten nicht beeinflussbar ist, sondern vielmehr von
dem Verhalten der Kunden abhängt, das sich jederzeit ändern kann.
Die Möglichkeit, dass ständig Beeinträchtigungen auftreten können,
die mit dem Betrieb einer Gaststätte oder Imbißstube oftmals
verbunden sind, brauchen die Miteigentümer angesichts der
eindeutigen Zweckbestimmung in der Teilungserklärung aber nicht
hinzunehmen. Zu Recht hat das Landgericht ferner darauf
hingewiesen, dass auch die Geruchsbeeinträchtigungen einen weiteren
Aspekt bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Betriebes
darstellen, da solche von einem Ladengeschäft in der Regel nicht
ausgehen. Das Auftreten von Geruchsbeeinträchtigungen hat nunmehr
im Rechtsbeschwerdeverfahren auch die Antragsgegnerin eingeräumt,
jedenfalls ist davon nach den Feststellungen der Vorinstanzen
auszugehen. Dabei bedurfte es keiner förmlichen Beweisaufnahme,
denn eine Pflicht zur förmlichen Beweiserhebung besteht nach § 12
FGG nur dann, wenn durch die sonstigen Ermittlungen genügend
sichere Aufklärung nicht zu erreichen ist (vgl. Bärmann/Pick/Merle,
a.a.O., § 44 Rdnr. 10). Hier sind in den Vor-instanzen von den
Beteiligten indessen genügend sichere Anhaltspunkte vorgetragen,
die den Schluss auf das Vorhandensein der Geruchsbeeinträchtigung
zulassen. So ist dem für das Beweissicherungsverfahren 16 OH 15/98
LG Köln erstatteten Gutachten des Sachverständigen Kä. vom
22.12.1998 zu entnehmen, dass Imbißgerüche auch ausserhalb der
Imbißräume wahrnehmbar waren und als störend empfunden wurden. Für
das Vorhandensein der Geruchsbeeinträchtigungen spricht weiter die
Ordnungsverfügung der Stadt Köln vom 07.01.1999, mit der dem
Betreiber des Imbisses die Einstellung der Nutzung wegen störender
Geruchsbeeinträchtigungen aufgegeben wurde, sowie die von den
Antragstellern vorgelegten Beschwerdeschreiben von Anwohnern.
Derartige objektiv belegte Geruchsbeeinträchtigungen sind von den
Miteigentümern gemessen an der Zweckbestimmung des Teileigentums
ebenfalls nicht hinzunehmen. Ob die Geruchsbeeinträchtigung
zwischenzeitlich durch Einbau weiterer Filter eingeschränkt worden
ist oder möglicherweise noch andere Ursachen hat, wie von der
Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 02.09.1999 vorgetragen, ist für
die Entscheidung des Senats als Rechtsbeschwerdegericht
unbeachtlich, da es sich um neuen Tatsachenvortrag handelt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Antragsteller sind nicht gem. § 242 BGB zur Duldung der
derzeitigen Nutzung des Teileigentums der Antragsgegner
verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Unerheblich ist dabei zunächst, ob und welche Absprachen
insoweit vor Eröffnung des Imbisses zwischen der Antragsgegnerin
und dem Sohn der Antragsteller getroffen wurden. Denn eine Kenntnis
von oder selbst eine Zustimmung des Sohnes der Antragsteller zu der
beabsichtigten Nutzung bindet die Antragsteller nicht. Für eine
Vollmacht des Sohnes der Antragsteller zu deren Vertretung zum
damaligen Zeitpunkt liegen keine Anhaltspunkte vor. Auch sind die
Voraussetzungen für eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht nicht
erkennbar. Diese Rechtsscheinsvollmachten setzen voraus, dass
entweder die Antragsteller das von der Antragsgegnerin behauptete
Verhalten ihres Sohnes kannten oder der Sohn bereits mehrfach für
sie gehandelt hatte. Dazu hat die Antragsgegnerin jedoch nichts
vorgetragen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Eine Duldungspflicht ergibt sich weiter nicht daraus, dass von
dem Betrieb als Stehimbiß im Vergleich zu einem - erlaubten -
Ladengeschäft keine weitergehenden Beeinträchtigungen ausgehen.
Denn es bestehen weitergehende Beeinträchtigungen konkret
jedenfalls in Form von Geruchsbelästigungen, wie vorstehend bereits
ausgeführt worden ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob die
Geruchsbeeinträchtigungen - möglicherweise - durch weitere
technische Maßnahmen, wie die Führung des Abluftrohres vor der
Fassade über das Dach des Hauses, beseitigt werden könnten. Denn
auch eine solche Maßnahme erfordert als bauliche Veränderung im
Sinne des § 22 Abs. 1 WEG die Zustimmung der Antragsteller. Zur
Erteilung dieser Zustimmung sind sie indessen nicht verpflichtet,
wenn dies nur dazu führen würde, dass die Antragsteller den von der
Antragsgegnerin geschaffenen rechtswidrigen Zustand dulden müssten.
Es gibt weder aus Treu und Glauben noch aus den dem
Wohnungseigentumsrecht immanenten Grundsatz der gegenseitigen
Schutz- und Treuepflichten der Wohnungseigentümer untereinander
eine Pflicht der Miteigentümer weiteren beeinträchtigenden
Maßnahmen zuzustimmen, die ihre eigene Rechtsposition zunichte
machen würden.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Schließlich folgt eine Duldungspflicht der Antragsteller nicht
aus den der Antragsgegnerin und ihren Mietern möglicherweise
entstehenden wirtschaftlichen Konsequenzen, die mit einer
Beseitigung des wohnungseigentumsrechtlich nicht erlaubten
Zustandes verbunden sein könnten. Denn die die Zweckbestimmung der
Teilungserklärung überschreitende Nutzung ihres Teileigentums
stellt eine eigene unternehmerische Entscheidung der
Antragsgegnerin dar, die sie ohne das erforderliche Einverständnis
der Antragsteller getroffen hat, so dass sie auch die
wirtschaftlichen Folgen dieser Entscheidung selbst tragen muss.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Abs. 1 WEG. Es entspricht
billigem Ermessen, der auch im Rechtsbeschwerdeverfahren
unterlegenen Antragsgegnerin die Gerichtskosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Im Übrigen bestand keine
Veranlassung, von dem Grundsatz, dass aussergerichtliche Kosten
nicht zu erstatten sind, abzuweichen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 48 Abs. 3 WEG
und entspricht der nicht beanstandeten Festsetzung des
Gegenstandswertes in den Vorinstanzen.</p>
|
114,518 | olgk-1999-09-13-17-w-36299 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 17 W 362/99 | 1999-09-13T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:50 | 2019-02-11T10:39:21 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0913.17W362.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>G r ü n d e</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den
angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluß ist zulässig; in der Sache
selbst bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Rechtspflegerin hat für die Verfahrensbevollmächtigten der
Antragsgegnerin im selbständigen Beweisverfahren mit Recht nur eine
5/10 Prozeßgebühr in Ansatz gebracht, §§ 48, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO.
Dabei ist zutreffend darauf abgestellt worden, daß Seitens der
Antragsgegnerin kein Sachantrag gestellt worden sei.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Prozeßgebühr entsteht auf Seiten des Antragsgegners eines
selbständigen Beweisverfahrens mit Einreichung eines Gegenantrags
(vergleiche von Eicken in Gerold/Schmidt/Mabert, BRAGO, 14.
Auflage, § 48 Randziffer 5; Hartmann, BRAGO, 28. Auflage, § 48
Randziffer 5). Die zu fordernde Gegenerklärung muß nach Auffassung
des Senats eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Antrag auf
Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens beinhalten. Bloße
Verfahrensanregungen reichen hierzu nicht aus. Dies ergibt sich aus
dem Regelungszusammenhang des § 32 Abs. 1 BRAGO.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Beschwerdebegründung besteht keine Veranlassung,
die Vorschrift des § 32 BRAGO im selbständigen Beweisverfahren als
nicht einschlägig zu behandeln. Nachdem die Vorschriften der §§ 31,
48 BRAGO nunmehr die Zubilligung der vollen Anwaltsgebühren
eröffnen, läßt sich insbesondere keine Handhabe dahingehend
ersehen, im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens dadurch eine
zusätzliche Privilegierung der Verfahrensbevollmächtigten durch den
Geltungsausschuß des § 32 BRAGO zu bewirken (vergleiche von Eicken
am angegebenen Ort; Hartmann am angegebenen Ort). Im Rahmen der §§
32 Abs. 1, 48 BRAGO ist der Begriff des Sachantrags, bezogen auf
die Anforderungen des selbständigen Beweisverfahrens, angemessen
auszufüllen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Dabei ist dem Ausgangspunkt hervorzuheben, daß Sachanträge sich
grundsätzlich unmittelbar auf den streitigen Anspruch beziehen und
mit dieser Zielrichtung eine Auseinandersetzung mit dem Gegenstand
eines Beweisantrags enthalten müsse (vergleiche von Eicken am
angegebenen Ort § 32 Randziffer 14 ff). Zwar wird im selbständigen
Beweisverfahren kein Gegenantrag zu fordern sein, wie er im
Hauptsacheverfahren etwa mit Klageerwiderung üblicher Weise
vorgebracht wird. Zu fordern ist jedoch nach Sinn und Zweck des §
32 BRAGO eine die Sache betreffende Gegenerklärung. Bloße
verfahrensrechtliche Anregungen reichen hierzu nicht aus
(vergleiche von Eicken am angegebenen Ort § 32 Randziffer 17).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Vorliegend fehlt es an einer entsprechenden Gegenerklärung
Seitens der Antragsgegnerin. Die Entäußerung bloßer Zweifel gegen
die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts sowie der Vorschlag,
bestimmte Sachverständige zu bestellen, spiegeln für sich keine dem
Gegenstand des Beweisantrags widerstreitende Rechtsverteidigung der
Antragsgegnerin wieder. Die Antragsgegnerin hat vielmehr ihre
Gewehrleistungsbereitschaft grundsätzlich bekräftigt, ohne der
Antragsbegründung im übrigen sachlich entgegengetreten zu sein.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Ob auch die Wahrnehmung eines vom Sachverständigen anberaumten
Ortstermins ausreiche, um die Prozeßgebühr für den
Verfahrensbevollmächtigten im selbständigen Beweisverfahren
auszulösen, kann hier offen bleiben. Zwar ist Seitens der
Antragsgegner in zunächst ein entsprechender Kostenanfall in den
Festsetzungsantrag eingestellt worden. Gegen die Absetzung dieser
Aufwendungen im angefochtenen Beschluß wendet sich das Rechtsmittel
jedoch nicht. Von der Teilnahme an einem Ortstermin ist daher hier
nicht auszugehen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Letztlich ist auch der von der Antragsgegnerin gestellte Antrag,
den Antragstellern gemäß § 494 a Abs. 1 eine Frist zur
Klageerhebung zu setzen, nicht dazu angetan, die volle Prozeßgebühr
zu rechtfertigen. Dieser Antrag ist ebenso wie der nachfolgende
Kostenantrag gemäß § 494 a Abs. 2 ZPO nur auf die Herbeiführung
eine bestimmten Kostenfolge gerichtet, ohne im übrigen eine
sachliche Gegenerklärung im vorstehend aufgezeigten Sinne zu
umschreiben. Soweit die Anträge aus § 494 a Abs. 1 und Abs 2 ZPO
mit der Prozeßgebühr des Verfahrensbevollmächtigten aus §§ 31 Abs.
1 Nr. 1, 48 BRAGO abgegeuten sind (vergleiche hierzu Zöller/Herget,
ZPO, 21. Auflage, § 494 a Randziffer 8), kann daraus nicht im
Umkehr schlußgefolgert werden, daß die Stellung solcher Anträge
ihrerseits der Anfall der - vollen - Prozeßgebühr rechtfertigt.
Insofern hat es vielmehr bei den aufgezeigten Grundsätzen zu
verbleiben, wonach Verfahrensanträge, welche dem Gegenstand des
selbständigen Beweisverfahrens als solche nicht betreffen, bei der
Gebührenbemessung unberücksichtigt zu bleiben haben.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 297,50 DM.</p>
|
114,519 | lg-aachen-1999-09-10-9-o-53897 | {
"id": 800,
"name": "Landgericht Aachen",
"slug": "lg-aachen",
"city": 380,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 9 O 538/97 | 1999-09-10T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:50 | 2019-01-18T16:07:12 | Grund- und Teilurteil | ECLI:DE:LGAC:1999:0910.9O538.97.00 | <span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> <strong><span style="text-decoration:underline">Ta t b e s t a n d:</span></strong></p><span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger war als Malergeselle bei der Firma T1 in F angestellt. Die Firma T1 erhielt von der Beklagten zu 1) den Auftrag, in deren Umspannstation auf dem W in T2 Malerarbeiten durchzuführen. Der Beklagte zu 2) ist als Netzbetriebsmeister bei der Beklagten zu 1) beschäftigt, der Beklagte zu 3) ist Elektromonteur und ebenfalls bei der Beklagten zu 1) beschäftigt. Mit dem von der Beklagten zu 1) in Auftrag gegebenen Malerarbeiten sollte am 07.12.1994 begonnen werden. Der Kläger und sein Kollege, Herr I K, begaben sich gemeinsam mit dem Beklagten zu 2) und dem Beklagten zu 3) zu der Umspannstation. Aufgabe des Beklagten zu 2) war es, den Kläger und Herrn K in die durchzuführenden Arbeiten einzuweisen, die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen durchzuführen und die Arbeiten ordnungsgemäß zu überwachen. Der Beklagten zu 3) wurde hinzugezogen, weil im Hause der Beklagten zu 1) die interne Anweisung besteht, daß Schaltungen im Mittelspannungsbereich nur im Beisein einer zweiten Person durchgeführt werden dürfen. In der Umspannstation befindet sich vom Eingang aus gesehen an der linken Längswand eine Niederspannungsverteilung sowie in der hinteren linken Ecke ein Transformator. In der vorderen rechten Ecke des ca. 2,80 m breiten und ca. 5,50 m langen Raumes befindet sich eine sogenannte Mittelspannungsschaltanlage in Form eines Hochschrankes mit den Grundmaßen 1400 mm x 720 mm und einer Höhe von 1920 mm. Dieser Schrank ist nach oben hin offen. Vor Beginn der Arbeiten wurde der in der hinteren linken Ecke befindliche Transformator freigeschaltet und die Niederspannungsverteilung mit Isoliertüchern abgedeckt. Die in der rechten vorderen Ecke befindliche Mittelspannungsverteilung wurde hingegen nicht freigeschaltet, sondern blieb unter einer Spannung von 10.000 Volt. Der Kläger und der Zeuge K wurden in die von ihnen durchzuführenden Arbeiten eingewiesen, wobei der Inhalt der Einweisung zwischen den Parteien streitig ist. Anschließend verließen die Beklagten zu 2) und 3) die Umspannstation. Nachdem der Kläger und Herr K mit den Arbeiten begonnen hatten, kam der Kläger aus nicht aufzuklärenden Gründen mit den spannungsführenden Teilen der 10.000 Volt-Mittelspannungsanlage in Berührung und erlitt einen Stromschlag. Der Kläger ist aufgrund dessen für den Rest seines Lebens körperlich schwer geschädigt. Er erlitt Verbrennungen zweiten und dritten Grades am rechten Oberarm, einen hypoxischen Hirnschaden und erblindete. Der Kläger ist ständig auf fremde Hilfe angewiesen und muß rund um die Uhr betreut werden. Wegen der weiteren Einzelheiten der klägerischen Beeinträchtigungen wird auf den Vortrag in der Klageschrift (Bl. 6 ff, d.A.) Bezug genommen.</p><span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger behauptet, der Beklagte zu 2) habe ihm und Herrn K zu Beginn der Arbeiten mitgeteilt, sie sollten selbst entscheiden, welche Arbeiten im einzelnen erforderlich seien. Nach eigenem Ermessen habe entschieden werden sollen, welche einzelnen Ausbesserungs- und Malerarbeiten durchgeführt werden sollten.</p><span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist der Ansicht, daß sämtliche Beklagten gegen die einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften verstoßen hätten. Er und der Zeuge K hätten nicht ohne Aufsicht in der Umspannstation arbeiten dürfen, solange die 10.000 Volt-Mittelspannungsverteilung stromführend gewesen sei. Alle drei Beklagten seien ihm deshalb zum Ersatz seiner materiellen und immateriellen Schäden verpflichtet.</p><span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger von den Beklagten Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, einer Schmerzensrente sowie Ersatz seiner materiellen Schäden, die er mit 24.955,12 DM beziffert. Darüber hinaus beantragt er die Feststellung, daß die Beklagten ihm zum Ersatz zukünftiger Schäden verpflichtet seien.</p><span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p><span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">1.</p><span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen dem 08.12.1994 zu zahlen.</p><span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">2.</p><span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ab dem 01.01.1995 eine jährlich vorauszahlbare monatliche Rente in Höhe von 12.000,00 DM jeweils im Voraus zum 01.01., 01.04., 01.07. und 01.10. eines jeden Jahres zu zahlen.</p><span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">3.</p><span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 24.955,12 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.</p><span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">4.</p><span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche weitere Schäden, die ihm im Zusammenhang mit dem Unfall vom 07.12.1994 in der Umspannstation W in T2 entstanden sind zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.</p><span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p><span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"> die Klage abzuweisen.</p><span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Sie behaupten, bei dem Kläger und Herrn K handele es sich um sogenannte elektrotechnisch unterwiesene Personen im Sinne der einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften. Sowohl der Kläger als auch Herr K hätten bereits in der Vergangenheit mehrfach im Bereich von Elektroanlagen gearbeitet. Beide seien auch bereits im März 1994, also ca. 1 halbes Jahr vor dem Unfall, in der Station W bei Anstreicharbeiten eingesetzt worden.</p><span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten sind schließlich der Ansicht, daß der Arbeitgeber des Klägers, die Firma T2, für die Einhaltung der einschlägigen Sicherheitsvorschriften verantwortlich gewesen sei, weil er sich hierzu bei Übernahme des Auftrages durch Anerkennung der allgemeinen Liefer- und Leistungsbedingungen der Beklagten zu 1) verpflichtet habe.</p><span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p><span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie durch mündliche Anhörung des Sachverständigen N. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen N vom 01.02.1999 (Bl. 162 ff d. A.) sowie auf das Protokoll der Sitzung vom 02.06.1999 (Bl. 222 ff d. A.) Bezug genommen.</p><span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"> <strong><span style="text-decoration:underline">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</span></strong></p><span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) dem Grunde nach gerechtfertigt, während sie hinsichtlich des Beklagten zu 3) dem Grunde nach sowie insgesamt in der Höhe nicht zur Entscheidung reif ist.</p><span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 2) haftet dem Kläger dem Grunde nach gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Denn der Beklagte zu 2) hat eine ihm gegenüber dem Kläger obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt, wodurch der Kläger an seiner Gesundheit Schaden erlitten hat.</p><span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Derjenige, der Gefahrenquellen schafft, hat die notwendigen Vorkehrungen zum Schutze Dritter zu treffen. Diese Verkehrssicherungspflicht traf in erster Linie die Beklagte zu 1) als Betreiber der Umspannstation W in T2. Allerdings brauchen Verkehrssicherungspflichten dann, wenn sie ein Unternehmen treffen, nicht sämtlich von dessen Organen erfüllt zu werden. Ausreichend – und in der Regel auch erforderlich – ist, daß die Organe die im Einzelnen zu treffenden Sicherungsmaßnahmen auf nachgeordnete Mitarbeiter übertragen. Die Verkehrssicherungspflicht des Unternehmens selbst beschränkt sich dann auf Organisationsmaßnahmen, uns zwar die Delegation der Pflichterfüllung auf die nachgeordneten Mitarbeiter und auf eine Überwachung derselben (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 1983, S. 862 m.w.N.). Derjenige, auf den in diesem Sinne die Verkehrssicherungspflicht delegiert worden ist, wird mit der Übernahme selbst deliktsrechtlich verantwortlich (vgl. Palandt-Thomas, BGB, 58. Auflage, § 823 Randnummer 59 f). Dem Beklagten zu 2) war seitens der Beklagten zu 1) die Aufgabe übertragen worden, den Kläger und Herrn K in die durchzuführenden Arbeiten einzuweisen und die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zu gewährleisten. Es ist also die zunächst die Beklagte zu 1) in vollem Umfang treffende Verkehrssicherungspflicht in diesem Umfang auf den Beklagten zu 2) übertragen worden. Er war deshalb gegenüber dem Kläger verkehrssicherungspflichtig.</p><span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Diese ihn aus den genannten Gründen treffende Verkehrssicherungspflicht hat der Beklagte zu 2) schuldhaft verletzt. Im Ansatz zutreffend weisen die Beklagten allerdings darauf hin, daß nicht für alle denkbaren, entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden muß. Vielmehr sind nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs im Rahmen des zumutbaren geeignet und erforderlich sind, aus Gefahren von Dritten tunlichst abzuwenden. Dabei wird für Gewerbebetriebe die Verkehrssicherungspflicht durch die einschlägigen DIN-Vorschriften und Unfallverhütungsvorschriften konkretisiert (vgl. Palandt/Thomas, § 823, Randnummer 58). Die DIN-Regeln und Unfallverhütungsvorschriften sind somit zwar keine Schutzgesetzte im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, worauf die Beklagten im Schriftsatz vom 01.04.1999 (Bl. 207 d. A.) zu Recht hinweisen. Sie konkretisieren aber die im Rahmen des § 823 Abs. 1 maßgeblichen berechtigten Verhaltenserwartungen des Verkehrs gegenüber dem Sicherungspflichtigen.</p><span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Aus dem Vorgenannten folgt, daß die in der Umspannstation befindliche, Mittelspannungsverteilung hätte freigeschaltet werden müssen, bevor der Kläger und Herr K mit ihren Arbeiten begannen. Der Sachverständige N weist in seinem schriftlichen Gutachten (dort Bl. 11) sowie in seiner mündlichen Anhörung in diesem Zusammenhang auf Ziffer 11.1.1. der DIN VDE 0105 Teil 1 hin. Nach dieser Norm ist, bevor Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile vorgesehen werden, zu prüfen, ob es nicht zweckmäßiger ist, den spannungsfreien Zustand dieser Teile herzustellen und sicherzustellen, wobei unerheblich ist, ob die durchzuführenden Arbeiten von elektrotechnischen Laien oder elektrotechnisch unterwiesenen Personen durchgeführt werden sollen. Die einschlägige DIN-Vorschrift erfordert also in erster Linie das Freischalten der Anlage, die anderen in der DIN 0105 sowie in der einschlägigen Unfallverhütungsvorschrift VGB 4 vorgesehenen Maßnahmen (Abdecken der spannungsführenden Teile, Abschrankung, ständige Anwesenheit einer Elektrofachkraft) sind erst dann in Betracht zu ziehen, wenn ein Freischalten der Anlage unterbleiben muß, weil hierfür ein zwingender Grund – etwa die Versorgung eines Krankenhauses – vorliegt. Die Kammer schließt sich dieser sich bereits aus dem Wortlaut von Ziffer 11.1.1. der DIN VDE 0105 ergebenden Auslegung an. Hierdurch werden entgegen der Auffassung der Beklagten die an die Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht zu stellenden Anforderungen nicht überspannt. Wie bereits dargelegt, hat der Verkehrssicherungspflichtige im Rahmen des zumutbaren diejenigen Maßnahmen zu treffen, durch die die von der Anlage ausgehenden Gefahren möglichst nachhaltig beseitigt werden. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß die mit Arbeiten in der Nähe von stromführenden Teilen verbundenen Gefahren am Besten dadurch verhindert werden, daß vor Beginn der Arbeiten das Gefahrenpotential vollständig dadurch ausgeschaltet wird, daß die Anlage total freigeschaltet wird. Den berechtigten Interessen des Anlagenbetreibers wird durch das Erfordernis Rechnung getragen, daß ein Freischalten dann nicht geboten ist, wenn hierfür zwingende Gründe vorhanden sind. Für das Vorliegen solcher Gründe haben die Beklagten auch unter Berücksichtigung ihres Schriftsatzes vom 20.07.1999 (Bl. 239 ff d. A.) jedoch nichts vorgetragen. Der von der Beklagten beauftragte Sachverständige Herr Dipl.-Ing. H. T3 weist in diesem Zusammenhang lediglich darauf hin, daß unnötige Schalthandlungen zu Fehlschaltungen oder Störungen im Betriebsablauf führen können und deshalb „oft zeitaufwendig und damit unwirtschaftlich“ sind. Die abstrakte Möglichkeit, daß es durch das Freischalten von Anlagen zu Fehlschaltungen und Störungen im Betriebsablauf kommen kann, ist aber nicht geeignet, als zwingender Grund im oben dargestellten Sinne zu dienen. Denn eine solche Auslegung würde letztlich dazu führen, daß Ziffer 11.1.1. der DIN VDE 0105 vollständig leer liefe. Denn wenn stets die abstrakte Gefahr besteht, daß es zu Fehlschaltungen und Störungen im Betriebsablauf kommt und dies ausreichen würde um das Nichtfreischalten der Anlage zu rechtfertigen, dann könnte der Anlagenbetreiber sich in jedem Einzelfall auf die genannte abstrakte Möglichkeit von Fehlschaltungen und Störungen im Betriebsablauf berufen. Ein zwingender Grund für das Nichtfreischalten der Anlage vor Beginn von Arbeiten an dieser ist vielmehr erforderlich, daß im Einzelfall eine konkrete Beeinträchtigung droht, die es rechtfertigt, ausnahmsweise die Anlage unter Strom zu belassen. Hierfür ist aber seitens der Beklagten nicht vorgetragen. Der Sachverständige N weist sogar in seiner mündlichen Anhörung darauf hin, daß es sich bei der streitgegenständlichen Anlage um eine solche im „Stichbetrieb“ handelt. Bereits daran ließe sich erkennen, daß die Anlage nicht sehr wichtig gewesen sein kann, weil andernfalls der sogenannte „Ringbetrieb“ gewählt worden wäre. Derr Beklagte zu 2) hat sich also deshalb fahrlässig verhalten, weil er als zuständiger Netzbetriebsmeister, auf den die Beklagte zu 1) ihre Verkehrssicherungspflicht delegiert hatte, nicht dafür gesorgt hat, daß die Umspannstation W vollständig freigeschaltet worden ist.</p><span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Da der Beklagte zu 2) bereits aus diesem Grunde seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat, kommt es auf die Frage, ob die vom Kläger und Herrn K durchzuführenden Arbeiten nicht zumindest unter ständiger Aufsicht einer Elektrofachkraft hätten durchgeführt werden müssen, nicht an. Ergänzend weist die Kammer allerdings darauf hin, daß trotz der Einwendungen der Beklagten gegen die Einschätzung des Sachverständigen auch sie die Auffassung vertritt, daß angesichts der konkret durchzuführenden Arbeiten (insbesondere unter Zuhilfenahme einer Leiter) die konkret getroffenen Vorsichtsmaßnahmen unzureichend waren. Entweder hätte der Beklagte zu 2) oder eine andere Elektrofachkraft die Anstreicharbeiten ständig beaufsichtigen müssen oder es hätte zumindest dafür gesorgt werden müssen, daß der nach oben hin offene Schaltschrank vollständig abgedeckt wurde. Beides ist nicht geschehen. Wie bereits dargelegt, kommt es hierauf jedoch letztlich deshalb nicht an, weil das allein verkehrsgerechte Verhalten in einem völligem Freischalten der Anlage bestanden hätte.</p><span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Auch die Beklagte zu 1) haftet dem Kläger dem Grunde nach aufgrund des streitgegenständlichen Unfalles auf Schadenersatz. Ein entsprechender Anspruch ergibt sowohl aus § 823 Abs. 1 BGB als auch aus § 831 BGB.</p><span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Wie bereits dargelegt, ist verkehrssicherungspflichtig in erster Linie der Betreiber den Anlage. Dieser kann zwar die Erfüllung seiner Verkehrssicherungspflichten in wesentlichen Teilen auf seine Mitarbeiter delegieren, es verbleibt jedoch stets eine Restpflicht zur Aufsicht und Kontrolle. Zudem sind organisatorische Vorkehrungen zu treffen, die die Einhaltung der Verkehrssicherungspflichten gewährleisten. Insbesondere wäre vorliegend erforderlich gewesen, daß durch die Argane des Beklagten zu 1) dafür Sorge getragen wurde, daß die Anlage vor Beginn der Malerarbeiten total freigeschaltet wurde. Daß seitens der Beklagten zu 1) dahin gehende Maßnahmen getroffen worden sind, läßt sich ihrem Vortrag in keiner Weise entnehmen.</p><span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu 1) haftet dem Kläger darüber hinaus aus § 831 Abs. 1 Satz BGB. Der Beklagte zu 2) hat in Ausführung der ihm von der Beklagten zu 1) übertragenen Verrichtung den Kläger widerrechtlich an der Gesundheit geschädigt (s. o.). Für den sogenannten Entlastungsbeweis des § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB hat die Beklagte zu 1) nichts vorgetragen.</p><span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 1) und 2) ist auch nicht etwa aufgrund der allgemeinen Lieferungs- und Leistungsbedingungen (dort Ziffer 4) ausgeschlossen. Selbst wenn die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1) überhaupt Einfluß auf ihre Sorgfaltspflichten gegenüber dem Kläger haben konnten, so hat der Arbeitgeber des Klägers durch die genannte Klausel lediglich die Gewähr dafür übernommen, daß die für ihn als Malerbetrieb einschlägigen arbeitsschutzrechtlichen und technischen Bestimmungen eingehalten werden. Für die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen hinsichtlich der von der Beklagten zu 1) betriebenen Umspannstation war der Arbeitgeber des Klägers sicherlich nicht verantwortlich.</p><span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Da die Sache hinsichtlich der Haftung der Beklagten zu 1) und 2) dem Grunde nach aus den dargelegten Gründen zur Entscheidung reif ist, während es im übrigen - wie sich aus dem ebenfalls am heutigen Tage verkündeten Hinweisbeschluss ergibt – weiteren Vortrages bedarf, hat die Kammer von der ihr in §§ 301 Abs. 1, 304 Abs. 1 ZPO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, insoweit durch Grund- und Teilurteil zu entscheiden.</p><span class="absatzRechts">33</span><table class="absatzLinks" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td><p>Dr. I1</p></td><td><p>G</p></td><td><p>Dr. I2</p></td></tr></tbody></table>
|
114,520 | arbg-essen-1999-09-10-2-bv-7497 | {
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<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">A.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten streiten über Umfang und Beschaffenheit des dem antragstellenden</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Betriebsrat vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellenden Betriebsratsbüros.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der beteiligte Arbeitgeber (= Antragsgegnerin) betreibt in mehreren Filialen in ganz Deutschland einen Wach- und Schutzdienst. Der beteiligte Betriebsrat (= Antragsteller) ist der für die Niederlassung F. gewählte, aus 7 Mitgliedern bestehende, Betriebsrat.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Betriebsrat verfügt derzeit über einen Büroraum mit einer Grundfläche von 3,20 m</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">x 3,20 m = 10,24 m². In diesem Raum befindet sich der Schrank des Betriebsrats mit einer Größe 175 cm x 40 cm, der Schrank des Schwerbehindertenvertreters mit einer Größe 91 cm x 40 cm, der Karteischrank mit einer Größe von 60 cm x 40 cm, ein Tisch von 85 cm x 50 cm, drei Stühle von jeweils 45 cm x 45 cm, ein Heizkörper von 100 cm x 10 cm, eine Anmauerung von 22 cm x 42 cm, so daß eine freie Fläche von insgesamt 7,7 m² verbleibt (vgl. Skizze Bl. 5 d.A.).</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">In diesem Büro arbeiten sowohl der Betriebsratsvorsitzende als auch der Vertrauensmann der Schwerbehinderten (Schwerbehindertenvertretung). Der Raum ist mit einer Verglasung versehen, wobei drei Fenster mit einer Breite von 0,90 m und einer Höhe von 1,50 m ab der Unterkante des Fensters mit 1,20 m den Raum zum Büro des Niederlassungsleiters bzw. zum Leiter des Büros für Alarmtechnik abschließen. Bei der Verglasung handelt es sich nicht um Doppelglas, sondern lediglich um eine einfache Verglasung. Infolge dessen ist das Betriebsratsbüro sowohl vom Büro des Niederlassungsleiters als auch vom Büro des Leiters der Alarmtechnik gut einsehbar (vgl. Bild 1 und Bild 2 in Anlagenmappe Bl. 34 d.A.).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Nachdem der Betriebsrat schon in der Vergangenheit die Befürchtung gehegt hatte, daß von den Nachbarzimmern aus Gespräche, die im Betriebsratsbüro geführt wurden, mitgehört werden könnten und auch mitgehört würden, kam es dann zu einem Vorgang, der dem Betriebsrat deutlich machte, daß tatsächlich mitgehört wurde; und zwar hatte der Betriebsratsvorsitzende gehört, daß jemand das Nachbarzimmer betreten hatte und dort verweilte. Weil der Betriebsratsvorsitzende schon den Verdacht hatte, daß dies zum Zwecke des Mithörens geschehe, sagte er zu dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden, dieser möge sich doch wenigstens ein Buch zur Hand nehmen, wenn er so faul herumsitze, damit es wenigstens so aussähe, als ob er arbeite. Prompt erhielt der Betriebsratsvorsitzende kurze Zeit später den Hinweis seines Vorgesetzten, daß die Betriebsratstätigkeit ja nur vorgeschoben werde, um untätig herumsitzen zu können. Dabei wurde ausdrücklich auf das vorgenannte Beispiel verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Mit dem vorliegenden Antrag verlangt der Betriebsrat von dem Arbeitgeber, ihm für die Betriebsratstätigkeit ein angemessenes Büro zur Verfügung zu stellen, das nicht vom Niederlassungsleiter und dem Leiter der Alarmtechnik einsehbar ist und nicht der Zugangskontrolle durch eine nicht vom Betriebsrat zu öffnende Korridortür unterliegt. Zur Begründung trägt er vor, der derzeitige Raum des Betriebsrats könne schon von seiner Größe her nicht als angemessen anerkannt werden. Aufgrund der beschränkten Grundfläche des Büros hätten Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung kaum Arbeitsmöglichkeiten, weil sie sich ständig im Wege stünden, jedenfalls dann, wenn beide anwesend seien. Überdies sei es kaum zumutbar, daß in einem derart kleinen Raum der Betriebsrat seine Sprechstunde abhalten solle. Im übrigen sei es sowohl für den Niederlassungsleiter als auch den Leiter der Alarmtechnik jederzeit möglich, aus deren unmittelbar angrenzenden Nachbarbüros durch die Fensterverglasung die Betriebsratstätigkeit zu kontrollieren und insbesondere festzustellen, wer den Betriebsratsraum betrete. Auch sei es für beide Herren ohne weiteres möglich, jederzeit den geführten Gesprächen zu folgen. Derartige Verhältnisse schlössen eine ordnungsgemäße Betriebsratstätigkeit aber aus. Sie ließen insbesondere nicht zu, daß Arbeitnehmer unbelastet das Betriebsratsbüro zur Rücksprache beträten, weil sie ständig befürchten müßten, sowohl gesehen als auch belauscht zu werden.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Schließlich gehe es auch nicht an, dass Arbeitnehmer, die den Betriebsrat aufsuchen wollten, notgedrungen eine nicht vom Betriebsrat zu öffnende Korridortür passieren müßten, so dass auch kein vom Arbeitgeber unkontrollierter Zugang zum Betriebsrats-</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">büro möglich sei.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Betriebsrat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:36px">der Antragsgegnerin aufzugeben, dem Antragsteller ein an-</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:36px">gemessenes Büro für die Betriebsratstätigkeit zur Verfügung</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:36px">zu stellen, das nicht vom Niederlassungsleiter und dem Lei-</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:36px">ter der Alarmtechnik einsehbar ist und nicht der Zugangs-</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:36px">kontrolle durch eine nicht vom Betriebsrat zu öffnende Korri-</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:36px">dortür unterliegt.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Arbeitgeber beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:36px">den Antrag zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung trägt der Arbeitgeber vor, es sei unzutreffend, daß das Betriebsratsbüro von den Nebenzimmern einsehbar sei. Tatsächlich habe der Betriebsrat nämlich sämtliche - tatsächlich vorhandenen - Fenster mit Plakaten zugehängt. Aus diesem Grund seien weder der Niederlassungsleiter noch der Leiter der Alarmtechnik in der Lage, den Betriebsrat oder sonstige dort anwesende Personen zu kontrollieren. Es sei auch unzutreffend, daß Gespräche im Büro des Betriebsrates aus den Nebenbüros mitgehört werden könnten oder mitgehört worden wären. Im übrigen verfüge der Betriebsrat über ein Büro, welches nahezu identisch sei mit dem des Niederlassungsleiters, der seinerseits auch vertrauliche Dinge zu erledigen habe. Der zur Verfügung gestellte Raum sei auch groß genug. Im übrigen verfüge der Arbeitgeber auch über kein anderes freies Büro, welches er dem Betriebsrat zur Verfügung stellen könne, alle Büroräume seien vielmehr besetzt. Dem Arbeitgeber sei es auch aus organisatorischen Gründen nicht möglich, durch eine Umsetzung die Möglichkeit zu schaffen, dem Betriebsrat ein anderes Büro zur Verfügung zu stellen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Im übrigen verschweige der Betriebsrat, daß ihm im Bedarfsfall - also beispielsweise für Sitzungen oder Besprechungen im größeren Kreis - seitens des Arbeitgebers ein gesonderter, hinreichend großer Besprechungsraum zur Verfügung gestellt werde.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Betriebsrat erwidert, der Arbeitgeber verfüge sehr wohl über ein freies Büro, nämlich über den Raum 06 in der gleichen Etage. Dieser sei im wesentlichen frei, seit der Leiter der NSL dort nicht mehr sitze. Der Raum sei zur Straßenseite gelegen. Er sei nicht nach Nebenräumen hin verglast und habe eine normale Holzeingangstür, so daß auch ein unkontrollierter Zugang zum Betriebsratsbüro möglich wäre. Die Raumgröße dort würde zudem dem Betriebsrat die Aufstellung eines zweiten Schreibtisches ermöglichen, so daß gleichzeitig mit dem Betriebsratsvorsitzenden auch der Vertrauensmann der Schwerbehinderten dort arbeiten könnte. Um die Vertraulichkeit des Gesprächs mit dem Betriebsrat zu sichern, sei auch unabdingbar, daß dieser einen Raum habe, der entweder durch seine Lage oder durch seine Bauart einigermaßen abhörsicher sei. Jedenfalls sei ein Raum ungeeignet und unzumutbar, der es ermögliche, daß der Niederlassungsleiter die Gespräche im Betriebsratsbüro verfolgen könne, weil im Nebenzimmer jedes Wort zu hören sei. Daß im übrigen auch der Niederlassungsleiter die Möglichkeit, in seinem Büro von außen beobachtet zu werden, als unzumutbar ansehe, werde daraus deutlich, daß die Fenster in seinem Büro mit Jalousien versehen seien, so daß er es selbst in der Hand habe, die Einsichtnahme in sein Büro zu verhindern. Dazu liege sein Büro am Ende des Flures und sei auch nur einseitig verglast.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsprotokolle, jeweils nebst Anlagen, Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">B.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der zulässige Antrag ist in vollem Umfange begründet.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">1. Das geltend gemachte Begehren wird von dem Betriebsrat zutreffend im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren verfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Es handelt sich um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz im Sinne der §§ 2 a Abs. 1 Nr. 1, 2 a Abs. 2, 80 Abs. 1 ArbGG.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">2. Das - im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren stets erforderliche und von Amts wegen zu prüfende (vgl. Grunsky, ArbGG, 7. Aufl. 1995, § 80 Rdz. 20 - 22; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl. 1999, § 81 Rdz. 23 - 32; Rewolle/Bader, ArbGG,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">§ 81 Erl. 1) - Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag des Betriebsrats ergibt sich daraus, daß die Beteiligten darüber streiten, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Betriebsrat ein Betriebsratsbüro zur Verfügung zu stellen, das weder vom Niederlassungsleiter noch von dem Leiter der Alarmtechnik einsehbar ist und nicht der Zugangskontrolle durch eine nicht vom Betriebsrat zu öffnende Korridortür unterliegt.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Gegen die Zulässigkeit des Antrags bestehen daher keine Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Antrag ist auch begründet. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem in seinem Betrieb gewählten siebenköpfigen Betriebsrat ein angemessenes Büro für die Betriebsratstätigkeit zur Verfügung zu stellen, das weder vom Niederlassungsleiter noch dem Leiter der Alarmtechnik einsehbar sein darf und auch nicht der Zugangskontrolle durch eine nicht vom Betriebsrat zu öffnende Korridortür unterliegt.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">1. Durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehen zwangsläufig Kosten. Da diese nach der Überzeugung des Gesetzgebers nicht nur im Interesse der Belegschaft, sondern auch im wohlverstandenen Interesse des Betriebs liegen, hat der Arbeitgeber gemäß</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">§ 40 Abs. 1 BetrVG die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen und gemäß § 40 Abs. 2 BetrVG für die laufende Geschäftsführung, die Sitzungen und Sprechstunden in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel und Büropersonal zur Verfügung zu stellen, soweit dies für die Tätigkeit des Betriebsrats erforderlich ist.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Erforderlichkeit ist dabei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls anhand der konkreten Verhältnisse des Betriebs und der sich stellenden Betriebsratsaufgaben zu bestimmen. Erforderlich sind Aufwendungen dann, wenn der Betriebsrat diese unter Anlegung eines verständigen Maßstabes für erforderlich halten konnte (vgl. BAG vom 19. April 1989 - 7 ABR 87/87 - AP Nr. 35 zu § 80 BetrVG = NZA 1989, 936 = EzA</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">§ 80 BetrVG Nr. 35).</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Dabei hat sich der Betriebsrat auf den Standpunkt eines vernünftigen Dritten zu stellen, der die Interessen des Betriebs einerseits und der Arbeitnehmerschaft und ihrer Vertretung andererseits gegeneinander abzuwägen hat (vgl. BAG vom 25. Januar 1995 - 7 ABR 37/94 - AP Nr. 46 zu § 40 BetrVG 1972 = NZA 1995, 591 = EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 73; BAG vom 11. März 1998 - 7 ABR 59/96 - AP Nr. 57 zu § 40 BetrVG 1972 = NZA 1998, 953).</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Im allgemeinen hat der Betriebsrat Anspruch darauf, seine Aufgaben in einer Art und Weise verrichten zu können, wie sie in dem betreffenden Betrieb üblich ist. Je nach dem von der Art und der Größe des Betriebs abhängenden Umfang der Aufgaben des Betriebsrats muß der Arbeitgeber diesem einen oder mehrere verschließbare Räume ständig oder zeitweise zur Verfügung stellen. Die Räume müssen so beschaffen sein, daß der Betriebsrat seine Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen kann (vgl. Bachler in BR-Info 3/1994, 8, 9 m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">2. Ausgehend von diesen Grundsätzen, gilt im vorliegenden Fall folgendes:</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">a) Darüber, daß der Betriebsrat Anspruch auf einen eigenen möblierten Raum im Gebäude des Arbeitgebers hat, besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">b) Der Betriebsrat hat Anspruch darauf, daß ihm der Arbeitgeber ein Büro zur Verfügung stellt, das nicht von außen - weder vom Niederlassungsleiter oder dem Leiter der Alarmtechnik noch von irgend einen anderen Dritten - einsehbar ist.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Für eine an seinen gesetzlichen Aufgaben ausgerichtete Arbeit des Betriebsrat ist es unabdingbar, daß das ihm vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Betriebsratsbüro von seiner Lage und Beschaffenheit her so gestaltet ist, daß von Seiten interessierter Dritter</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">- seien diese nun Vertreter des Arbeitgebers oder neugierige Arbeitnehmer - nicht von außen beobachtet werden kann, welche Arbeitnehmer (und ggf. wie lange) den Betriebsrat in dessen Büro aufsuchen und dort Anliegen vortragen. Im vorliegenden Fall ist es aber so, daß sich von den beiden angrenzenden Büros des Niederlassungsleiters und des Leiters der Alarmtechnik aus, wie sich anhand der der erkennenden Kammer vom Betriebsrat vorgelegten Fotos zweifelsfrei ergeben hat, das - ohnehin verhältnismäßig kleine - Betriebsratsbüro und alle dortigen Vorgänge mühelos beobachten lassen.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Der Betriebsrat residiert im vorliegenden Fall geradezu im sprichwörtlichen „Glashaus“. Für jeden Arbeitnehmer, der den Betriebsrat in seinem Büro aufsucht, ergibt sich die unangenehme Situation, daß er sich Vorgesetzten, über deren Maßnahmen er sich möglicherweise gerade beim Betriebsrat beschweren will, beim Vortragen seiner Beschwerde „wie auf dem Präsentierteller“ gegenüber sieht, denn diese können den betreffenden Arbeitnehmer durch die Glasfenster nebenan im Betriebsratsbüro ebenso gut beobachten wie umgekehrt Betriebsratsmitglieder und Arbeitnehmer die betreffenden Vorgesetzten, sofern letztere nicht, wie dies vorliegend zumindest dem Niederlassungsleiter möglich ist, als „Sichtblende“ zum Betriebsratsbüro eine Jalousie herablassen.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Demnach steht die Tatsache, daß das Betriebsratsbüro - wie anhand der vom Betriebsrat selbst während des vorliegenden Verfahrens gefertigten Fotografien zweifelsfrei feststeht - von zwei Seiten voll einsehbar ist, einer an den Erfordernissen des Betriebsverfassungsgesetzes orientierten Betriebsratstätigkeit diametral entgegen. Vorliegend muß nämlich jeder bei der Antragsgegnerin beschäftigte Arbeitnehmer, der den Betriebsrat aufsucht, damit rechnen, daß sein Besuch vom Niederlassungsleiter und/oder Leiter der Alarmtechnik sowohl registriert als auch optisch verfolgt wird.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">c) Im übrigen ist in Anbetracht der Tatsache, daß sich zwischen dem Betriebsratsbüro und den angrenzenden Büros von Niederlassungsleiter und Leiter der Alarmtechnik lediglich normale Glasscheiben befinden, auch aus der Sicht der erkennenden Kammer</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">(zumindest) der Verdacht begründet, daß von diesen beiden Büros aus die im Betriebsratsbüro geführten Gespräche zumindest teilweise verfolgt werden (können).</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Dabei kommt es zur Überzeugung des Gerichts nicht entscheidend darauf an, ob es richtig ist, daß - wie der Arbeitgeber behauptet hat - selbst bei gehobener Lautstärke nur ein nicht näher zuzuordnendes „Stimmengewirr“ in den beiden angrenzenden Büros vernommen werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn dem nämlich so wäre, so ergibt sich gleichwohl sowohl für das Betriebsratsmitglied als auch für alle den Betriebsrat in seinem Büro konsultierenden Arbeitnehmer in Anbetracht der erkennbar dünnen Fensterglas-Abtrennung zum Nachbarbüro zumindest subjektiv das „ungute Gefühl“, daß Niederlassungsleiter und/oder Leiter der Alarmtechnik, aber auch sonstige Personen, die sich in den beiden benachbarten Büros aufhalten, Teile des Gesprächs oder dessen vollen Wortlaut mit anhören können. So fühlt sich etwa ein Mitarbeiter, der gerade dem Betriebsrat eine Beschwerde über einen Vorgesetzten vortragen will, aufgrund der nur durch Glasscheiben vorhandenen Abtrennung zum Nebenraum zwangsläufig von dem im Nachbarraum anwesenden Vertreter des Arbeitgebers beobachtet und kann sich unter Umständen auch des Eindrucks nicht erwehren, daß dieser sein Gespräch mit dem Betriebsrat, das doch gerade vertraulich geführt werden soll, auch noch mühelos mit anhören kann.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Daher kann es dahinstehen, ob in dem Betriebsratsbüro nicht vereinzelt sogar Gespräche geführt werden, bei denen ein kundiger Beobachter, selbst wenn die Fensterfront zu den beiden Nachbarbüros hinreichend schallisoliert wäre, den Inhalt des Gesprächs schon „von den Lippen ablesen“ könnte...!</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Allein die nach Lage und Beschaffenheit des dem Betriebsrat derzeit zur Verfügung gestellten Raumes durchaus begründete subjektive Befürchtung eines jeden Mitarbeiters, der den Betriebsrat aufsucht, sein Gespräch werde von einem Vertreter des Arbeitgebers möglicherweise mitgehört, reicht im vorliegenden Fall, in dem von Seiten der beiden angrenzenden Büros zudem noch optisch jede Bewegung im Betriebsratsbüro gut beobachtet werden kann, aus, das dem Betriebsrat derzeit zur Verfügung gestellte Büro als für eine ordnungsgemäße Betriebsratstätigkeit völlig ungeeignet erscheinen zu lassen. Vielmehr lassen sowohl Lage als auch Beschaffenheit des Betriebsratsbüros derzeit nicht zu, daß Arbeitnehmer dieses unbelastet zu einer Rücksprache mit dem Betriebsrat betreten, denn sie müssen ständig befürchten, dort sowohl gesehen als auch belauscht zu werden. Die diesbezüglichen Befürchtungen des Betriebsrats sind nach den Feststellungen der erkennenden Kammer durchaus begründet.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">d) Der Betriebsrat hat ferner auch Anspruch darauf, daß das ihm vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellende angemessene Büro so beschaffen ist, daß Arbeitnehmer, die den Betriebsrat aufsuchen wollen, dies unkontrolliert tun können.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Auch wenn es sich beim Betrieb des Arbeitgebers um einen Betrieb des Wach- und Schutzdienstes handelt, in dem aufgrund der Aufgabenstellung des Unternehmens gewiß weitergehende Sicherheitsvorschriften einzuhalten sind als dies in einem anderen Betrieb üblich sein mag, geht es gleichwohl nicht an, daß der Arbeitnehmer, der den Betriebsrat aufsuchen will, dabei eine Korridortür passieren muß, die ihm nicht der Betriebsrat, sondern nur ein Vertreter des Arbeitgebers öffnen kann. Vielmehr ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmern einen einfachen Zugang zum Betriebsratsbüro zu ermöglichen, der es bedingt, daß der Betriebsrat in der Lage sein muß, selbst die Korridortür zu öffnen, durch die Mitarbeiter, die den Betriebsrat aufsuchen wollen, kommen.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Allerdings hat zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens zuletzt kein Streit mehr darüber bestanden, daß es der Arbeitgeber dem Betriebsrat ermöglichen wird, den ihn aufsuchenden Arbeitnehmern insoweit unkontrollierten Zugang zum Betriebsratsbüro zu gestatten, so daß es insoweit keiner weiteren Hinweise seitens des Gerichts bedarf.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Nach allem war, wie geschehen, zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 12 Abs. 5 ArbGG).</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Rechtsmittelbelehrung</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen Beschluß kann von dem Arbeitgeber (= Antragsgegnerin) durch Einreichung einer Beschwerdeschrift bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Beschwerde eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Für den Betriebsrat (= Antragsteller) ist gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift muß von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein; an seine Stelle können Vertreter der Gewerkschaften oder von Vereinigungen von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluß, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeschrift muß</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:36px">binnen einer Notfrist * von einem Monat</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">nach Zustellung dieses Beschlusses bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf eingegangen sein.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Sie muß den Beschluß bezeichnen, gegen den die Beschwerde gerichtet ist und die Er-</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">klärung enthalten, daß gegen diesen Beschluß die Beschwerde eingelegt wird.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist gleichzeitig oder innerhalb eines weiteren Monats nach Eingang der</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Beschwerdeschrift beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf in gleicher Form schriftlich zu begründen. Sie muß angeben, auf welche neuen Tatsachen die Beschwerde gestützt wird.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:126px">gez. B a c h l e r</p>
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114,521 | lsgnrw-1999-09-10-l-13-8-rj-23198 | {
"id": 799,
"name": "Landessozialgericht NRW",
"slug": "lsgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | L 13 (8) RJ 231/98 | 1999-09-10T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:50 | 2019-02-12T13:54:24 | Urteil | ECLI:DE:LSGNRW:1999:0910.L13.8RJ231.98.00 | <span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin begehrt eine höhere Altersrente; streitig ist dabei, ob die gem. § 22 Abs. 4 des Fremdrentengesetzes (FRG) in der ab 07.05.1996 geltenden Fassung vorgenommene Absenkung der nach § 22 Abs. 1 und 3 FRG maßgeblichen Entgeltpunkte um 40 % verfassungsmäßig ist.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die am 00.00.1938 in Rumänien geborene Klägerin siedelte 1984 in die Bundesrepublik über. Sie ist im Besitz eines Vertriebenenausweises A.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Auf den Antrag der Klägerin vom 17.10.1997 bewilligte ihr die Beklagte durch Bescheid vom 28.11.1997 ab 01.02.1998 Altersrente für Frauen bei Vollendung des 60. Lebensjahres nach § 39 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in Höhe von monatlich 1.080,76 DM. Die Entgeltpunkte für die in Rumänien zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten vom 07.08.1959 bis zum 09.10.1984 wurden dabei mit dem Faktor 0,6 multipliziert.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Dagegen legte die Klägerin am 24.12.1997 Widerspruch mit der Begründung ein, die Absenkung der nach dem Fremdrentenrecht zu berücksichtigenden Zeiten um 40 % sei u.a. wegen eines Verstoßes gegen das Gebot des Vertrauensschutzes verfassungswidrig. Die Beklagte wies durch Bescheid vom 02.06.1998 den Widerspruch zurück. Sie führte zur Begründung aus, maßgeblich für die Rentenhöhe sei das zum Zeitpunkt des Rentenbeginns geltende Recht. Hinsichtlich der in Rumänien zurückgelegten Zeiten sei die Rente nach dem FRG festzustellen gewesen. Nach § 22 Abs. 4 FRG in der Fassung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) seien die für diese Zeiten zu ermittelnden Entgeltpunkte um 40 % zu mindern gewesen. Die Regelung sei am 07.05.1986 in Kraft getreten und finde auf Renten mit Beginn ab 01.10.1996 Anwendung.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit der zum Sozialgericht Duisburg erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat ausgeführt, § 22 Abs. 4 FRG in der Fassung des WFG und § 4 Abs. 5 des Fremdrenten- und Auslandsrentenneuregelungsgesetzes (FANG) stelle eine unzulässige unechte Rückwirkung dar und sei deshalb verfassungswidrig. Ein wesentliches Element des Rechtsstaatsprinzips sei die Rechtssicherheit, die den Bürgern einen Vertrauensschutz garantiere. Das Verhalten der Organe der Bundesrepublik Deutschland habe in der Vergangenheit eine völlige Gleichstellung der Aussiedler mit bundesdeutschen Versicherten zum Inhalt gehabt. Dies habe bei den Betroffenen einen Vertrauensschutz dahingehend begründet, dass diese Gleichstellung auch zukünftig beibehalten werde. Die vorgenommene Kürzung der Fremdrentenansprüche um 40 % verletze diesen Vertrauensschutz erheblich. Dieser Eingriff sei nicht vorhersehbar gewesen. Ferner verletze die gesetzliche Regelung den Schutzbereich des Art. 14 des Grundgesetzes (GG), der jedenfalls auch Anwartschaften erfasse. Eine Halbierung der Ansprüche überschreite die Grenzen der Verfassungsmäßigkeit.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 13.10.1998 abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe bei der Rentenberechnung das Recht richtig angewandt. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin seien nicht zu teilen. Die von der Klägerin in Rumänien zurückgelegten und nach dem FRG zu berücksichtigenden Zeiten unterfielen zwar dem Schutz des Eigentums des Art. 14 Abs. 1 GG, sodass durch die Neuregelung des § 22 Abs. 4 FRG in der Fassung des WFG der Schutzbereich dieses Grundrechts betroffen sei. Bei der Neuregelung handele es sich jedoch um eine verfassungsmäßig zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Neuregelung des § 22 Abs. 4 FRG bzw. des § 4 Abs. 5 FANG verletze auch nicht Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht und auch nicht Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gleichbehandlungsgrundsatz werde insbesondere durch die Stichtagsregelung nicht verletzt. Die Neuregelung begegne schließlich auch keinen Bedenken im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG. Es handele sich um eine unechte Rückwirkung. Diese sei immer dann gegeben, wenn der Gesetzgeber an in der Vergangenheit liegende Tatbestände rückwirkend belastende Folgen anknüpfe. Die Notwendigkeit derartiger Regelungen ergebe sich aber in weiten Teilen, um geänderten gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Daher müsse es dem Gesetzgeber grundsätzlich möglich sein, Normen, die in erheblichem Umfang an in der Vergangenheit liegende Tatbestände anzuknüpfen, zu erlassen und unter Änderung der künftigen Rechtsfolgen auf veränderte Gegebenheiten mit einer Anpassung seines Normenwerkes zu reagieren. Nur so könnten bestimmte soziale Gegebenheiten in einem gewissen Sinn beeinflußt werden. Diese gesetzgeberische Notwendigkeit werde durch den Vertrauensschutz des Einzelnen begrenzt. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz gehe jedoch nicht so weit, den Begünstigten vor jeder "Entäuschung" seiner Erwartung in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage bewahren. Vielmehr müßten auf seiner Seite gewichtige zusätzliche Interessen angeführt werden können, die den öffentlichen Interessen vorgehen. Andernfalls würde der zum Ausgleich zu bringende Widerstreit zwischen den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes auf der einen Seite mit der unabweisbaren Notwendigkeit, die Rechtsordnung verändern zu können auf der anderen Seite, in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung gelöst. Damit würde der dem Gesamtwohl verpflichtete demokratische Gesetzgeber in wichtigen Bereichen durch Einzelinteressen gelähmt, das Gesamtwohl würde schwerwiegend gefährdet. Da vorliegend aufgrund der angespannten finanziellen Situation der Rentenkassen ein Einschnitt in die Leistungen der Rentenversicherungsträger in vielfältiger Weise - und auch durch die Neuregelung des § 22 Abs. 4 FRG sowie des § 4 Abs. 5 FANG - vorgenommen worden sei, habe hier der Vertrauensschutz der Klägerin hinter dem öffentlichen Interesse an einer Anpassung der Versicherungsleistungen zurückzutreten.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Gegen das am 20.10.1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.10.1998 Berufung eingelegt. Sie regt an, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Zur Berufungsbegründung verweist sie auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und bezieht sich insbesondere auf das Rechtsgutachten von Podlech/Azzola/Dieners, Die Rentenversicherung 1998, 177 ff und führt ergänzend aus: Das Sozialgericht habe hauptsächlich darauf abgestellt, dass sie für die streitigen Zeiten keine Beiträge zur bundesdeutschen Rentenversicherung erbracht habe. Dies liege bei dem Personenkreis, um den es hier gehe (Vertriebene und Aussiedler) in der Natur der Sache. Die Betroffenen hätten bis zur Aussiedlung auch gar keine Möglichkeit gehabt, Beiträge zur bundesdeutschen Rentenversicherung zu entrichten. Es sei auch nicht so, dass die FRG-Rentenanwartschaften ohne eigene Leistung der Betroffenen erworben worden seien. Das FRG knüpfe an Beschäftigungs- und Beitragszeiten im Herkunftsland der Aussiedler an. Damit stellten die FRG-Rentenanwartschaften den rentenrechlichen Ausgleich für einen großen Teil der Lebensarbeitsleistung der Fremdrentenberechtigten dar. Aus Art. 116 GG folge, dass die anerkannten Vertriebenen und Spätaussiedler in angemessener Weise an den Sozialsystemen in der Bundesrepublik Deutschland partizipieren müßten. Dazu gehöre auch, dass sie eine angemessene, ihrer gesamten Lebensarbeitsleistung entsprechende Altersversorgung erhalten müßten. Die pauschale 40 %-Kürzung verletze diese Grundsätze. Sie selbst erhalte so für 39 Arbeitsjahre lediglich eine Rente von ca. 1.000,- DM, was vollkommen unangemessen sei.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das angefochtene Urteil stelle nicht in Frage, dass es sich bei den angegriffenen Regelungen um eine sog. unechte Rückwirkung handelt, und dass die Belange des Vertrauensschutzes der betroffenen Versicherten mit den öffentlichen Belangen des Staates gegeneinander abzuwägen seien. Die vom Sozialgericht durchgeführte Abwägung sei jedoch unzureichend. Erörtert worden seien letztlich nur die fiskalischen Interessen, nicht jedoch ihre Belange des Vertrauensschutzes. Dazu gehöre einmal, dass sie mit einem derartigen Einschnitt in ihre Rentenanwartschaften schlechthin nicht habe rechnen können. Ihr könne nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber schon seit einer Reihe von Jahren Verschlechterungen in den Rechtspositionen der Aussiedler vorgenommen habe. Denn alle diese Neuregelungen hätten stets den Grundsatz beachtet, dass sie nur für den Personenkreis der Aussiedler gelten sollten, der neu in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zuziehen würde. Sie selbst habe in keiner Weise damit rechnen können, dass der Gesetzgeber 1996 mit diesem Grundsatz brechen und die Neuregelung der 40 %-Kürzung auf sie anwendbar sein würde. Zum anderen wäre zu berücksichtigen gewesen, dass diese Vorschläge erstmals im Frühjahr 1996 in die politische Debatte eingeführt und dann "Knall auf Fall" innerhalb weniger Monate vom Bundestag beschlossen worden seien. Für die rentennahen Jahrgänge hätte keine Möglichkeit bestanden, die durch die Fremdrentenkürzungen eingetretene Minderung der Rentenanwartschaften durch persönliche Vorsorge auszugleichen. Der Gesetzgeber hätte hier zumindest längere Übergangszeiten vorsehen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die verfassungsrechtliche Problematik im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG stelle sich hier nicht so sehr wegen der eingeführten Stichtage, sondern wegen einer eklatanten Ungleichbehandlung der verschiedenen Personengruppen. Insbesondere sei darauf hinzuweisen, dass die FRG-Berechtigten erheblich schlechter gestellt würden als diejenigen, die rentenrechtliche Zeiten im Beitragsgebiet zurückgelegt haben. Diese Ungleichbehandlung sei deshalb ungerechtfertigt, weil die wesentlichen Elemente der Sachverhalte jeweils gleich seien: In beiden Fällen handele es sich um Deutsche im Sinne des Art. 116 GG bzw. deutsche Staatsbürger, und in beiden Fällen seien keine Beiträge zur bundesdeutschen Rentenversicherung entrichtet worden.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13.10.1998 zu ändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 28.11.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.1998 zu verurteilen, ihr die Altersrente ohne die 40 %ige Kürzung der Entgeltpunkte für die nach dem FRG anerkannten Zeiten zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für rechtmäßig und verweist auf eine Stellungnahme des VDR vom 30.10.1998.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist, Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Sie entsprechen den nicht verfassungswidrigen Bestimmungen des § 22 Abs. 4 FRG. Es besteht daher auch keine Veranlassung, nach Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Auf der Grundlage von § 22 Abs. 4 FRG in der hier anzuwendenden Fassung vom 25.09.1996 ist die Rente der Klägerin mit dem Bescheid vom 28.11.1987 zutreffend berechnet worden. Dies bestreitet die Klägerin auch nicht. Sie rügt vielmehr, die getroffene Regelung verstoße gegen Art. 3, 14, 20 und 116 GG. Insbesondere sei mit der Übergangsregelung des Art. 6 § 4 c des Fremdrenten- und Auslandsrentenneuregelungsgesetzes (FANG) der Vertrauensschutz "rentennaher Jahrgänge", zu denen sie gehöre, nicht hinreichend berücksichtigt worden.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Geschützt ist eine Rentenanwartschaft, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet ist. Diese genießt den Schutz der Eigentumsgarantie dann, wenn sie auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruht und zudem der Sicherung seiner Existenz dient (BVerfGE 69, 272, 300). Die vom FRG Betroffenen haben gegen den Versicherungsträger in der Bundesrepublik jedoch erst durch das FRG einen vermögenswerten Rechtsanspruch erhalten. Dieses neue Recht kann keinen "größeren" Inhalt haben, als das Gesetz selbst bestimmt. Da das Gesetz das Recht erst gewährt, das von Art. 14 GG geschützt sein soll, kann es (das Gesetz selbst) den Art. 14 nicht verletzt haben. Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, daß der vom FRG gewährte Rentenanspruch jedenfalls - auch wenn es richtig sein sollte, daß ein Rentenanspruch im allgemeinen dem Privateigentum so nahe steht, daß er eigentumsähnlich ist, insbesondere dieselbe rechtliche Bestandsfestigkeit besitzt wie das privatrechtliche Eigentum - nicht, auch nicht teilweise auf eigenen Leistungen des Rentenempfängers an den Rentenversicherungsträger in der Bundesrepublik beruht und deshalb als öffentlich-rechtliche Leistung sozialen Charakters nicht den Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG genießt (BVerfGE 29, 22 ff.). Anders als in dem vom BSG am 09.09.1998 - B 13 RJ 5/98 R - entschiedenen Fall ist die Klägerin bereits 1984 in das Bundesgebiet übergesiedelt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie durch das FRG eine vermögenswerte Rechtsposition erlangt, die durch die 40%ige Kürzung eingeschränkt worden ist. Dieser Gesichtspunkt kann aber nur als ein möglicher Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes bedeutsam sein (s. u.). Ansprüche auf Sozialleistungen, die ausschließlich darauf beruhen, daß der Staat sie in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht durch Gesetz eingeräumt hat, unterfallen grundsätzlich nicht dem Schutz des Art. 14 GG. Die Fremdrente ist aber gerade ein Anspruch, der sich ausschließlich auf staatliche Fürsorge zurückführen läßt. Arbeitsleistung an sich reicht zur Begründung von nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten nicht aus, weil der Trägern der Rentenversicherung in Deutschland keine Beiträge zugeflossen sind. Schließlich können Eigenleistungen auch nicht als durch Art. 116 Abs. 1 GG gezahlt angesehen werden; denn Art. 116 Abs. 1 GG trifft lediglich eine Aussage darüber, wer den Status eines Deutschen genießt (vgl. auch BSG vom 09.09.1998, Umdruck S. 11). Die Klägerin kann gerade nicht verlangen, so gestellt zu werden, als hätte sie ihre gesamte Biographie in der Bundesrepublik zurückgelegt.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht gegeben. Bezüglich der angegriffenen Norm stand dem Gesetzgeber große Gestaltungsfreiheit zu. Die Grenze bildet insofern allein das Willkürverbot. Das BSG hat (a.a.O., Umdruck, S. 8) hierzu (zum Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz vom 24.06.1993) ausgeführt, daß der Gesetzgeber bemüht sein durfte, bei grundsätzlicher Aufrechterhaltung des Eingliederungsprinzipes des FRG eine Besserstellung gegenüber bundesdeutschen Versicherten zu vermeiden. Auch in der Literatur ist auf die nicht gerechtfertigte und verfassungsrechtlich bedenkliche Besserstellung von Aussiedlern gegenüber den Übersiedlern hingewiesen worden (vgl. Schulin, Empfiehlt es sich, die Zuweisung von Risiken und Lasten im Sozialrecht neu zu ordnen?, Gutachten für den 59. Deutschen Juristentag, 1992, E 124 f.).</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Angreifbar ist die beanstandete Norm insoweit, als sie einmal unecht zurückwirkt und dabei auch keine die Klägerin schonende Übergangsregelung enthält. Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (BVerfGE 51, 356, 362). § 22 Abs. 4 FRG in der ab 07.05.1996 geltenden Fassung i. V. mit Art. 6 § 4 c FANG in der ab 07.05.1996 geltenden Fassung wirkt insoweit unecht zurück, als Berechtigte, die vor dem Stichtag 07.05.1996 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland genommen haben, und deren Rente nach dem 30.09.1996 beginnt, eine 40%ige Kürzung hinzunehmen haben. Die Regelung hat auch die Konsequenz, daß Berechtigte, die vor dem 01.01.1991 zugezogen sind und deren Rente nach dem 30.09.1996 beginnt, erstmals von einer Kürzung erfaßt werden, und zwar dergestalt, daß die auf Grund der fremdrechtlichen Regelungen ermittelten Entgeltpunkte nicht mehr - wie bis dahin zu 100%, sondern ebenfalls nur noch zu 60% anerkannt werden (vgl. hierzu auch die Stellungnahme des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger vom 30.10.1998, S. 15, zum Rechtsgutachten Podlech/Azzola/Dieners).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Von diesen Auswirkungen ist gerade auch die Klägerin betroffen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">In diesem Punkt besteht auch der sie benachteiligende Unterschied im Vergleich zu dem vom BSG am 09.09.1998 entschiedenen Fall. Ihrem Argument, sie habe gegen die Kürzung keine ausreichende private Vorsorge mehr treffen können, kommt daher Bedeutung zu.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Dennoch halten die angegriffenen Regelung auch insoweit einer verfassungsmäßigen Überprüfung stand. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl dies unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Die Wahl des Zeitpunktes muß sich allerdings am gegebenen Sachverhalt orientieren. Zu prüfen ist, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Gestaltungsfreiraum in sachgerechter Weise genutzt, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und ob sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen läßt (BVerfGE 80, 297, 311; 87, 1, 43). Als Anknüpfungspunkt sachlich rechtfertigen läßt sich der Stichtag 07.05.1996 auf Grund der Kabinettsentscheidung über die Einbringung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes und die entsprechende Unterrichtung der Öffentlichkeit am nächsten Tage (08.05.1996). Der Einzelne kann sich auch nicht auf den Vertrauensschutz berufen, wenn sein Vertrauen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber billigerweise nicht beanspruchen kann. Zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens, den der Betroffene erleidet, und der Bedeutung, die der Gesetzgeber der Regelung zum Wohle der Allgemeinheit beimißt, muß abgewogen werden (BVerfGE 72, 141, 154 f.). Den Gesetzesmaterialien (BT- Drucks. 13/4610, S. 18 f.) ist zu entnehmen, daß die Absenkung der Tabellenwerte um 40% bei allen zukünftigen Rentenzugängen unabhängig vom Zeitpunkt des Zuzuges gerade zur Erhaltung der Akzeptanz der Leistungen nach dem FRG dienen sollte. Das mit der Fremdrentengesetzgebung verfolgte Ziel, die Vertriebenen und Spätaussiedler , die infolge der Auswirkungen des zweiten Weltkrieges ihre soziale Sicherheit verloren hatten, in das Rentenversicherungssystem der Bundesrepublik einzugliedern, sei weitestgehend erreicht. Die ein relativ hohes Rentenniveau sichernden Leistungen seien nur für eine Übergangszeit konzipiert worden. Diese sei über 50 Jahre nach dem Ende des Krieges und nach der Wiedervereinigung bestimmt überschritten. Außerdem wurde die getroffene Regelung als ein nicht unerheblicher Beitrag zur Ausgabenbegrenzung und damit zur Stärkung der Rentenversicherung angesehen. Die seit dem zweiten Halbjahr 1995 ungünstig verlaufende wirtschaftliche Entwicklung diente allgemein zur Begründung des eingebrachten Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes, welches ein Bündel an Maßnahmen vorsah. Von diesen konnte die gesetzliche Rentenversicherung nicht ausgeschlossen werden. Diese Gründe wiegen nach Auffassung des Senats schwerer als der Vertrauensschutz, welcher der Klägerin zuzubilligen ist. Sie wird sich entgegenhalten lassen müssen, daß bei dem gebotenen Sparzwang gerade dort angesetzt werden konnte, wo nur schwer verständliche Vergünstigungen (vgl. Schulin a.a.O.) vorlagen. Die Aussiedler, die wie die Klägerin von der Regelung betroffen sind, haben im maßgeblichen Zeitraum überhaupt keine Beiträge zur deutschen Rentenversicherung abgeführt. Es war auch gerechtfertigt, die Lohn- und Beitragsbezogenheit der Renten zu stärken.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Schließlich war es aus Sicht des Senats auch nicht geboten, eine schonendere Übergangsregelung für die sog. rentennahen Jahrgänge, zu denen die Klägerin zählt, zu treffen. Bei der Ausgestaltung einer Übergangsregelung steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Zwischen der sofortigen, übergangslosen Inkraftsetzung des neuen Rechts und dem ungeschmälerten Fortbestand begründeter subjektiver Rechtspositionen sind vielfache Abstufungen denkbar. Der Nachprüfung durch das BVerfG unterliegt nur, ob der Gesetzgeber bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs einerseits und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenze der Zumutbarkeit überschritten hat (BVerfGE 76, 256 (362) unter Hinweis auf BVerfGE 21, 173 (183); 43, 242 (288 f.); 51, 356 (368 f.); 67, 1 (15 f.)). Da die getroffene Regelung hier jedoch schnell greifen sollte, um die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung für alle zu erhalten und der Arbeitsmarktlage und der ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen, konnte der Gesetzgeber die getroffene Übergangsregelung wegen des ihm eingeräumten großen Gestaltungsspielraums auch wie geschehen treffen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.</p>
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114,522 | lsgnrw-1999-09-10-l-3-ra-4598 | {
"id": 799,
"name": "Landessozialgericht NRW",
"slug": "lsgnrw",
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"level_of_appeal": null
} | L 3 RA 45/98 | 1999-09-10T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:50 | 2019-02-12T13:54:24 | Urteil | ECLI:DE:LSGNRW:1999:0910.L3RA45.98.00 | <span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Streitig ist, ob der Klägerin von Januar 1992 bis Januar 1997 eine höhere Rente zusteht.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die am ...1930 geborene Klägerin ist Mutter zweier 1955 und 1960 geborener Kinder. Auf ihren Antrag vom 23.03.1990 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 03.05.1990 vorgezogenes Altersruhegeld wegen Arbeitslosigkeit ab 01.08.1990 in Höhe von 452,10 DM (423,17 DM netto). Dem Versicherungsverlauf zum Bescheid vom 03.05.1990 sind u.a. Kindererziehungszeiten von 13 Monaten, 6 Monate mit Pflichtbeiträgen mit Kindererziehung sowie weitere 5 Monate der Zahlung freiwilliger Beiträge mit Kindererziehung zu entnehmen. Die Auswertung der gespeicherten Zeiten ergab eine Summe der anzurechnenden Monate von 303 sowie einen persönlichen Vomhundertsatz von 45,24.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Diese Rente stieg bis auf 613,76 DM monatlich im Januar 1997 an.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Im Februar 1997 beantragte die Klägerin Regelaltersrente wegen vollendetem 65. Lebensjahr, die ihr mit Bescheid vom 04.04.1997 ab Februar 1997 in Höhe von 838,87 DM (775,54 DM netto) bewilligt wurde. Der dieser Bewilligung zugrundegelegte Versicherungsverlauf enthält im Zeitraum von Oktober 1955 bis Juni 1961 24 Monate Pflichtbeiträge für Kindererziehung sowie eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vom 01.09.1955 bis zum 30.06.1970. Als belegungsfähige Kalendermonate sind 427 Monate ausgewiesen, als Summe der persönlichen Entgeltpunkte 17,9744.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein und trug vor, sie habe nach dem SGB VI nunmehr 35 Jahre rentenrechtlicher Zeiten, bei deren Berücksichtigung ihr bereits ab 01.08.1993 Altersruhegeld für langjährig Versicherte und ab 01.01.1992 Altersrente für Frauen zugestanden hätte. Die Beklagte wäre im Rahmen ihrer Aufklärungspflicht gehalten gewesen, auf eine Antragstellung hinzuwirken. Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, daß entsprechende andere Renten innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des Monates hätten beantragt werden müssen, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt waren; bei späterer Antragstellung beginne die Rente erst ab dem Antragsmonat, hier also im Februar 1997. Da der Widerspruch gegen den ursprünglichen Bewilligungsbescheid unzulässig sei, betrachte sie das Schreiben der Klägerin als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 18.07.1997 lehnte die Beklagte sodann die rückwirkende Gewährung einer Altersrente für Frauen ab 01.01.1992 sowie eine Altersrente für langjährige Versicherte ab 01.08.1993 mit der Begründung ab, eine Verletzung der Aufklärungspflicht sei nicht erkennbar.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Ihren Widerspruch hiergegen begründete die Klägerin damit, sie habe erst durch den Rentenbescheid vom 04.04.1997 erfahren, daß sie nach dem Rentenreformgesetz 1992 35 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten habe. Dies sei nach dem Bescheid vom 03.05.1990 unter Berücksichtigung der damals geltenden Vorschriften des AVG nicht der Fall gewesen. Für sie sei daher nicht erkennbar gewesen, bereits ab 01.01.1992 die Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente nach § 39 SGB VI erfüllt zu haben. Hierauf habe die Beklagte hinweisen müssen, damit ein Rentenantrag rechtzeitig hätte gestellt werden können.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.1997 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Ihre Klage hat die Klägerin damit begründet, die Rentenversicherungsträger sollten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, daß Leistungen beansprucht werden könnten. Ein solcher Fall habe bei ihr vorgelegen, da sie selbst aus dem Rentenbescheid von 1990 nicht habe erkennen können, daß sie 1992 35 Jahre rentenrechtlicher Zeiten aufweisen werde.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Mit Urteil vom 30.04.1998 hat das Sozialgericht der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Regelaltersrente ab dem 01.08.1995 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Voraussetzungen eines Herstellungsanspruches für die Gewährung einer Altersrente für Frauen zum 01.01.1992 bzw. eine Altersrente für langjährig Versicherte, für die die Klägerin ab 01.08.1993 die übrigen Voraussetzungen erfüllt habe, hat das Sozialgericht mangels eines für die Beklagte erkennbaren Beratungsbegehrens nicht als erfüllt angesehen. Der Beklagten als Träger in einer Massenverwaltung könne nicht abverlangt werden, sämtliche Rentenfälle ab dem 60. Lebensjahr individuell auf die jeweils in Betracht kommenden Umwandlungsmöglichkeiten hin zu überprüfen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Ein Herstellungsanspruch hinsichtlich der rechtzeitigen Beantragung der Regelaltersrente bestehe jedoch unter Berücksichtigung von § 115 Abs. 6 SGB VI. Danach sollten die Träger der Rentenversicherung in geeigneten Fällen darauf hinweisen, daß die Versicherten eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Hierfür genüge es jedoch nicht, daß die Versicherten nicht ausreichend informiert seien und deshalb ein Antrag nicht gestellt werde. Es müsse vielmehr auch ein geeigneter Fall vorliegen. Dies sei nur dann anzunehmen, wenn das Bestehen einer Hinweispflicht ohne umfang reiche individuelle Prüfungen oder weitere Tatsachenfeststellungen möglich sei. Für einen allgemeinen Hinweis geeignet seien Fälle dann, wenn der betreffende Personenkreis schon festgestellt oder aufgrund gespeicherter Tatbestandmerkmale mittels einfachen Computerprogrammes ermittelt werden könne. Wenn ausschließlich die Erreichung einer Altersgrenze, wie hier bei der Klägerin des 65. Lebensjahres, für die Zugehörigkeit zum betroffenen Personenkreis ausschlaggebend sei, liege ein geeigneter Fall vor. Die Beklagte sei daher nach § 115 Abs. 6 SGB VI verpflichtet gewesen, die Klägerin auf die Möglichkeit und, wegen des Rentenbeginns nach § 99 SGB VI, auf die Notwendigkeit hinzuweisen, die Umwandlung ihrer vorgezogenen Rente in eine Regelaltersrente rechtzeitig zu beantragen. Es sei auch kein erheblicher Mehraufwand, allen Rentenanpassungsmitteilungen an Adressaten mit vollendetem 64. Lebensjahr einen Hinweis auf die Umwandlungsmöglichkeit in Regelaltersrente zukommen zu lassen. Zweifel daran, daß die Klägerin im Falle zutreffender und rechtzeitiger Information einen rechtzeitigen Antrag gestellt hätte, bestünden nicht.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Gegen diese Entscheidung richtet sich die fristgerechte Berufung der Beklagten, mit der sie darauf hinweist, daß in der Literatur § 115 Abs. 6 SGB VI als nicht anspruchsgewährende Blankettformulierung angesehen werde. Selbst bei gegenteiliger Annahme sei unter Beachtung der vorhandenen Rechtsprechung sowie der Gesetzgebungsmaterialien deutlich, daß eine Hinweispflicht hinsichtlich der Möglichkeit, Regelaltersrente zu beantragen, nur dann bestehe, wenn die Regelaltersrente zugleich die erste Rentengewährung darstelle. So sähen es auch die ab dem 01.07.1998 in Kraft getretenen gemeinsamen Richtlinien der Rentenversicherungsträger vor.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Das "Geeignetsein" in § 115 Abs. 6 SGB VI könne bei Nachfolgerenten nur an die Voraussetzung geknüpft sein, daß in der Regel eine höhere Rente zu erwarten sei. Dies sei einer Entscheidung des BSG zu entnehmen (8 RKn 1/97). Bei bisher nach dem AVG berechneten und nach § 307 SGB VI umgewerteten Renten könnten sich zwar auch im Einzelfall höhere Rentenansprüche ergeben. Dies sei jedoch wegen des Zusammenwirkens der zahlreichen Berechnungsfaktoren nicht die Regel und von vornherein auch überhaupt nicht erkennbar. Zur Vermeidung von im Ergebnis dann doch zu keinem Vorteil führenden Hinweisen müsse also eine Probeberechnung durchgeführt werden. Solche Fälle seien nicht für Hinweise geeignet im Sinne von § 115 Abs. 6 SGB VI. Da der Beklagten aus den Versicherungsunterlagen der Klägerin zudem die zu einer höheren Rentengewährung führenden Daten ohne Nachforschung und ohne eine individuelle Neuberechnung nicht bekannt gewesen seien und aufgrund von Verwaltungserfahrungen auch nicht hätten bekannt sein müssen, sei sie zu einem Hinweis auch nicht verpflichtet gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Auf Anfrage hat die Beklagte ergänzend mitgeteilt, daß die gemeinsamen Richtlinien zu § 115 Abs. 6 SGB VI eine Hinweispflicht nur für Erstbezieher von Renten enthalten. Mit der Akte der Klägerin habe sich zwischen Januar 1992 und Februar 1997 kein Sachbearbeiter persönlich befaßt und auch nicht befassen müssen. Die Umwertung der Rente nach § 307 SGB VI wie auch die Neufeststellung nach Art. 82 RRG 92 zum 01.01.1992 sei maschinell durchgeführt worden. Es sei durch aus möglich, Versicherte kurz vor Vollendung des 65. Lebensjahres mit Mitteln der EDV zu bestimmen und auf die Möglichkeit einer Antragstellung hinzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Differenz zwischen der Höhe der nach dem AVG berechneten und ab 01.08.1990 gezahlten Rente und der nach SGB VI in der Fassung des WFG berechneten Rente ab 01.02.1997 beruhe in erster Linie auf der Anwendung von § 262 SGB VI, beeinflußt durch die Bewertung der beitragsfreien Zeiten im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung sowie der Bewertung der Beitragszeiten/Ausbildungszeiten bis Dezember 1956.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Das Ineinandergreifen der Faktoren sei kompliziert. Zu einer konkreten Aussage, ob die SGB VI-Rente höher als die AVG-Rente ausfallen würde, habe es daher grundsätzlich einer vollständigen Rentenberechnung bedurft. 0hne Rentenberechnung könne allenfalls die Vermutung bestehen, daß sich die eine oder andere Regelung nach dem SGB VI günstiger aus wirken könne als die entsprechende Regelung des AVG.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Beklagten sei in der Zeit nach Verabschiedung des SGB VI von Anfang an klar gewesen, daß die Berechnung einer Regelaltersrente nach dem SGB VI je nach Wirkung der einzelnen Berechnungsfaktoren in dem einen Fall zu einer höheren und dem anderen Fall zu einer niedrigeren Rente führen konnte, wobei eine Verringerung sich jedoch nicht in einer niedrigeren Leistungsgewährung habe auswirken können, da die Entgeltpunkte nach § 88 SGB VI geschützt blieben. Diesbezügliche Erkenntnisse hätten den Mitarbeitern der Beklagten seit Anfang 1990 zur Verfügung gestanden und seien - etwa bei Beratungsgesprächen - verwertbar gewesen. Zum Verhältnis der Fälle, in denen eine rechtzeitig in Anspruch genommene Regelaltersrente über bisher bezogene Renten liegen würde, lägen keine Erkenntnisse vor. Derzeit noch nicht berechnet seien etwa 300.000 Fälle.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30.04.1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Sie ist weiter der Meinung, daß die Beklagte verpflichtet gewesen sei, ihr bei Vollendung des 65. Lebensjahres einen Hinweis auf die Möglichkeit einer Umwandlung von vorgezogenem Altersruhegeld in Regelaltersrente nach dem SGB VI zu erteilen. Dies habe sie durch elektronische Datenverarbeitung sicherstellen können. Eine weitergehende Prüfung sei, da sämtliche Versicherungsunterlagen bereits vorgelegen hätten, nicht erforderlich gewesen. Wegen Verletzung einer sonach bestehenden Hinweispflicht sei die Beklagte verpflichtet, ihr rückwirkend ab dem 01.08.1995 die entgangenen höheren Rentenbezüge nachzuzahlen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Urteil zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 18.07.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.11.1997 aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung einer Regelaltersrente ab dem 01.08.1995 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen verurteilt.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Dieser Anspruch steht der Klägerin trotz Versäumung der Antragsfrist aus § 99 Abs. 1 SGB VI zu, da sie als Rechtsfolge eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches in Verbindung mit § 115 Abs. 6 SGB VI so zu stellen ist, als hätte sie den Antrag auf Regelaltersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres, deren übrige Voraussetzungen im August 1995 vorlagen (§§ 35, 50 SGB VI), rechtzeitig gestellt.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Verletzung einer Hinweispflicht aus § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI ist unabhängig von einem wegen einer konkreten Aktenbearbeitung bestehenden Beratungsanlaß prinzipiell geeignet, einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auszulösen (BSG B 5 RJ 62/97 R vom 22.10.1998 mit weiteren Nach weisen). Der Einwand der Beklagten, bis zur Bearbeitung des Antrages der Klägerin vom Februar 1997 habe sich kein Mitarbeiter mit der Akte befaßt, ist schon aus diesem Grund unerheblich.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">§ 115 Abs. 6 SGB VI hat auch anspruchsgewährenden Charakter. Die Vorschrift verschafft jedenfalls dem als Mitglied einer Fallgruppe bestimmbaren Adressaten eines Hinweises ein subjektiv-öffentliches Recht auf dessen Erteilung, das dementsprechend den Rentenversicherungsträger verpflichtet, den Angehörigen der Fallgruppe die entsprechenden Hinweise im Regelfall ("soll") zu geben (BSG a.a.O. sowie B 5 RJ 18/98 R vom 07.07.1998 unter Anschluß an die Rechtsprechung des 13. und 8. Senates, u.a. BSG 13 RJ 23/98 vom 22.10.1996 - BSGE 79, 168 ff. = SozR 3-2600 § 115 Nr. 1 sowie 8 RKn 1/97 - BSG 81, 251 ff. = SozR 3-2600 § 115 Nr. 2; a.A. Meyer, Gemeinschaftskommentar Rd-Nr. 44 zu § 115 SGB VI ).</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Diese Hinweispflicht hängt auch nicht davon ab, daß die Rentenversicherungsträger jedenfalls im streitigen Zeitraum noch keine gemeinsamen Richtlinien nach § 115 Abs. 6 Satz 2 SGB VI erlassen hatten, sondern dies erst durch den Erlaß der gemeinsamen Richtlinien der Rentenversicherungsträger gemäß § 115 Abs. 6 Satz 2 SGB VI, in Kraft ab dem 01.07.1998, geschehen ist (hierzu Zepke, DAngVers. 1998, 448). Die Richtlinien dienen nämlich nicht dazu, eine grundsätzlich bestehende Pflicht des Rentenversicherungsträgers aus § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI auszuhebeln, ihr Ziel ist es vielmehr, eine einheitliche Verwaltungsübung zu "geeigneten Fällen" herbeizuführen (Hessisches LSG, Urteil vom 29.09.1998 - L 12 RJ 866/98 -). Ausschließlichkeitswirkung kommt ihnen keineswegs zu. Die Ansicht der Beklagten, die Hinweispflicht aus § 115 Abs. 6 SGB VI bestehe nur in Fällen der erstmaligen Beantragung, wird daher nicht durch den Hinweis gestützt, daß die gemeinsamen Richtlinien nur Fälle der erstmaligen Beantragung betreffen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Daß die Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI keineswegs nur die erstmalige Rentenbeantragung, sondern vielmehr auch den Übergang zwischen verschiedenen Rentenarten erfaßt, ist im übrigen in der Rechtsprechung anerkannt (BSG B 5 RJ 62/97 R vom 22.10.1998; Hessisches LSG, a.a.O., LSG NRW L 4 RA 70/98 (B 5 RA 40/99 R beim BSG anhängig); L 18 KN 68/96 vom 22.07.1997). Dies erschließt sich auch aus Sinn und Zweck der Vorschrift, wie die Gesetzesmaterialien belegen. Die Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI als besondere Ausprägung der allgemeinen Beratungs- und Hinweispflichten nach § 16 ff. SGB I wurde eingeführt zum Ausgleich für die Einführung des harten Antragsprinzipes aus § 99 Abs. 1 SGB VI, das für alle Rentenarten und unabhängig vom Vorbezug einer anderen Rentenart gilt. Der Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung schlug seinerzeit vor, es solle ein entsprechender Hinweis in den Fällen erfolgen, in denen es naheliege, daß Versicherte Leistungen in Anspruch nehmen wollten, wie zum Beispiel bei der Regelaltersrente und bei der Hinterbliebenenrente; dies sei ein geeigneter Bereich für eine konkrete Informationspflicht (Bundestagsdrucksache 11/5530, S. 46 zu § 116 Abs. 6 f.). Ein sachlicher Grund für eine Differenzierung zwischen erstmaligen Renten und Anschlußrenten ist auch darüber hinaus solange jedenfalls nicht ersichtlich, wie man dem Gesetzgeber nicht blank unterstellen muß, durch die Einführung von im Einzelfall übersehenen Antragserfordernissen Einsparungen vorzunehmen (BSG SozR 3-2600 § 115 Nr. 1 mit weiteren Nachweisen der unveröffentlichten Dokumente, wonach in den Beratungen zum RRG 1992 erwogen wurde, Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung könnten durchaus auch unter Nutzung der Möglichkeiten der automatisierten Datenverarbeitung von Amts wegen erbracht werden, was dann allerdings wegen der vermuteten Gefahr größerer Nachzahlungen nicht umgesetzt wurde).</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Einführung des Antragserfordernisses nach § 99 SGB VI wie dementsprechend auch die gleichfalls alle Rentenarten betreffende Hinweispflicht aus § 115 Abs. 6 SGB VI ist viel mehr mit dem Bestreben des Gesetzgebers zu erklären, den Versicherten durch die Wahl des Antragszeitpunktes ein Gestaltungsrecht einzuräumen, wie es nach dem Recht der RVO beispielsweise in § 1248 Abs. 6 RVO der Fall war. Diese Regelung sollte den Versicherten die Möglichkeit geben, weitere Beiträge für die Erfüllung einer Wartezeit oder zur Verbesserung der Rentenhöhe zu entrichten (amtliche Begründung BT-Drs. 4/2572 S. 24 zu Nr. 6). Im SGB VI fehlt eine dem § 1248 Abs. 6 RVO entsprechende Regelung. Dies hat seinen Grund darin, daß mit dem Rechtsübergang von der RVO zum SGB VI das Versicherungsfallprinzip durch das Rentenbeginnprinzip abgelöst wurde. Konsequent ist die Systematik des SGB VI für alle Rentenarten auf den Rentenbeginn, dessen Regelung vereinheitlicht werden sollte, ausgerichtet worden (Amtliche Begründung zum RRG 1992 vom 07.03.1989, Bundestagsdrucksache 11/4124, S. 175 zu § 98). Anstelle der Möglichkeit, den Zahlungsbeginn einer Rente durch die Verschiebung des Versicherungsfalls zu beeinflussen, haben die Versicherten im Recht des SGB VI nunmehr Einfluß auf Beginn und Höhe der Rente durch die Wahl des Zeitpunktes der Antragstellung (vgl. §§ 75, 77 SGB VI). Dabei hat der Gesetzgeber auch bewußt die Folgen einer späteren Antragstellung geregelt (BSG SozR 3-2600 § 115 Nr. 1 mit Nachweis der teilweise nicht veröffentlichten Materialien). Exemplarisch für eine Anspruchskonstellation, in der der Versicherte durch Wahl des Antragszeitpunktes Einfluß auf seine Rentenhöhe nehmen kann, steht § 115 Abs. 3 SGB VI, wonach die Bezieher einer Rente wegen EU oder BU bestimmen können, daß ihr Rente nicht ab Vollendung des 65. Lebensjahres als Regelaltersrente weiter geleistet wird. Es ergibt sich hieraus, daß die vom Gesetzgeber beabsichtigte Dispositionsmöglichkeit in Form der Wahl des Antragszeitpunktes gerade beim Übergang zwischen verschiedenen Rentenarten für die Versicherten von Bedeutung ist, und den in den Gesetzesmaterialien genannten Beispielen der Anträge auf Regelaltersrente und Hinterbliebenenrente bei Beachtung der gesetzgeberischen Zielsetzung hinsichtlich des Antragserfordernisses im übrigen nicht die Bedeutung beigemessen werden kann, eine Hinweispflicht solle nur bei Anträgen auf erstmalig zu gewährende Renten bestehen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Bei der Klägerin lag im hier in Betracht kommenden Antragszeitraum nach § 99 Abs. 1 SGB VI bis einschließlich Oktober 1995 ein geeigneter Fall und damit eine Hinweispflicht der Beklagten nach § 115 Abs. 6 SGB VI vor, da die Klägerin nach den bei der Beklagten bereits gespeicherten und für die Berechnung der zuvor bezogenen Rente bereits aufgearbeiteten Daten ihres Versicherungsverlaufes zu einem abgrenzbaren und mittels EDV zu bestimmenden Personenkreis von Beziehern einer nach dem AVG berechneten Rente zählte, bei dem sich in einer nennenswerten Anzahl von Fällen, wenn nicht gar typischerweise bei Beantragung der nach dem SGB VI zu berechnen den Regelaltersrente eine Besserstellung ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Besserstellung der Klägerin nach dem Recht des SGB VI gegenüber der Rentenberechnung nach dem AVG folgt aus dem Zusammenwirken verschiedener Faktoren, wie insbesondere aus der Anwendung von § 262 SGB VI, der Andersbewertung der beitragsfreien Zeiten im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung und der Bewertung der Beitrags- und Ausbildungszeiten bis Ende 1956.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Nach dem Recht des AVG (Art. II § 54 b Abs. 1 AnVNG) war die Rente nach Mindesteinkommen für nach dem 31.12.1972 eingetretene Rentenfälle in der Weise geregelt, daß der Versicherte bis zum Rentenfall mindestens 25 Jahre (300 Versicherungsmonate) ohne Zeiten der freiwilligen Versicherung und Ausfallzeiten zurückgelegt haben mußte. Die 25 Jahre mußten mit Pflichtbeiträgen und - soweit vorhanden - mit Ersatzzeiten erreicht werden. Erfüllte der Versicherte diese Voraussetzungen, wurde er bei der Rentenberechnung hinsichtlich der Pflichtbeitragszeiten vor dem 01.01.1973 so behandelt, als habe er 75% dessen verdient, was der Durchschnitt aller Versicherten verdient hatte. Dagegen bezieht die Mindestbewertung nach § 262 SGB VI alle bis zum 31.12.1991 entrichteten vollwertigen Pflichtbeiträge in die Mindestbewertung ein. Ergibt sich aus allen zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten ein geringerer Durchschnittswert als 0,0625 Entgeltpunkte je Monat, wird der Durchschnitt der bis zum 31.12.1991 vorhandenen vollwertigen Pflichtbeiträge um das 1,5-Fache, höchstens jedoch auf 75% des Durchschnittsentgelts aller Versicherten angehoben. Voraussetzung sind dabei nicht 25, sondern 35 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten. Zu den 35 Jahren mit rentenrechtlichen Zeiten zählen jetzt nicht nur Pflichtbeiträge und Ersatzzeiten, sondern auch Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung bzw. wegen Pflege, freiwillige Beiträge und Anrechnungszeiten.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hatte die in Art. II § 54 b AnVNG geforderten 25 Jahre nicht erfüllt, so daß seinerzeit eine Anhebung ihrer Pflichtbeiträge auf den 75%-Wert nicht möglich war. Durch die günstigere Bewertung der Kindererziehungszeiten, insbesondere die Einführung der rentenrechtlichen Kindererziehungspauschale, der gleichfalls eingeführten 2 Monate Anrechnungszeit wegen Schwangerschaft sowie weiterer 9 Monate einer pauschalen Anrechnungszeit profitierte die Klägerin jedoch schon zum 01.01.1992 wegen der nunmehr erreichten 35 Versicherungsjahre von dem in Art. 82 Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) vorgesehenen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten; die AVG-Rente wurde bereits für Bezugszeiten ab dem 01.01.1992 um einen Zuschlag in Höhe von 2,8013 Entgeltpunkten erhöht. Allerdings hatte Art. 82 RRG 1992 nur eine Anhebung der Pflichtbeiträge bis zum 31.12.1972 vorgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Zur für die Rentenhöhe entscheidenden Anwendung der Regelung des SGB VI zur Rente nach Mindesteinkommen in § 262 SGB VI kam es erst bei der Beantragung der Regelaltersrente nach § 35 SGB VI.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Eine Veränderung in der Bewertung der beitragsfreien Zeiten der Klägerin ergab sich insofern, als ihre 31 Monate Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit nach § 32 a Abs. 3 AVG 116,87 Werteinheiten (1,1687 Entgeltpunkte) ergab, während der Gesamtleistungswert aus der Vergleichsbewertung nach § 73 SGB VI zu einem Wert von monatlich 0,0507 Entgeltpunkten, insgesamt 1,5717 Entgeltpunkten führte. Darüber hinaus waren bei ihr erstmals bei der nach dem SGB VI in der Fassung des WFG berechneten Regelaltersrente 2 Monate Anrechnungszeit wegen Schwangerschaft sowie 9 Monate pauschale Anrechnungszeit mit dem vollen Gesamtleistungswert von 0,0596 Entgeltpunkten, insgesamt 0,6556 Entgeltpunkte hinzugekommen, was ein Plus von 1,0586 Entgeltpunkten ergab. Letztlich wirkte sich auch die Bewertung der ersten 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für Zeiten einer versicherten Beschäftigung, die als Zeiten einer beruflichen Ausbildung gelten und gleichzeitig Anrechnungszeiten darstellten (April 1946 bis April 1948 und Oktober 1948 bis August 1949) mit 0,9671 zusätzlichen Entgeltpunkten aus. Dagegen war zuvor nach § 32 Abs. 4 a AVG der Monatsdurchschnitt mit den Pflichtbeiträgen der ersten 5 Kalenderjahre höher; es gab also keine zusätzlichen Werteinheiten. Für die Ausbildungszeit (die versicherungsfrei absolvierte Lehre) gab es aus den vor dem 01.01.1965 zurückgelegten Beitragszeiten nur einen Monatsdurchschnitt von 2,93 Werteinheiten.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin wurde damit direkt insbesondere durch die er weiterte Berücksichtigung und mittelbar durch die Neubewertung ihrer Kindererziehungszeiten sowie der Berücksichtigungszeiten wegen ihrer Kindererziehung nach dem SGB VI im Verhältnis zu der nach dem AVG bestehenden Rechtslage bessergestellt.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Damit gehörte sie zu der abgrenzbaren und schon vor Inkrafttreten des SGB VI, erst recht dann bei Vollendung ihres 65. Lebensjahres für die Beklagte erkennbar begünstigten Zielgruppe von Frauen mit Kindererziehungszeiten.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Bereits nach den Materialien zum RRG 1992 war nämlich der Wille des Gesetzgebers deutlich erkennbar, die Alterssicherung für Frauen zu verbessern und die Neuregelung bzw. -bewertung von Kindererziehungszeiten als Instrument dieses Vorhabens einzusetzen. Im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (BTDrs 11/5530) zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung - RRG 1992 -, der Fraktionen (BTDrs 11/4124) sowie dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BTDrs 11/4452, S. 39) heißt es auf Seite 44: "Die Mitglieder der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP führten die Mängel der für die Anrechnung von Ausfallzeiten maßgeblichen Halbbelegung (nach AVG/RVO) an. So habe das damit verbundene "Alles-oder-Nichts-Prinzip" in erster Linie Frauen aufgrund ihrer Erwerbsbiographie betroffen. Die Halbbelegung werde von jeder zweiten verheirateten Frau mit Kindern nicht erfüllt ... Das Gesamtleistungsmodell werde die Anrechnung und Bewertung beitragsfreier Zeiten (zugunsten der Frauen) auf der Grundlage des Beitrags der Versicherten zur Solidargemeinschaft regeln. Die Bewertung er folge in Abhängigkeit von der Gesamtleistung der Beitragszahlung während des gesamten Versicherungslebens, das mit dem vollendeten 16. Lebensjahr beginne und mit dem jeweiligen Versicherungsfall ende. Lücken im Versicherungsleben würden den Gesamtleistungswert mindern, wobei jedoch künftig 6 hohe Beiträge in einem Kalenderjahr nicht günstiger wirkten als 12 halb so hohe Beiträge im gleichen Zeitraum. Dieses Prinzip werde durch verschiedene Regelungen ergänzt, um sozialpolitisch nicht gewünschte Auswirkungen zu vermindern. Die nun eingeführten Kindererziehungs- und Pflegeberücksichtigungszeiten würden sich für die Gesamtleistungsbewertung so auswirken, als seien Beiträge auf der Grundlage von 75 v.H. des durchschnittlichen Entgelts der Versicherten entrichtet worden. Dies bewirke, daß durch Kindererziehung und Pflege verursachte Lücken die Gesamtleistungsbewertung nicht absenkten bzw. diese sogar erhöhten, soweit der Wert aus den übrigen Zeiten oder während dieser Zeit unter 75% liege." Weiter a.a.O., S. 49 unter der Überschrift "C Familienbezogene Elemente" heißt es: " ... Eine weitere Verbesserung sei die Einführung von Berücksichtigungszeiten für Kindererziehung und Pflege. Im Gesamtleistungsmodell werde durch die Berücksichtigungszeiten für Kindererziehung und Pflege der Gesamtleistungswert verbessert." Weiter a.a.O., S. 55: ... "Mit dem Rentenreformgesetz 1992 würden künftig auch die Pflichtbeiträge der Jahre 1971 bis 1973 in die Rente nach Mindesteinkommen einbezogen ... Voraussetzung für die Anhebung sei künftig eine 35-jährige Wartezeit, auf die jedoch - statt wie bisher bei der 25-jährigen Wartezeit - auch Kinder- und Pflegeberücksichtigungszeiten sowie Ausfallzeiten und freiwillige Beitragszeiten angerechnet würden. Man gehe davon aus, daß sich dies für Frauen mit Kindern als eine Erleichterung der Zugangsvoraussetzungen auswirke." Eine Ausweitung des Rentenvolumens war ebenso deutlich bereits vom Gesetzgeber gesehen worden. In der a.a.O., Bl. 94, eingefügten Tabelle zu den finanziellen Auswirkungen von Einzelmaßnahmen wird hinsichtlich der Neuordnung der beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten ein jährlicher Mehrbedarf von zwischen 100 und 600 Millionen für die Jahre 1993 bis 2010 angenommen.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die familienpolitische Zielsetzung wie auch die hierauf zurückzuführenden zu erwartenden finanziellen Auswirkungen fanden in der Fachliteratur eine der Bedeutung des Gesetzgebungsvorhabens entsprechende Resonanz (vgl. statt anderer: Tureck, Entwurf eines Rentenreformgesetzes 1992, Die Angestelltenversicherung 1989, 365 f.; RRG 1992: Auswirkungen auf die Anwartschaftsstruktur der Versicherten, Die Angestelltenversicherung 1990, 93 f.).</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Insbesondere war der durch die Anrechnung von Kindererziehungszeiten entstehende finanzielle Mehrbedarf erkannt und hinsichtlich seiner unzureichenden Deckung kritisiert worden: "Weder im SGB VI (Art. 1 RRG 1992) noch in den übrigen Artikeln des RRG 1992 ist eine konkrete Verpflichtung enthalten, daß der Bund die Aufwendungen sowohl aus der Anrechnung von Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI) als auch von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 Abs. 1 SGB VI) zu tragen hat. Lediglich im allgemeinen Teil der Begründung des Entwurfes eines RRG 1992 (BTDrs 11/4124) finden sich auf Seite 142 Ausführungen, wonach "vorgesehen ist, daß die Aufwendungen für Zeiten der Kindererziehung künftig nicht mehr vom Bund erstattet werden, sondern der Bundeszuschuß zur Abgeltung dieser Aufwendungen im Jahre 1992 zusätzlich um die Aufwendungen für Kindererziehungszeiten im Jahre 1991 in Höhe von voraussichtlich 4,8 Milliarden DM erhöht wird" ... Die gewiß nicht geringen Aufwendungen der Versicherungsträger aus der Anrechnung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung, die in dem Betrag von 4,8 Milliarden DM nicht enthalten sein können, werden nicht erwähnt" (Tureck, a.a.O.). Zur Abschätzung der sich ergebenden Veränderungen der Anwartschaftsstruktur der Versicherten wie auch des damit einhergehenden Finanzbedarfes wurde auf der Basis des Rentenzugangs aus dem Jahre 1988 eine Stichprobenrechnung in 90.000 Fällen und damit im Umfange von rund 17% des gesamten Rentenzuganges dieses Jahres in der Arbeiterrentenversicherung und der Angestelltenversicherung durchgeführt. Hierbei wurde festgestellt, daß die zu erwartenden Auswirkungen auf das Anwartschaftsvolumen insgesamt und damit auf die durchschnittlichen Rentenhöhen als eher gering einzustufen seien. So sei davon auszugehen, daß sich das Anwartschaftsvolumen im Rentenzugang kurzfristig lediglich um etwa 1 bis 2% erhöhen werde. Anders als die eher geringen globalen Effekte der Neuregelung zunächst erwarten ließen, müsse allerdings mit spürbaren Auswirkungen auf die individuellen Rentenanwartschaften gerechnet werden. Für den Rentenzugang 1992 er gäben sich insbesondere für die Frauen durch die Maßnahmen des RRG 1992 zum Teil erhebliche Steigerungen der Anwartschaften im Vergleich zum alten Recht, und zwar für die Frauen der Arbeiterrentenversicherung in Höhe von 7,9% und für die Frauen der Angestelltenversicherung in Höhe von 3,3%. Zu Beginn der Übergangsphase 1992 führten die Neuregelungen des RRG 1992 für knapp 38% der Männer und für mehr als 54% der Frauen zu einer Anwartschaftserhöhung. Dagegen ergäben sich für 35% der Männer, aber nur für 17% der Frauen Anwartschaftsminderungen. Erheblich höher (als bei den Männern) fielen die durchschnittlichen Erhöhungs- und Minderungsbeträge bei den Frauen aus. Aufgrund der im Regelfall geringeren Rentenanwartschaften der Frauen führe dies zu relativen Änderungen in beachtlicher Höhe. Zu Beginn der Übergangsphase belaufe sich der durchschnittliche Erhöhungsbetrag für die bessergestellten Frauen auf 83,-- DM bzw. 12% der für diesen Personenkreis ermittelten Durchschnittsrente nach geltendem Recht. In diesem Zusammenhang sei auf das mit der Rentenreform verbundene Ziel hinzuweisen, die rentenrechtliche Sicherung von denjenigen Personen zu verbessern, die aus familiären Gründen ihre Erwerbstätigkeit eingeschränkt oder gänzlich auf eine solche verzichtet hätten. Zu nennen sei hier zunächst die Ausdehnung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten, dann die Einführung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung oder -pflege und sodann die Gesamtleistungsbewertung. Daß die familienbezogenen Maßnahmen einen erheblichen Einfluß auf die Entwicklung der Anwartschaftsstruktur hätten, werde erkennbar, wenn man in der Gruppe der Frauen eine Unterscheidung danach vornehme, ob Kindererziehungszeiten vorlägen. Hier zeige sich verstärkt eine Anwartschaftserhöhung durch das RRG 1992 bei Frauen, für die Kindererziehungszeiten angerechnet würden. Dies betreffe sowohl die Anteilswerte als auch den Umfang der Anwartschaftsveränderung. So führe die Neuregelung des RRG 1992 zu Beginn der Übergangsphase (ab 1992) für rund 56% der Frauen mit Kindererziehungszeiten zu Anwartschaftserhöhungen im Vergleich zu den rund 49% der Frauen ohne Kindererziehungszeiten. Dem stünden Anwartschaftsminderungen bei knapp 14% der Frauen mit Kindererziehungszeiten und bei rund 29% der Frauen ohne Kindererziehungszeiten gegenüber (Reimann/Tenbusch, a.a.O. mit Zusammenstellung der Einzeldaten).</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Bei der aufgrund der bereits gespeicherten Zeiten und Altersdaten mit Mitteln der EDV daher leicht abgrenzbaren Gruppe von Frauen mit Kindererziehungszeiten wie der Klägerin handelt es sich damit seit Veröffentlichung der Gesetzesmaterialien erkennbar um einen abstrakt bestimmbaren Adressatenkreis eines Hinweises auf der Grundlage von § 115 Abs. 6 SGB VI, bei dem die Beklagte dementsprechend zumindest bei der ebenfalls mit Mitteln der EDV leicht zu überwachenden Erreichung der Altersgrenze von 65 Jahren zum Hin weis auf eine Antragstellung verpflichtet war.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Daß sich eine Besserstellung einer absoluten Mehrheit der Antragsteller bei Stellung eines Antrages ergibt bzw. ergeben hätte, hält der Senat im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (B 5 RJ 62/97 R vom 22.10.1998) mit Rücksicht auf die eingehend beschriebenen gesetzgeberischen Zielvorstellungen nicht für ein geeignetes Kriterium zur Abgrenzung des Kreises geeigneter Fälle für eine Hinweispflicht im Rahmen von § 115 Abs. 6 SGB VI.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Verwirklichung vom Gesetzgeber zugestandener sozialer Rechte kann unter Beachtung des Auslegungszieles einer möglichst weitgehenden Verwirklichung dieser Rechte (§§ 2 Abs. 2, 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) nicht von einem Mehrheitserfordernis abhängig gemacht werden. Für diese zusätzliche, im Gesetz nicht enthaltene Voraussetzung sieht der Senat weder eine gesetzliche Grundlage noch im übrigen Notwendigkeit.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Dies gilt um so mehr, als sich die Frage, ob es im Einzelfall tatsächlich zu einer Besserstellung infolge der Antragstellung kommt, wegen der Vielzahl teilweise gegenläufig wirkender Faktoren der Rentenberechnung ohnehin erst durch Berechnung im Einzelfall klären läßt, die wiederum nicht automatisch, sondern erst auf ein Auskunftsersuchen hin oder im Rahmen einer zu bearbeitenden Antragstellung durchgeführt wird. So hat die Beklagte selbst eingeräumt, keine Information zum Verhältnis der Fälle zu besitzen, in denen sich eine Besserstellung ergibt zu den Fällen, in denen dies nicht der Fall ist.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Auf eine Überlastung bei Berechnung der nach Angaben der Be klagten noch etwa 30.000 ungeklärten Fälle kann sich die Be klagte nicht berufen. Solange der Gesetzgeber sie nicht im Einzelfall (zum Beispiel bei der Aussetzung der Verpflichtungen nach § 149 Abs. 2 SGB VI durch § 274 b SGB VI bis zum 31.12.1996) von einer gesetzlichen Pflicht entbindet, ist die Beklagte gehalten, die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen personellen und sachlichen Kapazitäten sicherzustellen. Eine Überlastung durch die Abarbeitung noch etwa 300.000 "offener" Fälle hält der Senat zudem für unwahrscheinlich, nachdem es bereits 1989 mit den damals eher weniger weitreichenden Möglichkeiten und Kapazitäten der EDV möglich war, 90.000 Fälle rein probeweise durchzurechnen (Reimann/Tenbusch, a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG, die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 1 Nr. 2 SGG.</p>
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114,523 | lsgnrw-1999-09-10-l-3-rj-1798 | {
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} | L 3 RJ 17/98 | 1999-09-10T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:50 | 2019-02-12T13:54:24 | Urteil | ECLI:DE:LSGNRW:1999:0910.L3RJ17.98.00 | <span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Streitig ist die Anrechnung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Regelaltersrente des Klägers aus der gesetzlichen Rentenversicherung.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der am ...1930 geborene Kläger bezog seitens der Beklagten aufgrund einer Bewilligung von 10.08.1989 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach einem am 23.06.1989 eingetretenen Versicherungsfall.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Am 22.08.1995 beantragte er die Umwandlung dieser Rente in die Regelaltersrente.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Durch Bescheid vom 14.11.1995 bewilligte die Beklagte die Regelaltersrente anstelle der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit Beginn ab dem 01.01.1996 in Höhe von 2.378,55 DM brutto, 2.209,68 DM netto.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Bau-Berufsgenossenschaft (BG) Wuppertal bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 15.08.1996 wegen der Folgen einer Asbestose eine Rente aus der Unfallversicherung mit Leistungsbeginn am 28.02.1996 auf der Grundlage eines Jahresarbeitsverdienstes aus dem Jahr 1972 von 12.445,48 DM, fortgeschrieben zum 01.07.1996 auf 40.016,35 DM und einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % in Höhe von monatlich 442,55 DM ab dem 01.02.1996 und 444,63 DM ab dem 01.07.1996. Als Zeitpunkt des Versicherungsfalles wurde in diesem Bescheid der 27.02.1996 als Tag des Beginns der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne von § 551 Abs. 3 Satz 2 RVO angenommen. Die Nachzahlung von 3.174,790 DM für die Zeit vor Aufnahme der laufenden Zahlung ab dem 01.10.1996 wurde zunächst für einen Erstattungsanspruch der Beklagten einbehalten und später an den Kläger ausgezahlt.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 22.10.1996 hob die Beklagte den Bescheid vom 14.11.1995 ab dem 01.03.1996 wegen des Zusammentreffens seiner Altersrente mit der Rente aus der Unfallversicherung jenseits eines Grenzbetrages von 2.401,19 DM teilweise auf und bewilligte ab dem 01.12.1996 eine monatliche Altersrente in Höhe von 2.098,56 DM brutto, entsprechend 1.940,12 DM netto. Eine Überzahlung von 2.518,22 DM für die Zeit vom 01.03.1996 bis zum 30.11.1996 werde von der BG zurückgefordert; nicht erstattete Beträge seien vom Kläger zurückzuzahlen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Seinen Widerspruch begründete der Kläger unter Verweis auf § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI damit, eine Anrechnung der Unfallrente auf die Regelaltersrente dürfe nicht stattfinden, weil der Leistungsfall aus der Unfallversicherung, der 27.02.1996, nach dem Beginn der Regelaltersrente eingetreten sei. Die rückwirkende Einfügung von Satz 2 in § 93 Abs. 5 SGB VI sei für ihn nachteilig und daher unbeachtlich.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mit weiterem Bescheid vom 14.01.1997 hob die Beklagte den Bescheid vom 15.11.1995 unter Bezugnahme auf § 48 Abs. 1 SGB X teilweise auf und forderte 2.518,22 DM zur Erstattung an. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.1997 wies sie den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und berief sich auf § 93 Abs. 5 Satz 2 SGB VI in der Fassung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) vom 25.09.1996, woraus sich ergebe, daß der Zeitpunkt des Versicherungsfalls bei Berufskrankheiten der letzte Tag sei, an dem der Versicherte versicherte Tätigkeiten verrichtet habe, die ihrer Art nach geeignet gewesen seien, die Berufskrankheit zu verursachen. Maßgeblich sei daher nicht der von der Bau-BG festgestellte Leistungsfall vom 27.02.1996, sondern der Zeitpunkt der Aufgabe der letzten Beschäftigung. Da dieser Zeitpunkt vor Beginn der Altersrente liege, sei die Unfallrente auf die Regelaltersrente anzurechnen. Diese Regelung sei auf den Fall des Klägers anzuwenden, da sie rückwirkend ab dem 01.01.1992 in Kraft getreten sei.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Hiergegen hat der Kläger am 24.03.1997 Klage erhoben und das rückwirkende Inkrafttreten des § 93 Abs. 5 Satz 2 SGB VI aus rechtsstaatlichen Gründen für unbeachtlich gehalten. Er hat weiter Besitzschutz hinsichtlich des Zahlbetrages der durch Bescheid vom 10.08.1989 bewilligten Rente in Anspruch genommen und sodann eine fehlende Anhörung und Ermessensausübung vor Erlaß des Bescheides vom 22.10.1996 gerügt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat vor dem Sozialgericht darauf verwiesen, daß die Erwerbsunfähigkeitsrente bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres ungekürzt gezahlt wurde. Dies hätte auch bei Gewährung einer vorzeitigen Altersrente gegolten, da die Rente aus der Unfallversicherung erst ab dem 28.02.1996 gewährt worden sei. Die vor Erteilung des Bescheides vom 22.10.1996 unterbliebene Anhörung sei durch die Anhörung im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Eine Ermessensabwägung sei mangels eines atypischen Falles nicht erforderlich gewesen. Im übrigen hat die Beklagte an ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsaufassung festgehalten.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Mit Urteil vom 15.12.1997 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung durch Bescheid vom 14.11.1995 auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 SGB X als rechtmäßig angesehen. Durch die Bewilligung der Unfallrente sei in den zuvor maßgeblichen Verhältnissen eine Änderung eingetreten, da die Unfallrente auf die Altersrente anzurechnen sei. Eine Anrechnung finde auch in Anbetracht von § 93 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 SGB VI statt, da der von der Bau-BG angegebene Leistungsfall mit dem 27.02.1996 lediglich ein fiktiver Versicherungsfallzeitpunkt bei Berufskrankheiten und nur mit Geltung für die Leistungsvorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung sei. Für das Zusammentreffen einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung mit einer Unfallrente sei von einem Zeitpunkt des Versicherungsfalles am letzten Tag, an dem der Versicherte versicherte Tätigkeiten verrichtet habe, die ihrer Art nach geeignet waren, die Berufskrankheit zu verursachen, auszugehen. Diese nunmehr ausdrücklich in § 93 Abs. 2 Satz 2 SGB VI getroffene Regelung sei zwar erst durch Art. 1 Nr. 17 des WFG eingefügt worden. Es handele sich dabei jedoch lediglich um eine authentische Interpretation einer bereits bestehenden Rechtslage. Dies ergebe sich aus den Gesetzgebungsmaterialien. Die Kammer folge damit nicht der Auffassung des BSG (5 RJ 4/95 vom 21.06.1995, SozR 3 2600 § 93 Nr. 1; 8 RKn 9/95, 27/95 und 28/96 vom 28.05.1997).</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Eine Aufhebung sei auch ab dem gewählten Zeitpunkt möglich gewesen, da die Bewilligung der Unfallrente zur Minderung des Regelanspruches auf Altersrente geführt habe (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X). Der Kläger habe zudem aus den Hinweisen im Bescheid vom 14.11.1997 zum Zusammentreffen einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit einer Unfallrente und deren Anrechenbarkeit gewußt oder hätte zumindest erkennen können, daß eine Minderung der Regelaltersrente eintreten werde. Die Anhörung sei nachgeholt worden und Ermessen mangels eines atypischen Falles nicht erforderlich gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Gegen das Urteil richtet sich die Berufung des Klägers.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">In der mündlichen Verhandlung vom 10.09.1999 haben die Beteiligten einen den Rechtsstreit für die Zeit vom 01.03.1996 bis zum 30.09.1996 erledigenden Teilvergleich geschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Im übrigen ist der Kläger weiterhin der Meinung, das von der BG festgestellte Datum des Versicherungsfalles sei auch für die Beklagte verbindlich und eine Anrechnung daher nach § 93 Abs. 5 Ziffer 1 SGB VI nicht vorzunehmen, da die Rente aus der Unfallversicherung für einen Leistungsfall gewährt werde, der sich nach Rentenbeginn aus der gesetzlichen Rentenversicherung ereignete.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Eine rückwirkende nachteilige Gesetzesänderung sei nach rechtsstaatlichen Grundsätzen unbeachtlich und zudem unmöglich, da er aus dem Bescheid vom 10.08.1989 mit der darin enthaltenen Bewilligung einer zeitlich nicht begrenzten EU-Rente Besitzschutz genieße.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Es fehle Anhörung und Ermessensausübung.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Zudem sei die Berechnung des ruhenden Teils der Rente falsch. Der Kläger habe sich aus dem gesundheitsschädigenden Beruf vor 1973 gelöst und in einem anderen Beruf weiterhin hohe Einkünfte erzielt. Wenn nun der Grenzbetrag für das Zusammentreffen einerseits der Rente aus der Unfallversicherung und andererseits der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach einem Grenzbetrag der Unfallversicherung berechnet werde, sei dies unbillig.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Dem Bescheid vom 14.11.1995 sei auch nicht zu entnehmen, ob eine Prüfung nach § 89 Abs. 1 SGB VI oder nach § 88 Abs. 1 Satz 2 SGB VI vorgenommen worden sei. Im Ergebnis sei die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, da unbefristet bewilligt, unverändert zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches sei dem Kläger außerdem noch Altersruhegeld wegen Vollendung des 60. Lebensjahres und damit rückwirkend ab 1991 zu zahlen, weil die Beklagte ihn nicht darauf hingewiesen habe, daß er auch eine solche Rente beantragen könne.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 15.12.1997 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 22.10.1996, 14.01.1997 und 11.03.1997 zu verurteilen, das Altersruhegeld ohne Anrechnung der Unfallrente auszuzahlen, ersatzweise die Erwerbsunfähigkeitsrente gemäß §§ 88, 89 Abs. 1 SGB VI ohne Anwendung der Ruhensvorschrift zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hält die Anrechnung ab dem 01.10.1996 für rechtmäßig.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung ist unbegründet; das angefochtene Urteil bestätigt die Bescheide der Beklagten vom 22.10.1996 und 14.01.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.03.1997 im Ergebnis zu Recht.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Streitgegenstand ist nach der teilweisen Erledigung des Rechtsstreits durch den in der mündlichen Verhandlung vom 10.09.1999 geschlossenen Vergleich hinsichtlich des Zeitraumes vom 01.03.1996 bis zum 30.09.1996 nur noch die Rechtmäßigkeit der Anrechnung ab dem 01.10.1996.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Über den vom Kläger in Anspruch genommenen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch hinsichtlich einer Besserstellung bei rechtzeitiger Beantragung der ihm nach Vollendung des 60. Lebensjahres im Dezember 1990 ab 01.01.1991 zustehenden vorgezogenen Altersrente (§ 1248 Abs. 1 RVO, 37 SGB VI) ist dagegen sachlich nicht zu entscheiden, weil diese Klage unzulässig ist. Gegenstand der Klage ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat (§ 95 SGG); die Höhe von Leistungsansprüchen des Klägers vor dem 01.03.1996 war mangels einer Entscheidung der Beklagten vom ursprünglichen Klagegegenstand nicht umfaßt, eine Klageänderung ist auch nicht sachdienlich oder wegen einer Einwilligung der Beklagten zulässig (§ 99 SGG).</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Ab dem 01.10.1996 hat die Beklagter mit Recht die Rente des Klägers aus der Unfallversicherung nach Maßgabe von § 93 SGB VI auf seine Regelaltersrente angerechnet und deren Bewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X teilweise aufgehoben.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X sollen Verwaltungsakte mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlaß des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruches geführt haben würde.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">In den bei Erlaß des Bewilligungsbescheides vom 14.11.1995 maßgeblichen Verhältnissen ist eine wesentliche Änderung dadurch eingetreten, daß dem Kläger mit Bescheid der Bau-Berufsgenossenschaft Wuppertal vom 15.08.1996 eine Rente aus der Unfallversicherung mit laufender Auszahlung ab dem 01.10.1996 bewilligt worden war.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Hierdurch hat der Kläger ab dem 01.10.1996 Einkommen erzielt, das zur Minderung seines Anspruches auf Regelaltersrente führte, da die Rente aus der Unfallversicherung nach § 93 SGB VI auf seine Altersrente anzurechnen ist.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht des Klägers ist eine Anrechnung nicht bereits deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil ihm Besitzschutz hinsichtlich der ungekürzt weiterhin zustehenden Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus dem Bescheid vom 10.08.1989 zustünde.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Besitzschutz folgt nicht aus § 89 SGB VI. Diese Vorschrift setzt voraus, daß für denselben Zeitraum Anspruch auf mehrere Renten aus eigener Versicherung besteht. Dies ist beim Kläger nicht der Fall, da ihm für keinen Zeitraum mehrere Renten der Beklagten zustanden. Nach § 115 Abs. 3 Satz 1 SGB VI ist bei Versicherten, die bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen haben, anschließend eine Regelaltersrente zu leisten, wenn sie nicht etwas anderes bestimmen. Eine solche Bestimmung hat der Kläger nicht vorgenommen, er hat im Gegenteil beantragt, daß seine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in eine Regelaltersrente umgewandelt werde, was dann ab dem 01.01.1996 durch den Bescheid vom 14.11.1995 auch geschehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Besitzschutz folgt auch nicht aus § 88 SGB VI. Danach werden einem Versicherten, der eine Rente wegen Alters bezogen hat, für eine spätere Rente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrundegelegt. Hat ein Versicherter eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine Rente, werden ihm für diese Rente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrundegelegt.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Insofern ist nicht einmal vorgetragen noch wäre es sonst ersichtlich, daß der Berechnung der dem Kläger ab dem 01.01.1996 zukommenden Regelaltersrente weniger Entgeltpunkte als seiner Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zugrundegelegt wurden. Für eine Besserstellung im Rahmen von § 88 SGB VI in Verbindung mit einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zum Ausgleich einer von der Beklagten pflichtwidrig unterlassenen Anregung zur Stellung eines Antrages auf vorgezogenes Altersruhegeld wegen vorherigen Bezuges einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, bei der sich nach dem Vortrag des Klägers seine Entgeltpunkte günstiger ausgewirkt hätten als nach der Rechtslage nach Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes 1992, fehlt es an tatsächlichen Anhaltspunkten für das Vorliegen eines Beratungsfehlers.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn die den Fall des Klägers betreffenden allgemeinen Auswirkungen der anstehenden Rechtsänderung der Beklagten im Folgezeitraum ab der Verkündung des Rentenreformgesetzes 1992 am 18. Dezember 1989 bekannt gewesen sein sollten, so konnte sie jedenfalls nicht erkennen, daß dem Kläger im Jahre 1996 eine anzurechnende Rente aus der Unfallversicherung bewilligt werden würde.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Eine Anrechnung nach § 93 SGB VI ist nicht nach § 93 Abs. 5 Satz 1 SGB VI deswegen ausgeschlossen, weil die Rente des Klägers aus der Unfallversicherung für einen Versicherungsfall geleistet wird, der sich nach Rentenbeginn oder nach Eintritt der für die Rente maßgeblichen Minderung der Erwerbsfähigkeit ereignet hatte. Nach § 93 Abs. 5 Satz 2 SGB VI gilt nämlich bei Berufskrankheiten als Zeitpunkt des Versicherungsfalls der letzte Tag, an dem der Versicherte die versicherte Tätigkeiten verrichtet hat, die ihrer Art nach geeignet waren, die Berufskrankheit zu verursachen. Dieser Zeitpunkt lag beim Kläger weit vor dem Beginn der Altersrente, da seine Rente aus der Unfallversicherung wegen einer in der Berufstätigkeit bis 1972 angelegten Asbestose gewährt wird.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">§ 93 Abs. 5 SGB VI ist für den hier zu beurteilenden Anrechnungszeitraum ab dem 01.10.1996 in der Fassung der Änderung durch Gesetz vom 25.09.1996 (BGBl. I S. 1461) anzuwenden. Eine Rückwirkungsproblematik, wie sie mehreren Vorlagen an das Bundesverfassungsgericht zugrundeliegt (BSG 8 RKn 29/95 vom 28.05.1997, SozR 3-2600 § 93 Nr. 3 zu § 93 Abs. 5 Satz 3 SGB VI, LSG Sachsen-Anhalt, L 6 Kn 3/96 vom 18.02.1998 zu § 93 Abs. 5 Satz 2 SGB VI), besteht hier nicht, da der gesamte noch streitige Anrechnungszeitraum nach dem Tag der Verkündung des Änderungsgesetzes am 26.09.1996 liegt.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Den Zeitpunkt sowie den Umfang der Anrechnung hat die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden im übrigen zutreffend bestimmt. Nach § 93 Abs. 1 SGB VI wird die Rente insoweit nicht geleistet, als die Summe der zusammentreffenden Renten vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag übersteigt. Bei der Ermittlung der Summe aus beiden Renten bleibt nach § 93 Abs. 2 Nr. 2 a) SGB VI bei der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ein Betrag unberücksichtigt, der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente nach dem BVG geleistet würde, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v.H. zwei Drittel der Mindestgrundrente. Bei einer Rente des Klägers aus der Unfallversicherung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 % von 444,63 DM ab dem 01.07.1996 war daher ein Betrag von zwei Drittel der Mindestgrundrente nach § 31 BVG im Jahre 1996 von 213,-- DM = 142,-- DM von vornherein von der Anrechnung freizustellen. Die Summe der sonach anrechenbaren Rente aus der Unfallversicherung von 302,63 DM und der Rente des Klägers aus der Rentenversicherung von 2.401,19 DM betrug, wie es die Beklagte in der Anlage 7 S. 2 zum Bescheid vom 22.10.1996 zutreffend dargestellt hat, 2.703,82 DM und war daher nach § 93 Abs. 1 hinsichtlich der Überschreitung des "jeweiligen Grenzbetrages" zu kürzen. Als Grenzbeträge sieht § 93 Abs. 3 SGB VI 70 v.H. eines Zwölftels des Jahresarbeitsverdienstes, der der Berechnung der Rente aus der Unfallversicherung zugrunde liegt, vervielfältigt mit dem jeweiligen Rentenartfaktor für persönliche Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten (Satz 1), alternativ hierzu den Monatsbetrag der Rente vor. Da die Monatsrente des Klägers mit 2.401,19 DM höher war als der auf der Grundlage eines Jahresarbeitsverdienstes von 40.016,35 DM, eines Rechenwertes von 70 % von einem Zwölftel dieses Betrages in Höhe von 2.334,29 DM und dem für die Altersrente des Klägers maßgeblichen Rentenartfaktor 1,00 (§ 67 Nr. 1 SGB VI) fehlerfrei ermittelte Vergleichsbetrag, war der Monatsbetrag der Rente des Klägers als Grenzwert einzusetzen und die Differenz zwischen der Summe der berücksichtigungsfähigen Rente aus der Unfallversicherung und der Rente aus der Rentenversicherung von 302,63 DM vom monatlichen Rentenanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten von 2.401,19 DM abzuziehen.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die vom Kläger als unbillig angesehene Berechnung des Grenzbetrages nach einem Pauschalwert aus der gesetzlichen Unfallversicherung auch in Fällen wie dem seinen, in dem nach dem Ausscheiden aus dem zur Unfallrente führenden Beruf in anderen Berufen noch hohe versicherungspflichtige Einkünfte und damit Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erzielt wurden, liegt daher nicht vor. Der den Kläger betreffende Grenzbetrag entspricht vielmehr seiner konkret erworbenen Rentenanwartschaft.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die angefochtenen Bescheide sind auch nicht wegen unterlassener Anhörung (§ 24 SGB X) oder eines von der Beklagten übersehenen Ermessensspielraumes rechtswidrig. Die Beklagte hat die Anhörung zur neuen Rechtslage mit Schreiben an den Kläger-Bevollmächtigten vom 07.01.1997 und damit jedenfalls rechtzeitig vor Abschluß des Verwaltungsverfahrens durch Widerspruchsbescheid vom 11.03.1997 nachgeholt. Ein Ermessensspielraum stand ihr mangels des Vorliegens eines atypischen Falles im Sinne der Rechtsprechung zu § 48 Abs. 1 Satz 2 (hierzu: Schroeder/Printzen, SGB X, Rdn. 20 zu § 48 SGB X m.w.N.) nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der prinzipiellen Entscheidung des Gesetzgebers, die gesetzliche Unfallrente auf Altersrenten anzurechnen oder zu ihrer konkreten Ausgestaltung im Rahmen von § 93 SGB V, bestehen nicht. Der Senat schließt sich insoweit der hierzu vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung an (Bundesverfassungsgericht vom 19.07.1984, 1 BvR 1614/83, SozR 2200 § 1278 Nr. 11 zu § 1278 RVO, BSG B 4 RA 49/96 vom 31.03.1998, BSG 8 RKn 20/97 R vom 27.08.1998, jeweils m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Die Revision wurde nicht zugelassen, da ein Grund hierfür nicht vorliegt (§ 160 SGG).</p>
|
114,326 | olgk-1999-09-10-6-u-6499 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
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"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 6 U 64/99 | 1999-09-10T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:33 | 2019-02-11T10:39:11 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1999:0910.6U64.99.00 | <h2>Tenor</h2>
1.) Auf die Berufung der Klägerin wird das am 12.1.1999 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen - 41 O 195/98 - abgeändert und im Hauptausspruch wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Ge-richt für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen, in Zeitungsinseraten in einer an den Letztverbraucher gerichteten Werbung
a) mit 40 exclusiven und wertvollen Ledergarnituren zu werben, wenn in der beworbenen Verkaufsveranstaltung keine 40 exclusiven und wertvollen Ledergarnituren angeboten werden,
und/oder
b) einzelne Modelle "70 und 80 % billiger als auf der Messe" zu bewerben, wenn in der beworbenen Verkaufsveranstaltung keine Bezugnahme auf Originalverkaufs- bzw. Messepreise vorgenommen wird,
zu a) und b) wie nachstehend wiedergegeben:
2.) Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Beklagte zu tragen.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4.) Die Beschwer der Beklagten wird auf 40.000 DM festgesetzt.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist zunächst klagebefugt. Dabei kann dahinstehen,
ob sie durch die wettbewerbswidrige Werbung in ihren schutzwürdigen
Rechten beeinträchtigt worden und daher als unmittelbare Verletzte
ohne weiteres prozessführungsbefugt ist. Denn wenn das - etwa wegen
des unterschiedlichen Warenangebotes - nicht der Fall sein sollte,
ergibt sich ihre Klagebefugnis doch als Mitbewerberin aus § 13
Abs.2 Ziff.1 UWG. Die Beklagte hat nämlich durch die gezielte
Werbung für eine Verkaufsveranstaltung in S., auf der innerhalb
weniger Stunden Möbel vertrieben worden sind, ein zumindest
abstraktes Wettbewerbsverhältnis zu der Klägerin begründet, die in
Aachen und damit im Sinne der Bestimmung auf demselben Markt ein
Möbelhaus betreibt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist auch in vollem Umfange begründet, weil beide
angegriffenen Aussagen in der Werbung der Beklagten irreführend und
deswegen gem. § 3 UWG zu untersagen sind. Soweit der Senat
gleichwohl den Urteilstenor geringfügig abweichend von dem
Antragswortlaut formuliert hat, stellt dies lediglich eine
sprachliche Präzisierung und keine inhaltliche Änderung dar.
Insbesondere hat die Klägerin ersichtlich von Beginn des Verfahrens
an die Unterlassung lediglich für eine Wiederholung der Werbung
gerade in Zeitungsanzeigen begehrt, wie sie ihr durch das
vorliegende Urteil zuerkannt wird. Die sprachlich verunglückte
Formulierung <i>"... im geschäftlichen Verkehr, insbesondere in
Zeitungsanzeigen ..."</i> besagt nicht, daß das Verbot auch für
andere Werbeträger erstrebt worden ist, zumal nicht einmal
angedeutet worden ist, in welchem sonstigen Werbeträger die Werbung
geschaltet werden könnte.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die mit dem ersten Antrag angegriffene Aussage "40 exclusive und
wertvolle Ledergarnituren" ist deswegen gem. § 3 UWG zu untersagen,
weil es sich nicht um exclusive Ledergarnituren gehandelt hat.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Landgerichts wird die Aussage
"exclusiv" in der Anzeige entsprechend der Behauptung der Klägerin
dahin verstanden, daß es sich um Möbelstücke handelt, die der
Verbraucher nur bei dem betreffenden Vertreiber und nicht auch bei
Dritten beziehen kann. Zumindest gilt dies für einen nicht
unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise, und zwar auch
soweit es sich um aufgeklärte und aufmerksame Verbraucher handelt.
Diese wie auch die weiteren noch anzusprechenden Feststellungen
über die von der Werbung der Beklagten hervorgerufenen
Verbrauchervorstellungen vermag der Senat, dessen Mitglieder zu den
angesprochenen Verkehrskreisen zählen, aus eigener Sachkunde zu
treffen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Es trifft nicht zu, daß der Begriff "exclusiv" in der
angegriffenen Werbung lediglich als unsubstantiierte Anpreisung
verstanden wird. Vielmehr wird der Verkehr auch ohne namentliche
Nennung des Herstellers annehmen, daß die als "exclusive ...
Ledergarnituren" angebotenen Möbel nur bei demjenigen bezogen
werden können, der sie unter dem Attribut "exclusiv" anbietet (vgl.
zu einem ähnlichen Fall OLG Koblenz WRP 87,326). Zunächst ist das
Wort "exclusiv" in der Anzeige nicht - wie etwa in der Formulierung
"exclusives Wohnen" - auf einen abstrakten Begriff, sondern auf ein
konkretes Möbelstück, nämlich Ledergarnituren, bezogen. Möbel sind
auch Wirtschaftsgüter, von denen der Verkehr weiß, daß sie zu einem
nicht geringen Teil nur bei speziellen Händlern erhältlich sind und
damit eben "exclusiv" vertrieben werden. Es kommt hinzu, daß die
Beklagte in der angegriffenen Werbung - sogar im unmittelbaren
Anschluß an die beanstandete Aussage - auch damit geworben hat, daß
die Garnituren von "namhafte(n) Hersteller(n)" stammten, die für
Qualität und Design "garantier(t)en". Auf diese Weise wird der
Verkehr noch zusätzlich veranlaßt, den Begriff "exclusiv" nicht
verwässert, sondern in seinem eigentlichen, oben dargestellten
Sinne zu verstehen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß es sich
um einen Verkauf im Wandergewerbe handelte und - allerdings ohnehin
nur im Fließtext - ausdrücklich auf die vorherige Ausstellung der
angebotenen Garnituren auf einer Messe hingewiesen worden ist. Denn
der Hersteller von Möbeln kann sich nach der Vorstellung von
Verbrauchern - auch für Ausstellungsstücke - durchaus auch
ausschließlich eines Vertreibers bedienen, der im Wandergewerbe
verkauft. Außerdem ist es aus der Sicht des Publikums auch möglich,
daß der Inhaber eines Wandergewerbes zusätzlich auch von einem
festen Geschäftslokal aus, in dem er regional begrenzt die
ortsansässigen Kunden bedient, die Möbel vertreibt (vgl. BGH GRUR
81,279 f - "Nur drei Tage").</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Ausgehend hiervon ist der Antrag zu 1) begründet, weil die
angepriesenen Ledergarnituren - was unstreitig ist - vom
Letztverbraucher nicht exclusiv nur bei der Beklagten, sondern auch
bei Dritten bezogen werden können.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Vor diesem Hintergrund ist der mit dem Antrag zu 1) angegriffene
Teil der Werbung auch deswegen zu beanstanden, weil er zusätzlich
die Aussage "wertvolle" enthält. Diese Formulierung stellt zwar für
sich genommen eine bloß wertende Anpreisung dar, die als solche
nicht verifiziert werden kann, durch den engen sprachlichen
Zusammenhang wird der Verkehr das wertvolle in den Möbelstücken
aber als durch die Exclusivität geprägt ansehen, weswegen mangels
einer Exclusivität des Vertriebs auch die Werbung mit "wertvoll" zu
unterlassen ist.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Ebenfalls irreführend und daher gem. § 3 UWG zu untersagen ist
die mit dem Antrag zu 2) beanstandete Aussage "einzelne Modelle 70
und 80 % billiger als auf der Messe", weil auch sie nicht
zutrifft.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Mit der Klägerin ist davon auszugehen, daß entgegen dieser
Aussage nicht einzelne der von der Beklagten vertriebenen Modelle
70 % oder gar 80 % billiger als auf einer früheren Messe angeboten
worden sind. Dieser Vortrag der Klägerin ist gem. § 138 Abs.3 ZPO
als zugestanden anzusehen. Denn die Beklagte hat im Prozeß zwar
pauschal die Richtigkeit dieser Angaben behauptet, hierzu aber
keine überprüfbaren Angaben gemacht. Ihr einziges Vorbringen, es
handele sich um Möbel, die "auf Verbrauchermessen" verkauft worden
seien, stellt ersichtlich keinen einlassungsfähigen Vortrag dar.
Entgegen der Auffassung der Beklagten oblag es ungeachtet der
grundsätzlichen Darlegungs- und Beweislast der Klägerin auch ihr,
zunächst darzulegen, auf welcher Messe welche Möbel zu welchen
Preisen angeboten worden sein sollen, damit die Klägerin überhaupt
in die Lage versetzt wurde, vorzutragen, daß und warum die Angaben
unzutreffend seien. Anderenfalls könnte mit pauschalen und nicht
konkret belegten unzutreffenden Tatsachenbehauptungen ungehindert
in wettbewerbswidriger Weise geworben werden, obwohl gerade diese
Art der Werbung ein hohes Potential an Irreführungsgefahr enthält.
Vor diesem Hintergrund ist in der Rechtsprechung seit langem
geklärt, daß bei einer Auseinandersetzung über eine werbliche
Preisgegenüberstellung der Werbende im einzelnen substantiiert
darzulegen und erforderlichenfalls auch zu beweisen hat, daß und wo
der von ihm behauptete höhere Preis ernsthaft verlangt worden ist
(vgl. auf der Basis einer Reihe vorangegangener Entscheidungen BGH
GRUR 75,78 f - "Preisgegenüberstellung I").</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Rechtsstreit ist auch bezüglich des den Preisvergleich
betreffenden Antrages zu 2) entscheidungsreif. Entgegen der
Auffassung der Beklagten besteht kein Anlaß, ihr noch Gelegenheit
zu geben, ihren unsubstatiierten Vortrag zu ergänzen und nunmehr
vorzutragen, um welche Messe und welche Preise im einzelnen es sich
gehandelt haben soll. Es trifft insbesondere nicht zu, daß die
Beklagte bis zu dem im Termin zur mündlichen Berufungsverhandlung
erfolgten rechtlichen Hinweis des Senats auf die Richtigkeit der
Entscheidung des Landgerichts, wonach die Darlegungs- und
Beweislast uneingeschränkt bei der Klägerin liegen soll, vertrauen
und angeblichen Sachvortrag weiter zurückhalten durfte.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Allerdings ist in der Rechtsprechung verschiedentlich
entschieden worden, daß der Berufungsbeklagte seine
Prozeßförderungspflicht nicht verletze, wenn er eine tatsächlich
gebotene Ergänzung seines Vortrages mit Rücksicht auf die
erstinstanzliche Entscheidung zunächst unterlasse (vgl. BGH NJW
81,1378 f; NJW-RR 94,566 f; BVerfG NJW 92,678 f; vgl. auch
Zöller-Gummer, ZPO, 21. Auflage, § 528 RZ 3). Diese Rechtsprechung
gebietet indes im vorliegenden Verfahren nicht, der Beklagten in
einem weiteren Verhandlungstermin noch zusätzlichen Sachvortrag zu
ermöglichen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat ihre Berufung gegen das klageabweisende Urteil
des Landgerichts zu dieser Werbeaussage ausführlich und unter
zutreffendem Hinweis auf die gefestigte Rechtsprechung damit
begründet, daß das Landgericht die Darlegungs- und Beweislast
unrichtig gesehen habe. Der Senat hat schon Zweifel, ob in dieser
Situation überhaupt noch grundsätzlich von einem schützenswerten
Vertrauen der erstinstanzlich erfolgreichen Beklagten auf die
Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung ausgegangen werden kann.
Das Berufungsverfahren dient der Überprüfung des erstinstanzlichen
Urteils auf seine Richtigkeit und diese Überprüfung kann ihrer
Natur nach auch dazu führen, daß sich eine Rechtsauffassung des
Erstgerichts als unrichtig erweist. Vor diesem Hintergrund
erscheint die Annahme zweifelhaft, der Berufungsbeklagte könne sich
auch bei dezidiertem Vortrag gerade gegen die betreffende
Auffassung des Landgerichts grundsätzlich auf den Standpunkt
zurückziehen, er dürfe bis zu einem Hinweis des Berufungsgerichtes
von der Richtigkeit des - immerhin angefochtenen -
landgerichtlichen Urteils ausgehen. Im übrigen ist auch der
Entscheidung des BGH in NJW-RR 94, 566,567 nicht zu entnehmen, daß
auch dort der Berufungskläger bereits gerade die Beanstandungen
vorgetragen hatte, die den weiteren Sachvortrag der Gegenseite
erforderlich machten. Ebenso handelt es sich nicht um die bei
Zöller-Gummer a.a.O. angegebene Situation, daß die Partei gezwungen
würde, sich vorsorglich auf nur mögliches gegnerisches Vorbringen
einzulassen. Die Frage kann aber auf sich beruhen. Auch wenn man
einen Vertrauensschutz auch nach dezidierter Rüge des
Berufungsführers in Einzelfällen annehmen will, kann das jedenfalls
im vorliegenden Verfahren nicht gelten.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Das ergibt sich zum einen schon daraus, daß die Auffassung der
Klägerin auch für die anwaltlich vertretene Beklagte ersichtlich
richtig sein mußte. Denn die von dem Landgericht zugrundegelegte
Rechtsauffassung führt zur Unmöglichkeit der Beweisführung und
verhindert damit die Durchsetzung auch berechtigter Ansprüche. Die
Angabe "Einzelne Modelle 70 und 80 % billiger als auf der Messe"
ist unmöglich zu widerlegen, solange nicht dargelegt wird, welches
Modell, auf welcher Messe zu welchem Preis verkauft worden ist.
Denn die Klägerin kann nicht sämtliche Messeveranstaltungen kennen
und erst Recht nicht im Nachhinein mehr feststellen, zu welchem
Preis dort einzelne Garnituren verkauft worden sind. Es kommt
hinzu, daß die Rechtslage in den von der Klägerin richtig zitierten
Entscheidungen eindeutig so judiziert und in den
Standardkommentaren ebenso eindeutig dargestellt ist (vgl. z.B.
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20.Aufl., § 3 UWG RZ 120;
Köhler/Piper, § 3, RZ 379).</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Außerdem wäre es für die Beklagte auch ein leichtes gewesen, die
betreffenden Angaben, die ihr nach ihrem Vortrag sämtlich bekannt
sein mußten, zu machen. Es oblag ihr lediglich, Ort und Dauer der
(Verbraucher-)Messe sowie die dort für einzelne Ledergarnituren
angeblich verlangten Preise anzugeben. Hierdurch unterscheidet sich
der Fall erheblich von demjenigen, der der in NJW 81,1378 f
abgedruckten Entscheidung des BGH zugrundelag. Dort ging es nicht
um die schlichte Angabe angeblicher Verkaufsdaten, sondern um die
Notwendigkeit der Vorlage einer umfassenden Aufstellung der
tatsächlichen betrieblichen Aufwendungen für die Durchführung eines
umfangreichen Auftrages. Demgegenüber war es für die Beklagte des
vorliegenden Verfahrens ohne weiteres zumutbar, die ihr leicht
zugänglichen Angaben zu machen. Hierzu war sie auf den dezidierten
Vortrag der Klägerin hin zur Vermeidung prozessualer Nachteile aus
den vorstehenden Gründen auch verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Schließlich stehen die geltendgemachten Ansprüche auf
Unterlassung auch der Klägerin zu. Auch hierzu läßt der Senat die
Frage offen, ob die Klägerin unmittelbare Verletzte und damit ohne
weiteres aus § 3 UWG aktivlegitimiert ist. Denn auch als bloße
Mitbewerberin im Sinne des § 13 Abs.2 Ziff.1 UWG steht ihr der
Anspruch zu, weil der Verstoß im Sinne der Vorschrift geeignet ist,
den Wettbewerb auf dem betroffenen (räumlichen) Markt wesentlich zu
beeinträchtigen. Dies bedarf angesichts der angekündigten radikalen
Preisherabsetzung bei gleichzeitiger unberechtigter Inanspruchnahme
von Exclusivität keiner näheren Begründung.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§
708 Nr.10, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festgesetzte Beschwer der Beklagten
entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Streitwert für das Berufungsverfahren: 40.000 DM.</p>
|
114,327 | olgk-1999-09-10-6-w-2899 | {
"id": 822,
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"slug": "olgk",
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"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 6 W 28/99 | 1999-09-10T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:34 | 2019-02-11T10:39:11 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0910.6W28.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 01.04.1999 -7 O 507/92- wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Schuldner zu tragen.<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">G r ü n d e:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist zwar gemäß § 793
Abs. 1 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig. In der Sache
bleibt dem Rechtsmittel jedoch der Erfolg versagt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Beschluß - wie
geschehen - gemäß § 890 ZPO gegen den Schuldner ein Ordnungsgeld
festgesetzt. Denn dieser hat den im Versäumnisurteil vom 19.02.1992
gegen ihn titulierten Verbot schuldhaft zuwidergehandelt,
geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen zu leisten, die über die
geschäftsmäßige Erledigung der laufenden Lohnbuchhaltung
(Lohnbuchhaltung mit Ausnahme des Einrichtens von Lohnkonten und
der Abschlußarbeiten nach §§ 41 b, 42 b des
Einkommenssteuergesetzes) hinausgeht und die nicht unter § 6 StBerG
fällt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die vom Schuldner im Zusammenhang mit der Erstellung der
Jahresabschlüsse 1996 und 1997 entfaltete Tätigkeit verstößt gegen
die in dem genannten Titel formulierte Unterlassungsverpflichtung.
Dem steht es von vornherein nicht entgegen, daß die hier in Rede
stehende Verhaltensweise des Schuldners nicht exakt derjenigen
entspricht, die Anlaß und Grundlage des Erkennntnisverfahrens war,
das schließlich zum Erlaß des Unterlassungstitels geführt hat. Die
Verhängung von Ordnungsmitteln wegen Verstoßes gegen eine
titulierte Unterlassungsverpflichtung setzt voraus, daß der
Schuldner Handlungen vorgenommen hat, die vom Verbotstatbestand
erfaßt werden bzw. die nur geringfügig vom wettbewerbswidrigen Kern
- dem Charakteristischen - der in dem Vollstreckungstitel
untersagten, in der konkreten Verletzungsform sich
niederschlagenden Handlung abweichen, ihr praktisch aber
gleichwertig sind (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche,
7. Auflage, 57. Kapitel, Rdn. 12; Baumbach/Hefermehl,
Wettbewerbsrecht, 20. Auflage, Einl. UWG Rdn. 581 - jeweils
m.w.N.). Unter Zugrundelegen dieser Kriterien werden die vom
Schuldner im Zusammenhang mit den Jahresabschlüssen 1996/1997 für
Frau F. sowie die für Herrn G. in den Jahren 1994 und 1995
vorgenommenen Tätigkeiten, die sich ihrem Gesamtbild nach als eine
geschäftsmäßige, über die bloße Erledigung der laufenden
Lohnbuchhaltung hinausgehende, nicht unter § 6 StBerG fallende
Hilfe in Steuersachen darstellen, vom Kernbereich des titulierten
Verbots erfaßt, die dem Schuldner danach infolgedessen untersagt
sind.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Vorschrift des § 6 StBerG enthält Ausnahmen vom Verbot der
geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen für die nicht in den
§§ 3,4 StBerG genannten Personen. Nach § 6 Nr. 4 StBerG sind das
Buchen laufender Geschäftsvorfälle, die laufende Lohnabrechung
sowie das Fertigen der Lohnsteueranmeldungen zulässig, soweit der
Handelnde im übrigen die in der erwähnten Vorschrift genannten
fachlichen Voraussetzungen erfüllt. Nicht mehr von § 6 Nr. 4 StBerG
gedeckte Tätigkeiten stellen insbesondere das Einrichten einer
Buchführung, die Erstellung des betrieblichen Kontenplans und die
Aufstellung des steuerlichen Jahresabschlusses einschließlich der
vorzubereitenden Abschlußbuchungen dar (vgl. BGH NJW RR 1991, 751
-"Bilanzbuchhalter"-; Gehre, Steuerberatungsgesetz, 3. Aufl., § 6
StBerG Rdn. 7).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Danach hat der Schuldner mit den für Frau F. geleisteten
Arbeiten gegen das titulierte Verbot verstoßen. Denn nach den sein
Verhalten kennzeichnenden Umständen ist davon auszugehen, daß er
nicht nur überhaupt die steuerlichen Jahresabschlüsse 1996/1997
erstellt, sondern daß er dies auch in eigener Verantwortung und
nicht etwa nur als Hilfskraft für die S. Steuerberatungs GmbH getan
hat.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Soweit der Schuldner sich mit Blick auf die auf den
entsprechenden Zahlungsquittungen enthaltenen Vermerke dahingehend
verteidigt, daß es sich dabei ausschließlich um die "Reinschrift
eines vorbereiteten steuerlichen Jahrsabschlusses nach erteiltem
Diktat" und damit lediglich um "Schreibarbeiten" gehandelt habe,
vermag das nicht zu überzeugen. Denn schon auf der Zahlungsquittung
"Jahresabschluß 1996 Zur Post" ist von einer bloßen "Reinschrift"
ebensowenig die Rede, wie für die 3. und 3. Zahlungsrate
"Jahresabschluß 1997". Darüber hinaus hat der Schuldner auch nicht
nachvollziehbar zu machen vermocht, weshalb für die bloße
Reinschrift eines Jahresabschlusses ein Entgelt in Höhe von 1.800.-
DM gefordert und bezahlt worden sein soll. Daß es sich dabei
vielmehr gerade um die Rechnung für die Erstellung des
Jahrsabschlusses selbst und nicht lediglich um dessen Reinschrift
gehandelt hat, wird indiziell bestätigt durch den Umstand, daß der
Schuldner eben diesen Betrag von 1.800.- DM Herrn G. mit Rechnung
vom 05.10.1995 für einen steuerlichen Jahresabschluß und nicht etwa
für dessen Reinschrift berechnet hat.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Entsprechendes gilt für den Einwand des Schuldners, daß er die
vorbezeichnete Tätigkeit für Frau F. im Rahmen seines
Beschäftigungsverhältnisses mit der S. Steuerberatungs GmbH
erbracht habe und daher keine eigene geschäftsmäßige Hilfeleistung
in Steuersachen von ihm erbracht worden sei. Dabei kann es
unterstellt werden, daß das Arbeitsverhältnis mit der S.
Steuerberatungs GmbH entsprechend der Behauptung des Schuldners
noch bis zum 18.10.1997 bestanden hat. Das entkräftet im Hinblick
auf die nachstehend dargestellten Umstände jedenfalls nicht die
Annahme eines eigenen geschäftsmäßigen Verhaltens des Schuldners.
Denn ausweislich der Zahlungsquittungen ist der Schuldner unter
seinem eigenen Namen - mit Stempelaufdruck - aufgetreten und hat
das Entgelt in Empfang genommen. An keiner Stelle dieser Quittungen
ist ein Hinweis darauf enthalten, daß der Schuldner seine
Leistungen für die S. Steuerberatungs GmbH erbracht oder auch nur
für dieses Unternehmen das Entgelt in Empfang genommen hat. Spricht
danach alles dafür, daß der Schuldner bei der im Zusammenhang mit
der Erstellung der Jahresabschlüsse 1996/1997 für Frau F.
entfalteten Tätigkeit in eigenem Interesse gehandelt hat, gilt im
Ergebnis Gleiches hinsichtlich der für Frau F. in den Jahren 1994
und 1995 und weiter im genannten Zeitraum für Herrn G. entfalteten
Tätigkeit. Daß der Schuldner dabei die Jahresabschlüsse selbst
aufgestellt und nicht lediglich Schreibarbeiten verrichtet hat,
ergibt sich aus der Rechnung an Herrn G. vom 05.10.1995 sowie aus
den Rechnungen an Frau F. vom 30.01.1996 und vom 21.09.1996. Denn
auch insoweit vermag der bloße Umstand, daß auf den Rechnungen an
Frau F. von bloßen "Schreibarbeiten" bzw. von "reingeschriebenen
Jahresabschlußrechnungen" die Rede ist, nichts daran zu ändern, daß
der Schuldner nach den vorstehenden Umständen tatsächlich eine
weitergehende Tätigkeit erbracht bzw. die Jahresabschlüsse als
solche erstellt hat, worauf auch der weitere Umstand hindeutet, daß
auf einer Quittung über eine à-conto-Zahlung betreffend den
Jahresabschluß 1995 der Hinweis auf eine bloße Reinschrift fehlt.
Der Schuldner hat insoweit auch selbständig und geschäftsmäßig
gehandelt. Er hat Rechnungen auch hier unter eigenem Namen
erstellt. Ein irgendwie gearteter Hinweis darauf, daß die
fakturierten Leistungen solche der S. Steuerberatungs GmbH seien,
für welche der Schuldner tätig geworden sei, findet sich auch hier
nicht. Dies begründet die Annahme, daß er selbst in eigenem
Interesse und nicht etwa für die Sch. Steuerberatungs GmbH tätig
geworden ist. Diese, für ein selbständiges Handeln des Schuldners
sprechenden Anhaltspunkte werden dabei auch nicht durch die von ihm
vorgelegten Kopien der Einkommensteuererklärungen entkräftet, in
denen die S. Steuerberatungs GmbH als Zustellungsbevollmächtigte
angegeben ist. Daß die Einkommensteuererklärungen und auch die
diesen zugrundeliegenden Jahresabschlüsse in den Jahren 1994 und
1995 durch den Schuldner nach Weisung der S. Steuerberatungs GmbH
ausgeführt worden seien, läßt sich dem nicht ohne weiteres
entnehmen. Dagegen spricht vielmehr der Umstand, daß die S.
Steuerberatungs GmbH Frau F. in einem bei dem Amtsgericht Siegburg
unter dem Aktenzeichen 3 C 187/98 geführten Rechtsstreit auf
Zahlung von Steuerberaterhonorar "für die Beratung und
Zusammenstellung der Belege für die Arbeits- und Umsatzsteuer 1994
und 1995 sowie die Hilfe bei der Erstellung von Nachweisen für das
Arbeitsamt und die Berufsgenossenschaft" in Anspruch genommen hat.
Die Erstellung der Jahresabschlüsse und der
Einkommensteuer-Erklärungen für diese Zeiträume ist indessen nicht
geltend gemacht. Daß die S. Steuerberatungs GmbH auf den
Einkommenssteuererklärungen als Zustellungsbevollmächtigte
angegeben ist, läßt vor diesem Hintergrund daher nicht notwendig
den Schluß darauf zu, daß der Schuldner insoweit für die S.
Steuerberatungs GmbH gehandelt habe, sondern kann ebensogut auf ein
eigenmächtiges Verhalten des Schuldners unter der Firma S.
Steuerberatungs GmbH zurückgeführt werden. Für letzteres sprechen
vor allem die eigenen Ausführungen des Schuldners im Rahmen eines
in dem vorbezeichneten amtsgerichtlichen Verfahren vorgelegten
Schreibens vom 07.07.1998, in dem er u.a. erklärt hat, er habe "...
die steuerlichen Belange meiner Kunden ...über die
Steuerberatungsfirma unentgeltlich erledigen.." dürfen
(Hervorhebungen durch den Senat), was eindeutig für ein
selbständiges Tätigwerden des Schuldners spricht.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Hat der Schuldner mithin durch die für Frau F. und Herrn G. im
Zusammenhang mit der Erstellung der Jahresabschlüsse entfalteten
Tätigkeiten gegen das titulierte Unterlassungsgebot verstoßen, ist
das vom Landgericht verhängte Ordnungsgeld in Höhe von 1.500.- DM
auch der Höhe nach als angemessen und ausreichend zu erachten.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Beschwerdedwert: 1.500.- DM.</p>
|
114,328 | olgk-1999-09-10-19-u-20298 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 19 U 202/98 | 1999-09-10T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:34 | 2019-02-11T10:39:11 | Teilurteil | ECLI:DE:OLGK:1999:0910.19U202.98.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">- Ohne Tatbestand gem. § 313 a ZPO - </p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b><span style="text-decoration:underline;">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e : </span></b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">In der Sache hat sie teilweise Erfolg, soweit der Kläger ein höheres Schmerzensgeld und die Bezahlung der Kosten eines Muskelaufbautrainings (Klageanträge zu 3) und 6)) begehrt; in Bezug auf den Klageantrag zu 4), das Begehren einer Schmerzensgeldrente, war die Berufung zurückzuweisen. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der Klageanträge zu 1) (Gehaltssteigerung) und 2) (Mehrkosten der Haushaltsführung) ist eine Beweiserhebung erforderlich und der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">1. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat auf Grund der bei dem Unfallereignis vom 31. Oktober 1995 erlittenen Verletzungen gegen den Beklagten zu 1) einen Anspruch auf Schmerzensgeld aus §§ 823 Abs. 1, 847 BGB, für welchen die Beklagte zu 2) gem. § Pflichtversicherungsgesetz gesamtschuldnerisch haftet. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch des Klägers ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Angesichts der Schwere der erlittenen Verletzungen und deren Folgen hält der Senat jedoch, abweichend von der landgerichtlichen Entscheidung, ein Schmerzensgeld i.H.v. insgesamt 60.000,00 DM, mithin nach vorprozessual gezahlten 27.000,00 DM weiteren 33.000,00 DM für angemessen. Maßgeblich sind in erster Linie Höhe und Maß der Lebensbeeinträchtigung (Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen). Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass eine billige Entschädigung in Geld, die nach § 847 BGB bei bestimmten Rechtsgutverletzungen für den hierdurch entstandenen nicht vermögensrechtlichen Schaden zu zahlen ist, in erster Linie dem Verletzten einen Ausgleich für die erlittene immaterielle Beeinträchtigung bieten soll (BGHZ 18, 149, 156 f.; BGH NJW 1993, 781 = r+s 1993, 56, 57; BGH NJW 1993, 1531; BGH NJW 1995, 781; BGH NJW 1996, 1591). Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes muss daher das Ausmaß der Beeinträchtigung, wie auch das Landgericht zutreffend festgestellt hat, im Vordergrund stehen. Der Kläger hat durch den Unfall erhebliche Verletzungen und Schmerzen erlitten. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Unfall bei dem Kläger zu einer zweigradigen offenen Oberschenkelfraktur links, einer Oberarmfraktur rechts, Radiustrümmerfraktur rechts, commotio cerebri, Weichteilverletzung am rechten Augenlid und Lippe, multiplen Prellungen, Pneumothorax rechts, Absplitterungsfraktur der oberen Frontzahnreihe und Amnesien geführt hat. Durch den Pneumothorax wurden zwei Tage Intensivstation mit künstlicher Beatmung notwendig. Der Behandlungsverlauf im übrigen zog sich über mehrere Monate hin. So war der Kläger im Anschluss an den Unfall 16 Tage in stationärer Behandlung, wurde sodann ambulant weiter behandelt mit intensiver Krankengymnastik und Gangschule. Eine erneute 10-tägige stationäre Behandlung wurde notwendig nach Bruch der Osteosyntheseplatte und des linken Oberschenkelknochens mit der Notwendigkeit einer weiteren Operation. Im Anschluss verzögerte sich die Heilung, der Kläger konnte erst nach drei Monaten mit einer vorsichtigen Teilbelastung beginnen. Die operative Entfernung eines Implantates steht noch aus. Schließlich war eine prothetische Versorgung und Herstellung der Zahnfacetten der Frontzahnreihe des Klägers erforderlich. Der Kläger war insgesamt 11 Monate zu 100 % in der Erwerbsfähigkeit gemindert, für die Dauer von 8 Monaten bestand eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 70 %. Der Kläger wird nach heutigen Erkenntnissen dauerhaft zu 50 % in der Erwerbsfähigkeit gemindert sein. Darüber hinaus hat der Unfall, wie auch das Landgericht zutreffend festgestellt, für den Kläger weitere gravierende Dauerfolgen. Der 34-jährige Kläger kann seinen Beruf als Lagerverwalter nicht mehr ausüben. Er hat belastungsabhängige Schmerzen am rechten Arm und der rechten Hand sowie im linken Oberschenkel und im linken Kniegelenk. Das Kniegelenk selbst ist instabil. Darüber hinaus liegt eine leichte Kraftminderung des rechten Armes gegenüber links, verbunden mit leichtem Muskeldefizit im Bereich des rechten Oberarmes und im Bereich des linken Beines ein deutliches Muskeldefizit am linken Oberschenkel vor. Der Senat hat sich davon überzeugt, dass der Kläger ein hinkendes Gangbild aufweist. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Als Folge des Unfalls hat der Kläger darüber hinaus als Dauerschaden sehr lange Narben im Bereich des rechten Oberarmes und des linken Oberschenkels und zusätzlich eine quer verlaufende 12 cm große Narbe am linken Oberschenkel zurückbehalten. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Kläger litt und leidet unter unfallbedingten Depressionen, Wetterfühligkeit und einer Einschränkung seines Sexuallebens. Zwar haben die Beklagten diese Unfallfolgen bestritten, es spricht aber der Beweis des ersten Anscheins für den Kläger. Es handelt sich bei den von ihm behaupteten Beeinträchtigungen nämlich um Unfallfolgen, die nach dem üblichen Verlauf der Dinge bei den geschilderten Verletzungen regelmäßig zu erwarten sind. Andererseits hat der Kläger seine Angaben hierzu jedoch nicht so spezifiziert, dass erkennbar wäre, dass sich die Beeinträchtigungen in einem Rahmen bewegen, welcher die zu erwartenden Unfallreaktionen übersteigen würde. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die von dem Kläger behaupteten Erinnerungslücken als Folge des Unfallereignisses können dagegen keine Berücksichtigung finden, da sie nach Art, Umfang, Dauer und Häufigkeit des Auftretens nicht beschrieben werden. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes war auch die ihm zukommende Genugtuungsfunktion einzubeziehen. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die gem. § 847 BGB erforderliche billige Entschädigung darf grundsätzlich alle in Betracht kommenden Umstände des Falles berücksichtigen, darunter auch den Grad des Verschuldens des Verpflichteten und die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Parteien (BGHZ 18, 149 ff.). Es ist in der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt, dass der Schmerzensgeldanspruch jedenfalls in Fällen groben Verschuldens eine doppelte Funktion hat: Er soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind, und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung schuldet für das, was er ihm angetan hat (BGHZ 18, 149; BGH NJW 1993, 1531; BGH NJW 1995, 781; BGH NJW 1996, 1591; OLG Frankfurt am Main, VersR 1995, 544; OLG Köln, VersR 1992, 975). Die Doppelfunktion des Schmerzensgeldanspruchs ist nach der Rechtsprechung des BGH und der heute herrschenden Meinung anerkannt (Münchner Kommentar Stein, § 847 Rdnr. 3 m.w.N.). Bei der Definition des Begriffs der Genugtuung wendet sich der BGH allerdings explizit gegen ein Vverständnis der Genugtuungsfunktion als Einfallstor für Straf- oder Bußelemente in die Schmerzensgeldbemessung (BGH NJW 1995, 781). Vielmehr trage die Berücksichtigung des Verschuldens eine besonderen Einstellung des Verletzten gegenüber der Person des Schädigers Rechnung, die für einen angemessenen Ausgleich zu berücksichtigen sei (BGH a.a.O.). Dies rechtfertigt es jedenfalls bei vorsätzlichen Rechtsgutverletzungen auch ein Genugtuungsbedürfnis des Geschädigten zu berücksichtigen, welches von einem etwaigen Strafanspruch des Staates zu unterscheiden ist (BGH NJW 1995, 781). Gleiches muss für grob fahrlässige Rechtsgutverletzungen gelten, da auch hier ein im besonderen Maße die verkehrsübliche Sorgfalt verletzendes Verhalten des Schädigers das Geschehen für den Geschädigten aus dem Bereich des allgemeinen Lebensrisikos herausrückt (vgl. hierzu OLG Köln VersR 1992, 975). So ist es auch hier, die Verletzungen des Klägers beruhten auf einem grob fahrlässigen Verkehrsverstoß des Beklagten zu 1). Dieser hat plötzlich unvorhersehbar auf der Fahrbahn gewendet und dabei den Unfall verursacht. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sind sodann zwar grundsätzlich auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers einzubeziehen. Findet nämlich der Verpflichtete Ersatz seiner Leistung durch ein Ausgleichsanspruch oder durch eine Haftpflichtversicherung, so ist dies bei der Beurteilung seiner wirtschaftlichen Lage zu berücksichtigen (BGHZ 18, 149, 165). Ein Schädiger, der in Höhe der Versicherungssumme durch den Haftpflichtversicherer von seiner Haftung freigestellt wird, ist wirtschaftlich günstiger gestellt, als ein Schädiger der die Schäden aus unerlaubter Handlung allein zu tragen hat (BGH a.a.O., 166). Die Einbeziehung der Haftpflichtversicherung des Schädigers in die Schmerzensgeldbemessung kann jedoch in Verkehrsunfallsachen nur dazu führen, dass eine Gleichbehandlung mit anderen Verkehrsunfallopfern erfolgt. Aufgrund der in Deutschland bestehenden Haftpflichtversicherungspflicht sind die Schädiger in diesem Punkt in aller Regel wirtschaftlich gleichgestellt. Die Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Schädigers konnte und musste daher in verständigen Grenzen erfolgen. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Nach allem war dem Kläger ein Schmerzensgeld i.H.v. insgesamt 60.000,00 DM zuzubilligen. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">2) </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzung zur Zahlung einer Schmerzensgeldrente lagen dagegen nicht vor. Eine Schmerzensgeldrente kommt neben einer Kapitalabfindung nur in engen begrenzten Ausnahmefällen in Betracht, so bei schweren voraussichtlich lebenslangen Dauerschäden (BGH VersR 1997, 65). Dies gilt beispielsweise für den Fall, in dem eine lebenslängliche Beeinträchtigung auch mit zunehmendem Alter immer wieder neu und immer wieder schmerzlich empfunden wird. Eine Rente gibt dem Geschädigten die Möglichkeit, sein beeinträchtigtes Lebensgefühl stets von neuem durch zusätzliche Erleichterung und Annehmlichkeiten zu heben (BGH VersR 1993, 113 = NJW RR 1993, 146). Dies ist der Fall bei schwersten lebenslangen Beeinträchtigungen und ständigen starken Schmerzen sowie eine erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität (vgl. OLG Frankfurt Recht und Schaden 1992, 91; OLG Düsseldorf VersR 1997, 65). Vorliegend bewegen sich die Dauerfolgen des Unfalls für den Kläger jedoch noch in einem Rahmen, in welchem eine einmalige Abfindung zu gewähren ist. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die beantragte Rente von 250,00 DM/Monat stünde auch nicht in einem ausgewogenen Verhältnis zu einem vergleichbaren Kapitalbetrag. Eine Kapitalisierungsberechnung (vgl. hierzu BGH VersR 1976, 967; OLG Düsseldorf, VersR 1997, 65) ergäbe bei dem 35-jährigen Kläger einen Kapitalbetrag von 47.910,00 DM (250,00 DM x 12 x 16,97; vgl. Kapitalisierungstabelle bei Becker/Böhme, Kraftverkehrshaftpflichtschäden, 576). Der Rahmen des dem Kläger zuzubilligenden Schmerzensgeldes würde durch eine Rente in beantragter Höhe deutlich überschritten. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">3) </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat gegen den Beklagten zu 1) schließlich einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 843 BGB auf Zahlung von 400,00 DM wegen der Inanspruchnahme eines Fitnesscenters zum Muskelaufbautraining, für welchen die Beklagte zu 2) gem. § 3 Pflichtversicherungsgesetz gesamtschuldnerisch haftet. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann von den Beklagten die Kosten des Muskelaufbautrainings sowohl aus dem Gesichtspunkt der Wiederherstellung seines Gesundheitszustandes als auch Entrichtung einer Geldrente bei Vermehrung seiner Bedürfnisse verlangen. Der Kläger hat durch Vorlage einer internistischen Bescheinigung des behandelnden Arztes Dr. D. vom 29.12.1997 die Notwendigkeit eines regelmäßigen Muskelaufbautrainings sowie eines Koordinationstrainings in einem geeigneten Therapiezentrum unter Einleitung eines Diplomsportlehrers bewiesen. Die Beklagten können dem Kläger nicht entgegenhalten, er sei im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht gem. § 254 BGB gehalten, das Muskelaufbautraining bei einem Heilgymnasten durchzuführen, da nur diese Kosten durch die Krankenversicherung erstattet würden. Der Geschädigte ist nämlich grundsätzlich berechtigt, die zur Schadensbeseitigung am besten geeigneten Maßnahmen zu ergreifen. Dies ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte in der Regel die von dem Arzt empfohlene Behandlungsmethode, hier das gezielte Muskelaufbautraining im Fitnessstudio. Darüber hinaus liegt es auf der Hand, dass ein mit Spezialgeräten besonders ausgestattetes Fitnessstudio i.V.m. einem Diplomsportlehrer andere und bessere Möglichkeiten zur Durchführung eines Muskelaufbautrainings hat, als der Krankengymnast. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch des Klägers folgt in zuerkannter Höhe aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10, 713 ZPO. </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Wert der Beschwer für den Kläger: 54.750,00 DM</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">(37.000,00 DM + 17.500,00 DM);</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">für die Beklagten: 20.400,00 DM.</p>
|
114,329 | olgk-1999-09-10-19-u-9397 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 19 U 93/97 | 1999-09-10T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:34 | 2019-02-11T10:39:11 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1999:0910.19U93.97.00 | <h2>Tenor</h2>
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 05.03.1997 - 20 O 56/96 - abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 819.530,20 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.01.1996 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 864.000,00 DM abzuwenden, wenn nicht zuvor der Gegner in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Sicherheit kann auch durch Bürgschaft einer deutschen Groß-bank, einer Genossenschaftsbank oder einer öffentlichen Sparkasse erbracht werden.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">T a t b e s t a n d</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die A. R. Systems
International GmbH (ASI), handelte mit Computer-Hard- und Software
und stand in Geschäftsbeziehung mit der C. Partner Team GmbH (CPT),
der sie im Jahre 1993 Hard- und Software lieferte. Mit der Klage
macht die Klägerin gegen die Beklagte als damalige Hausbank der CPT
Ansprüche in Höhe derjenigen Kaufpreisbeträge geltend, mit denen
sie nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der CPT
im Jahre 1994 ausgefallen ist oder ausfallen wird.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die CPT handelte ihrerseits mit Hard- und Software und erhielt
im Juli 1993 im Rahmen eines Gesamtauftrages erstmals einen
Lieferauftrag des Sächsischen Staatsministeriums des Innern (SMdI)
über 500 "A. Easyline" Desktops zum Gesamtkaufpreis von
1.196.000,00 DM brutto. Die an das SMdI zu liefernden Geräte bezog
die CPT bei der ASI. In dem Kaufvertrag vereinbarten ASI und CPT
einen verlängerten Eigentumsvorbehalt zugunsten der ASI; zusätzlich
schlossen sie einen Abtretungsvertrag, der inhaltlich dem bei den
Akten befindlichen (Bl. 28 ff.) späteren Abtretungsvertrag vom
13.12.1993 entspricht. Außerdem wurde CPT ein Zahlungsziel von 30
Tagen bei 3 % Skonto gewährt. Nach Lieferung der Geräte an das SMdI
und Zahlung des Kaufpreises auf das Konto der CPT bei der Beklagten
zahlte diese ihrerseits fristgerecht per Scheck, der von der
Beklagten eingelöst wurde, an die ASI bzw. an die P. Gesellschaft
für Exportfactoring, der die ASI die Forderung abgetreten
hatte.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Folgeaufträge erhielt die CPT am 01.12.1993 vom SMdI und am
03.12.1993 vom Landeskriminalamt Sachsen (LKA) zur Lieferung von
insgesamt 478 weiteren "A. Easyline" Desktops zu einem
Gesamtkaufpreis von 1.261.922,60 DM brutto. Nach den
Auftragsbedingungen der Landesbeschaffungsstelle L., die auch
diesen Aufträgen zugrunde lagen, war die Abtretung der dem
Auftragnehmer (CPT) aus dem Vertrag zustehenden Forderungen nur mit
schriftlicher Genehmigung des Auftraggebers statthaft. Diese liegt
unstreitig nicht vor. Die CPT bestellte ihrerseits die Geräte
wiederum bei der ASI zu einem Kaufpreis von (717.600,00 +
425.776,00 =) insgesamt 1.143.376,00 DM brutto. Dabei wurden
verlängerter Eigentumsvorbehalt und Forderungsabtretung wie bei dem
vorangegangenen Geschäft vereinbart, letztere durch
Abtretungsvertrag vom 13.12.1993 (Bl. 28 ff. d.A.). Wie schon bei
dem Geschäft im Sommer 1993 zeigte weder die vertraglich dazu
berechtigte ASI noch die vertraglich dazu verpflichtete CPT die
Abtretung der Landesbeschaffungsstelle L. an. Die Geräte wurden von
der ASI am 14. und 15.12.1993 geliefert und der CPT am 14. und
16.12.1993 in Rechnung gestellt (Bl. 32, 34 d.A.). In den
Rechnungen heißt es, dass die Forderungen an die P. Gesellschaft
für Exportfactoring abgetreten und an diese zu zahlen seien. Auch
bei diesem Geschäft war ein Zahlungsziel von 30 Tagen bei 3 %
Skonto vereinbart.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kaufpreis von 1.262.922,60 DM wurde von der
Landesbeschaffungsstelle L. Ende Dezember 1993 an die CPT
überwiesen, und zwar auf Wunsch der Beklagten auf ein von den
Angaben in den Rechnungen der CPT abweichendes Konto bei der
Beklagten. Einen von der CPT zugunsten ASI/P. ausgestellten Scheck
über 960.000,00 DM vom 28.01.1994 löste die Beklagte nicht ein, wie
sie der CPT am 01.02.1994 mitteilte.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Zwischen Mitte Dezember 1993 und Mai 1994 lieferte ASI weitere
Hardware in einem Gesamtwert von 21.154,25 DM an die CPT und
stellte sie wie in der Berufungsbegründung (Bl. 373 ff. d.A.) im
einzelnen aufgeführt in Rechnung. Auf die sich unter
Berücksichtigung dieser Rechnungsbeträge ergebende Gesamtforderung
in Höhe von (1.143.376,00 + 21.154,25 =) 1.164.530,25 DM zahlte die
CPT in der Folge 345.000,00 DM. Die restlichen 819.530,25 DM sind
Gegenstand der Klage.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 09.02.1994 (Bl. 95 d.A.) kündigte die Beklagte
"aufgrund der Vorkommnisse hinsichtlich Ihrer
Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Firma ASI ... und aufgrund
der nicht ausreichenden wirtschaftlichen Verhältnisse" die
Geschäftsverbindung mit CPT fristlos. Die Beklagte hatte der ihr
von der CPT vorzulegenden Finanzplanung entnommen, dass die ab dem
01.01.1994 geltende Kontokorrentkreditlinie von 750.000 DM bei
Bedienung des Schecks für ASI/P. lt. Finanzplan der CPT vom
24.01.1994 (Bl. 521 d.A.) in der 5. bis 8. Kalenderwoche 1994 um
jeweils mehr als 550.000 DM überschritten würde.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Im März 1994 stellte die Beklagte der CPT ungeachtet der
fristlosen Kündigung nochmals einen Kontokorrentkredit zur
Verfügung. Am 20.06.1994 wurde vom Amtsgericht Köln das
Konkursverfahren über das Vermögen der CPT eröffnet (71 N 214/94).
Eine Konkursquote zugunsten der Klägerin ist nicht zu erwarten.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat vor dem Landgericht Ansprüche aus
ungerechtfertigter Bereicherung (§ 816 II BGB) und aus unerlaubter
Handlung geltend gemacht. Zu deren Begründung wird auf die
Darstellung im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug
genommen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an sie 819.530,25 DM nebst 4 %
Zinsen seit Rechtshängigkeit (16.01.1996) zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Sie hat die Anspruchsberechtigung der Klägerin im Hinblick auf
die Abtretung an P. bestritten, ebenso den Sachvortrag der Klägerin
zur Begründung ihrer Ansprüche. Auf eine mit der CPT vereinbarte
Globalzession gemäß Vertrag vom 01./07.12.1992 (Bl. 745 ff. d.A.)
stützt die Beklagte sich vorprozessual und im Rechtsstreit
nicht.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Wegen des Ergebnisses der im ersten Rechtszug durchgeführten
Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift des Landgerichts
vom 29.01.1997 Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die
Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils wird ebenfalls
Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Mit der form- und fristgerecht eingelegten und auch rechtzeitig
begründeten Berufung macht die Klägerin geltend:</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">1. dem Landgericht sei ein Verfahrensfehler unterlaufen, weil es
ihr nach der Zeugenvernehmung im Termin vom 29.01.1997 und nach der
Entscheidung, die von der Beklagten benannten Zeugen E. und B.
nicht mehr zu hören, keine Gelegenheit gegeben haben, gemäß § 285 I
ZPO zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen und
ergänzende Beweisanträge zu stellen. Die Wiedereröffnung der
mündlichen Verhandlung habe das Landgericht zu Unrecht
abgelehnt;</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">2. in der Sache:</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">a. ihre Schuldnerin CPT habe mit der Beklagten jedenfalls
konkludent vereinbart, daß die vom SMdI Mitte Dezember 1993 auf das
Konto Nr. 73235006 bei der Beklagten eingezahlten Beträge 30 Tage
auf diesem Konto verbleiben und anschließend an die Klägerin
ausgezahlt werden sollten. Dabei habe es sich um einen echten
Vertrag zugunsten Dritter gehandelt, der ihr ein eigenes
Forderungsrecht gegen die Beklagte gebe;</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">b. sie sei durch die Beklagte sittenwidrig geschädigt worden (§
826 BGB). In diesem Zusammenhang trägt sie vor, die Beklagte sei
von dem Geschäftsführer der CPT, dem Zeugen M., schon im Sommer
1993 über die bevorstehenden Aufträge des SMdI, die
Sicherungsanforderungen der ASI hierzu und über die
Vertragsbedingungen des SMdI unterrichtet worden. Es habe bei
beiden Aufträgen, also auch im Dezember 1993, Einvernehmen darüber
bestanden, dass die Zahlungen des SMdI nach Erreichung des mit der
ASI vereinbarten Zahlungsziels auf jeden Fall an die ASI
weitergeleitet werden würden. Ein zusätzlicher Zweck des
dreißigtägigen Zahlungsziel sei im Dezember 1993 gewesen, den
Jahresabschluss der CPT freundlich zu gestalten. Noch im Januar
1994 sei die Beklagte im Rahmen täglicher telefonischer Abstimmung
der Dispositionen der CPT, deren Genehmigung sich die Beklagte
vorbehalten habe, mehrfach auf die Ende des Monats fällige Zahlung
an die ASI hingewiesen worden, ohne dass sie dem widersprochen
habe.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Im übrigen begründet die Klägerin den Vorwurf sittenwidrigen
Verhaltens der Beklagten auch mit Vorgängen, die Monate vor der
ersten Geschäftsbeziehung zwischen ihr und der CPT liegen, also
bevor die Klägerin überhaupt Gläubigerin der CPT war. Dabei geht es
vor allem um die Veräußerung eines dem Geschäftsführer der CPT M.
gehörenden Grundstücks für 6,1 Mio DM im Januar 1993 (Kaufvertrag
Anl. B 22), das - unstreitig - nur mit einem Wert von 3,9 Mio DM
begutachtet worden war. Hier will die Klägerin darauf hinaus, daß
die Beklagte mit diesem Vorgang, bei dem sie auch als Bank der
Grundstückserwerberin tätig war und den Erwerb finanzierte, ihre
eigenen Interessen zu Lasten der anderen damaligen Gläubiger,
insbesondere der Sparkasse E. und einer Fa. W. verfolgt habe.
Unstreitig sind von dem Verkaufserlös 3,5 Mio DM als
Gesellschafterdarlehen M.s auf das Konto der CPT bei der Beklagten
geflossen, das damit wesentlich zurückgeführt wurde. In diesem
Zusammenhang sieht die Klägerin Anfechtungsrechte der Gläubiger,
auch der Klägerin selbst, nach § 3 I AnfG und behauptet, daß die
Beklagte die Kündigung der Geschäftsverbindung mit der CPT Anfang
Februar 1994 zeitlich so eingerichtet habe, dass damit die
bestehenden Anfechtungsrechte ausgehebelt werden konnten, indem die
Anfechtungsfristen verstrichen seien, bevor die Gläubiger
aufmerksam wurden;</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">c. die Beklagte sei ihr auch nach § 816 II BGB zur Herausgabe
der vom SMdI überwiesenen Beträge verpflichtet, weil diese
Leistungen an die Beklagte als Nichtberechtigte bewirkt worden
seien.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu
verurteilen, an sie 819.530,20 DM nebst 4 % Zinsen seit
Rechtshängigkeit (16.01.1996) zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">2. hilfsweise: das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache
zur neuerlichen Entscheidung an das Landgericht
zurückzuverweisen;</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">3. ihr zu gestatten, Sicherheit auch durch Bürgschaft einer
deutschen Großbank, einer Genossenschaftsbank oder einer
öffentlichen Sparkasse erbringen zu können.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">1. die gegnerische Berufung zurückzuweisen;</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">2. ihr zu gestatten, Sicherheit auch durch Bürgschaft einer
deutschen Großbank, einer Genossenschaftsbank oder einer
öffentlichen Sparkasse erbringen zu können.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Sie tritt dem tatsächlichen Vorbringen der Klägerin entgegen und
beruft sich nach wie vor auf deren fehlende Aktivlegitimation, weil
sie ihre Forderungen an den Factor P. abgetreten habe; auf die von
der Klägerin vorgelegte Rückabtretungserklärung vom 26.06.1997
(Anl. B 97) geht sie dabei nicht ein.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Wegen des Sach- und Streitstandes im einzelnen wird auf den
vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst allen
Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat gemäß dem Beschluß vom
30.04.1999 (Bl. 795 d.A.) Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses
wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 06.08.1999 (Bl.
812 ff. d.A.) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks"><b>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</b></p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Die Beklagte
ist ihr in Höhe der Klageforderung schadensersatzpflichtig (§ 826
BGB).</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">1. Ob dem Landgericht, wie die Klägerin meint, im Zusammenhang
mit der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme ein
Verfahrensfehler unterlaufen ist, der eine Aufhebung des Urteils
und eine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht
gerechtfertigt hätte (§ 539 ZPO), kann auf sich beruhen, nachdem
der Rechtsstreit inzwischen entscheidungsreif ist. Im übrigen liegt
es nahe, dass die Klägerin jedenfalls ihr Rügerecht durch die der
Beweisaufnahme des Landgerichts folgende Verhandlung zur Sache
verloren hätte (§ 295 I ZPO), ohne dass dies hier noch näher zu
begründen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">2. Die Voraussetzungen eines echten Vertrages zu Gunsten der
Klägerin zwischen der CPT und der Beklagten, der der Klägerin ein
eigenes Forderungsrecht gegen die Beklagte geben würde (§ 328 BGB),
kann der Senat nicht feststellen. Die Klägerin kommt selbst nicht
umhin einzuräumen, daß eine ausdrückliche Vereinbarung insoweit
nicht vorliegt. Auch der Zeuge M., der Geschäftsführer der
inzwischen in Konkurs gefallenen CPT, hat nach seinen Aussagen vor
dem Landgericht wie vor dem Senat "nicht ausdrücklich hinterfragt,
ob die Beklagte die eingehenden Gelder nach 30 Tagen in jedem Fall
an die Klägerin weiterleiten würde"; er sei aber "davon
ausgegangen", habe das "für eine Selbstverständlichkeit" gehalten
(Bl. 276 d.A.), es für ihn "ganz klar" gewesen (Bl. 813 d.A.).
Andererseits hat er jedoch ausgeführt: "Es gab keine Erklärung der
Beklagten mit der Ausdrucksweise, daß man zusicherte, daß die
eingehenden Gelder an die ASI bezahlt würden." (Bl. 277 d.A.). Nach
seiner Darstellung war die Beklagte zwar über alle Vorgänge
eingehend informiert - hierzu in anderem Zusammenhang mehr -, und
das vorangegangene gleiche Geschäft mit dem SMdI war auch aus Sicht
der Klägerin ordnungsgemäß ausgeführt worden. Daraus kann aber
nicht der Schluß gezogen werden, die Beklagte habe sich mit der
Kenntnis von dem vorgesehenen Ablauf <i>auch der Klägerin
gegenüber</i> verpflichten wollen, die nicht ihr Geschäftspartner
war. Soweit sie der CPT gegenüber Zusagen gemacht haben sollte,
würde das noch keinen eigenen vertraglichen Anspruch der Klägerin
ergeben. Daran vermag auch die umfangreiche Argumentation der
Klägerin (Bl. 559 - 574 d.A.) nichts zu ändern. Eine rechtlich
relevante "konkrete Konkludenz des Schweigens", wie sie die
Klägerin entwickeln möchte (Bl. 566 d.A.), sieht der Senat hier
nicht.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">3. Einen Anspruch aus § 816 II BGB kann die Klägerin ebenfalls
nicht mit Erfolg geltend machen. Er setzt zunächst voraus, daß die
Klägerin in Bezug auf die Kaufpreiszahlung des SMdI (und des LKA)
Berechtigte war, die Beklagte aber diese Leistung als
Nichtberechtigte vereinnahmt hat. Die Berechtigung der Klägerin
könnte sich aus dem mit der CPT vereinbarten verlängerten
Eigentumsvorbehalt in Verbindung mit § 1 des besonders
geschlossenen Abtretungsvertrags vom 13.12.1993 ergeben. Da aber
die Abtretung der Kaufpreisforderung nach den Vertragsbedingungen
des SMdI vom 29.12.1992 nur mit dessen schriftlicher Genehmigung
statthaft war, war sie ohne diese Genehmigung unwirksam (§ 399 BGB;
Palandt/Heinrichs, BGB 57. Aufl., § 399 Rn. 11 m. Nachw.;
Palandt/Putzo, a.a.O., § 455 Rn. 17). Eine spätere Genehmigung
wirkt nur ex nunc (BGHZ 70, 302; 102, 301; Palandt/Heinrichs,
a.a.O.). Die Klägerin hat selbst vorgetragen, das SMdI habe die
Abtretung "nachträglich", "nach Eintritt des Schadensfalles"
genehmigt, und zwar "unter Verzicht auf jedes
Schriftformerfordernis mündlich" (Bl. 16 d.A.; vgl. das Schreiben
der Klägerin an das SMdI Bl. 155 d.A.). Wie auch immer, jedenfalls
konnte diese Genehmigung die Klägerin nicht mehr nachträglich zur
Berechtigten im Zeitpunkt der Leistung machen.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Deshalb kommt es schon nicht mehr darauf an, daß eine Bank nur
als Zahlstelle des Kunden zu betrachten ist, und zwar auch dann,
wenn der Schuldner auf das angegebene Konto zahlt, ohne - wie hier
unstreitig - von einer Globalabtretung an die Bank etwas zu wissen.
In der Außenwirkung ist also die Bank nicht Leistungsempfänger im
Sinne von § 816 II BGB (BGHZ 72, 316, 320 im Anschluß an BGHZ 53,
139 ff.).</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">4. Dagegen ist die Beklagte der Klägerin nach § 826 BGB zum
Schadensersatz verpflichtet. Indem sie, die das Finanzgebaren der
CPT weitgehend steuerte, in Kenntnis der zwischen der ASI und der
CPT sowie zwischen dieser und dem SMdI getroffenen Vereinbarungen
die von der CPT geschlossenen Verträge nicht nur hinnahm, sondern
erfreut begrüßte, und den ihr schon im Dezember 1993 bekannten
Dispositionen der CPT in Bezug auf die Ende Januar fälligen
Zahlungen an die ASI zu keinem Zeitpunkt widersprach, schädigte sie
die Mitgläubigerin ASI in einer rechtlich als sittenwidrig zu
qualifizierenden Weise, als sie die Einlösung des Schecks am
01.02.1994 ohne Vorwarnung verweigerte und anschließend mit Bezug
"auf die Vorkommnisse hinsichtlich Ihrer Zahlungsverpflichtungen
gegenüber der Firma ASI" die Geschäftsverbindung kündigte.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Auch der Senat verkennt nicht, dass es grundsätzlich nicht
sittenwidrig ist, wenn eine Bank einen Kredit kündigt und von ihren
vertraglichen Rechten auf Rückführung eines Kredits Gebrauch macht,
und zwar auch dann nicht, wenn dies in dem Bewusstsein geschieht,
dass dadurch möglicherweise andere Gläubiger gefährdet werden (BGH
WM 1963, 1093, 1094; 1965, 475, 476; 1970, 399, 400; OLG Düsseldorf
WM 1983, 874, 885; MüKo/Mertens, BGB 3. Aufl., § 826 Rn. 146;
Palandt/Thomas, a.a.O., § 826 Rn. 37). Anders als den privaten
Kreditgeber trifft aber das Kreditgewerbe, dem die Beklagte
angehört, auch eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf andere
Gläubiger. Denn derjenige, der in einer Volkswirtschaft den Kredit
verwaltet, hat eine besondere Verantwortung, weil seine Gewährung
oder Verweigerung unmittelbar über das wirtschaftliche Schicksal
eines anderen entscheiden können. Gerade wenn ein Schuldner auf ein
Kreditinstitut besonders angewiesen ist und dieses ihm gegenüber
eine erhebliche Machtstellung hat, wirkt sich das auch auf
Mitgläubiger aus, insofern deren Interessen in Mitleidenschaft
gezogen werden können, wenn der Schuldner sein eigenes, auch auf
die Befriedigung seiner Geschäftspartner gerichtetes Interesse
gegenüber seinem Kreditinstitut nicht zu behaupten vermag (vgl.
hierzu MüKo/Mertens, a.a.O., Rn. 147 m. Nachw.). Insbesondere der
Kreditgeber, der über eine Leitungsmacht gegenüber seinem
Kreditnehmer verfügt, ist gegenüber anderen Gläubigern dieses
Kreditnehmers spezifisch verantwortlich. Es kann sittenwidrig sein,
wenn er sein eigenes unternehmerisches Risiko auf Mitgläubiger
verlagert (a.a.O., Rn. 149). Bei der Bewertung kommt es wesentlich
auf das Maß der eigennützigen Missachtung fremder Interessen durch
den Gläubiger an. Dabei ist weiter von Bedeutung, inwieweit der
Schuldner vor und nach der zu beurteilenden Maßnahme von seinem
Gläubiger abhängig ist (a.a.O., Rn. 150 f.; jeweils m. Nachw.).</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Legt man diese Maßstäbe zugrunde, dann ist das Verhalten der
Beklagten als sittenwidrig zu bewerten.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Nach dem Ergebnis der vom Landgericht und vom Senat
durchgeführten Beweisaufnahme in Verbindung mit den vorliegenden
Urkunden kannte und kontrollierte die Beklagte im entscheidenden
Zeitraum die Geschäfte der CPT, soweit sie wirtschaftlich ins
Gewicht fielen. Der Zeuge M., der Geschäftsführer der CPT, hat
bekundet, die Beklagte habe sein Unternehmen "unter
Kreditüberwachung gestellt", als es im Sommer/Herbst 1992 in eine
krisenhafte Lage geraten sei. Die CPT musste dem Zeugen B., der bei
der Beklagten für die Kreditüberwachung zuständig war, Finanzpläne
für drei bis fünf Wochen im Voraus vorlegen, denen
Forderungsaufstellungen beizufügen waren; die Klägerin hat diese
Pläne und Aufstellungen mit der Berufungsbegründung vorgelegt. Der
Zeuge M. hat die Situation anschaulich damit gekennzeichnet, er
habe für die Beklagte "gläserne Taschen" gehabt. Der Zeuge B. nahm
nach der Darstellung der Zeugen M. und N. auch regelmäßig Einfluss
auf geplante Verfügungen der CPT, wenn er es angesichts des
jeweiligen Standes des Geschäftskontos für angebracht hielt,
bestimmte Zahlungen nicht oder jedenfalls noch nicht zu leisten. Es
mag sein, dass diese Kontrollen von der Beklagten bei Einhaltung
oder nur geringfügiger Überschreitung des vereinbarten Kreditlimits
weniger intensiv betrieben wurden, für den entscheidenden Zeitraum
von Juli/August 1993 bis zur Kündigung der Geschäftsverbindung
Anfang Februar 1994 ist aber nach der Beweisaufnahme als erwiesen
anzusehen, dass die CPT für ihre finanziellen Verfügungen auf die
Zustimmung der Beklagten in der Person des Zeugen B. angewiesen
war. Ab September 1993 fanden tägliche Abstimmungen statt, schon
früh am Morgen und manchmal mehrmals täglich.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Unter diesen Umständen hat der Senat keine Bedenken, den
Bekundungen der Zeugen M. und N. auch insoweit zu folgen, als es um
die Kenntnis der Beklagten von den Geschäften der CPT mit der ASI
einerseits und dem SMdI (bzw. dem LKA) andererseits sowie von den
ihnen zugrundeliegenden Vertragsbedingungen geht. In der von dem
Zeugen M. so bezeichneten "trockenen Zeit" im Sommer 1993 lag
nichts näher, als dem Kontrolleur B. den großen Auftrag des SMdI
und den in den Zahlungsbedingungen günstigen Vertrag mit der ASI
unverzüglich anzuzeigen. Der Zeuge B. erkundigte sich daraufhin,
aus der Sicht des Hauptkreditgebers der CPT folgerichtig, nach den
von der ASI geforderten Sicherheiten. Auf die entsprechende
Auskunft des Zeugen M. bemerkte er sinngemäß, der
Eigentumsvorbehalt und die Forderungsabtretung seien nicht viel
wert, weil die Beklagte wegen der 1992 vereinbarten Globalzession -
von der sie dann keinen Gebrauch gemacht hat - die älteren Rechte
habe, und weil die Abtretung "bei der öffentlichen Hand nicht
ziehe". (Im Sitzungsprotokoll vom 06.08.1999 heißt es auf Seite 1
[Bl. 812 d.A.] irrtümlich: öffentliche Bank) Aus seiner Sicht war
also die ASI ein Gläubiger, der der CPT ein großzügiges
Zahlungsziel eingeräumt hatte, dafür aber keine echte Sicherheit
hatte. Ende September 1993 ließ die Beklagte den Scheck der CPT an
die ASI/P. über 1.181.456,64 DM passieren, obwohl es dadurch mit
den Worten des Zeugen M. "wieder eng" wurde; damals betrug die
interne Kreditlinie 1,45 Mio DM, die externe 750.000,00 DM. Diese
Unterscheidung hatte, wie der Zeuge E. erläutert hat, Bedeutung für
die Höhe der Verzinsung des Kredites.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Wie die Zeugen M. und N. übereinstimmend weiter bekundet haben,
ist der Zeuge B. auch von dem zweiten Sachsen-Auftrag (SMdI und
LKA) Anfang Dezember 1993 unverzüglich unterrichtet worden, und
zwar auch über die Details der Zahlungs- und
Sicherheitsbedingungen, die im übrigen dem Zeugen B. schon seit dem
ersten Teilauftrag im Sommer 1993 bekannt waren. Diese Aussagen
werden durch die von dem Zeugen M. überreichten Fax-Nachrichten vom
05. und 06.12.1993 bestätigt, auch wenn darin die (bekannten)
Konditionen nicht noch einmal erwähnt werden. Dass der Zeuge B.
über diese Nachricht, wie er selbst eingeräumt hat, "sehr erfreut"
gewesen ist, ist angesichts der angespannten Kreditlage der CPT
ohne weiteres nachvollziehbar, konnte doch dadurch der Kontostand
zum Jahresende 1993 deutlich auch unter die externe Kreditlinie von
750.000,00 DM zurückgeführt werden. Der Zeuge M. hat allerdings
nach seiner Aussage den Zeugen B. schon im Dezember und noch einmal
im Januar darauf hingewiesen, dass Ende Januar die Zahlung an die
ASI, "der große Abgang", fällig sei. Mehrfache Hinweise auf die
bald fällige Zahlung hat auch die Zeugin N. im Januar 1994 dem
Zeugen B. gegeben. Beide Aussagen werden bestätigt durch die von
der CPT erstellten Finanzpläne vom 03. und 17.01.1994 (Bl. 503, 512
d.A.), in denen Ausgaben in Höhe von zunächst 696.000,00 DM und
dann weiteren 413.000,00 DM im Zusammenhang mit dem
SMdI/LKA-Geschäft angekündigt werden. Der Zeuge B. wies aber nicht
etwa darauf hin, dass diese Zahlungen nicht geleistet werden
dürften, vielmehr sollte nach der Bekundung der Zeugin N. "eine
Steuerzahlung nicht ausgeführt werden ... wegen der anstehenden
Zahlung an die ASI", denn sonst müsse die Kreditlinie wieder erhöht
werden. Die Mitteilung des Zeugen E. am 01.02.1993, der für ASI/P.
bestimmte Scheck über 960.000,00 DM werde nicht bezahlt, kam unter
diesen Umständen für den Zeugen M. aus heiterem Himmel.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Aussagen der Zeugen M. und N. sind glaubhaft; gegenüber
ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit bestehen keine Bedenken. Die
Angaben gehen ins Einzelne, sind in sich stimmig und werden durch
die vorliegenden Finanzpläne und sonstigen Urkunden weitgehend
bestätigt. Der Zeuge M. hat bei seiner weit über eine Stunde
dauernden Vernehmung keine Unsicherheiten gezeigt, er hat ruhig und
sachlich geantwortet, auch auf Vorhalte. Es kennzeichnet den Zeugen
darüberhinaus, dass zwischen ihm und der Beklagten nach den Worten
des Zeugen E. eine besonders vertrauensvolle Beziehung bestand, und
dass er, so wieder der Zeuge E.; jederzeit "ehrlich" war. Die
Zeugin N. machte den Eindruck einer zuverlässigen und
vertrauenswürdigen Angestellten alter Schule, in ihrer Aussage
unbefangen und in der Sache sicher.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber kann der Senat dem Zeugen B. nicht folgen. Es ist
gänzlich unglaubhaft, dass er als für die Kreditüberwachung
Zuständiger bis zum Eingang des für die ASI bestimmten Schecks bei
der Beklagten Ende Januar 1994 noch nie etwas von diesem
Unternehmen gehört und von den Verträgen mit dem SMdI und ihren
Konditionen nichts gewusst haben will. Auf Vorhalt musste er
immerhin einräumen, das Fax der CPT vom 05.12.1993 erhalten zu
haben, in dem die Übersendung der schriftlichen Aufträge von SMdI
und LKA für den 06.12.1993 angekündigt wird. Obwohl der Zeuge B.
dieses zweite Fax nicht kennen wollte, hat der Senat aufgrund des
Sendeprotokolls in Verbindung mit der Aussage des Zeugen M. keinen
Zweifel, dass es bei der Beklagten eingegangen ist. Hätte der Zeuge
B. tatsächlich nichts davon erfahren, dann hätte angesichts der
Ankündigung in dem ihm bekannten Fax vom Vortag nichts näher
gelegen, als an die dort angekündigte Urkundenübersendung zu
erinnern. Bedenken gegenüber der Darstellung des Zeugen B. drängen
sich auch deshalb auf , weil er über Einzelheiten von Verträgen mit
einem geringeren Volumen (OFD Hannover, Deutsche Bahn) durchaus
unterrichtet war. Ersichtlich hat der Zeuge versucht, dem Zeugen M.
eine Verwechslung des hier streitigen Vorgangs mit anderen
Geschäften zu unterstellen. Dem zu folgen, besteht aber keinerlei
Anlass.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber mag es durchaus sein, dass der Zeuge E. über
einzelne Aufträge der CPT nicht unterrichtet war, weil er in seiner
Position mit Einzelheiten der Geschäftsverbindung nicht befasst
war, sondern nur eingeschaltet wurde, wenn die CPT
Finanzierungsbedarf hatte und über die Kreditlinie zu entscheiden
war. Seine Aussage ist daher für die hier wesentlichen Fragen nicht
ergiebig.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Nach diesem Beweisergebnis hat die Beklagte ihre dominierende
Stellung hinsichtlich der von der CPT betriebenen Geschäfte zu
Lasten eines dritten Geschäftspartners, nämlich der Klägerin,
bewußt und gewollt zum eigenen Vorteil ausgenutzt. Sie hat in der
Person des Zeugen B. als maßgebliche Gestalterin des Finanzgebarens
der CPT die ihr willkommenen Geschäfte mit der ASI einerseits, dem
SMdI und dem LKA andererseits gebilligt und gefördert, den ersten
Abschnitt auch planmäßig durch die CPT abwickeln lassen, sodann
hinsichtlich des zweiten Abschnitts und dessen Abwicklung bis zur
Einreichung des Schecks durch die CPT Ende Januar 1993 keine
Bedenken geäußert, obwohl der Zeuge M. schon im Dezember 1993 auf
den Ende Januar 1994 zu erwartenden "großen Abgang" und die dadurch
eintretende Verschlechterung der Kreditlage hingewiesen hatte und
anschließend weitere Hinweise auch durch die Zeugin N. folgten, um
dann plötzlich unter Berufung auf eben diese Verschlechterung die
Zahlung zu verweigern. Dabei ist nicht entscheidend, dass die
Kreditlage der CPT sich im Januar 1994 durch ausbleibende
Kundenzahlungen ungünstiger als erwartet gestaltete. Damit musste
die Beklagte rechnen, die seit 1973 mit dem Zeugen M.
zusammenarbeitete, im Lauf der Jahre dessen wirtschaftliches Auf
und Ab genau kennengelernt hatte und auch nach der Aussage des
Zeugen E. wusste, dass der Zeuge M. zwar ehrlich, aber "vielleicht
kein besonders guter Kaufmann war, was die Schlüssigkeit von Zahlen
betrifft." Der Zeuge E. hat auch von sich aus einen entscheidenden
Punkt im Verhalten der Beklagten genannt, wenn er gesagt hat, die
in den Verträgen der CPT mit ASI und SMdI "vereinbarte
Zahlungsfrist hätte angesprochen werden müssen." Die Beklagte, d.h.
der für sie handelnde Zeuge B., hätte rechtzeitig mit der CPT, ggf.
unter Einbeziehung der ASI erörtern müssen, ob die Erfüllung der
Forderung der gerade aus der Sicht des Zeugen weitgehend
ungesicherten ASI innerhalb der vereinbarten Frist möglich war bzw.
sichergestellt werden konnte. Stattdessen hat die Beklagte die
Befriedigung der ASI zu ihrem eigenen Vorteil verhindert, ohne
trotz wiederholter Hinweise seitens der Zeugen M. und N. vorher
irgendwelche Bedenken zu äußern.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Durch dieses Verhalten der Beklagten ist die Klägerin in Höhe
der Klageforderung geschädigt worden, weil unstreitig im Konkurs
der CPT keine Quote zu erwarten ist und die Klägerin insoweit mit
ihrer Kaufpreisforderung ausfällt. Der Streit der Parteien aus der
ersten Instanz darüber, auf welche der verschiedenen Rechnungen die
von der CPT gezahlten 345.000 DM zu verrechnen sind, ist in der
Berufungsinstanz nicht fortgesetzt worden. Er kann deshalb auf sich
beruhen. Gestritten wird beiderseits allein über die Forderungen
aus dem Sachsen-Geschäft im Dezember 1993. Im übrigen ging es in
erster Instanz im Ergebnis nur um einen Spitzenbetrag von 21.154,20
DM aus den in der Klageschrift (Bl. 9 d.A.) aufgeführten übrigen
Rechnungen.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Der weitere Vortrag der Klägerin zur Begründung der
Klageforderung kann unerörtert bleiben.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die Klageforderung ist ab Rechtshängigkeit (16.01.1996) mit 4 %
zu verzinsen (§§ 291, 288 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">5. Die Klägerin ist nicht gehindert, die Klageforderung geltend
zu machen. Sie ist unstreitig Rechtsnachfolgerin der ASI. Diese hat
an die damalige P. Gesellschaft für Exportfactoring nur ihre
Kaufpreisforderungen gegen die CPT abgetreten, nicht
Schadensersatzforderungen gegen die Beklagte. Außerdem liegt auch
die Rückabtretungserklärung der Fa. P. Factoring als
Rechtsnachfolgerin der Zessionarin vom 26.06.1997 vor (Anl. B 97),
die u.a. die seinerzeit abgetretenen Forderungen aus den Rechnungen
vom 14. und 16.12.1993 betrifft. Zu dieser Erklärung hat die
Beklagte nicht Stellung genommen, sie insbesondere auch nicht
bestritten.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Das Urteil ist
nach den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Wert der Beschwer der Beklagten: 819.530,20 DM</p>
|
114,330 | lagham-1999-09-09-4-sa-71499 | {
"id": 794,
"name": "Landesarbeitsgericht Hamm",
"slug": "lagham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Arbeitsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 4 Sa 714/99 | 1999-09-09T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:34 | 2019-02-14T10:22:49 | Urteil | ECLI:DE:LAGHAM:1999:0909.4SA714.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><table class="absatzLinks" cellspacing="0" cellpadding="0"><tbody><tr><td colspan="2"></td>
<td></td>
<td></td>
<td></td>
</tr>
<tr><td></td>
<td colspan="4"></td>
</tr>
</tbody>
</table>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">T a t b e s t a n d</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis bestanden hat und ob die Beklagte zur Erteilung von Abrechnungen und zur Ausstellung eines Zeugnisses für den Kläger verpflichtet ist.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger war in der Zeit vom 28.09.1996 bis 31.03.1997 auf der Grundlage eines schriftlichen, als Subunternehmervertrag überschriebenen Vertrages für die Beklagte tätig. Die Beklagte ihrerseits ist auf der Grundlage eines inhaltlich identischen Vertrages als „Subunternehmerin“ für die Firma G.......... P..........tätig.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Nach den vertraglichen Vereinbarungen hatte der Kläger der Beklagten ein bemanntes Fahrzeug mit einer bestimmten Ladekapazität zur Verfügung zu stellen, mit dem morgens vom Depot der Firma G.......... P..........in W........  Pakete abzuholen und anschließend auszuliefern waren. Für die Bereitstellung des bemannten Fahrzeuges sollte der Kläger eine Leistungsvergütung erhalten, die sich nach Anzahl und Gewicht der zugestellten Pakete richten sollte und tatsächlich bei monatlich 3.500,00 DM bis 5.000,00 DM zzgl. Mehrwertsteuer lag.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Nachdem das Vertragsverhältnis der Parteien am 31.03.1997 geendet hatte, machte der Kläger gegenüber der Beklagten eine Restforderung in Höhe von 4.622,43 DM geltend gemacht und ließ ihr durch seine späteren Prozeßbevollmächtigten abschließend folgendes mitteilen:</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Wir haben Ihre Mandantin aufzufordern, die vorgenannte Summe bis zum</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">29. April 1997</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">auf eines der angegebenen Konten zu zahlen. Wir versichern insoweit Inkassovollmacht. Sollte Ihre Mandantin Zahlung bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorgenommen haben, werden wir Auftrag erhalten, Klage gegen Ihre Mandantin zu erheben.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Im übrigen dürfte entgegen der vertraglichen Vereinbarung zwischen Ihrer Partei und unserem Mandanten ein Arbeitsverhältnis vorliegen. Unser Mandant hat weisungsgebunden und -abhängig bei Ihrer Mandantin gearbeitet. Von daher liegt nach unserer Auffassung ein Arbeitsverhältnis vor, für welches Beiträge zu den Sozialversicherungen zu entrichten sind.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Wir behalten uns ausdrücklich eine Klage zum zuständigen Arbeitsgericht und Sozialgericht vor.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Nach ergebnislosem Fristablauf hat er seine restlichen Vergütungsansprüche dann doch vor dem Amtsgericht Borken geltend, wobei er in der Klageschrift vom 23.07.1997 zur Begründung ausführte, für die Beklagte als Subunternehmer im Speditionsgewerbe tätig gewesen zu sein und den Subunternehmervertrag selbst zum 31.03.1997 gekündigt zu haben, da die Beklagte die vereinbarten Entgelte für die Spedierung von Paketen verspätet oder auch gar nicht vorgenommen habe.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht Borken hat durch Urteil vom 26.01.1998 (14 C 44/97) wie folgt für Recht erkannt:</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">1.              Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.081,06 DM nebst 12% Zinsen seit dem 30.04.1997 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">2.              Im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">3.              Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 12% dem Kläger und zu 88% der Beklagten auferlegt.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">4.              Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.100,00 DM vorläufig vollstreckbar. …</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Parteien haben sodann vor dem Landgericht Münster am 19.06.1998 (3 S 51/98) einen Vergleich nachfolgenden Inhalts geschlossen:</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Vergleich</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zahlt an den Kläger 3.081,06 DM.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Von den Kosten der I. Instanz tragen die Beklagte <sup>2</sup>/<sub>3</sub>, der Kläger <sup>1</sup>/<sub>3</sub>.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Von den Kosten der II. Instanz tragen die Beklagte <sup>3</sup>/<sub>4</sub> der Kläger <sup>1</sup>/<sub>4</sub>.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Vergleich wird wirksam, wenn er nicht binnen drei Wochen widerrufen wird.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Vergleich ist von den Parteien nicht widerrufen worden. Mit seiner bei dem Arbeitsgericht am 15.09.1998 eingegangenen Klage begehrt der Kläger nunmehr die Feststellung, daß zwischen den Parteien in der Zeit vom 28.09.1996 bis 31.03.1997 ein Arbeitsverhältnis bestanden habe.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Er hat zur Begründung vorgetragen, der Vertrag sei zwar als Subunternehmervertrag überschrieben worden, tatsächlich habe es sich aber um ein Arbeitsverhältnis gehandelt. Er sei vollständig in den Betrieb der Beklagten eingebunden und insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort weisungsgebunden gewesen. Ihm sei vorgegeben worden, wann er sich morgens im Depot der Firma G.......... P..........einzufinden gehabt habe. Des weiteren sei ihm eine feste Route zugeteilt worden, die er täglich zu befahren gehabt habe. Für andere Auftraggeber hätte er schon aus rein tatsächlichen Gründen nicht mehr tätig werden können, da der Arbeitstag durch die Vielzahl der auszuliefernden Pakete mehr als ausgefüllt gewesen sei. Er habe seinerseits keine Arbeitnehmer beschäftigt und mit Ausnahme seines Fahrzeugs über kein eigenes Kapital verfügt. Da er während der gesamten Beschäftigungszeit bei der Beklagten weder kranken- noch rentenversichert gewesen sei, habe er ein erhebliches rechtliches Interesse an der Feststellung, daß zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Er benötige ein klagestattgebendes Urteil, um bei der AOK für den Kreis Borken einen Versicherungsnachweis führen zu können. Außerdem sei die Beklagte verpflichtet, ihm ein ordnungsgemäßes Arbeitszeugnis auszustellen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">1.              festzustellen, daß aufgrund Arbeitsvertrages zwischen den Parteien vom 28.09.1996 ein Arbeitsverhältnis in der Zeit vom 28.09.1996 bis zum 31.03.1997 bestand,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">2.              die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Monate September 1996 bis März 1997 eine Abrechnung über das Arbeitsverhältnis und insbesondere über die Abführung von Sozialleistungen zu erteilen,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">3.              der Beklagten binnen einer Frist von zwei Wochen nach Rechtskraft des Urteils aufzugeben, die entsprechenden Handlungen vorzunehmen und für den Fall der Nichtvornahme gegen die Beklagte eine Entschädigung von mindestens 1.000,00 DM festzusetzen,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">4.              die Beklagte zu verurteilen, ihm ein qualifiziertes Arbeitszeugnis für die Zeit seiner Tätigkeit als Arbeitnehmer bei der Beklagten (28.09. 1996 bis 31.03.1997) zu erteilen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Sie hat vorgetragen, dem Kläger sei lediglich die Zeit vorgegeben worden, zu der er die Pakete am Depot der Firma G.......... P..........abzuholen gehabt habe. Es sei hingegen seine Sache gewesen, wann er die Pakete tatsächlich ausgeliefert habe. Ihm sei es unbenommen gewesen, auch für andere Auftraggeber tätig zu werden, was er auch tatsächlich gemacht habe. Des weiteren sei beabsichtigt gewesen, dem Kläger weitere Verteilungsgebiete zuzuweisen, die er dann mit eigenen Arbeitnehmern hätte bedienen sollen. Für eine Subunternehmertätigkeit spreche auch die vom Kläger erzielte Vergütung von 3.500,00 DM bis 5.000,00 DM zzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer, denn als Arbeitnehmer hätte er allenfalls 2.500,00 DM brutto erhalten.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Das Arbeitsgericht Bocholt hat durch Urteil vom 20.01.1999 (4 Ca 1668/98), auf welches vollinhaltlich Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Wert des Streitgegenstandes auf 9.000,00 DM festgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Gegen das ihm am 13.03.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.04.1999 Berufung eingelegt und diese am 11.05.1999 begründet.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Er hält das angefochtene Urteil für rechtsfehlerhaft und trägt vor, das Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage sei schon deshalb zu bejahen, weil die AOK Westfalen-Lippe mit Schreiben vom 03.11.1998 die Ansicht vertreten habe, ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien habe nicht bestanden. Dieser Rechtsauffassung sei schon nach dem alten Rechtszustand falsch, sie sei nach der Gesetzesreform seit dem 01.04.1999 nicht mehr zu halten. Seine Tätigkeit sei typischerweise die eines Arbeitnehmers gewesen. Insoweit verkenne das Arbeitsgericht die Grundsätze der „Eismann“-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts. Der hier vorliegende Sachverhalt sei praktisch identisch. Er habe als Arbeitnehmer der Beklagten, die wiederum ausschließlich für die Firma W...  Transport und Logistik GmbH & Co. KG als Franchisenehmerin der G.......... P......... ungiert habe, gearbeitet. Ein Feststellungsinteresse sei bereits deshalb gegeben, weil die Beklagte verneine, Arbeitgeberin von ihm gewesen zu sein.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Auch der Klageantrag zu 2) sei zulässig und im übrigen hinreichend bestimmt. Seine gegenteilige Auffassung habe das Arbeitsgericht weder in der Güteverhandlung noch im Kammertermin offenbart und keinerlei rechtliche Hinweise erteilt. Seine Gesamteinnahmen ohne die gesetzliche Mehrwertsteuer von damals 15% hätten 24.956,52 DM betragen, so daß ein monatlicher Nettoverdienst von 3.565,21 DM verblieben sei. Ausgehend von diesem Nettobetrag habe die Beklagte die Abrechnung vorzunehmen. Hilfsweise mache er sich den Vortrag der Beklagten zu eigen, daß ein Bruttoarbeitsentgelt von 2.500,00 DM bestanden habe. Nach diesem Betrag sei die Abrechnung vorzunehmen, so daß der Klageantrag zu 2) begründet sei. Die Verfallklausel aus dem Tarifvertrag für das Speditionsgewerbe sei nicht anwendbar, da kein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag bestehe und die Parteien nicht tarifgebunden seien.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Auch der Antrag auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses sei nicht verwirkt. Zu Unrecht geht das Arbeitsgericht davon aus, daß ein Anspruch auf Zeugniserteilung nicht mehr gegeben sei, da er zunächst im zivilrechtlichen Verfahren seine Ansprüche gegen die Beklagte geltend gemacht habe. Die Tatsache, daß er bei der Beklagten gearbeitet und seine Vergütungsansprüche zunächst bei dem unzuständigen Zivilgericht geltend gemacht habe, könne sich nicht zu seinen Lasten auswirken. Vielmehr hätte die Beklagte in dem gegen sie gerichteten zivilgerichtlichen Verfahren einwenden können, daß in Wahrheit das Arbeitsgericht zuständig sei. Insoweit hätte es die Beklagte selbst in der Hand gehabt, den richtigen Rechtsweg zu beschreiten. Im übrigen habe er bereits mit Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 22.04.1997 an den damaligen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten seine Auffassung zum Ausdruck gebracht, nach der über die Frage des bestehenden Arbeitsverhältnisses nachzudenken sei.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt:</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">1.              Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bocholt vom 20.01.1999 (4 Ca 1668/98) wird festgestellt, daß aufgrund des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien vom 28.09.1996 ein Arbeitsverhältnis in der Zeit vom 28.09.1996 bis zum 31.03.1997 bestand.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">2.              Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Monate September 1996 bis März 1997 eine Abrechnung über das Arbeitsverhältnis und insbesondere über die Abführung von Sozialleistungen zu erteilen.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">3.              Der Beklagten wird eine Frist von zwei Wochen nach Rechtskraft des Urteils gesetzt, um die unter Ziffer 2. genannte Handlung vorzunehmen und für den Fall der Nichtvornahme gegen die Beklagte eine Entschädigung von mindestens 1.000,00 DM festgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">4.              Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Arbeitszeugnis für die Zeit seiner Tätigkeit als Arbeitnehmer bei der Beklagten vom 28.09.1996 bis zum 31.03.1997 zu erteilen.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">5.              Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen und den Wert des Streitgegenstandes festzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Sie verteidigt das angefochtene Urteil.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Gerichtsakten gereichten Urkunden Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die aufgrund entsprechender Beschwer statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sowie rechtzeitig ordnungsgemäß begründete Berufung des Klägers hat keinen Erfolg und führt deshalb zur Zurückweisung des Rechtsmittels.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist teils unzulässig, teils unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">1. Zutreffend hat das Arbeitsgericht in seinem Urteil ausgeführt, daß der auf Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft gerichtete Klageantrag zu 1) unzulässig ist, denn es fehlt insoweit das erforderliche Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Eine auf Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichtete Feststellungsklage ist nur dann zulässig, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben (<em>BAG</em> v. 23.04.1997 – 5 AZR 727/95, AP Nr. 40 zu § 256 ZPO 1977 = AR-Blattei ES 160.7 Nr. 207 = EzA § 256 ZPO Nr. 47 = NZA 1997, 1246; <em>BAG</em> v. 24.09.1997 – 4 AZR 429/95; AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge Reichsbund = AR-Blattei ES 160.7 Nr. 208 = EzA § 256 ZPO Nr. 48 = NZA 1998, 330). Dafür reicht z.B. die bloße Möglichkeit, daß dem Kläger, wenn er Arbeitnehmer war, Ansprüche auf eine betriebliche Altersversorgung zustehen, zur Bejahung des Feststellungsinteresses nicht aus (<em>BAG</em> v. 03.03.1999 – 5 AZR 275/98, AR-Blattei ES 160.7.1 Nr. 2 = EzA § 256 ZPO Nr. 50 = NZA 1999, 669). Des weiteren ist das Feststellungsinteresse zu verneinen und die Klage ist bei den Gerichten für Arbeitssachen unzulässig, wenn es dem Kläger nur um die Feststellung der Sozialversicherungspflichtigkeit seiner früheren Tätigkeit geht (<em>LAG Köln</em> v. 25.03.1998 – 7 Sa 1661/97, NZA-RR 1999, 327). Über die Sozialversicherungspflichtigkeit des beendeten Rechtsverhältnisses der Parteien hat vorliegend die AOK eigenverantwortlich zu entscheiden. Sie hat dabei von Amts wegen zu ermitteln und dem Kläger einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erteilen, gegen den der Kläger ggf. Klage am Sozialgericht erheben könnte, bei dem ebenfalls eine Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen erfolgt. Im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen wird demgegenüber nur das Vorbringen der Parteien berücksichtigt, so daß hier eine Entscheidung aufgrund unzureichenden Parteivorbringens sachlich unrichtig sein kann. Demgemäß ist unsicher, ob eine arbeitsgerichtliche Entscheidung über das Rechtsverhältnis der Parteien für den streitbefangenen Zeitraum vom 28.09.1996 bis zum 31.03.1997 dem Kläger überhaupt etwas nützen würde, das heißt von der AOK und ggf. vom Sozialgericht akzeptiert werden würde. Gerade das Schreiben der AOK Westfalen-Lippe, Regionaldirektion Steinfurt/Borken vom 03.11. 1998 belegt eindrucksvoll, daß die AOK bereits eine eigenständige Prüfung der Sozialversicherungspflichtigkeit der Tätigkeit des Klägers vorgenommen hat und sich nicht etwa darauf zurückzieht, daß der Kläger gegen die Beklagte einen vergangenheitsbezogenen Statusprozeß führt.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">2. Zutreffend hat das Arbeitsgericht in seinem Urteil des weiteren ausgeführt, daß der auf Abrechnung gerichtete Klageantrag zu 2) unzulässig ist, denn es fehlt auch hier das erforderliche Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Daß er selbst noch irgendwelche Ansprüche nach Rechnungslegung durch die Beklagte haben könnte, behauptet der Kläger selbst nicht. Es geht ihm hier nur um die „Abführung von Sozialleistungen“ und damit wiederum um die Frage der Sozialversicherungspflichtigkeit seiner Tätigkeit in den Monaten von September 1996 bis einschließlich März 1997. Zur Klärung dieser Frage sind die Gerichte für Arbeitssachen nicht berufen. Im übrigen wären evtl. erteilte Abrechnungen für die AOK weder hinsichtlich der Frage der Sozialversicherungspflichtigkeit der Tätigkeit als solche noch in Bezug auf die Höhe der evtl. auszuweisenden (aber tatsächlich nicht abgeführten) Sozialabgaben bindend. Ob der Klageantrag zu 2) unter Zuhilfenahme der Begründung nunmehr hinreichend bestimmt ist, kann dahingestellt bleiben. Es fehlt bereits das erforderliche Feststellungsinteresse.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">3. Da der Antrag zu 2) abgewiesen worden ist, bleibt auch der Entschädigungsantrag nach § 61 Abs. 2 ArbGG ohne Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">4. Ein Kraftfahrer, der im Rahmen eines Franchisesystems Transporte für ein Unternehmen des Güternahverkehrs ausführt, kann je nach dem Grad der persönlichen Abhängigkeit Arbeitnehmer i.S.v. § 611 BGB oder selbständige Frachtführer i.S.d. § 425 HGB a.F. = § 407 HGB n.F. sein. Die Arbeitnehmereigenschaft kann auch dann vorliegen, wenn der zur Leistung Verpflichtete vertraglich eine Erfolgsgarantie (Haftung) übernimmt, selbst die zur Arbeitsverrichtung notwendigen Betriebsmittel stellt (z.B. LKW) und berechtigt und/oder verpflichtet ist, die Leistung durch einen Dritten erbringen zu lassen (<em>LAG Düsseldorf</em> v. 04.09.1996 – 12/6/5 Sa 909/96, LAGE § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 33).</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">4.1. Der Frachtführer dagegen übt ein selbständiges Gewerbe aus. Das gilt auch dann, wenn er als Einzelperson ohne weitere Mitarbeiter nur für einen Spediteur tätig ist und beim Transport ein mit den Farben und dem Firmenzeichen des Spediteurs ausgestattetes eigenes Fahrzeug einsetzt (<em>BAG</em> v. 19.11. 1997 – 5 AZR 653/96, AP Nr. 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit [<em>Mayer</em>] = AR-Blattei ES 110 Nr. 52 = EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 63 = EWiR 1998, 443 [<em>Wank</em>] = MDR 1998, 604 = NZA 1998, 364 = SAE 1998, 164 [<em>Misera</em>] = ZIP 1998, 612). Ein Frachtführer, der nur für einen Auftraggeber fährt, ist nicht Arbeitnehmer, wenn weder Dauer noch Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit vorgeschrieben sind und er die – nicht nur theoretische – Möglichkeit hat, auch Transporte für eigene Kunden auf eigene Rechnung durchzuführen. Ob er diese Möglichkeit tatsächlich nutzt, ist nicht entscheidend (<em>BAG</em> v. 30.09.1998 – 5 AZR 563/97, AP Nr. 103 zu § 611 BGB Abhängigkeit = AR-Blattei ES 110 Nr. 65 = EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 74 = MDR 1999, 552 EWiR 1999, 549 [<em>Dalichau</em>] = NZA 1999, 374 = ZIP 1999, 544). Für die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmer und Frachtführer von Bedeutung sind in erster Linie die Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, und nicht die Modalitäten der Zahlung oder die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung oder die Überbürdung von vertraglichen Risiken. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Widersprechen sich Vereinbarungen und tatsächliche Durchführung, so ist letztere maßgebend. Insgesamt kommt es auf eine Würdigung der Umstände des Einzelfalls an. Diese Grundsätze sind auch im Bereich Transport und Verkehr anzuwenden (<em>BAG</em> v. 16.03.1994 – 5 AZR 447/92, AP Nr. 68 zu § 611 BGB Abhängigkeit = AR-Blattei ES 110 Nr. 39 = EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 53 = SAE 1995, 122 [<em>Boemke</em>]). Sie gelten auch insoweit, als es um die Abgrenzung zu Franchiseverträgen (<em>BAG</em> v. 16.07.1997 – 5 AZB 29/96, AP Nr. 37 zu § 5 ArbGG 1979 = EzA § 5 ArbGG 1979 Nr. 24 = MDR 1997, 1127 = NZA 1997, 1126 = WiB 1997, 1197 [<em>Flohr</em>] = ZIP 1997, 1714), Kommissionärsverträgen (<em>BAG</em> v. 08.09.1997 – 5 AZB 3/97, EzA § 5 ArbGG 1979 Nr. 25 = EWiR 1998, 53 [<em>Walker</em>] = NZA 1997, 1302 = ZIP 1997, 2208) und ähnlichen Verträgen geht. Wird die Tätigkeit des Transporteurs stärker eingeschränkt, als es aufgrund gesetzlicher Regelungen oder wegen versicherungsrechtlicher Obliegenheiten geboten ist, so kann das Rechtsverhältnis als ein Arbeitsverhältnis anzusehen sein (<em>BAG</em> v. 19.11.1997 – 5 AZR 653/96, a.a.O., m.w.N.; <em>BAG</em> v. 30.09.1998 – 5 AZR 563/97, a.a.O., m.w.N.). In einem solchen Falle er dann auch einen Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses (§ 630 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">4.2. Vorliegend reicht das Vorbringen des Klägers nicht aus, ihn als Arbeitnehmer zu qualifizieren. In der Berufungsbegründung behauptet er zwar, seine Tätigkeit sei „typischerweise die Tätigkeit eines Arbeitnehmers“ gewesen, ohne dies näher zu schildern und zu belegen. Selbst wenn man sein „vollinhaltlich“ in Bezug genommenes Vorbringen aus der Klageschrift hinzuzieht, was angesichts der Regelung des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht unproblematisch ist, vorliegend aber nicht abschließend entschieden werden muß, bleibt sein Vortrag unschlüssig. Sein Vorbringen erschöpft sich in dem Vortrag von Schlagworten, die für eine Arbeitnehmereigenschaft sprechen, und bleibt an der Oberfläche. Das Gericht kann sich kein eigenes Bild über den tatsächlichen Geschehensablauf und darüber machen, ob und ggf. wie der Kläger in die Arbeitsorganisation der Beklagten (als Arbeitgeberin) eingegliedert gewesen ist. Die Eingliederung zeigt sich insbesondere darin, daß der Beschäftigte dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. § 121 GewO). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist namentlich der Mitarbeiter, der nicht im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB). Selbst wenn man vorliegend als war unterstellt, daß ihm die „Arbeitszeiten“ von morgens 05.30 Uhr bis ca. 17.00 Uhr nachmittags vorgegeben gewesen sein sollten, läßt dies keinen Rückschluß zu, wie der Tourenablauf gewesen ist und wer ihn wie gestaltet hat. Die Behauptung, er habe „keine Möglichkeit (gehabt), selbst auf die Gestaltung der Arbeitszeiten Einfluß zu nehmen“, wird durch den Subunternehmervertrag widerlegt. Nach dem Wortlaut des § 1 des Subunternehmervertrages konnte der Kläger andere Fahrer einsetzen, „die die Imagekleidung entsprechend den Richtlinien von G.......... P..........tragen“, und zwar ohne vorher die Erlaubnis der Beklagten einzuholen. Der Frachtführer ist auch nicht schon allein deshalb Arbeitnehmer, weil er vertraglich verpflichtet ist, wie es bei Franchiseverträgen und ähnlichen Verträgen üblich ist, sich in einer bestimmten Weise zu kleiden (<em>BAG</em> v. 30.09.1998 – 5 AZR 563/97, a.a.O.). Beim Einsatz anderer Fahrer hatte der Kläger durchaus die Möglichkeit, seine Tätigkeit im wesentlichen frei zu gestalten und seine Arbeitszeit selbst zu bestimmen. Daß sich hier die vertraglichen Vereinbarungen und tatsächliche Durchführung des Vertrages widersprechen sollen, wird vom Kläger nicht näher dargelegt. Daß es dem Kläger gemäß § 3 Ziff. 6 des Subunternehmervertrages „nicht gestattet (war), für einen Wettbewerber des System von RT tätig zu werden“, spricht ebenfalls nicht für die Arbeitnehmereigenschaft, denn auch mit Handelsvertretern kann ein entsprechendes Wettbewerbsverbot vereinbart werden, und zwar auch für die Zeit nach Beendigung des Vertragsverhältnisses (§ 90a Abs. 1 HGB). Es bestehen keine Bedenken gegen eine Wettbewerbsklausel, die es einem Frachtführer oder Franchisnehmer verbietet, im Paketdienst „all round“ tätig zu werden. Daß der Kläger nur im Bereich von G.......... P..........und nicht auch für United Parcel Service oder andere Konkurrenten hat tätig werden dürfen, macht ihn noch nicht zum Arbeitnehmer.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">4.3. Ein Arbeitsverhältnis kann aber dann zu bejahen sein, wenn Vereinbarungen getroffen und praktiziert werden, die zur Folge haben, daß der betreffende Fahrer in der Ausübung seiner Tätigkeit weit weniger frei ist als ein Frachtführer i.S.d. § 425 HGB a.F. = § 407 HGB n.F. Wirtschaftliche Zwänge allein können die Arbeitnehmereigenschaft nicht begründen. Entscheidend ist also, welche Gestaltungsspielräume dem Beschäftigten in dem System noch verbleiben und ob seine persönliche Abhängigkeit das für Arbeitsverhältnisse typische Maß erreicht. Der Kläger beruft sich lediglich darauf, „darüber hinaus weisungsgebunden“ gewesen zu sein. Er habe seine Weisungen von dem Ehemann der Beklagten, der tatsächlich die Geschäfte des Unternehmens seiner Ehefrau führe, erhalten. Wie sich diese Weisungsgebundenheit in der Praxis dargestellt hat, hat er offen gelassen. Hier wäre eine nähere Darlegung notwendig gewesen, denn der Gesetzgeber hat den Frachtführer als selbständigen Gewerbetreibenden und damit nicht als Arbeitnehmer eingeordnet, obwohl der Frachtführer schon von Gesetzes wegen weitreichenden Weisungsrechten unterliegt (§§ 418, 419 HGB n.F.; §§ 433, 437 HGB a.F.). Daß der Kläger die Anweisung erhielt, wann er sich morgens im Depot W........  der Fa. G......... P..-.... einzufinden hatte, läßt nicht auf „eine gravierende persönliche Abhängigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer“ schließen. Der Kläger behauptet weiter, er habe „keine eigenen unternehmerischen Entscheidungen fällen“ können und habe „gewerblich nicht tätig sein“ dürfen, ohne darzulegen, woraus aufgrund der tatsächlichen Handhabung auf diese Einschränkungen geschlossen werden kann. Daß er „ausschließlich für die Beklagte tätig“ war, besagt gar nichts, denn auch ein Einfirmenvertreter ist nur für ein Unternehmen tätig und darf sogar für ein weiteres Unternehmen überhaupt nicht tätig werden (vgl. § 92a Abs. 1 Satz 1 HGB). Solche Beschränkungen sind in dem zwischen den Parteien geschlossenen Subunternehmervertrag nicht enthalten. Dem Kläger ist als Subunternehmer – anders als dies vielfach bei Handelsvertretern üblich ist – „innerhalb des Einsatzgebietes keine Exklusivität eingeräumt (worden), seine Abgrenzung dient allein der Ermöglichung einer sachgerechten Tourenplanung durch den Subunternehmer“, wie es in § 1 des Subunternehmervertrages wörtlich heißt. Danach hat es im Einzelfall sogar so sein können, daß dem Kläger als Subunternehmer Pakete außerhalb des Einsatzgebietes zur Auslieferung übergeben oder Versender außerhalb des Einsatzgebietes zur Abholung angegeben werden konnten.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">4.4. Im übrigen ist zu beachten, daß der Grad der persönlichen Abhängigkeit auch von der Eigenart und der Organisation der zu leistenden Tätigkeit abhängt. Manche Tätigkeiten können sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines anderen Rechtsverhältnisses erbracht werden, andere regelmäßig nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Bei untergeordneten und einfacheren Arbeiten ist eher eine Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation anzunehmen als bei gehobenen Tätigkeiten. Ein Arbeitsverhältnis kann aber auch bei Diensten höherer Art gegeben sein, selbst wenn dem Dienstverpflichteten ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und fachlicher Selbständigkeit verbleibt. Aus Art und Organisation der Tätigkeit kann auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses zu schließen sein (<em>BAG</em> v. 16.07.1997 – 5 AZR 312/96, EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 6). Die Beförderung von Paketen ist eine typische Frachtführertätigkeit, denn nach der Legaldefinition des § 407 Abs. 3 HGB n.F. ist Frachtführer, wer es gewerbsmäßig übernimmt, die Beförderung von Gütern zu Lande, auf Binnengewässern oder mit Luftfahrzeugen auszuführen (ähnlich § 425 HGB a.F.). Durch den Frachtvertrag wird der Frachtführer verpflichtet, das Gut zum Bestimmungsort zu befördern und dort an den Empfänger abzuliefern (§ 407 Abs. 1 HGB n.F.). Es ist berücksichtigt, daß die Rechtsbeziehung zwischen einem Spediteur und einem Frachtführer für sich allein selbst dann nicht zur Arbeitnehmereigenschaft des Frachtführers führt, wenn sie in einem entsprechenden Rahmenvertrag auf Dauer angelegt ist. Der Gesetzgeber hat den Frachtführer als Gewerbetreibenden und insoweit als Selbständigen eingeordnet, obwohl der Frachtführer sich schon von Gesetzes wegen weitreichenden Weisungsrechten sowohl des Spediteurs als auch des Absenders und des Empfängers des Frachtgutes aussetzt. Eine Verschärfung haben diese Weisungsrechte teilweise noch durch allgemeine Geschäftsbedingungen erfahren. Hinzu kommen faktisch für den Spediteur unverzichtbare Kontrollen mit Rücksicht auf seine versicherungsrechtlichen Obliegenheiten. Insgesamt ist damit auch der selbständige Frachtführer – im Vergleich zu anderen selbständigen Unternehmern – nach seinem Berufsbild in hohem Maße weisungsabhängig. Diese Umstände führen auch angesichts dessen, daß das Fahrzeug des Frachtführers – wie in der Branche geläufig – die Farben und das Logo des Spediteurs aufweist, nicht zu der Annahme, daß hieraus auf ein Arbeitsverhältnis zu schließen wäre. Insoweit ist vielmehr die gesetzgeberische Wertung, wonach Frachtführer Gewerbetreibende und damit Selbständige sind (§ 425 HGB a.F. = § 407 Abs. 3 HGB n.F.), zugrundezulegen (<em>BAG</em> v. 19.11.1997 – 5 AZR 653/96, a.a.O.). Die Darlegung und den Nachweis, daß sich die Parteien gerade nicht auf eben jene Bindungen beschränkt, sondern Vereinbarungen getroffen und praktiziert haben, die zur Folge haben, daß der Kläger gegenüber der Beklagten in weit höherem Maße als ein Frachtführer i.S.d. § 425 HGB a.F. = § 407 HGB n.F. unfrei ist, seine Tätigkeit auszuüben und seine Arbeitszeit zu gestalten, ist der Kläger schuldig geblieben. Der Kläger glaubt, örtlich und zeitlich weisungsgebunden und deshalb Arbeitnehmer gewesen zu sein. Er übersieht dabei, daß auch ein Frachtführer örtlich und zeitlich weisungsgebunden ist, den der Frachtbrief enthält unter anderem „Stelle und Tag der Übernahme des Gutes sowie die für die Ablieferung vorgesehene Stelle“ und „Name und Anschrift des Empfängers und eine etwaige Meldeadresse“ (§ 408 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 und 5 HGB n.F.). Der Frachtführer ist gemäß § 423 HGB n.F. verpflichtet, das Gut innerhalb der vereinbarten Frist oder mangels Vereinbarung innerhalb der Frist abzuliefern, die einem sorgfältigen Frachtführer unter Berücksichtigung der Umstände vernünftigerweise zuzubilligen ist (Lieferfrist). Da in den Frachtbrief weitere Angaben eingetragen werden können, die die Parteien für zweckmäßig halten (§ 408 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F.), kann aus einer Toureneinteilung nicht auf einen Arbeitnehmereigenschaft geschlossen werden. Zu den besonderen Vereinbarungen, welche die Beteiligten über andere Punkte treffen können, zählt „namentlich … die Zeit, innerhalb welcher die Beförderung bewirkt werden soll“, wie es vormals in § 426 Abs. 2 Nr. 8 HGB a.F. hieß. Aus der Zusammenstellung der Beförderungszeiten folgt dann der Tourenplan, der nicht notwendig mit dem Frachtführer zeitlich abgestimmt werden muß, sondern – entgegen der Ansicht des Klägers – ohne Rücksprache erstellt werden darf. Dieser Tourenplan kann und braucht natürlich nur insoweit eingehalten werden, wie der Empfänger tatsächlich angetroffen wird. Bei Ablieferungshindernissen muß der Frachtführer ebenso wie bei Beförderungshindernissen die Weisung des Verfügungsberechtigten einholen (§ 419 Abs. 1 i.V.m. § 418 HGB n.F.), ohne daß er deshalb in die Organisation des Spediteurs eingegliedert und somit zum Arbeitnehmer wird.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">4.5. Nach den vorstehenden Ausführungen ist der Kläger nicht als Arbeitnehmer zu qualifizieren, so daß er keinen Anspruch auf Ausstellung eines Arbeitszeugnisses nach § 630 BGB hat. Darüber hinaus muß sich der Kläger widersprüchliches Verhalten und damit ein Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegenhalten lassen. Sein möglicher Zeugnisanspruch ist – worauf bereits das Arbeitsgericht zutreffend abgestellt hat – verwirkt.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">4.5.1. Der Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses unterliegt, wie jeder schuldrechtliche Anspruch, der Verwirkung. Zur Verwirkung eines Anspruchs müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein: Der Gläubiger muß sein Recht längere Zeit nicht ausgeübt und dadurch bei dem Schuldner die Überzeugung hervorgerufen haben, der Gläubiger werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Der Schuldner muß sich weiter hierauf eingerichtet haben, und schließlich muß ihm die Erfüllung des Rechts des Gläubigers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht mehr zumutbar sein (<em>BAG</em> v. 17.02.1988 – 5 AZR 638/86, AP Nr. 17 zu § 630 BGB [<em>van Venrooy</em>] = AR-Blattei ES 1850 Nr. 27 = „Zeugnis: Entsch. 27“ = EzA § 630 BGB Nr. 12 = MDR 1988, 607 = NZA 1988, 427 = SAE 1989, 59 [<em>M. Wolf</em>]). Zeitmoment und Umstandsmoment dürfen dabei nicht isoliert, sondern können nur in engem Zusammenhang gesehen werden. Der Schwerpunkt liegt beim Umstandsmoment (<em>BAG</em> v. 09.07.1958 – 2 AZR 438/56, AP Nr. 9 zu § 242 BGB Verwirkung [<em>Larenz</em>] = EzA § 242 BGB Nr. 1 = NJW 1958, 1988), das nicht etwa vom Zeitmoment indiziert wird (<em>BAG</em> v. 20.05.1988 – 2 AZR 711/87, AP Nr. 5 zu § 242 BGB Prozeßverwirkung [<em>Kreitner</em>] = AR-Blattei ES 1720 Nr. 4 = „Verwirkung: Entsch. 4“ = EzA § 242 BGB Prozeßverwirkung Nr. 1 [<em>Schulin</em>] = EWiR 1988, 1161 [<em>Künzl</em>] = NZA 1989, 16 = ZIP 1988, 1595). Die Frage des Rechtsmißbrauchs (der Verwirkungstatbestand ist ein Fall unzulässiger Rechtsausübung) läßt sich nur für den Einzelfall klären, eine schematisierende Betrachtung wird dem nicht gerecht.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">4.5.2. Vorliegend ist er erfüllt, denn es nicht angeht, daß der Kläger seinen Status beliebig ändert. So stellt es bspw. eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn ein Rundfunkmitarbeiter zunächst eine Statusklage vor dem Arbeitsgericht zurücknimmt und sich später zur Begründung der Voraussetzungen der tariflichen Unkündbarkeit darauf beruft, er sei durchgehend Arbeitnehmer gewesen (<em>BAG</em> v. 12.08.1999 – 2 AZR 632/98, AP Nr. 41 zu § 242 BGB Unzulässige Rechtsausübung–Verwirkung = EzA § 242 BGB Rechtsmißbrauch Nr. 4). Im Ergebnis vergleichbar ist die Rechtslage vorliegend zu beurteilen. Der Kläger hat zunächst nach Beendigung des zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses etwas über 1 Jahr lang nichts von sich hören lassen, dann mit Schreiben vom 22.04.1997 Zahlungsansprüche auf der Basis des Subunternehmervertrages geltend macht, am 23.07.1997 vor dem Amtsgericht Borken unter Aktenzeichen 14 C 44/97 einklagt, wobei er sich zur Begründung darauf beruft, für die Beklagte als Subunternehmer tätig gewesen zu sein, um schließlich etwa 1½ Jahre nach Vertragsbeendigung erstmals seinen vermeintlichen Zeugnisanspruch geltend zu machen (und das sofort gerichtlich). Damit setzt er sich zu seinem Schreiben vom 22.04.1997 in Widerspruch. Obwohl er sich bereits darin ausdrücklich darauf beruft, Arbeitnehmer gewesen zu sein, für den „Beiträge zu den Sozialversicherungen zu entrichten sind“, hat er nicht gemäß seinem Vorbehalt, „eine Klage zum zuständigen Arbeitsgericht und Sozialgericht“ zu erheben, dort, sondern vor den Zivilgerichten geklagt. Erst nachdem er durch den Abschluß des Vergleichs vor dem Landgericht Münster am 19.06.1998 (3 S 51/98) die nach dem unstreitigen Vorbringen der Beklagten deutlich höhere Subunternehmervergütung erzielt hat, stellt er sich plötzlich auf den Standpunkt, nicht Subunternehmer, sondern Arbeitnehmer gewesen zu sein und deshalb einen Zeugnisanspruch zu haben. Wer durch seine Erklärung oder sein Verhalten, wie vorliegend der Kläger, bewußt eine Sach‑ oder Rechtslage geschaffen hat, auf die sich der Vertragspartner verlassen durfte und auch verlassen hat, darf ihn in seinem Vertrauen nicht enttäuschen. Es würde gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen und das Vertrauen im Rechtsverkehr untergraben, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, wenn es erlaubt wäre, sich nach Belieben mit seinen früheren Erklärungen und seinem vorausgegangenen Verhalten derart in Widerspruch zu setzen.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">5. Nach alledem war die Berufung des Klägers gegen das arbeitsgerichtliche Urteil in vollem Umfang zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">5.1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, da das Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">5.2. Der Wert des Streitgegenstandes war nach § 25 GKG i.V.m. § 12 Abs. 7 Satz 1 Hs. 1 ArbGG und §§ 3 ff. ZPO festzusetzen. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Bewertung mit insgesamt 9.000,‑‑ DM, welche 4.601,63  entspricht, erscheint angemessen zu sein. Der Streitwertbeschluß hat mit der Urteilsformel verbunden werden können.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">5.3. Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 1 ArbGG ist bei der vorliegenden Einzelfallgestaltung nicht ersichtlich, denn die von den Parteien aufgeworfenen Rechtsfragen sind bereits sämtlich beantwortet bzw. konnten dahingestellt bleiben. Die Nichtzulassung der Revision war in den Urteilstenor aufzunehmen, da die Parteien bereits nach Verkündung des Urteils wissen müssen, ob der zwischen ihnen bestehende Konflikt entschieden ist oder nicht.</p>
|
114,331 | lagd-1999-09-09-13-16-sa-63499 | {
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<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">T a t b e s t a n d</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin erhielt in der ersten Hälfte des Schuljahres 1997/1998 einen Arbeitsvertrag als angestellte Lehrerin zur Erteilung von Unterricht an öffentlichen Grund- und Hauptschulen mit einer Pflichtstundenzahl von 21 Stunden pro Woche und einer Vergütung aus der Vergütungsgruppe BAT III. Die Beteiligten waren sich darüber einig, dass mit dem vereinbarten Unterricht der Ausfall der schon längerfristig erkrankten Lehrerin P.abgedeckt werden sollte. Die vertretene Lehrerin verstarb. Die Parteien schlossen daraufhin einen Anschlussarbeitsvertrag für die Zeit vom 20.10.1997 bis 24.06.1998 (Bl. 9 d. A.). Nach diesem Vertrag war das gesamte Tarifwerk des Bundesangestelltentarifvertrages Gegenstand des Einzelvertrages. Angaben zum Befristungsgrund im Sinne der Nr. 1 SR II y BAT erfolgten nicht. Zwischenzeitlich nahm die Klägerin erfolglos mit einer Bewerbung am öffentlichen Lehrereinstellungsverfahren im Sinne des § 22 Schulverwaltungsgesetz und des dazugehörigen Erlasswerks des Landes N.-W. teil. Mit Schreiben vom 22.06.1998 an das Schulamt der Stadt D.machte sie geltend, dass die Befristung ihres Vertrages vom 22./24.10.1997 wegen des Todes der Stelleninhaberin weggefallen sei. Sie beantragte die Umwandlung ihres Arbeitsverhältnisses in ein unbefristetes. Mit der am 14.07.1998 erhobenen Feststellungsklage hat sie die Feststellung begehrt, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht kraft Befristung mit Ablauf des 24.06.1998 geendet hat und die Verurteilung des Landes, sie im Umfang von wöchentlich 21/27 Unterrichtsstunden auf Dauer weiterzubeschäftigen. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, eine wirksame Befristung ihres Arbeitsvertrages sei schon deshalb nicht gegeben, weil eine Vereinbarung im Sinne der Nr. 1 SR II y BAT nicht getroffen worden sei. Weiter hat sie gemeint, sofern sie als Aushilfe eingestellt worden sei, um eine ausgefallene Kollegin zu vertreten, sei der Befristungstatbestand begrifflich mit dem Tod der vertretenen Person beendet gewesen. Die Konsequenz ihrer gleichwohl erfolgten Weiterbeschäftigung müsse sein, dass sie nun einen Anspruch auf Dauerbeschäftigung habe.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht kraft Befristung mit Ablauf des 24.06.1998 geendet hat,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">2. das beklagte Land zu verurteilen, die Klägerin als angestellte Lehrerin im Umfang von wöchentlich 21/27 Unterrichtsstunden bei Zahlung einer anteiligen Vergütung aus der Vergütungsgruppe BAT III über den 24.06.1998 hinaus weiterzubeschäftigen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Es hat vorgetragen, die Klägerin sei im beiderseitigen Einverständnis nur zur Aushilfe für die Erteilung des Unterrichts für die erkrankte Lehrerin P.eingestellt worden. Nach deren Ableben habe der Grund der Fortsetzung bestanden, den Kindern eine durchgehende Lehrkraft ohne Unterbrechung der persönlichen Bindung zwischen Schülern und Lehrern zu verschaffen. Das sei als sachlicher Befristungsgrund anzuerkennen. Die Klägerin sei dabei aus dem Titel 310 bezahlt worden, der unter dem Begriff Geld statt Stellen bekannt geworden sei. Dieser Titel solle lediglich den Ausgleichsbedarf abdecken. Eine Einstellung auf diesem Wege könne nicht mit einer normalen Dauereinstellung nach dem geltenden Lehrereinstellungsverfahren vermischt werden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat durch Urteil vom 12.02.1999 die Klage abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Tod der Planstelleninhaberin habe nicht zu einer Entfristung des Vertrages der Klägerin geführt. Die Unterlassung einer Regelung im Sinne der Nr. 1 SR II y führe nicht zur Unwirksamkeit der Befristung. Sofern die Parteien sich nicht über die notwendige Grundform des Vertrages geeinigt hätten, weil sie davon ausgegangen seien, dass im öffentlichen Dienst ebenfalls das Beschäftigungsförderungsgesetz gelte, sei diese Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Auch sei eine Unterlassung der Bezeichnung nach Nr. 2 I SR II y BAT oder eine falsche Bezeichnung unschädlich, wenn der Befristungsgrund im Arbeitsvertrag schlagwortartig angegeben sei und dem Arbeitnehmer die näheren Einzelheiten bekannt seien. Die Kenntnis des Befristungsgrundes auf Seiten der Klägerin lasse sich aus deren eigenem Schreiben vom 22.06.1998 (Bl. 10 d. A.) entnehmen. Im Übrigen sei der Vertretungsgrund, der zur Befristung des Vertrages geführt habe, durchgehend gegeben gewesen. Man könne nicht vordergründig auf die krankheitsbedingte Verhinderung der Stelleninhaberin abstellen. Der Befristungsgrund sei vielmehr die Erteilung von Unterricht für die Dauer der Vakanz der Planstelle. Die Einstellung der Klägerin habe einen vorübergehenden Bedarf an zusätzlichen Lehrkräften abgedeckt (wird ausgeführt). Auf Dauer könne beim beklagten Land nur jemand eingestellt werden, wenn er die Kriterien des Lehrerauswahlverfahrens erfülle.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Klägerin wiederholt die Rüge, im Arbeitsvertrag sei kein Befristungsgrund vereinbart worden. Des weiteren sei nicht angegeben worden, ob nun die Klägerin Zeitangestellte, Angestellte für Aufgaben von begrenzter Dauer oder Aushilfsangestellte sei. Mit ihrem Vortrag, dass die Klägerin zeitweilige Aushilfe zur Vermeidung von Unterrichtsausfällen bis zur endgültigen Stellenbesetzung im Schuljahr 1998/99 für die im Oktober 1997 verstorbene Lehrerin P.sei, habe sich das Land auf den Aushilfstatbestand der Vertretung festgelegt. Das endgültige Ausscheiden der vertretenen Lehrkraft durch Tod könne keinen Befristungsgrund abgeben.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Berufung rügt die fehlerhafte Beteiligung der Personalvertretung. Die Unwirksamkeit der Befristungsabrede ergebe sich aus einer Verletzung des Mitbestimmungsrechts des zuständigen Personalrats.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Beteiligt worden sei fälschlich der Bezirkspersonalrat bei der Bezirksregierung</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">D. durch die Bezirksregierung D.. Die Bezirksregierung D.sei aber nicht als Vertreterin des Landes N.-W. aufgetreten, sondern das Land N.-W. werde durch das Schulamt vertreten. Somit habe einerseits eine falsche Behörde/Dienststelle das personalvertretungsrechtliche Verfahren eingeleitet. Andererseits sei ein falscher Personalrat beteiligt worden. Der Bezirkspersonalrat sei nicht örtlicher Personalrat, sondern die Stufenvertretung. Es hätte durch das Schulamt für die Landeshauptstadt D.der bei ihr gebildete örtliche Personalrat für Grund- und Hauptschulen beteiligt werden müssen. Im Übrigen bestehe eine Diskrepanz zwischen der Mitteilung gegenüber dem Personalrat und dem, was mit der Klägerin arbeitsvertraglich vereinbart worden sei. Dem unzuständigen Personalrat sei nur mitgeteilt worden, dass die Klägerin aus dem Kontingent der 310 Stellen weiterbeschäftigt werden solle. Dies sei keine Mitteilung eines Befristungsgrundes. Schließlich sei dem Personalrat mitgeteilt, dass die Klägerin für die Zeit vom 20.10.1997 bis 31.07.1998 beschäftigt werden solle. Der Arbeitsvertrag mit der Klägerin sei aber nur abgeschlossen worden bis zum 24.06.1998. Der tatsächlich abgeschlossene Vertrag sei damit mehr als fünf Wochen kürzer als die dem Personalrat mitgeteilte Beschäftigung. Der Vertrag sei entgegen der fälschlichen Darstellung des beklagten Landes mit dem 24.06.1998 nicht bis zum Ende des Schuljahres befristet worden. Denn gemäß</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">§ 2 des Schulpflichtgesetzes beginne das Schuljahr am 01.08. und ende am 31.07. des darauf folgenden Kalenderjahres.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Schließlich sei das Zustimmungsersuchen unwirksam, weil es nicht rechtzeitig vor der befristeten Einstellung der Klägerin eingeleitet worden sei. Gemäß dem Arbeitsvertrag sei die Klägerin ab dem 20.10.1997 eingestellt worden. Ausweislich des Eingangsstempels des BPR sei das Zustimmungsersuchen erst am 24.10.1997 beim Personalrat eingegangen. Dieser habe am 05.11.1997 wohl zugestimmt. Die Bezirksregierung D. habe dem Schulamt für die Stadt D. bereits mit Schreiben vom 13.10.1997 mitgeteilt, dass die Klägerin weiterbeschäftigt werden könne. Am 13.10. habe längst noch keine Zustimmung des Personalrats vorgelegen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Das beklagte Land beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px"> die gegnerische Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Das beklagte Land wiederholt seine Auffassung, ein sachlicher Grund für die Befristung des Vertrages habe darin bestanden, die zunächst erkrankte und dann gestorbene Lehrerin bis zum Ende des laufenden Schuljahres zur Vermeidung von Unterrichtsausfällen zu ersetzen. Das habe nur mit einem befristeten Vertrag geschehen können, denn über eine Dauereinstellung werde im geregelten Auswahlverfahren gemäß Erlass vom 11.09.1997 entschieden. Für Einstellungsmaßnahmen aus dem Kontingent 310 , das durch das Land finanziert werde, sei ausschließlich die Bezirksregierung zuständig, das Schulamt sei nur ausführendes Organ. Deshalb sei der Bezirkspersonalrat einzuschalten gewesen, der dem Arbeitsvertrag zugestimmt habe. Es gebe auch keine rechtserhebliche Abweichung zwischen dem vom Personalrat gebilligten Zeitraum und der Befristung auf den Tag, an dem die Schulferien begannen. Begrifflich sei die Befristung nur möglich für die Zeit, in der der Unterricht zu erteilen sei, d. h. bis zum letzten Tag des Schuljahres.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Richtig sei, dass bei Ausfertigung des Arbeitsvertrages vom 22./27.10.1997 durch das Schulamt der Stadt D. die schriftliche Zustimmung des Bezirkspersonalrats noch nicht vorgelegen habe. Das Schulamt sei davon ausgegangen, dass die formalen Voraussetzungen für den Abschluss des Vertrages mit der Klägerin gegeben seien. Im Übrigen entstehe aus dem unterstellten Versäumnis einer rechtzeitigen Anhörung des Personalrats kein unbefristeter Vertrag.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze und dem sonstigen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zulässig und hatte auch in der Sache Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Befristung des Arbeitsvertrages der Klägerin ist schon wegen nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats unwirksam.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Das beklagte Land hat das Zustimmungsersuchen nicht rechtzeitig eingeleitet, es hat den falschen Personalrat beteiligt und hat mit der Klägerin eine andere Befristungsdauer vereinbart, als sie dem Personalrat mitgeteilt wurde. All diese Gründe hindern das rechtswirksame Zustandekommen einer Befristungsabrede.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Soweit ersichtlich hat das beklagte Land schon den falschen Personalrat beteiligt. Es hätte der durch das Schulamt für die Landeshauptstadt D. bei dieser gebildete örtliche Personalrat für Grund- und Hauptschulen beteiligt werden müssen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">§ 95 LPVG regelt, dass der Kultusminister durch Rechtsverordnung die Schulformen, für die getrennte Personalvertretungen zu bilden sind und die Stellen, die für die im Landesdienst beschäftigten Lehrer Dienststellen sind, bestimmt. Diese Rechtsverordnung ist die Verordnung über die Errichtung von Personalvertretungen für die im Landesdienst beschäftigten Lehrer vom 01.10.1984. Für die im Grund- und Hauptschulbereich tätigen Lehrer sind ausweislich § 2 der Verordnung Dienststellen im Sinne des</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">§ 81 Abs. 1 LPVG die Schulämter. Bei den Schulämtern sind die örtlichen Personalvertretungen für Grund- und Hauptschulen gebildet. Demgegenüber ist nicht nachvollziehbar, worauf sich die Auffassung des beklagten Landes gründet, die Zuständigkeit der Bezirksregierung D.für die Verteilung der Stellen aus dem Kontingent 310 begründe die Zuständigkeit des Bezirkspersonalrats für die Zustimmung zum Abschluss der Arbeitsverträge.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Das Personalvertretungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen räumt dem Personalrat in § 72 Abs. 1 Nr. 1 LPVG nicht nur bei der Einstellung, sondern auch bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen und insoweit bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Arbeitsvertrages ein Mitbestimmungsrecht ein. Hierbei handelt es sich erkennbar um einen besonderen Mitbestimmungstatbestand (BVerwG, 17.08.1989, AP LPVG Bremen § 65 Nr. 1). Schließt der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer unter Verletzung dieses Mitbestimmungsrechts einen befristeten Vertrag ist lediglich die vereinbarte Befristung unwirksam, der Arbeitnehmer steht also in einem Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Dauer (BAG, 13.04.1994, AP LPVG NW § 72 Nr. 9; BAG, 06.08.1997, AP ArbGG 1979 § 101 Nr. 5). Auch bei der Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses oder bei der Umwandlung in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit ist der Personalrat erneut zu beteiligen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Nach § 66 Abs. 1 LPVG NW kann eine Maßnahme, die der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, nur mit seiner Zustimmung getroffen werden. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich, dass die Einwilligung des Personalrats vor Durchführung der Maßnahme erforderlich ist und dass eine nachträgliche Genehmigung nicht genügt.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Das beklagte Land ist der erneuten Beteiligung des Personalrats auch nicht aus dem Gesichtspunkt enthoben, dass der zweite befristete Vertrag sich den Umständen nach lediglich als unselbstständiger Annex des vorletzten Vertrages darstellen könnte und deshalb anzunehmen sein könnte, dass die Parteien ihr Arbeitsverhältnis mit dem Abschluss des weiteren Fristvertrages nicht auf eine neue rechtliche Grundlage stellen, sondern nur das Auslaufen des bisherigen Vertrages im Sinne einer am Sachgrund für dessen Befristung orientierten nachträglichen Korrektur des ursprünglich vereinbarten Endzeitpunkts noch um eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit hinausschieben wollten (vgl. dazu BAG v. 21.01.1987, 7 AZR 265/85, EzA § 620, 89).</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Eine erneute Beteiligung des Personalrats beim Abschluss des zweiten Arbeitsvertrages mit der Klägerin war nicht entbehrlich. Die Verletzung des Mitbestimmungsrechts der Personalvertretung führt entgegen der Auffassung des beklagten Landes dazu, dass der Arbeitsvertrag als solcher zwar wirksam, die Befristung aber unwirksam ist (BAG, 7 AZR 651/93, v. 13.04.1994). Der Arbeitgeber kann nach Auffassung des BAG gemäß § 66 Abs. 1 i. V. m. § 72 Abs. 1 Satz 1 LPVG NW nur mit Zustimmung des Personalrats Arbeitsverhältnisse befristen. Ohne diese Zustimmung oder ihre Ersetzung durch die Einigungsstelle ist ihm diese Gestaltung des Arbeitsverhältnisses verwehrt.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Ob die fehlende Mitbestimmung bis zum Beendigungszeitpunkt nachgeholt werden kann und die Befristungsabrede bis dahin nur schwebend unwirksam ist, hat das BAG in seiner vorstehend zitierten Entscheidung offen gelassen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Abgesehen von der nach Auffassung der Kammer erfolgten Beteiligung des unzuständigen Personalrats vermag dessen nachträgliche Zustimmung vom 05.11.1997 zu der am 20.10.1997 erfolgten Einstellung der Klägerin die Verletzung des Mitbestimmungsrechts nicht zu heilen. Eine gegenteilige Annahme würde dem Gesetzeswillen zuwider laufen und zur Aushöhlung des Mitbestimmungsrechts führen. Allenfalls kann eine vorübergehende schwebende Unwirksamkeit der Befristungsabrede angenommen werden in Fällen, in denen das Zustimmungsersuchen des Arbeitgebers an die Personalvertretung rechtzeitig eingeleitet ist und deren Stellungnahme erst nach Durchführung der Einstellungsmaßnahme erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Unter den gegebenen Umständen kommt es nicht darauf an, dass die Befristungsabrede auch unwirksam sein dürfte aus dem Gesichtspunkt, dass das dem Personalrat mitgeteilte Vertragsende nicht dem Zeitpunkt entspricht, der mit der Klägerin vereinbart wurde. Eine lediglich unwesentliche Diskrepanz ist hierin nach Auffassung der Kammer jedoch nicht zu sehen, denn immerhin verkürzt die Vereinbarung die Klägerin gegenüber der dem Personalrat mitgeteilten Vertragsgestaltung um die Bezahlung für die Zeit der Schulferien, wobei ins Gewicht fällt, dass die Vergütung für die Unterrichtsverpflichtung der Lehrer unter Einbeziehung der Ferienzeit berechnet ist.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Ebenfalls kann die Klägerin von dem beklagten Land ihre Weiterbeschäftigung als Lehrerin mit einer Unterrichtsverpflichtung von 21/27 Unterrichtsstunden und eine anteilige Vergütung aus der Vergütungsgruppe BAT III verlangen. Sie befindet sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Im Hinblick auf die möglicherweise entscheidungserhebliche Frage, ob die nachträgliche Zustimmung des Personalrats seine Nichtbeteiligung bei Abschluss der Befristungsabrede heilt, wurde die Revision zugelassen.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil kann von dem beklagten Land</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">REVISION</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Für die Klägerin ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Revision muss</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">innerhalb einer Notfrist von einem Monat</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">Bundesarbeitsgericht,</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">Graf-Bernadotte-Platz 5,</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">34119 Kassel,</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist gleichzeitig oder</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">schriftlich zu begründen.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Funke van Beek Nause</p>
|
114,332 | vg-gelsenkirchen-1999-09-09-13-k-154296 | {
"id": 843,
"name": "Verwaltungsgericht Gelsenkirchen",
"slug": "vg-gelsenkirchen",
"city": 423,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 13 K 1542/96 | 1999-09-09T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:34 | 2019-02-14T10:22:57 | Urteil | ECLI:DE:VGGE:1999:0909.13K1542.96.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Kläger sind Eigentümer der Hausgrundstücke Gemarkung G. , Flur 00, Flurstücke 001 und 002,
003, die an der X.---------straße liegen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die X.---------straße ist eine seit Anfang des Jahrhunderts bestehende Anliegerstraße, die durch ein dicht
bebautes unbeplantes Gebiet von der G1. Straße auf dem abfallenden Gelände zur E.---------straße führt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Vor dem Ausbau in den Jahren 1990 bis 1992, für den die Kläger zu Ausbaubeiträgen herangezogen worden sind,
bestand die X.---------straße aus einer Fahrbahn mit einer schadhaften, notdürftig durch Bitumen instandgesetzten
Decke auf Packlage-, Pflaster- und Binderschicht in einer Gesamtstärke bis zu 46 cm und beidseitig angelegten
Gehwegen in einer Breite von 3 m mit einem aufgebrauchten Belag aus Platten und Mosaikpflaster auf 15 cm Unterbau
und 5 cm Pflastersand. Wie bei den Akten befindliche Fotografien über den Altzustand erkennen lassen, bestand ein
eingeschränktes Halteverbot. Ausgewiesene Parkflächen gab es nicht. Dennoch sind auf den Fotos in Längsrichtung
parkende Autos zu erkennen, die meist aufgesetzt auf dem Mosaikstreifen des Gehweges stehen. Als Oberflächenentwässerung
war teilweise eine gepflasterte Flußbahn vorhanden. Auf der östlichen Straßenseite befanden sich 4 Gasleuchten,
die jeweils einen Lichtstrom von 2.000 Lumen abstrahlen konnten. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Bei dem fraglichen Ausbau wurde die Verkehrskonzeption der X.---------straße nicht geändert. Gehwege und
Fahrbahn waren weiterhin getrennt. Neu wurden aber - versetzt auf beiden Straßenseiten - Parkflächen angelegt, die
insgesamt Raum für das Parken von etwa 21 Kraftfahrzeugen in Queraufstellung bieten. Durch diese Parkflächen wurde
ein Versatz der Fahrbahn bewirkt. Deutliche Aufpflasterungen im Verschwenkungsbereich der sonst asphaltierten
Fahrbahn bewirken eine Drosselung des Fahrzeugverkehrs. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Fahrbahn erhielt im asphaltierten Bereich einen qualifizierten Aufbau aus einer Frostschutztragschicht
von 20 cm, einer Schottertragschicht von 20 cm, einer bituminösen Tragschicht von 8 cm und einer Asphaltfeinbetonschicht
von 4 cm (insgesamt 52 cm). Im Bereich der Aufpflasterungen wurden auf den jeweils 20 cm dicken Tragschichten
Verbundsteinpflaster von 8 cm in 3 cm Sand verlegt.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die neu angelegten Parkflächen wurden aus Verbundsteinpflaster auf qualifizierten Unterbau gefertigt
und mit Grün eingefaßt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Gehwege erhielten zum Teil einen Plattenbelag auf Sand und einer Schottertragschicht, zum Teil
Verbundsteinpflaster - in Sand verlegt - auf einer Frostschutzschicht mit einer Aufbaustärke von jeweils 25 cm.
Die Gehwegbreite verringerte sich von 3 m auf 1,42 m bis 1,75 m.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Oberflächenentwässerung wurde angepaßt. Im Bereich der asphaltierten Fahrbahnflächen wurden
Rinnenflußbahnen angelegt. Die Zahl der Straßeneinläufe erhöhte sich von 5 auf 8.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Anstelle der 4 Gasleuchten wurden 5 Aufsatzleuchten mit einem Lichtstrom von 2.400 Lumen pro Leuchte
auf der gegenüberliegenden Seite aufgestellt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Kosten der geschilderten Ausbaumaßnahme wurden in Höhe von insgesamt 268.370,90 DM ermittelt.
Hinzugerechnet wurde ein Aufwand für Darlehenszinsen von 2.174,18 DM. Die entsprechenden Aufwendungen für die
einzelnen Teilanlagen wurden nach den im Satzungsrecht für Anliegerstraßen vorgesehenen Prozentsätzen der Anlieger
errechnet und nach dem Maßstab aus Grundstücksflächen und Geschoßflächen auf die anliegenden Grundstücke verteilt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Durch Heranziehungsbescheide vom 7. Juli 1995 wurden die Kläger für das Flurstück 001 zu einem
Straßenbaubeitrag von 15.047,04 DM und für die Flurstücke 002, 003 zu 11.425,71 DM herangezogen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die hiergegen eingelegten Widersprüche wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheide vom 8. Februar 1996
zurück.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Am 8. März 1996 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Gemäß Beschluß vom 3. Februar 1999 hat am 9. März 1999 eine Augenscheinseinnahme durch den Vorsitzenden
stattgefunden. Wegen des Ergebnisses wird auf das Ortsterminsprotokoll verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Im Ortstermin wurde ein Widerrufsvergleich geschlossen, bei dem die Beteiligten davon ausgingen, daß für den
Ausbau der Parkflächen, Beleuchtung und Oberflächenentwässerung, nicht aber für die Gehwege und die Fahrbahn ein
Beitrag verlangt werden könne. Den Ansatz von Darlehenszinsen stellten die Kläger nicht in Frage.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Durch Schriftsatz vom 6. April 1999 hat der Beklagte den Vergleich fristgerecht mit der Maßgabe widerrufen,
daß die Zustimmung zum Vergleich bezüglich der Gehwegkosten aufrecht erhalten werde.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Kläger bezweifeln, daß der Vergleich damit wirksam widerrufen worden sei, und meinen im übrigen, die
Heranziehungsbescheide seien insgesamt rechtswidrig.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Sie beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">die Heranziehungsbescheide vom 7. Juli 1995 und die Widerspruchsbescheide vom 8. Februar 1996 aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Er sieht die Heranziehungsbescheide insgesamt auch hinsichtlich der Beiträge für den Gehwegausbau als
gerechtfertigt an.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den
Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist als Anfechtungsklage im Sinne von § 42 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Das Verfahren ist nicht bereits durch den im Ortstermin am 9. März 1999 abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich
gemäß § 106 Satz 1 VwGO erledigt. Der Vergleichsabschluß erfolgte unter Widerrufsvorbehalt. Der Beklagte hat den
Vergleich fristgerecht mit Schriftsatz vom 6. April 1999 widerrufen. Zwar enthielt der Widerruf den Zusatz, daß die
Zustimmung zu dem Vergleich bezüglich der Gehwegkosten aufrecht erhalten werde. Dieser Zusatz steht jedoch einem
wirksamen Widerruf nicht entgegen. Der Beklagte hat zum Ausdruck gebracht, daß er mit wesentlichen Teilen der
Vergleichs - u. a. mit der Kostenregelung - nicht einverstanden war, so daß die Wirkungen des Vergleichs durch den
Widerruf insgesamt entfielen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Anfechtungsklage ist zum Teil begründet. Die angefochtenen Heranziehungsbescheide in der Fassung der
Widerspruchsbescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO),
soweit sie zu Beiträgen für den Ausbau der Parkflächen, der Straßenentwässerung und der Beleuchtung ohne den Ansatz
von Zinsen herangezogen worden sind. Hinsichtlich der Heranziehung von Beiträgen für den Ausbau der Gehwege und der
Fahrbahn und der Einbeziehung von Zinsen in den umlagefähigen Aufwand sind die angefochtenen Bescheide dagegen
rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide ist § 8 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen
(KAG NW) in Verbindung mit den Bestimmungen der Satzung vom 8. Mai 1992 über die Erhebung von Beiträgen nach § 8 KAG
NW für straßenbauliche Maßnahmen im Gebiet der Stadt Essen (Amtsblatt der Stadt Essen Nr. 20 vom 15. Mai 1992, S. 185)
- im folgenden Straßenbaubeitragssatzung genannt -.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 1 der Straßenbaubeitragssatzung in Übereinstimmung mit § 8 Abs. 2 KAG NW werden Beiträge zum Ersatz des
Aufwandes für die Herstellung, Erweiterung und Verbesserung von Anlagen im Bereich von öffentlichen Straßen, Wegen
und Plätzen als Gegenleistung dafür erhoben, daß den Eigentümern der erschlossenen Grundstücke durch die Möglichkeit
der Inanspruchnahme der Anlage wirtschaftliche Vorteile geboten werden.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Danach ist der Ausbau der Parkflächen eine vorteilhafte Verbesserung der Anlage X.---------straße .</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Eine Verbesserung der Anlage als Ganzes ist immer anzunehmen, wenn bei einer Straße im Trennsystem eine bisher nicht
vorhandene Teilanlage zusätzlich geschaffen wird. Die dadurch verursachte klare Trennung der Verkehrsarten fördert
den Verkehrsfluß und die Verkehrssicherheit.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NW), Urteil vom 27. Februar 1985 - 2 A 2603/82 -;
Dietzel-Hinsen-Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes Nordrhein-Westfalen,
3. Aufl., Rdnr. 58</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Bei der fraglichen Ausbaumaßnahme sind erstmals getrennte und in Grün eingefaßte Parkflächen angelegt worden,
die früher nicht vorhanden waren. Vor dem Ausbau konnte allenfalls auf der Fahrbahn geparkt werden, soweit dies nicht
durch eine entsprechende Beschilderung, wie sie auf den bei den Akten befindlichen Bildern erkennbar ist, untersagt
war. Verbotswidriges Parken ist bei dem Vergleich von Alt- und Neuzustand unbeachtlich.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Ausbau der Straßenentwässerung ist ebenfalls als abrechenbare Verbesserung zu werten. Die im Bereich der
asphaltierten Fahrbahnflächen durchgehende Anlage von Rinnenflußbahnen und die Erhöhung der Zahl der Straßeneinläufe
fördert den rascheren Abfluß des Regenwassers.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Vgl. Dietzel-Hinsen-Kallerhoff, aaO, Rdnr. 70</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Auch die Veränderung der Beleuchtungsanlage stellt eine abrechenbare Verbesserung dar. 4 Gasleuchten wurden durch
5 Elektroleuchten mit höherer Leuchtkraft ersetzt. Damit wurde die Ausleuchtung der X.---------straße verbessert.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Vgl. Dietzel-Hinsen-Kallerhoff, aaO, Rdnr. 69</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Der Ausbau der Gehwege führt dagegen weder über das Merkmal der Verbesserung noch das der nachmaligen Herstellung
(Erneuerung) zu einer Beitragspflicht der Kläger.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Gehwege haben zwar durch einen qualifizierteren Aufbau gegenüber dem Altzustand eine Verbesserung erfahren. Diese
ist jedoch durch eine erhebliche Verschmälerung von 3 m auf 1,42 m bis 1,75 m kompensiert, auch wenn die Gehwege in
der verbleibenden Breite noch funktionstauglich sind.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NW, Urteil vom 26. März 1991 - 2 A 785/90 - ; Dietzel-Hinsen-Kallerhoff, aaO, Rdnr. 75</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Denn insoweit kommt es für die Annahme einer Kompensation entscheidend nicht auf die Frage einer nach wie vor gegebenen
Funktionstauglichkeit, sondern allein darauf an, ob - wie hier - die bisherigen Nutzungsmöglichkeiten durch die
Verschmälerung erheblich eingeschränkt worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Vgl. Dietzel-Hinsen-Kallerhoff, aaO, Rdnr. 74</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn man davon ausgeht, daß der Ausbau der Gehwege den Tatbestand der Erneuerung erfüllt, obwohl der Ablauf
der üblichen Nutzungszeit nicht festgestellt werden kann, wäre der Erneuerungsvorteil durch einen Nachteil ausgeglichen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NW, Urteil vom 21. Juni 1990 - 2 A 1376/87 -, NWVBl. 1991, 22, 24; Dietzel-Hinsen-Kallerhoff, aaO, Rdnr. 88</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Dies gilt auch für den Ausbau der Fahrbahn, der weder als Verbesserung, noch als vorteilhafte Erneuerung
angesehen werden kann. </p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Zwar hat die Fahrbahn einen qualifzierteren Aufbau erhalten, was im Grundsatz für eine Verbesserung spricht.
Entscheidend für das Merkmal der Verbesserung ist jedoch, daß der Verkehr bei Zugrundelegung der bisherigen
Verkehrskonzeption (Trennsystem) auf der neugestalteten Anlage infolge der Ausbaumaßnahme zügiger, geordneter,
unbehinderter oder reibungsloser abgewickelt werden kann als bisher.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NW, Urteil vom 15. März 1989 - 2 A 1268/85 -, GemHH 1989, 284; Dietzel-Hinsen-Kallerhoff, aaO, Rdnr. 50</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Der Beitragstatbestand kann auch in der Form der nachmaligen Herstellung (Erneuerung) erfüllt sein, wenn nach
Ablauf der Nutzungszeit eine abgenutzte Straße in gleichartiger Gestalt oder in gegenüber dem ursprünglichen Zustand
veränderter Verkehrskonzeption - etwa als verkehrsberuhigte Mischfläche anstelle einer Straße im Trennsystem - neu
ausgebaut wird. In beiden Fällen kann der Erneuerungsvorteil darin bestehen, daß den Anliegern anstelle einer
verschlissenen Anlage auf Jahre hinaus eine intakte Anlage zur Verfügung gestellt wird.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Dietzel-Hinsen-Kallerhoff, aaO, Rdnr. 48</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Durch den Ausbau der Fahrbahn ist im vorliegenden Fall weder der Tatbestand der Verbesserung erfüllt worden,
noch wird den Anliegern ein Erneuerungsvorteil geboten.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat bei dem fraglichen Ausbau die bisherige Verkehrskonzeption beibehalten. Die X.---------straße
war und ist eine Straße im Trennprinzip. Das Trennprinzip ist durch die Anlage abgetrennter Parkflächen sogar
noch verschärft worden. </p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Der Ausbau der Fahrbahn mit einem Fahrgassenversatz und deutlichen Aufpflasterungen erfüllt nicht den
Beitragstatbestand der Verbesserung, weil der Fahrzeugverkehr nicht zügiger, geordneter, unbehinderter oder
reibungsloser abgewickelt werden kann als bisher, sondern im Gegenteil erheblich erschwert und behindert wird.
Dies widerspricht der Konzeption des Trennsystems, wonach die Zügigkeit des Fahrzeugverkehrs dadurch gefördert
werden soll, daß die Fahrbahn vom Fußgängerverkehr und dem ruhenden Fahrzeugverkehr freigehalten wird.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Ein möglicher Erneuerungsvorteil wird durch einen Nachteil ausgeglichen, weil bei dem hier gegebenen Ausbau in
gleicher Gestalt der Vorteil einer auf Jahre hinaus intakten Fahrbahn durch den Nachteil der Behinderung des
Fahrzeugverkehrs ausgeglichen wird.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Anders wäre es allerdings gewesen, wenn der Beklagte sich zur Anlage einer verkehrsberuhigten Mischfläche entschieden
hätte. Nach der Verkehrskonzeption eines verkehrsberuhigten Bereichs ist es durchaus sinnvoll, den Fahrzeugverkehr
durch einen Fahrgassenversatz und Aufpflasterungen zu verlangsamen, weil auf der als Mischfläche ausgestalteten
Verkehrsfläche auch mit Fußgängern und spielenden Kindern gerechnet werden muß. Bei einer Straße im Trennprinzip
ist dies aber anders.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Nach feststehender Rechtsprechung des OVG NW ist der Ansatz von Zinsen bei dem zu verteilenden Aufwand zudem
rechtswidrig.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NW, Beschluß vom 22. März 1999 - 15 A 1047/99 -</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Mit ihren Ausbaubeiträgen sind die Kläger somit nur an dem um die Zinsen reduzierten Aufwand mit dem satzungsgemäß
für eine Anliegerstraße vorgesehenen Anteil für den Ausbau der Parkflächen in Höhe von 67.635,23 DM zu 60 % = 40.581,14 DM,
der Straßenentwässerung in Höhe von 32.171,30 DM zu 50 % = 16.085,65 DM und der Beleuchtung in Höhe von 19.534,02 DM
zu 50 % = 9.767, 01 DM (insgesamt 66.433,80 DM) zu beteiligen. Nach den nicht zu beanstandenden Berechnungen des
Beklagten ergibt sich eine Verteilungsfläche von insgesamt 12.475 und damit ein Punktwert pro Verteilungseinheit
von 5,325355. </p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Für das Flurstück 001 mit 1.259 Maßstabseinheiten errechnet sich somit eine Beitrag von 6.704,62 DM und für die
Flurstücke 002 und 003 mit 956 Einheiten ein Beitrag von 5.091,04 DM. </p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO iVm § 159 Satz 2 VwGO. </p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO iVm den §§ 708
Nr. 11, 711 ZPO.</p>
|
114,333 | ovgnrw-1999-09-09-21-a-343396a | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 21 A 3433/96.A | 1999-09-09T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:34 | 2019-02-12T13:54:18 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0909.21A3433.96A.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der 1957 in J. (Sri Lanka) geborene Kläger ist srilankischer Staatsangehöriger
tamilischer Volkszugehörigkeit. Nach seinen Angaben verließ er sein Heimatland mit
dem Flugzeug am 1. Februar 1990 und reiste am 3. Februar 1990 auf dem Landweg
von Belgien kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein. Unter dem 6. Februar
1990 beantragte er beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
(Bundesamt) seine Anerkennung als Asylberechtigter und führte unter Bezugnahme
auf ein schriftliches Statement im wesentlichen aus: Er sei wegen der politischen
Probleme in Sri Lanka nach hier gekommen. Aufgrund der Konflikte zwischen den
tamilischen und singhalesischen Volksgruppen sei die Situation sehr gefährlich
geworden. Er sei auch verhört worden. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Bei seiner Anhörung im Rahmen der Vorprüfung durch das Bundesamt gab er
am 4. Mai 1992 ergänzend an: Er habe von Januar 1980 bis April 1981 in Colombo
Alkohol verkauft. Von April 1981 bis September 1982 sei er als Finanzberater in
Jaffna tätig gewesen. Anschließend habe er sich etwa siebeneinhalb Jahre in
Colombo aufgehalten und vom Geld seines Vaters und seines Bruders sowie einer
Zahlung seines früheren Arbeitgebers gelebt. Er sei weder Mitglied einer politischen
Partei oder Organisation gewesen noch habe er mit Politik etwas zu tun gehabt.
Tamilen hätten es sehr schwer in Sri Lanka. Das Haus seines Vaters sei im Juni/Juli
1991, also nach seiner Ausreise, anläßlich von Kämpfen zwischen den Tigern und
den srilankischen Soldaten durch Bomben zerstört worden. Er persönlich habe weder
mit der Armee noch mit den Organisationen irgend etwas zu tun gehabt. Seinen
Reisepaß habe er auf der Fahrt zwischen Belgien und Deutschland verloren. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 21. Mai 1992 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers
auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, daß die Voraussetzungen
des § 51 Abs. 1 AuslG nicht vorliegen. Mit Ordnungsverfügung vom 24. März 1993
forderte der Stadtdirektor der Stadt W. (Ausländerbehörde) den Kläger unter
Androhung seiner Abschiebung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet auf.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Daraufhin hat der Kläger Klage erhoben, mit der das Asylbegehren weiterverfolgt
wird. Zur Begründung hat er sich im wesentlichen auf das bisherige Vorbringen
bezogen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides
des Bundesamtes für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge vom 21. Mai 1992 zu
verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen
und festzustellen, daß die Voraussetzungen des § 51
Abs. 1 AuslG hinsichtlich Sri Lankas vorliegen,
2. die Ordnungsverfügung des Stadtdirektors der
Stadt W. vom 24. März 1993 aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">
Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">
Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 1992 sowie die
Ordnungsverfügung des Stadtdirektors der Stadt W. aufgehoben und die
Beklagte verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und
festzustellen, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 AuslG vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das Urteil ist dem Beteiligten am 27. Juni 1996 zugestellt worden. Auf den am 3.
Juli 1996 gestellten Antrag des Beteiligten hat der Senat durch Beschluß vom 9.
September 1996 die Berufung zugelassen für den sinngemäßen Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern und die -
gegen die Beklagte gerichtete - Klage
abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">
Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">
Zur Begründung trägt er ergänzend vor: Vor seiner Ausreise aus Sri Lanka habe er
um sein Leben gefürchtet. Da sein Bruder schon seit längerem in Deutschland gelebt
habe, sei er nach hier ausgereist. Wegen der anhaltenden kriegerischen Zustände in
Sri Lanka sei es für ihn sehr schwer, nach dort zurückzukehren.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als
Einzelrichter einverstanden erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie der
Ausländerbehörde Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">
Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Beteiligten ist begründet und führt zur Abweisung der
Klage.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter noch
einen Anspruch auf die Feststellung, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1
AuslG vorliegen. Wegen der für die Beurteilung des Begehrens maßgeblichen
Ansatzpunkte und Kriterien wird auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts
vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86 - (BVerfGE 80, 315) verwiesen. Die dort
unter B I für die Asylberechtigung dargestellten rechtlichen Grundsätze gelten, soweit
vorliegend relevant, auch für die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1
AuslG. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Vgl. zur Deckungsgleichheit von
Verfolgungshandlung, geschütztem Rechtsgut sowie
politischem Charakter der Verfolgung bei Art. 16
Abs. 2 Satz 2 GG a.F. = Art. 16 a Abs. 1 GG und
§ 51 Abs. 1 AuslG BVerwG, Urteil vom
18. Februar 1992 - 9 C 59.91 -, NVwZ 1992, 892,
sowie zur Deckungsgleichheit des politischen
Charakters bei Art. 16 a Abs. 1 GG, § 51 Abs. 1
AuslG und bei Art. 1 A Nr. 2, Art. 33 Genfer
Konvention (GK) BVerwG, Urteil vom 18. Januar
1994 - 9 C 48.92 -, NVwZ 1994, 497, 498 f.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">
Für die Beurteilung, ob der Kläger politisch Verfolgter ist,
ist nicht darauf abzustellen, ob er bei Rückkehr in sein
Heimatland vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist,
sondern darauf, ob ihm politische Verfolgung mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit droht; denn er ist nicht wegen bestehender
oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung ausgereist;
mithin kommen nur Nachfluchttatbestände in Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Vgl. zu den Maßstäben BVerfG,
Beschluß vom 10. Juli 1989, a.a.O., S.
344 und BVerwG, Urteil vom 23. Juli
1991 - 9 C 145.90 -, BVerwGE 88, 367,
369 m.w.N.; zur Übereinstimmung der
Maßstäbe nach Art. 16 a Abs. 1 GG, § 51
Abs. 1 AuslG und Art. 1 A Nr. 2 GK in
der praktischen Rechtsanwendung vgl.
BVerwG, Urteile vom 26. Oktober 1993
- 9 C 50.92 u.a. -, NVwZ 1994, 500, und
vom 18. Januar 1994 - 9 C 48.92 -,
a.a.O.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">
Bei der Prüfung und Beurteilung erlittener oder unmittelbar
drohender Vorverfolgung ist entscheidend auf das Vorbringen
der Asylbewerber abzustellen. Da sie allein die bestimmenden
Gründe für das Verlassen ihres Herkunftslandes kennen, obliegt
es ihnen, die tatsächliche Grundlage für eine politische
Verfolgung selbst in schlüssiger Form vorzutragen. Dabei haben
sie bezüglich der in ihre eigene Sphäre fallenden Umstände,
insbesondere ihrer persönlichen Erlebnisse, unter Angabe
genauer Einzelheiten eine in sich stimmige
Sachverhaltsschilderung zu geben, während hinsichtlich der
allgemeinen Umstände im Herkunftsland eine Darstellung von
Tatsachen genügt, aus denen sich die nicht entfernt liegende
Möglichkeit politischer Verfolgung ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. November
1982 - 9 C 74.81 -, Buchholz 402.24
§ 28 AuslG Nr. 42, Beschluß vom
26. Oktober 1989 - 9 B 405.89 -,
Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 212,
ferner zur Verfassungsmäßigkeit der
Substantiierungslast BVerfG, Beschluß
vom 23. Dezember 1985
- 2 BvR 1063/84 -, NVwZ 1987, 487.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich nicht, daß er Sri Lanka aus einer
ausweglosen Lage unter dem Druck erlittener oder unmittelbar drohender politischer
Verfolgung verlassen hat. Weder bei seiner Asylantragstellung noch bei seiner
Anhörung vor dem Bundesamt und im gerichtlichen Verfahren hat er Umstände
vorgetragen, die darauf schließen lassen, daß er in seinem Heimatland
schwerwiegenden Rechtsgutverletzungen durch srilankische Stellen in Anknüpfung
an asylerhebliche Merkmale ausgesetzt war. Vielmehr hat er selbst vorgetragen, daß
er persönlich in Sri Lanka weder mit der Armee noch mit sonstigen Organisationen
etwas zu tun gehabt hat, zumal er sich nach eigenen Angaben nie politisch betätigte.
Die allgemeinen Umstände im Großraum Colombo, wo sich der Kläger nach seinen
Angaben in den letzten knapp acht Jahren vor seiner Ausreise aufhielt, begründeten
ebenfalls keine Situation politischer Vorverfolgung. Soweit sein Entschluß, aus Sri
Lanka auszureisen, allgemein durch das Bürgerkriegsgeschehen in Sri Lanka
bestimmt war, ist er Gefahren ausgewichen, die als Folge der Auseinandersetzungen
zwischen den staatlichen srilankischen Kräften und der LTTE noch außerhalb des
Bereichs politischer Verfolgung liegen. Insofern wird auf die nachfolgenden
Ausführungen zu den verschiedenen Landesteilen verwiesen. </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Nachfluchtgründe greifen nicht ein. Eine nach dem Verlassen Sri Lankas selbst
herbeigeführte Verfolgungsgefahr, die einen subjektiven Nachfluchtgrund ergeben
könnte, ist nicht ersichtlich; insbesondere gibt die Stellung eines Asylantrags insofern
nichts her (Auswärtiges Amt - AA - 06.04.1998 S. 8; UNHCR 25.04.1997). Auch ein
objektiver, also aus der jetzt gegebenen Situation in Sri Lanka folgender
Nachfluchtgrund liegt nicht vor. Es fehlt dazu an der erforderlichen beachtlichen
Wahrscheinlichkeit einer bei der Rückkehr drohenden Gefahr politischer Verfolgung.
Die Verhältnisse in Sri Lanka tragen die Schlußfolgerung auf eine politische
Verfolgung der Bevölkerungsgruppe der Tamilen oder einer vorliegend
möglicherweise relevanten Untergruppe der Tamilen weder für das gesamte Land
noch für einzelne Landesteile, so daß sich die Frage nicht stellt, inwieweit die
gegenwärtigen Verhältnisse auf einer Änderung beruhen, wie sie ein objektiver
Nachfluchtgrund erfordert. Besondere individuelle Anknüpfungspunkte für eine
Verfolgungsgefahr sind nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Einreise nach Sri Lanka ist über den Flughafen von
Colombo möglich, ohne daß den Rückkehrern dabei mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit Maßnahmen drohen, die die
Voraussetzungen eines Aktes politischer Verfolgung erfüllen.
Bei der Einreise finden eingehende Personenkontrollen statt,
bei denen Rückkehrer aus Europa wegen der Besorgnis des
Einschleusens von im Ausland für Anschläge ausgebildeten LTTE-
Kadern nicht weniger von Sicherheitsmaßnahmen betroffen sind
als andere Tamilen (Keller-Kirchhoff - KK - 13.05.1996 S. 2,
05.07.1996 S. 2, 24.02.1997 S. 2). Außer der
Identitätsüberprüfung wird am Flughafen ein Datenabgleich mit
einer Fahndungsliste durchgeführt. Nur wenn der Einreisende
seine Identität nicht durch ordnungsgemäße Papiere
einschließlich der von srilankischen Auslandsvertretungen bei
Fehlen sonstiger Papiere erteilten "emergency certificates"
(AA 23.09.1997; KK 02.09.1997; UNHCR --.07.1998 S.5) belegen
kann - auch der UNHCR weist darauf hin, daß nach seinen
Erfahrungen neben guten Gründen, sich in Colombo aufzuhalten,
ein gültiger Paß der beste Schutz gegen eine Inhaftierung
ist(--.07.1998 S.5) - oder sein Name auf der Fahndungsliste
steht, droht eine Festnahme (AA 06.04.1998 S. 14, 17.03.1997
S. 12; KK 24.10.1995 S. 39); für diese Möglichkeit spricht
vorliegend nichts. Allein die Tatsachen des
Auslandsaufenthalts und der Anbringung eines Asylbegehrens
stellen keine Anknüpfungspunkte für Übergriffe der
Sicherheitskräfte dar (AA 06.04.1998 S. 8 und 14, 16.01.1996
S. 9 f.; UNHCR 25.04.1997). Die Übergabe von 45 jüngeren
Tamilen an Sicherheitskräfte, von der eine
Menschenrechtsorganisation berichtet hat (KK 20.03.1998), und
weitere Festnahmen von Gruppen von Rückkehrern, von denen in
geringer Zahl berichtet wird (UNHCR --.07.1998 S.5), betreffen
ersichtlich durch die Tatsache der Sammelabschiebung in großer
Zahl geprägte Sonderfälle; hier fehlt es schon an der
Übertragbarkeit auf den vorliegenden Fall. Seit April 1997
sind zwar auch Fälle der Inhaftierung von Einzelreisenden,
darunter von zwei Rückkehrern aus Deutschland bekannt geworden
(UNHCR --.07.1998 S. 5; KK 08.12.1998), diese reichen aber
jedenfalls nicht aus, um auf die beim Maßstab der beachtlichen
Wahrscheinlichkeit zu fordernde Dichte der Zugriffe bezogen
auf die nach erfolglosem Asylverfahren aus Europa
Zurückkehrenden oder einer bestimmten Gruppe unter ihnen zu
schließen. Im Gegenteil sind Fälle von länger andauerndem
Festhalten bei oder in unmittelbarem Zusammenhang mit der
Einreise über vereinzelte Vorkommnisse hinaus nicht
festzustellen (AA 23.09.1997, 16.11.1996 S. 10; KK 24.02.1997
S. 3; Südasien 1-2/98 S. 15/16; Wingler 31.05 1998 S.30). Dies
bestätigt eine Zusammenstellung von in letzter Zeit
bekanntgewordenen Geschehnissen (KK 08.12.1998), die auf der
Grundlage von Recherchen in Colombo erstellt wurde und deshalb
den Schluß rechtfertigt, ein zutreffendes und umfassendes Bild
zu geben. Danach ist - abgesehen von dem Fall eines jungen
Mannes aus einer der oben erwähnten Gruppen - nur ein Fall des
Festhaltens - über die Dauer von zwei oder drei Tagen unter
Vorführung bei Gericht - in Verbindung mit der Einreise
belegt. Es kann daher dahinstehen, ob in vorgekommenen Fällen
Umstände von Bedeutung waren, von denen im vorliegenden Fall
nicht auszugehen ist. </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Aus der Verschärfung von Strafbestimmungen für Verstöße gegen
Bestimmungen des Ein- und Ausreise- sowie des Paßrechts (Südasien Büro
14.09.1998) ist für eine beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung selbst
dann nichts herzuleiten, wenn man davon ausgeht, daß die neuen srilankischen
Bestimmungen Rückwirkung für Handlungen vor dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens
entfalten. Es läßt sich nicht feststellen, daß nach mehrjährigem Auslandsaufenthalt
nach Sri Lanka zurückkehrenden Tamilen deshalb politische Verfolgung droht. Denn
es ist nicht ersichtlich, daß die Ahndung von Verstößen gegen Ein-, Ausreise- oder
Paßbestimmungen eine Rechtsgutverletzung in Anknüpfung an asylrelevante
Merkmale darstellt. Die - nicht neu geschaffenen, sondern lediglich in der
Strafandrohung verschärften - Straftatbestände (Ein- oder Ausreisen ohne gültigen
Reisepaß, Nachmachen oder Fälschen von Reisedokumenten, Besitz oder
Benutzung gefälschter oder nachgemachter Reisedokumente, Besitz oder
Beantragung mehrerer Reisedokumente oder unbefugter Besitz eines
Reisedokumentes einer anderen Person) sind zur Kontrolle der Außengrenze des
Staatsgebiets in der Staatenpraxis geläufig und ergeben so keinen Hinweis für eine
politische Verfolgung. Insbesondere gelten sie nach ihrem Wortlaut für alle
srilankischen Staatsangehörigen und nicht nur für tamilische Volkszugehörige
(Südasien Büro 14.09.1998 mit Auszügen aus dem "Immigrants and Emigrants Act").
Soweit unter Bezugnahme auf Auskünfte und Stellungnahmen eines tamilischen
Parlamentsabgeordneten ausgeführt ist, das novellierte Gesetz treffe insbesondere
tamilische Flüchtlinge (KK 12.03.1999 S. 3 und in Südasien 2/99, S. 11, abgedruckt
in: Wingler 01.04.1999 S. 9), wird lediglich eine rein tatsächliche Folge aufgezeigt,
die als solche ohne Aussagegehalt für die Frage der politischen Verfolgung ist.
Selbst wenn eingestellt wird, daß zu der Strafverschärfung die Einflußnahme von
Staaten beigetragen hat, die einen starken Zustrom vorwiegend tamilischer
Staatsangehöriger Sri Lankas festzustellen hatten, spricht das nicht dafür, daß die
ihrer Natur nach auf die Aufrechterhaltung eines staatlich geordneten internationalen
Reiseverkehrs zielenden Vorschriften objektiv auf die Tamilen wegen ihrer
Volkszugehörigkeit gerichtet sind; insofern ist insbesondere die Bekämpfung des
Schleppertums zu beachten. Lediglich wenn Verstöße durch Tamilen verfolgt,
diejenigen durch Staatsangehörige anderer Volkszugehörigkeit aber ungeahndet
bleiben oder wenn die Möglichkeit, die Verstöße durch ordnungsgemäße Papiere
und deren gesetzmäßigen Gebrauch zu vermeiden, zwar Personen anderer
Volkszugehörigkeit eingeräumt, den Tamilen jedoch vom srilankischen Staat
verwehrt wird, könnte Anlaß bestehen, eine Gerichtetheit der in der Bestrafung
liegenden Beeinträchtigungen auf die tamilische Volkszugehörigkeit in Betracht zu
ziehen. Dafür aber läßt sich dem vorliegenden Material, das ersichtlich den
gegenwärtig möglichen Kenntnisstand widerspiegelt, nichts Tragfähiges entnehmen.
Die Aussage, daß das "verschärfte Strafmaß in der Regel und Praxis nur auf
rückkehrende (abgeschobene) Tamilen und nicht auf Singhalesen derzeit
angewandt" werde (Wingler 01.04.1999), ist insoweit unergiebig, weil die Verstöße,
um deren Ahndung es geht, sich zwangsläufig in der Bevölkerungsgruppe häufen,
die in besonderem Maße ins Ausland ausreist. Dem entspricht auch die oben schon
angesprochene Erklärung eines Abgeordneten, das Gesetz treffe "insbesondere"
Tamilen, und die dazu gegebene Begründung, diese müßten "sich oft gefälschter
Papiere bedienen". Die in dieser Begründung enthaltene Aussage zur Notwendigkeit
des Gebrauchs falscher Papiere ist allerdings nicht in dem oben genannten, die
Möglichkeit des Charakters der verschärften Strafbestimmungen als politische
Verfolgung einschließenden Sinne zu verstehen. Denn dafür, daß die in Sri Lanka
bestehende Ausreisefreiheit nicht auch für Tamilen gelten würde, spricht nichts (AA
16.04.1999 S.2). Die Möglichkeit, sich einen Reisepaß ausstellen zu lassen, ist
Tamilen in gleicher Weise eröffnet wie srilankischen Staatsangehörigen anderer
Volkszugehörigkeit. Allerdings mag für sie die Nutzung dieser Möglichkeit durch die
Bedingungen des dazu erforderlichen Aufenthalts in Colombo gewissen faktischen
Hemmnissen begegnen; da die Situation in Colombo aber - wie weiter unten noch im
einzelnen dargetan wird - den Aufenthalt nicht, insbesondere nicht aus Gründen, die
auf eine Gerichtetheit gegen Tamilen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale
schließen lassen, unzumutbar macht, kann auch keine Rede davon sein, die Tamilen
könnten nicht ohne Verstoß gegen die Ein- und Ausreisebestimmungen das Land
verlassen. Einer gegenteiligen Einschätzung stünde im übrigen auch eindeutig
entgegen, daß nach der Erfahrung, die der Senat in den letzten Jahren in hunderten
von Verfahren gewonnen hat, die behauptete Ausreise ohne eigenen Paß in aller
Regel mit dem bloßen Verweis darauf erklärt wurde, auch die Gestaltung der
Ausreise habe der Schlepper übernommen, ohne daß dabei auf gehabte oder
besorgte Probleme in der Beschaffung des Passes hingewiesen worden wäre.
Ferner stünde einem solchen Schluß die hohe Zahl der in den vom Senat
bearbeiteten Verfahren betroffenen Tamilen entgegen, die nach ihren Angaben mit
einem gültigen Paß ausgereist sind und bei denen es erst im Zuge und zur
Förderung der Weiterreise sowie der Einreise ins westliche Ausland zu
Manipulationen oder zur Abgabe des Passes gekommen ist (vgl. dazu auch AA
16.04.1999 S. 2). Tragfähige Anhaltspunkte dafür, daß die Strafverschärfungen bei
Paßvergehen objektiv darauf gerichtet sind, tamilische Flüchtlinge gerade (auch)
wegen ihrer Volkszugehörigkeit einer strafrechtlichen Sanktion zu unterwerfen, sind
somit nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Eine allein ethnisch begründete und diesem Charakter
entsprechend landesweite staatliche Verfolgung von Tamilen
findet nicht statt (amnesty international - ai - 28.09.1995
S. 3; AA 07.07.1995 S. 1, 06.04.1998 S. 3); auch landesweite
allein ethnisch bedingte Repressalien gegen Tamilen von seiten
der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit sind selbst nach der
LTTE zugeschriebenen Attentaten und Anschlägen sowie
verlustreichen Kämpfen im Norden ausgeblieben (AA 30.08.1996
S. 4, 06.04.1998 S. 4). Die Beeinträchtigungen, denen sich
Tamilen ausgesetzt sehen, stehen im Zusammenhang mit den
Auseinandersetzungen zwischen den staatlichen srilankischen
Kräften und der LTTE. Entsprechend den unterschiedlichen
Ausprägungen dieses bewaffneten, Überfälle und Terroranschläge
auch außerhalb der Kampfgebiete einschließenden Konflikts
stellen sich die Auswirkungen auf die Lage der Tamilen in den
verschiedenen Gebieten Sri Lankas unterschiedlich dar. Im
einzelnen betrachtet ergibt sich dabei für keinen Bereich eine
beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Im Großraum Colombo und - in geminderter Weise - in den sonstigen Bereichen
des Südens und Westens Sri Lankas drohen Tamilen zwar Beeinträchtigungen.
Diese erreichen aber weithin nicht die Eingriffsintensität, die für eine asylerhebliche
Rechtsgutbeeinträchtigung erforderlich ist, oder es mangelt ihnen an der
notwendigen Gerichtetheit oder sie sind dem Staat nicht zuzurechnen; soweit diese
einer Asylberechtigung entgegenstehenden Gesichtspunkte nicht eingreifen, fehlt es
an der Verfolgungsdichte.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Für Angehörige der tamilischen Volksgruppe besteht eine
gewisse Wahrscheinlichkeit, einer Identitätsfeststellung
unterzogen und zu diesem Zweck eventuell verhaftet zu werden.
Diese Maßnahmen sind im Zusammenhang insbesondere mit den
wiederholten Bombenattentaten zu sehen, zu denen es seit dem
Ende der Friedensgespräche zwischen der Regierung und der LTTE
und dem Wiederausbruch der offenen Kriegshandlungen im Norden
Sri Lankas im April 1995 erneut kommt und die eine Vielzahl
von Opfern fordern sowie zum Teil erhebliche Sachschäden
verursachen. Die Sicherheitskräfte führen Massenverhaftungen
von Tamilen durch, bei denen trotz gewisser Unterschiede eine
klare und durchgängige Differenzierung nach Alter und
Geschlecht nicht festzustellen ist. Schätzungen über die
Anzahl der von solchen Maßnahmen Betroffenen belaufen sich
schon bei einzelnen Vorkommnissen auf mehrere hundert oder gar
tausend Personen (KK 04.01.1996 S. 55, 13.05.1996 S. 3,
20.03.1998) bzw. bezogen auf kurze Zeiträume mitunter auf
mehrere Tausend (Wingler 31.05.1998 S. 27,33). In Colombo
finden ferner routinemäßig umfangreiche Kontrollen statt, die
zu Inhaftierungen und Verhören von Personen führen, die sich
nicht ausweisen können (AA 06.04.1998 S. 3, 16.01.1996 S. 7;
KK 22.02.1997 S. 4; Wingler 08.10.1997 S. 31). </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Den vorbezeichneten Maßnahmen fehlt es an der
erforderlichen Eingriffsintensität von Akten der politischen
Verfolgung, und zwar auch dann noch, wenn sie in
Inhaftierungen münden, soweit diese - wie in der weit
überwiegenden Zahl - nur kurze Zeit dauern und es dabei zu
keinen anderweitigen asylerheblichen Rechtsgutverletzungen
kommt. Maßnahmen zur Identitätsfeststellung sind herkömmlicher
und üblicher Bestandteil der präventiven und repressiven
Tätigkeit staatlicher Sicherheitskräfte im Rahmen der
Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung. Sofern eine
sofortige Identifizierung nicht möglich ist, sind auch
kurzfristige Festnahmen zu diesem Zweck in der Staatenpraxis
geläufig, so daß in solchem Zusammenhang stehenden
Beeinträchtigungen der Bewegungsfreiheit der die politische
Verfolgung ausmachende Charakter einer Ausgrenzung des
Betroffenen aus der staatlichen Friedensordnung fehlt. Ab
welcher Dauer kurzfristige Inhaftierungen zum Zwecke der
Identitätsfeststellung die asylrechtsrelevante Intensität
erreichen, hängt maßgeblich von den im betrachteten Staat
herrschenden Verhältnissen ab, insbesondere von der
Verwaltungsstruktur, den vorhandenen
Kommunikationsmöglichkeiten und der jeweiligen
Sicherheitslage. In einem Land wie Sri Lanka, in dem in Teilen
Bürgerkrieg herrscht und die Sicherheitskräfte im übrigen
landesweit, insbesondere im hier betrachteten Landesteil mit
einer Vielzahl gemeingefährlicher Terroranschläge konfrontiert
sind, ist Inhaftierungen mit einer überschaubaren Dauer von
jedenfalls nicht mehr als zwei Tagen ohne zusätzliche
Rechtsgutverletzungen eine die Ausgrenzung aus der staatlichen
Friedensordnung bewirkende Intensität und Schwere
abzusprechen. Dem Aspekt der Mehrfachverhaftungen derselben
Personen (KK 20.03.1996 S. 5; Wingler 01.11.1995 S. 9) kommt,
da nichts dafür ersichtlich ist, daß sie gezielt erfolgen,
keine den jeweiligen Eingriff prägende Bedeutung zu.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Fälle, in denen die Inhaftierung länger als zwei Tage
andauert, tragen nicht den Schluß, daß die Bevölkerungsgruppe
der Tamilen insgesamt oder eine vorliegend relevante
Untergruppe davon mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
politischer Verfolgung ausgesetzt ist. Die Größenordnung
dieser Fälle liegt nach Regierungsangaben bei 10 %, was von
Menschenrechtsorganisationen allerdings - freilich ohne
zahlenmäßige Konkretisierung - bezweifelt wird (Südasien 6/97
S. 7 f). In den Auskünften wird sie seit Jahren im
wesentlichen auch bis zu dieser Höhe geschätzt (unter 10 % AA
03.03.1994 S. 2, 10 % länger als 2 Tage, 1 % länger als
1 Woche AA 30.05.1997, 06.04.1998 S. 3 und 31.08.1998 S. 2,
10 % KK 04.01.1996 S. 56, 62 f., 75, 13.05.1996 S. 3 und
14.10.1996 S. 3, 10 bis 20 % Wingler --.05.1995 S. 23), zum
Teil aber auch niedriger (5% Schweizerische Flüchtlingshilfe
--.04.1994 S.10, 4 % Wingler 08.10.1997 S. 32 bzw. über 100
von 5000 Wingler 31.05.1998 S.27,28). Die Anzahl der wegen
Verdachts auf LTTE-Verbindungen für längere Zeit in Haft
Befindlichen wird für Ende 1995 mit ca. 400 Personen (AA
16.01.1996 S. 8) oder landesweit etwa 520, im Großraum Colombo
225 Personen (KK 04.01.1996 S. 66) oder in neuerer Zeit allein
für den Bereich Colombo mit weit über oder etwa 1.000 (Wingler
08.10.1997 S. 41, 30.01.1998 S. 12, 30.09.1998 S.6) bzw. über
2.000 (Wingler 12.12.1997 S.1) bzw. landesweit mit etwa 1.500
(AA 21.08.1997 S. 2) oder - bezogen auf das Jahr 1997 und
unter Hinweis auf die Zugriffsmöglichkeiten der
Sicherheitskräfte auf der Jaffna-Halbinsel - etwa 1.900 (AA
06.04.1998 S. 10) angegeben. Nach dem Bericht einer
Menschenrechtsorganisation sollen landesweit zu einem
gegebenen Zeitpunkt immer zwischen 1.000 und 1.500 tamilische
Personen inhaftiert sein, ohne daß diese Aussage auf
längerfristige Inhaftierungen beschränkt ist (KK 14.10.1996
S. 3, 24.02.1997 S. 3). Es ist mithin davon auszugehen, daß
bei den Inhaftierungen die Frist von zwei Tagen überwiegend
nur wenig überschritten wird. Von den etwa 10 % der insgesamt
über zwei Tage hinaus Festgehaltenen bleiben etwa die Hälfte
länger als drei Tage in Haft(KK 04.01.1996 S. 75), über eine
Woche hinaus etwa jeder Zehnte (AA 06.04.1998 S. 3 und
31.08.1998 S.2). Auch angesichts der nach den oben genannten
Zahlen bei Tausenden Festgenommener jeweils neu hinzukommenden
Hunderte länger Festgehaltener kann nach der absoluten, gemäß
den Auskünften nur geringfügig schwankenden Gesamtzahl der
Inhaftierten die Haftdauer in einer beträchtlichen Zahl von
Fällen die Zeit von zwei Tagen nicht wesentlich überschreiten.
</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Für die Frage, ob dem einzelnen mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht, sind diese
Zahlen zunächst noch ohne Aussagewert. Allein von einer zwei
Tage überschreitenden Dauer einer Inhaftierung, der keine im
Einzelfall bestehenden konkreten Anhaltspunkte für den
Verdacht der Beteiligung an oder des Wissens um terroristische
Aktivität zugrunde liegen, auf den Charakter als politische
Verfolgung zu schließen, geht nicht an. Denn ob eine an
asylerhebliche Merkmale anknüpfende, zielgerichtete Verfolgung
vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines Asylmerkmals
erfolgt, ist anhand des inhaltlichen Charakters nach der
erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu bestimmen.
Dafür, daß dies bei den hier in Rede stehenden Inhaftierungen
in maßgeblichem Umfang der Fall ist, fehlt es an ausreichendem
Anhalt. In allen angesprochenen Stellungnahmen wird ein
Zusammenhang der Verhaftungsaktionen im Großraum Colombo mit
den terroristischen Aktivitäten der LTTE im Süden und Westen
hergestellt. Die Verhaftungsaktionen sind in jedenfalls
prägender Weise objektiv darauf gerichtet, die Infiltration
von LTTE-Terroristen aus dem Norden und Osten des Landes
abzuwehren. Insofern wird auf die für die Sicherheitskräfte
entscheidenden Kriterien für die Freilassung wie etwa den
Besitz von Papieren zum Identitätsnachweis, einen langjährigen
Wohnsitz am Ort der Kontrolle, eine gesicherte familiäre und
wirtschaftliche Existenz, eine feste Arbeitsstelle oder einen
sonstigen plausiblen Grund für den Aufenthalt verwiesen(KK
02.09.1997 S.1; AA 17.03.1997 S. 4, 16.01.1996 S. 8 f;
European Union, The Council - EU - 02.04.1997 S.10); auch
führt im Normalfall eine Unbedenklichkeitsbescheinigung, die
die Polizei bei den Sicherheitsbehörden einholt, zu einer
schnellen Haftentlassung (KK 04.01.1996 S. 68). Selbst
Inhaftierungen von mehr als einer Woche, die srilankische
Menschenrechtsorganisationen "bei einer substantiellen Anzahl
von Personen" feststellen, werden außer auf den Aspekt der
Erwartung von Bestechungsgeld auf die Überprüfungen und deren
schleppende Durchführung bei Einschaltung verschiedener
Sicherheitsstellen zurückgeführt (Südasien 6/97 S. 8). Wenn
auch die von den Sicherheitskräften für einen eventuellen
LTTE-Verdacht herangezogenen Umstände nicht genau
festzustellen sind, weist doch die Tatsache, daß der weit
überwiegende Anteil der zunächst Festgenommenen alsbald wieder
freigelassen wird, auf eine über die Tatsache der
Zugehörigkeit zur Gruppe der Tamilen - eventuell auch eines
bestimmten Alters und Geschlechts - hinausgehende Prüfung
anhand zusätzlicher Kriterien und damit darauf hin, daß der
Grund einer Fahndung nach LTTE-Angehörigen für die
Verhaftungen nicht lediglich vorgeschoben ist, wogegen auch
schon die Abhängigkeit der Aktionen von der jeweiligen
Sicherheitslage spricht. Daß von den erörterten Maßnahmen
gerade Tamilen betroffen sind, knüpft an die für die
Bekämpfung des Terrorismus der LTTE als tamilischer
separatistischer Organisation bedeutsamen Auffälligkeiten,
insbesondere das Erscheinungsbild der Tamilen an;
Anknüpfungspunkt ist dagegen nicht eine pauschale und
undifferenzierte Gleichsetzung der tamilischen
Volkszugehörigkeit mit der Bereitschaft zu terroristischen
Aktivitäten.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Bei der Beurteilung, welche Umstände als hinreichend
anzusehen sind, um Inhaftierungen von tamilischen
Volkszugehörigen über kurze Dauer hinaus - im Hinblick auf das
Ziel der Verhinderung von Gewalttaten sowie der Verfolgung und
Überführung von Straftätern und der Identifizierung von
Personen, die sich nicht ausweisen können und bzw. oder keinen
plausiblen Grund ("valid reason") für ihren Aufenthalt im
Großraum Colombo nachweisen können - wegen fehlender
Gerichtetheit der Maßnahmen auf asylerhebliche Merkmale aus
dem Bereich der politischen Verfolgung auszuklammern, ist die
Intensität der abzuwendenden Gefahr maßgeblich einzustellen.
Insofern ist zu berücksichtigen, daß die Terroranschläge, die
von der LTTE verübt oder ihr zugerechnet werden -
beispielsweise die Anschläge auf Treibstofflager im Oktober
1995, auf die Zentralbank im Januar 1996, auf einen Vorortzug
im Juli 1996, auf das Handelszentrum im Oktober 1997 und auf
den Zahntempel in Kandy im Januar 1998 (AA 06.04.1998 S. 3)
sowie folgenschwere Explosionen in der Nähe des Hauptquartiers
der Luftwaffe im Februar 1998 und eines Bahnhofs im März 1998
(Wingler 31.05.1998 S. 39)-, darauf angelegt sind, unter
Inkaufnahme einer Vielzahl unbeteiligter Opfer und erheblicher
Sachschäden die Sicherheitslage nachhaltig zu erschüttern, für
anderweitige Erfolge der Sicherheitskräfte im Kampf gegen die
LTTE Rache zu nehmen und Sicherheitskräfte außerhalb des
eigentlichen Kampfgebietes zu binden. Der Druck auf die
staatlichen Stellen, dem zu begegnen, ist nicht zuletzt
deshalb ganz erheblich, weil bei Destabilisierung zu besorgen
ist, daß es über die unmittelbare Rechtsgutbeeinträchtigung
hinaus erneut zu ausgreifenden Unruhen und Ausschreitungen von
Singhalesen gegen Tamilen kommt. Die Ausführung der Anschläge
durch Selbstmordkommandos oder entsprechende Einzeltäter,
zumindest durch Täter, die ihr Leben zu riskieren bereit sind,
zwingt dazu, dem möglichen Umfeld des Täterkreises, der - wie
die Ziele der Anschläge, die Durchführung und das verwendete
Material zeigen - der Vorbereitung und Unterstützung bedarf,
besondere Aufmerksamkeit zu geben. Die Spannweite möglicher
Ziele der Terroranschläge läßt vorbeugende Maßnahmen dabei
generell als schwierig erscheinen. Dieses hohe und schwer
einzudämmende Gefahrenpotential sowie die nicht zuletzt durch
den Bürgerkrieg in Teilen des Landes und die Fluktuation der
Bevölkerung bedingten Schwierigkeiten schon bei der Abklärung
der Identität Festgenommener sind geeignet, auch längeren
Inhaftierungen von mehr als zwei Tagen - weil und sofern sie
nach ihrer objektiven Gerichtetheit auf die Verfolgung
terroristischer Straftäter oder präventiv auf Personen
ungeklärter Identität oder mit fehlendem plausiblen Grund für
ihren Aufenthalt im Großraum Colombo zielen - wegen mangelnder
Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale den Charakter einer
politischen Verfolgung zu nehmen.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Daß es bei den Inhaftierungen über den Freiheitsentzug
- unter den in Sri Lanka dabei allgemein gegebenen
Verhältnissen (AA 06.04.1998 S. 11) - hinaus mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit zu Maßnahmen kommt, die den Schluß auf eine
gezielte Rechtsgutverletzung in Anknüpfung an asylerhebliche
Merkmale begründen, läßt sich dem vorliegenden
Auskunftsmaterial, das ersichtlich alles an Informationen
aufgegriffen hat, was zur Verfügung stand oder beschafft
werden konnte, nicht entnehmen. Erkenntnisse, daß die
kurzfristig Verhafteten gefoltert werden, liegen nicht vor (KK
20.03.1996 S. 9). Für die länger Inhaftierten ist in den
letzten Jahren gegenüber der früheren Praxis der
Sicherheitskräfte eine Verringerung der Gefahr von Verhören
unter Folter festzustellen, ohne daß diese jedoch
auszuschließen ist (AA 12.07.1995 S. 2: "besonders gelagerte
Einzelfälle", 08.07.1997 S. 1; KK 20.03.1996 S. 9; Wingler
11.10.1995 S. 2, 08.10.1997 S. 33 sowie 30.09.1998 S. 3, 4:
"immer noch" bzw. "weiterhin"; UNHCR --.07.1998 S.2: Fälle von
Folter geben Anlaß zu großer Besorgnis). Dem liegt
insbesondere zugrunde, daß die Regierung Kontrollmechanismen
gegenüber den weitgehenden Befugnisse der Sicherheitskräfte
geschaffen hat (UNHCR 25.04.1997 S. 3). Das Problem der Folter
wird - anders als früher (dazu AA 23.06.1992 S. 8 f.,
12.01.1993 S. 1) - nach der Umsetzung der Konvention gegen
Folter in nationales Recht ab 1994 angegangen; sie kann mit
erheblicher Gefängnis- und Geldstrafe geahndet, die
Verantwortlichen sollen zudem disziplinarisch belangt und mit
Entschädigungsleistungen belastet werden (AA 12.10.1995 S. 5).
Im Sommer 1998 ist eine aus Parlamentarieren und Ministern
gebildete, allgemein erreichbare Kommission zur Entgegennahme
und Prüfung von Beschwerden wegen Belästigungen und
Mißhandlungen bei Verhören eingerichtet worden (AA 31.08.1998
S. 2; Wingler 30.09.1998 S. 3,5). Zur Verringerung der Gefahr
von Folter und einer ungerechtfertigten Verlängerung der
Haftdauer müssen Festnahmen durch alle Sicherheitskräfte
binnen 24 Stunden, wenn sie diese Frist überschreiten, der
nächsten Polizeistation gemeldet werden (KK 04.01.1996 S. 66,
75; AA 06.04.1998 S. 10). Nach den Notstandsgesetzen
Festgenommene müssen spätestens nach 48 Stunden - sonst 24
Stunden - dem Richter vorgeführt werden (KK 22.02.1997 S. 7;
AA 06.04.1998 S. 10) oder es muß für sie eine "Detention
Order" durch einen höherrangigen Beamten oder Offizier erwirkt
werden (KK 05.02.1997 S. 5) - wovon in letzter Zeit wegen der
Anforderungen, die der Oberste Gerichtshof stellt, weniger
Gebrauch gemacht wird (AA 06.04.1998 S. 7). Binnen 48 Stunden
muß auch die Mitte 1997 tätig gewordene Human Rights
Commission (HRC), die die Human Rights Task Force abgelöst und
zum Teil deren Mitarbeiter übernommen hat, über die Verhaftung
und den Ort der Inhaftierung unterrichtet werden (AA
06.04.1998 S. 9; EU 11.11.1997 S. 16; ai --.11.1997 S. 12;
UNHCR 25.04.1997 S. 3; KK 22.02.1997 S. 7). Die Unterbringung
der nach dem Notstandsrecht Verhafteten darf nur in
Einrichtungen erfolgen, die vom Verteidigungsminister dafür
zugelassen worden sind (AA 06.04.1998 S. 11).
Menschenrechtsorganisationen können diese Einrichtungen
besuchen (EU 11.11.1998 S. 16; UNHCR 23.07.1996 S. 3; AA
05.06.1998 S.3). Auch sonst sind Besuche bei den Inhaftierten
möglich (Wingler 30.01.1998 S. 12). Die nicht aufgrund
gerichtlicher Maßnahmen Festgehaltenen sind regelmäßig einem
Richter zu melden, der auch die Haftanstalten aufsuchen muß
(AA 06.04.1998 S. 11). Von einer Inhaftierung sind Verwandte
oder Freunde des Verhafteten in Kenntnis zu setzen, der mit
diesen Kontakt aufnehmen und sie über Verhaftung und
Aufenthaltsort unterrichten kann (KK 22.02.1997 S. 7). </p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Allerdings ist nicht zu verkennen, daß die gesetzlichen
Sicherheitsvorkehrungen in der Praxis nicht durchweg
eingehalten werden und daß auch die sonstigen von der
srilankischen Regierung etablierten Kontrollmechanismen häufig
noch nicht in der Lage sind, effektiv zu arbeiten (KK
22.02.1997 S.6; AA 17.03.1997 S.6; UNHCR --.07.1998 S. 3 f
m.w.N.).Es kommt zu Überschreitungen der vorgegebenen Fristen,
was aber auch außerhalb der Verhaftungen aufgrund der
Notstandsregelungen festzustellen ist (EU 11.11.1997 S. 17),
und auch sonst zu Verstößen insbesondere auf den unteren
Ebenen der Sicherheitskräfte (AA 06.04.1998 S. 8). Eine
generelle Verschlechterung ist insoweit auch nach dem Verbot
der LTTE jedoch nicht festzustellen (Wingler 31.05.1998 S.39),
so daß die grundsätzliche Wirksamkeit nicht in Frage gestellt
ist. Verstöße sind weithin mit Strafe belegt und ihnen wird
nachgegangen (AA 11.07.1997, 16.01.1996 S. 11; EU 11.11.1997
S. 15); daß derartige Verfahren schleppend verlaufen - was zum
Teil auf das srilankische Strafverfahrenssystem (EU 11.11.1997
S. 10), zum Teil auf die sachlich bedingten Probleme in der
Klärung der Verantwortlichkeit und der Beweisführung (AA
06.04.1998 S. 10, 12) zurückzuführen ist -, schließt eine
schon durch die Strafandrohung und das Aufgreifen von
Vorkommnissen hervorgerufene Effizienz nicht aus. Daneben
besteht die Möglichkeit, sich mit Beschwerden an den Obersten
Gerichtshof zu wenden, wovon zunehmend Gebrauch gemacht wird,
und gibt es Anwälte, die sich in Fällen der
Menschenrechtsverletzungen engagieren (AA 06.04.1998 S. 7,
18). Wenngleich Prozesse gegen Sicherheitskräfte oder die
Auferlegung von Entschädigungsleistungen zunächst noch nicht
bekannt geworden sind (Wingler 08.10.1997 S. 35) bzw. nur
wenige Verantwortliche für Menschenrechtsverletzungen sich vor
Gericht verantworten mußten und in den seltensten Fällen
verurteilt wurden und allgemein beklagt wird, daß
Menschenrechtsverletzungen weitgehend ungeahndet bleiben
(UNHCR --.07.1998 S. 3), so zeigen doch die geschaffenen
Möglichkeiten jedenfalls insofern Wirkung, als die
Sicherheitskräfte - wie Auskünfte übereinstimmend belegen - im
Vergleich zu früher zurückhaltender agieren. </p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Inhaftierungen erlangen den Charakter der politischen
Verfolgung auch nicht dadurch, daß - wie es verbreitet
geschieht - Festnahme und Verzögerung der Freilassung
erfolgen, um Lösegeld zu erpressen (KK 04.01.1996 S. 56,
14.10.1996 S. 4; Wingler 01.11.1995 S. 10 - danach geschieht
dies "fast schon routinemäßig", 08.10.1997 S. 33) oder das
Angebot von Bestechungsgeld abzuwarten (Südasien 6/97 S. 8);
hier fehlt es, da nur Gelegenheiten ausgenutzt werden, an der
erforderlichen Gerichtetheit des kriminellen Tuns. Ohne
prägenden Charakter sind auch Vorfälle wie der im Magazine-
Gefängnis im Februar 1996, als nach einem LTTE-Anschlag auf
die Zentralbank bis zu 100 dienstfreie Gefängniswärter
tamilische Gefangene angriffen und zum Teil schwer verletzten
(KK 20.03.1996 S. 4, 06.06.1996 S. 1), oder der im Gefängnis
von Kalutara im Dezember 1997, bei dem zwei Tamilen und ein
Muslim von singhalesischen Mithäftlingen ohne Eingreifen der
Aufseher getötet wurden (KK 20.03.1998; Wingler 31.05.1998
S.37); hierbei handelte es sich augenscheinlich um
Exzesse.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Nach dem Vorstehenden ist festzuhalten, daß die Gefahr, im
Zusammenhang mit den Kontrollen und eventuell daran
anschließenden Festnahmen Opfer politischer Verfolgung zu
werden, gering ist, wenn keine Anknüpfungspunkte für einen
Bezug zur LTTE vorliegen. Dabei bilden Volkszugehörigkeit,
Geschlecht, Alter und Herkunft aus dem Norden oder Osten Sri
Lankas allein offensichtlich keine hinreichenden Anhaltspunkte
für das Festhalten über die Klärung der Identität und des
Aufenthaltsgrundes hinaus. Diese Kriterien greifen im
wesentlichen für den ersten Zugriff ein, wie sich etwa aus
einer Zusammenstellung von Aktionen der Sicherheitskräfte im
Zeitraum von Oktober 1997 bis Januar 1998 ergibt (KK
20.03.1998). Soweit nicht - wie bei bestimmten Stadtbezirken
von Colombo, insbesondere aber bei den lodges (AA
31.08.1998 S. 1; Wingler 30.09.1998 S. 2) - schon der Ort der
Razzia oder Kontrolle für einen Zuzug aus den hauptsächlich
tamilisch geprägten Siedlungsgebieten spricht, ist jedenfalls
angesichts des hohen Anteils von aus dem Norden oder Osten
stammenden unter den in Colombo ansässigen Tamilen (etwa
150.000 von 400.000, EU 11.11.1997 S. 13) davon auszugehen,
daß weit mehr als der Anteil der Festgenommenen, der auch nach
Klärung von Identität und Aufenthaltsgrund in Haft verbleibt,
aus dem Norden oder Osten Sri Lankas stammen. Welche Kriterien
als maßgeblich angesehen werden, ist allerdings - wie
angesichts der möglichen Spannweite zwangsläufig - nicht
abschließend festzustellen. Ebenso fehlen - wiederum durch die
Natur der Zusammenhänge bedingt und daher ohne weitere
Ermittlungsmöglichkeit - präzise Angaben darüber, welcher
Personenkreis betroffen ist. Berichte über Einzelfälle
(insbesondere KK 08.12.1998) ergeben, soweit sie Bezug zum
Aufenthalt in Colombo haben, schon wegen der geringen Zahl
allein noch kein verläßliches Bild. Als Anknüpfungspunkt ist
daher auf die aus der Vergangenheit sowie aus anderen
Landesteilen bekannt gewordenen Fälle schwerwiegender
Übergriffe im Anschluß an Festnahmen durch die
Sicherheitskräfte zurückzugreifen. Danach zeigt sich, daß sich
die Verdachtsmomente insbesondere gegen junge Männer richten.
Betroffene von Übergriffen der Sicherheitskräfte im Großraum
Colombo, wo im Jahr 1995 bis zu 40 Personen nach Festnahme
gefoltert und ermordet aufgefunden wurden (AA 05.09.1995,
12.10.1995 S. 5, 31.10.1995 S. 3; KK 24.10.1995 S. 30,
26.10.1995 S. 6, 04.01.1996 S. 71 f.; Wingler 20.07.1995
S. 2 f., 11.10.1995 S. 2; UNHCR 25.04.1997 S. 4) und im
Februar 1996 (Wingler --.04.1996 S. 18), ferner ab August 1996
(KK 24.02.1997 S. 4) Leichen gefunden wurden, waren Männer,
und zwar, soweit in den Auskünften differenziert ist, junge
Männer. Daß dieser Personenkreis in nahezu ausschließlicher,
jedenfalls aber eindeutig hervorgehobener Weise den
folgenschweren Zugriffen der Sicherheitskräfte unterliegt,
wird durch die Berichte über Festnahmen und Verschwinden nach
der Erlangung der Gebietsgewalt auf der Jaffna-Halbinsel durch
die staatlichen srilankischen Kräfte bestätigt
(Zusammenstellungen in ai --.11.1997 und UTHR 27.12.1996).
Auch die Erkenntnisse zu Verhaftungen von Rückkehrern in
Colombo bestätigen diese Feststellung; in den näher
beschriebenen Fällen (KK 08.12.1998) waren Männer, und zwar,
soweit Altersangaben beigefügt sind, junge Männer betroffen.
Für die jungen Männer kann daher angesichts der nicht faßbaren
Kriterien der Sicherheitskräfte eine reale Möglichkeit eines
Zugriffs der Sicherheitskräfte, der in politische Verfolgung
übergehen kann, nicht ausgeschlossen werden, ohne daß sich
diese Möglichkeit allerdings zur beachtlichen
Wahrscheinlichkeit verdichtet. Die für die Annahme einer -
hier als Beleg einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit in
Betracht zu ziehenden - Gruppenverfolgung unerläßliche Dichte
der als Akte politischer Verfolgung zu wertenden Übergriffe,
also eine Situation, in der die Übergriffe unterschiedslos auf
die Mitglieder einer Gruppe gerichtet sind und nach Intensität
und Häufigkeit so eng gestreut fallen, daß daraus bei
objektiver Betrachtung für jeden nicht nur die allgemeine
Möglichkeit, sondern die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit
entsteht -</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">vgl. zu den Anforderungen BVerwG,
Urteile vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 -,
BVerwGE 96, 200, 203 und vom 20. Juni 1995
- 9 C 294.94 -, NVwZ-RR 1996, 57 -,</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">ist nicht festzustellen. Bei der aus Rechtsgründen
gebotenen Abstufung des Kreises der Betroffenen bis hin zu
denen, die Opfer von Maßnahmen politischer Verfolgung werden,
ergibt sich nach den obigen Ausführungen auch für den
Personenkreis der jungen, ursprünglich aus dem Norden oder
Osten Sri Lankas stammenden tamilischen Männer keine
beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung, wobei
sich keine Anhaltspunkte dafür zeigen, diese Betroffenen im
Sinne bestimmter Gruppenmerkmale noch weiter einzugrenzen. Daß
für die von Wingler gebildete "Untergruppe der jüngeren aus
dem Nord/Osten stammenden tamilischen Neuankömmlinge ohne
ausreichenden 'valid reason' für einen Aufenthalt im 'Süden' "
(Wingler 12.12.1997 S. 1, 15 ff., 31.05.1998 S. 45 ff.,
30.09.1998 S. 2, 13) eine grundlegend andere Situation
besteht, läßt sich nicht mit der erforderlichen Verläßlichkeit
feststellen. Soweit Wingler (12.12.1997 S. 1 f) angibt, "etwa
50 % der verhafteten Population der jüngeren Tamilen aus dem
Nord/Osten ohne ausreichenden 'valid reason' für einen
Aufenthalt im 'Süden' (befänden) sich im Rahmen der neueren
Verhaftungswellen länger als einen Monat in widerrechtlicher
Haft", ist zum einen die Aussage mangels konkreter
tatsächlicher Anhaltspunkte vor dem Hintergrund des sonstigen
Auskunftsmaterials nicht nachvollziehbar und fehlt es zum
anderen an der erforderlichen Differenzierung der Maßnahmen
nach dem Charakter als politische Verfolgung, wie sie im
Vorstehenden dargetan ist. Jedenfalls ist nicht ersichtlich,
daß Rückkehrer nach längerem Auslandsaufenthalt in einer mit
derjenigen der angesprochenen "Untergruppe" vergleichbaren
Gefährdungssituation sind, was auch von Wingler nicht mit
tragfähigen Erwägungen in Frage gestellt wird. In der schon
wiederholt angesprochenen Zusammenstellung (KK 08.12.1998)
sind für den Zeitraum von etwa einem Jahr drei Fälle
längerfristiger Verhaftung von Personen belegt, die etwa zwei
Wochen bis fünf Monate zuvor aus dem Ausland nach Sri Lanka
zurückgekehrt und in Colombo verblieben waren. Im Hinblick auf
die Kriterien, die die Sicherheitskräfte bei den Überprüfungen
anlegen, ist für das Ausweiserfordernis von wesentlicher
Bedeutung, daß eine Vereinbarung zwischen der srilankischen
Regierung und dem UNHCR getroffen wurde, wonach den
Einreisenden ihre Einreisepapiere zum Zwecke des Nachweises
belassen werden sollen (Wingler 11.10.1995 S. 3); allerdings
wird dies nicht stets eingehalten, vielmehr werden gerade die
"emergency certificates" nach Verhören auf dem Flughafen
teilweise einbehalten und durch Ausweispapiere zur Meldung bei
der örtlich zuständigen Polizeistation in Colombo ersetzt
(Wingler 31.05. 1998 S. 30). Der eigentliche Nachweis erfolgt
durch die Identitätskarte (UNHCR 12.02.1998; KK 22.09.1997
S. 4), die mit sich zu führen jeder Srilanker ab 18 Jahren
verpflichtet ist (EU 11.11.1997 S. 14). Die zur Erlangung des
Dokuments erforderliche Geburtsurkunde können Rückkehrer im
Regelfall - auch schon von Europa aus - erhalten (Wingler
11.10.1995 S. 3 f., 31.05 1998 S. 40; EU 02.04.1997 S. 6). Zur
Erledigung der Formalitäten, insbesondere der Meldepflicht
steht ein Beratungsbüro zur Verfügung (AA 06.04.1998 S. 14).
Daß die Rückkehr von einem Auslandsaufenthalt nach lange
zurückliegender Aufgabe des srilankischen Wohnsitzes und dem
Verlust der Verbindung zum früheren Heimatort, damit die
Notwendigkeit, in Sri Lanka wieder Fuß zu fassen, von
vornherein nicht als plausibler Grund für den Aufenthalt in
Colombo als dem Ort, der im Rahmen der Rückkehr als erster
erreicht wird, angesehen wird, ist dem umfangreichen
Auskunftsmaterial, das den Fragenkreis der Rückkehr
detailliert behandelt, nicht zu entnehmen. Daraus ergibt sich
auch über Mutmaßungen hinaus nichts Greifbares dafür, daß
Rückkehrer im Hinblick auf die bei den staatlichen Behörden
bekannten Aktivitäten der LTTE bzw. ihrer
Auslandsorganisationen und wegen der Besorgnis der
Infiltration (KK 18.03.1998; Wingler 31.05 1998 S. 47)
allgemein in besonderem Maße gefährdet wären.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Situation, mit der aus dem Ausland nach Colombo
gelangende Tamilen konfrontiert sind, trägt auch nicht aus
anderen als den bereits erörterten Umständen den Schluß auf
die beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung
dieser Volkszugehörigen oder einer nach asylerheblichen
Merkmalen eingegrenzten Gruppe unter ihnen. Der Aufenthalt ist
zwar schwierig, doch drohen die Beeinträchtigungen, soweit sie
überhaupt die für eine Verfolgung erforderliche Intensität
erreichen, nicht in einem solchen Grade, daß auf die für die
Annahme einer Gruppenverfolgung notwendige Dichte geschlossen
werden kann, bzw. lassen sie sich weithin und in
entscheidenden Umfang nicht auf ein staatliches Handeln mit
der eine politische Verfolgung ausmachenden Gerichtetheit auf
asylerhebliche Merkmale zurückführen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Ob es als Akt der politischen Verfolgung zu werten ist,
wenn ein Staat einem durch die Volkszugehörigkeit abgegrenzten
Teil seiner Staatsangehörigen entgegen einem
verfassungsrechtlichen Anspruch auf freie Wahl des
Aufenthaltsortes den Aufenthalt in bestimmten Landesteilen
verwehrt und so die Betroffenen zwingt, in Landesteile
auszuweichen, in denen ihnen Nachteile insbesondere infolge
von kriegerischen Auseinandersetzungen drohen (vgl. dazu KK
02.09.1997 Anhang Südasienbüro vom 2. Juli 1997), mag
hinstehen. Ein solcher Zwang ist für den Großraum Colombo
jedenfalls nicht in dem Sinne gegeben, daß er jeden aus dem
Ausland zurückkehrenden Tamilen mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit trifft. Amtliche Regelungen in dieser
Hinsicht - mit der anzunehmenden Folge einer verbreiteten
Durchsetzung - bestehen nicht (AA 30.01.1998, 02.10.1997,
UNHCR 12.02.1998; KK 13.09.1997; Wingler 08.10.1997 S. 40).
Soweit zurückkehrenden Tamilen durch Meldeauflagen, das
Erfordernis von Ausweispapieren und eines sachlichen Grundes
für den Aufenthalt sowie durch - unter Umständen bei
Nichterfüllen dieser Anforderungen - drohende Festnahme bei
den zahlreichen Kontrollen und die im Umgang mit den
Sicherheitskräften bestehenden sprachlichen Schwierigkeiten
(KK 08.12.1998, 22.09.1997 S. 4; Südasien 6/97 S. 8; EU
11.11.1997 S. 13) der Aufenthalt in Colombo erschwert und
- wie in den Auskünften zum Teil gefolgert wird - faktisch
verwehrt wird (Wingler 08.10.1997 S. 40; KK 22.09.1997 S. 4;
Südasien 1-2/98 S. 14), ist auf die vorstehenden Ausführungen
zur Möglichkeit, eventuell fehlende Papiere zu erlangen, und
zu mangelnden Anhaltspunkten dafür, daß gerade bei Rückkehrern
die Anerkennung eines sachlichen Grundes für die Aufenthalt
verneint wird, zu verweisen. Ein genereller Grund, die
Meldeauflagen als unzumutbar nicht zu befolgen, ist daher auch
nicht ersichtlich. Es fehlt damit schon an einer tatsächlichen
Grundlage für den Schluß, jedem Rückkehrer aus der Volksgruppe
der Tamilen oder einer eingrenzbaren Untergruppe drohten mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit Maßnahmen, die sich als
faktischer Zwang, Colombo zu verlassen, erweisen und denen er
nur durch Weiterreise in Gebiete ausweichen könnte, in denen
er mit andersartigen Gefahren von erheblichem Gewicht
konfrontiert wäre. Da der in Auskünften angesprochene Druck,
Colombo zu verlassen, letztlich aus den drohenden Festnahmen
folgt (KK 08.12.1998), kann insofern auf das oben zur
mangelnden Intensität und Dichte derartiger Übergriffe Gesagte
verwiesen werden. Die Erschwernisse, die unterhalb der
Schwelle der Verhaftungen bleiben, treffen zwar alle
Rückkehrer, sind aber für die Frage einer drohenden
politischen Verfolgung ohne Bedeutung. Sie sind vor dem
Hintergrund der allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Lage
und der Spannungen zu sehen, die aus den Aktivitäten der LTTE
folgen. Mag es angesichts der logistischen Voraussetzungen der
LTTE auch zweifelhaft sein, daß die Meldeauflagen und die
zahlreichen Kontrollen, insbesondere diejenigen in lodges,
konkret zur Ergreifung von LTTE-Aktivisten führen (Südasien 1-
2/98 S. 15), und mag ein vergleichbarer Aufwand der
Sicherheitskräfte gegenüber anderem gefährlichen kriminellen
Tun nicht festzustellen sein (Wingler 30.01.1998 S. 11), so
ist dennoch nicht von einer Schikane um ihrer selbst willen
und mit Zielrichtung auf eine Bevölkerungsgruppe als solche
auszugehen, weil zum einen der Aufbau bzw. die Ausdehnung
einer Basis für die LTTE erschwert und das subjektive
Sicherheitsgefühl der übrigen Bevölkerung gefördert werden
kann. Die Spannungslage, in der sich der srilankische Staat
befindet, kann bei der Entscheidung über das, was einem
Staatsbürger unterhalb der Schwelle einer ihrer Art nach zum
Verlassen des Heimatlandes zwingenden politischen Verfolgung
und damit ohne Ausgrenzung aus der staatlichen Friedensordnung
zuzumuten ist, nicht außer Betracht bleiben; sie muß bei der
Prüfung der Verhältnismäßigkeit staatlicher Maßnahmen und der
Einschränkung von Bürgerrechten (vgl. dazu insbesondere
Wingler 30.01.1998 S. 10) berücksichtigt werden. Dabei ist
auch zu beachten, daß sich das angesprochene Vorgehen der
Sicherheitskräfte nicht (mehr) in einem Umfeld des
Verschweigens oder Unterdrückens von Nachrichten abspielt,
sondern - wie die insbesondere von Wingler und Keller-
Kirchhoff in ihren angeführten Auskünften zahlreich
wiedergegebenen oder zitierten Zeitungsberichte sowie
Äußerungen von Politikern und Menschenrechtsorganisationen
belegen - Gegenstand der Kritik und der öffentlichen
Auseinandersetzung ist.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die den aus dem Ausland zurückkehrenden Tamilen im Hinblick
auf weitere Elemente der Existenzmöglichkeit im Großraum
Colombo treffenden Beeinträchtigungen sind ebenfalls ihrer
Schwere nach noch nicht asylerheblich, sind nicht mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu besorgen oder sind nicht
als staatliche Verfolgung mit asylrelevanter Gerichtetheit zu
werten. Die Möglichkeit, Arbeit zu finden ist - nicht nur für
Tamilen - zunächst schon wegen der herrschenden
Arbeitslosigkeit, also infolge der allgemeinen Wirtschaftslage
schwierig. Soweit auf zusätzliche Probleme für Tamilen
verwiesen wird, weil potentielle Arbeitgeber bei der
Einstellung von Tamilen Schwierigkeiten mit den
Sicherheitskräften befürchten (KK 08.12.1998), kann ungeachtet
der Frage nach der erforderlichen Schwere der Beeinträchtigung
nicht von einer politischen Verfolgung gesprochen werden;
insofern wird auf die Ausführungen zur mangelnden beachtlichen
Wahrscheinlichkeit von Zugriffen auf Tamilen im Zusammenhang
mit den allgemeinen Aufenthaltbedingungen verwiesen. Inwieweit
Sprachprobleme (KK 08.12.1998) trotz des hohen tamilischen
Bevölkerungsanteils in Colombo Bedeutung haben und inwieweit
sie durch Vorteile wie etwa während des Auslandsaufenthalts
gesammelte Ersparnisse oder erworbene Fach- und
Sprachkenntnisse aufgewogen werden (AA 06.05.1998) mag
dahinstehen; hier fehlt jeder Ansatz für eine staatliche
Eingriffshandlung. Die Möglichkeit, sich eine Unterkunft zu
verschaffen, ist zunächst durch die allgemeine Knappheit an
Wohnraum in Colombo und die demgemäß hohen Preise, ferner
durch die Sicherheitslage mit der Folge von Kontrollen und
unter Umständen auch Schließung von Unterkünften geprägt
(KK 08.12.1998), so daß dieselben Erwägungen wie zur
Arbeitssituation eingreifen und zusätzlich auf die jedenfalls
einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit drohender
Obdachlosigkeit wegen fehlender Papiere und
Aufenthaltsberechtigung entgegenstehenden obigen Erwägungen
zum Aufenthalt, insbesondere unter dem Aspekt des
Meldeerfordernisses Bezug genommen werden kann. Für eine
weitverbreitete Obdachlosigkeit ist dem umfassenden
Auskunftsmaterial nichts Greifbares zu entnehmen. Daß
Rückkehrern mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit sonstige
schwere Rechtsgutbeeinträchtigungen im Hinblick auf ein Leben
in Colombo drohen, ist nicht festzustellen. Daher mag auch
dahinstehen, inwieweit ein staatliches Handeln oder
Unterlassen mit asylerheblicher Gerichtetheit zugrundeliegt.
Fälle der Verelendung oder eines bloßen Dahinvegetierens am
Rande des Existenzminimums sind nicht bekannt (AA 06.05.1998;
KK 08.12.1998). Selbst wenn ein für die Rückkehrer
eingreifendes System der sozialen Grundsicherung nicht besteht
(KK 08.12.1998), ist dies kein tragfähiges Indiz für eine in
dem erforderlichen Grade konkretisierte Gefahr der
Rechtsgutverletzung. Denn insofern sind die in Sri Lanka
gewachsenen Verhältnisse zu beachten, nach denen traditionell
die Familien und die Dorfgemeinschaften für Hilfsbedürftige
einstehen (AA 06.05.1998) und sich demgemäß ein festgefügtes
System der Sicherung nicht entwickelt hat. Vor diesem
Hintergrund muß der Feststellung zu den tatsächlichen
Lebensmöglichkeiten ein wesentliches Gewicht gegenüber dem
Fehlen einer organisierten und geregelten, regelmäßigen
Unterstützung - nur diese wird von Keller-Kirchhoff (a.a.O.)
auch für die Hilfe der Volksgruppe sowie karitativer
Organisationen und Einrichtungen verneint - gegeben werden. Es
müssen also Feststellungen getroffen werden, daß es in einer
relevanten Dichte zu Rechtsgutbeeinträchtigungen der
erforderlichen Intensität tatsächlich gekommen ist und kommen
wird; dazu aber gibt das umfassende Auskunftsmaterial nichts
her. </p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung
ist auch nicht im Hinblick auf Übergriffe der übrigen
Zivilbevölkerung gegen Tamilen gegeben; insofern fehlt
jedenfalls heute an der erforderlichen Verfolgungsdichte,
ferner an einer aus den letzten bekannt gewordenen Vorfällen -
wie die Zerstörung zahlreicher Geschäftshäuser 1995 in Galle
(AA 12.10.1995 S. 3; Wingler 03.10.1995 S. 2; KK 24.10.1995
S. 34 ff.), ein Überfall auf indien-tamilische Siedler im
Bezirk Galle, bei dem ein Mädchen ermordet wurde (Wingler
03.10.1995 S. 2; KK 24.10.1995 S. 37), die Ermordung von zwei
Tamilen im Oktober 1995 in Colombo (KK 26.10.1995 S. 7) sowie
weitere Angriffe auf Tamilen, bei denen es Tote und Vermißte
gegeben hat (KK 24.10.1995 S. 37) - ersichtlichen
Verantwortlichkeit des Staates. Übergriffe und Exzesse
Privater sind dem Staat als mittelbar staatliche Verfolgung
nur dann zuzurechnen, wenn er dagegen grundsätzlich keinen
effektiven Schutz gewährt. Angesichts der von Regierungsseite
ergriffenen Maßnahmen zur Beendigung und Aufklärung der
Ausschreitungen ist eine asylrechtliche Verantwortlichkeit des
srilankischen Staates danach nicht zu bejahen. Die
Ausschreitungen im Bereich Galle wurden polizeilich untersucht
und es wurden Singhalesen verhaftet (KK 24.10.1995 S. 35 f.).
Die Regierung hat entschlossenes Handeln im Wiederholungsfall
angekündigt (AA 12.10.1995 S. 3) und die
Sicherheitsvorkehrungen verstärkt (KK 24.10.1995 S. 37). Daß
die Maßnahmen wirksam sind, zeigt im übrigen die Tatsache, daß
es selbst nach dem Anschlag auf ein buddhistisches Heiligtum -
den Zahntempel in Kandy - nicht zu Ausschreitungen gekommen
ist (AA 06.04.1998 S. 4).</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">In Teilen des Nordens Sri Lankas ist die Lage durch
Bürgerkrieg gekennzeichnet, der von der srilankischen Armee in
einer Weise geführt wird, die die gebotene Rücksicht auf die
Zivilbevölkerung zwar in hohem Maße vermissen läßt, jedoch
keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine beachtliche
Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung bietet. Seit dem
Ende der Friedensverhandlungen und dem Bruch der "Vereinbarung
zur Einstellung der Feindseligkeiten" (Wingler 31.03.1995 S.2;
KK 20.02.1995 S.3) ist es zunächst mit Schwergewicht auf der
Jaffna-Halbinsel (KK 04.01.1996 S. 8, 22), jetzt in der Wanni-
Region (Wingler 30.01.1998 S. 14, 31.05.1998 S. 16 ff.,
30.09.1998 S. 19; AA 06.04.1998 S. 12) zu Militäroffensiven
von staatlicher Seite gekommen, von denen die im Kampfgebiet
lebende Zivilbevölkerung unmittelbar erheblich betroffen wird
und bei denen auch soziale, kulturelle und religiöse
Einrichtungen zerstört und beschädigt werden (KK 04.01.1996
S. 4 ff.; Wingler 30.09.1998 S. 20). Die Militäroffensiven
lösen ferner Fluchtbewegungen mit in die Hunderttausende
gehenden Flüchtlingen aus (AA 06.04.1998 S. 12; KK 04.01.1996
S. 6; Wingler 01.11.1995 S. 6, 30.01.1998 S. 14, 31.05.1998
S. 19). Neben den militärischen Auseinandersetzungen führt
auch Zwang von Seiten der LTTE zu den Fluchtbewegungen
(AA 16.01.1996 S. 2). Da es an greifbaren Anhaltspunkten dafür
mangelt, daß sich das Bürgerkriegsgeschehen bei räumlicher
Verlagerung qualitativ geändert hat oder regionale
Unterschiede die Beurteilung beeinflussen können (vgl. etwa
Wingler 08.10.1997 S. 9 ff), können für die erforderliche
Bewertung der heutigen Situation und die erforderliche
Prognose die Erkenntnisse zu dem staatlichen Vorgehen auf der
Jaffna-Halbinsel mitberücksichtigt werden.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Die Geschehnisse während der bisherigen Kriegshandlungen
bieten keine Anhaltspunkte dafür, daß das Vorgehen der
staatlichen Sicherheitskräfte die Merkmale einer auch im
Rahmen des Handelns des Staates als Partei im Bürgerkrieg
möglichen politischen Verfolgung (BVerfGE 80, S. 340) aufweist
(in der Bewertung abweichend OVG Koblenz, Urteil vom 12. Juni
1996 - 11 A 11369/96 -, S. 8 f.; wie hier OVG Lüneburg,
Urteile vom 10. Juni 1996 - 12 L 1726/96 -, S. 8 ff. und vom
19. September 1996 - 12 L 2005/96 -, S. 15 ff.; VGH Kassel,
Urteil vom 11. Juni 1996 - 10 UE 1919/95 -, S. 30 ff.). Es
kann nicht festgestellt werden, daß die Aktionen der
Sicherheitskräfte nach ihrer objektiven Gerichtetheit über
eine militärische Prägung mit dem Ziel der Rückeroberung von
der LTTE beherrschter bzw. der Sicherung rückeroberter Gebiete
(KK 20.03.1996 S. 6, 04.01.1996 S. 22, 24.10.1995 S. 9 f.)
sowie der Schwächung oder Vernichtung der LTTE (AA 16.01.1996
S. 5; Wingler 31.05.1998 S. 17) hinausgingen oder -gehen.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Angesichts der Siedlungsstruktur, der Guerilla-Taktik der
LTTE, die ein ausgedehntes Netz mit einer unbekannten Anzahl
militärischer Stützpunkte in den von ihr kontrollierten
Gebieten besitzt (KK 04.01.1996 S. 2, 9), über mobile Lager
verfügt (AA 16.01.1996 S. 2) und die Bevölkerung vor der
Zusammenarbeit mit den Militärkräften warnt (Wingler --
.11.1996 S. 8), sowie ferner unter Berücksichtigung der
Tatsache, daß die srilankischen Truppen aufgrund ihres
technischen Standards jedenfalls in der Vergangenheit zumeist
zu "punktgenauen" Angriffen nicht in der Lage waren (KK
04.01.1996 S. 41; AA 16.01.1996 S. 6; Wingler 01.11.1995 S. 4,
8) und niedrig fliegende Flugzeuge oder Hubschrauber von
Boden-Luft-Raketen der LTTE bedroht sind (KK 24.10.1995 S. 11;
Wingler --.04.1996 S. 22), ist die Beeinträchtigung der
tamilischen Zivilbevölkerung durch die Kampfhandlungen allein
kein tragfähiger Hinweis auf eine über die Bekämpfung der LTTE
hinausgehende Gerichtetheit der Kampfhandlungen gegen die
Tamilen. Eine zu gegenteiligen Schlußfolgerungen führende
andersartige Vorgehensweise der Armee bei ethnisch anders
zusammengesetzter Zivilbevölkerung ist nicht festzustellen, da
in den Kampfgebieten nach der Vertreibung anderer
Bevölkerungsgruppen durch die LTTE (AA 14.02.1995 S. 3,
27.03.1995 S. 4, 12.10.1995 S. 3) ausschließlich Tamilen
leben. Der Umstand, daß die Sicherheitskräfte bei ihren
Kampfmaßnahmen keine (Wingler 20.07.1995 S. 4) oder nur
punktuell (AA 16.01.1996 S. 2) Rücksicht auf eventuell
mitbetroffene Zivilisten nehmen, mag diese zwar als
menschenrechtswidrig prägen, stellt allein jedoch keinen Grund
dar, sie als objektiv gezielt an asylerhebliche Merkmale
anknüpfende staatliche Verfolgungsmaßnahmen zu qualifizieren
(vgl. BVerfGE 80, 341). Gegen eine objektive Gerichtetheit der
Aktionen auch auf die physische Vernichtung oder
schwerwiegende Beeinträchtigung der Zivilbevölkerung spricht,
daß die Zahl der Vorkommnisse mit erheblicher Einbeziehung der
Zivilbevölkerung und die Zahl der Opfer angesichts des Umfangs
der Offensiven, des eingesetzten Kriegsgeräts, der im
Kampfgebiet herrschenden Bevölkerungsdichte, die sich in den
Zahlen der Flüchtlinge niederschlägt, sowie der Dauer und
Härte der Auseinandersetzungen relativ niedrig geblieben ist.
Als Folge der ersten Offensive auf der Jaffna-Halbinsel
berichtet Wingler von 234 toten und 1.414 verwundeten
Zivilisten sowie 183.000 Flüchtlingen (03.10.1995 S. 24),
Keller-Kirchhoff nennt 205 tote und 953 schwer verletzte
Zivilisten und ca. 188.000 Flüchtlinge (04.01.1996 S. 13). Die
Offensive "Reviresa", die im Dezember 1995 zur Einnahme der
Stadt Jaffna führte (KK 04.01.1996 S. 31), forderte im Oktober
1995 neben zahlreichen Toten und Verwundeten unter den
Soldaten und LTTE-Kämpfern 104 Tote und 194 Verletzte unter
der Zivilbevölkerung (KK 04.01.1996 S. 12) und führte zu
200.000 bis 550.000 Flüchtlingen (KK 04.01.1996 S. 15). Die
Zahl der getöteten oder verletzten Zivilisten wird für die
Zeit seit Juli 1995 bzw. für die Zeit von April bis Dezember
1995 mit 800 angegeben (AA 01.03.1996 S. 1; Wingler 29.04.1996
S. 22). Für die Wanni-Region ist von einer betroffenen und auf
der Flucht befindlichen Bevölkerung von 200.000 bis 400.000
(AA 06.04.1998 S. 12) oder weit mehr als 500.000 (Wingler
31.05.1998 S.19) auszugehen. Das IKRK kommt zu dem Schluß, die
zivilen Opfer in den Auseinandersetzungen seien geringer als
es unter vergleichbaren Bedingungen in anderen Ländern der
Fall sei (AA 06.04.1998 S. 13). So wird die Zahl der in den
ersten acht Monaten des Jahres 1997 bei Bombardierungen
getöteten Zivilisten auf 37 geschätzt (Anlage 1 zu UNHCR --
.07.1998 S. 10). Hinzu kommt, daß die die Zivilisten schwer
beeinträchtigenden Aktionen ganz überwiegend (zu Ausnahmen KK
04.01.1996 S. 8 f.) in zeitlichem und räumlichem Zusammenhang
konkreter Offensiven der srilankischen Regierungstruppen
standen. Eine flächendeckende Bombardierung, die ihrer Art
nach auf das objektive Ziel einer Beeinträchtigung des zivilen
Lebens um seiner selbst willen schließen ließe, kann nicht
festgestellt werden; die von Wingler als
"Flächenbombardierungen" zusammengefaßten und gewerteten
Angriffe auf im einzelnen benannte Ansiedlungen (--.05.1995
S. 18), die sich überwiegend gegen von der LTTE kontrollierte
Orte richteten (KK 04.01.1996 S. 1, 4; AA 16.01.1996 S. 1),
lassen einen militärischen Bezug der Angriffe insofern
erkennen, als sie den Kampfoperationen zu Lande vorausgingen
(Wingler --.04.1996 S. 22) und die benannten Orte später von
den Regierungstruppen eingenommen wurden (AA 16.01.1996 S. 1).
Auch einzelnen folgenschweren Angriffen auf zivile Ziele
können keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine über
militärische Ziele hinausgehende Gerichtetheit der Aktionen
entnommen werden; insofern sei beispielsweise auf den
Bombenangriff auf das Gelände der Kirche von Navali verwiesen,
bei dem wohl 130 Menschen den Tod fanden; die näheren Umstände
sind ungeklärt, insbesondere steht die Möglichkeit im Raum,
daß für die zahlreichen Opfer die Explosion eines nahe
gelegenen Munitionslagers der LTTE verantwortlich war (KK
04.01.1996 S. 4; AA 16.01.1996 S. 3; Wingler 01.11.1995
S. 5).</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Daß die Kriegsführung über die mit ihr verbundene
vorherrschende Mißachtung des Rechts auf Leben und
schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen wie Tötung,
Verschwindenlassen und Mißhandlungen (UNHCR --.07.1998 S.2 und
zugehörige Anlage 1 S. 9 ff.) und die somit zweifellos
gegebene Rücksichtslosigkeit gegenüber der Zivilbevölkerung
hinaus darauf gerichtet ist, die im LTTE-Gebiet lebenden und
an den Auseinandersetzungen nicht unmittelbar beteiligten
Personen unterhalb der Schwelle der physischen Vernichtung
oder Beeinträchtigung unter den Druck brutaler Gewalt zu
setzen und so auszugrenzen, kann ebenfalls nicht festgestellt
werden. Dem steht zum einen das von der srilankischen
Regierung verfolgte, die militärischen Kampfhandlungen
ergänzende (längerfristige) politische Konzept zur Lösung des
Konflikts durch Dezentralisierung bzw. Regionalisierung der
Macht und teilweise Autonomie für tamilische Siedlungsgebiete
sowie ein beabsichtigtes - in Jaffna anlaufendes (AA
30.08.1996 S. 9; Wingler 27.11.1996 S. 23) -
Wiederaufbauprogramm entgegen (KK 04.01.1996 S. 22 ff.; AA
16.01.1996 S. 5), ferner auch, daß von der Regierung etwa im
Fall Navali die Untersuchung durch eine Kommission angeordnet
wurde und die berichteten schwerwiegenden Angriffe auf zivile
Ziele eher Einzelfälle geblieben sind. Die letzte Aussage ist
trotz der wiederholt verfügten Pressezensur für die
Berichterstattung über Vorfälle im Zusammenhang mit Aktionen
der Streitkräfte und der Sicherheitskräfte (KK 04.01.1996
S. 10; AA 30.08.1996 S. 2; Wingler 31.05.1998 S. 18,
30.09.1998 S. 19) möglich; es bestehen keine Anhaltspunkte
dafür, daß es während ihrer Geltung zu schwerwiegenderen
Angriffen der staatlichen Streitkräfte auf zivile Ziele
gekommen ist, da diese nach dem Ende der Pressezensur
bekanntgeworden wären und der Propagandaapparat bzw.
"Auslandsinformationsdienst" der LTTE weiterhin Mitteilungen
verbreitete (Wingler 03.10.1995 S. 45 f.).</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Es gibt auch keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, daß die
Aktionen der Sicherheitskräfte objektiv auf eine Vertreibung
der Tamilen und deren Abdrängen in eine ausweglose Lage, also
auf eine Verelendung und damit verbundene Ausgrenzung der
Zivilbevölkerung im Norden gerichtet sind. Die Versorgungslage
einschließlich der medizinischen ist in den Kriegsgebieten
zwar schlecht, insbesondere für die in die hunderttausende
gehenden Flüchtlinge in der Wanni-Region; es gelten
Einfuhrverbote für Waren, die der LTTE für die Kriegsführung
vorteilhaft sein könnten, wobei die Armee die Verbote zum Teil
auch auf nicht kriegswichtiges Material erstreckt (AA
06.04.1998 S. 12; Wingler 31.05.1998 S.16 f.). Die Regierung
bemüht sich, die zum Leben notwendige Versorgung zu
ermöglichen, insbesondere unter Einschaltung des Roten Kreuzes
und anderer Organisationen (AA 06.04.1998 S. 12). Die Lage
stellt sich danach als derjenigen vergleichbar dar, die auf
der Jaffna-Halbinsel festzustellen war. Auch dort fehlten
Anhaltspunkte dafür, daß die schlechte Versorgungslage darauf
zurückzuführen wäre, daß an sich mögliche Lieferungen mit
Billigung der Führung der Sicherheitskräfte zurückgehalten
wurden, zumal auch logistische Probleme (KK 04.01.1996 S. 48,
51; Wingler --.09.1996 S. 26) und Gefährdungen der Transporte
durch die LTTE (Wingler 13.07.1996 S. 30) bestanden. Die
weitgehende Blockierung des Wirtschaftslebens durch die
Beschränkung von Gütern und Transportwegen (KK 04.01.1996 S.
42 ff.) ist nachvollziehbar Bemühungen zuzuordnen, möglichen
Nutzen für den Bürgerkriegsgegner, welcher im übrigen
regelmäßig auch Teile von Lebensmittellieferungen für seine
Kämpfer abzweigt (AA 07.11.1995 S. 2, 06.04.1998 S. 12),
weitestgehend auszuschalten. Die Ausführungen von Wingler zur
Nahrungsmittelversorgung (30.09.1998 S. 19 ff.) bieten keinen
hinreichenden Anhalt, diese Beurteilung in Frage zu
stellen.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Soweit es in den Bürgerkriegsgebieten in unmittelbarem
Bezug zu Zivilisten zu schweren Übergriffen durch srilankische
Soldaten gekommen ist, seien es die wiederholt berichteten
Vergewaltigungen oder etwa die Entführung und Ermordung zweier
junger tamilischer Frauen sowie im Zusammenhang mit einem
dieser Fälle der Ermordung dreier weiterer Tamilen, handelt es
sich offensichtlich um Exzeßtaten ohne Aussagegehalt für einen
Hintergrund politischer Verfolgung; es ist bekannt geworden,
daß in derartigen Fällen Armeeangehörige verhaftet (Südasien
7-8/96 S. 17; KK 24.02.1997 S. 6) und in einem
aufsehenerregenden Fall sieben Täter zum Tode und acht zu
langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden sind (South-
Asia-Bureau, Inform --.07.1998 S. 10). Es zeigt sich, daß die
Übergriffe staatlicherseits nicht einfach hingenommen, erst
recht nicht als Mittel einer Beeinträchtigung der
Zivilbevölkerung akzeptiert werden. </p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Für die Gebiete, in denen es zur Beendigung des offenen
Bürgerkriegs gekommen ist und der srilankische Staat die
Gebietsgewalt - wenngleich nicht ganz unangefochten, wie
Überfälle und Anschläge der LTTE, etwa die Tötung eines
Armeebefehlshabers, der Bürgermeisterin von Jaffna (Wingler
31.05.1998 S.16, 44) und ein schwerwiegender Bombenanschlag
auf das Rathaus von Jaffna mit mehreren Toten, darunter dem
neuen Bürgermeister, und zahlreichen Verletzten (Wingler
30.09.1998 S.11) zeigen- wieder behauptet, ist eine mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende politische Verfolgung
für Rückkehrer nicht festzustellen. </p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Das allgemeine Vorgehen der Regierung bietet keinen Ansatz
zur Feststellung einer ausgrenzenden Behandlung der gesamten
tamilischen Zivilbevölkerung. Eine große Zahl von 1995 aus dem
westlichen Teil der Jaffna-Halbinsel in die östlichen Teile
geflüchteten Tamilen ist nach der Einnahme weiter Gebiete der
Jaffna-Halbinsel durch die Armee (Wingler 29.04.1996 S. 21,
26) in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt (Wingler 13.07.1996 S.
27). Die Zahl der tamilischen Bevölkerung wurde mit etwa
450.000 angegeben und steigt weiter (Anlage 1 zu UNHCR --
.07.1998 S. 6). Ein singhalesischer Journalist berichtete nach
einer Informationsreise von Zerstörungen unterschiedlichen
Ausmaßes, Mangel an Nahrungsmitteln und Medikamenten,
andererseits von offener Anerkennung für das Verhalten der
Armee, die um ein positives Bild in der tamilischen
Zivilbevölkerung bemüht sei und von der sich diese nicht
bedroht fühle (KK 06.06.1996 S. 6 ff.). Auch nach dem Bericht
einer Menschenrechtsorganisation (UTHR 27.12.1996) wird die
Rolle der Armee und besonders einiger Kommandeure, etwa in
Vadamaratchi und in dem die Stadt Jaffna einschließenden
Gebiet positiv gesehen; allerdings hat auch ein Abgeordneter
im Parlament eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen
Armee und Bevölkerung beklagt (KK 24.02.1997 S. 6). Von Seiten
der Regierung wurden alsbald große Anstrengungen unternommen,
außer den Soldaten auch die Zivilbevölkerung zu versorgen
(Wingler --.09.1996 S. 26). Die Versorgung mit Lebensmitteln
wurde relativ stabil; viele Schulen, die Universität und
Krankenhäuser haben ihren Betrieb wieder aufgenommen (AA
30.08.1996 S. 9; Wingler 27.11.1996 S. 23). Zum Aufbau einer
zivilen Verwaltung auf der Jaffna-Halbinsel entsandte die
Regierung tamilische Beamte (KK 06.06.1996 S. 3 ff.); im
Januar 1998 fanden kommunale Wahlen statt (Wingler 31.05 1998
S.10,20) und die Situation in Jaffna verbessert sich trotz
weitgreifender Kontrollen durch das Militär zusehends (UNHCR
--.07.1998 S.4 und zugehörige Anlage 1 S.7). Die
Menschenrechtslage wird gegenüber derjenigen vor Juni 1997 als
erheblich verbessert beurteilt (Wingler 30.09.1998 S. 10).</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Anlaß zu Bedenken im Hinblick auf eine politische
Verfolgung geben die Berichte über Festnahmen und
Verschwindenlassen insbesondere junger tamilischer Männer
(vgl. insoweit die Zusammenstellungen UTHR 27.12.1996 und ai -
-.11.1997) durch die Armee - nur von dieser, nicht auch von
der Polizei sind entsprechende Aktionen bekannt (ai --.11.1997
S. 8). Für den jetzigen Zeitraum sowie die weitere Entwicklung
- auch in künftig wieder in die Gewalt der staatlichen Kräfte
gelangenden Bereichen - und für den Personenkreis der
Rückkehrer nach längerem Auslandsaufenthalt ergeben die
Vorgänge jedoch im Sinne der beachtlichen Wahrscheinlichkeit
politischer Verfolgung nichts Tragfähiges.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Im April und Mai 1996 sollen über 500 tamilische Jungen und
Mädchen, die sich unter den Flüchtlingen befanden, in
Internierungslager auf der Jaffna-Halbinsel und an unbekannte
Orte - auch im Süden des Landes - verbracht worden sein, wobei
spätere Freilassungen nur in geringer Zahl bekannt wurden;
Anfang Juli 1996 kam es nach Bombenanschlägen zu einer
weiteren großen Verhaftungswelle (Wingler 13.07.1996 S. 12,
36; KK 05.07.1996 S. 1, 22.02.1997 S. 7). Für den Herbst 1996
wird von mehr als 300 Verschwundenen berichtet, die in
Militärhaft genommen worden waren (Wingler 10.02.1997 S. 32).
Nach Zusammenstellungen eines Parlamentsabgeordneten aus dem
November 1996 und dem Januar 1997 wurden in jener Zeit in
Jaffna ca. 130 Personen verhaftet und gelten als verschwunden
(KK 24.02.1997 S. 5). Insgesamt gelten für das gesamte Jahr
1996 über 700 Personen als verschwunden (AA 06.04.1998 S. 12)
bzw. für sechs Monate des Jahres etwa 540 Personen (ai
--.11.1997 S. 1). Es wird befürchtet, daß sie gezielt
umgebracht worden oder unter Folter zu Tode gekommen sind,
worauf auch Berichte über eine Aussage zu Massengräbern
hinweisen (South-Asia Bureau, Inform --.07.1998 S. 10 f.;
Wingler 30.09.1998 S. 9). Im Weiteren können Zahlen dieser
Größenordnung - gegebenenfalls sogar mit einem Zuschlag für
unbekannt gebliebene Fälle - zugrundegelegt werden. Es kann
hier dahinstehen, ob und in welchem Umfang Verhaftungsaktionen
ihrer objektiven Gerichtetheit nach der Erfassung von LTTE-
Anhängern und -Unterstützern dienen - insofern zeigen
Einzelvorkommnisse eine zumindest grobe Überprüfung unter
Freilassung von Unverdächtigen (ai --.11.1997 S. 9), doch ist
zu beachten, daß die Anlässe einzelner Übergriffe, nämlich
Aktionen der LTTE oder deren anderweitige militärische Erfolge
(ai --.11.1997 S. 7), auch für ein undifferenziertes Vorgehen
sprechen. Schließlich kann offenbleiben, ob aus den Zahlen und
den Umständen der Zugriffe auf eine hinreichende
Verfolgungsdichte geschlossen werden kann. Die Geschehnisse
des Jahres 1996 sind nämlich für die heutige Situation und für
Tamilen, die nach jahrelangem Auslandsaufenthalt zurückkehren,
ohne tragenden Aussagegehalt. </p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Zahl und Umfang vergleichbarer Übergriffe sind nach dem
Jahre 1996 erheblich zurückgegangen; die Aussage des UNHCR
(--.07.1998), seit der Wiederaufnahme der bewaffneten
Auseinandersetzungen 1995 habe die Anzahl der Fälle von
Verschwindenlassen permanent zugenommen und die Anzahl der
berichteten Fälle habe sich 1997 wiederum erhöht - soweit
damit nicht die über mehrere Jahre fortgeschriebene Gesamtzahl
gemeint ist -, kann jedenfalls für die Jaffna-Halbinsel -
Jaffna ist neben Batticaloa und Mannar in diesem Zusammenhang
erwähnt - nicht zugrunde gelegt werden. Eine Präzisierung im
Hinblick auf die Größenordnung oder auf tragfähige Grundlagen
für die Aussage findet sich nicht, ist insbesondere auch dem
Material, auf dem die Stellungnahme des UNHCR beruht (Anlagen
1 bis 3 zu UNHCR --.07.1998), nicht zu entnehmen. Soweit in
den herangezogenen Unterlagen Sri Lanka als das Land mit den
meisten Verschwundenen im Jahre 1997 bezeichnet wird (Anlage 2
Ziffer 348), ist das für die Entwicklung im Lauf der Jahre und
in Bezug auf den hier zu betrachtenden Landesteil ebenso ohne
Gehalt wie die ersichtlich zeitlich weit greifende Aussage,
die Verletzungen von Menschenrechten seien über Jahre hinweg
so zahlreich, häufig und ernstlich, daß man nicht von
isolierten Einzelfällen des Fehlverhaltens ausgehen könne
(Anlage 1 Ziffer 151). Demgegenüber enthält das sonstige
Auskunftsmaterial unterschiedlicher Stellen mit
unterschiedlichen Quellen genaue Angaben und ergibt ein in den
Grundzügen übereinstimmendes Bild. Für die erste Jahreshälfte
1997 wird von 41 Verschwundenen (ai --.11.1997 S. 2) berichtet
bzw. von 35 und für die zweite Jahreshälfte von keinem Fall
(AA 06.04.1998 S. 12; Wingler 30.01.1998 S. 19). Allerdings
wurden ab Juni 1997 noch zwei Jugendliche in der Haft getötet
(Wingler 31.05.1998 S. 43). Angesichts dieser genauen Angaben
kann den pauschalen Aussagen des UNHCR kein Gewicht - mangels
Anhaltspunkten für einen überlegenen Informationsstand nicht
einmal im Sinne weiteren Klärungsbedarfs - gegeben werden.
Darüberhinaus gibt es weitere Umstände, die eine rückläufige
Tendenz in der Zahl der Verschwundenen auf einen Stand,
angesichts dessen ersichtlich von einer für eine Gruppen- oder
Untergruppenverfolgung erforderlichen Dichte nicht gesprochen
werden kann, plausibel machen. Die srilankische Regierung ist
bemüht, den Übergriffen der Armee durch verschiedene Maßnahmen
zu begegnen und die Grundsätze der oben zum Großraum Colombo
schon angesprochenen Notstandsgesetzgebung zur Anwendung zu
bringen (AA 06.04.1998 S. 12) - so werden etwa Mitteilungen
über eine Verhaftung erstellt (Wingler 31.05.1998 S. 44) -
sowie das Bewußtsein für die Menschenrechte in der Armee zu
verbreiten (ai -- .11.1997 S. 14). Insbesondere aber ist
Wirkung davon zu erwarten, daß es zu Verfahren kommt, in denen
die Verantwortlichkeit von Armeeangehörigen für schwerwiegende
Vorkommnisse geklärt werden soll und über die in der Presse
berichtet wird (ai --.11.1997 S. 2; AA 06.04.1998 S. 12) - in
einem Strafverfahren gegen Armeeangehörige, die im Norden
eingesetzt waren, ist es inzwischen zu einer Verurteilung
gekommen (South-Asia-Bureau, Inform --.07.1998 S.10). Ferner
ist von Bedeutung, daß dem Verschwinden von Personen durch
staatlich eingerichtete Kommissionen nachgegangen wird. So ist
beim Verteidigungsministerium ein Board of Investigation
eingerichtet worden, dem hunderte von Beschwerden vorliegen
und von dem bereits in 160 Fällen die Spuren ermittelt worden
sind; außerdem ist die HRC, die inzwischen über ein Büro in
Jaffna verfügt (Wingler 30.01.1998 S. 19), eingeschaltet, die
über 270 Fällen nachgeht (ai --.11.1997 S. 2, 12, 13).
Schließlich wird dem Vorgehen der Armee insbesondere im
Hinblick auf das Verschwinden von Zivilisten auch in der
Öffentlichkeit Aufmerksamkeit gewidmet; so hat eine in Colombo
erscheinende Wochenzeitung eine regelmäßige Rubrik mit Namen
von als verschwunden geltenden Personen eingerichtet (KK
22.02.1997 S. 3) und werfen Richter des Obersten Gerichtshofs
den Verfolgungsbehörden öffentlich Rechtsverletzungen und
Folter vor (KK 24.02.1997 S.4). Für die Frage der Gefährdung
von Rückkehrern nach einem mehrjährigen Auslandsaufenthalt ist
zudem die Übertragbarkeit dessen, was die Gefährdungssituation
insbesondere für junge männliche Tamilen ausmachte, in einem
für die Dichte wesentlichen Umfang zu verneinen. Denn als
Vergleichsfälle sind die Vorkommnisse auszuschließen, die nach
der Beendigung des offenen Bürgerkrieges zur Sicherung der
wiedererlangten Gebietshoheit dort darauf gerichtet waren,
LTTE-Verdächtige in der Bevölkerung, insbesondere unter den
Flüchtlingen festzunehmen und - unterhalb der Schwelle, die zu
politischer Verfolgung führen könnte - Informationen über
LTTE-Aktivitäten zu gewinnen. Insofern ist die Tatsache, sich
in der letzten Zeit der LTTE-Herrschaft in dem Bereich
aufgehalten zu haben, ein wesentliches Merkmal für den Kreis
der Betroffenen, das die Rückkehrer nicht teilen (vgl. dazu
BVerwG, Beschluß vom 10. Februar 1998 - 9 B 136.98 -).</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Im Hinblick auf die weiteren unmittelbaren Übergriffe von
Angehörigen der Sicherheitskräfte gegen tamilische Zivilisten,
insbesondere auf die Fälle der Vergewaltigungen oder der
willkürlichen Tötungen - für die Zeit von Januar bis September
1997 ist von über 30 Fällen berichtet worden, zu denen
Untersuchungen durchgeführt worden sind (Anlage 1 zu UNHCR
--.07.1998 S. 7) - ist auf die vorstehenden Ausführungen zum
Rückgang des Verschwindenlassens zu verweisen. Auch insofern
greifen die Maßnahmen zur stärkeren Disziplinierung der
Soldaten, so daß jedenfalls nunmehr von Exzeßtaten auszugehen
ist, die nicht als politische Verfolgung zu werten sind; im
übrigen mangelt es auch hier an der erforderlichen Dichte der
Übergriffe. </p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die Verhältnisse in den östlichen Landesteilen beinhalten
zwar Gefährdungen von Leib und Leben dort lebender Tamilen
durch staatliche oder staatlich geduldete bewaffnete Kräfte.
Die für die Annahme einer Gruppenverfolgung unerläßliche
Dichte von derartigen Übergriffen, also eine Situation, in der
die Übergriffe unterschiedslos auf die Mitglieder einer Gruppe
gerichtet sind und nach Intensität und Häufigkeit so eng
gestreut fallen, daß daraus bei objektiver Betrachtung für
jeden nicht nur die allgemeine Möglichkeit, sondern die
aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht, die für ihn
den Aufenthalt dort unzumutbar erscheinen läßt, ist für die
Tamilen insgesamt oder eine Untergruppe nicht
festzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Eine Situation offenen Bürgerkriegs unter Verlust der
Gebietshoheit des Staates ist nicht entstanden. Zwar führten
die Militäroperationen im Norden Sri Lankas ab April 1995 zu
einer Reduzierung der Präsenz der staatlichen
Sicherheitskräfte im Osten, was dort eine Destabilisierung zur
Folge hatte (KK 04.01.1996 S. 32; Südasienbüro 15.04.1996
S. 2; Wingler 11.12.1995 S. 45, 31.01.1996 S. 39; Südasien 7-
8/96 S. 11). Der Abzug der Truppen ermöglichte es LTTE-Kadern
einzudringen, so daß sich der Einflußbereich der LTTE im Osten
des Landes ausweitete (KK 04.01.1996 S. 32; Südasienbüro
15.04.1996 S. 2). Nach der Niederlage auf der Jaffna-Halbinsel
hat sie ihre Präsenz im Osten weiter verstärkt und
kontrolliert dort viele Gebiete (KK 06.06.1996 S. 13; Wingler
--.09.1996 S. 36); die srilankische Regierung hielt und hält
jedoch die Gebietsgewalt über den Landstreifen an der Küste
und die dortigen Ortschaften (European Union 02.04.1997 S. 4;
Wingler 31.05.1998 S.19; AA 06.04.1998 S. 5; KK 04.01.1996
S. 32). Zu militärischen Aktionen, die zum Teil auch zivile
Opfer, ganz überwiegend aber Opfer unter den staatlichen
Sicherheitskräften und der LTTE fordern, kommt es nur
vereinzelt (Südasienbüro 15.04.1996; Wingler 10.02.1997
S. 18); Großoffensiven fanden mit Ausnahme einer gegen
Urwaldeinrichtungen der LTTE gerichteten Operation (Wingler
31.01.1996 S. 41 f.) nicht statt (KK 04.01.1996 S. 18). Von
einer nachhaltigen Beeinträchtigung der tamilischen
Bevölkerung durch Maßnahmen, die einer kriegerischen
Auseinandersetzung zuzuordnen und unter den dafür vom
Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Voraussetzungen auf den
Charakter als politische Verfolgung zu prüfen wären, ist
danach nicht auszugehen. Bestimmend für die Situation sind
vielmehr unmittelbare Übergriffe der Sicherheitskräfte gegen
Zivilisten - diese sind weithin Reaktionen auf Überfälle der
LTTE, derer man nicht habhaft werden konnte, teils auch der
Disziplinlosigkeit sowie einer allgemeinen Wut zuzuordnen -
und in geringerem Umfang Beeinträchtigungen durch sonstige
Organisationen und andere Bevölkerungsgruppen.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Übergriffe, die als Vergeltungsaktionen, also als
Maßnahmen, bei denen Aspekte der Bekämpfung der LTTE oder der
Aufklärung von deren Umfeld keine Bedeutung erlangen,
anzusehen sind, sind seit 1995 immer wieder vorgekommen und
haben zum Tod zahlreicher Zivilisten geführt. So wurde für Mai
1995 von einem Dutzend außergesetzlicher Hinrichtungen, für
August 1995 von der Tötung zweier Zivilisten und für November
1995 in einem Fall von der Tötung mehrerer, in einem weiteren
Fall von der Tötung von drei oder sieben Zivilisten berichtet;
Anfang 1996 kam es zu einem besonders schlimmen Vorfall mit
der Tötung von 24 Zivilisten, darunter 13 Kindern und auch
Frauen (KK 04.01.1996 S. 18 f, 20.03.1996 S. 4; Wingler
--.04.1996 S. 38 ff., 13.07.1996 S. 41; AA 30.08.1996 S. 9).
Gegen Ende 1996 wurde eine Aktion durchgeführt, bei der
tamilische Bewohner ganzer Ortschaften ins offene Feld
getrieben und kontrolliert wurden, eine unbekannte Zahl nach
der Festnahme durch die Armee verschwunden ist und mehrere
Personen getötet wurden (Wingler 10.02.1997 S. 30, 40, 43).
Für 1996 und 1997 sind ferner Brandstiftungen und
Vertreibungen der Bewohner belegt, wobei auch Personen zu
Schaden kamen (Wingler 13.07.1996 S. 41, 08.10.1997 S. 23 f.).
Für die ersten acht Monate des Jahres 1997 wurde von 35
Getöteten berichtet und davon, daß die Fälle unter
Notstandsrecht untersucht wurden, aber auch davon, daß
Tötungen von den Sicherheitskräften bewaffneten
Auseinandersetzungen zugeschrieben werden, um so eine
Untersuchung zu umgehen (Anlage 1 zu UNHCR --.07.1998 S. 9).
Im September 1997 wurden bei einem Übergriff 6 Tamilen getötet
und wurden weitere verletzt oder verschwanden (Wingler
08.10.1997 S. 23). Im Februar 1998 wurden acht junge Tamilen
verhaftet und brutal getötet (Wingler 31.05.1998 S. 43). Fälle
des Verschwindens von tamilischen Zivilisten sind auch darüber
hinaus - etwa nach Festnahmen durch die Sicherheitskräfte bei
Kontrollen, die in diesem Landesteil ebenfalls, wenn auch in
geringerem Ausmaß als etwa in den südlichen Landesteilen
durchgeführt werden (KK 04.01.1996 S. 54, 64) - festzustellen
(UNHCR --.07.1998 S.3), wobei die Zahl den Umständen gemäß,
also insbesondere wegen der mangelnden präzisen Erfassung und
Zusammenfassung sowie mangels fortdauernder Beobachtung der
Fälle, nur wenig zuverlässig angegeben werden kann. Als Anzahl
der verschwundenen Personen wird für den Nordosten für den
Zeitraum eines Jahres ab dem Herbst 1994 etwa 30 angegeben (KK
04.01.1996 S. 70 f., 75, 24.10.1995 S. 4). Für 1996 wird
bezogen auf den Nordosten von einigen Verschwundenen
gesprochen (EU 02.04.11997 S. 12 unter Hinweis auf die von ai
genannte Zahl sieben). Für den Bezirk Batticaloa wird
berichtet, im ersten Halbjahr 1997 seien 16 Personen
verschwunden (ai --.11.1997 S. 2). Der UNHCR teilt mit, im
Osten seien Fälle von Verschwindenlassen sowie schwerwiegene
Mißhandlungen im Polizeigewahrsam weiterhin ein
ernstzunehmendes Problem (UNHCR --.07.1998 S.4); konkretere
Angaben lassen sich seiner Stellungnahme und dem in Bezug
genommenen Material allerdings nicht entnehmen. Eine Liste
mit den Namen von 2.000 Verschwundenen, über die berichtet
wird (Wingler 08.10.1997 S. 26), ist ebenfalls kaum
nachvollziehbar, wenn sie - was in dem Bericht nicht deutlich
wird - allein auf die Zeit nach dem Regierungswechsel, den
Friedensgesprächen und dem erneuten Einsetzen der LTTE-
Übergriffe bezogen wird, wohl aber bei Einbeziehung der
Verhältnisse ab 1990/1991, die ein nachhaltig anderes Bild
ergaben und nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil
vom 8. Juli 1992 - 21 A 914/91.A -) den Schluß auf die
beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung junger
tamilischer Männer trugen. Da der Verfasser der Liste seit
langer Zeit in Batticaloa ansässig ist und sich mit der
Situation der Bevölkerung befaßt, ist anzunehmen, daß es sich
um eine fortgeschriebene Liste handelt; angesichts der sich
nicht zuletzt in den Auskünften niederschlagenden Beobachtung
der Entwicklung durch Menschrechtsorganisationen (KK
14.10.1996 S. 4; EU 02.04.1997 S. 5) kann trotz des oben
aufgezeigten Vorbehalts von einer anderweitig nicht bekannt
gewordenen Zahl in der genannten Größenordnung nicht
ausgegangen werden. In Verbindung mit Aktivitäten der LTTE
stehen auch das berichtete Heranziehen von Zivilisten zum
Räumen von Minen und als lebende Schutzschilde im Raum
Batticaloa (KK 24.10.1995 S. 5; Wingler 03.11.1995 S. 2,
31.01.1996 S. 41) sowie die Racheakte von Singhalesen (Wingler
31.01.1996 S. 43) oder Moslems (AA 17.03.1997 S. 5). Ohne
feststellbaren Bezug zu vorangegangenen Aktivitäten der LTTE
sind Plünderungen (Wingler 08.10.1997 S. 24) und übergriffe
gegen Frauen; von Fällen der Vergewaltigung wird immer wieder
berichtet, wobei insbesondere auch auf eine Dunkelziffer
hingewiesen wird (KK 22.02.1997 S. 3; Wingler 10.07.1997
S. 52, 08.10.1997 S. 24; EU 02.04.1997 S. 12).</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Die für die Prüfung, ob jeder in dem hier betrachteten
Landesteil sich aufhaltende Tamile in der Gefahr aktueller
Betroffenheit steht, aussagekräftige Frage, ob hinter den
Beeinträchtigungen ein bestimmtes, der Art nach eine
politische Verfolgung beinhaltendes Programm steht, ist jedoch
zu verneinen. Dabei braucht nicht auf die Einzelgesichtspunkte
eingegangen zu werden, die für eine Qualifizierung von
Vorfällen als Akte politischer Verfolgung maßgeblich sind. Der
Annahme eines Verfolgungsprogramms stehen zunächst die
Verschiedenartigkeit und Spannweite der vorstehend
aufgeführten Akte, die Vielfalt der Anlässe und Ursachen sowie
die Unterschiedlichkeit der Handelnden entgegen. Es kann auch
nicht davon ausgegangen werden, die Regierung lasse die
Situation gewollt unkontrolliert und dulde bewußt die
Beeinträchtigungen der Tamilen, etwa um diese als
Bevölkerungsgruppe ungeachtet einer etwaigen Verbindung zur
LTTE auszugrenzen. Denn die Übergriffe bleiben nicht mehr ohne
jede staatliche Reaktion. So ist der Vorfall von Anfang 1996,
bei dem 24 Personen getötet wurden, zum Gegenstand einer
offiziellen Untersuchung gemacht worden (AA 30.08.1996 S. 9
f.) und führte der Übergriff mit sechs Toten im September 1997
alsbald zur Versetzung der Verantwortlichen (Wingler
08.10.1997 S. 23). Auch nach Vergewaltigungen kam es zu
Festnahmen (KK 22.02.1997 S. 3). Die eingeleiteten Maßnahmen
führen zwar nicht zu zügiger Klärung der Verantwortlichkeit
und abschließenden Maßnahmen (Wingler 08.10.1997 S. 25), sie
stehen aber der in dem angeführten Senatsurteil noch
maßgeblich mit herangezogenen Schlußfolgerung entgegen, die
Tamilen seien Übergriffen völlig hilflos ausgesetzt und fänden
nirgendwo Gehör. In diesem Zusammenhang ist auch zu sehen, daß
- wie insbesondere die wiederholt angeführten Auskünfte
Winglers zeigen - in den Medien von den Übergriffen berichtet
wird und Politiker Vorfälle aufgreifen sowie zum Gegenstand
von Protesten machen (Wingler 08.10.1997 S. 23).</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Die aufgezeigten Beeinträchtigungen - für die im einzelnen
eine Untersuchung des Charakters der politischen Verfolgung
unterbleibt - reichen in ihrer Gesamtheit nicht aus, um auf
eine aktuelle Gefahr für jeden einzelnen zu schließen. Die
Vergeltungsschläge sind im Vergleich zu den Übergriffen der
LTTE eher selten geblieben. Denn die Situation ist seit Jahren
dadurch geprägt, daß die LTTE eine Vielzahl von Übergriffen
auf strategisch wichtige Ziele, auf Einrichtungen des Militärs
und der Polizei sowie - um Ausschreitungen von Singhalesen
gegen Tamilen zu provozieren (KK 04.01.1996 S. 34) - auf
singhalesische Dörfer verübt (KK 04.01.1996 S. 17; AA
12.07.1995 S. 1, 17.03.1997 S. 5; Wingler 31.01.1996 S. 40 f.,
10.07.1997 S. 39, 53, 08.10.1997 S. 21 ff., 30.01.1998 S. 19).
Es kam zu Übergriffen der LTTE mit in Einzelfällen sehr hoher
Zahl an Opfern vor allem unter der singhalesischen
Bevölkerung - so im Mai 1995 mit 42 (AA 07.11.1995 S. 1) und
im Oktober 1995 mit 73 Getöteten (KK 24.10.1995 S. 15). Die
Zahl der getöteten Sicherheitskräfte, die schon für Anfang
1996 auf über 500 geschätzt wurde (Wingler --.04.1996 S. 2),
ist insbesondere auf den Außenposten nach wie vor hoch
(Wingler 01.10.1997 S. 23); allein im Januar 1997 betrug sie
über 200 (Wingler 10.02.1997 S. 18). Angriffe auf Armeelager
und Polizeistellen, die teilweise mehrere oder gar bis zu 30
Menschenleben fordern, werden als sehr zahlreich, manchmal als
fast täglich geschehend dargestellt (Wingler 13.07.1996 S. 9,
--.09.1996 S. 36, 10.07.1997 S. 39; AA 30.08.1996 S. 5,
17.03.1997 S. 5; EU 02.04.1997 S. 4). Hinzu kommen
Terroranschläge, etwa auf Verkehrsmittel und Politiker
(Wingler --.09.1996 S. 18. 37, 10.07.1997 S. 53, 08.10.1997
S. 27). Eine Situation, bei der praktisch nach jedem Akt der
LTTE mit einer zugespitzten Gefährdung zu rechnen ist, ist
daher nicht festzustellen. Das Verschwindenlassen von Personen
bei Gelegenheit der Vergeltungsaktionen und in sonstigen
Zusammenhängen sowie die Vergewaltigungen sind zwar - was in
die Beurteilung der Zumutbarkeit des Aufenthalts einfließen
muß - Akte von ganz erheblicher Schwere; die Häufigkeit kann
aber selbst bei Berücksichtigung einer Dunkelziffer nicht als
so hoch angesehen werden, daß für jeden aus dem jeweils in
Betracht zu ziehenden Personenkreis mit dem jederzeitigen
Eintritt zu rechnen ist, zumal die schon angesprochene
mögliche Publizität und staatliche Reaktion eine eindämmende
Wirkung entfalten können. Auch für die sonstigen Übergriffe
wie die durch andere Bevölkerungsgruppen und Organisationen
sowie das Heranziehen zum Minensuchen usw. und in einer
Gesamtschau ergibt sich nach dem umfangreichen Material, das
ersichtlich alles aufgegriffen hat, was in Erfahrung zu
bringen war, so daß auch kein weiterer Aufklärungsbedarf
besteht, keine in dem erforderlichen Sinne zugespitzte
Gefahrenlage für den einzelnen.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Die Beurteilung, daß die Situation der Tamilen bei aller
Unsicherheit nicht den Schluß auf die beachtliche
Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung trägt, beruht auf
Erkenntnissen über einen Zeitraum von mehreren Jahren und
kann, da tragfähige Anhaltspunkte für eine Entwicklung hin zum
Schlechteren weder vorgebracht worden noch sonst ersichtlich
sind, auch bei der gebotenen Prognose zugrunde gelegt werden.
</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Die Beurteilung wird insbesondere nicht durch die im
Vorstehenden bereits unter UNHCR --.07.1998 wiederholt
angesprochene Stellungnahme des UNHCR, Vertretung in
Deutschland, zur Rückkehrgefährdung srilankischer
Staatsangehöriger nebst Anlagen - darunter Bericht des
Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen über
außerrechtliche und willkürliche Tötungen vom 12. März 1998 -
in Frage gestellt. Die darin enthaltenen Informationen gehen,
soweit sie sich hinreichend gesichert den im einzelnen zu
betrachtenden Landesteilen zuordnen lassen, nicht über das
hinaus, was den Feststellungen und der Beurteilung der jeweils
maßgeblichen Verhältnisse zugrunde gelegt worden ist, ergeben
insbesondere für Tamilen im allgemeinen oder für Untergruppen
der Tamilen keine Steigerung der Gefahrenlage hin zur
beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Für das Kampfgebiet im Norden
Sri Lankas wird bei den angeführten in großem Ausmaß
vorkommenden schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen der
unmittelbare Bezug zum Kriegsgeschehen besonders
herausgestellt. Daß sich im Hinblick auf die hier anzulegenden
Kriterien für eine politische Verfolgung, die oben aufgezeigt
und geprüft worden sind, die Situation anders darstellt und
deswegen dort den Tamilen als Gruppe mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht, ist nicht
festzustellen. In Bezug auf die übrigen Landesteile ist - auch
nach der auf diese bezogenen Einzelbetrachtung auf Seite 4 der
Stellungnahme des UNHCR - eine für die Annahme der
beachtlichen Wahrscheinlichkeit von Übergriffen hinreichende
Dichte schon hinsichtlich der angesprochenen allgemeinen
Menschenrechtsverletzungen nicht festzustellen. Zudem wird -
was in Bezug auf die vorstehende Prüfung der Gerichtetheit von
Maßnahmen der Sicherheitskräfte von Bedeutung ist - in der
Stellungnahme selbst hervorgehoben, daß es das Ziel der
staatlichen Kräfte ist, mit allen Mitteln terroristische
Anschläge der LTTE zu verhindern, und es für die Regierung in
der gegebenen Situation schwierig ist, die Sicherheitskräfte
in die Politik des Schutzes und der Förderung der
Menschenrechte einzubinden. Daß es in einem für die
Verfolgungsdichte aussagekräftigen Maß zu asylerheblichen -
weil mit dem Ziel der Terrorismusabwehr nicht mehr zu
erklärenden - Verfolgungshandlungen kommt, läßt sich der
Stellungnahme nebst den zugrunde liegenden Berichten danach
nicht entnehmen. Insofern führt die Aussage zu einer
systematischen Praxis des Verschwindenlassens - auch soweit
sie auf andere Landesteile als die Jaffna-Halbinsel bezogen
wird - nicht weiter. Diese Aussage wird in keiner Hinsicht
konkretisiert und untermauert. Welches System, insbesondere
mit welchen Kriterien in Bezug auf die Betroffenen zugrunde
liegen soll, wird ebensowenig verdeutlicht wie die
tatsächlichen Geschehnisse, an die der Schluß auf ein Vorgehen
in bestimmter Weise anknüpfen soll. Den Berichten, auf denen
die Stellungnahme beruht (Anlagen 1 bis 3 zu UNHCR --
.07.1998), läßt sich Dahingehendes ebenfalls nicht entnehmen;
insbesondere trägt der sich mit Fragen des Verschwindenlassens
befassende Bericht die Aussage nicht. Damit stimmt überein,
daß sich in dem oben zu den einzelnen Landesteilen
ausgewerteten und eine Vielzahl von Informationen bietenden
Auskunftsmaterial kein Anhaltspunkt für eine solche generelle
oder systematische Praxis der Sicherheitskräfte findet. Daher
kann weiterhin nicht festgestellt werden, daß jeder Tamile,
zumindest jeder junge Tamile jederzeit mit der aktuellen
Gefahr eigener Betroffenheit rechnen müßte. Dementsprechend
wird auch in der Stellungnahme des UNHCR selbst hervorgehoben,
daß für die Prüfung, ob eine begründete Furcht vor politischer
Verfolgung angenommen werden kann, die besonderen Umstände des
Einzelfalles - nicht etwa bereits eine auf bestimmte Gruppen
von Tamilen bezogene systematische Praxis - entscheidend sind.
Darin trifft sich die Einschätzung des UNHCR mit der
Beurteilung durch das erkennende Gericht.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Besondere individuelle Umstände, die vorliegend eine erhöhte Gefährdung
ergeben könnten, liegen nicht vor. Unter Berücksichtigung des hier anzulegenden
Maßstabes der beachtlichen Wahrscheinlichkeit läßt sich insbesondere aus den
Ereignissen vor dem Verlassen Sri Lankas nichts Tragfähiges herleiten.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1.</p>
<p></p>
<p>Gründe, die Revision zuzulassen, § 132 Abs. 2 VwGO, liegen nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
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<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Gründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Antrag der Beigeladenen zu 1. hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses nach den §§ 124 Abs. 2 Nr. 1, 146 Abs. 4 VwGO liegt nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Ernstlichen Zweifeln begegnet zunächst nicht die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Antragstellerin sei analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Durch die Umwandlungserklärung nach § 20 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit (GkG) wird die Antragstellerin in ihren Rechten betroffen, weil diese Erklärung darauf gerichtet ist, den Beigeladenen zu 2. von einem Zwangsverband in einen Freiverband umzuwandeln. Sie betrifft den Rechtscharakter des Planungsverbandes unmittelbar und damit zugleich auch die verbandsrechtliche Rechtsstellung der Antragstellerin als Verbandsmitglied. Die Umwandlung schafft nämlich eine Austrittsmöglichkeit nicht nur für die Antragstellerin selbst, sondern vor allem auch für die übrigen Verbandsmitglieder. Machen diese von ihrem Austrittsrecht Gebrauch, können sie dadurch die Auflösung des Zweckverbandes herbeiführen, ohne daß ein als einziges verbliebenes Verbandsmitglied, das an dessen Fortbestand interessiert ist, dies verhindern kann.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Daß die Umwandlungserklärung nach § 20 Abs. 3 Satz 1 GkG die Antragstellerin unmittelbar in ihrer verbandsrechtlichen Rechtsstellung betrifft, zeigt sich besonders im vorliegenden Fall eines Zweckverbandes mit nur zwei Mitgliedern daran, daß die Beigeladene zu 1. unter dem 8. Oktober 1998 bereits ihren Austritt aus dem Planungsverband mit Ablauf des 31. Dezember 1998 erklärt hat. Gerade in einem solchen Fall stellt sich die Umwandlung als Vorstufe zur Verbandsauflösung dar. Nicht nur dem Zweckverband selbst, sondern auch den Verbandsmitgliedern stehen Rechtsschutzmöglichkeiten nicht erst gegen den Auflösungsbeschluß nach § 20 Abs. 1 Satz 1 GkG zur Verfügung, sondern auch bereits gegen die im Vorfeld der Auflösung ergangene Umwandlungserklärung nach § 20 Abs. 3 Satz 1 GkG, sofern den Verbandsmitgliedern überhaupt subjektiv-öffentliche Rechte in bezug auf den Fortbestand des Zweckverbandes zustehen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Letzteres ist hier der Fall. Der Antragstellerin steht ein Abwehrrecht gegen die bezeichneten Maßnahmen zu, weil der Beigeladene zu 2. nicht ausschließlich im öffentlichen Interesse, sondern zumindest auch im Individualinteresse der Antragstellerin gegründet worden ist. Das ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 42 AachenG. Hiernach erfolgte der zwangsweise Zusammenschluß der Antragstellerin mit der Beigeladenen zu 1. zu einem gemeinsamen Planungsverband aus der Erwägung heraus, zwischen den beiden neuen Gemeinden sei wegen ihrer räumlichen Nähe "eine gewisse Abstimmung in Fragen der weiteren Entwicklung anzustreben". Das sollte "vor allem für Standortfragen und die städtebaulichen Planungskonzeptionen"</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">Nr. 5.3.4 der Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 7/830, S. 305</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">und damit für Aufgaben gelten, die zur Planungshoheit als einem Teil des kommunalen Selbstverwaltungsrechts der beiden neuen Gemeinden aus Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 78 Abs. 1 und 2 VerfNRW gehören. Mit Rücksicht auf die Planungshoheit war im Regierungsentwurf des AachenG zunächst nicht die Bildung eines Zwangsverbandes vorgesehen, sondern nur die Empfehlung an die beiden neuen Gemeinden, auf freiwilliger Basis einen Planungsverband nach § 4 BBauG aF oder andere Formen der kommunalen Gemeinschaftsarbeit anzustreben. Wenn sich der Landtag auf Änderungsantrag der CDU-Fraktion anstelle dieser Empfehlung für die gesetzliche Festlegung eines Zwangsverbandes entschieden hat, so lag darin keine Modifikation dieser Zielsetzung. Im Gegenteil wurde diese Entscheidung getroffen, "um zu verdeutlichen, daß der Gesetzgeber die planerische Zusammenarbeit für sehr wichtig halte."</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">Bericht des Ausschusses für Verwaltungsreform, LT-Drs. 7/1180, S. 38.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Keinen ernstlichen Zweifeln begegnet ferner die Würdigung des Verwaltungsgerichts, das Entfallen der Gründe für die zwangsweise Bildung des Beigeladenen zu 2. sei mit den Mitteln des Eilverfahrens nicht abschließend feststellbar. Die Frage, ob die Gründe für die zwangsweise Bildung des Beigeladenen zu 2. weggefallen sind, kann nur im Hauptsacheverfahren abschließend beantwortet werden. Ihre Klärung verlangt neben der Feststellung der dem § 42 AachenG zugrundeliegenden landesplanerischen Erwägungen vor allem die umfassende Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen landesplanerischen Situation im Raum A   B.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Schließlich ist auch die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Abwägung der widerstreitenden Vollzugsinteressen nicht ernstlich zweifelhaft. Das Verwaltungsgericht hat das Vollzugsinteresse der Beigeladenen zu 1. zu Recht deshalb als nachrangig eingestuft, weil sie einer "Boykotthaltung" der Antragstellerin durch entweder ein Schlichtungsverfahren nach § 30 GkG oder eine Planersetzung nach § 205 Abs. 3 BauGB begegnen kann. Die hiergegen von der Beigeladenen zu 1. in der Antragsschrift vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch. Insbesondere sind keine durchgreifenden Gründe gegen die Anwendbarkeit des § 205 Abs. 3 BauGB auf den Beigeladenen zu 2. als eines durch Landesgesetz zwangsweise gebildeten Planungsverbandes erkennbar. Daß § 205 BauGB auf den Beigeladenen zu 2. anwendbar ist, ergibt sich im Gegenteil aus der Entstehungsgeschichte des § 42 AachenG sowie aus dem Einleitungssatz und aus den §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 der Satzung über den Zusammenschluß der Stadt A und der Stadt B zu einem Planungsverband (Verbandssatzung  VS) vom 12./19. März 1973. Das weitere Argument der Beigeladenen zu 1., die genannten Verfahren seien unzumutbar langwierig, ist angesichts der vom Verwaltungsgericht im einzelnen aufgezeigten anschließenden gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten ebenfalls nicht stichhaltig.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Von einer weiteren Begründung wird gemäß §§ 124 a Abs. 2 Satz 2, 146 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO abgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 3, 20 Abs. 3 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluß ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, §§ 25 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2, 5 Abs. 2 Satz 3 GKG unanfechtbar.</p>
|
114,335 | ag-dusseldorf-1999-09-08-24-c-628799 | {
"id": 653,
"name": "Amtsgericht Düsseldorf",
"slug": "ag-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 24 C 6287/99 | 1999-09-08T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:35 | 2019-02-14T10:22:57 | Urteil | ECLI:DE:AGD:1999:0908.24C6287.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>T a t b e s t a n d :</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien bewohnen übereinanderliegende Eigentumswoh-</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">nungen auf der X-Straße 30 in X</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">seit dem 1. November 1998. Das Schlafzimmer der Kläger</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">befindet sich über dem Arbeitszimmer der Beklagten. Die</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Kläger behaupten, die Beklagten seien Kettenraucher und</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">rauchten mindestens jeder 80 Zigaretten pro Tag. Der Zi-</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">garettenrauch steige über Balkonschlitze und andere Öff-</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">nungen in die Wohnung der Kläger. Der hierdurch entste-</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">hende Geruch in der Wohnung der Kläger sei derart pene-</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">trant und gesundheitsschädlich, daß sie deswegen ihr</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Schlafzimmer nicht benutzen könnten. Gleiches gelte für </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">den Balkon.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Kläger beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:64px">1.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:64px">ihre im Hause X-Straße 30, 1. OG</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:64px">befindliche Eigentumswohnung nicht zur Teras-</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">se hin zu entlüften, wenn sie zuvor in ihrem </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:64px">Arbeitszimmer oder aber in einem anderen zur</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:64px">Terrasse hin gelegenen Zimmer geraucht haben;</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:64px">2.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:64px">es zu unterlassen, bei geöffnetem Arbeitszim-</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:64px">merfenster zu rauchen;</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:64px">3.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:64px">es überhaupt zu unterlassen, aus der Wohnung </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:64px">Nikotingeruch zu entsorgen, so lange sie nicht</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:64px">eine Klimaanlage mit Geruchsentsorgung ange-</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:64px">schafft haben.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">In der mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 1999 haben in-</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">folge des Auszuges des Beklagten zu 2. die Parteien den</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt er-</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">klärt. Die Kläger verfolgen den eingangs genannten Antrag</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">lediglich noch gegen die Beklagte zu 1. weiter.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu 1. beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:64px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 2. beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:64px">die Kosten des Verfahrens hinsichtlich der</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:64px">Teilerledigung den Klägern aufzuerlegen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten bestreiten den von den Klägern behaupteten</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Konsum an Zigaretten. Keinesfalls käme es durch einen</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Rauch von ca. 20 Zigaretten pro Tag zu irgendwelchen meß-</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">baren Gesundheitsbeeinträchtigungen der Kläger.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">30. Juni 1999.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Sitzungsniederschrift vom 28. Juli 1999 verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Wegen des übrigen Parteivorbringens wird auf die gewech-</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">selten Schriftsätze Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks"><b><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</u></b></p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nicht begründet, soweit sie noch gegen die</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Beklagte zu 1. verfolgt wird.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Die Kläger haben weder Ansprüche entsprechend den §§</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">1004, 823 Abs. 1 und 2 BGB noch aus den §§ 906, 862 BGB</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">gegen die Beklagte.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Die Kläger haben nicht bewiesen, daß eine Störung der Be-</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">klagten vorliegt, die übermäßig und nach den örtlichen</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Verhältnissen ungewöhnlich ist.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Die Beweisaufnahme hat durch die überzeugende Aussage der</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Zeugin X, der Raumpflegerin der Parteien, erge-</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">ben, daß die Beklagten zwar Zigaretten geraucht haben und</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Nikotinablagerungen an den Fenstern feststellbar waren,</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">einen übermäßigen Nikotinkonsum hat die Zeugin jedoch</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">nicht bekundet. Vielmehr hat sie sogar erklärt, daß bei</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">der Nachforschung, woher denn der Zigarettenrauch käme,</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">habe sie an einem Tage festgestellt, daß der Geruch aus </p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">einer Nachbarwohnung gekommen sei. Diese glaubhafte, ins-</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">besondere unter Eid geleistete Aussage, wird auch die</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Parteivernehmung der Beklagten gestützt, die erklärt hat,</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">sie rauche ungefähr eine Schachtel Zigaretten pro Tag,</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">allerdings würde sie auch noch Konditionssport betreiben</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">und wäre dazu schon als Kettenraucher gar nicht in der </p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Lage.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, daß die</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Beklagte einen für Raucher durchschnittlichen Konsum an</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Zigaretten hat, welcher durch die Verteilung in der Luft</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">keine derart gravierende Immission darstellt, daß sie ei-</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">nen Stock höher derart gravierend wirkt, daß hieraus eine</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Duldungspflicht der Beklagten resultiert. Das Gericht sah</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">sich nach der Beweisaufnahme nicht in der Lage, eine kon-</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">krete Gefährdung der Kläger festzustellen. Immerhin sind</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">"nicht wägbare" Immissionen, insbesondere also die Zufüh-</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">rung von Gerüchen und Rauch nur dann geeignet, eine Klage</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">wie die von den Klägern erhoben, zu begründen, wenn die</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">betreffenden Einwirkungen die Benutzung der Wohnung nicht</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">nur unwesentlich beeinträchtigen und sie zudem unüblich</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">sind. Derartiges konnte das Gericht nicht feststellen.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Zur Überzeugung des Gerichts vermag auch ein Gutachten</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">des Sachverständigen Toxikologen Prof. Dr. X in X,</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">wie es die Kläger beantragt haben, bei dem Konsum</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">der Beklagten nicht mehr als nur unwesentliche Beein-</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">trächtigung der Kläger ergeben.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Die Klage der Kläger gegen die Beklagte zu 1. war somit</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Soweit die Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit hin-</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">sichtlich des Klägers zu 2. durch Auszug für erledigt er-</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">klärt haben, waren die Kosten entsprechend § 91 a ZPO den</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Klägern aufzuerlegen. Diese hätte nach der Beweisaufnahme</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">voraussichtlich gegen den Beklagten zu 2. nicht obsiegt.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">In Verbindung mit der Aussage der vereidigten Zeugin</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">X und der Aussage des Beklagten als Partei hat</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">dieser ebenfalls nicht übermäßig Rauch und Gerüche produ-</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">ziert.</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">die Entscheidungen im übrigen folgen aus den §§ 91, 100,</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">708 Nr. 11, 711 ZPO.</p>
|
114,336 | lagd-1999-09-08-4-5-sa-85899 | {
"id": 793,
"name": "Landesarbeitsgericht Düsseldorf",
"slug": "lagd",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Arbeitsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 4 (5) Sa 858/99 | 1999-09-08T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:35 | 2019-02-11T10:39:12 | Urteil | ECLI:DE:LAGD:1999:0908.4.5SA858.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">T a t b e s t a n d :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px"></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt gewesen ist, ohne Zustimmung des Betriebsrates die Tariflohnerhöhung, die sich aus der Erhöhung der an den Kläger gezahlten Prämienzulage ergibt, auf die dem Kläger gezahlte weitere übertarifliche Zulage anzurechnen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger, auf dessen Arbeitsverhältnis die Tarifverträge für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens Anwendung finden, erhält unstreitig einen Tariflohn der Gruppe 7 in den Lohnabrechnungen als Zeitlohnstammlohn ausgewiesen und einen in den Lohnabrechnungen weiterhin als Zeitlohn ausgewiesenen Betrag von 6,62 DM. Unstreitig hat der Kläger weiterhin Anspruch auf eine 16 %ige Leistungszulage, da bei der Beklagten keine Leistungsbeurteilung durchgeführt wurde. Aufgrund einer Betriebsvereinbarung vom 17.03.1998 wurde diese Leistungszulage anlässlich der Umstellung von Akkordlöhnen auf 25 % erhöht. In dieser Betriebsvereinbarung ist u. a. bestimmt, dass das Akkordsystem bei der Beklagten in der Schlosserei aufgegeben wird und stattdessen auf der Grundlage der vorhandenen Daten (Vorgabezeiten) ein Standardprämienlohn gezahlt wird, der 125 % des Tariflohnes der jeweiligen Lohngruppe beträgt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der hier nachzuzahlende Betrag war in dem Betrag Zeitlohn über 6,62 DM enthalten, der danach verbleibende Restbetrag stellt eine übertarifliche Zulage dar.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Anlässlich der zum 01.04.1998 durchgeführten Tariflohnerhöhung erhöhte die Beklagte den tariflichen Stundenlohn und damit den Effektivlohn des Klägers um den Betrag, der sich aus der Erhöhung des tariflichen Grundlohnes ergab. Dagegen wurde der Betrag, der sich aus der Erhöhung der Leistungszulage ergeben hätte, nicht weitergegeben und die übertarifliche Zulage um diesen Betrag gekürzt, wobei unverändert als Zeitlohn weiterhin ein Betrag von 6,62 DM ausgewiesen wurde.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Das Arbeitsgericht hat die Klage des Klägers auf Erhöhung seines Effektivlohnes um den ermittelten Betrag mit der Begründung abgewiesen, die Lohntarifansprüche des</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Klägers würden von der Beklagten erfüllt, und vorliegend sei die von der Beklagten getroffene Anrechnungsentscheidung nicht schon deshalb unwirksam, weil ein Mitbe-</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">stimmungsrecht des Betriebsrates bestanden habe. Denn ein solches sei vorliegend deshalb nicht gegeben, weil der Verteilungsschlüssel unverändert geblieben sei. Wegen der weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Mit der zulässigen Berufung verfolgt der Kläger unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens sein Klageziel weiter. Er weist insbesondere darauf hin, dass entgegen der Auffassung des angefochtenen Urteils vorliegend zwar eine gleichmäßige, aber nicht vollständige Anrechnung auf die übertarifliche Zulage stattgefunden habe, so dass zugleich eine Änderung der Verteilungsgrundsätze eingetreten sei und damit auch eine andere Anrechnungsentscheidung ohne weiteres möglich gewesen wäre. So habe das Kürzungsvolumen insgesamt bestehen bleiben können und diejenigen Mitarbeiter, die hohe übertarifliche Zulagen hätten, könnten überproportional, diejenigen mit niedrigen tariflichen Zulagen unterproportional berücksichtigt werden.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Er beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 14.04.1999</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px"> 3 Ca 4663/98 die Beklagte zu verurteilen,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">1. an den Kläger DM 138,74 brutto nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung auf den sich ergebenen Nettobetrag zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">2. dem Kläger zukünftig ab November 1998 einen Stundenlohn in Höhe von DM 26,85 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px"> die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Sie verteidigt das angefochtene Urteil erster Instanz und weist insbesondere darauf hin, dass vorliegend gerade keine Änderung der Verteilungsgrundsätze durch die von der Beklagten vorgenommene Anrechnungsentscheidung eingetreten sei.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Ergänzend hierzu und zu den Einwänden der Berufung ist festzustellen:</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">1. Entgegen der Auffassung der Berufung war die von der Beklagten vorgenommene Anrechnung des Betrages, der sich aus der Höhe der Leistungszulage ergeben hätte, auf die übertarifliche Zulage und die dadurch bewirkte Kürzung nicht nach der Regelung in § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">a) Dies ergibt sich nach Auffassung der Kammer unabhängig von der Frage, ob vorliegend das tarifliche Grundgehalt sowie die Leistungszulage verschiedene Entlohnungsgrundsätze i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG darstellen, die auch hinsichtlich des Mitbestimmungsrechtes bezüglich der Anrechnung getrennt zu betrachten sind (vgl. nachfolgend c), bereits aus der Entscheidung des großen Senats vom 03.12.1991 (AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 72 Lohngestaltung zu C III 6 der Gründe): Danach unterliegt nicht die Kürzungsentscheidung als solche, sondern allein die hierdurch bewirkte Veränderung der bisherigen Verteilungsgrundsätze der Mitbestimmung mit der Folge, dass ein Mitbestimmungsrecht entfällt, wenn ein Arbeitgeber einen prozentualen Teil einer Tariflohnerhöhung bei allen Arbeitnehmern gleichmäßig anrechnen will und damit jede einzelne Zulage um den ermittelten Prozentsatz kürzt. In gleicher Weise entfällt ein Mitbestimmungsrecht, wenn dem Arbeitgeber aufgrund seiner Kürzungsentscheidung jede weitere Gestaltungsmöglichkeit fehlt, weil er mehr als die Tariflohnerhöhung nicht anrechnen kann.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">b) Vorliegend hat die Beklagte den tariflichen Stundenlohn erhöht, aber nicht zugleich den Lohn des Klägers und den der anderen Arbeitnehmer um den weiteren</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Betrag erhöht, der sich aus der Erhöhung der Leistungszulage ergeben hätte und hat damit die übertarifliche Zulage um diesen Betrag gekürzt: Dabei geht es vorliegend nach dem eigenen Vortrag des Klägers um die 25 %ige Prämienzulage gemäß der Betriebsvereinbarung vom 27.03.1998, wie seine eigene Rechnung in der Klageschrift Seite 2, letzter Absatz, und in der Berufungsbegründung Seite 2, letzter Absatz, zeigt:</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Der dort für die Leistungszulage ermittelte Betrag von 5,03 DM macht 25 % des Tariflohnes (25 % von 20,11 DM = 5,03 DM) aus. Wird aber die auf diesen Betrag entfallende Tariflohnerhöhung bei allen Arbeitnehmern angerechnet und insoweit die übertarifliche Zulage gekürzt, handelt es sich um eine für alle betroffenen Arbeitnehmer gleichmäßige Anrechnungsentscheidung, bei der dem Arbeitgeber jede weitere</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Gestaltungsmöglichkeit fehlt. Denn vorliegend wäre eine Umverteilung zugunsten eines Teils der Zulagenempfänger zu Lasten der übrigen schon deshalb nicht möglich, weil der einzelne Arbeitnehmer aufgrund der getroffenen Vereinbarungen und schon aus Gründen der Gleichbehandlung einen Anspruch darauf hat, dass nach einer Tariflohnerhöhung ihm die um den entsprechenden Teil der Tariflohnerhöhung gekürzte Prämie als Mindestbetrag gezahlt wird. Der Änderung der Verteilungsgrundsätze stehen daher rechtliche Hindernisse entgegen, da die Beklagte gerade nicht bei einem Teil der aufgrund der Betriebsvereinbarung begünstigten Arbeitnehmer mehr, bei einem anderen Teil weniger als den Betrag anrechnen könnte, der sich aus der Erhöhung der Prämie bei Weitergabe der tariflichen Lohnsteigerung ergeben hätte.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">c) Unabhängig hiervon ergibt sich diese Rechtslage aus der weiteren Überlegung, dass das tarifliche Grundentgelt sowie die aufgrund der Betriebsvereinbarung gezahlte Prämie verschiedene Entlohnungsgrundsätze i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG darstellen: Einerseits hat der Kläger Anspruch auf den tariflichen Grundlohn und einen Anspruch auf Gewährung einer tariflichen Leistungszulage, die im Durchschnitt der Lohngruppe 7 10 16 % der tariflichen Lohnsumme der Zeitlohnarbeiter dieser Tarifgruppen betragen muss. Andererseits erhält er aufgrund der Betriebsvereinbarung vom 17.03.1998, mit der die Betriebspartner das Akkordsystem abgeschafft haben, den dort vereinbarten Prämienlohn, der sich gemäß § 12 Lohnrahmenabkommen Metall NW nach dem des Zeitlöhners richtet. Handelt es sich danach aber um verschiedene Entlohnungsgrundsätze aufgrund unterschiedlicher Regelungen, ist es nur folgerichtig, sie im Rahmen der Frage des Mitbestimmungsrechtes und der danach allein entscheiden-</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">den Frage nach der Änderung der Verteilungsgrundsätze isoliert zu betrachten. In diesem Falle aber liegt eine vollständige und gleichmäßige Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf diese Zulage vor.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">2. Individualrechtlich besteht gleichfalls kein Anspruch des Klägers darauf, dass ihm die Tariflohnerhöhung ohne Anrechnung auf die übertarifliche Zulage sowohl auf den tariflichen Grundlohn als auch die Prämien/Leistungszulage weitergegeben wird. Weder sieht die Betriebsvereinbarung vom 17.03.1998 eine solche Regelung vor noch ist insoweit eine betriebliche Übung bei der Beklagten ersichtlich. Im Übrigen ergibt sich die Anrechenbarkeit der tariflichen Leistungszulage auf übertarifliche Zulagen aus der Protokollnotiz in § 9 Ziff. 4 Abs. IV Lohnrahmenabkommen Metall NW, wonach die Leistungszulage nicht zu einer Erhöhung des bisherigen Stundenlohnes führen soll und eine Anrechnung übertariflicher Lohnbestandteile daher möglich ist (vgl. LAG Düsseldorf vom 28.06.1994 8 Sa 633/94). Unstreitig wird aber durch die von der Beklagten vorgenommene Zahlung des Effektivlohnes sowohl der tarifliche Lohnanspruch des Klägers als auch der Anspruch auf Zahlung einer 25 %igen Zulage nach der Betriebsvereinbarung erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung der Beklagten hierauf sei ergänzend hingewiesen sind die Verfallfristen vorliegend gewahrt: Zwar enthält das zu den Akten gereichte Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 29.07.1998 (Bl. 13 d. A.) nicht ausdrücklich den Namen des Klägers, sondern nur den Namen der dort aufgeführten Arbeitnehmer. Hieraus war der Beklagten jedoch bei verständiger Würdigung ersichtlich (§ 133 BGB), dass auch der hier vertretene und gewerkschaftlich organisierte Kläger in gleicher Weise die ihm seiner Auffassung nach zustehenden Ansprüche auf vertragsgerechte Entlohnung mit diesem Schreiben ebenso wie die anderen Arbeitnehmer auch geltend gemacht hat. Für die Beklagte war aufgrund dieses Schreibens ohne weiteres erkennbar, dass mit diesem Schreiben die Ansprüche aller gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer im Betrieb der Beklagten auf vertragsgerechte Entlohnung aufgrund des vorgetragenen Sachverhaltes geltend gemacht würden.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">IV.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat die Revision für den Kläger wegen der grundsätzlichen Bedeutung der hier angesprochenen Rechtsfragen zugelassen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">RECHTSMITTELBELEHRUNG</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil kann von dem Kläger</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">REVISION</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Revision muss</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">innerhalb einer Notfrist von einem Monat</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">Bundesarbeitsgericht</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">Graf-Bernadotte-Platz 5</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">34119 Kassel,</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">eingelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist gleichzeitig oder</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">schriftlich zu begründen.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">gez. Dr. Peter gez. Franzen gez. Trzeczak </p>
|
114,337 | fg-dusseldorf-1999-09-08-5-k-245791-u | {
"id": 790,
"name": "Finanzgericht Düsseldorf",
"slug": "fg-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Finanzgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 5 K 2457/91 U | 1999-09-08T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:35 | 2019-02-14T10:23:00 | Urteil | ECLI:DE:FGD:1999:0908.5K2457.91U.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>G r ü n d e : </b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin, die ihren Geschäftsbrieb inzwischen eingestellt hat, betrieb u. a.
in den Streitjahren 1984 bis 1987 ein Taxiunternehmen in <b>A-stadt</b>. In den
Streitjahren besaß die Klägerin mindestens 19 Taxen, die sie im Tag- und Nachtschichtdienst
einsetzte und von 15 fest angestellten Taxifahrern sowie zahlreichen Aushilfsfahrern fahren ließ. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">In den Jahren 1988 bis 1990 fand bei der Klägerin eine Steuerfahndungsprüfung durch das
Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung <b>A-stadt</b> statt. Dabei traf der
Prüfer folgende Feststellungen: </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Kassenaufzeichnungen der Klägerin seien mangelhaft. Die Bareinnahmen aller Taxifahrer
seien täglich in einer nicht überprüfbaren Summe aufgezeichnet worden. Arbeitszeitnachweise
der Fahrer seien nur teilweise vorhanden, der überwiegende Teil sei vernichtet worden. Auch
andere Unterlagen (z. B. Schichtpläne und Aufzeichnungen über Kilometerstände) seien größtenteils
vernichtet worden. Aus den noch vorhandenen Arbeitszeitnachweisen und Reparaturrechnungen ergäben
sich folgende Gesamtfahrleistungen: </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">1984 1.987.497 km</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">1985 1.967.667 km</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">1986 1.836.728 km.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">In Ermangelung geeigneter Unterlagen sei die Laufleistung für 1987 in Anlehnung an die
vorgenannten Werte auf 1.900.000 km zu schätzen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus stellte der Prüfer - z. T. unter Berücksichtigung von Ermittlungsergebnissen
des Arbeitsamtes <b>A-stadt</b> und der AOK <b>A-stadt</b> - fest, dass die Umsätze der Fahrer
nur unvollständig verbucht worden waren. So seien bei einer Reihe von ohne Lohnsteuerkarte
beschäftigten Fahrern, die 40 % der von ihnen eingefahrenen Bruttoumsätze als Arbeitsentgelt
erhielten, nur die an die Klägerin abgeführten 60 % als Umsatz erfasst worden. Wegen der
Feststellungen im Einzelnen wird auf Textziffern 13 bis 16 des Steuerfahndungsberichtes vom
16.03.1999 Bezug genommen. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Aufgrund seiner Feststellungen ging der Prüfer davon aus, dass eine ordnungsgemäße Buchführung
nicht vorliege. Er schätzte die Umsatzerlöse der Klägerin unter Berücksichtigung der vorgenannten
Laufleistungen der Taxen und eines durchschnittliches Erlöses von 1,10 DM pro gefahrenen Kilometer
auf brutto 2.186.246 DM (1984), 2.164.433 DM (1985), 2.020.400 DM (1986), 2.090.000 DM (1987). </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Dies führte zu bisher nicht erklärten Bruttoumsätzen i. H. v. 702.259 DM (1984), 680.841 DM
(1985), 531.870 DM (1986) und 610.825 DM (1987). Unter Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes
von 7 % gelangte der Prüfer zu höheren Umsatzsteuern i. H. v. 45.942 DM (1984), 44.541 DM (1985),
34.795 DM (1986) und 39.960 DM (1987). </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Gegen die dementsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheide 1984 bis 1987 von 29.06.1990 richtet
sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin macht geltend:</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, ihre Umsätze zu schätzen. Die Buchführung der Klägerin
sei ordnungsgemäß. Die mangelnde Aufbewahrung der Arbeitszeitnachweise der Fahrer sei nicht erheblich.
Die im Steuerfahndungsbericht angeführten Unregelmäßigkeiten bei der Verbuchung träfen sämtlich nicht
zu. Für die im Zusammenhang mit Verfahren beim Arbeitsamt <b>A-stadt</b> und bei der AOK <b>A-stadt</b>
erhobenen Vorwürfe habe die Verwaltung bisher keine konkreten Beweise vorgebracht. Das Arbeitsamtsverfahren
sei inzwischen eingestellt worden. Darüber hinaus sei die Schätzung auch fehlerhaft.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Zu Unrecht gehe der Beklagte davon aus, dass es sich bei den von ihr beschäftigten Aushilfsfahrern
um Arbeitnehmer handele. Diese seien vielmehr als selbständige Unternehmer anzusehen. Zur Begründung
beruft die Klägerin sich insbesondere auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 29.05.1991 - 7 ABR 67/90.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt sinngemäß,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">die Umsatzsteuerbescheide 1984 bis 1986 vom 29.06.1990 aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid
1987 vom 29.06.1990 dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer erklärungsgemäß auf 37.296,42 DM
festgesetzt wird.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Er hält an seiner Auffassung fest, im Streitfall sei das Finanzamt berechtigt gewesen, die Umsätze
zu schätzen, weil die Buchführung nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Entgegen der Auffassung der
Klägerin handele es sich auch bei den bei ihr beschäftigten Aushilfsfahrern um Arbeitnehmer. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte war dem Grunde nach berechtigt, Hinzuschätzungen zu den von der Klägerin erklärten
Umsätzen vorzunehmen. Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder
berechnen kann, hat sie sie zu </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind
(§ 162 Abs. 1 AO). Zu schätzen ist u.a. insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder
Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die
Buchführung oder die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen wegen fehlender sachlicher Richtigkeit
der Besteuerung nicht </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">zugrunde gelegt werden können (§ 162 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 158 AO). Im Streitfall können die
von der Klägerin in ihrer Buchführung erfassten Umsätze der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden,
weil sie nur unvollständig aufgezeichnet worden sind. Die Klägerin hat - unbestritten - die von den
nicht fest angestellten Aushilfsfahrern getätigten Einnahmen nur zu 60 % in ihrer Buchführung erfasst,
obwohl ihr diese - unabhängig davon, ob es sich bei den Aushilfen um Selbständige oder Arbeitnehmer
handelt - in vollem Umfang zuzurechnen sind. Denn die Beförderungsleistungen gegenüber den Taxikunden
erfolgten - wie inzwischen unstreitig ist - auch insoweit im Namen und für Rechnung der Klägerin, als
es sich um von Aushilfsfahrern durchgeführte Beförderungen handelte. Die Fahrer traten gegenüber den
Taxikunden im Namen der Klägerin auf. Im Innenraum der Fahrzeuge befand sich das Inhaberzeichen
"<b>Inhaberzeichen</b>". Soweit gegenüber den Kunden Rechungen erteilt wurden, wiesen diese ebenfalls
die "<b>Inhaberzeichen</b>" als Leistungserbringerin aus (vgl. Erklärung des Geschäftsführers der
Klägerin im Erörterungstermin vom 16.11.1998 in den Verfahren 16 K 2789/93 H(L), 16 K 6223/94 H(L)
- Bl. 105 /106 d. A. 16 K 2789/93 H(L) und Schriftsatz der Klägerin vom 26.7.1993 eingereicht als
Anlage zum Schriftsatz vom 18.3.1994 im Verfahren 5 V 1932/94 A(U) - Bl. 1 ff, 11 ff. d. A. 5 V 1923/94 A(U)).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus kann die Buchführung der Klägerin unabhängig von der zwischen den Beteiligten
streitigen Frage, ob die Buchführung weitere formelle Mängel aufweist, auch deshalb der Besteuerung
nicht zugrunde gelegt werden, weil sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit materiell
unrichtig ist. Unter Zugrundelegung der für die Jahre 1984 bis 1986 feststehenden Kilometerleistungen
der von der Klägerin eingesetzten Fahrzeuge und der seinerzeitigen Fahrpreise lässt sich unter
Berücksichtigung von statistischen Erfahrungswerten über den Grad der Auslastung (Verhältnis
Leerfahrten/Besetztfahrten) mit der gebotenen Sicherheit feststellen, dass </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">die Klägerin ihre Umsätze nur unvollständig erklärt hat.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Bei der Schätzung der Höhe nach schließt der Senat sich den Ausführungen des 16. Senats des
FG Düsseldorf in dem zwischen den Beteiligten ergangenen Urteil vom 10.3.1999 - 16 K 2789/93 H(L)
an, wonach es unter Berücksichtigung des städtischen Gutachtens über die wirtschaftliche Situation
des <b>A-stadt</b>er Taxigewerbes 1985 und zur Abgeltung aller Schätzungsunsicherheiten sachgerecht
erscheint, von einem Leer- und Besetztfahrtenanteil von jeweils 50 % auszugehen und die bisherigen
Zuschätzungen der Steuerfahndung um jeweils 300.000.- DM (brutto) zu reduzieren. Wegen der Einzelheiten
der Berechnung nimmt der Senat Bezug auf das vorgenannte Urteil des 16. Senats des FG Düsseldorf,
S. 12 und 13. Unter Zugrundelegung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 10 b UStG
reduzieren sich die angefochtenen Steuerfestsetzungen danach um jeweils 19.626.- DM.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob es sich bei den Aushilfsfahrern der Klägerin
um Arbeitnehmer oder Selbständige handelt, ist für die Entscheidung des Streitfalles ohne Bedeutung.
Wie sich aus dem vorstehend Gesagten ergibt, sind der Klägerin die mit den von Aushilfsfahrern
gefahrenen Taxen getätigten Umsätze auch dann in voller Höhe zuzurechnen, wenn es sich bei den
Aushilfsfahrern - entgegen der Würdigung des 16. Senats des FG Düsseldorf im o. g. Urteil - um
selbständig tätige Subunternehmer der Klägerin gehandelt haben sollte. Auch ein Abzug weiterer
Vorsteuerbeträge käme in den Streitjahren nicht in Betracht. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt für den
Vorsteuerabzug u. a. voraus, dass der leistende Unternehmer dem Leistungsempfänger eine Rechnung
mit gesondertem Umsatzsteuerausweis erteilt. Zumindest an dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfall.
Denn die Aushilfsfahrer haben der Klägerin in den Streitjahren keine entsprechenden Rechnungen mit
Steuerausweis erteilt. </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.</p>
|
114,338 | vg-koln-1999-09-08-21-k-98998 | {
"id": 844,
"name": "Verwaltungsgericht Köln",
"slug": "vg-koln",
"city": 446,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 21 K 989/98 | 1999-09-08T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:35 | 2019-02-14T10:23:05 | Urteil | ECLI:DE:VGK:1999:0908.21K989.98.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> T a t b e s t a n d </p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger trägt als überörtlicher Träger der Kriesgsopferfürsorge (§ 5 Abs. 1a
Ziffer 2 Landschaftsverbandsordnung Nordrhein Westfalen - LVerbO - i.d.F. vom 14.
07. 1994, GV NW 1994, S.657) seit dem 13.06.1996 im Rahmen der Hilfe zur Pflege
nach § 26 c Bundesversorgungsgesetz - BVG - die Kosten der Unterbringung der
nach § 25 BVG berechtigten Gertrud L. in dem Altenzentrum C. in
X. . Zu den gesondert berechenbaren Aufwendungen gemäß § 82 Abs. 3 SGB XI
wird ein monatliches Pflegewohngeld gewährt. Zur teilweisen Deckung der
entstehenden Aufwendungen wird das anrechenbare Einkommen von Frau L.
aus Ausgleichsrente, Witwenrente, Altersrente und Unfallrente vom Kläger gem. § 25
c BVG in Anspruch genommen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am 04.12.1996 beantragte der Kläger bei der Beklagten Wohngeld für die nach §
25 BVG Berechtigte und machte einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X
geltend. Mit Bescheid vom 02.10.1997 bewilligte die Beklagte Wohngeld für die Zeit
vom 01.12.1996 bis 31.10.1997 in Höhe von DM 54,00 monatlich und überwies den
rückständigen Betrag für die Vergangenheit an den Kläger. Gleichzeitig wurde unter
Bezugnahme auf einen Schnellbrief des Ministers für Bauen und Wohnen des
Landes Nordrhein Westfalen vom 17.01.1997 - IV B 4 - 4082 - 1049/96 - mitgeteilt,
laufende Wohngeldzahlungen seien nur direkt an den Wohngeldempfänger zu
zahlen; ggfls. sei eine Abtretung vorzulegen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 03.03.1998 wurde Wohngeld für die Zeit vom 01.11.1997 bis
31.03.1998 in Höhe von DM 30,00 für Frau L. bewilligt. Bis einschließlich
31.03.1998 wurde das bewilligte Wohngeld an den Kläger überwiesen. Ab dem
01.06.1998 ist der Wohngeldanspruch von Frau L. gegenüber der Beklagten an
den Kläger mit der Folge abgetreten worden, daß auf dieser Grundlage die Beklagte
die Wohngeldzahlungen an den Kläger erbringt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Am 09.02.1998 hat der Kläger Klage erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Er trägt zur Begründung seiner Klage vor, der geltend gemachte
Erstattungsanspruch hinsichtlich des Wohngeldes gegen die Beklagte ergebe sich
eindeutig aus § 104 Abs. 1 Satz 1 mit Satz 4 SGB X und sei durch den Schnellbrief
des Ministers für Bauen und Wohnen Nordrhein-Westfalen vom 17.01.1997 nicht
ausgeschlossen. Der Kläger erbringe im Rahmen der Kriegsopferfürsorge Hilfe zur
Pflege nach § 26 c für die nach § 25 BVG Berechtigte in vollem Umfange als
Sachleistung. Gem. § 25 c Abs. 2 BVG habe Frau L. den Aufwand für die
Sachleistung in Höhe des einzusetzenden Einkommens und Vermögens zu
erstatten, folglich könne er, der Kläger, wiederum im Rahmen der Erstattung nach §
104 SGB X das Wohngeld gegenüber der Beklagten geltend machen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"> die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 60,00 DM zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung trägt sie vor, nach dem Erlaß des Ministers für Bauen und
Wohnen des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17.01.1997
- IV B 4 - 4082 - 1049/96 - seien die laufenden Wohngeldzahlungen direkt an den
Hilfesuchenden zu leisten, ein Erstattungsanspruch könne sich nur auf
Wohngeldnachzahlungen erstrecken.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird
auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge
Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">
Die Klage ist als Leistungsklage zulässig und begründet. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte nach § 104 Abs.1
Satz 1 mit Satz 4 SGB X im Hinblick auf das der nach § 25 BVG berechtigten Frau
L. zustehende Wohngeld für die Monate April und Mai 1998 in Höhe von
monatlich DM 30,00. Der Erstattungsanspruch beläuft sich damit auf DM 60,00. In
diesem Umfang sind die von dem Kläger an die Berechtigte erbrachten Leistungen
und das von der Beklagten für Frau L. bewilligte Wohngeld als zeitlich
deckungsgleiche und auch zweckidentische Leistungen anzusehen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist in den Fällen, in denen ein nachrangig
verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne daß die
Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, der Leistungsträger
erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder
hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von den
Leistungen des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nach § 104 Abs. 1
Satz 4 SGB X gilt Satz 1 entsprechend, wenn u.a. von den Trägern der
Kriegsopferfürsorge Aufwendungsersatz geltend gemacht oder ein Kostenbeitrag
erhoben werden kann; Satz 3 gilt in diesen Fällen nicht. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die genannte Bestimmung regelt die Voraussetzungen für den Er-
stattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers. Dieser besteht
nach Satz 1 nur, soweit der Berechtigte, der die Leistung erhalten hat, einen
Leistungsanspruch gegen einen vorrangig verpflichteten Leistungsträger hat oder
hatte. Der in § 104 Abs.1 Satz 3 SGB X normierte Nachranggrundsatz der
Leistungsträger, der einen Erstattungsanspruch ausschließt, soweit der
erstattungspflichtige Leistungsträger bereits an den Berechtigten geleistet hat, bevor
er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis hatte, ist in den Fällen, in
denen der Träger der Kriegsopferfürsorge Leistungen erbringt, für die er einen
Aufwendungsersatzanspruch hat, nach § 104 Abs.1, Satz 4, 2. Halbsatz aufgehoben.
In diesen Fällen hat der Erstattunganspruch nach § 104 Abs. 1 SGB X lediglich zur
Voraussetzung, daß der Träger der Kriegsopferfürsorge Leistungen erbringt, für die
er gem. § 25 c Abs. 2 BVG Aufwendungsersatz von dem nach § 25 BVG
Berechtigten fordern kann und dieser selber einen gleichartigen und zeitidentischen
Leistungsanspruch gegenüber einem anderen Leistungsträger hat.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat als überörtlicher Träger der Kriesgsopferfürsorge gegen Frau
L. als der nach § 25 BVG Berechtigten einen Anspruch auf Aufwendungsersatz
nach § 25 c Abs. 2 BVG. Nach dieser Bestimmung hat der Hilfeempfänger, wenn
Sachleistungen gewährt werden, den Aufwand für die Sachleistung in Höhe des ein-
zusetzenden Einkommens und Vermögens zu tragen. Der Kläger trägt seit dem 13.
06. 1996 im Rahmen der Gewährung der Hilfe zur Pflege nach § 26 c BVG die vollen
Kosten der Heimunterbringung von Frau L. in dem Altenzentrum C. in
X. . In den Leistungen des Klägers für Frau L. nach § 26 c BVG an das
vorgenannte Heim sind zwangsläufig auch Kostenanteile für die Gewährung von
Unterkunft enthalten. Der Kläger erbringt seine Leistungen nach § 26 c BVG als
Sachleistungen i. S. von § 25 c Abs. 2 BVG. Sachleistungen sind Leistungen der So-
zialhilfe, die dem Hilfeempfänger unmittelbar in Form des zu befriedigenden Bedarfes
zugute kommen. Dazu gehört neben der Hilfe durch persönliche Hilfeleistung auch
die Übernahme des gesamten Hilfefalles. In einem solchen Fall wird die Hilfeleistung
durch einen Dritten - das Heim - mittels Geldzahlung an diesen sichergestellt. Die
Qualifizierung der Leistungen des Klägers als Sachleistung ist unter den Beteiligten
im übrigen auch nicht streitig.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die gegenüber dem Kläger gem. § 25 BVG Berechtigte hatte auch
- was zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig ist - gegen die Beklagte in den
streitgegenständlichen Monaten April und Mai 1998 einen Anspruch auf Gewährung
von Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz. Das Wohngeld ist als zeitlich
deckungsgleiche und auch zweckidentische Leistung in Bezug auf die in den
Leistungen des Klägers nach § 26 c BVG enthaltenen Unterkunftskosten anzu-
sehen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Damit sind sämtliche für den geltend gemachten Erstattungsanspruch nach §
104 Abs. 1 Satz 4 mit Satz 1 SGB X erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Dem
Kläger steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch für die Dauer des Bestehens
des Wohngeldanspruches von Frau L. gegen die Beklagte für die Monate April
und Mai 1998 zu. Der Wohngeldanspruch von Frau L. gilt für diesen Zeitraum
insoweit als erfüllt, § 107 Abs. 1
SGB X. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Für die der Entscheidung der Beklagten zugrundgelegte Rechtsauffassung des
Ministers für Bauen und Wohnen des Landes Nordrhein Westfalen ausweislich
seines Schnellbriefes vom 17.01.1997 - IV B 4 - 4082 - 1049/96, wonach laufende
Wohngeldzahlungen ausschließlich an den Berechtigten zu zahlen seien, da es sich
um höchstpersönliche Ansprüche handele, findet sich im Gesetz keine Stütze. Die
Regelung des § 104 Abs. 1 Satz 1 mit Satz 4 SGB X ist eindeutig und einer
Interpretation nicht zugänglich. Soweit der Erlaß des genannten Ministeriums auf
Überlegungen dahingehend beruhen könnte, die Eigenverantwortung von
Hilfeempfängern im Fall der Heimunterbringung zu stärken, können diese im
Rahmen einer Gesetzesiniatiative ein Rolle spielen, nicht aber zu einer -
gesetzwidrigen - Interpretation der insoweit eindeutigen Vorschrift des § 104 Abs. 1
Satz 1 und Satz 4 SGB X herangezogen werden.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 VwGO.
</p>
|
114,339 | ovgnrw-1999-09-08-8-b-105399 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 8 B 1053/99 | 1999-09-08T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:35 | 2019-02-12T13:54:18 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0908.8B1053.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,340 | ovgnrw-1999-09-08-18-a-112698 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 18 A 1126/98 | 1999-09-08T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:35 | 2019-02-12T13:54:18 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0908.18A1126.98.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Antrag hat keinen Erfolg. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2
Nr. 1 und 3 VwGO rechtfertigen die Zulassung der Berufung
nicht. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die aufgeworfene Rechtsfrage verleiht der Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung, weil sie sich unmittelbar aus dem
Gesetz beantworten läßt. Einer weiteren Klärung bedarf es
daher nicht. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die am 1. November 1997 in Kraft getretene Norm des § 44
Abs. 1 a AuslG (Gesetz zur Änderung ausländer- und
asylverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 29. Oktober 1997,
BGBl. I 2584) stellt eine Ausnahmeregelung u. a. zu § 44
Abs. 1 Nr. 3 AuslG dar und bezweckt ausweislich der amtlichen
Begründung (BT-Drucks. 13/4986, abgedruckt bei
Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Ausländerrecht § 44 AuslG)
den Erhalt der "einmal erworbenen Rechtsposition auf Dauer".
Dementsprechend und nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm
setzt § 44 Abs. 1 a AuslG das Bestehen einer unbefristeten
Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung voraus und
verhindert nach Maßgabe ihrer Voraussetzungen lediglich das
Erlöschen des Aufenthaltstitels nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG.
Im vorliegend Fall hingegen war die dem Kläger erteilte
unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach den nicht in Frage
gestellten Ausführungen des Verwaltungsgerichts vor seiner
erneuten Einreise im Februar 1993 bereits erloschen. Eine
bereits erloschene Aufenthaltserlaubnis kann aber nach dem
eindeutigen Regelungsgehalt der Norm nicht wieder aufleben.
</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">In derartigen Fällen verbleibt dem Ausländer allein die
Möglichkeit, nach § 16 Abs. 5 AuslG die Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis zu beanspruchen. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Aus den vorstehenden Gründen bestehen auch keine
ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen
Beschlusses.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Von einer weiteren Begründung dieses Beschlusses wird
abgesehen (§ 124 a Abs. 2 Satz 2 VwGO). </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die
Streitwertfestsetzung auf §§ 14 Abs. 1 und 3, 13 Abs. 1 GKG.
</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
</p>
|
114,341 | ovgnrw-1999-09-08-18-b-56798 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 18 B 567/98 | 1999-09-08T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:35 | 2019-02-12T13:54:19 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0908.18B567.98.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde hat zum Teil Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat den mit dem Hauptantrag
verfolgten Aussetzungsantrag der Antragstellerinnen zu Recht
abgelehnt. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden
Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz
3 VwGO), die durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet
werden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Hilfsantrag, </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">den Antragsgegner im Wege der
einstweiligen Anordnung zu
verpflichten, den Antragstellerinnen
vorläufig eine Aufenthaltsgenehmigung
zu erteilen,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">
hat Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">
Er ist - wie der dementsprechende Antrag in den
Widerspruchsschreiben vom 13. Januar 1998 - als Minus
gegenüber dem hauptsächlich gestellten Aussetzungsantrag nach
dem Rechtsschutzziel der Antragstellerinnen, vorerst im
Bundesgebiet bleiben zu können, (auch) auf die Gewährung von
Abschiebungsschutz gerichtet. Denn die weitergehende
Verpflichtung zur Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung im
Wege eines einstweiligen Anordnungsverfahrens ist aus
Rechtsgründen grundsätzlich ausgeschlossen. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der nach § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2
ZPO erforderliche Anordnungsanspruch liegt ebenso wie der
wegen der drohenden Abschiebung gegebene Anordnungsgrund vor.
Der Anordnungsanspruch folgt aus § 55 Abs. 2 AuslG. Danach
wird einem Ausländer eine Duldung unter anderem dann erteilt,
wenn seine Abschiebung aus rechtlichen Gründen unmöglich ist.
Diese Voraussetzungen haben die Antragstellerinnen, wie von §
123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO
gefordert, glaubhaft gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Rechtlich unmöglich ist die Abschiebung, wenn sie aus
rechtlichen Gründen nicht durchgeführt werden darf, weil ein
Abschiebungsverbot (§ 51 Abs. 1 AuslG) oder ein zwingendes
Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG oder aufgrund
vorrangigen Rechts, namentlich der Grundrechte, gegeben ist.
Ein zwingendes Abschiebungshindernis aufgrund von Art. 6 Abs.
1 GG liegt insbesondere auch dann vor, wenn es dem Ausländer
nicht zuzumuten ist, seine familiären Beziehungen durch
Ausreise zu unterbrechen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember
1997 - 1 C 19.96 -, InfAuslR 1998,
S. 213, 214 m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">
Dies kann unter anderem dann der Fall sein, wenn die erneute
Ausreise faktisch zu einem Abbruch der familiären Beziehungen
führt, weil dem Ausländer die Mittel für eine erneute Einreise
fehlen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Vgl. Schleswig Holsteinisches OVG,
Urteil vom 30. April 1996 - 4 L
62/95 -, InfAuslR 1996, 258, 262.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">
Von einer dementsprechenden Fallkonstellation ist hier sowohl
für die Antragstellerin zu 1. (I.) als auch für die
Antragstellerinnen zu 2. und 3. (II.) auszugehen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">I. Die Antragstellerin zu 1. ist seit dem 25. August 1996
mit dem deutschen Staatsangehörigen D. K. verheiratet,
mit dem sie seit ihrer Einreise nach Deutschland am 1.
September 1997 nach ihrem unwidersprochenen Sachvortrag in
häuslicher Gemeinschaft lebt. Die Antragstellerin zu 1. hat
weiterhin vorgetragen, ihre gemeinsame Ausreise mit ihren
Töchtern, den Antragstellerinnen zu 2. und 3., und die
anschließende Wiedereinreise nach Deutschland nach Erteilung
von dementsprechenden Visa sei aus finanziellen Gründen nicht
realisierbar. Dieser Behauptung ist der Antragsgegner nicht
entgegengetreten. Sie ist auch nicht etwa unglaubhaft, denn
die Antragstellerin zu 1. hat zur Substantiierung ihrer
Behauptung - ebenfalls unwidersprochen - angegeben, sie habe
derzeit keine eigenen Einkünfte und ihr Ehemann verdiene nicht
genug, um eine dementsprechende Reise finanzieren zu
können.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Ob schon die beschriebenen Umstände zwingend zur
Unzumutbarkeit der Ausreise führen würden, mag auf sich
beruhen. Die Unzumutbarkeit wird hier jedenfalls im Rahmen
einer wertenden Gesamtschau - neben den Folgen der Ausreise -
des weiteren dadurch begründet, daß der zwingende
Versagungsgrund nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AuslG für die Erteilung
einer Aufenthaltserlaubnis für die Antragstellerin zu 1. nach
§ 9 Abs. 1 Nr. 2 AuslG überwunden werden kann und damit das
öffentliche Interesse an der Ausreise der Antragstellerin zu
1. an Gewicht verliert. Denn die von § 9 Abs. 1 Nr. 2 AuslG
geforderten Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung
einer Aufenthaltsgenehmigung für die Antragstellerin zu 1.
nach §§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 17 Abs. 1 AuslG sind
offensichtlich gegeben und werden auch vom Antragsgegner nicht
in Frage gestellt. Die danach dem Antragsgegner obliegende
Ermessensentscheidung über die Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis in Abweichung von dem Versagungsgrund des
§ 8 Abs. 1 Nr. 2 AuslG ist noch nicht getroffen worden. Die
vom Antragsgegner im Rahmen dieses Eilverfahrens mit
Schriftsatz vom 12. August 1998 angestellten
Ermessenserwägungen stellen keine zulässige Ergänzung von
Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO dar, weil es in dem
angefochtenen Bescheid an dementsprechenden
Ermessenserwägungen gänzlich fehlt. Die in dem erwähnten
Schreiben enthaltenen Ermessensüberlegungen sind überdies
ihrerseits nicht frei von Ermessensfehlern. Bei der
Ermessensausübung will der Antragsgegner dem öffentlichen
Interesse an der Einhaltung der Visavorschriften den Vorrang
einräumen im wesentlichen deshalb, weil die Antragstellerin zu
1. trotz von Anfang an beabsichtigten Daueraufenthaltes
angegeben hat, nur zu Besuchszwecken in die Bundesrepublik
Deutschland einreisen zu wollen und daraufhin ein
entsprechendes Besuchsvisum erhalten hat. Allein die darin
liegende Täuschung über den wahren Aufenthaltszweck kann indes
die ablehnende Ermessensentscheidung nicht rechtfertigen. Denn
der durch § 9 Abs. 1 Nr. 2 AuslG gerade überwindbare
Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AuslG setzt eine
dementsprechende Täuschung zumindest typischerweise
voraus.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Vgl. Kloesel/Christ/Häußer,
Deutsches Ausländerrecht, § 9 Rdnr.
6.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">
Die vorliegende Täuschung über den wahren Aufenthaltszweck
eröffnet deshalb gerade die in § 9 Abs. 1 Nr. 2 AuslG gebotene
Ermessensentscheidung über ein Absehen von der zwingenden
Versagung und prägt nicht etwa zugleich das Ergebnis der
Ermessensentscheidung maßgeblich vor. Abzuwägen ist vielmehr,
ob das öffentliche Interesse an der Einhaltung der
Einreisevorschriften das private Interesse der Antragstellerin
zu 1. an der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im
Inlandsverfahren überwiegt. In diese Betrachtung einzubeziehen
sind u.a. auch die sich im konkreten Einzelfall für den
Ausländer ergebenden Folgen bei einer Ausreise zur
Durchführung des Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens. Dies
zugrundegelegt kommt bei sachgerechter Ermessensentscheidung
ein Absehen von dem Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AuslG
jedenfalls in Betracht, zumal der Ehemann der Antragstellerin
bei der auch vom Antragsgegner hervorgehobenen Vorsprache vom
10. September 1997 - für die Antragstellerin zu 1. - über die
zugestandene Täuschung hinaus erklärt hat, es sei zu
schwierig, ein Visum zur Familienzusammenführung zu bekommen.
Die Erteilung eines solchen Visums sei zu teuer und dauere
auch viel zu lange. Es sei ihm auch nicht klar gewesen, daß
ein solches Visum benötigt würde, damit eine
Aufenthaltserlaubnis erteilt werden könne.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">II. Steht danach der Abschiebung der Antragstellerin zu 1.
im Hinblick auf die Lebensgemeinschaft mit ihrem deutschen
Ehemann ein zwingendes Abschiebungshindernis entgegen, so gilt
entsprechendes für die Antragstellerinnen zu 2. und 3., die
mit ihrer Mutter, der Antragstellerin zu 1., in familiärer
Gemeinschaft leben.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO,
die Streitwertfestsetzung auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
</p>
|
114,342 | olgham-1999-09-08-12-wf-16799 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 12 WF 167/99 | 1999-09-08T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:35 | 2019-02-14T10:23:06 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0908.12WF167.99.00 | <span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:-1px"><b><u>Gründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässig. In der Sache ist sie nicht begründet und war zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Dem Antragsgegner ist die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe zu verweigern, denn er hat nicht glaubhaft gemacht, daß er bedürftig im Sinne des § 114 ZPO ist. Das Familiengericht hat zwar in dem angefochtenen Beschluß angenommen, daß der Antragsgegner nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage sei, die Kosten des Prozesses zu tragen und deshalb einen Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß gegen die Antragstellerin habe. Diese Einschätzung hat es aber in dem Nichtabhilfebeschluß vom 27. Juli 1999 nicht aufrechterhalten, nachdem der Antragsgegner ein Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung wegen der Leistung eines Prozeßkostenvorschusses angestrengt und dort - auch aufgrund von Auflagen des Gerichts - näher zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen vorgetragen hat. Grundlage der Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ist stets der letzte Erkenntnisstand im Zeitpunkt der Beschlußfassung (s. dazu Zöller/Philippi ZPO, 21. Auflage, § 119 Rdnr. 44). </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat zwar erhebliche Bedenken, ob der Einschätzung des Familiengerichts bezüglich der am 30. November 1998 bei der X eG vorhandenen Barmittel und vor allem bezüglich des PKW Citroen gefolgt werden kann. Darauf kommt es aber nicht entscheidend an. Der Antragsgegner hat seine Vermögenssituation hinsichtlich der beiden vorhandenen Lebensversicherungen nicht ausreichend dargelegt. Ob es sich dabei um eine angemessene Altersvorsorge handelt, die entsprechend § 88 Abs. 3 BSHG für die Finanzierung des Rechtsstreits nicht eingesetzt werden müßte, oder ob dem Antragsgegner zuzumuten ist, diese Versicherungen für die Finanzierung des Prozesses zu beleihen, kann nicht beurteilt werden. Es fehlt jeglicher Vortrag etwa zur Art, zur Höhe der Versicherungssumme, zum Rückkaufswert und auch zur Fälligkeit. Das Familiengericht hat den Antragsgegner mehrfach darauf hingewiesen, eine Ergänzung der Angaben ist nicht erfolgt. Der Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts genügt insoweit nicht. </p>
|
114,343 | olgham-1999-09-08-13-u-3599 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 13 U 35/99 | 1999-09-08T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:35 | 2019-02-14T10:23:09 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0908.13U35.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Von der Darstellung des <b><span style="text-decoration:underline;">Tatbestandes</span></b> wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b><span style="text-decoration:underline;">Entscheidungsgründe:</span></b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten sind gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 823 BGB, 3 Nr. 1 PflVG verpflichtet, dem Kläger als Gesamtschuldner 3/4 des Schadens zu ersetzen, der ihm aufgrund des Verkehrsunfalls entstanden ist, der sich am 11.02.1998 gegen 1.40 Uhr auf der Autobahn in Höhe der Auffahrt R in Fahrtrichtung W unter Beteiligung des vom Kläger gesteuerten VW-Golf VR 6 und des vom Beklagten zu 1) gesteuerten bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Opel-Astra Pkw des Beklagten zu 1) ereignet hat. Ohne Erfolg wendet sich der Kläger dagegen, daß das Landgericht aufgrund der Überschreitung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h zu seinen Lasten eine Mithaftung von 25 % angenommen hat. Die gemäß § 17 StVG vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge führt zu einer Haftungsverteilung von 75:25 zu Lasten der Beklagten. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 1) hat gegen § 5 Abs. 4 Satz 1 StVO, wonach derjenige, der zum Überholen ausscheren will, sich so zu verhalten hat, daß eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, verstoßen. Wie im zweiten Rechtszug unstreitig geworden ist, hat der Beklagte zu 1) entsprechend seinen Angaben im Rahmen seiner persönlichen Anhörung die Geschwindigkeit des auf der linken Fahrspur herannahenden Klägerfahrzeugs unterschätzt und ist zum Überholen eines auf der rechten Fahrspur vorausfahrenden Lkw auf die linke Fahrspur ausgeschert. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber ist dem Kläger, der durch das verkehrswidrige Überholmanöver des Beklagten zu 1) nach links ausweichen mußte und die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor, zwar kein Verschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalls nachzuweisen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht aber zur Überzeugung des Senats fest, daß die Ausgangsgeschwindigkeit des Pkw des Klägers mindestens 150 km/h betragen hat, während der Kläger nicht den ihm obliegenden Beweis der Unabwendbarkeit des Unfalls (§ 7 Abs. 2 StVG) zu führen vermocht hat. Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, daß der Kläger bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h (§ 1 der Autobahn-Richtgeschwindigkeits-VO vom 27.11.1978, BGBl. I, 1824) den Unfall nicht hätte vermeiden können.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Ausgangsgeschwindigkeit des Golf-Pkw des Klägers betrug mindestens 150 km/h. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Aufgrund der Aussage des Zeugen S, der den Unfall polizeilich aufgenommen hat, steht zur Überzeugung des Senats fest, daß der Kläger selbst nach dem Unfall die von ihm gefahrene Geschwindigkeit mit ca. 160 km/h angegeben hat. Der Zeuge S hat mit Bestimmtheit bekundet, die betreffende Geschwindigkeitsangabe, so wie sie vom Kläger vor Ort gemacht worden ist, in die Unfallanzeige aufgenommen zu haben und einen diesbezüglichen Irrtum zuverlässig ausgeschlossen. Zudem hat der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung eingeräumt, gegenüber seinem Arzt S - wie in dessen Bericht vom 17.03.1998 vermerkt - zum Unfallhergang angegeben zu haben, mit 150 km/h bei einem Ausweichmannöver in die Leitplanken gefahren zu sein. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Unfallanalyse durch den Sachverständigen G hat ergeben, daß der Kläger sich bei den betreffenden Geschwindigkeitsangaben jedenfalls nicht zu seinen Ungunsten verschätzt hat. Vielmehr hat der Sachverständige plausibel ausgeführt, daß bereits unter der Prämisse, daß es im direkten Anschluß an das Ausweichmannöver des Klägers zum Erstkontakt seines Fahrzeugs mit den Leitplanken gekommen ist, die Ausgangsgeschwindigkeit 140 km/h bis 160 km/h betragen hat. Hinzu kommt, daß nach der Aussage des Zeugen A, deren Richtigkeit der Kläger auf Nachfrage bestätigt hat, das Klägerfahrzeug vor dem Erstkontakt mit den Leitplanken zunächst vom Grünstreifen nach rechts zurückdriftete, so daß bis zum Erreichen der Endstellung eine weitere Verzögerung mit entsprechendem Geschwindigkeitsverlust eingetreten ist. Aufgrund dessen ist nach den Feststellungen des Sachverständigen eine noch deutlich über 140 km/h liegende Mindestausgangsgeschwindigkeit in der vom Kläger selbst nach dem Unfall angegebenen Größenordnung realistisch.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Überdies hat der Sachverständige überzeugend dargelegt, daß der Kläger unter Zugrundelegung der Einhaltung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h den ihm obliegenden Unabwendbarkeitsnachweis nicht führen kann.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Da mangels Kollision eine genaue, objektivierbare räumlich-zeitliche Verknüpfung der Annäherung der Fahrzeuge nicht möglich ist, ist der Sachverständige im Rahmen seiner diesbezüglichen Unfallanalyse von einem wegen fehlender Berührung der Fahrzeuge realistisch erscheinenden Mindestabstand von 20 m beim Ausscheren des Pkw des Beklagten zu 1) und von einer nicht zu widerlegenden Geschwindigkeit dieses Fahrzeugs von 120 km/h ausgegangen. Unter diesen Voraussetzungen war der Kläger bei einer Ausgangsgeschwindigkeit seines Pkw von 160 km/h zum Ausweichen gezwungen, so daß ihm keine Fehlreaktion (Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO) und damit kein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls nachzuweisen ist. Demgegenüber hätte der Kläger bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h aufgrund der wesentlich geringeren Geschwindigkeitsdifferenz der Fahrzeuge von nur 10 km/h genügend Zeit und Raum für eine mittelstarke Ausgleichsbremsung gehabt, so daß er ggfls. - wie der Sachverständige betont hat - den Unfall problemlos hätte vermeiden können.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Damit hat der Kläger die Richtgeschwindigkeit mit einer bewiesenen Mindestausgangsgeschwindigkeit von 150 km/h deutlich überschritten und nicht zu beweisen vermocht, daß der Unfall auch bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h nicht hätte vermieden werden können, so daß nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1992, 1684, <span style="text-decoration:underline;">1686</span>), der sich der Senat anschließt, die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Klägers im Rahmen der nach § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung zu seinen Lasten zu berücksichtigen ist, und zwar nach der ständigen Rechtsprechung des Senats in vergleichbaren Fällen mit 25 % (vgl. etwa Urt. vom 08.12.1993 - 13 U 140/93 - NZV 1994, 193 = DAR 1994, 154 f.).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Zu Recht hat das Landgericht dem Kläger auf Basis einer Haftungsquote von 3:1 zu seinen Gunsten unter Berücksichtigung des zweitinstanzlich unstreitig gewordenen zu regulierenden materiellen Unfallschadens von insgesamt 21.321,70 DM und der darauf gemäß dem Abrechnungsschreiben der Beklagten zu 2) vom 27.05.1998 gezahlten 13.017,36 DM keinen über 2.973,92 DM hinausgehenden Betrag zuerkannt. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Das mit der Berufungsbegründung erfolgte "Nachschieben" des Schmerzensgeldanspruchs "zur Auffüllung" der Klageforderung, bei deren Berechnung auf den materiellen Schaden gezahlte 125,00 DM unberücksichtigt geblieben sind, führt entgegen der Auffassung des Klägers zu keiner entsprechenden Erhöhung der zu regulierenden Schadensersatzforderung. Vielmehr ist die vom Kläger durch den Unfall erlittene HWS-Verletzung unter Zugrundelegung seiner Mithaftung von 25 % mit den auf das Schmerzensgeld gezahlten 375,00 DM angemessen reguliert.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><b>III.</b></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 ZPO.</p>
|
114,344 | olgham-1999-09-08-13-u-4599 | {
"id": 821,
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} | 13 U 45/99 | 1999-09-08T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:35 | 2019-02-14T10:23:12 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0908.13U45.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><span style="text-decoration:underline;">Tatbestand</span></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin verlangt Schadensersatz, Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige Schäden aus einem Unfall, der sich am 13. Dezember 1995 in D ereignete. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin bestieg gegen 12.40 Uhr an der Haltestelle "K" einen Linienbus der D, der auf der Straße "A" in östlicher Richtung unterwegs war. Der Zeuge S befuhr mit seinem Pkw die Straße in der Gegenrichtung. In Höhe einer - der Bushaltestelle schräg gegenüberliegenden - Gaststätte hielt er einige Meter vor dem Bus an, um seine drei Beifahrer aussteigen zu lassen. Kurz darauf fuhr der Bus wieder an. Als die Beklagte, die hinten links saß, ihre Tür öffnete, nahm der Fahrer des Busses, der Zeuge F, eine Vollbremsung vor. Dabei kam die damals 60-jährige Klägerin zu Fall. Sie zog sich einen Oberschenkelhalsbruch zu, der operativ durch eine sog. "Mecronverschraubung" versorgt wurde. Bis zum 29. Dezember 1995 befand sich die Klägerin in stationärer Krankenhausbehandlung. Am 22. Oktober 1996 wurde ihr ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin behauptet, nur durch die Vollbremsung des Busses habe eine Kollision mit der geöffneten Tür vermieden werden können. Die Hüftprothesenimplantation sei erforderlich gewesen, weil trotz der Operation keine vollständige Verheilung der Fraktur eingetreten sei. Infolge der operativen Versorgung sei eine allergische Hautreaktion aufgetreten, die ein Jahr angedauert habe.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat ein Schmerzensgeld von mindestens 60.000 DM sowie die Erstattung der Kosten von Taxifahrten für Besorgungen und Arztbesuche in Höhe von 2.554,20 DM und für Arztberichte in Höhe von 251,10 DM begehrt. Daneben hat sie weitere 1.201,39 DM für die Kurzzeitpflege ihrer Mutter verlangt, die sie während ihres Klinikaufenthaltes nicht habe versorgen können.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte behauptet, die Vollbremsung sei nicht erforderlich gewesen. Der Bus habe ausreichend Platz gehabt, weil die Straße 6,05 m breit sei. Jedenfalls trage die Klägerin ein Mitverschulden.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Parteien persönlich gehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen F und S sowie durch Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens des Sachverständigen K. Mit dem angefochtenen Urteil hat es der Klage hinsichtlich der materiellen Schäden und des Feststellungsbegehrens stattgegeben und der Klägerin ein Schmerzensgeld von 40.000 DM zugesprochen. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat die Parteien persönlich gehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen Z, S und F sowie durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen B. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Akten 28 Js 14/96 StA Dortmund lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><b><span style="text-decoration:underline;">Entscheidungsgründe</span></b></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung hat nur zum Teil Erfolg. Die Klage ist, soweit das Landgericht ihr stattgegeben hat, im wesentlichen begründet.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">I. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">1. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat gegen die Beklagte gem. § 823 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 4.006,69 DM. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat schuldhaft die Körperverletzung der Klägerin herbeigeführt. Sie hat fahrlässig gegen § 14 Abs. 1 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift muß sich derjenige, der ein- oder aussteigt, so verhalten, daß eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Wird beim Ein- oder Aussteigen ein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Ein- bzw. Aussteigenden (KG VM 10986, 20).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Diesen Anschein hat die Beklagte nicht entkräftet. Sie hat vorgetragen, der Bus habe ausreichend Platz gehabt. Die Straße sei 6,05 m breit (nach der polizeilichen Unfallskizze 6 m) und der Pkw des Zeugen S habe z.T. auf dem Gehweg gestanden. Wenn eine Vollbremsung erforderlich gewesen sei, um eine Kollision zu vermeiden, dann deswegen, weil der Bus beim Ausscheren aus der Haltebucht unnötig weit nach links über die Mittellinie hinausgekommen sei. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Ob der Bus - bei entsprechender Fahrweise - Platz genug gehabt hätte, um an dem haltenden Pkw vorbeizufahren, läßt sich nicht feststellen. Die Beauftragung eines Sachverständigen zur Unfallrekonstruktion verspricht keine zuverlässige Klärung dieser Frage, weil der genaue Standort des Pkw nicht gesichert ist. Beim Eintreffen der Polizei standen die Fahrzeuge nicht mehr in der Unfallposition. Hinzu kommt, daß die Örtlichkeit inzwischen verändert ist, denn die Bushaltestelle ist verlegt worden. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Nach der polizeilichen Skizze stand der Pkw, so wie von der Beklagten angegeben und von den Zeugen und S bestätigt, mit den rechten Rädern etwas auf dem Gehweg, so daß für den Bus eine Breite von <span style="text-decoration:underline;">mindestens</span> 4,2 m verblieb. Das hätte für den normalen Gegenverkehr gereicht. Hier ist aber zu berücksichtigen, daß der Bus in einer Haltebucht angehalten hatte. Beim Herausfahren aus dieser Bucht muß die Fahrlinie<b> </b>des Busses notwendigerweise einen Bogen beschreiben. Dessen Verlauf hängt davon ab, wo genau der Bus gestanden hat, was nicht feststellbar ist. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Ob der Bus - bei seiner Fahrweise - genügend Platz gehabt hätte oder ob er anders hätte fahren müssen, kann an dieser Stelle indessen offenbleiben, denn es geht hier nicht um ein Verschulden des Busfahrers, sondern um die Frage, ob die Beklagte gegen § 14 StVO verstoßen hat. So, wie der Bus gefahren ist, war jedenfalls kaum genügend Raum, um an der geöffneten Tür vorbeizukommen. Insoweit decken sich die Aussagen der Zeugen F und Schneider. Das Öffnen der Tür hat den Busfahrer zumindest irritiert und dadurch zu der Vollbremsung veranlaßt. Damit war das Öffnen der Tür adäquat kausal für das weitere Geschehen. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Gegen § 14 StVO verstößt allerdings nur derjenige, der sich nicht so verhält, daß eine <span style="text-decoration:underline;">Gefährdung</span> anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Eine <span style="text-decoration:underline;">Behinderung</span> (§ 1 Abs. 2 StVO) muß unter Umständen hingenommen werden (OLG Düsseldorf DAR 1976, 215). Eine bloße Behinderung kann gegeben sein, wenn die geöffnete Tür einem anderen Verkehrsteilnehmer zwar die Weiterfahrt unmöglich macht, dieser das aber so rechtzeitig erkennen kann, daß er in der Lage ist, seine Fahrweise darauf einzustellen. Demgegenüber ist eine Gefährdung anzunehmen, wenn das Öffnen der Tür - oder das Aussteigen selbst - unvermittelt geschieht und einen anderen Verkehrsteilnehmer zu plötzlichem Reagieren zwingt. Das war hier der Fall. Die Tatsache der Vollbremsung spricht dafür, daß die Tür unvermittelt und ohne Rücksicht auf den entgegenkommenden Bus geöffnet worden ist. Diesen Anschein hat die Beklagte nicht entkräftet. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Ob sie nur die Tür geöffnet hat oder auch schon ausgestiegen war, als der Busfahrer die Vollbremsung vornahm - nach eigenen Angaben hatte sie schon ein Bein auf die Straße gestellt -, ist ohne Belang, da das Öffnen einer Tür schon Teil des Aussteigevorgangs ist und diesen einleitet.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Ein Verschulden ist zu bejahen. Die Beklagte hat fahrlässig gehandelt. § 14 StVO schreibt höchste Sorgfalt vor (Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 34. Aufl., § 14 StVO, Rdn. 1). Zu achten ist insbesondere auch auf Gegenverkehr (BGH, VersR 1986, 1231 und 1987, 37). Das hat die Beklagte nicht ausreichend getan. Sie mußte nicht nur mit einem Anfahren des Busses, sondern auch damit rechnen, daß dieser dabei nach links - über die Mittellinie hinaus - ausscheren könnte. Sie mußte auch damit rechnen, daß ein plötzliches Öffnen der Tür den Busfahrer irritieren und zu einer Vollbremsung veranlassen könnte, zumal er ein unvermitteltes Aussteigen befürchten mußte. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Haftung der Beklagten ist nicht gem. § 254 BGB wegen Mitverschuldens gemindert. </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Ein etwaiges Verschulden des Busfahrers braucht sich die Klägerin nicht zurechnen zu lassen, da die Voraussetzungen von § 278 BGB, auf den § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB verweist, nicht gegeben sind. </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Ein eigenes Verschulden der Klägerin liegt nicht vor. Ihr ist insbesondere nicht vorzuwerfen, sich nicht oder nicht genügend festgehalten zu haben. Allerdings müssen sich Fahrgäste eines Busses grundsätzlich vor dem Anfahren einen festen Halt verschaffen (LG Duisburg, VRS 1969, 420), denn sie müssen sich ihrerseits sorgfältig verhalten (OLG Oldenburg, DAR 1956, 245; OLG Zweibrücken VersR 1966, 1087) und jederzeit mit einem scharfen Bremsen des Busses rechnen (OLG Düsseldorf, VersR 1972, 1171). Daß die Klägerin diese ihr obliegende Sorgfaltspflicht nicht beachtet hat, läßt sich nicht feststellen. Nach ihren eigenen Angaben war sie gerade im Begriff, sich zu setzen, als die Vollbremsung geschah. In dieser Situation fällt es erfahrungsgemäß nicht leicht, festen Halt zu bewahren. Unter diesen Umständen ist ein Mitverschulden nicht beweisbar. </p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Der materielle Schaden beträgt 4.006,69 DM. Die Aufwendungen für Arztberichte (251,10 DM) und die Kurzzeitpflege der Mutter (1.201,39 DM) sind nicht mehr im Streit. Die Kosten der Taxifahrten für Besorgungen und Arztbesuche (2.554,20 DM) sind belegt. Der Senat hält sie in voller Höhe für gerechtfertigt (§ 287 ZPO). Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel war der Klägerin längere Zeit nicht zumutbar. Sie war infolge der Verletzungen in erheblichem Maße gehbehindert und auf Gehhilfen angewiesen. </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat gem. §§ 823 Abs. 1, 847 BGB einen Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes. Der Senat hält unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der erlittenen Schmerzen sowie der Unfallfolgen einschließlich des langwierigen Heilverlaufs und der Dauerschäden, einen Betrag von 30.000,00 DM für erforderlich, aber auch ausreichend. Der Senat hat dabei berücksichtigt, daß die Oberschenkelhalsfraktur eine sehr schmerzhafte Falschgelenkbildung ausgelöst hat. Aufgrund dessen war, wie der Sachverständige B ausgeführt hat, die Implantation einer Hüftendoprothese notwendig. Dazu mußte die Klägerin ein zweites Mal stationär behandelt werden. Die Prothese sitzt heute korrekt. Allderdings ist die Beweglichkeit im endoprothetisch versorgten Hüftgelenk im Vergleich zur nichtoperierten Gegenseite erkennbar eingeschränkt. Das rechte Bein ist um 1 cm verkürzt. Zum Ausgleich trägt die Klägerin einen Beinlängenausgleich im Schuh, der ihr Gangbild heute sehr harmonisch aussehen läßt. Die Klägerin kann nach eigenen Angaben jedoch nur langsam gehen. Nach längerem Gehen treten Schmerzen im Oberschenkelbereich auf. Diese Beschwerden sind nach Angaben des Sachverständigen B glaubhaft. Eine Vorschädigung liegt nicht vor. Das Hüftgelenk als solches war vor dem Unfall in Ordnung. Eine Arthrose ist bislang nicht eingetreten.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">3. </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Das Feststellungsbegehren ist zulässig und begründet.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch rechtfertigt sich gem. § 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Ziff. 10 ZPO.</p>
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114,345 | lsgnrw-1999-09-08-l-10-sb-2199 | {
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"jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | L 10 SB 21/99 | 1999-09-08T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:35 | 2019-02-12T13:54:19 | Urteil | ECLI:DE:LSGNRW:1999:0908.L10SB21.99.00 | <span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei der Klägerin die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich der außergewöhnlichen Gehbehinderung (Merkzeichen "aG") vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die 1950 geborene Klägerin war von Beruf Rechtspflegerin. 1989 wurde sie wegen ihrer Gesundheitsstörungen aufgrund amtsärztlicher Untersuchung in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Am 18.04.1995 beantragte sie unter Vorlage des amtsärztlichen Gutachtens von Dr. L ..., Gesundheitsamt des Kreises M., die Feststellung einer Behinderung, des Grades der Behinderung (GdB) und des Nachteilsausgleichs "aG". Sie leide an einer allergischen und autoallergischen Immunstörung mit rheumatischer Erkrankung und Ischialgie sowie an einer erheblichen Kreislauflabilität. Wegen der Duftstoffallergie sei ihr die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und Taxen nicht möglich. Aufgrund von Erschöpfungs- und Schwächezuständen könne sie nicht lange laufen und müsse - auch wegen der Wirbelsäule -, Gelenk- und Ischiasschmerzen - zeitweise von Verwandten im eigenen Auto gefahren werden. Die Beschaffung der für sie geeigneten Nahrungsmittel in besonderen Geschäften sei nur mit einem Auto möglich, wenn sie in der Nähe des Fahrzieles parken könne.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Versorgungsamt Düsseldorf holte von den behandelnden Ärzten Prof. S ... und Dr. K ... Befundberichte ein. Ferner erstattete Oberregierungsmedizinalrätin A ... aufgrund ambulanter Untersuchung ein Gutachten. Der Ärztin lag die Bescheinigung des Psychologen H ... vor, bei der die Klägerin seit 1983 in regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung stand. Sodann stellte der Beklagte durch Bescheid vom 14.11.1995 folgende Funktionsstörungen mit einem GdB von 50 fest:</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">1. Allergische Erkrankung mit Körperschwäche und psychastnenischer Erschöpfung</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">2. Wirbelsäulenfehlstellung.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Den Widerspruch der Klägerin, mit dem sie erneut eine außergewöhnliche Gehbehinderung geltend machte, wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 08.01.1996 zurück. Er verneinte das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Am 17.01.1996 hat die Klägerin beim Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben und unter Vorlage zahlreicher ärztlicher Bescheinigungen vorgetragen, der GdB sei mit 80 zu bewerten. Zum Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung hat sie ergänzend zu ihrem Vortrag im Verwaltungsverfahren geltend gemacht, wegen der Rücken- und Gelenkbeschwerden, der vorzeitigen Erschöpfung bis zum Zusammenbruch könne sie nur noch kleinere Wegstrecken zu Fuß zurücklegen. Träten von den Allergien und Tetanien ausgehende Schwindelanfälle auf, bedürfe sie sofort ärztlicher Hilfe und könne selbst kleine Entfernungen nicht mehr zu Fuß bewältigen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">den Bescheid des Beklagten vom 14.11.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.1996 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 80 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "aG" festzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Er hat sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides gestützt.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. B ..., eines psychiatrischen Gutachtens von Dr. L .../Dr. H ... - G ... und deren ergänzender Stellungnahme. Der Sachverständige B ... hat degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit wiederkehrenden neurologischen Reizerscheinungen festgestellt und dafür einen GdB von 10 angenommen. Bezüglich der objektivierbaren schmerzhaften Verspannungen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule sei eine subjektive Überlagerung unverkennbar. Die Röntgenaufnahmen zeigten dezente degenerative Wirbelsäulenveränderungen, so daß die geklagte Ichiasneuralgie mit starken Schmerzen durchaus glaubhaft sei. Die übrigen Gelenke seien in einem altersentsprechenden Ausmaß zu bewegen, wenngleich in erster Linie nur passiv. Es ergebe sich kein Anhalt für eine Bechterew sche Erkrankung. Eine Osteoporose sei durchaus wahrscheinlich. Sie bedinge jedoch keinen GdB. Eine erhebliche und außergewöhnliche Gehbehinderung hat der Sachverständige B ... verneint. Die Sachverständigen L .../H ... haben eine histrionische Persönlichkeitsstruktur mit Dramatisierung bezüglich der eigenen Person sowie Verlangen nach Anerkennung durch andere und daneben auch anankastische Persönlichkeitsanteile mit Perfektionismus, übermäßiger Gewissenhaftigkeit und Pedanterie beschrieben. Im Vordergrund stehe eine Somatisierungsstörung mit seit mehreren Jahren anhaltenden multiplen und unterschiedlichen körperlichen Symptomen (Wirbelsäulen-, Gelenkbeschwerden, Bauchbeschwerden, Kreislaufkollaps, allergische Reaktionen, vor allem auf Düfte, Schwindel, Herzrasen, brennende Augen, asthmatische Beschwerden, Übelkeit, Erbrechen), für die keine ausreichende somatische Erklärung gefunden worden sei. Begleitend habe sich im Laufe der Jahre eine rezidivierende, inzwischen lang anhaltende, chronifizierte schwere depressive Episode entwickelt mit bedrückter Stimmung, Interessenverlust, Freudlosigkeit und Verminderung des Antriebes sowie erhöhter Ermüdbarkeit und Aktivitätseinschränkung bereits nach nur kleinen Anstrengungen, z.B. durch Erledigung leichtester Hausarbeit. Begleitet werde die Symptomatik durch negative und pessimistische Zukunftsperspektiven, zeitweilig gestörten Schlaf, gestörten Appetit mit Gewichtsverlust und massive Einschränkung der sozialen und beruflichen Aktivitäten. Die Klägerin habe kaum noch bzw. nur telefonischen Kontakt auch zu nahen Angehörigen oder Freunden. Sie lebe nur in ihrem eigenen System. Der depressive Zustand erscheine durch das histrionische Verhalten verdeckt, sei aber dahinter in aller Deutlichkeit spürbar und bei exakter Exploration sehr eindrücklich. Für das psychiatrische Leiden sei ein GdB mit 80 anzunehmen. Der auf orthopädischem Fachgebiet festgestellte GdB von 10 führe zu keiner Erhöhung. Die Sachverständigen habe eine außergewöhnliche Gehbehinderung bejaht. Die Klägerin leide zwar nicht an einer organisch begründbaren Gehbehinderung im eigentlichen Sinne, sei also durchaus in der Lage zu laufen. Aufgrund der schweren psychischen Erkrankung, nämlich der Somatisierungsstörung, des schweren depressiven Leidens und der Antriebsminderung, sei sie dauerhaft nicht in der Lage, übliche Wegstrecken zurückzulegen, so daß dies einer Gehbehinderung von Querschnittsgelähmten oder anderen massiv Gehbehinderten gleichkomme. Ihre körperliche Belastbarkeit sei als äußerst gering einzustufen. Insgesamt könne sie allenfalls nur kurze Wegstrecken zurücklegen mit Entfernungen deutlich unter 2 km. Ergänzend haben die Sachverständigen ausgeführt, wenn man streng dem Gesetzestext folge, liege bei der Klägerin eine solche Beeinträchtigung, die einer Gehbehinderung von Querschnittsgelähmten oder anderen massiv Gehbehinderten gleichkomme, noch nicht dauerhaft vor. Es gäbe auch Tage, an denen es ihr besser gehe und sie nicht in dieser Art beeinträchtigt sei. Sicherlich liege auch keine organische Krankheit vor, die eine solche Einstufung rechtfertige. Dieses beschreibe jedoch gerade das Dilemma, in dem sich die Klägerin ohnehin befinde, daß sie selbst und viele der früher aufgesuchten Ärzte bei der Schwere der Erkrankung nach organischen Ursachen gesucht hätten und suchten und die Schwere der psychischen Störungen nicht berücksichtigten und dies der Gesetzgeber bisher auch nicht tue, so daß ihr aus dieser Sichtweise, die der Schwere der Erkrankung nicht gerecht werde, das Merkmal "aG" nicht zuerkannt werden könne.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Mit Urteil vom 25.02.1999 hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, einen GdB von 80 festzustellen und die auf die Feststellung des Nachteilsausgleichs "aG" gerichtete Klage abgewiesen. Für die psychische Erkrankung sei unter Berücksichtigung der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP), die für schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 80 bis 100 vorsähen, ein GdB von 80 gerechtfertigt. Eine außergewöhnliche Gehbehinderung hat das SG verneint, weil die Klägerin nicht zu dem in der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 46 Straßenverkehrsordnung (STVO) genannten Personenkreis gehöre und diesem auch nicht hinsichtlich der Gehfähigkeit gleichzusetzen sei. Dem psychiatrischen Sachverständigen sei insoweit nicht zu folgen, sondern der Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG), daß nicht allgemeine Erschwernisse, sondern nur die außergewöhnliche Behinderung beim Gehen, die Inanspruchnahme der begrenzt zur Verfügung stehenden Behindertenparkplätze rechtfertige.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Gegen das ihr am 26.03.1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14.04.1999 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung hat sie vorgetragen, sie könne außerhalb ihres Kraftfahrzeuges kurze Wegstrecken nur mit großer Anstrengung oder fremder Hilfe zurücklegen, somit sei von einer außergewöhnlichen Gehbehinderung auszugehen. Es lägen auch nicht nur allgemeine Erschwernisse beim Gehen vor, ebensowenig bloße Antriebsstörungen. Es handele sich bei ihr vielmehr um ein psychisches Leiden, das in seinen Auswirkungen denen einer ernsthaften organischen Erkrankung gleichkomme.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">das Urteil des SG Düsseldorf vom 26. Februar 1999 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 14. November 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Januar 1996 zu verurteilen, die gesundheitlichen Voraussetungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "außergewöhnliche Gehbehinderung" (Merkzeichen aG) festzustellen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26. Februar 1999 zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Er hat auf die Rechtsprechung des BSG verwiesen, wonach eine außergewöhnliche Gehbehinderung nur vorliege, wenn die Möglichkeit der Fortbewegung in einem hohen Maße eingeschränkt sei, wobei ausdrücklich auf die Behinderungen beim Gehen abzustellen sei. Die psychischen Leiden der Klägerin wirkten sich auf die Gehfähigkeit nicht funktional aus, so daß eine Gleichstellung mit dem in den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften genannten Personenkreis nicht in Betracht komme.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage, soweit diese auf die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" gerichtet war, abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 14.11.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.1996 beschwert die Klägerin insoweit nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Bescheid ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG".</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 4 Abs. 4 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) hat das Versorgungsamt die Voraussetzungen für diesen Nachteilsausgleich festzustellen und das Merkzeichen "aG" in den Schwerbehindertenausweis einzutragen (§ 3 Abs.1 Nr. 3 der Ausweisverordnung Schwerbehindertengesetz - SchwbAwV - i.v.m. § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz - StVG -). Wer als außergewöhnlich gehbehindert anzusehen ist, legt das Schwerbehindertenrecht nicht fest. Es verweist hierzu auf den durch straßenverkehrsrechtliche Vorschriften definierten Begriff. Danach ist außergewöhnlich gehbehindert, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Fahrzeuges bewegen kann. Hierzu zählen: Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsrechtlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, die dem vorstehend aufgeführten Personenkreis gleichzustellen sind (allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung - VwV - StVO vom 19.03.1992 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung - StVO -).</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Zu dem in der VwV - StVO - ausdrücklich genannten Personenkreis gehört die Klägerin nicht.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Sie ist diesem auch nicht gleichzustellen. Eine Gleichstellung setzt voraus, daß bei dem Behinderten, der die Anerkennung als außergewöhnlich Gehbehinderter anstrebt, in funktioneller Hinsicht eine Einschränkung vorliegt, die der Einschränkung entspricht, die bei dem ausdrücklich bezeichneten Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten regelmäßig vorliegt, d.h. er muß in seiner Gehfähigkeit ebenso eingeschränkt sein. Aus dem in der genannten Verwaltungsvorschrift enthaltenen Hinweis auf den "vorstehend angeführten Personenkreis" folgt, daß die Auswirkungen der bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen denen des genannten Personenkreises funktionell gleichzuachten sind. Der Leidenszustand muß also ebenfalls wegen einer außergewöhnlichen Behinderung beim Gehen die Fortbewegung auf das schwerste einschränken (BSG, Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 3/94 - in: SozR 3-3870 § 4 SchwbG Nr. 11; BSG, Urteil vom 17.12.1997 - 9 RVs 16/96 - in: SozR 3-3870 § 4 SchwbG Nr. 22). Der Klägerin muß der unausweisliche Fußweg zwischen einem ordnungsmäßig haltenden oder parkenden Fahrzeug und dem angestrebten Ziel in ähnlicher Weise außerordentlich schwerfallen wie den ausdrücklich genannten Personen. Dabei ist jedoch zu beachten, daß jede Ausweitung des Kreises der Berechtigten sich nachteilig auf den zu schützenden Personenkreis auswirken würde. Denn innerstädtische Parkflächen können nicht beliebig vermehrt werden. Im Interesse aller Verkehrsteilnehmer muß möglichst an deren Gleichberechtigung festgehalten werden (BSG, Urteil vom 29.01.1992 - 9 a RVs 4/90 in: br. 1992, Seite 91 ff.; BSG, Urteil vom 17.12.1997 aaO). Die geforderte gleichstarke Beeinträchtigung der Klägerin wie bei den in der VwV - StVO - aufgeführten Personen ist vorliegend nicht nachgewiesen. Die Klägerin ist durchaus in der Lage sich fortzubewegen. Der Sachverständige Baumgardt hat ihr Gangbild als normal ohne erkennbares Hinken beschrieben. Er hat auf seinem Fachgebiet lediglich degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit wiederkehrenden Reizerscheinungen festgestellt, die er mit einem GdB von 10 bewertet hat. Zu Bewegungen, die der Überprüfung des Fußbodenabstandes und der Schober und Ott schen Zeichen dienen sollten, sah sich die Klägerin außerstande. Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates hat der Sachverständige bei der von ihm vorgenommenen - passiven - Beweglichkeitsüberprüfung nicht festgestellt. Die Beweglichkeit der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke entsprach den in den AHP 1996 Nr. 8 (Seite 15) angegebenen normalen Bewegungsausmaßen. Die Behauptung der Klägerin, der Sachverständige habe die Überprüfung der Bewegungsfähigkeit "gegen den natürlichen Schmerzwiderstand mit Gewalt" durchgeführt und sie hätte wegen der bei der Untersuchung verursachten Brustwirbelblockierung mit Akkupunktur behandelt werden müssen, ist unerheblich. Denn daß die Klägerin ihre Gehwerkzeuge benutzen kann, wird auch von den Sachverständigen L .../H ... bestätigt, die die Klägerin jedoch aufgrund der bei ihr vorliegenden ausgeprägten Antriebsminderung und einer als äußerst gering einzustufenden körperlichen Belastbarkeit nur noch für in der Lage erachtet haben, allenfalls kurze Wegstrecken mit Entfernungen deutlich unter 2 km zurückzulegen. Derartige, durch psychische Leiden bedingte Störungen rechtfertigen die Gleichsetzung mit dem in der VwV - StVO - angeführten Personenkreis ebenfalls nicht. Denn diese Beeinträchtigungen bewirken nicht, daß die Beine und Füße die ihnen zukommende Funktion der Fortbewegung nicht oder nur unter besonderen Erschwernissen erfüllen (BSG, Urteil vom 17.12.1997 aaO). Abgesehen davon erfüllt eine "allenfalls kurze Wegstrecke mit Entfernungen deutlich unter 2 km", zu deren Zurücklegung die Sachverständigen L .../H ... die Klägerin noch für in der Lage erachtet haben, angesichts der Auffassung des BSG, eine Gehfähigkeit von 200 m reiche nicht aus (Beschluss vom 15.02.1995 - 9 BH Vs 1/94), nicht die Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung. Auch die Klägerin selbst hat vorgetragen, im Sommer 300 bis 500 m gehen zu können, sofern keine Allergene einwirkten.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Daß die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag bei schubweise auftretenden Schwindelzuständen, Kreislaufschwäche sowie Tetanieanfällen, mit denen sie jederzeit rechnen müsse, im Sommer bei Allergeneinwirkung und im Winter wegen der Kälte nicht in der Lage ist, auch nur kleine Entfernungen zurückzulegen, rechtfertigt die erforderliche Gleichstellung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG ebenfalls nicht.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Im Falle eines Behinderten, bei dem ein hirnorganisches Anfallsleiden als Funktionsstörung festgestellt worden war, hat das BSG (Urteil vom 29.01.1992 aaO) die dauernde Gefahr des Eintrittes einer außergewöhnlichen Gehunfähigkeit ein Fortbestehen derselben nicht gleichgeachtet. Gefährdungen dieser Art bestünden bei zahllosen Behinderten mit hirnorganischen Anfallsleiden sowie bei unzähligen Personen mit anderen Erkrankungen, die gelegentlich zu einem anfallsartigen Zusammenbruch führten. Diese Personen könnten die notwendigen Strecken zwischen dem vorschriftsmäßig abgestellten Kraftfahrzeug und ihrem jeweiligen Ziel zurücklegen, wenn auch manche unter Umständen mit gewissen Mühen. Wenn die Parkvergünstigung auf sie ausgedehnt würde, widerspräche das dem dargelegten Zweck der Ausnahmegenehmigung. Falls einmal unmittelbar vor oder nach Verlassen eines Kraftfahrzeuges ein Anfall aufträte und Gehunfähigkeit verursachte, bestünde ein Notfall, der nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu einem straffreien Abweichen von der für alle Verkehrsteilnehmer bestehenden Parkregelung berechtigte.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Berufung konnte nach alledem kein Erfolg haben.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 192, 193 SGG.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Nach § 192 kann das Gericht einem Beteiligten, der durch Mutwillen dem Gericht Kosten verursacht hat, diese ganz oder teilweise auferlegen. Mutwillen eines Beteiligten liegt vor, wenn er die Erfolglosigkeit weiterer Prozeßführung kennt und entgegen seiner besseren Einsicht von weiterer Rechtsverfolgung nicht Abstand nimmt (Vgl. dazu BSG, Urteil vom 19.06.1961 - 3 RK 67/60 - in: SozR Nr. 4 zu § 192 SGG; BSG, Urteil vom 14.08.1986 - 2 BU 39/86 - in: HV - Info 1986, 1516 - 1519). Auch derjenige, der eine mit Nachweisen belegte Rechtsauffassung durch ein Rechtsmittel bekämpft, ohne die Nachweise auch nur zur Kenntnis zu nehmen, handelt mutwillig (BSG, Beschluss vom 14.08.1992 - 9 b BAR 14/92 -).</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Hier hat der Senat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, weil die Klägerin trotz Einsicht in die Erfolglosigkeit der Prozeßführung auf der weiteren Rechtsverfolgung bestanden hat. Mit der Klägerin sind die Sach- und Rechtslage sowie die einschlägigen Entscheidungen des BSG eingehend erörtert worden. Ihr ist mitgeteilt worden, daß und weshalb ihre Berufung keinen Erfolg haben und die Revision nicht zugelassen werden würde. Der Senat hat aufgrund des Verhaltens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Überzeugung gewonnen, daß sie, die als Rechtspflegerin beruflich tätig war, die Erfolglosigkeit der Prozeßführung nach Beratung mit ihrer Prozeßbevollmächtigten eingesehen und entgegen dieser Einsicht von der weiteren Rechtsverfolgung keinen Abstand genommen hat. Sachgerechte Gründe für ihr Verhalten hat sie nicht angegeben, so daß die Fortführung des Streitverfahrens nur als mutwillig angesehen werden kann. Deswegen ist die Anwendung des § 192 SGG geboten. Die Gemeinschaft der Steuerzahler ist von einer mißbräuchlichen Ausnutzung der grundsätzlichen Kostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens zu schützen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Zu den Kosten, die einem Beteiligten nach § 192 SGG auferlegt werden können, gehören auch die Kosten der Gerichtshaltung, die bei sachgerechtem Verhalten der Klägerin vermieden worden wären.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Da es sich insoweit um eine Schadensersatzregelung handelt, kann ihre Höhe nach § 202 SGG i.V.m. § 287 Zivilprozeßordnung geschätzt werden (BSG, Urteil vom 14.08.1986 a.a.O.; Schleswig-Holsteinisches LSG, SGb 1980, 309, 310 mit Anmerkung von Hommel 314). Die Senatsberatung, Urteilsverkündung und -begründung, die weitere richterliche und verwaltungsmäßige Bearbeitung, Urteilsabsetzung, Herstellen und Zustellen der Urteilsausfertigungen sowie die Abschlußarbeiten der Geschäftsstelle verursachen zusätzliche Aufwendungen, deren tatsächliche Höhe erheblich über dem vorsorglich auf 700,00 DM begrenzten Teilbetrag liegt (vgl. dazu Urteil des LSG NRW vom 11.11.1987 - L 12 Ar 158/85 - m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die übrige Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Revision war nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).</p>
|
114,346 | olgk-1999-09-08-5-u-3599 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 5 U 35/99 | 1999-09-08T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:35 | 2019-02-11T10:39:12 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1999:0908.5U35.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 01.02.1999 - 9 O 218/98 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne
Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage - mit zutreffender Begründung - zu
Recht abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Aktivlegitimation der Klägerin ist in zweiter Instanz unter
den Parteien nicht mehr umstritten; jedenfalls ist die Beklagte
hierauf im Rahmen ihrer Berufungserwiderung nicht mehr konkret
eingegangen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">In der Sache selbst greifen die formalen Rügen der Klägerin
nicht durch. Erst nach Durchführung der Beweisaufnahme hat der
Zeuge N. mit Faxschreiben nebst persönlichem Anschreiben weitere
Behandlungsunterlagen dem Gericht übersandt, ohne dass die Klägerin
diese zum Gegenstand ihres Vortrages gemacht hätte. Einer
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bedurfte es deshalb
nicht.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Im übrigen hat das Landgericht in der Sache zu Recht
entschieden, dass die Klägerin den Nachweis dafür, dass die seitens
des Zeugen N. durchgeführte umfängliche zahnprothetische Versorgung
medizinisch erforderlich war, nicht geführt hat. Eine solche
medizinische Erforderlichkeit ergibt sich auch nicht aus den von
der Klägerin nunmehr in zweiter Instanz zum Gegenstand ihres
Berufungsvorbringens gemachten, seitens des Zeugen N. eingereichten
Behandlungsunterlagen, wobei es insoweit keiner Beweisaufnahme
durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens
bedarf.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Aus diesen Unterlagen (Bl. 181-209 d.A.) ergeben sich nämlich
gegenüber dem erstinstanzlichen Vorbringen und den dort bereits
vorliegenden Unterlagen keine durchgreifenden neuen Gesichtspunkte,
die zu einer weitergehenden Beweisaufnahme Veranlassung geben
könnten.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Im wesentlichen beinhalten diese Unterlagen Funktionsanalysen
und deren Auswertung, aus welchen sich mit Deutlichkeit ergibt,
dass Behandlungsziel der gesamten Behandlung in erster Linie die
"Entfernung von Metallen" war.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber beinhalten die Unterlagen keinerlei
Röntgenaufnahmen oder aber Bissabformungen oder sonstige konkrete
Unterlagen dazu, dass und aufgrund welcher Umstände der Zahnarzt N.
Veranlassung hätte haben können, von einer schleichenden
Palladiumvergiftung der Beklagten auszugehen und vor diesem
Hintergrund eine komplette zahnprothetische Neuversorgung
durchzuführen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Soweit die Klägerin insbesondere in zweiter Instanz darauf
abgestellt hat, die umfängliche Neuversorgung sei insbesondere
deshalb erforderlich gewesen, weil bei der Beklagten eine
Karieslage gegeben gewesen sei und außerdem Inlays herausgefallen
seien, so hat bereits der erstinstanzliche Sachverständige hierzu
spezifiziert und nachvollziehbar dargetan, dass jedenfalls nach den
vom Zeugen N. durchgeführten Maßnahmen überhaupt keine konkreten
Anhaltspunkte für eine Karies und auch nicht für eine
Erneuerungsbedürftigkeit der Gebisssituation erkennbar waren, wobei
ohnehin schon überaus fragwürdig erscheint, ob eine Karieslage
Veranlassung für eine komplette Neuversorgung geben kann. Hätte bei
der Beklagten tatsächlich eine derart massive Karies vorgelegen, so
wäre diese auch als solche behandlungsbedürftig gewesen. Den
gesamten vorgelegten Unterlagen sind jedoch nicht die geringsten
Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass tatsächlich eine
unmittelbare Kariesbehandlung durchgeführt worden ist. Unstreitig
ist eine solche jedenfalls nicht in Rechnung gestellt worden, und
es sprechen überhaupt keine vernünftigen und nachvollziehbaren
Gesichtspunkte dafür, dass ein Zahnarzt durchgeführte
Behandlungsmaßnahmen dem Patienten nicht in Rechnung stellt. Dass
insoweit eine Liquidierung erfolgt ist, hat der Zeuge N. und hat
insbesondere auch die Klägerin selbst nicht behauptet, sondern
vielmehr eingeräumt, dass eine Kariesbehandlung nicht abgerechnet
worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Soweit Inlays herausgefallen sein sollten, so ist dem Senat aus
einer Reihe von Fällen mit entsprechendem Behandlungsgegenstand
bekannt, dass solche Inlays entweder jeweils einzeln wieder
eingefügt oder aber neu erstellt werden können, ohne dass hiernach
ein Behandlungsumfang in Richtung auf eine komplette Neuversorgung
erforderlich ist.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Was die weiteren vorliegenden Behandlungsunterlagen des
Zahnarztes N. anbetrifft, so beschränken diese sich im wesentlichen
auf eine Anamnese, ohne dass diese, jedenfalls soweit aus den
vorliegenden Unterlagen ersichtlich ist, durch eigene konkrete
Feststellungen des Zahnarztes verifiziert worden wäre. Der Zeuge N.
hat es ersichtlich verabsäumt, die Gebisssituation nach der erst
ca. zwei Jahre vorher erfolgten Neuversorgung in einer Weise zu
dokumentieren, die geeignet wäre, Rückschlüsse auf deren Qualität
zu ziehen. Gerade wenn die Vorversorgung mangelhaft und umfänglich
erneuerungsbedürftig gewesen wäre, hätte es überaus nahegelegen,
dies in einer nachvollziehbaren Weise in den Behandlungsunterlagen
kenntlich zu machen. Dies ist jedoch gerade nicht geschehen. Die
von der Klägerin insbesondere auch in der mündlichen Verhandlung
vor dem Senat hervorgehobene "Umkringelung" mehrerer Zähne in dem
formularmäßigen Zahnschema als Hinweis auf diesbezügliche sichtbare
Karies, reicht in keiner Weise aus, um insoweit eine umfängliche
Behandlungsbedürftigkeit darzutun, zumal in keiner Weise erkennbar
ist, dass diese angemerkte Karies "auf Sicht" überhaupt tatsächlich
vorgelegen hat. Soweit ferner darauf hingewiesen worden ist, es
habe der Verdacht bestanden, dass auch weitergehende, nicht auf
Sicht erkennbare Karies vorhanden gewesen sei, ist auch diese
Vermutung aus den Behandlungsunterlagen in keiner Weise
nachvollziehbar und in geeigneter Weise dokumentiert, so dass auch
insoweit eine umfängliche Behandlungsbedürftigkeit in keiner Weise
ersichtlich ist.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die von dem Zeugen N. vorgelegten, farblich ersichtlich
verfälschten Fotos bieten nach den in jeder Hinsicht überzeugend
erscheinenden Ausführungen des erstinstanzlichen Sachverständigen
insbesondere auch anlässlich seiner mündlichen Anhörung vor der
Kammer des Landgerichts keine hinreichende Grundlage für
diesbezügliche Erkenntnisse und wären demzufolge auch für eine
weitere Begutachtung durch einen Sachverständigen unergiebig.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Insoweit greift auch die Rüge der Klägerin, was die
Vorgehensweise des erstinstanzlichen Sachverständigen anbetrifft,
nicht. Unstreitig hat dieser den Zeugen N. mit Schreiben vom
15.10.1998 aufgefordert, ihm im einzelnen aufgeführte
Behandlungsunterlagen zu übermitteln. Wenn statt dessen der Zeuge
dem Sachverständigen nur eine eigene Beurteilung der
Behandlungssituation übermittelte und die angeforderten
Behandlungsunterlagen nicht beifügte, so hatte der Sachverständige
keine Veranlassung, insoweit weiter nachzufragen; vielmehr konnte
und musste er davon ausgehen, dass entweder bei dem Zeugen N. keine
weiteren Unterlagen vorhanden waren oder aber dieser nicht willens
war, diese vorzulegen. Ersichtlich diente das Schreiben des Zeugen
N. nur dazu, dem Sachverständigen die eigene Sicht der Dinge des
Zeugen N. zu vermitteln, ohne dies durch eigene
Behandlungsunterlagen in ausreichendem Maße zu dokumentieren. Schon
vor diesem Hintergrund aber auch angesichts des Umstandes, dass die
nunmehr vorliegenden Behandlungsunterlagen überhaupt keine neuen
Gesichtspunkte erbringen, erübrigte sich eine weitere
Beweisaufnahme durch Einholung eines weiteren
Sachverständigengutachtens.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Eine Vernehmung des behandelnden Arztes, des Zeugen N., zur
Frage der Indikation und Mangelhaftigkeit bzw. Mangelfreiheit
seiner Arbeit kommt nicht in Betracht, jedenfalls dann nicht,
soweit diese Frage der medizinischen Erforderlichkeit der
durchgeführten Behandlung grundsätzlich durch ein
Sachverständigengutachten geklärt werden kann und zu klären ist.
Gerade dies ist aber bereits in erster Instanz mit einem für die
Klägerin negativen Ergebnis erfolgt, ohne dass im
Berufungsverfahren neue, zu einer weiteren Beweisaufnahme
Veranlassung gebende Umstände aufgezeigt und durch
Behandlungsunterlagen belegt worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Klägerin war deshalb mit der Kostenfolge des §
97 ZPO zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht
auf §§ 708 Ziffer 10, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Berufungsstreitwert und Wert der Beschwer der Klägerin:
22.059,68 DM.</p>
|
114,347 | olgk-1999-09-08-13-u-4299 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 13 U 42/99 | 1999-09-08T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:35 | 2019-02-11T10:39:13 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1999:0908.13U42.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 4. Februar 1999 - 18 O 148/98 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>Entscheidungsgründe</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Klägerin wendet sich im Ergebnis ohne Erfolg
dagegen, daß das Landgericht die von der Klägerin mit 18.440,55 DM
geltend gemachte - streitige - Restwerklohnforderung bereits daran
hat scheitern lassen, daß die Klägerin auf weitergehende Ansprüche
wirksam verzichtet hat. Die Restwerklohnforderung der Klägerin ist
jedenfalls mit der Einlösung des zweiten Schecks über 15.000,00 DM,
den die Beklagten ihr mit Schreiben vom 12.03.1998 übersandt haben,
erloschen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><ol class="absatzLinks">
<li>Die Berufung rügt allerdings mit Recht, daß das angefochtene
Urteil auf verfahrensfehlerhafter Grundlage ergangen sei. Das
Landgericht hätte nicht ohne Vernehmung des Bauleiters T.
entscheiden dürfen; jedenfalls hätte es sich durch Nachfrage
vergewissern müssen, wenn es die im Haupttermin zu Protokoll
genommene Erklärung des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, "auf
den Zeugen T. für diese Instanz nicht verzichten" zu wollen, nicht
als gegenbeweisliche Benennung dieses Zeugen verstehen zu müssen
glaubte.</li>
</ol>
<span class="absatzRechts">4</span><ol class="absatzLinks" type="a">
<li>Die Beklagten hatten bereits mit Schriftsatz vom 18.08.1998 auf
eine Vernehmung des von ihnen für die Vereinbarung vom 29.01.1998
als Zeuge benannten Bauleiters T. verzichtet, sofern dem Gericht
die urkundenbeweisliche Verwertung des Protokolls über die
Vernehmung dieses Zeugen im einstweiligen Verfügungsverfahren vor
derselben Kammer (allerdings in anderer Besetzung) genüge. Der
Zeuge wurde daraufhin durch prozeßleitende Verfügung zum
Haupttermin geladen (unter Anforderung eines entsprechenden
Kostenvorschusses der Beklagten). Da er nicht zum Termin erschienen
ist, erging gegen ihn ein Ordnungsmittelbeschluß. Nach vergeblichen
Vergleichsbemühungen des Gerichts wies der Prozeßbevollmächtigte
der Klägerin auf das gegen den Geschäftsführer der Klägerin
anhängige, auf eine Anzeige der Beklagten wegen Abgabe einer
falschen eidesstattlichen Versicherung im einstweiligen
Verfügungsverfahren beruhende Ermittlungsverfahren (11 Js 359/98
StA Bonn) hin und beantragte die Aussetzung des Zivilrechtsstreits
wegen Vorgreiflichkeit jenes Ermittlungsverfahrens. Als die Kammer
daraufhin in Aussicht stellte, über den Aussetzungsantrag "in einem
gesonderten Termin - ggfls. auch in einem Urteil" zu entscheiden,
kam es zu der Erklärung des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin,
auf den Zeugen T. nicht verzichten zu wollen.</li>
<li>Unter diesen Umständen ist bereits die Annahme der Kammer
verfehlt, der Bauleiter T. sei von den Beklagten nicht mehr als
Zeuge für die von ihnen behauptete Vereinbarung vom 29.01.1998
benannt und damit nicht mehr als Beweismittel in das Verfahren
eingebracht. Die Erklärung der Beklagten, auf eine Vernehmung des
Zeugen vor dem Prozeßgericht zu verzichten, falls das Gericht den
Beweis bereits aufgrund urkundenbeweislicher Verwertung als
erbracht ansehe, ist kein Verzicht auf den Zeugen i.S.d. § 399 ZPO,
sondern lediglich ein Verzicht auf die Unmittelbarkeit der
Beweisaufnahme (§ 355 Abs.1 ZPO) unter hilfsweiser
Aufrechterhaltung des Zeugenbeweisangebotes. Die Erklärung des
Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, nicht auf den Zeugen
verzichten zu wollen, wäre sinnlos, wenn man sie nicht als
gegenbeweisliche Benennung des Zeugen verstehen würde. Der
urkundenbeweislichen Verwertung konnte die Klägerin nicht
widersprechen und hat sie auch nicht widersprochen, so daß sich die
Frage, ob ein solcher Widerspruch allein bereits als
(gegenbeweislicher) Antrag auf Vernehmung des Zeugen zu verstehen
wäre (verneinend z.B. BGH VersR 1970, 322) oder jedenfalls dem
Gericht gemäß § 139 Abs.1 ZPO Veranlassung zu einer Nachfrage geben
müßte (so z.B. OLG Köln, VersR 1993, 1366), nicht stellt. Da
prozessuale Erklärungen grundsätzlich so auszulegen sind, daß sie
einen Sinn ergeben, wäre unter den dargestellten Umständen eine
klarstellende Nachfrage des Gerichts unabweisbar geboten gewesen,
wenn die Kammer die Erklärung des Prozeßbevollmächtigten der
Klägerin nicht eindeutig als konkludenten Antrag auf Vernehmung des
Zeugen ansah.</li>
</ol>
<span class="absatzRechts">5</span><ol class="absatzLinks" start="2">
<li>Einer Beweisaufnahme zu der strittigen Vereinbarung vom
29.01.1998 bedarf es indessen deshalb nicht, weil sich die Klägerin
jedenfalls aufgrund der Einlösung des ihr mit Einschreiben der
Beklagten vom 12.03.1998 übersandten zweiten Schecks über 15.000,00
DM so behandeln lassen muß, als habe sie diese Vereinbarung
nachträglich bestätigt.</li>
</ol>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">In ihrem Schreiben vom 12.03.1998 haben
die Beklagten erneut - wie schon zuvor mit Schreiben vom 11.02.1998
- aus ihrer Sicht das Ergebnis des Gesprächs vom 29.01.1998
dargestellt. Weiter heißt es in jenem Schreiben: "<i>Den ersten
Teil unserer vereinbarten Ratenzahlung erfüllten wir durch die
Zahlung vom 29. Januar 1998. Zum Ausgleich der zweiten Teilzahlung
und somit Abschluß unseres Vergleichs erhalten Sie anliegend einen
Verrechnungsscheck in Höhe von DM 15.000. Hiermit sind alle
gegenseitigen Forderungen mit Ausnahme derer aus
Gewährleistungsansprüchen erfüllt und ausgeglichen, was auch Sie
durch Annahme dieses Schecks und dessen Einlösung noch einmal
ausdrücklich bestätigen"</i>.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Klägerin hat zwar durch
Antwortschreiben ihres Geschäftsführers vom 13.03.1998 erklärt,
weiterhin auf der Begleichung ihrer Gesamtforderung zu bestehen.
Das schließt es aus, die Einziehung des Schecks im Sinne einer
Bestätigung der von den Beklagten behaupteten Vereinbarung oder als
Annahme eines in dem Schreiben der Beklagten zu sehenden
Vergleichsangebotes zu deuten. Eine andere Frage ist es, ob sich
die Klägerin nicht aufgrund ihres Verhaltens jedenfalls so
behandeln lassen muß, als sei ein solcher Vergleich oder
Erlaßvertrag zustande gekommen. Dies ist unter den vorliegenden
Umständen zu bejahen:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><ol class="absatzLinks" type="a">
<li>Aus dem Schreiben der Beklagten ergab sich unmißverständlich,
daß die Klägerin von dem beigefügten Scheck nur Gebrauch machen
durfte, wenn sie akzeptierte, daß damit alle gegenseitigen
Forderungen mit Ausnahme derer aus Gewährleistungsansprüchen
erfüllt und ausgeglichen sind. Der Empfänger eines solchen
Schreibens verhält sich mit der Einlösung des Schecks grundsätzlich
nur dann rechtmäßig und redlich, wenn er auch die Voraussetzungen
akzeptiert, an die der Absender sie geknüpft hat (vgl. BGH NJW-RR
1986, 415; BGH NJW 1990, 1656). Ausweislich seines Schreibens vom
13.03.1998, das auf das Schreiben der Beklagten vom 12.03.1998
Bezug nimmt, hat der Geschäftsführer der Klägerin dessen Inhalt zur
Kenntnis genommen. Er muß sich daher dessen bewußt gewesen sein,
daß er den Scheck nur annehmen und einlösen durfte, wenn er die
hieran im Schreiben der Beklagten geknüpfte Bedingung akzeptierte.
Die Erklärung eines gegenteiligen Willens gleicht der Abgabe einer
Willenserklärung unter dem geheimen Vorbehalt, sie solle nicht
gelten, und ist daher entsprechend § 116 BGB rechtlich unbeachtlich
(so auch BGH NJW-RR 1986, 415 und OLG Hamm, NJW-RR 1998, 1662). Im
Ergebnis gleich bleibt es, wenn man das Erklärungsverhalten des
Geschäftsführers der Klägerin als sog. "protestatio facto
contraria" (Verwahrung gegen die Deutung des eigenen Verhaltens als
Willenserklärung bestimmten Inhalts) dem Anwendungsbereich des §
242 BGB zurechnet und deshalb die Klägerin so behandelt, als sei
der Vergleich (oder Erlaßvertrag) zustande gekommen (in BGH NJW-RR
1987, 937 ist dies nur deshalb verneint worden, weil die
Scheckübersendung dort mit einem Angebot zum Abschluß eines
Treuhandvertrages verbunden war und es nicht vertretbar erschien,
den Empfänger unter Berufung auf Treu und Glauben "in die Pflichten
eines Treuhandvertrages hineinzuzwingen").</li>
<li>Es liegen hier keine Umstände vor, welche die Annahme
rechtfertigen können, daß die Klägerin unbewußt in eine sog.
"Erlaßfalle" heineingelockt worden ist, wie sie unter Ausnutzung
der oben angeführten BGH-Rechtsprechung zunehmend von "pfiffigen"
Schuldnern aufgebaut wurde, um sich durch Scheckübersendungen mit
völlig unrealistischen Vergleichsangeboten, die in krassem
Mißverhältnis zu unstreitigen oder gar titulierten Forderungen des
Gläubigers standen, von ihrer Schuld "freizutricksen" (E.
Schneider, "Der Trick mit dem Scheck", MDR 1999, 195 f.; OLG
München, MDR 1998, 1236; OLG Dresden, WM 1999, 488 m.w.Nachw.).
Unstreitig hatte hier am 29.01.1998 eine Verhandlung zwischen den
Parteien - in Anwesenheit des Bauleiters T. - stattgefunden mit dem
Ziel einer Einigung über die noch offenen Restwerklohnforderungen
der Klägerin. Unstreitig ist auch, daß der Geschäftsführer der
Klägerin hierbei durchaus zu einem - dem Umfang nach allerdings
streitigen -Nachlaß unter Einschluß der angekündigten
Nachtragsforderungen bereit war. Auf die Mahnung der Klägerin vom
09.02.1998 über eine Restforderung in Höhe von 15.965,31 DM aus den
beiden Hauptrechnungen vom 30.12.1997 (nach Abzug des Schecks vom
29.01.1998) haben die Beklagten mit Schreiben vom 11.02.1998 das
"Ergebnis unserer Vereinbarung vom 29. Januar 1998" wie folgt
festgehalten:</li>
</ol>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">"1. eine angemessene Reduzierung der
Schlußzahlung auf insgesamt 30.000 DM</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">2. Zahlung in zwei Raten, und zwar</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">a) sofort 15.000 DM</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">b) bis spätestens in drei Monaten -
ohne jegliche Zinsvereinbarung - die restlichen 15.000 DM</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Nachdem wir die erste Rate fristgemäß
geleistet haben und seit unserem Gespräch noch keine 14 Tage
vergangen sind, ist uns Ihr vorbezeichnetes Mahnschreiben völlig
unverständlich........ Wir gehen daher davon aus, daß Ihnen ein
Versehen unterlaufen ist."</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Klägerin hat hierauf kommentarlos
mit weiteren Mahnungen und der Erteilung einer Zusatzrechnung vom
28.02.1998 reagiert. Die Beklagten haben hierzu in dem bereits oben
auszugsweise zitierten Schreiben vom 12.03.1998 angemerkt:</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">"Ihre aktuellen Rechnungslegungen, die
wenig bis nichts mit unserer Vereinbarung zu tun haben, werden wir
im Sinne unseres Vergleichs unbeachtet lassen. Abschließend dürfen
wir vielleicht noch erwähnen, daß unser Architekt uns davon abriet,
diesen Kompromiß mit ihnen einzugehen, weil er der Meinung ist, daß
wir mit der versprochenen und hiermit auch geleisteten Zahlung
(immerhin insgesamt 50.050 DM) zuviel Entgegenkommen bewiesen
hätten, weil ihre tatsächlich gerechtfertigte Forderung doch
deutlich unter der Gesamtsumme zurückbliebe. Da aber der Sinn eines
Kompromisses wohl immer der ist, daß beide Seiten aufeinander
zugehend "etwas dazu tun" und zur Vermeidung eines Streits
beitragen, haben wir diesen Rat nicht befolgt, vielmehr den
Kompromiß geschlossen und ihn auch gehalten. Nun ist es an Ihnen,
dies auch zu tun und sich an unsere ebenso gerechtfertigte wie
beweisbare Vereinbarung zu halten."</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Beklagten handelten damit aus ihrer
unmißverständlich dargelegten Sicht vertragskonform. Wenn die
Klägerin dem widersprechen wollte, dann durfte sie redlicherweise
auch den ausschließlich zur Erfüllung dieser Vereinbarung unter der
Voraussetzung ihrer Bestätigung übersandten Scheck der Beklagten
nicht einlösen. Als Folge ihres widersprüchlichen Verhalten ist
daher unabhängig davon, ob tatsächlich am 29.01.1998 die von den
Beklagten behauptete Vereinbarung zustande gekommen war, mit der
Einlösung des zweiten Schecks über 15.000,00 DM die
Restwerklohnforderung der Klägerin insgesamt erloschen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><ol class="absatzLinks" start="3">
<li>Aus den vorstehenden Gründen muß es im Ergebnis bei der
Abweisung der Klage verbleiben.</li>
</ol>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Gemäß § 97 Abs.1 ZPO hat die Klägerin
auch die Kosten der Berufung zu tragen. Die verfahrensfehlerhafte
Handhabung des Landgerichts gibt dem Senat keine Veranlassung zu
einer Anordnung nach § 8 Abs.1 S.1 GKG, weil nicht davon
ausgegangen werden kann, daß allein diese
Verfahrensfehlerhaftigkeit die Klägerin zu der Berufung veranlaßt
hat.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Streitwert der Berufung und Beschwer der Klägerin durch dieses
Urteil: 18.440,55 DM.</p>
|
114,348 | ovgnrw-1999-09-07-2-a-174897 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 2 A 1748/97 | 1999-09-07T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:35 | 2019-02-12T13:54:19 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0907.2A1748.97.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Antrag hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Kläger berufen sich zunächst auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des
angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Sie machen hierzu geltend, dem Kläger zu 1) könne die Eintragung der
russischen Nationalität in seinem Inlandspaß nicht entgegengehalten werden, weil er
zum Zeitpunkt der Eintragung noch nicht geschäftsfähig gewesen sei und wegen der
von ihm zu befürchtenden schlechten Behandlung der deutschen Volkszugehörigen
beim Militärdienst von einer freiwilligen Entscheidung keine Rede sein könne. Dieses
Vorbringen rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. In der Rechtsprechung ist
geklärt, daß die bei Ausstellung des ersten Inlandspasses abgegebene Erklärung
nicht deshalb unwirksam ist, weil der Betreffende zu diesem Zeitpunkt erst 16 Jahre
alt ist. Die nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BVFG erforderliche Erklärungsfähigkeit richtet
sich grundsätzlich nach dem Recht des Herkunftsstaats. Dies beruht darauf, daß es
letztlich auf die Sicht der Behörden des Aussiedlungsgebiets ankommt, ob jemand
aufgrund einer bestimmten Erklärung den von allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen
betroffenen oder deren Nachwirkungen ausgesetzten Volksdeutschen oder aber
einer anderen Volksgruppe zugerechnet wird.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 1995
- 9 C 391.94 -, DVBl. 1996, 198, 200 = BVerwGE 99,
133.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Im Zulassungsantrag ist auch nicht dargelegt, daß der Kläger zu 1) im Sinne des
§ 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum nicht abgeben
mußte, weil es mit Gefahr für Leib und Leben oder schwerwiegenden beruflichen
oder wirtschaftlichen Nachteilen verbunden gewesen wäre. Die Befürchtung einer
"schlechten Behandlung der deutschen Volkszugehörigen im Militär" reicht hierfür
nicht aus. Die Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes stünde nicht im Einklang mit
der völkerrechtsfreundlichen Haltung des Grundgesetzes, die vor allem Achtung vor
fremden Rechtsordnungen und Rechtsanschauungen fordert. Sowohl die Präambel
und die Art. 1 Abs. 2, 24 und 25 GG als auch die das Verfassungssystem der
Bundesrepublik Deutschland insgesamt kennzeichnenden Prinzipien des Pluralismus
und der Toleranz lassen erkennen, daß das Grundgesetz die Rechtsordnung anderer
Staaten respektiert, soweit dies nicht gegen den völkerrechtlich verbindlichen und
kraft Art. 25 GG zu beachtenden Mindeststandard oder gegen andere
Verfassungsgrundsätze, insbesondere Grundrechte verstößt.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NW, Beschluß vom 12. Juni 1997
- 2 A 3404/94 -; OVG NW, Urteil vom 24. Oktober
1996 - 22 A 408/94 - mit weiteren Nachweisen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Es ist nicht ersichtlich, daß die Ableistung des Wehrdienstes in der ehemaligen
Sowjetunion bzw. in Rußland gegen allgemeine Regeln des Völkerrechts oder gegen
andere im Grundgesetz enthaltene Verfassungsgrundsätze verstößt. Daß die
Ableistung des Wehrdienstes durch den Kläger zu 1) als deutscher Volkszugehöriger
mit Gefahr für Leib und Leben verbunden gewesen wäre (§ 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG),
ist nicht dargetan. Wenn es hierzu in der Antragsschrift heißt, "daß deutsche
Volkszugehörige dort nur für die niedersten Arbeiten eingesetzt und oft von
Vorgesetzten und Kameraden malträtiert werden," bedeutet das noch keine Gefahr
für Leib und Leben. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Kläger vertreten weiter die Auffassung, daß der Kläger zu 1) auch die
Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG erfülle, weil er nach den
Aussagen der Zeugen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht
"sehr wohl deutschsprachig aufgewachsen" sei und es nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 13. Juni 1995 - 9 C 392/94 -) auf deutsche
Sprachkenntnisse ohnehin nicht ankomme.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Auch damit werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen
Urteils nicht dargelegt. Abgesehen davon, daß schon das Fehlen der
Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BVFG den Entscheidungsanspruch
trägt und Zweifel bestehen können, ob das Verwaltungsgericht sein Urteil auch auf
das Fehlen von Bestätigungsmerkmalen im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG
gestützt hat, bezieht sich das von den Klägern zitierte Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts auf die bis zum 31. Dezember 1992 geltende
Rechtslage. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG in der seit dem 1. Januar 1993
geltenden Fassung wäre der Kläger zu 1) nur dann deutscher Volkszugehöriger,
wenn ihm die Eltern, ein Elternteil oder andere Verwandte bestätigende Merkmale,
wie Sprache, Erziehung, Kultur, vermittelt haben. Dabei besteht zwischen dem
Bestätigungsmerkmal Sprache einerseits und den Bestätigungsmerkmalen
Erziehung und Kultur andererseits ein sehr enger innerer Zusammenhang, weil Basis
für die Erziehung eines Kindes sowie die Vermittlung einer bestimmten Kultur
regelmäßig die Sprache ist. Daher können deutsche Erziehung und deutsche Kultur
in einer ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum bestätigenden Weise ohne eine
gleichzeitige Vermittlung der deutschen Sprache als Muttersprache oder bevorzugte
Umgangssprache nur unter besonderen Umständen vermittelt werden.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 1996
- 9 C 8.96 -, DVBl. 1997, 897 = BVerwGE 102, 214;
BVerwG, Urteil vom 4. November 1997 - 9 C 36.96 -,
S. 9 f. des Urteilsabdrucks.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Da derartige besondere Umstände in der Antragsschrift nicht dargelegt sind,
kommt es auf die Vermittlung der deutschen Sprache an. Unter Sprache im Sinne
dieser Bestimmung ist grundsätzlich die deutsche Sprache als Muttersprache oder
als bevorzugte Umgangssprache zu verstehen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Vgl. zuletzt BVerwG, Beschluß vom 27. April
1999 - 5 B 42.99 -.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Als Muttersprache kann die deutsche Sprache regelmäßig dann angesehen
werden, wenn sie in frühester Kindheit von den Eltern oder sie ersetzenden
Bezugspersonen primär durch Nachahmung erworben und bis zur Selbständigkeit so
vertieft worden ist, daß sie auch im Erwachsenenalter entsprechend der Herkunft und
dem Bildungsstand als die dem Betreffenden eigentümliche Sprache umfassend
beherrscht wird.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 1998
- 9 C 4.97 -.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Als bevorzugte Umgangssprache ist die deutsche Sprache anzusehen, wenn sie
jemand wie eine Muttersprache spricht, ihr gegenüber den sonstigen von ihm
beherrschten Sprachen im persönlich-familiären Bereich den Vorzug gegeben und
sie damit in diesem Bereich regelmäßig überwiegend gebraucht hat.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 1996
- 9 C 8.96 -, DVBl. 1997, 897 = BVerwGE 102,
214.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Danach ist Deutsch weder die Muttersprache noch die bevorzugte
Umgangssprache des Klägers zu 1). In der Antragsschrift werden Sprachkenntnisse
in dem o.g. Umfang nicht behauptet. Die Mutter des Klägers hat in ihrer - auch in der
Antragsschrift in Bezug genommenen - Aussage vor dem Verwaltungsgericht
vielmehr ausgeführt: "Wir haben zu Hause halb russisch halb deutsch gesprochen.
Alle meine Kinder konnten deutsch sprechen, wenn auch nicht gut." Dann kann
Deutsch jedoch nicht Muttersprache oder bevorzugte Umgangssprache des Klägers
zu 1) im häuslichen Bereich gewesen sein.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen
schließlich auch nicht insoweit, als das Verwaltungsgericht eine Einbeziehung der
Kläger in den Aufnahmebescheid der Mutter des Klägers zu 1) abgelehnt hat. Da die
Mutter des Klägers zu 1) bereits im Juni 1992 endgültig nach Deutschland
übergesiedelt ist, ist sie Aussiedlerin (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG), nicht jedoch
Spätaussiedlerin geworden. Denn die Spätaussiedlereigenschaft kann nach § 4
Abs. 1 BVFG nur bei einem Verlassen der Aussiedlungsgebiete nach dem
31. Dezember 1992 erworben werden. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist
geklärt, daß die zum 1. Januar 1993 durch das Gesetz zur Bereinigung von
Kriegsfolgengesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl. I S. 2094, geschaffene
Einbeziehungsmöglichkeit nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG bzw. § 27 Abs. 2
2. Alternative BVFG nur für den Personenkreis der Spätaussiedler gilt. Für
Abkömmlinge solcher Personen, die vor dem 1. Januar 1993 das Aussiedlungsgebiet
verlassen haben und damit zu dem von § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG erfaßten
Personenkreis der Aussiedler gehören, ist hingegen das bis zum 31. Dezember 1992
geltende Recht maßgebend. Dieses gab einem Abkömmling keinen Anspruch auf
Einbeziehung in einen Aufnahmebescheid.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Beschluß vom 9. März 1999
- 5 B 83.99 -; BVerwG, Beschluß vom 27. April 1999
- 5 B 42.99 -.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Eine Pflicht des Bundesverwaltungsamtes, die Mutter des Klägers zu 1) und den
Kläger zu 1) selbst auf die Änderung der Rechtslage zum 1. Januar 1993 und die
seitdem bestehende Einbeziehungsmöglichkeit hinzuweisen, bestand schon aus
tatsächlichen Gründen nicht. Die Mutter des Klägers zu 1) hält sich bereits seit dem
25. Juni 1992 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Der Gesetzentwurf der
Bundesregierung für das am 1. Januar 1993 in Kraft getretene
Kriegsfolgenbereinigungsgesetz ist jedoch erst am 7. September 1992 beim
Bundestag eingebracht worden.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Vgl. Bundestagsdrucksache 12/3212 vom
7. September 1992.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Daraus folgt gleichzeitig, daß die Rechtssache "wegen der erforderlichen
Festsetzung der Hinweispflichten und wegen der Festlegung der zeitlichen Grenzen
der Geltung der Einbeziehungsvorschriften" auch keine grundsätzliche Bedeutung im
Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO iVm § 100
Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts ergeht gemäß §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1
und 3 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124 a Abs. 2 Satz 3
VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,349 | ovgnrw-1999-09-07-19-b-151299 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
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"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 19 B 1512/99 | 1999-09-07T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:36 | 2019-02-12T13:54:19 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0907.19B1512.99.00 | <span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der zulässige Antrag auf Zulassung der Beschwerde ist
begründet, weil an der Richtigkeit der Entscheidung des
Verwaltungsgerichts, das dem Antrag der Antragstellerin, </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">die Antragsgegnerin im Wege der
einstweiligen Anordnung zu
verpflichten, dem Beigeladenen die
Stelle des Schulleiters des R. -
Gymnasiums in S. vorläufig nicht
zu übertragen,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">stattgegeben hat, die geltend gemachten ernstlichen Zweifel
im Sinne von § 146 Abs. 4 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - bestehen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Zutreffend macht die Antragsgegnerin geltend, daß
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung sich
daraus ergeben, daß das Verwaltungsgericht zu Unrecht das
Vorliegen eines Anordnungsgrundes für eine Sicherungsanordnung
im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO bejaht hat. Es spricht
Überwiegendes dafür, daß die Annahme des Verwaltungsgerichts,
die Ausübung des Vorschlagsrechts der Antragstellerin werde
wesentlich erschwert, wenn die Antragstellerin nicht schon die
Übertragung der Stelle an den Beigeladenen verhindern könnte,
unzutreffend ist, weil ausweislich des Schreibens der
Antragsgegnerin vom 6. Juli 1999 an den Beigeladenen derzeit
jedenfalls keine endgültige Übertragung des Dienstpostens
eines Schulleiters am R. -Gymnasium beabsichtigt ist,
und daß deshalb der für einen Anspruch auf Erlaß einer
einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsgrund fehlt.
Hierfür sind folgende Erwägungen maßgebend: </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 21 a Abs. 1 des Schulverwaltungsgesetzes - SchVG -
hat die Antragstellerin als Trägerin des R. -Gymnasiums
das Vorschlagsrecht für die Besetzung der Schulleiterstelle.
Durch Verfügung vom 10. Mai 1999 hat zunächst die
Antragsgegnerin als Schulaufsichtsbehörde und durch weitere
Verfügung vom 30. Juli 1999 sodann das Ministerium für Schule
und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes
Nordrhein-Westfalen als oberste Schulaufsichtsbehörde die
Stelle aus zwingenden dienstlichen Gründen im Sinne von § 21 a
Abs. 4 SchVG in Anspruch genommen. Gegen diesen ihr gegenüber
ergangenen Verwaltungsakt des Ministeriums, der an die Stelle
der Entscheidung der Antragsgegnerin vom 10. Mai 1999 getreten
ist, hat die Antragstellerin Klage beim Verwaltungsgericht
Aachen (9 K 1872/99) erhoben, der mangels Anordnung der
sofortigen Vollziehung gemäß § 80 VwGO aufschiebende Wirkung
zukommt.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Vgl. zum Verfahren
Oberverwaltungsgericht für das Land
Nordrhein-Westfalen (OVG NW), Beschluß
vom 22. August 1996 - 19 B 1541/96 -.
</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Maßnahmen der Antragsgegnerin, die die Durchsetzung der
Rechte der Antragstellerin aus § 21 a Abs. 1 SchVG im
Hauptverfahren erschweren könnten, waren weder zum Zeitpunkt
der Entscheidung des Verwaltungsgerichts noch sind sie zum
Zeitpunkt der Entscheidung des Senats zu befürchten. Das folgt
aus dem Schreiben der Antragsgegnerin an den Beigeladenen vom
6. Juli 1999, durch das dieser (nur) beauftragt wird, ab
2. August 1999 vorübergehend die Aufgaben eines Schulleiters
am R. -Gymnasium in S. wahrzunehmen, und in dem
zugleich ausdrücklich bestimmt ist, daß aus dieser
kommissarischen Beauftragung keine Rechte auf die endgültige
Zuweisung dieses Einsatzortes hergeleitet werden könnten.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der vorliegende Fall ist deshalb nicht mit dem
vergleichbar, der der auch vom Verwaltungsgericht zitierten
Entscheidung des Senats vom 22. August 1996 - 19 B 1541/96 -
zugrundelag und in dem der Senat einen Anordnungsgrund im
Hinblick darauf bejaht hat, daß die Verwirklichung des
Vorschlagsrechts der Schulträgerin wesentlich erschwert werden
würde, wenn sie nicht schon die Übertragung der Stelle an den
Beigeladenen verhindern, sondern erst gegen dessen Versetzung
vorgehen könnte. In dem damals entschiedenen Fall hatte die
Antragsgegnerin verkannt, daß nach der Neuregelung des
Vorschlagsrechts des Schulträgers durch § 21 a SchVG die
Inanspruchnahme der Stelle durch die (oberste)
Schulaufsichtsbehörde ein Verwaltungsakt ist, dem gegenüber
Rechtsbehelfe grundsätzlich aufschiebende Wirkung haben. Sie
hatte deshalb schriftsätzlich ausdrücklich erklärt, daß sie
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die
Entscheidung nach § 21 a Abs. 4 SchVG nicht akzeptieren und
dem damaligen Beigeladenen die Stelle des Schulleiters im Wege
der Versetzung übertragen werde (vgl. Beschlußabdruck S. 6).
Der Senat hat deshalb in dem damaligen Verfahren einen
Anordnungsgrund für einen Antrag auf Verpflichtung der
Antragsgegnerin, dem Beigeladenen vorläufig nicht die Stelle
des Schulleiters zu übertragen, bejaht, weil dieser
Rechtsschutz von einfacheren Voraussetzungen abhängt als ein
etwaiger Rechtsschutz gegen eine Versetzungsentscheidung.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NW, aaO., Beschlußabdruck
S. 6 f.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Vorliegend droht aber eine die aufschiebende Wirkung der
Anfechtungsklage mißachtende Versetzung bzw. eine endgültige
Dienstpostenübertragung</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">vgl. zu den Problemen des
Rechtsschutzes gegen eine
Dienstpostenvergabe OVG NW, Beschluß
vom 30. August 1985 - 1 B 319/85 -,
NVwZ 1986, 773; OVG Saarland, Beschluß
vom 10. April 1989 - 1 W 7/89 -, DÖV
1989, 947</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">gerade nicht, wie aus dem oben wiedergegebenen Inhalt des
Schreibens der Antragsgegnerin vom 6. Mai 1999 folgt. Um die
(endgültige) Übertragung der Schulleiterstelle an den
Beigeladenen durch ein einfacheres Mittel, als es ein
Rechtsmittel gegen die Versetzungsentscheidung bzw. die
endgültige Dienstpostenübertragung wäre, zu verhindern, bedarf
es vorliegend keines vorläufigen Rechtsschutzes, da die Klage
gegen die Entscheidung gemäß § 21 a Abs. 4 SchVG aufschiebende
Wirkung hat und weder zum Zeitpunkt der Entscheidung des
Verwaltungsgerichts noch zum Zeitpunkt der Entscheidung des
Senats Anhaltspunkte dafür bestanden haben bzw. bestehen, daß
die Antragsgegnerin die aufschiebende Wirkung mißachten und
dem Beigeladenen die Schulleiterstelle bereits endgültig
übertragen wird. Andere einen Anordnungsgrund begründende
Umstände sind weder vorgetragen noch ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Ist die Beschwerde nach alledem bereits gemäß § 124 Abs. 2
Nr. 1 VwGO wegen ernstlicher Zweifel an der Glaubhaftmachung
eines Anordnungsgrundes zuzulassen, kann offenbleiben, ob
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des
Verwaltungsgerichts sich auch aus den Ausführungen der
Antragsgegnerin zum Fehlen eines Anordnungsanspruchs ergeben
oder ob die Voraussetzungen für die Zulassung gemäß § 124
Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO wegen der von der Antragsgegnerin
geltend gemachten rechtlichen Schwierigkeiten bzw.
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Das Antragsverfahren wird als Beschwerdeverfahren
fortgesetzt; der Einlegung einer Beschwerde bedarf es nicht
(§ 146 Abs. 6 Satz 2 iVm § 124 a Abs. 2 Satz 4 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,350 | olgham-1999-09-07-15-w-17399 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 15 W 173/99 | 1999-09-07T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:36 | 2019-02-14T10:23:14 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0907.15W173.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>G r ü n d e </u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Erblasser ist unverheiratet und kinderlos verstorben. Die Beteiligte zu 1) ist seine Mutter; der Vater des Erblassers ist vorverstorben. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Erblasser errichtete zu notarieller Urkunde vom 24.11.1997 (UR-Nr. 287/1997 Notar N in G) ein Testament, dessen Eingang lautet: </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">"Der Erschienene vermochte nach seinen Angaben und nach der Überzeugung des Notars nicht hinreichend zu sprechen. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Der Erschienene wurde darauf hingewiesen, daß zu der Beurkundung ein zweiter Notar oder ein Zeuge hinzugezogen werden soll, es sei denn, daß der Erschienene darauf verzichtete. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Der Erschienene verzichtete auf die Hinzuziehung eines zweiten Notars oder eines Zeugen. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Der Erschienene war ausweislich seines persönlichen Eindrucks und der mit ihm geführten Unterhaltung nach meiner Überzeugung zweifelsfrei unbedenklich testierfähig. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Er Erschienene erklärte seinen Letzten Willen mündlich wie folgt."</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">In seinen nochfolgenden letztwilligen Verfügungen setzte der Erblasser die Beteiligte zu 2) zu seiner alleinigen Erbin ein und ordnete Vermächtnisse für einzelne Vermögensgegenstände an. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Neben der vorgenannten notariellen Urkunde hat das Amtsgericht eine von dem Erblasser niedergeschriebene und unterschriebene Erklärung vom 25.11.1997 eröffnet, die lautet: </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">"Ich möchte auf See bestattet werden. Ich bitte meine Erbin, Frau I, ..., meine Bestattung auf See auszurichten. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Ich bitte meinen Kameraden, Herrn E ... meiner Erbin bei der Ausrichtung meiner Bestattung auf See behilflich zu sein."</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligte zu 1) hat zu notarieller Urkunde vom 20.05.1998 die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie auf Grund gesetzlicher Erbfolge als Alleinerbin ausweisen soll. Zur Begründung hat sie im wesentlichen geltend gemacht, das notarielle Testament des Erblassers sei gemäß § 2233 Abs. 3 BGB unwirksam, weil er zum Zeitpunkt der Beurkundung sprechunfähig gewesen sei. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligte zu 2) ist dem Erbscheinsantrag entgegengetreten. Sie hält das Testament für wirksam. Jedenfalls sei in der schriftlichen Erklärung des Erblassers vom 25.11.1997 eine erneute Erbeinsetzung zu sehen. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat die Beteiligte zu 2) sowie den Urkundsnotar als Zeugen vernommen. Ferner hat es eine schriftliche Zeugenaussage des Arztes für Allgemeinmedizin E aus G eingeholt, der den Erblasser ärztlich betreut hat. Dieser hat bekundet, der Erblasser habe sich nach einer im November 1996 erfolgten operativen Entfernung des Kehlkopfes sprachlich nicht mehr verständigen können. Seines Wissens habe er weder über ein entsprechendes Sprachgerät (elektronischer Kehlkopf) verfügt noch habe er die Ösophagus-Ersatzstimme (Speiseröhrenstimme) beherrscht. Die Verständigung mit ihm, dem Zeugen, sei stets schriftlich erfolgt. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 02.02.1999 angekündigt, den beantragten Erbschein zu erteilen, falls nicht bis zum 05.03.1999 Beschwerde eingelegt werde. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen Beschluß hat die Beteiligte zu 2) mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 05.02.1999 Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat die Sache mit den Beteiligten am 23.03.1999 erörtert und durch Beschluß vom selben Tag die Bescherde der Beteiligten zu 2) zurückgewiesen. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2), die sie mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 22.04.1999 bei dem Landgericht eingelegt hat. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligte zu 1) beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 2) folgt bereits daraus, daß ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG). </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 2) ausgegangen. Die Rechtsmittelfähigkeit des vom Amtsgericht erteilten Vorbescheides ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. BGHZ 20, 255; Keidel/Winkler, FG, 14. Aufl., § 84 Rdnr. 2). </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Auch die Sachentscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung stand. </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, daß das notarielle Testament vom 24.11.1997 nicht formwirksam errichtet ist. Nach § 2233 Abs. 3 BGB kann ein Erblasser ein formgültiges Testament nicht - wie es hier geschehen ist - durch mündliche Erklärung, sondern nur durch Übergabe einer Schrift errichten, wenn er (entweder) nach seinen eigenen Angaben oder nach der Überzeugung des Notars nicht hinreichend zu sprechen vermag. Ein Erblasser vermag dann hinreichend zu sprechen, wenn er seinen letzten Willen in der Lautsprache verständlich machen kann, wenn er lautlich Worte bilden kann, die von den mitwirkenden Personen verstanden werden (BGHZ 2, 172 = DNotZ 1952, 175). Dabei genügt es für die rechtswirksame Errichtung eines öffentlichen Testaments durch mündliche Erklärung, daß die Urkundsperson einen Testamentsentwurf vorliest und der Erblasser auf ihre Frage, ob das Verlesene seinem letzten Willen entspreche, mit "ja" antwortet. Damit ist jedoch die Grenze dessen erreicht, was aus Gründen der Klarheit und Sicherheit im Rechtsleben in Kauf genommen werden kann. Wer nur unartikuliert lallen und die Sprache überhaupt nicht mehr gebrauchen, sich allein durch Zeichen oder Gebärden ausdrücken kann, vermag nicht hinreichend zu sprechen und kann deshalb durch mündliche Erklärung das Testament nicht wirksam errichten. Unschädlich ist es allerdings, wenn ein Erblasser sprachliche Erklärungen zu einzelnen Punkten durch Zeichen oder Gebärden unterstützten oder ersetzen muß (BGHZ 37, 79 = NJW 1962, 1149; BayObLGZ 1968, 268 = DNotZ 1969, 301; MK/BGB/Burkart, 3. Aufl., § 2233 Rdnr. 10). </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde ist für die Beschränkung der Testiermöglichkeit nach § 2233 Abs. 3 BGB nicht die tatsächliche Sprechunfähigkeit des Erblassers maßgebend. Vielmehr kommt es, wie sich schon aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut ergibt, darauf an, ob der Erblasser angibt, nicht hinreichend sprechen zu können, oder ob der Notar davon überzeugt ist, daß er dies nicht kann. Dabei ist ein Irrtum des Notars bei der Überzeugungsbildung unschädlich. Ergibt sich aus der notariellen Urkunde entweder die Angabe des Erblassers, nicht sprechen zu können, oder die Überzeugungsbildung des Notars von der Sprechunfähigkeit des Erblassers, so kann diese Feststellung nicht durch späteren Ermittlungen des Gerichts ersetzt werden. Möglich ist allenfalls der Beweis, daß der Notar die sich aus der Urkunde ergebende Überzeugung in Wahrheit nicht gehabt habe (RGZ 108, 397, 402; OLG Köln MittRhNotK 1995, 269, 271; Senatsbeschluß vom 26.07.1989 15 W 72/89 -; MK/BGB/Burkart, aaO, § 2233 Rdnr. 11; Staudinger/Firsching, BGB, 12. Auflage, § 2233 Rdnr. 10; Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, 2. Auflage, § 2233 BGB Rdnr. 24). Diese Grundsätze, die im Wortlaut des Gesetzes deutlich zum Ausdruck kommen, finden ihre Rechtfertigung darin, daß es im Interesse der Rechtssicherheit beim oft lange nach der Errichtung des Testaments ausgetragenen Streit über seine Formwirksamkeit nicht auf die schwer aufzuklärenden Voraussetzungen der tatsächlichen Sprechunfähigkeit, sondern auf die regelmäßig leichter und sicherer festzustellenden Angaben des Erblassers oder die Überzeugungsbildung des Notars ankommen soll. </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob der Eingang der notariellen Urkunde bei einer zusammenhängenden Würdigung die Feststellung der Überzeugungsbildung des Notars enthält, der Erblasser könne nicht sprechen. Denn die in die notarielle Urkunde dazu aufgenommenen Angaben sind in nicht nachvollziehbarer Weise in sich widersprüchlich, indem es einerseits eingangs heißt, der Erblasser vermöge nach der Überzeugung des Notars nicht hinreichend zu sprechen, während der anschließende Text der Urkunde dahin lautet, der Erblasser habe dem Notar mündlich seinen Willen wie nachfolgend erklärt (vgl. dazu OLG Köln MDR 1994, 806 = BWNotZ 1996, 16). Ausschlaggebend ist hier, daß die notarielle Urkunde die weitergehende Feststellung enthält, der Erblasser vermöge <u>nach seinen eigenen Angaben</u> nicht hinreichend zu sprechen. Bereits diese Erklärung des Erblassers schloß - wie bereits ausgeführt - für sich alleingenommen die Beurkundung eines Testaments durch mündliche Erklärung nach § 2233 Abs. 3 BGB aus, ohne daß noch eine eigene Prüfungsbefugnis des Urkundsnotars bestand. </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die durch die Anwendung der Vorschrift eintretende Rechtsfolge der Formunwirksamkeit des Testaments verstößt entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2) auch nicht gegen die Erbrechtsgarantie des Artikel 14 GG. Die von der weiteren Beschwerde herangezogene jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1999, 1853) betrifft ausdrücklich nur den Fall einer Doppelbehinderung des Erblassers, der sowohl sprech- als auch schreibunfähig war und dem deshalb nach den gesetzlichen Vorschriften des BGB die Möglichkeit zur Errichtung einer letztwilligen Verfügung verwehrt war. Hier verhält es sich demgegenüber so, daß der Erblasser entsprechend dem Gesetzeswortlaut des § 2233 Abs. 3 BGB ohne weiteres noch ein notarielles Testament errichten konnte, nämlich in der Form der Übergabe einer Schrift; daneben stand ihm noch die Möglichkeit der Errichtung eines privatschriftlichen Testamentes gemäß §§ 2247 BGB zur Verfügung. Es geht hier deshalb lediglich darum, daß der Notar bei der Wahrnehmung seiner Amtspflichten dem Erblasser nicht den richtigen Weg zur Errichtung eines formwirksamen Testaments gewiesen hat. Die Unwirksamkeit eines Testaments infolge der Verletzung der vorgeschriebenen Form nimmt das Gesetz ausdrücklich hin. Die nachteiligen Folgen für die im Testament bedachten Personen müssen in anderer Weise ausgeglichen werden. </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Zu Recht hat das Landgericht in der schriftlichen Erklärung des Erblassers vom 25.11.1997 nicht ein privatschriftlich errichtetes Testament gesehen, weil der Erblasser dieses Schriftstück nicht mit Testierwillen errichtet habe. Es entspricht einhelliger Rechtsprechung, daß die Feststellung des Testierwillens auf der Grundlage der Auslegungsvorschrift des § 133 BGB, nicht jedoch derjenigen des § 2084 BGB zu erfolgen hat (BayObLGZ 1970, 173; NJW-RR 1989, 1092; Palandt/Edenhofer, aaO, § 2247 Rdnr. 3). Ein Fall, in dem eine analoge Anwendung des § 2084 BGB erwogen werden mag, insbesondere bei Zweifeln, ob eine rechtsgeschäftliche Verfügung als solche unter Lebenden oder als letztwillige Verfügung gewollt ist (vgl. Palandt/ Edenhofer, § 2084 , a.a.O., Rdnr. 16), liegt nicht vor. Denn hier ist bereits zweifelhaft, ob der Erblasser überhaupt eine rechtsgeschäftliche Verfügung über sein Vermögen treffen wollte. Dies hat das Landgericht mit rechtlich nicht zu beanstandenen Ausführungen verneint. Die Kammer hat insbesondere darauf hingewiesen, der Erblasser habe nach dem Gesamtinhalt seiner Erklärung vom 25.11.1997 lediglich Anordnungen für seine Beerdigung treffen wollen. Die Bezeichnung der Beteiligten zu 2) als "meine Erbin" beruhe auf dem Zusammenhang mit dem am Tag zuvor errichteten notariellen Testament, in dem er die Beteiligte zu 2) zu seiner Erbin eingesetzt habe. Ferner habe der Erblasser, wie das notarielle Testament vom Vortrag zeige, neben der Erbeinsetzung auch Vermächtnisse anordnen wollen. Auch dies spreche dagegen, daß er eine Erklärung vom 25.11.1997 als Testament habe verstanden wissen wollen. </p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Diese Erwägungen sind rechtlich in keiner Richtung zu beanstanden. Die Erklärung des Erblassers vom 25.11.1997 betrifft inhaltlich ersichtlich lediglich die Totenfürsorge, mit der er die Beteiligte zu 2) beauftragt hat, weil er sie anderweitig in dem Testament vom Vortag als Erbin eingesetzt hatte. Eine Umdeutung dieser Erklärung in ein Testament, wie sie der weiteren Beschwerde entsprechend dem Rechtsgedanken des § 140 BGB vorschwebt, scheitert bereits daran, daß die Anordnung des Erblassers für die Totenfürsorge nicht etwa unwirksam ist und zudem als Ergebnis einer Umdeutung das Ersatzgeschäft in seinen rechtlichen Wirkungen nicht weiterreichen darf als das (gedacht) unwirksame Rechtsgeschäft (BGHZ 19, 269, 275; Palandt/Heinrichs, aaO, § 140 Rdnr. 6). Es liegt deshalb auf der Hand, daß eine Anordnung des Erblassers für die Totenfürsorge nicht in eine rechtsgeschäftliche letztwillige Verfügung über sein Vermögen umgedeutet werden kann. </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde folgt aus der zwingenden Vorschrift des § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO. </p>
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114,351 | lsgnrw-1999-09-07-l-6-v-4198 | {
"id": 799,
"name": "Landessozialgericht NRW",
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<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Streitig ist die Höhe des Berufsschadensausgleichs (BSA) nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der im September 1918 geborene Kläger hat nach dem Besuch der Oberschule (bis zur 10. Klasse) eine Lehre als Sparkassenbuchhalter erfolgreich abgeschlossen. Bereits vor dem Wehrdienst war er ab 1937 als Sparkassenangestellter tätig und hat nach der Entlassung aus der Deutschen Wehrmacht im Jahre 1942 zunächst in P ... und später in S ... wieder als Sparkassenbuchhalter gearbeitet. Nach der Vertreibung wurde er 1946 als Angestellter bei der Kreissparkasse B ... eingestellt und im Mai 1956 - zwischen zeitlich war er zum stellvertretenden Leiter der Wechselinkassoabteilung aufgestiegen - in das Beamtenverhältnis übernommen. Am 30. September 1979 schied er als Sparkassenoberamtsrat (Besoldungsgruppe A 13) aus dem Beamtenverhältnis aus. Seit Oktober 1979 bezieht er neben seinen Versorgungsbezügen eine Altersrente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA). Zur Steigerung der BfA-Altersrente hatte er von seinem Recht zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge Gebrauch gemacht und im Juni 1968, im Dezember 1972 und im Mai 1973 Beiträge für die Zeit von Juni 1956 bis Dezember 1972 (Monatsbeitrag jeweils 85,00 oder 90,00 DM) nachentrichtet, und in der Folgezeit laufend bis zum Ausscheiden aus dem Erwerbsleben freiwillige Beiträge entrichtet, so dass alle Monate, in denen aufgrund des Beamtenverhältnisses Versicherungsfreiheit bestand, mit einem Monatsbeitrag belegt sind. Außerdem hatte er für das zweite Halbjahr 1967 Beiträge zur Höherversicherung entrichtet.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Wegen der Folgen eines während des Kriegsdienstes erlittenen Lungenleidens bezog der Kläger bis zum Ende seines Erwerbslebens Ver sorgungsbezüge nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v.H. (Bescheid vom 23. Oktober 1951), der nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben auf 100 v.H. angehoben worden ist (Bescheide vom 18. März 1987 und 01. März 1990).</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Nach Abschluss eines vorangegangenen Rechtsstreits hat der Beklagte ihm BSA nach einem Vergleichseinkommen (VE) der Besoldungsgruppe A 13, Dienstaltersstufe 14, des Bundesbesoldungsgesetzes bewilligt (Bescheid vom 05. April 1995, worin eine Berechnung für den Zeitraum bis einschließlich Juni 1990 erfolgt ist). Nach den Berechnungen des Beklagten ergab sich ein - geringfügiger - Zahlbetrag indes nur für die Monate Mai 1982 und Juli bis September 1983; im übrigen ergab sich kein Zahlbetrag, weil das derzeitige Bruttoeinkommen (dB), nämlich die Versorgungsbezüge und die BfA- Altersrente, unter Berücksichtigung der Anrechnung nach § 30 Abs. 8 Satz 1 BVG (jetzt: § 30 Abs. 13 Satz 1 BVG) das VE überstieg.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, es könne nicht die gesamte BfA-Rente als dB angerechnet werden, da dieser auch freiwillige Beiträge zugrunde lägen. Diese seien nicht durch Abzüge vom Gehalt, sondern aus Mitteln seiner "KB-Rente" sowie aus Zuwendungen seiner Schwiegereltern gezahlt worden. Der Beklagte lehnte eine Ausklammerung des auf freiwilligen Beiträgen beruhenden Rentenanteils unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ab, da die Beiträge für Zeiten des Erwerbslebens entrichtet worden seien (Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 1995).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit seiner im November 1995 eingegangenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf Gewährung eines - höheren - BSA weiter verfolgt und weiter behauptet, die freiwilligen Beiträge seien eindeutig nicht aus seinen Erwerbseinkünften sondern zum größten Teil aus seiner "KB-Rente" und aus Unterstützungsleistungen seiner Schwiegereltern, die zwischenzeitlich verstorben seien, gezahlt worden; Quittungen oder sonstige Belege existierten naturgemäß nicht. Zur Bestätigung seines Vorbringens hat er eine schriftliche Erklärung seiner Ehefrau vorgelegt, wonach sein Sparkassengehalt nicht ausgereicht habe, freiwillige Beiträge nachzuentrichten; die Zahlungen seien daher aus Zuwendungen ihrer Eltern mit dem Zweck einer ausreichenden Absicherung im Alter erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Während des Klageverfahrens hat das beklagte Land einen weiteren Bescheid zur Berechnung des BSA für den Zeitraum von Juli 1990 bis August 1996 erteilt, wonach sich aber sowohl nach der bisherigen Berechnung als auch nach der - neu ins Gesetz eingeführten - Nettoberechnung kein Zahlbetrag ergab (Bescheid vom 02. Juli 1996).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 05.04.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.1995 zu verurteilen, bei der Ansetzung der BfA- Rente im Rahmen der Berechnung des Berufsschadensausgleiches den Rentenanteil nicht zu berücksichtigen, der auf freiwilligen Beiträgen und Beiträge zur Höherversicherung beruht.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das beklagte Land hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Es hat seine Entscheidung weiter für zutreffend gehalten. Auch die Erklärung der Ehefrau beweise nicht, dass die freiwilligen Beiträge nicht aus Einkünften aus Erwerbstätigkeit geleistet worden seien.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, weil die Altersrente der BfA auch insoweit zu berücksichtigen sei, als sie auf freiwilligen Beiträgen beruhe. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG aus dem Jahre 1980 liege keine Ausnahmekonstellation vor, bei der der Anteil der Rente, der auf freiwilligen Beiträgen beruht, nicht zu berücksichtigen sei. (Urteil vom 05. Juni 1998, den Bevollmächtigten des Klägers am 23. Juli 1998 zugestellt).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Mit seiner am 17. August 1998 eingegangenen Berufung hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Das SG habe die Rechtsprechung des BSG falsch ausgelegt. Der Kläger habe die hierin aufgestellte Vermutung, dass während aktiver Erwerbstätigkeit entrichtete frei willige Beiträge Zahlungen aus Erwerbseinkommen seien, dadurch widerlegt, dass er diese Beiträge tatsächlich aus seiner Kriegsbeschädigtenrente und aus Zuwendungen seiner Schwiegereltern gezahlt habe. Im übrigen sei er während seines gesamten Erwerbslebens durch die Schädigungsfolgen beeinträchtigt und am Fortkommen gehindert gewesen. Ohne die Schädigungsfolgen hätte er wahrscheinlich vorzeitig in den Vorstand einer größeren Bank oder Sparkasse wechseln können.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 05. Juni 1998 abzuändern und das beklagte Land unter Abänderung des Bescheides vom 04. Mai 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 1995 sowie des Bescheides vom 02.07.1996 zu verurteilen, bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs den Anteil seiner BfA- Rente außer Betracht zu lassen, der auf der Entrichtung von freiwilligen Beiträgen und Beiträgen zur Höherversicherung beruht.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Das beklagte Land beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Es hält das angefochtene Urteil für zutreffend.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Wegen der Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakten des beklagten Landes (B-Akten, Grundlisten-Nr.: ...), der Vorprozeßakten des Sozialgerichts D ... (Az.: S 2 V 9/89) sowie auf die beigezogenen Akten der Sparkasse B ... und der BfA Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist, wie das SG zu Recht entschieden hat, durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert, § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Diese Bescheide sind nicht rechtswidrig, weil das beklagte Land hierin zu Recht errechnet hat, dass sich für den hier streitigen Zeitraum ab Februar 1980 ein - höherer - Zahlungsanspruch nicht ergibt, §§ 30 Absätze 3 und 4 BVG, 9 Abs. 1 Ziffer 1, Abs. 2 Ziffer 2 Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV). Denn entgegen der Auffassung des Klägers sind bei der Bemessung des dB die Rentenanteile, die auf freiwilligen Beiträgen beruhen, nicht außer Betracht zu lassen, da sich nicht feststellen läßt, dass der Kläger diese Beiträge nicht - auch nicht mittelbar - aus Einkünften aus einer Erwerbstätigkeit entrichtet hat, § 9 Abs. 2 Ziffer 2 BSchAV.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide vom 05. April 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 1996 sowie vom 02. Juli 1996, wobei dieser in entsprechender Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist, weil er über den streitigen Anspruch für einen Folgezeitraum entscheidet.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist durch diese Bescheide auch formell beschwert.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Obwohl der Bescheid vom 05. April 1995 in Ausführung des Urteils des SG Detmold vom 12. Oktober 1993 ergangen ist, enthält er da neben eine eigenständige Regelung, durch die sich eine zusätzliche Beschwer ergibt. Denn anders als das Urteil, das den Anspruch auf BSA lediglich dem Grunde nach (§ 130 Satz 1 SGG) regelt, enthält der Bescheid vom 05. April 1995 - wie auch derjenige vom 02. Juli 1996 - zusätzlich Regelungen zur Höhe des Anspruchs. Nur soweit sich der Kläger hiergegen wendet, ist eine materielle Prüfung seines Begehrens möglich. Soweit lediglich das Urteil ausgeführt wird, ist bereits die Möglichkeit einer Beschwer nicht erkennbar, weil die Ausführung zutreffend erfolgt ist.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Daraus folgt, dass der Kläger in diesem Verfahren nicht mit Erfolg erneut behaupten kann, er hätte ohne die Schädigungsfolgen einen weitergehenden beruflichen Aufstieg genommen. Denn aufgrund des rechtskräftigen Urteils im Vorprozeß steht zwischen den Beteilig ten fest, dass der Berufsweg des Klägers bis zum 30. September 1979 auch ohne die Schädigungsfolgen wahrscheinlich nicht anders verlaufen wäre. Dies folgt daraus, dass als VE dasjenige Einkommen zugrunde gelegt wurde, das der Kläger tatsächlich vor seinem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben auch erzielt hat. Der Anspruch auf BSA besteht damit - nur - wegen schädigungsbedingten vorzeitigen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben. Aufgrund dieser Konstellation und der Höhe des nach dem Ausscheiden erzielten Einkommens aus früherer unselbständiger Tätigkeit kann damit der vom Kläger geltend gemachte Anspruch realistischerweise nur für die Zeit bis September 1983 (Vollendung des 65. Lebensjahres) in Betracht kommen, weil das VE spätestens zu diesem Zeitpunkt zwingend auf 75 v.H. abzusenken ist, § 8 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 BSchAV. Für die Zeit ab Oktober 1983 errechnete sich danach selbst dann kein Einkommensverlust, wenn die BfA-Rente nur zu weitaus weniger als der Hälfte berücksichtigt würde.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Aber auch für den Zeitraum bis September 1983 errechnet sich kein - höherer - BSA, weil sich zur Überzeugung des Senats nicht feststellen läßt, dass ein Anteil der BfA-Rente auf freiwilligen</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Beiträgen beruht, die der Kläger nicht - auch nicht mittelbar - aus Einkünften aus eigener Erwerbstätigkeit entrichtet hat, § 9 Abs. 2 Ziffer 2 BSchAV in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 1984 (BGBl. I, S. 861 ff.). Dabei kann offenbleiben, ob diese nach den Urteilen des BSG von 1980 (BSG Urteil vom 29.10.1980, Az. 9 RV 12/80, in Der Versorgungsbeamte (VersorgB) 1981, 47 [Ls]; BSG SozR 3100 § 30 Nr. 52 = Breithaupt 1981, 794 ff. = Die Sozialgerichtsbarkeit (Sgb) 1982, 167 ff.) in Kraft getretene Gesetzesfassung die konkrete gesetzgeberische Umsetzung dieser Urteile darstellt (so Wilke-Förster, Soziales Entschädigungsrecht, Handkommentar, 7. Auflage 1992, § 30 Rdnr. 75) oder ob eine eigenständige weiterreichende Ausnahmeregelung beabsichtigt war (so wohl Rohr-Sträßer, Bundesversorgungsrecht mit Verfahrensrecht, Handkommentar, 6. Auflage, Stand September 1998, § 30 BVG, K 134). Sofern man die Vorschrift im Lichte der o.g. Rechtsprechung des BSG auslegt, wie es das SG getan hat, kann ein Rentenanteil schon deshalb nicht von der Anrechnung auf das dB ausgenommen werden, weil die freiwilligen Beiträge während der Zeit des Erwerbslebens für Zeiten des Erwerbslebens entrichtet wurden und allein deshalb als durch Erwerbseinkommen erzielt gelten; es kommt dann nicht mehr darauf an, woher die konkreten Geldbeträge geflossen sind (BSG, Urteil vom 29.10.80, S. 6).</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Aber auch wenn man der Auffassung des Klägers folgend nur eine Auslegungsregel und damit eine widerlegbare Vermutung annimmt, kann der auf freiwilligen Beiträgen beruhende Rentenanteil nicht außer Betracht bleiben, weil dem Kläger der Nachweis, dass es sich nicht - auch nicht mittelbar - um Einkommen aus Erwerbstätigkeit handelte, nicht gelungen ist.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">An diesen Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen, um nachträgliche Manipulationen nach Möglichkeit auszuschließen. Deshalb ist eine nachvollziehbare Gestaltungsform zu fordern, die eindeutige Rückschlüsse sowohl auf die Herkunft des Geldes als auch auf den inneren Grund und die Zweckbestimmung der Zahlung zuläßt. Dem genügt die Behauptung des Klägers und seiner Ehefrau, die Zahlungen seien aus Mitteln der Schwiegereltern und der "KB-Rente" geflossen, nicht. Denn selbst wenn die Schwiegereltern dem Kläger in den Jahren 1968, 1972 und 1973, in denen die Nachzahlungen erfolgten, dreimal größere Geldbeträge (2.016,-, 5.580,- und 7.140,-) in der Absicht zugewendet haben sollten, die Altersvorsorge zu unterstützen - was nicht nachgewiesen ist -, ist weder vorgetragen noch lebensnah, dass diese Verfügungen unter der auflösenden Bedingung nicht zweckentsprechender Verwendung erfolgt sind. Entsprechend sind die Beiträge auch vom Kläger selbst entrichtet und überwiesen worden. Es handelte sich also um Geldbeträge, die in seine uneingeschränkte Verfügungsgewalt - sozusagen in "einen großen Topf" - gelangt waren, dessen wesentlichen Anteil sein Erwerbseinkommen ausmachte. In einem solchen Fall ist aber eine Aufteilung des Gesamteinkommens nicht mehr möglich, so dass die Beiträge jedenfalls mittelbar aus Einkünften aus einer Erwerbstätigkeit entrichtet wurden. Ob und inwieweit Teile der Grundrente nach dem BVG aus dem Gesamteinkommen in die Nachentrichtung eingeflossen sind, kann offenbleiben, da auch deren entsprechende Verwendung nur durch das daneben vorliegende Erwerbseinkommen ermöglicht wurde, womit auch insoweit die Beiträge jedenfalls mittelbar aus dem Erwerbseinkommen entrichtet sind.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Überdies ist zu berücksichtigen, dass - was nach dem zuvor Gesagten zwischen den Beteiligten feststeht - der Kläger bis zum Ausscheiden ein von den Schädigungsfolgen wirtschaftlich unbeeinflußtes Erwerbsleben gehabt hat, das ihm wie jedem anderen Erwerbstätigen mit entsprechendem Einkommen ermöglicht hat, in eigener Verantwortung zusätzliche Altersvorsorge zu betreiben und zu diesem Zweck Rücklagen zu bilden. Selbst wenn seine Grundrente und Zuwendungen der Schwiegereltern dem Kläger eine solche Altersvorsorge erleichtert haben, ändert dies nichts daran, dass sie ohne das Erwerbseinkommen nicht möglich gewesen wäre, die freiwilligen Beiträge also mittelbar aus Erwerbseinkommen entrichtet wurden.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die bestehende Beweislosigkeit muß sich nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers auswirken, weil er die Voraussetzungen eines Ausnahmetatbestandes behauptet. Sind die Voraussetzungen dieser Ausnahme nicht erwiesen, verbleibt es beim Regelfall, nämlich der Berücksichtigung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Einnahme aus früher unselbständiger Tätigkeit bei der Berechnung des dB.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 SGG.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Anlaß, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs. 2 SGG. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Maßgeblich für die Entscheidung sind vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalles, ohne dass es im Ergebnis darauf ankommt, ob die Rechtsprechung des BSG aus dem Jahre 1980 auch nach der jetzigen Fassung des § 9 Abs. 2 Ziffer 2 BSchAV weiter zutrifft.</p>
|
114,352 | olgk-1999-09-07-6-w-4899 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 6 W 48/99 | 1999-09-07T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:36 | 2019-02-11T10:39:13 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0907.6W48.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 10.06.1999 - 81 O 49/99 SH I - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Schuldnerin zu tragen.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>G r ü n d e :</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die gemäß §§ 793, 577 ZPO statthafte und auch im übrigen
zulässige Beschwerde der Schuldnerin hat in der Sache keinen
Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss
gegen die Schuldnerin wegen Zuwiderhandlung gegen das in der
einstweiligen Verfügung vom 25.03.1999 (81 O 49/99 LG Köln)
titulierte Unterlassungsgebot ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.000,--
DM festgesetzt. Denn die Schuldnerin hat sowohl in objektiver
Hinsicht als auch in subjektiv vorwerfbarer Weise dem darin
ausgesprochenen Verbot zuwidergehandelt, ihren Chor als "Original
Don Kosaken ..." zu bezeichnen. Aus den vom Landgericht in dem
angefochtenen Beschluss bereits ausgeführten überzeugenden Gründen,
auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen in
entsprechender Anwendung von § 543 Abs. 1 ZPO Bezug nimmt, muss die
Schuldnerin es sich in objektiver und subjektiver Hinsicht
zurechnen lassen, dass die von ihr mit dem Werbeschreiben vom
05.03.1999 angeschriebene und ausdrücklich um Vorankündigung des
geplanten Konzerts gebetene Saarbrücker Zeitung sodann unter dem
Datum des 29./30.03.1999, also nach Vollziehung der im Beschlussweg
erwirkten einstweiligen Verfügung durch die Gläubigerin, im
Internet auf das Konzert der "Original Don Kosaken ..." hingewiesen
hat. Die von der Schuldnerin mit ihrer Beschwerde vorgebrachten
Argumente vermögen demgegenüber keine abweichende Würdigung
herbeizuführen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Soweit die Schuldnerin damit bereits in Abrede stellen will,
dass aus der gegen sie titulierten Unterlassungsverpflichtung eine
Handlungspflicht zur Beseitigung des von ihr geschaffenen
rechtswidrigen Zustandes geflossen sei, überzeugt das nicht. Denn
der Titelschuldner handelt dem gegen ihn ergangenen
Unterlassungsgebot auch dann zuwider, wenn er einen verbotswidrigen
Zustand aufrechterhält, dessen Beseitigung von seinem Willen
abhängig ist. Im Rahmen dieser den Schuldner treffenden Pflicht zur
Abwendung eines rechtswidrigen Erfolgs hat er durch positives
Tätigwerden die Garantie dafür zu schaffen, dass dem
Unterlassungsgebot nicht zuwidergehandelt wird, wozu er in seinem
Verfügungsbereich unverzüglich und sachgerecht alle zumutbaren
Handlungen und Maßnahmen treffen muss, um die Fortwirkung des
wettbewerbswidrigen Handlungserfolges zu unterbinden oder die
Neuvornahme der untersagten Handlung und ihre Verletzungsfolgen zu
verhindern. Unterlässt er dies und hat diese pflichtwidrige
Untätigkeit den Titelverstoß verursacht, hat der
Vollstreckungsschuldner eine <i>eigene</i> Zuwiderhandlung gegen
das Unterlassungsgebot begangen (vgl. Großkommentar/Jestaedt, UWG,
vor § 13 E Rdnr. 26; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20.
Aufl., Einleitung UWG Rdnr. 581 - jeweils m.w.N. -). So liegt der
Fall hier. Der Schuldnerin oblag es, die von ihr mit dem in Rede
stehenden Werbeblatt vom 05.03.1999 angeschriebenen Adressaten,
darunter die Saarbrücker Zeitung, auf das in der ihr am 26.03.1999
zugestellten Beschlussverfügung titulierte Verbot aufmerksam zu
machen. Denn mit Blick auf den Umstand, dass das Konzert für den
29.03.1999 angesetzt war, war es ihr objektiv möglich und zumutbar,
bei den angeschriebenen Adressaten noch für ein Unterlassen der
werblichen Ankündigung des Konzerts unter Verwendung der verbotenen
Bezeichnung "Original Don Kosaken ..." Sorge zu tragen. Im
gegebenen Zusammenhang kann es dabei offenbleiben, ob es den
objektiven Umständen nach für die Schuldnerin vorhersehbar war,
dass die werbliche Ankündigung bzw. der Hinweis auf die
Konzertveranstaltung gerade auch im Internet veröffentlicht werde.
Das ist deshalb nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung, weil
für die Schuldnerin im Zeitpunkt der Zustellung der
Beschlussverfügung am 26.03.1999 absehbar war, dass noch am Tage
der Konzertveranstaltung, also am 29.03.1999, jedenfalls auch in
der Tagesausgabe der Saarbrücker Zeitung - wie in dem Schreiben vom
05.03.1999 erbeten - ein aktueller Hinweis auf die
Konzertveranstaltung der "Original Don Kosaken ..." veröffentlicht
werde. Vor diesem Hintergrund durfte die Schuldnerin daher nicht
untätig bleiben, sondern hatte sie unter anderem die Saarbrücker
Zeitung auf das titulierte Verbot aufmerksam zu machen, um den mit
dem Schreiben vom 05.03.1999 geschaffenen rechtswidrigen Zustand zu
beseitigen. Wäre seitens der Schuldnerin ein derartiger, ihr
zumutbarer und daher abzuverlangender Hinweis unter anderem
gegenüber der Saarbrücker Zeitung erfolgt, spricht alles dafür,
dass dann eine entsprechende werbliche Ankündigung durch die auf
das Verbot aufmerksam gemachte Adressatin nicht nur in dem
Printmedium, sondern in allen von ihr zu Publikationszwecken
genutzten Medien, darunter dem Internet, unterblieben wäre.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die somit durch ihre schlichte Untätigkeit bewirkte eigene
Zuwiderhandlung der Schuldnerin gegen das Unterlassungsgebot ist
ihr auch in subjektiver Hinsicht vorwerfbar. Ein - eigenes -
Verschulden des Titelschuldners liegt vor, wenn er pflichtwidrig
nicht unverzüglich nach Kenntnis des gerichtlichen
Unterlassungsgebotes alle ihm zumutbaren Anordnungen oder sonstigen
Maßnahmen trifft, um Zuwiderhandlungen zu unterbinden, wobei an
diese Pflicht des Schuldners strenge Maßstäbe anzulegen sind.
Diesen Anforderungen hat die Schuldnerin hier nicht genügt. Soweit
sie sich in diesem Zusammenhang mit dem Einwand zu verteidigen
sucht, sie habe in keinem Auftragsverhältnis mit der Saarbrücker
Zeitung gestanden, ist das von vornherein unerheblich. Denn die
Pflicht des Titelschuldners, Zuwiderhandlungen gegen das Verbot zu
verhindern, ist nicht an eine bestimmte rechtliche Ausgestaltung
des Verhältnisses zu einem Dritten, von dessen Seite aus durch die
vom Schuldner gesetzte maßgebliche Ursache die Fortführung des
wettbewerbswidrigen Zustands zu besorgen ist, gebunden. Maßgeblich
ist vielmehr allein, ob der Titelschuldner konkret damit rechnen
muss, dass der Dritte eine dem titulierten Verbot entgegenstehende
Handlung verwirklichen werde. Das aber ist im Streitfall zu
bejahen. Die Schuldnerin kann sich insbesondere nicht mit Erfolg
darauf berufen, sie habe nicht mit der Veröffentlichung der
werblichen Ankündigung der Saarbrücker Zeitung im Internet rechnen
müssen. Aus den bereits vom Landgericht in dem angefochtenen
Beschluss dargelegten überzeugenden Gründen stellt es auch im
Bereich von Printmedien eine verbreitete Übung dar,
Veröffentlichungen einschließlich der Hinweise auf - lokale -
Veranstaltungen ebenfalls im Internet zu publizieren. Die
Schuldnerin hat dabei entgegen ihrer Ansicht auch nicht etwa um
eine Einschränkung des werblichen Hinweises auf ihre
Konzertveranstaltung nur in Printmedien der Saarbrücker Zeitung
gebeten. Die in dem Schreiben vom 05.03.1999 formulierte Bitte um
"Vorankündigung des Konzerts ... in Ihrer Zeitung ..." bringt keine
derartige Beschränkung auf ein bestimmtes Publikationsmedium zum
Ausdruck, sondern stellt ersichtlich die allgemeinsprachlich
formulierte Bitte um die Erwähnung in den von der angeschriebenen
"Saarbrücker Zeitung" genutzten Medien dar.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Auch soweit die Schuldnerin schließlich ihre Haftung mit dem
Einwand abzuwenden trachtet, es müsse hier - wie dies angeblich im
Markenrecht anerkannt sei - nur derjenige haften, der die
Verletzungshandlung selbst begehe der bloße Informant könne
hingegen nicht in Anspruch genommen werden, hat das keinen Erfolg.
Ungeachtet der Frage, dass sich aus der von der Schuldnerin zum
Beleg für diesen im Markenrecht angeblich anerkannten Grundsatz
angegebenen Fundstelle (Gloy, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 2.
Aufl., Rdnr. 50 zu § 27), eine derartige Beschränkung nicht ergibt,
handelt es sich bei der Schuldnerin nicht lediglich um eine "bloße
Informantin", sondern um diejenige, die mit ihrer konkreten Bitte
um Ankündigung der Konzertveranstaltung unter Verwendung des
Begriffs "Original Don Kosaken ..." die maßgebliche Ursache für die
hier fragliche Veröffentlichung gesetzt hat. Maßgeblich ist aber,
dass die Schuldnerin die hier in Rede stehende Zuwiderhandlung
durch ihr Unterlassen, für die Umsetzung und Achtung des
titulierten Verbots ernsthaft Sorge zu tragen, selbst verwirklicht
hat.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.</p>
|
114,353 | olgk-1999-09-07-24-u-3999 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 24 U 39/99 | 1999-09-07T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:36 | 2019-02-11T10:39:13 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1999:0907.24U39.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 13.1.1999 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln - Aktz. 26 0 56/98 - wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16.254,10 DM nebst 7,75 % seit dem 30.1.1998 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die formell unbedenklich zulässige
Berufung führt in der Sache zur Abänderung des angefochtenen
Urteils.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Entgegen der Auffassung des
Landgerichts hat die Klägerin nach § 652 BGB einen Anspruch auf
Maklerhonorar in Höhe von 12.190,57 DM gegen den Beklagten. Dabei
kann offen bleiben, ob dem Beklagten das Mietobjekt schon vor der
Kontaktaufnahme mit der Klägerin bekannt war. Selbst wenn dies
zutrifft, ist zwischen den Parteien zumindest ein atypischer
Maklervertrag abgeschlossen worden, wobei erst durch eine Leistung
der Klägerin der Hauptvertrag zustande gekommen ist.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">1. Der vorliegende Fall ist durch die
Besonderheit charakterisiert, dass der Vermieter nicht bereit war,
ohne die von ihm eingeschalteten Makler einen Mietvertrag mit den
Interessenten abzuschließen. Wie der Beklagte selbst vorträgt,
hatte der Vermieter ihn für den Abschluss des Hauptvertrages an die
Klägerin verwiesen. Diese hatte ihre Mitwirkung bei dem
Zustandekommen eines solchen Vertrages aber von der Zustimmung zu
ihrem Provisionsverlangen abhängig gemacht. Dabei kann offen
bleiben, ob die Klägerin bereits bei der telefonischen
Kontaktaufnahme eine Provision verlangt hat. Eine solche Forderung
hat sie spätestens bei der Übersendung des Exposés gestellt. In dem
Anschreiben vom 23.6.1997 (Anlage K 1) hat sie deutlich darauf
hingewiesen, dass ihre Leistung "provisionspflichtig" für den
Mieter sein soll. Die Höhe der Provision ergab sich sodann aus den
Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, die auf der
Rückseite abgedruckt sind. Dies ist rechtlich zulässig und ein
ausreichendes Angebot zum Abschluss eines Maklervertrages.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">2. Der Beklagte hat dieses Angebot
angenommen. Die Klägerin hat dazu vorgetragen, dass sie sich mit
dem Beklagten am Tag der Unterzeichnung des ersten Mietvertrages
(1.7.1997) über die Provisionspflicht einig geworden sei, wobei
lediglich noch offen geblieben sei, ob sich die Provisionshöhe auch
nach der im Mietvertrag vorgesehenen Verlängerungsoption richten
sollte (Seite 11/12 der Berufungsbegründung). Dass dieser
schlüssige Sachvortrag zutreffend ist, ergibt sich aus dem
Schreiben des Beklagten vom 3.7.1997, in dem er darum bittet, wegen
der "Zahlungsmodalitäten" mit seinen Partnern Rücksprache nehmen zu
können. Ob dies ein Anerkenntnis im Rechtssinne ist, kann letztlich
dahin stehen. Zumindest ist es ein ausreichendes Indiz für die
Feststellung, dass die Parteien sich über die Provisionspflicht
einig waren und lediglich noch Verhandlungen zur Höhe geführt
werden sollten.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die gegen diese Bewertung des
Schriftverkehrs vorgebrachten Argumente sind nicht stichhaltig.
Schriftsätzlich ist der Beklagte auf diese Formulierung nicht
eingegangen, obwohl die Klägerin hierauf hingewiesen hatte. In
seiner Anhörung vor dem Senat hat er erklärt, er habe mit diesem
Schreiben lediglich die Klägerin hinhalten wollen, um Zeit zu
gewinnen, mit seinen Partnern die Rechtslage zu klären. Eine solche
Erklärung hält der Senat aber nicht für plausibel. Der Beklagte ist
juristisch geschult; er muss daher an dem objektiven
Erklärungsinhalt dieses Schreibens festgehalten werden. Für einen
Außenstehenden kann der Einleitungssatz nur dahingehend verstanden
werden, dass der Beklagte sich mit der Provisionsforderung der
Klägerin einverstanden erklärt hatte und nur noch zur Höhe, soweit
diese durch die Verlängerungsoption im Mietvertrag beeinflusst
werden konnte, um Bedenkzeit bitten wollte.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Eine Beweisaufnahme zum Inhalt der
Gespräche am 1.7.1997 ist auch dann nicht erforderlich, wenn man
dem Schreiben des Beklagten vom 3.7.1997 lediglich indizielle
Bedeutung beimißt. Soweit der Beklagte bestreitet, sich mit Herrn
R. in dem vorgenannten Sinne geeinigt zu haben (Seite 10 der
Berufungserwiderung), ist dieses Bestreiten nicht hinreichend
substantiiert. Denn dem Schreiben vom 3.7.1997 lässt sich
entnehmen, dass es ein solches Gespräch gegeben haben muss ("wie
bereits telefonisch und persönlich besprochen"...). Aus dem Kontext
dieses Schreibens ergibt sich darüber hinaus, dass es in diesem
Gespräch um die Provisionsforderung der Klägerin gegangen sein
muss. Welchen Inhalt diese persönliche Unterredung hatte, wird vom
Beklagte jedoch nicht gesagt, obwohl er selbst in der Folgezeit
davon ausgegangen ist, dass nur noch eine Einigung über die
"Zahlungsmodalitäten" erforderlich sei. Seiner Verpflichtung, sich
vollständig zum Tatsachenvortrag der Gegenseite zu erklären (§ 138
Abs. 4 ZPO), ist der Beklagte offensichtlich nicht
nachgekommen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Auffällig ist in diesem Zusammenhang
auch, dass der Beklagte sich schon vorprozessual in ähnlicher Weise
verhalten hat. Nachdem die Klägerin in ihrem Schreiben vom
19.8.1997 den Stand der Provisionsabsprachen substantiiert
dargelegt hatte, ist der Beklagte dem in seinem Antwortschreiben
vom 29. 8.1997 nicht konkret entgegengetreten, sondern er hat die
Klägerin an seinen Kollegen M. verwiesen, wobei er auch zu diesem
Zeitpunkt noch die Möglichkeit einer Zahlung ("Freigabe und
Auszahlung von Geldern") in Aussicht gestellt hat. In einer solchen
Weise äußert sich aber kein Anwalt, wenn an ihn eine persönliche
Forderung herangetragen wird, deren Tatsachengrundlage er für
unzutreffend hält.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Es mag zwar sein, dass der Beklagte
innere Vorbehalte gegenüber der Provisionsforderung der Klägerin
hatte. Der Senat ist aber davon überzeugt, dass er dies gegenüber
der Klägerin bei der Unterzeichnung des ersten Mietvertrages nicht
zum Ausdruck gebracht hat. Da er noch eine eigene Wohnung durch die
Einschaltung der Klägerin mieten wollte und ihm bewusst war, dass
er dies ohne die Zustimmung zum Provisionsverlangen nicht erreichen
konnte, blieb ihm nur die Möglichkeit, von dem Hauptvertrag
abzusehen oder der Provisionsforderung der Klägerin für beide
Mietverträge zuzustimmen. Die zweite Möglichkeit hat er gewählt,
wie sein Schreiben vom 3.7.1997 zeigt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Feststellung einer
Provisionsvereinbarung scheitert auch nicht daran, dass die
Parteien sich noch nicht vollständig geeinigt hatten. Die Regelung
des § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach ein Vertrag im Zweifel nicht
geschlossen ist, solange nicht die Parteien sich über alle Punkte
eines Vertrages geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch
nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll, greift
hier nicht ein. Zwar war noch keine vollständige Einigung zur Höhe
der Courtage erzielt worden, wie das Schreiben des Beklagten vom
3.7.1997 und der Brief der Klägerin vom 19.8. 1997 zeigen. Die
zitierte Auslegungsregel des § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB greift aber
dann nicht ein, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass sich die
Parteien trotz eines noch ungeregelten Punktes bereits fest binden
wollten (Palandt-Heinrichs, 58. Aufl. 1999, Rdn. 2 zu § 154 BGB).
Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn nur noch eine Einigung
zur Höhe der Vergütung erzielt werden muss und die Rechtsordnung
hierfür notfalls eine gesetzliche Regelung bereit hält (hier in §
653 Abs. 2 BGB). Von einem solchen Ausnahmefall ist hier ebenfalls
auszugehen: Der Beklagte hat, als er sich mit der Klägerin
weitgehend am 1.7.1997 geeinigt hatte, bei gleicher Gelegenheit
auch deren Leistungen in Anspruch genommen und sie mit Schreiben
vom 3.7.1997 aufgefordert, hinsichtlich des zweiten Mietvertrages
weiter für ihn tätig zu sein. Ein solcher Vollzug einer
angestrebten Vereinbarung ist ein ausreichendes Indiz für den
Bindungswillen der Parteien.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">3. Die Klägerin hat auch eine
vergütungspflichtige Maklerleistung erbracht. Selbst wenn der
Beklagte das Objekt und die Person des Vermieters schon vor der
Kontaktaufnahme mit der Klägerin kannte, hat er doch erst durch sie
die Möglichkeit zum Abschluss des Hauptvertrages erhalten. Nach
seinem eigenen Vortrag war der Vermieter auf direktem Weg dazu
nicht bereit. Insoweit handelt es sich bei der Leistung der
Klägerin um einen Nachweis im weiteren Sinne, bei dem zwar, wenn
man von dem Sachvortrag des Beklagten ausgeht die
Vertragskonditionen und der Vertragspartner schon feststanden, der
Mietvertrag aber dennoch erst durch die Mitwirkung des Maklers
zustande kommt. Eine solche Konstellation ist insbesondere dann,
wenn dem Makler ein Alleinauftrag erteilt worden ist, nicht
ungewöhnlich (BGH WM 1978, 247, 248).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">4. Die Klage ist auch in voller Höhe
begründet. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin,
auf deren Geltung in dem Anschreiben vom 23.6.1997 deutlich
hingewiesen wurde und die auf der Rückseite abgedruckt waren,
forderte die Klägerin für die Vermittlung eines gewerblichen
Mietvertrages mit einer Laufzeit von fünf Jahren und einer
Verlängerungsoption von weiteren fünf Jahren eine Provision von 4
Monatsmieten. Aus dem von der Klägerin vorgelegten Schriftverkehr
ergibt sich zwar, dass die Parteien diese Regelung insofern
abändern wollten, als die Erhöhung von zwei auf vier Monatsmieten
erst erfolgen sollte, wenn der Beklagte von dieser
Verlängerungsoption auch tatsächlich Gebrauch machte. Dieses von
der Klägerin mit Schreiben vom 19.8.1997 gemachte Angebot hat der
Beklagte aber nicht angenommen. Demgemäß bleibt es bei der
ursprünglichen Provisionsregelung von 4 Monatsmieten. Dies gilt
selbst dann, wenn man aufgrund des Schreibens vom 19.8.1997 davon
ausgeht, dass die Parteien sich von Anfang an nicht über die
Provisionshöhe einig waren. Maßgeblich ist dann nach § 653 Abs. 2
BGB der "übliche" Maklerlohn. Bei dem Nachweis eines gewerblichen
Mietobjektes ist eine Provision von vier Monatsmieten ortsüblich,
wenn ein auf fünf Jahre beschränkter Mietvertrag eine
Verlängerungsoption von weiteren fünf Jahren enthält. Dies ist dem
Senat aus anderen Verfahren bekannt.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Gegen die von der Klägerin vorgenommene
Forderungsberechnung, die hinsichtlich der Gewerberäume lediglich
drei Monatsmieten eingeklagt hat, sind vom Beklagten keine weiteren
Einwendungen vorgebracht worden, so daß von deren Richtigkeit
auszugehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">5. Die Klageforderung ist mit 7,75 % zu
verzinsen. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs.
2 BGB. Der Beklagte befindet sich aufgrund einer schriftlichen
Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 20.1.1998 mit Fristsetzung
zum 29.1.1998 seit dem 30.1.1998 in Verzug. Die Höhe des
Zinsschadens ist durch eine Bescheinigung der Dresdner Bank
nachgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91
Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Berufungsstreitwert und Beschwer des
Beklagten: 16.254,10 DM</p>
|
114,354 | olgk-1999-09-07-2-ws-49799 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 Ws 497/99 | 1999-09-07T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:36 | 2019-02-11T10:39:14 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0907.2WS497.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Gründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeführerin, die sich sich seit dem 17. Dezember 1997 unter dem Verdacht der Beteiligung an der Ermordung ihres Ehemanns durch den Mitangeklagten M. in Untersuchungshaft (§ 112 Abs.3 StPO) befindet, ist durch Urteil der 1. Schwurgerichtskammer des Landgerichts Aachen vom 23. März 1999 wegen Beihilfe zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren verurteilt worden. Gegen das Urteil haben sowohl die Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit dem angefochtenen Beschluss hat der Vorsitzende der Schwurgerichtskammer den mit Anwaltsschriftsatz vom 20. August 1999 gestellten Antrag abgelehnt, der Ausführung der Angeklagten auf ihre Kosten zur standesamtlichen Eheschließung ihres Sohnes P. N. am 9. September 1999 im Standesamt der Stadt T. zuzustimmen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der hiergegen mit Schriftsatz des Verteidigers vom 31. August 1999 eingelegten Beschwerde hat der Vorsitzende nicht abgeholfen (Beschluss vom 1. September 1999).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die gemäß § 304 Abs.1 StPO zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Vorsitzende der Schwurgerichtskammer hat in fehlerfreier Ausübung des ihm in § 119 Abs.3 und 4 StPO eingeräumten Ermessens die Genehmigung der Ausführung abgelehnt.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Gesetzliche Grundlage für die Gestaltung der Untersuchungshaft ist - bis zum Inkrafttreten des UHaftG - § 119 Abs.3 StPO. Nach dieser Vorschrift dürfen dem Untersuchungsgefangenen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Untersuchungshaft oder die Ordnung in der Vollzugsanstalt erfordert.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Eine Sonderregelung für "Bequemlichkeiten", zu denen die Ausführung des Gefangenen gehört, enthält § 119 Abs.4 StPO.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Danach darf sich der Gefangene auf seine Kosten Bequemlichkeiten verschaffen, soweit sie mit dem Zweck der Haft vereinbar sind und nicht die Ordnung in der Vollzugsanstalt stören.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Ausführungen sollen nach der - an die Formulierung der entsprechenden Regelung in der Untersuchungshaftvollzugsordnung (Nr. 41 Abs.2 UVollzO) anknüpfenden - Rechtsprechung und Literatur bewilligt werden, wenn die Erledigung wichtiger und unaufschiebbarer persönlicher, geschäftlicher oder rechtlicher Angelegenheiten die Anwesenheit des Gefangenen an einem Ort außerhalb der Anstalt erforderlich machen (vgl. Kleinknecht/ Janischowski, Das Recht der Untersuchungshaft, Rdn 401; <i>Wendisch</i> in: Löwe/Rosenberg, StPO, 24.Aufl., § 119 Rdn.116, Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44.Aufl., § 119 Rdn.40). Da es sich bei einer Ausführung um eine Bequemlichkeit handelt, durch die der Gewahrsam, das Prinzip der Untersuchungshaft, gelockert wird, sind sie auf solche Fälle zu beschränken, in denen die Anwesenheit des Gefangenen außerhalb der Anstalt dringend geboten ist (LR-Wendisch, a.a.O., OLG Bremen MDR 1963,158, OLG Koblenz GA 1973,157).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">In Abwägung der widerstreitenden Interessen der Gefangenen einerseits und der <u>konkreten</u> vollzuglichen Belange in diesem Fall andererseits - der <i>Haftzweck</i> dürfte einer Ausführung nicht entgegenstehen - gehört die Teilnahme der Untersuchungsgefangenen an der Eheschließung des Sohnes in T. auch unter Beachtung des grundrechtlichen Schutzes der Familie nicht zu den Angelegenheiten, für die die Ausführung der Angeklagten zu bewilligen ist.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Ausführung der Angeklagten zu dem beantragten Zweck müsste nach der Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt Köln vom 24. August 1999, die auch der Vorsitzende der Schwurgerichtskammer seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, von zwei Bediensteten durchgeführt werden. Für die Ausführung nach Trier sind unter Berücksichtigung der Hin- und Rückfahrtzeiten mindestens 10 Stunden anzusetzen. Dieser personelle und zeitliche Aufwand kann nach der Stellungnahme des Anstaltsleiters nicht geleistet werden, weil die in diesem Bereich tätigen Bediensteten mit den dringend notwendigen Ausführungen zu Ärzten, Krankenhäusern u.ä. ausreichend ausgelastet sind. Eine Ausführung käme, wie die Stellungnahme zu verstehen ist, nur durch den Einsatz von Bediensteten in Betracht, die aus anderen Bereichen zu diesen Zweck abgezogen werden müssten. Hierdurch aber würde die Ordnung der Anstalt erheblich gestört.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Zwar gehört die Ausführung zur Fürsorge für den Verhafteten. Der Staat muss dazu Personal zur Verfügung stellen. Demzufolge rechtfertigt Mangel an Bewachungspersonal die Ablehnung berechtigter Ausführungsanträge nicht (LR-Wendisch, a.a.O., Rdn. 108; <i>Boujong</i> in: Karlsruher Kommentar, StPO, 4. Aufl., § 119 Rdn.66). Anderseits können die personellen Möglichkeiten der Vollzugsanstalten auch nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. Ausführungen müssen nach der Personalausstattung der Anstalten, die sich an der Aufgabe der Bewachung und der Erreichung der vollzuglichen Ziele orientiert und darauf zugeschnitten ist, die Ausnahme bleiben, zumal es der Gleichbehandlungsgrundsatz gebieten würde, die einem Gefangenen aus familiären Gründen bewilligte Ausführung auch anderen Gefangenen zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Eine solche Ausnahme wird nicht durch die gewünschte Teilnahme an der Eheschließung des Sohnes in einem entfernt gelegenen Ort begründet.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Dass die Teilnahme der Mutter an der Eheschließung des Sohnes wünschenswert und der Wunsch nach Teilnahme verständlich ist, bedarf keiner weiteren Begründung. Es handelt sich um einen Akt, der im Leben der Familie eine hohe Bedeutung hat, bei dem die Teilnahme der Mutter auch aus Gründen des familiären Zusammenhalts von Bedeutung ist. Zwingend erforderlich ist die Teilnahme der Mutter für die Durchführung der Eheschließung des Sohnes andererseits nicht. Eine Ausführung zu diesem Zweck kann deshalb nicht mit denselben Maßstäben gemessen werden, wie etwa diejenige zur <i>eigenen</i> Eheschließung eines Untersuchungsgefangenen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Würde man dem Wunsch der Antragstellerin auf Ausführung zur Eheschließung des Sohnes als berechtigt im Sinne des § 119 Abs.4 StPO anerkennen, könnte anderen Gefangenen in ähnlicher Situation eine Ausführung ohne Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung nicht verweigert werden. Dabei wäre es, wenn man das Erfordernis einer zwingend gebotenen persönlichen Anwesenheit aufgäbe, kaum möglich, eine Grenze zu ziehen zwischen solchen familiären Anlässen, bei denen eine Ausführung noch gerechtfertigt ist, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist. Die hieraus resultierende Ausweitung der Ausführungsmöglichkeiten für Untersuchungsgefangene wäre indes mit den zur Verfügung stehenden personellen Mitteln schlechterdings nicht zu leisten und deshalb mit der Anstaltsordnung unvereinbar. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Ist aber aus diesem Grund ein Festhalten an den strengen Maßstäben für eine Ausführung geboten, ist der Antrag der Angeklagten auf Ausführung abzulehnen. Denn diese ist, wie sich aus der Stellungnahme des Anstaltsleiters ergibt, im Einzelfall mit der Anstaltsordnung unvereinbar, weil sie einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordert. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs.1 Satz 1 StPO.</p>
|
114,355 | ovgnrw-1999-09-06-22-a-160498 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 22 A 1604/98 | 1999-09-06T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:36 | 2019-02-12T13:54:19 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0906.22A1604.98.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger pachtete mit Vertrag vom 31. Januar 1990
zusammen mit einem Mitpächter vom Land Nordrhein-Westfalen -
I. C. Fonds - das Jagdausübungsrecht für einen 286
ha großen Jagdbezirk für die Zeit vom 1. April 1990 bis
31. März 1999. Als Jahrespachtpreis wurden 17.606,16 DM
zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer vereinbart. Ferner hatten
die Pächter Nebenleistungen für Wildschadenersatz und
Wildschadenverhütung zu erbringen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 22. Juli 1996 zog der Beklagte den Kläger
zur Jagdsteuer für das Steuerjahr 1996 in Höhe von 3.747,97 DM
heran, die er mit einem Steuersatz von 18% nach dem Pachtpreis
von 17.606,16 DM, der Wildschadenverhütungspauschale von
500,-- DM und 15% Mehrwertsteuer in Höhe von 2.715,92 DM
berechnete. Zum Mitpächter der Jagd, zu dessen Steuerpflicht
und zur Auswahl des Steuerschuldners enthielt der Bescheid
keine Ausführungen. Gegen den Mitpächter erging auch kein
eigener Steuerbescheid.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Bescheid stützte sich auf die Jagdsteuersatzung (JStS)
des Kreises Q. von 15. März 1995 in der Fassung vom
14. Februar 1996, die am 1. April 1995 in Kraft trat. Diese
Satzung wurde erneut mit unverändertem Inhalt jedoch
geänderter Datumsbezeichnung aufgrund erneuter
Bekanntmachungsanordnung vom 2. August 1996 am 7. August 1996
bekanntgemacht.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich des Steuermaßstabes bei verpachteten Jagden
bestimmt § 3 JStS:</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">"Als Steuermaßstab gilt der
finanzielle Aufwand, und zwar</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">1. bei verpachteten Jagden das an
den Verpächter zu entrichtende Entgelt
(Pachtpreis und etwaige Mehrwertsteuer
zzgl. des Wertes der vereinbarten
Nebenleistungen, jedoch ohne den etwa
übernommenen Wildschadenersatz),</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">2. ..."</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 JStS sind mehrere Steuerpflichtige
Gesamtschuldner. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 12. August 1996 wandten sich der Kläger
und der Mitpächter der Jagd sinngemäß insoweit gegen den
Steuerbescheid, als diesem die Wildschadenverhütung und die an
den Verpächter gezahlte Mehrwertsteuer zugrunde lagen, und
legten Widerspruch ein, soweit die Steuer höher als
3.169,11 DM festgesetzt worden war.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 1996 half der
Beklagte dem Widerspruch teilweise ab und setzte die
Jagdsteuer für 1996 auf 3.644,47 DM herab. Zur Begründung
führte er aus, die Pauschale zur Wildschadenverhütung sei zu
Unrecht bei der Berechnung der Steuer berücksichtigt worden;
dagegen sei die Mehrwertsteuer rechtlich zutreffend angesetzt
worden.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat zusammen mit dem Mitpächter am 10. September
1996 Klage erhoben, die der Mitpächter in der mündlichen
Verhandlung des Verwaltungsgerichts für seine Person wieder
zurückgenommen hat.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat vorgetragen: Der Steuerbescheid sei
fehlerhaft, da im Zeitpunkt seines Erlasses die
Jagdsteuersatzung des Kreises fehlerhaft veröffentlicht
gewesen sei. Daran habe die nachträgliche erneute
Veröffentlichung nichts geändert. Die Einbeziehung der
Mehrwertsteuer in die Bemessungsgrundlage der Jagdsteuer sei
rechtswidrig. Es sei bereits fraglich, ob der Verpächter
überhaupt mehrwertsteuerpflichtig sei. Außerdem sei nach
Auskunft der Bezirksregierung geplant, für die Verpachtung von
Jagden durch das Land einen niedrigeren Umsatzsteuersatz
anzusetzen. Sein Mitpächter und er zahlten die im Pachtvertrag
übernommene Mehrwertsteuer deshalb nur noch unter Vorbehalt.
Im übrigen sei er Unternehmer, wie sich aus der Veranlagung
zur X. m. Berufsgenossenschaft
ergebe. Soweit er als Unternehmer bei der Umsatzsteuer
vorsteuerabzugsberechtigt sei, sei die Einbeziehung der an den
Pächter gezahlten Mehrwertsteuer jedenfalls rechtswidrig. Im
übrigen handele es sich bei der Mehrwertsteuer um eine
Bundessteuer, auf die nicht noch einmal eine kommunale Steuer
erhoben werden dürfe.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">den Jagdsteuerbescheid des Beklagten
vom 22. Juli 1996 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 27. August
1996 insoweit aufzuheben, als in die
Bemessungsgrundlage der
Jagdsteuerberechnung die Mehrwertsteuer
eingeflossen ist.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">
Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, daß die am
7. August 1996 bekanntgemachte Jagdsteuersatzung eine wirksame
Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers sei.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch das
angefochtene, dem Beklagten am 2. März 1998 zugestellte Urteil
stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Es sei bereits
zweifelhaft, ob der Steuerbescheid des Beklagten nicht deshalb
rechtswidrig sei, weil er keine Ermessenserwägungen dazu
enthalte, warum von den beiden Steuerschuldnern gerade und nur
der Kläger herangezogen worden sei. Außerdem sei fraglich, ob
die Verpachtung des Jagdrechts durch das Land der Umsatzsteuer
unterliege und der Kläger an den Verpächter Mehrwertsteuer zu
entrichten habe. Der Bescheid sei jedenfalls rechtswidrig,
weil es an einer wirksamen Rechtsgrundlage fehle. Die
Jagdsteuersatzung des Kreises Q. sei nämlich wegen
Unbestimmtheit des in ihrem § 3 Satz 1 Nr. 1 vorgesehenen
Steuermaßstabes nichtig. Dieser lasse es auch nicht durch
Auslegung unter Berücksichtigung des Sachzusammenhanges zu,
Kriterien zu gewinnen, die eine willkürliche Handhabung der
Bestimmung ausschlössen. So sei unklar, was unter "etwaige"
Mehrwertsteuer im Sinne der Satzung zu verstehen sei. Eine
Auslegung, die auf die tatsächliche vom Pächter an den
Verpächter gezahlte Mehrwertsteuer abstelle, sei mit dem Wesen
der Aufwandsteuer nicht vereinbar, weil der Pächter eventuell
vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer sein könne und die
tatsächlich gezahlte Steuer insoweit für ihn keinen Aufwand
bedeute; vielmehr handele es sich nur um einen durchlaufenden
Posten und nicht um eine echte Belastung.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der vom
Senat zugelassenen Berufung.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat während des Berufungsverfahrens telefonische
und schriftliche Auskünfte bei der Bezirksregierung
E. und beim I. C. Fonds eingeholt. Danach
ist seitens des I. C. Fonds als Verpächter seit
1994 gegen die Mehrwertsteuerpflicht beim Finanzamt jeweils
Einspruch eingelegt worden. Dieser wurde im Hinblick auf ein
beim BFH anhängiges Musterverfahren nicht beschieden. Die
Vollziehung war bis zum Abschluß dieses Musterverfahrens
ausgesetzt; Mehrwertsteuer für die Pachterlöse wurde nicht
abgeführt. Mit Urteil vom 11. Februar 1999 wurde der
Musterprozeß vom BFH (V R 27/97) dahin entschieden, daß die
Erlöse eines Forstwirtes aus der Verpachtung der Jagd nach den
allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes zu
versteuern seien. Auf die nach dieser Entscheidung ergangene
Zahlungsaufforderung des Finanzamtes hat der Verpächter mit
Schreiben an das Finanzamt vom 16. Juli 1999 unter Hinweis auf
einen Erlaß des Ministers für Umwelt, Raumordnung und
Landwirtschaft NRW vom 18. Juni 1999 und auf eine weitere
beabsichtigte Klärung auf Bundesebene die Verlängerung des
Aussetzung beantragt.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Unbeschadet der seit 1994 eingelegten Einsprüche hat der
Verpächter bei den Pächtern die nach den Verträgen geschuldete
Mehrwertsteuer erhoben, die diese zunächst auch ohne Vorbehalt
zahlten. Nach Auskunft des I. C. Fonds wurde erst
im Jahre 1998, nachdem der Kläger und sein Mitpächter sich
schriftlich nach der Grundlage für die Erhebung der
Mehrwertsteuer erkundigt hatten, zwischen Verpächter und den
Pächtern der Jagd Einigkeit darüber erzielt, daß die von den
Pächtern gezahlte Mehrwertsteuer an diese zurückgezahlt werde,
wenn sich ergebe, daß das Land wegen der Verpachtung der Jagd
nicht mehrwertsteuerpflichtig sei. Der Kläger und sein
Mitpächter zahlten - nach dieser Auskunft - ab 1998 die
Mehrwertsteuer an den Verpächter nur noch unter Vorbehalt.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist der Auffassung, die Auswahl des Klägers
als heranzuziehender Steuerschuldner sei fehlerfrei erfolgt.
Das Verwaltungsgericht gehe ferner zu Unrecht davon aus, daß
die Verpachtung des Jagdausübungsrechtes durch das Land nicht
der Mehrwertsteuer unterliege. Die Regelungen über den
Steuermaßstab für verpachtete Jagden in § 3 der
Jagdsteuersatzung seien hinreichend bestimmt. Zudem komme eine
Vorsteuerabzugsberechtigung im vorliegenden Fall gar nicht in
Betracht. Der Kläger habe unbeschadet der zwischen Verpächter
und Finanzverwaltung noch offenen Frage der
umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Erlöse aus der
Jagdverpachtung nicht nur vorläufig, sondern endgültig auch
wegen der übernommenen Mehrwertsteuer zur Jagdsteuer veranlagt
werden dürfen. Auf seine gegenüber dem Verpächter bestehende
Pflicht habe sich das steuerrechtliche Verfahren des
Verpächters nämlich nicht ausgewirkt.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern
und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">
Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">
Er ist der Auffassung, die Klärung der Frage, ob der
Verpächter für 1996 wegen des Pachterlöses endgültig zur
Mehrwertsteuer herangezogen werde, sei vorgreiflich für das
vorliegende Verfahren. In der Sache schließt er sich der
Begründung der angefochtenen Entscheidung an und trägt weiter
vor: Für die Verpachtung der Jagd falle keine Mehrwertsteuer
an, allenfalls jedoch Mehrwertsteuer in Höhe von 7 %, dem
Steuersatz für Land- und Forstwirtschaft. Gespräche mit dem
Verpächter über die Abwälzung der Mehrwertsteuer hätten nicht
erst 1998, sondern bereits früher stattgefunden. Auch die
Mehrwertsteuer für das Jagdjahr 1996 sei von ihm nur unter
mündlichem Vorbehalt an den Verpächter gezahlt worden. Die vom
Beklagten beim Verpächter eingeholten Auskünfte seien
verfahrensfehlerhaft eingeholt, weil sich der Beklagte nur an
den Verpächter und nicht auch an die Pächter gewandt habe.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt, das Verfahren bis zur
Entscheidung über die Bestandskraft des an den Verpächter
gerichteten Umsatzsteuerbescheides auszusetzen. Diesen Antrag
hat der Senat mit Beschluß vom 3. September 1999
abgelehnt.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den
Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen
Verwaltungsvorganges des Beklagten Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">
Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat
der Klage zu Unrecht stattgegeben, denn die angefochtenen
Bescheide, soweit sie noch im Streit sind, sind
rechtmäßig.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">1. Der Jagdsteuerbescheid des Beklagten kann sich auf eine
wirksame Rechtsgrundlage stützen. Die Jagdsteuersatzung des
Kreises Q. ist, soweit sie hier zur Anwendung kommt,
entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts wirksam.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">a) Die Jagdsteuersatzung ist für den hier interessierenden
Zeitraum nicht deshalb unwirksam, weil sie durch die
Bekanntmachung vom 7. August 1996 in Verbindung mit der
Regelung des § 11 Abs. 1 und 3 JStS rückwirkend zum 1. April
1995 bzw. (hinsichtlich der Besteuerung der Pirscherlaubnisse)
rückwirkend zum 1. April 1996 in Kraft gesetzt worden ist.
Dabei kann hier, wo es nur um die Jagdsteuer für 1996 geht,
dahinstehen, ob diese Rückwirkung auch für die Zeit des
Jagdjahres 1995 (1. April 1995 bis 31. März 1996) unbedenklich
ist. Sie ist es jedenfalls für das Steuerjahr 1996 (1. April
1996 bis 31. März 1997, vgl. §§ 7 Abs. 1, 5 Abs. 1 JStS).</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
und der Verwaltungsgerichte steht der Grundsatz des
Vertrauensschutzes, der unter dem aus dem Rechtsstaatsprinzip
des Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Gesichtspunkt der
Rechtssicherheit regelmäßig eine rückwirkende, an
abgeschlossene Tatbestände anknüpfende rechtliche
Verschlechterung ausschließt, einer rückwirkenden rechtlichen
Regelung ausnahmsweise dann nicht entgegen, wenn das Vertrauen
der Betroffenen in eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht
gerechtfertigt ist. So ist das Vertrauen u.a. dann nicht
schutzwürdig, wenn der Bürger in dem Zeitpunkt, auf den der
Eintritt der Rechtsfolge von der Norm zurückbezogen wird, mit
dieser Regelung rechnen mußte.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Vgl. zuletzt: Urteil des Senats vom
21. Februar 1996 - 22 A 5053/95 -,
n.v., unter Hinweis auf BVerfG, Urteil
vom 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 -,
BVerfGE 13, 261 (271 f.); BVerwG,
Urteil vom 15. April 1983 - 8 C
170.81 -, BVerwGE 67, 129 (131 f.)
mwN.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">
So ist die Sachlage hier. Soweit die im August 1996 (erneut)
bekanntgemachte Satzung bis zum 20. März 1996, dem Zeitpunkt
der ersten fehlerhaften Bekanntmachung, zurückwirkt, war ein
Vertrauen des Bürgers bereits deshalb ausgeschlossen, weil der
Wille des Satzungsgebers, die Ausübung des Jagdrechts
entsprechend den Bestimmungen dieser Satzung zu besteuern, für
die Bürger spätestens mit der Bekanntmachung der Satzung am
20. März 1996 offenkundig war. Niemand konnte und durfte
darauf vertrauen, daß der Satzungsgeber einen etwaigen Fehler
bei dieser Bekanntmachung der Norm nicht nachträglich und
rückwirkend beheben würde.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">
b) Die Jagdsteuersatzung begegnet hinsichtlich der hier zur
Anwendung kommenden Vorschriften auch keinen materiellen
Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">(1) Allerdings sind die Bestimmungen der JStS über die Besteuerung der
Jagdgäste in Jagden des Bundes und des Landes und die Bestimmungen über die
Haftung unwirksam,</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">vgl. zu gleichartigen Regelungen den
vom VG bereits angeführten Beschluß des
Senats vom 6. Mai 1997 - 22 A 877/97 -,
RdL 1998, 43.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Jedoch besteht zwischen diesen Regelungen und den hier zur Anwendung
kommenden Vorschriften über die "klassische" Jagdsteuer, nämlich die für die
Ausübung des Jagdrechts erhobene, kein Regelungszusammenhang. Die
unwirksamen Vorschriften können entfallen, ohne daß die hier anzuwendenden
Bestimmungen der Satzung davon sachlich berührt werden. Die fehlerhaften
Bestimmungen des Satzung führen deshalb nur zu einer hier nicht relevanten
Teilnichtigkeit der Satzung.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">(2) Die Vorschrift des § 3 Satz 1 Nr. 1 JStS über den Steuermaßstab bei
Pachtjagden ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - nicht
unbestimmt. Maßgebliche Besteuerungsgrundlage ist das vom Pächter "an den
Verpächter zu entrichtende Entgelt". Damit ist klar, daß es nicht darauf ankommt,
was der Pächter tatsächlich zahlt, sondern auf das, was er dem Verpächter schuldet,
was er "zu entrichten" hat. Zugleich stellt die Vorschrift klar, auf welche der zu
erbringenden Leistungen es ankommt, "Pachtpreis", "vereinbarte Nebenleistungen"
(außer übernommenem Wildschadenersatz) und "etwaige Mehrwertsteuer".
Hinsichtlich dieser letzteren besteht ebenfalls keinerlei Unklarheit: "etwaig" bezieht
sich darauf, daß dieser Steuermaßstab nur dann eingreift, wenn der Pächter die beim
Verpächter anfallende Mehrwertsteuer übernommen hat, also eine entsprechende
Leistung an den Verpächter "zu erbringen" hat.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Der vom Verwaltungsgericht angesprochene Fragenkreis zur eventuellen
Vorsteuerabzugsberechtigung von Pächtern betrifft - entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichts - nicht die Bestimmtheit der Norm, sondern deren inhaltliche
Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht oder die Anwendung der Norm. Stellt die
Norm auf das "an den Verpächter zu entrichtende Entgelt ... (... Mehrwertsteuer ...)"
ab, so ist dies eindeutig: maßgeblich ist, was der Verpächter an den Pächter an
Mehrwertsteuer abwälzt. Darauf ist ohne Einfluß, ob und in welchem Umfang der
Pächter seinerseits diese Mehrwertsteuer als Vorsteuer geltend machen kann.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">(3) Die Vorschrift begegnet insoweit jedoch auch keinen materiellen
Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Gegenstand der Regelung ist es zu bestimmen, nach welchen Teilen des
Aufwandes, den der Jagdpächter für die Jagd erbringt, die Steuer bemessen werden
soll. Es ist anerkannt, daß aus Gründen der Praktikabilität nicht auf den gesamten
Aufwand, sondern typisierend auf einen charakteristischen Teil dieses Aufwandes
abgestellt werden darf, zu dem insbesondere der Pachtpreis und die
Nebenleistungen einschließlich der übernommenen Mehrwertsteuer gehören.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG Münster, Urteil vom
11. November 1992 - 22 A 2993/91 -,
NWVBL 1993, 189 = GemHaush 1993, 182 =
ZKF 1993, 182.; ferner (speziell zur
vom Pächter übernommenen
Mehrwertsteuer) neben dem vom Kläger
selbst vorgelegten Urteil des OVG
Saarlouis vom 7. November 1994 - 1 R
43/93 -, NVwZ-RR 1995, 226, auch OVG
Lüneburg, Urteil vom 16. Februar 1972 -
VII OVG A 87/69 -, KStZ 1973, 136.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">
Diese typisierende Aufwandermittlung sieht bewußt (und dies ist aus Gründen der
Praktikabilität der Steuererhebung allein möglich) davon ab, den für die
Jagdausübung erbrachten individuellen Aufwand durch Erfassung und Saldierung
aller Lasten und Erträge der Jagd zu ermitteln. Bei den Lasten werden dabei
zahlreiche Kostenfaktoren außer Betracht gelassen (Ausrüstung, Reisen und
Unterbringung, Revierausstattung mit Hütten und Futterplätzen, Futterkosten,
Wildschadenersatz, Leistungen an die Berufsgenossenschaft, u.a.). Dem entspricht,
daß auch die individuellen durch Nutzung des Jagdausübungsrechtes erzielbaren
Einnahmen oder die Verminderung von sonstigen Kosten, die nicht den typisierend
herangezogenen Ausschnitt des Aufwandes betreffen, außer Ansatz bleiben
müssen. Pauschalierung und Typisierung des als Steuermaßstab dienenden
Aufwandes, wie sie die Satzung zulässigerweise durch Abstellen auf den Pachtpreis
mit Mehrwertsteuer und Nebenleistungen vornimmt, und wirtschaftliche Saldierung
der Kosten und Einnahmen aus der Jagd schließen sich aus. Es ist deshalb
systemgerecht, wenn eine Jagdsteuersatzung, die den steuerlich relevanten
Aufwand des Jagdpächters typisierend auch nach der Mehrwertsteuer bemißt, die
dieser gegenüber dem Verpächter ausgleicht, es unberücksichtigt läßt, ob und in
welchem Umfang der Pächter bei eigener Mehrwertsteuerpflicht berechtigt ist,
deswegen Vorsteuer abzuziehen.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">
2. Die Veranlagung des Klägers zur Jagdsteuer für das Jagdjahr
1996 ist, soweit bei der Bemessung der Jagdsteuer auf die vom
Pächter an den Verpächter zu zahlende Mehrwertsteuer
abgestellt worden ist, durch die nach dem zuvor Gesagten hier
anzuwendende und wirksame Satzungsregelung gedeckt.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">a) Dies gilt zunächst unbeschadet des Umstandes, daß die
Satzung erst nach Erlaß des streitigen Jagdsteuerbescheides
bekanntgemacht worden ist. Selbst wenn, was der Senat
unterstellt, die Satzung wegen eines Bekanntmachungsfehlers im
Zeitpunkt des Bescheides unwirksam war, hat die rückwirkende
Inkraftsetzung durch die Bekanntmachung vom 7. August 1996
diesen Mangel geheilt. Dies folgt daraus, daß es nach
ständiger Rechtsprechung nicht nur der Verwaltungsgerichte,
sondern auch des BGH für die Beurteilung der materiellen
Rechtmäßigkeit von Abgabenbescheiden auf den Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung ankommt und deshalb rückwirkende
Satzungsregelungen, die eine bis dahin unwirksame Satzung
ersetzen, einen rechtswidrigen Abgabenbescheid zu heilen
vermögen.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober
1994 - III ZR 24/94 -, DVBl 1995, 109 =
BGHZ 127, 223; VGH München, Urteil vom
08. Mai 1992 - 23 B 90.1777 -, KStZ
1992, 219 = NVwZ-RR 1993, 100; OVG
Münster, Urteil vom 29. September 1983
- 3 A 1635/82 -, NVwZ 1984, 321 = DÖV
84,598; BVerwG, Urteil vom 26. August
1983 - 8 C 140.81 -, NVwZ 1984, 648 =
BRS 43 Nr. 147; BVerwG, Urteil vom
25. November 1981 - 8 C 14.81 -,
BVerwGE 64, 218 = NVwZ 1982, 375;
BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1979 -
IV C 12 - 16.77 -, KStZ 1980, 70 = DÖV
1980, 341; BVerwG, Beschluß vom
25. Februar 1972 - VII B 92.70 -,
Buchholz 401.84, Nr. 13.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">
Im übrigen war hier bereits im Zeitpunkt der letzten
Verwaltungsentscheidung, nämlich bei Erlaß des
Widerspruchsbescheides, der ursprüngliche (unterstellte)
Satzungsmangel behoben.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">
b) Nach der Satzung ist die Mehrwertsteuer dann Bestandteil
des Steuermaßstabes des Jagdpächters, wenn sie zu dem von
diesem "an den Verpächter zu entrichtende(n) Entgelt" gehört.
Dies war vorliegend der Fall, denn der Kläger und sein
Mitpächter waren durch den Jagdpachtvertrag auch die
Verpflichtung eingegangen, die vom Verpächter zu entrichtende
Mehrwertsteuer zu übernehmen. </p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">(1) Für diese Verpflichtung aus dem Jagdpachtvertrag ist es
unerheblich, ob der Verpächter nach dem Umsatzsteuergesetz
umsatzsteuerpflichtig ist oder nicht. Maßgeblich für die
vertragliche Regelung ist nämlich nach deren Sinn nur, ob der
Verpächter wegen des Pachterlöses von der Finanzverwaltung zur
Umsatzsteuer veranlagt wird oder nicht, nicht aber, ob diese
Veranlagung durch das Gesetz gedeckt ist oder nicht. Letztere
Frage ist für die abgabenrechtliche Auseinandersetzung des
Verpächters mit dem Finanzamt von Bedeutung, nicht aber für
die vertragliche Pflicht des Jagdpächters zur Übernahme der
Mehrwertsteuer, zu der der Pächter veranlagt wird. Eine andere
Auslegung des Pachtvertrages dahin, daß der Pächter gegenüber
dem Verpächter die Zahlung der übernommenen Mehrwertsteuer
ablehnen dürfe, wenn der Verpächter vom Finanzamt zu Unrecht
zur Umsatzsteuer veranlagt werde, widerspricht offensichtlich
der dem Vertrag zugrunde liegenden Interessenlage. Dem Pächter
sollte mit dem Pachtvertrag wohl kaum die Möglichkeit
eingeräumt werden, bei Zweifeln daran, ob die Heranziehung des
Verpächters zur Mehrwertsteuer wegen des Pachterlöses dem
Grunde oder der Höhe nach zu Recht erfolge, diesen durch
Zahlungsverweigerung zwingen zu können, in eine rechtliche,
ggf. sogar finanzgerichtliche Auseinandersetzung mit der
Finanzbehörde einzutreten. Sinn der Regelung war es vielmehr,
die Mehrwertsteuer, zu der der Verpächter veranlagt wurde, an
den Pächter weiterzugeben.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Bei dieser vertraglichen Gestaltung ist - anders als in der
vom Kläger vorgelegten Entscheidung des OVG Saarlouis, aaO., -
für eine Prüfung der umsatzsteuerlichen Rechtslage durch den
Senat kein Raum. Denn es kommt hier nicht auf diese
Rechtslage, sondern nur darauf an, ob der Verpächter wegen des
Pachterlöses zur Mehrwertsteuer tatsächlich herangezogen
wird.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">(2) Die vertragliche Pflicht des Klägers, die
Mehrwertsteuer zu übernehmen, zu der der Verpächter wegen der
Pacht veranlagt wird, ist auch nicht dadurch entfallen, daß
die entsprechenden Abgabenbescheide noch nicht bestandskräftig
sind und deren Vollziehung noch (jedenfalls noch faktisch)
ausgesetzt ist. </p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Die Einsprüche, die der Verpächter beim Finanzamt eingelegt
hat, haben die Geschäftsgrundlage des Jagdpachtvertrages,
soweit die Pächter darin die Umsatzsteuer übernehmen, nicht
berührt. Die Geschäftsgrundlage für diese Vertragsklausel
entfällt im Hinblick auf die unter (1) dargestellte, den
Vertrag tragende Interessenlage erst, wenn feststeht, daß für
das jeweilige Steuerjahr der Erlös des Verpächters aus der
Jagdpacht nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Solange wegen der
Verpachtung der Jagd eine Heranziehung des Verpächters zur
Umsatzsteuer erfolgt und sei sie - wie hier - auch noch nicht
bestandskräftig, solange schuldet der Pächter dem Verpächter
deren Übernahme. Das vom Verpächter gegen die Besteuerung
eingelegte Rechtsmittel gewährt dem Pächter lediglich die
Chance, daß bei dessen Erfolg mit der Aufhebung des
Abgabenbescheides in der Zukunft auch die Geschäftsgrundlage
für die Übernahme der Umsatzsteuer nachträglich entfällt (und
damit eventuell Erstattungsansprüche gegen den Verpächter
entstehen). Es läßt diese Grundlage jedoch nicht bereits
deshalb entfallen, weil es eingelegt ist.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Dasselbe gilt für die vom Finanzamt gegenüber dem
Verpächter ausgesprochene Aussetzung der Vollziehung des
Umsatzsteuerbescheides für 1996: diese berührt die
Umsatzsteuerpflicht des Verpächters nicht, sondern setzt nur
seine Zahlungsverpflichtung gegenüber der Finanzbehörde
einstweilen aus. Der Jagdpachtvertrag bietet keinen Ansatz für
die Annahme, daß diese allein im Rechtsverhältnis zwischen
Verpächter und Finanzamt getroffene vorläufige Regelung
Auswirkungen auf die vertraglichen Verpflichtungen des
Jagdpächters hat, an den im Vertrag festgesetzten Zeitpunkten
auch die Mehrwertsteuer zu entrichten, zu der der Verpächter
herangezogen wird.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Im übrigen ist die Mehrwertsteuer in Übereinstimmung mit
diesem Verständnis des Vertrages vom Kläger und seinem
Mitpächter auch tatsächlich gezahlt und nicht verweigert
worden. Der "Vorbehalt", den der Kläger auch für die das
Jagdjahr 1996 betreffende Zahlung gemacht zu haben behauptet,
ändert daran nichts, denn ein solcher Vorbehalt ändert die
vertragsrechtliche Lage zwischen Pächter und Verpächter nicht
und verwandelt auch nicht die als Erfüllung von
Vertragspflichten erbrachte Leistung in eine reine
Sicherheitsleistung.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">
(3) An der vertraglichen Verpflichtung zur Übernahme der
Umsatzsteuer durch die Pächter ist für 1996 (und wohl auch für
die Folgejahre) nichts geändert worden. Eine schriftliche
Vertragsänderung, wie sie § 22 des Jagdpachtvertrages
vorsieht, wird vom Kläger nicht behauptet. Die von diesem
vorgetragene mündliche Abrede, daß die an den Verpächter
gezahlte Umsatzsteuer an die Pächter zurückerstattet werde,
wenn die vom Verpächter gegen seine wegen der Jagdpacht
erfolgte Veranlagung zur Umsatzsteuer erhobenen Einsprüche
erfolgreich bleiben, bedeutet (abgesehen vom Formmangel) keine
Vertragsänderung. Sie läßt die Pflicht zur Übernahme der
Mehrwertsteuer unberührt und schreibt nur fest, daß künftig
ein Erstattungsanspruch gegen den Verpächter entsteht, wenn
nachträglich die Geschäftsgrundlage für diese Übernahme
entfällt.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">(4) Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, daß der Beklagte,
auch soweit für die Höhe der Jagdsteuer auf die an den
Verpächter zu entrichtende Mehrwertsteuer abzustellen war,
eine endgültige Festsetzung der Steuer vornehmen durfte und
nicht nur eine vorläufige Steuerfestsetzung nach § 12 Abs. 1
Nr. 4 Buchst. b) KAG NRW iVm. § 165 Abs. 1 AO. Da der Kläger
und sein Mitpächter trotz der Auseinandersetzung zwischen
Verpächter und Finanzamt an den Verpächter Mehrwertsteuer zu
entrichten hatten, war insoweit nicht ungewiß, ob die
Voraussetzungen für die Entstehung der Steuer eingetreten
waren. Ungewiß war und ist allein, ob sich die Sach- und
Rechtslage für die Veranlagung zur Jagdsteuer eventuell durch
einen künftigen Erfolg des Verpächters bei der
Finanzverwaltung und einen dadurch entstehenden Anspruch der
Pächter auf Rückerstattung der an den Verpächter gezahlten
Mehrwertsteuer in einer rechtlich relevanten Weise
nachträglich ändern wird. Am gegenwärtigen Vorliegen der
Besteuerungsvoraussetzungen ändert die Chance einer
nachträglichen Änderung der Verhältnisse jedoch nichts.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">(5) Schließlich folgt aus dem Vorstehenden, daß der
Aussetzungsantrag des Klägers keinen Erfolg haben konnte, denn
die Bestandskraft des einschlägigen an den Verpächter
ergangenen Umsatzsteuerbescheides ist ohne Einfluß auf die
vertragliche Pflicht des Pächters zur entsprechenden Zahlung
an den Verpächter.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">
c) Die von den Pächtern an den Verpächter für das Jagdjahr
1996 zu entrichtende Mehrwertsteuer ist auch nicht in der Höhe
fehlerhaft angesetzt worden, weil der Beklagte es unterlassen
hätte, eventuell von den Pächtern abgesetzte Vorsteuer zu
berücksichtigen.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Zum einen gibt es in tatsächlicher Hinsicht keinen Anhaltspunkt dafür, daß der
Kläger in Bezug auf seine Jagd im maßgeblichen Zeitraum Geschäfte getätigt hat, für
die Mehrwertsteuer anfällt und bei der sich eine Vorsteuerabzugsberechtigung
auswirken könnte. Das vom Kläger dazu vorgelegte Schreiben der
Berufsgenossenschaft, wonach er "Jagdunternehmer" sei, hat mit dieser Frage
keinen Zusammenhang, denn der in diesem Schreiben benutzte Unternehmerbegriff
des § 103 SGB VII und der des § 2 Abs. 1 UStG haben miteinander nichts zu tun:
auch ein reiner Hobbyjäger ist als Pächter einer Jagd (nicht dagegen als Jagdgast)
Jagdunternehmer im Sinne des Unfallversicherungsrechts. Zum anderen erscheint
es unter jedem Gesichtspunkt ausgeschlossen, daß der Kläger, selbst wenn er
bezogen auf die Jagd Unternehmer im Sinne des UStG wäre, bezogen auf die Jagd
Umsätze getätigt hätte, die die Grenzen des § 19 Abs. 1 UStG überschritten und zu
einer Umsatzsteuerpflicht führen könnten.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Im übrigen aber wäre es rechtlich ohne Bedeutung, wenn der Kläger für 1996 bei
der Umsatzsteuer die an den Verpächter entrichtete Mehrwertsteuer für eigene
Umsätze als Vorsteuer absetzen könnte: Steuermaßstab ist die an den Verpächter
gezahlte Mehrwertsteuer. An dieser ändert sich, wie oben bereits ausgeführt, nichts,
wenn der Pächter seine eigene Umsatzsteuerschuld wegen dieser Steuer
vermindern darf.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">
d) Schließlich ist auch die alleinige Heranziehung des Klägers
zur Jagdsteuer unter Übergehung des Mitpächters
rechtsfehlerfrei. Mehrere Pächter einer Jagd schulden die
Jagdsteuer nach § 2 Abs. 1 Satz 2 JStS als
Gesamtschuldner.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der Auswahl unter den Gesamtschuldnern besteht ein weitgehend
freies Ermessen der Behörde. Ein Zwang zur Begründung der getroffenen Auswahl
ist regelmäßig nicht gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG vom 22.1.1993 - 8 C
57/91 -, NJW 1993, 1667; OVG NRW vom
21.11.1994 - 16 A 2859/94 -, NWVBL
1995, 233; vom 9.4.1990 - 22 A 2718/89
- NWVBL 1990, 375; VGH Mannheim vom
2.8.1994 - 2 S 1449/94 -, VBlBW 1995,
147; BayVGH vom 28.6.1985 - 23 CS 84
A.1051 -, DÖV 1986, 383.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">
Dafür, daß hier ein Ausnahmefall gegeben ist, der dem Beklagten bei der
Schuldnerauswahl Anlaß zu weitergehenden Ermessenserwägungen und ihrer
Darlegung hätte geben müssen, ist nichts vorgetragen und nichts ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, wobei
sich die Kostentragungspflicht des Klägers für das Verfahren
im ersten Rechtszug nur auf die Kosten bezieht, die nicht
bereits rechtskräftig durch das Verwaltungsgericht seinem
Mitpächter nach dessen Klagerücknahme auferlegt worden
sind.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
folgt aus § 167 VwGO iVm. § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen
des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,356 | olgham-1999-09-06-13-u-27198 | {
"id": 821,
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<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin verleaste der Beklagten, die früher unter I GmbH firmierte, Ende 1992
ein Olivetti-Computersystem (Hard- und Software). Der Vertrag sah eine Laufzeit von 60 Monaten
ab Übernahme vor (Finanzie-rungsleasing mit Vollamortisation). Die monatliche Leasingrate
betrug 2.470,16 DM zuzüglich MWSt. Die Klägerin kaufte das System für 130.975,74 DM
bei der Firma X, Q und & E GmbH in F. Die Beklagte übernahm die Anlage am 15. Dezember
1992. Mit Wirkung ab 1. November 1993 trat die K GmbH & Co KG dem Leasingvertrag als
"Nachfolger" bei. In der Vertragsurkunde heißt es:</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:34px">"Leasingnehmer/Mieter/Mietkäufer und Nachfolger haften</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:34px">für alle entstandenen und zukünftigen Verpflichtungen, die
mit dem o.a. Vertrag (scil. Leasingvertrag) in Zusammenhang stehen, gesamtschuldnerisch." </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die K GmbH & Co KG fiel später in Konkurs. Mit Schreiben vom 17. Juli 1996 teilte der
Konkursverwalter der Klägerin mit, daß er gem. § 17 KO die Erfüllung des
Leasingvertrages ablehne. Die Klägerin sah darin eine fristlose Kündigung und meldete
Schadensersatzansprüche an. Mit Schreiben vom 6. August 1996 bot sie der Beklagten die
Übernahme und Weiterführung des Vertrages an. Sie erbat eine entsprechende Erklärung
bis zum 20. August 1996 und drohte an, die Anlage andernfalls zu verwerten. Mit Schreiben vom 21. Mai
1997 teilte sie der Beklagten mit, daß aufgrund der Konstellation und des schlechten
verschmutzten Zustands eine Verwertung nicht möglich gewesen sei. Die Anlage habe nur noch
Schrottwert gehabt. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin behauptet, sie habe die Anlage am 19. September 1996 bei der Gemeinschuldnerin
abholen lassen. Die Anlage sei funktionsunfähig und verschmutzt gewesen. Die Magnetbandkassetten
und der Drucker hätten gefehlt. Sie habe die Anlage am 30. September 1996 bei sich eingelagert.
Sie sei unverkäuflich gewesen und deshalb im Januar 1997 verschrottet worden. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin verlangt rückständige Leasingraten von 5.681,36 DM brutto für
Juni und Juli 1996 und 37.844,51 DM Schadensersatz (16 restliche Leasingraten à 2.470,16 DM
netto = 39.522,56 DM abzüglich einer Zinsgutschrift von 1.678,05 DM, Refinanzierungssatz:
7,02 %).</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte behauptet, sie habe fernmündlich ihr Interesse an der Fortführung des
Vertrages bekundet. Darauf habe die Klägerin mitgeteilt, die Anlage könne derzeit nicht
zur Verfügung gestellt werden; der Konkursverwalter habe sie noch nicht freigegeben. Der
Konkursverwalter habe die Anlage noch Ende September 1996 genutzt; sie habe Weihnachten 1996 noch
bei der Gemeinschuldnerin gestanden. Die Anlage sei fortwährend gewartet worden und habe bei
Beendigung des Vertrages noch einen Wiederverkaufswert von 20.000 DM netto gehabt. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich
die Berufung der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen X und durch Einholung eines
mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. C. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung
und der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung ist im wesentlichen erfolglos. Die Klage ist bis auf einen Teil des
Zinsanspruchs begründet.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat gegen die Beklagte gem. § 2 des Leasingvertrages einen Anspruch auf
Zahlung rückständiger Leasingraten in Höhe von (2 x 2.840.68 DM =) 5.681,36 DM.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Vertragsbeitritt der späteren Gemeinschuldnerin läßt die Zahlungsverpflichtung
der Beklagten unberührt.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz
wegen Nichterfüllung in Höhe weiterer 37.844,51 DM.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Anspruchsgrundlage ist § 19 Satz 3 KO in Verbindung mit dem Schuldbeitritt der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Erklärung des Konkursverwalters, den Vertrag gem. § 17 KO nicht erfüllen zu wollen,
ist als Kündigung i.S. v. § 19 Satz 1 KO auszulegen. Der Konkursverwalter hat zum Ausdruck
gebracht, das Vertragsverhältnis beenden zu wollen. Dieses konnte er nicht gem. § 17 KO, denn
diese Vorschrift findet auf Leasingverträge, bei denen die zeitlich begrenzte Gebrauchsüberlassung
im Vordergrund steht, keine Anwendung (Wolf/Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts,
7. Aufl., Rdn. 2066). Hier gilt § 19 KO (Berninghaus in: Büschgen, Praxishandbuch Leasing, §
13 Rdn. 29). Die Kündigung wurde nach Ablauf der dreitägigen gesetzlichen Kündigungsfrist
gem. § 556 Abs. 4 Nr. 2 BGB am 1. August 1996 wirksam. Die Kündigung hat den Vertrag insgesamt,
also auch mit Wirkung für und gegen die Beklagte beendet (vgl. OLG D, NJW 1974, 2013 m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Für die Schadensersatzforderung der Klägerin gem. § 19 Satz 3 KO haftet die Beklagte
aufgrund ihres Schuldbeitritts. § 425 BGB steht dem nicht entgegen. Die Beklagte ist nämlich
nicht nur dem Leasingvertrag beigetreten, sondern sie hat zusätzlich ihren Schuldbeitritt auch
zu allen zukünftigen Verpflichtungen, die mit dem Leasingvertrag in Zusammenhang stehen,
erklärt. Zu diesen Verpflichtungen gehört der Schadensersatzanspruch des Leasinggebers
nach Kündigung des Leasingvertrages durch den Konkursverwalter des Erstschuldners. Ebenso wie
die Bürgschaft (§ 765 Abs. 2 BGB) kann sich der Schuldbeitritt auch auf künftige oder
bedingte Verbindlichkeiten beziehen (vgl. BGH NJW-RR 1993, 308). </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung umfaßt gem. § 252 BGB
grundsätzlich den vollständigen Gewinn, den der Gläubiger bei ordnungsgemäßer
Vertragserfüllung erzielt hätte (BGH NJW 1991, 221, 223). </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat deshalb einen Anspruch auf Zahlung der restlichen Nettoleasingraten, wobei
wegen des Zinsvorteils eine Abzinsung zu erfolgen hat. Die Höhe des mit 7,02 % in Ansatz gebrachten
Refinanzierungssatzes hat die Klägerin durch Vorlage der Bescheinigung der Frankfurter Sparkasse
vom 15. Januar 1999 belegt. </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Auf die danach sich ergebende Forderung ist grundsätzlich der Verwertungserlös des
Leasingobjekts anzurechnen. Hier hat die Klägerin keinen Erlös erzielt, denn sie hat die
Anlage verschrottet. Dazu war sie berechtigt, denn die Leasingsache war wirtschaftlich wertlos. </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Richtig ist, daß sich der Leasinggeber mit zumutbarer Sorgfalt um die bestmögliche Verwertung
des Leasingobjekts bemühen muß (BGHZ 95, 39, 54 und 61). Die Verwertung muß in angemessener
Zeit erfolgen (Berninghaus, aaO, Rdn. 109). Verstößt er schuldhaft gegen diese Pflicht, kann der
Leasingnehmer aus positiver Vertragsverletzung Schadensersatz verlangen. Der Anspruch des Leasingnehmers
ist im Rahmen der Abrechnung der Ansprüche des Leasinggebers als zu verrechnende Gegenforderung oder
als schadensminderndes Mitverschulden des Leasinggebers zu berücksichtigen (Berninghaus, aaO). </p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin mußte sich wegen des besonders schnellen Wertverfalls von EDV-Anlagen um eine
möglichst rasche Verwertung des Leasingobjekts bemühen. Gegen diese Verpflichtung hat sie
nicht verstoßen. Die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe die Anlage Weihnachten 1996
noch nicht abgeholt gehabt, ist widerlegt. Die Abholung ist 19. September 1996 erfolgt. Das ergibt sich
aus den von der Klägerin überreichten Unterlagen, deren Richtigkeit der Zeuge X glaubhaft
bestätigt hat. Daß die Klägerin die Anlage nicht verwertet hat, kann ihr nicht angelastet
werden. Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß eine Verwertung nicht (mehr) möglich war. Sie war
unverkäuflich. Wie der Sachverständige Dr. C überzeugend dargelegt hat, gibt es zwar
durchaus einen Gebrauchtmarkt für EDV-Anlagen, aber nicht für Hardware, die - wie hier - mit
dem UNIX-System (ein einziger Rechner mit mehreren Terminals) arbeitet. Die PDS-Standard-Software war
deshalb unverkäuflich, weil sie - lizenzrechtlich - an das Unternehmen gebunden war. Auch der
zurückgegebene Drucker war nach Angaben des Sachverständigen nicht zu verkaufen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">cc)</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Daß die Klägerin durch die vorzeitige Beendigung des Leasingvertrages Kosten erspart hat,
ist nicht ersichtlich. Während die Fortführung eines Vertrages im allgemeinen mit relativ
geringem Kostenaufwand verbunden ist, fallen bei vorzeitiger Beendigung regelmäßig höhere
Kosten an. Eine Kostenersparnis tritt deshalb erfahrungsgemäß nur dann ein, wenn sich die
Fortführung des Vertrages im Einzelfall als besonders kostenintensiv dargestellt hätte. Das
macht die Beklagte nicht geltend. </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch rechtfertigt sich in dem zuerkannten Umfang gem. §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1
BGB, 352 Abs. 1 Satz 1 HGB. Einen höheren Zinsschaden (§ 286 BGB) hat die Klägerin nicht
nachgewiesen. </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO, 92 Abs. 2 ZPO, diejenige über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Ziff. 10 ZPO.</p>
|
114,357 | lsgnrw-1999-09-06-l-16-b-3499-kr-nzb | {
"id": 799,
"name": "Landessozialgericht NRW",
"slug": "lsgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | L 16 B 34/99 KR NZB | 1999-09-06T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:36 | 2019-02-12T13:54:19 | Beschluss | ECLI:DE:LSGNRW:1999:0906.L16B34.99KR.NZB.00 | <span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Gründe:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die von der Zuzahlungspflicht des § 31 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) - befreite Klägerin begehrt die Erstattung eines Betrages von 1,97 DM.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Im Oktober 1998 wurde der Klägerin kassenärztlich das Medikament Dismenol verordnet, für das ein Festbetrag von 7,61 DM i.S.v. § 31 Abs. 2, §§ 35, 36 SGB V bestimmt ist und das die abgebende Apotheke mit einem Endpreis von 9,58 DM berechnet hat.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag der Klägerin, die Beklagte solle (die Arzneikosten in voller Höhe übernehmen und) ihr die entstandenen Kosten erstatten, abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 26.04.1999). Die Berufung hat es nicht zugelassen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Auf den am 27.05.1999 zum Zwecke der Zustellung versandten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 28.05.1999 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1, § 145 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Zutreffend hat zwar das SG herausgestellt, daß die gesetzlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 SGB V erfüllt sind, wonach die Klägerin den Betrag selbst zu zahlen hat, der den Festbetrag übersteigt. Jedoch ist nicht abschließend entschieden, ob der Festbetrag ordnungsgemäß und den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechend zustande gekommen und bestimmt worden ist. Richtig ist zwar die Auffassung des SG, daß dem einzelnen Versicherten kein Anspruch auf Bereitstellung oder Finanzierung bestimmter Gesundheitsleistungen zusteht, vielmehr der Umfang des Anspruchs auf Krankenbehandlung durch die Leistungsgesetze bestimmt und begrenzt wird (Hinweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG), NJW 1997, 3085). Entgegen der Auffassung des SG ist aber auch im vorliegenden Verfahren zu prüfen, ob die Festbeträge in einem ordnungsgemäßen Verfahren bestimmt und festgesetzt worden sind. Denn nur von der zuständigen Stelle in die Festbetragsregelung einbezogene Medikamente lösen eine Pflicht der Versicherten zur Eigenbeteiligung aus. Sind die Festbeträge nicht in einem verfassungsrechtlich zulässigen Verfahren festgesetzt worden, haben sie keine Rechtswirksamkeit. Derartige Zweifel bestehen derzeit, wie dem Vorlagebeschluß des Bundessozialgerichts (BSG) u.a. vom 14.06.1995 - Az. 3 RK 20/94 - (in: Neue Zeitschrift für Sozialrecht - NZS - 1995, 502 ff.) zu entnehmen ist. Das BSG hat dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob § 35 SGB V hinsichtlich der Festsetzung von Festbeträgen deswegen verfassungswidrig ist, weil die Festsetzung nicht als Rechtsnorm durch die dazu legitimierten Rechtssetzungsorgane, sondern durch Verwaltungsbehörden erfolgt. Diese bislang durch eine Entscheidung des BVerfG nicht ausgeräumten Zweifel müssen auch in dem die Klägerin betreffenden Verfahren beachtet werden. Dabei ist unerheblich, daß das BSG ersichtlich Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit auch wegen der vom SG herausgehobenen Rechtspositionen der Arzneimittelhersteller aus Art. 12 GG (Einschränkung der Berufsfreiheit) geäußert hat. Dies betrifft in der Tat nicht die subjektiven Rechte der Klägerin. Entscheidend ist aber, daß die Klägerin dadurch in ihren subjektiven Rechten verletzt sein könnte, wenn die Beitragsfestsetzung gegen Art. 80 GG, eine verfassungsrechtliche Verfahrensnorm, verstößt. Die formelle Verfassungswidrigkeit einer Regelung greift unmittelbar in die Rechte des jedes einzelnen Betroffenen ein und ist deshalb zu berücksichtigen (für die Zulässigkeit der Inzidentkontrolle in Verfahren, die ein Versicherter betreibt, ausdrücklich das BSG a.a.O., S. 506).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Solange das BVerfG diese Frage nicht abschließend geklärt hat, muß die Rechtssache als grundsätzlich angesehen werden.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.</p>
|
114,358 | olgk-1999-09-06-27-uf-18599 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 27 UF 185/99 | 1999-09-06T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:36 | 2019-02-11T10:39:14 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0906.27UF185.99.00 | <h2>Tenor</h2>
1) Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 20. Juli 1999 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Jülich vom 4. Juni 1999 - 10 F 448/98 - aufgehoben.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
2) Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers vom 20. Juli 1999 gegen Richter am Amtsgericht B. wegen Besorgnis der Befangenheit wird als unbegründet zurückgewiesen.
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">G r ü n d e</p>
<span class="absatzRechts">2</span><ol class="absatzLinks">
<li>Die zulässige Beschwerde des Antragsstellers führt im Ergebnis
zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.</li>
</ol>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss des Familiengerichts, durch den es dem
Antragsteller als Vormund des Kindes die Vertretungsmacht bezüglich
des Aufenthaltsbestimmungsrechts und bezüglich Pass- und
Ausweisangelegenheiten entzogen und auf den Kindesonkel als Pfleger
übertragen hat, unterliegt der Aufhebung, weil die sachliche
Zuständigkeit des Familiengerichts für die getroffenen Maßnahmen
nicht gegeben ist.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Familiengericht für
Familiensachen zuständig, die die elterliche Sorge für ein Kind
betreffen, soweit sich die Zuständigkeit aus den Vorschriften des
Bürgerlichen Gesetzbuches ergibt. Das Familiengericht hat hiernach
zwar über die Übertragung der elterlichen Sorge auf den
Antragsteller nach § 1680 Abs. 2 BGB zu entscheiden. Dies gilt
auch, soweit mit einer entsprechenden, dem Antrag stattgebenden
Entscheidung die elterliche Sorge des Antragstellers an die Stelle
der ihm übertragenen Vormundschaft tritt. Aus der Zuständigkeit für
das Verfahren nach § 1680 Abs. 2 BGB ergibt sich jedoch keine
Zuständigkeit des Familiengerichts für sonstige Abänderungen der
von dem Vormundschaftsgericht getroffenen Entscheidung über die
Vormundschaft, insbesondere nicht für die Entlassung eines Vormunds
nach den §§ 1886 ff BGB und die Bestellung eines anderen Vormunds
oder auch für die den Vormund betreffende Entziehung der
Vertretungsmacht nach § 1796 BGB. Diese sind dem
Vormundschaftsgericht vorbehalten. Dies gilt auch für im Wege der
einstweiligen Anordnung vom Familiengericht getroffene Maßnahmen
ungeachtet dessen, dass sie bis zu ihrer Aufhebung wirksam bleiben
(vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 58. Aufl, Einl. v. § 1773 Rn.
2).</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform ist bewußt davon abgesehen
worden, die Verfahren betreffend die Vormundschaft über
Minderjährige in die Zuständigkeit der Familiengerichte zu
übertragen (vgl. BT.-Drs. 13/4899, S. 71). Ausgeweitet worden ist
die Zuständigkeit der Familiengerichte allerdings bei Anordnungen
von Vormundschaften oder Pflegschaften im Rahmen von § 1697 BGB;
die Anwendung dieser Vorschrift setzt jedoch voraus, dass wegen -
die elterliche Sorge betreffenden - Maßnahmen des Familiengerichts
(etwa bei Entziehung der elterlichen Sorge nach § 1666 BGB) eine
Vormundschaft oder Pflegschaft anzuordnen ist. Ein solcher Fall ist
hier indes nicht gegeben, weil die getroffene Maßnahme nicht die
elterliche Sorge, sondern die Vormundschaft des Antragstellers
betrifft. Die Entscheidung, durch die dem bestellten Vormund die
Vertretungsmacht für einzelne Angelegenheiten oder einen bestimmten
Kreis von Angelegenheiten entzogen wird (§ 1796 BGB), ist mithin
ebenso wie die Änderung sonstiger vom Vormundschaftsgericht
getroffener, auch nach der neuen Rechtslage in seine Zuständigkeit
fallender Anordnungen (§ 1696 BGB) auch weiterhin von dem
Vormundschaftsgericht in eigener Zuständigkeit zu treffen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Zuständig wäre das Familiengericht allerdings im Rahmen des in
seiner Zuständigkeit liegenden Verfahrens nach § 1680 Abs. 2 BGB
für die Bestellung eines Verfahrenspflegers für das Kind nach § 50
FGG gewesen, auch soweit eine solche Bestellung einen Eingriff in
die Vertretungsbefugnis des Vormunds beinhaltet. Ersichtlich hat
jedoch das Familiengericht eine solche Verfahrenspflegschaft nicht
anordnen wollen, sondern eine einstweilige Anordnung auf der
Grundlage der §§ 1796, 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB getroffen und auch
treffen wollen. Ein anderes Verständnis der angefochtenen
Entscheidung kommt im Streitfall auch deswegen nicht in Betracht,
weil die Anordnung einer Verfahrenspflegschaft ohnehin die
Wahrnehmung von Pass- und Ausweisangelegenheiten für das Kind nicht
umfassen dürfte.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a FGG.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">2) Das Befangenheitsgesuch gegen Richter am Amtsgericht B. ist
zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Nach § 42 Abs. 2 ZPO, der nach § 621 a Abs. 1 Satz 2 ZPO in
isolierten Sorgesachen entsprechend anzuwenden ist, kann ein
Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein
Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen seine
Unparteilichkeit zu wecken. Ein solcher Grund ist anzunehmen, wenn
objektive Umstände gegeben sind, die vom Standpunkt des Ablehnenden
bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der
Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber (vgl.
Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 42 Rn. 9 m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Solche objektiven Gründe hat der Antragsteller weder hinreichend
dargetan noch glaubhaft gemacht (§ 44 Abs. 2 ZPO). Hierfür reicht
insbesondere der gegen den abgelehnten Richter erhobene Vorwurf
nicht aus, er habe den "vernünftigen Vorschlag" des Antragstellers
"abgekanzelt". Der Hinweis des abgelehnten Richters im dem
Schreiben vom 20. Februar 1999 darauf, der Antragsteller möge seine
Meinung noch einmal überdenken und nicht auf "Garantien für ein
bestimmtes grundsätzlich vom Gericht und nicht von ihm zu
bestimmendes Verfahren" bestehen, ist lediglich als ein - in der
Sache zutreffender - Hinweis des Gerichts zu verstehen, dass es den
Vorschlag des Antragstellers zwar als Anregung zur Kenntnis
genommen und in Erwägung gezogen hat, sich gleichwohl aber
entsprechend seinem Selbstverständnis nicht das konkrete - aus
seiner Sicht auch unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu
bestimmende - Vorgehen bei der Durchführung der Anhörung des Kindes
von einer Partei vorschreiben lassen kann.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Dass der abgelehnte Richter dem Vorschlag des Antragstellers für
den Verfahrensablauf nicht gefolgt ist, ist bei objektiver
Betrachtung kein Grund für die Annahme, er stehe dessen Begehren
nicht mehr unvoreingenommen gegenüber. Dies gilt insbesondere auch
deswegen, weil die Befürchtung des Antragstellers, die Verwandten
würden das Kind beeinflussen, wenn sie es nach Deutschland
brächten, nicht gerechtfertigt erscheint. Denn das Kind lebt
bereits seit geraumer Zeit gemeinsam mit ihnen in Tschechien, so
dass sie ohnehin genügend Gelegenheit haben, mit dem Kind über das
anhängige Verfahren zu sprechen und auf es Einfluss auszuüben. Mit
der Begleitung nach Deutschland würde insofern lediglich ein
ohnehin bestehender Zustand fortgesetzt. Umgekehrt mag die von dem
Antragsteller geäußerte Vermutung einer Einflussnahme durch die
Verwandten des Kindes ein Hinweis darauf sein, dass er
möglicherweise seinerseits mit einem Abholen des Kindes in
Tschechien die Hoffnung verbindet, vor der Anhörung durch das
Gericht mit dem Kind über eine dauerhafte Rückkehr nach Deutschland
sprechen zu können. Sofern der Antragsteller befürchtet, mit der
Zustimmung zur Ausstellung eines Passes "sein letztes Pfand" heraus
zu geben, sind nach dem bisherigen Verhalten in dem Verfahren keine
konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die tschechischen
Verwandten nach Ausstellung eines Passes für das Kind einer Ladung
zur Anhörung vor dem Familiengericht nicht Folge leisten könnten.
Ohnehin musste es aus Sicht des abgelehnten Richters zumindest
zweifelhaft erscheinen, ob es dem Antragsteller mit dem deutschen
Kinderausweis überhaupt gelingen würde, das Kind, das im heutigen
Tschechien - der früheren Tschechoslowakei - geboren ist und dessen
Mutter tschechische Staastbürgerin war - über die
tschechisch-deutsche Grenze mit nach Deutschland zu bringen. Dass
der abgelehnte Richter bei dieser Sachlage mit dem Ziel,
baldmöglich eine Anhörung des Kindes zu ermöglichen - dies
erscheint gerade auch im vehementen Interesse des Antragstellers
dringend geboten -, die entsprechenden Anordnungen in dem Beschluss
vom 4. Juni 1999 getroffen hat, vermag die Besorgnis der
Befangenheit nicht zu begründen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Nichts anderes gilt schließlich für den Umstand, dass das
Familiengericht nach Ansicht des Senats (siehe unter 1) für die im
Beschluss vom 4. Juni 1999 getroffenen Anordnungen sachlich nicht
zuständig ist. Fehlerhafte Entscheidungen sind grundsätzlich kein
Ablehnungsgrund, wenn nicht Gründe dargetan werden, die dafür
sprechen, dass die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen
Einstellung gegenüber der ablehnenden Partei beruht. Hierfür
besteht im Streitfall kein Anhaltspunkt.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Bei dieser Sachlage muss das Ablehnungsgesuch ohne Erfolg
bleiben.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Beschwerdewert: 2.000 DM</p>
|
114,359 | olgk-1999-09-06-2-w-16399 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 W 163/99 | 1999-09-06T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:36 | 2019-02-11T10:39:14 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1999:0906.2W163.99.00 | <h2>Tenor</h2>
Das Amtsgericht Bonn wird angewiesen, dem Rechtshilfeersuchen des Amtsgerichts Neuwied vom 28. Mai und 17. Juni 1999 zu entsprechen. Jedoch bleibt die Anordnung der Vorführung der Geschäftsführerin des Antragsgegnerin dem Amtsgericht Neuwied vorbehalten.<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">G r ü n d e</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">##blob##nbsp;</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Die Bestimmungen der §§ 156 ff GVG über
die Rechtshilfe sind auch im Verfahren nach der Insolvenzordnung
anzuwenden (vgl. Kirchhof in: Heidelberger Kommentar zur InsO,
1999, § 2, Rdn. 10 und § 5, Rdn. 16; Schmerbach in: Frankfurter
Kommentar zur InsO, 1999, § 2, Rdn. 12 und § 5, Rdn. 25; Smid,
InsO, 1999, § 4, Rdn. 11). Mit der Verweisung auf die Vorschriften
der Zivilprozeßordnung wird durch § 4 InsO das Insolvenzverfahren -
in gleicher Weise wie durch § 72 KO das Konkursverfahren (vgl.
hierzu Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, § 72, Rdn. 1) - der
streitigen Gerichtsbarkeit zugeordnet, so daß hier auch die
Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes anwendbar sind, soweit
die Insolvenzordnung selbst keine speziellere Regelung trifft.
Nachdem es das Amtsgericht Bonn durch Verfügungen vom 8. und 29.
Juni 1999 abgelehnt hat, dem Rechtshilfeersuchen des Amtsgerichts
Neuwied vom 28. Mai und 17. Juni 1999 zu entsprechen, hat daher auf
die Beschwerde des ersuchenden Gerichts vom 9. Juli 1999 gemäß §
159 Abs. 1 Satz 1 GVG das Oberlandesgericht Köln zu entscheiden, zu
dessen Bezirk das ersuchte Gericht gehört.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Dem Rechtshilfeersuchen des
Amtsgerichts Neuwied hat das Amtsgericht Bonn zu entsprechen,
soweit es nicht auf den Erlaß eines Vorführungsbefehls durch den
ersuchten Richters zielt. Nach § 158 Abs. 1 GVG darf ein
Rechtshilfeersuchen grundsätzlich nicht abgelehnt werden. Etwas
anders gilt nur, wenn die vorzunehmende Handlung nach dem Recht des
ersuchten Gerichts verboten ist (§ 158 Abs. 2 Satz 1 GVG) oder wenn
das Ersuchen nicht ausführbar ist, etwa weil die vorzunehmende
Handlung nicht hinreichend deutlich bezeichnet ist (vgl.
Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 57. Aufl. 1999, § 158 GVG, Rdn. 1;
Zöller/Gummer, ZPO, 21. Aufl. 1999, § 158 GVG, Rdn. 1). Soweit
nicht der Erlaß eines Vorführungsbefehls in Rede steht, liegt
keiner dieser Ausnahmefälle hier vor.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Gemäß den §§ 20, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1
Satz 1 InsO ist der Schuldner bzw. das zu seiner Vertretung
berufene Organ, im Fall einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung
also deren Geschäftsführer (§ 35 Abs. 1 GmbH; vgl. Kirchhof,
a.a.O., § 20, Rdn. 4), auch im Eröffnungsverfahren zur
Auskunftserteilung verpflichtet. Die Einholung von Auskünften des
Schuldners oder seines gesetzlichen Vertreters ist nicht auf eine
schriftliche Befragung beschränkt. Vielmehr können der Schuldner
oder sein gesetzlicher Vertreter gemäß den §§ 20 Satz 2, 97 Abs. 3
Satz 1, 101 Abs. 1 Satz 1 InsO auch zu einem Termin geladen werden,
damit er in diesem Termin die erforderlichen Auskünfte erteilt
(vgl. Eickmann in: Heidelberger Kommentar, a.a.O., 1999, § 97, Rdn.
16). Die im Schrifttum vertretene Auffassung, das Insolvenzgericht
solle auf Vernehmungen im Wege der Rechtshilfe insbesondere wegen
des damit verbundenen Zeitverlustes und des eingeschränkten
Erkenntniswerts derartiger Vernehmungen möglichst verzichten (vgl.
Schmerbach, a.a.O., § 5, Rdn. 25), steht der Verpflichtung des
Amtsgerichts Bonn zur Ausführung des Rechtshilfeersuchens
ebensowenig entgegen wie der Einwand in der Verfügung des ersuchten
Gerichts vom 29. Juni 1999, daß die Geschäftsführerin der
Schuldnerin - wie aus einem anderen Verfahren bekannt sei - "zum
Termin sowieso nicht erscheine", weshalb ihre Vernehmung im Wege
der Rechtshilfe "untunlich" sei. Ob eine bestimmte Verfahrensweise
zweckmäßig ist, unterliegt allein der Beurteilung des ersuchenden
Gerichts. Ein Rechtshilfeersuchen darf nicht deshalb abgelehnt
werden, weil der ersuchte Richter die Verfahrensweise des
ersuchenden Gerichts als unzweckmäßig oder "untunlich" ansieht
(vgl. BGH NJW 1990, 2936 [2937]; BayObLG, Rpfleger 1994, 103; OLG
Düsseldorf, MDR 1996, 843 [844]; Baumbach/Lauterbach/Albers,
a.a.O., § 158 GVG, Rdn. 3; Zöller/Gum-mer, a.a.O., § 158 GVG, Rdn.
4). Zudem kann, wenn die Geschäftsführerin der Schuldnerin zu dem
Termin vor dem ersuchten Richter des Amtsgerichts Bonn nicht
erscheinen sollte, gemäß den §§ 20 Satz 2, 98 Abs. 1 Nr. 1, 101
Abs. 1 Satz 1 InsO ihre zwangsweise Vorführung und
erforderlichenfalls auch die Haft angeordnet werden, um die
Erfüllung ihrer Auskunftspflichten zu erzwingen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Das Rechtshilfeersuchen ist auch
hinreichend bestimmt. Zwar kann einem solchen Ersuchen dann -
mangels Ausführbarkeit - nicht entsprochen werden, wenn sich aus
ihm für den ersuchten Richter nicht mit hinreichender Deutlichkeit
ergibt, um welche Maßnahmen er gebeten wird, wenn also im Fall
eines Vernehmungsersuchens nicht klargestellt ist, worüber - zu
welchen Themen - die zu befragende Person vernommen werden soll
(vgl. OLG Koblenz, NJW 1975, 1036; OLG Oldenburg, NJW-RR 1992, 64;
OLG Frankfurt, MDR 1995, 1216; Zöller/Gummer, a.a.O., § 158 GVG,
Rdn.1). Es bedarf hier keiner Entscheidung, unter welchen
Voraussetzungen eine nähere Bezeichnung der aufzuklärenden
Tatsachen wegen des mit der Anhörung verfolgten Ziels nicht geboten
ist (vgl. KG NJW-RR 1990, 586 mit weit. Nachw. für den Fall einer
Anhörung nach § 613 ZPO und/oder 50 b FGG) und ob ein derartiger
Fall wegen des das Insolvenzverfahren beherrschenden Grundsatzes
der Ermittlung von Amts wegen (§ 5 Abs. 1 InsO) auch gegeben ist,
wenn der Schuldner oder sein gesetzlicher Vertreter im
Eröffnungsverfahren nach den §§ 20, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 InsO zur
Erteilung von Auskünften über die wirtschaftlichen Verhältnisse des
Schuldners herangezogen werden soll. Im vorliegenden Fall ergibt
sich nämlich jedenfalls aus dem Vordruck "Vermögensübersicht", den
das Amtsgericht Neuwied dem Amtsgericht Bonn mit übersandt und auf
den es in der Verfügung vom 17. Juni 1999 zur näheren
Konkretisierung seines Ersuchens Bezug genommen hat, mit
hinreichender Deutlichkeit, welche Fragen die Geschäftsführerin der
Schuldnerin beantworten soll.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">Von der Erfüllung im Wege der
Rechtshilfe ausgenommen sind gemäß § 158 Abs. 2 Satz 1 GVG
allerdings solche Aufgaben, die das ersuchte Gericht wegen einer
insoweit gegebenen ausschließlichen Zuständigkeit des
Insolvenzgerichts nicht vornehmen darf (vgl. Kirchhof, a.a.O., § 2,
Rdn. 10). Zuständig für den Erlaß einer Vorführungsanordnung oder
eines Haftbefehls ist nach der Regelung des § 98 Abs. 2 in
Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 InsO das Insolvenzgericht, nicht der
ersuchte Richter (vgl. Schmerbach, a.a.O., § 25, Rdn. 5). Der Erlaß
einer Vorführungsanordnung kann daher nicht - wie mit der Verfügung
des Amtsgerichts Neuwied vom 17. Juni 1999 beabsichtigt - dem
ersuchten Amtsgericht Bonn übertragen werden. Die Erzwingung einer
Vernehmung im Wege der Rechtshilfe wird hierdurch nicht wesentlich
erschwert, weil das ersuchende Gericht nicht gehindert ist, dem
Rechtshilfeersuchen vorsorglich - für den Fall, daß die zu
vernehmende Person nicht erscheint - einen Vorführungsbefehl
beizufügen (vgl. Schmerbach, a.a.O.) oder einen solchen
Vorführungsbefehl kurzfristig zu erlassen, nachdem der ersuchte
Richter ihm mitgeteilt hat, daß die zu vernehmende Person nicht
erschienen ist.</p>
|
114,360 | olgk-1999-09-06-14-uf-17399 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
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Die als sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Euskirchen vom 3. Mai 1999 - 19 FH 5/98 - zu behandelnde Eingabe des Antragsgegners vom 10. Mai 1999 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>Gründe:</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ein Antrag auf
Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren nach §§ 645 ff
ZPO. Zusammen mit dem amtlichen Erkärungsvordruck für Einwendungen
gegen den Antrag und einem Anschreiben des Amtsgerichts ist die
Antragsschrift vom 16. Dezember 1998, wegen deren Einzelheiten auf
Bl. 1 bis 10 d.A. Bezug genommen wird, dem Antragsgegner persönlich
am 26. März 1999 zugestellt worden (Bl. 18R d.A.). Mit Beschluß vom
3. Mai 1999 hat das Amtsgericht dem Antrag entsprochen.. Mit einem
am 17. Mai 1999 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz seiner
Verfahrensbevollmächtigten vom 10. Mai 1999 hat der den
Erklärungsvordruck übersandt und weiter zum Verfahren Stellung
genommen. Wegen des näheren Inhalts wird auf Bl. 29 ff d.A.
verwiesen. Das Amtsgericht hat diese Eingabe als sofortige
Beschwerde gegen den Festsetzungsbeschluß angesehen und die Sache
dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Der Senat hat beide Parteien
hiervon in Kenntnis gesetzt und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme
gegeben. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den
Akteninhalt Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die vom Amtsgericht zutreffend als sofortige Beschwerde nach §
652 Abs. 1 ZPO behandelte Eingabe des Antragsgegners ist zulässig,
bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">§ 652 Abs. 2 ZPO schränkt den Gegenstand der Beschwerde ein. Mit
der Beschwerde können nur</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">a) die Einwendungen nach § 648 Abs. 1 ZPO oder</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">b) die Zulässigkeit von Einwendungen nach § 648 Abs. 2 oder</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">c) die Unrichtigkeit der Kostenfestsetzung</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">geltend gemacht werden.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><i>zu a):</i></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Beschwerdeführer beruft sich darauf, die Verfahrenskosten
seien gemäß § 93 ZPO der Antragstellerin aufzuerlegen, weil er
keinen Anlaß zu dem Verfahren gegeben habe. Dieser gemäß § 648 Abs.
1 Satz 2 ZPO zulässige Einwand greift nicht durch. Aus der in den
Akten befindlichen vorgerichtlichen Korrespondenz der Parteien
ergibt sich nämlich, daß der Antragsgegner über einen langen
Zeitraum hinweg immer wieder vergeblich aufgefordert worden ist,
seine Unterhaltsverpflichtung außergerichtlich beurkunden zu
lassen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der weiter erhobene Einwand gegen den Zeitraum oder die Höhe des
Unterhalts (Einwand C des Einwendungsformulars) ist nicht näher
erläutert.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Andere Einwendungen nach § 648 Abs. 1 ZPO sind nicht geltend
gemacht worden.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">zu b:</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die übrigen Einwendungen des Antragsgegners fallen unter § 648
Abs. 2 ZPO. Insoweit kann aber mit der Beschwerde nur gerügt
werden, daß das Gericht eine solche Einwendung zu Unrecht als
unzulässig angesehen habe (vgl. Born in: Unterhaltsrecht, Stand:
1.11.1998, II Rdn. 442; Bäumel in: Familienrechtsreformkommentar
1998, Rdn. 8 zu § 652 ZPO). Das setzt also voraus, daß das
erstinstanzliche Gericht über eine Einwendung im Sinne des § 648
Abs. 2 ZPO entschieden hat (vgl. dazu auch die Begründung des
Gesetzentwurfs zu § 652 Abs. 2 ZPO in BT-Drucks. 13/7338, S.
42:</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">"... Als Beschwerdegründe für beide
Parteien kommen nur die in § 648 Abs. 1 ZPO-E bezeichneten
Einwendungen...sowie der Einwand in Betracht, das Gericht habe eine
Einwendung im Sinne des § 648 Abs. 2 ZPO-E zu Unrecht als
unzulässig behandelt. ...").</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">An einer Befassung des Amtsgerichts mit Einwendungen des § 648
Abs. 2 ZPO fehlt es hier. Das Amtsgericht konnte über die erstmals
mit Schriftsatz vom 10.5.1999 vorgebrachten Einwendungen nicht mehr
entscheiden, weil der Antragsgegner sie nicht rechtzeitig erhoben
hat.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Im vereinfachten Verfahren nach §§ 645 ff ZPO hat der
Antragsgegner gemäß § 647 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO innerhalb eines
Monats ab Zustellung des Antrags die Möglichkeit, die in § 648 ZPO
näher beschriebenen Einwendungen zu erheben. Ist der Antrag im
Ausland zuzustellen, so bestimmt das Gericht die Einwendungsfrist,
§ 647 Abs. 1 Satz 3 ZPO. Die Einwendungsfrist ist allerdings nicht
als Ausschlußfrist ausgestaltet. Auch nach Fristablauf eingehende
Einwendungen hat das Gericht zu berücksichtigen, solange der
Festsetzungsbeschluß noch nicht verfügt ist, § 648 Abs. 3 ZPO. Nach
diesem Zeitpunkt kann der Antragsgegner Einwendungen nur noch im
Wege der Abänderungsklage nach § 654 ZPO geltend machen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Verfahren sind Einwendungen des Antragsgegners,
der auf die Monatsfrist vom Amtsgericht hingewiesen worden war,
weder innerhalb dieser Frist noch vor Verfügung des
Festsetzungsbeschlusses eingegangen. Soweit sich der Antragsgegner
darauf beruft, der Antrag sei erst am 22. April 1999 bei ihm
eingegangen, steht dem der Inhalt des Zustellungszeugnisses Bl. 18R
d.A. entgegen, ausweislich dessen die Übergabe am 26. März 1999
erfolgte. Die Zustellung war entgegen der Auffassung des
Antragsgegners auch nicht deswegen unwirksam, weil sie nicht an
seine jetzige Verfahrensbevollmächtigte erfolgt ist. Die Zustellung
hätte nur dann an die Verfahrensbevollmächtigte erfolgen müssen,
wenn diese für das gerichtliche Verfahren bestellt gewesen wäre, §
176 ZPO. Dazu hätte dem Gericht die Bevollmächtigung zur Kenntnis
gebracht werden müssen, was hier indes nicht geschehen war.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Nach alledem ist die Beschwerde zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Dem Antragsgegner bleibt die Möglichkeit, seine Einwendungen im
Rahmen einer Abänderungsklage nach § 654 ZPO geltend zu machen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Beschwerdewert: bis 40.000,00 DM, § 17 GKG</p>
|
114,361 | vg-koln-1999-09-03-4-k-284997 | {
"id": 844,
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} | 4 K 2849/97 | 1999-09-03T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:36 | 2019-02-14T10:23:22 | Urteil | ECLI:DE:VGK:1999:0903.4K2849.97.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> T a t b e s t a n d</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">In seiner Sitzung am 19. April 1996 beschloß der Rat der Beklagten die
Aufstellung eines Bebauungsplanes, in dessen Plangebiet im Ortsteil Wachtberg-
Berkum ein Einkaufszentrum errichtet werden soll. Der Beschluß wurde am 18. Mai
1996 im Amtsblatt der Gemeinde Wachtberg veröffentlicht. Am 12. Juli 1996
beantragte die "Aktionsgemeinschaft für Läden in den Orten" ein Bürgerbegehren zu
der Frage: </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">"Die Gemeinde Wachtberg erstellt ein Konzept zur ausschließlichen
Förderung des heimischen Einzelhandels innerhalb der Ortschaften. Die
Gemeinde fördert in diesem Konzept nur Maßnahmen, die den heimischen
innerörtlichen Einzelhandel unterstützen und zu einer Verbesserung der
derzeitigen Einkaufs- und Dienstleistungsstandorte führen. Befürworten sie
diesen Beschluß? (Ja/Nein)"</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">In der Begründung des Antrags heißt es, als Flächengemeinde seien die
Bürgerinnen und Bürger im Interesse ihrer Nahversorgung auf den Einzelhandel
innerhalb der einzelnen Ortschaften Wachtbergs dringend angewiesen. Deshalb
müsse die Gemeinde ein Konzept aufstellen, in dem ausschließlich die Förderung
und Unterstützung der heimischen Einkaufsstätten und Dienstleistungsunternehmen
in den Orten selbst verfolgt werde. Die Gemeinde wirke dabei ausdrücklich allen
Bestrebungen entgegen, die diesem Konzept widersprächen. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Zur Finanzierung heißt es in dem Antrag, die meisten Aktivitäten hieraus seien
ideeller Natur und hätten keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Haushalt der
Gemeinde. Die Gemeinde erhalte durch die verstärkte innerörtliche Ansiedlung
Einkünfte aus anfallenden Steuern. Darüber hinaus stelle die Gemeinde bei allen
künftig zu erlassenden Haushaltssatzungen einen ausreichenden Betrag ein; die
Deckung erfolge im Rahmen des jeweiligen Gesamthaushalts. Als Vertreter des
Bürgerbegehrens wird der Kläger bezeichnet. Dem Antrag waren 1789
Unterstützungsunterschriften für das Bürgerbegehren beigefügt, von denen die
Verwaltung "mehr als 1450" Unterschriften als rechtswirksam anerkannte. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit Beschluß vom 9. September 1996 erklärte der Rat der Beklagten das
Bürgerbegehren für unzulässig, weil es</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">"a. gegen die Aufstellung eines Bebauungsplanes gerichtet ist und
eine Angelegenheit verbindlich fordert, die ihre Verbindlichkeit nur
durch Bauleitplanung erhält, was gemäß § 26 Abs. 5 Ziffer 5
wiederum vom Bürgerbegehren ausgenommen ist und </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">b. die entstehenden Kosten und deren Deckung nicht hinreichend
benennt, was gemäß § 26 Abs. 2 GO verbindlich erforderlich ist."
</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Dieses Ergebnis teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 17. September
1996 mit. Den hiergegen fristgemäß erhobenen Widerspruch wies der Rat der
Beklagten in seiner Sitzung am
18. März 1997 als unbegründet zurück; der entsprechende Widerspruchsbescheid
der Beklagten vom 19. März 1997 wurde dem Kläger am 21. März 1997 zugestellt.
Die Klage ist am 8. April 1997 beim Verwaltungsgericht Köln eingegangen. Ein
Eilantrag des Klägers, mit dem dieser im wesentlichen eine vorläufige Zulassung des
Bürgerbegehrens begehrt hatte, blieb erfolglos, da die erkennende Kammer im
Beschluß vom 28. Januar 1997 das Vorliegen jedenfalls eines Anordnungsgrundes
verneinte (4 L 2818/96). </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Kläger trägt zur Klagebegründung im wesentlichen vor:
Die Entscheidung, das Bürgerbegehren für unzulässig zu erklären, sei rechtswidrig.
Es gehe nicht um eine Angelegenheit, über die im Rahmen der Aufstellung von
Bauleitplänen zu entscheiden sei. Gefordert werde mit dem Bürgerbegehren vielmehr
die Aufstellung eines innergemeindlichen Konzepts zur Förderung von innerörtlichem
Einzelhandel. Es werde nicht gefordert, einen konkreten Bebauungsplan aufzustellen
oder abzuändern, sondern es gehe um ein Gesamtkonzept. Weder für die in der
Begründung des Bürgerbegehrens angesprochene Bereitstellung gemeindeeigenen
Baulands noch für die sonstige Förderung des Gewerbes sei ein
Bauleitplanverfahren erforderlich. Auch aus dem inzwischen von der
Aktionsgemeinschaft erarbeiteten beispielhaften Konzept ergebe sich, daß eine
Förderung der ortsnahen Versorgung in der Gemeinde Wachtberg weitgehend nicht
der Aufstellung oder Änderung von Bebauungsplänen bedürfe. Das Bürgerbegehren
wolle die Erarbeitung eines planerischen Gesamtkonzepts und gehe damit viel weiter
als das konkrete Bauleitplanverfahren. Es handele sich um eine Entscheidung im
Rahmen der Gewerbepolitik der Gemeinde, nicht um eine flächenbezogene
Einzelplanung. Es könne nicht angehen, daß deswegen, weil zur Realisierung einer
solchen Entscheidung möglicherweise auch eine Flächenplanung in Form eines
Bauleitplanverfahrens durchgeführt werden müsse oder ein bereits betriebenes
Bauleitverfahren nicht so durchgeführt werden könne wie der Rat dies nach dem
Stand des Verfahrens bei Aufstellungsbeschluß gerne hätte, schon das
Bürgerbegehren unzulässig sei. Folge man der Auslegung der Beklagtenseite,
könnten Bürgerbegehren in einem weiten Feld gemeindlicher Politik überhaupt nicht
mehr stattfinden, weil in vielfältiger Weise Bebauungspläne betroffen sein könnten. In
diesem Sinne könne das Gesetz daher nicht ausgelegt werden.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Schon aus dem Wortlaut des Bürgerbegehrens ergebe sich auch, daß ein
Verstoß gegen § 26 Abs. 3 GO nicht vorliege, da sich das Bürgerbegehren
keinesfalls nur auf einen konkreten Bebauungsplan beziehe. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Das Bürgerbegehren enthalte auch einen ausreichenden
Kostendeckungsvorschlag i. S. d. § 26 Abs. 2 Satz 1 GO NW. Werde das Konzept -
wie vom Bürgerbegehren vorausgesetzt - von der Gemeindeverwaltung selbst
aufgestellt, entstünden keine weiteren Kosten. Insoweit sei ein
Kostendeckungsvorschlag daher entbehrlich. Erst bei Aufstellung des Konzepts
könne überlegt werden, ob im Rahmen des Konzepts überhaupt kostenträchtige
Maßnahmen erforderlich seien. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">
Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">die Beklagte unter Aufhebung der Beschlüsse des Rates der
Beklagten vom 9. September 1996 und 18. März 1997 in der Fassung des
Bescheides vom 17. September 1996 und des Widerspruchsbescheides
vom 19. März 1997 zu verpflichten, das Bürgerbegehren betreffend die
Erstellung eines Konzepts zur ausschließlichen Förderung des heimischen
Einzelhandels innerhalb der Ortschaften für zulässig zu erklären.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">
Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Sie ist der Auffassung, das Bürgerbegehren verstoße gegen § 26 Abs. 5 Nr. 6
GO NW. Wie im Widerspruchsbescheid vom 19. März 1997 zutreffend dargelegt
worden sei, könne das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans für ein
Einkaufszentrum, das mit Beschluß vom 19. April 1996 eingeleitet worden sei, nicht
weitergeführt werden, wenn ein dem Bürgerbegehren entsprechender
Bürgerentscheid ergehe. Der Kläger habe im Verfahren 4 L 2818/96 selbst zum
Ausdruck gebracht, daß es ein wesentliches Ziel des Bürgerbegehrens sei, die
Aufstellung dieses Bebauungsplans zu unterbinden. Selbstverständlich sei die
Aufstellung eines Einzelhandelskonzepts nicht generell durch § 26 Abs. 5 Nr. 6 GO
NW als Gegenstand eines Bürgerbegehrens ausgeschlossen. Gegenstand des
streitgegenständlichen Bürgerbegehrens sei jedoch nicht die Aufstellung eines
allgemeinen Einzelhandelskonzepts für die Beklagte, das - ohne Verbindlichkeit für
Verfahren der Bauleitplanung - verschiedene Möglichkeiten zur Entwicklung des
Einzelhandels darstelle und unter städtebaulich relevanten Gesichtspunkten
gegeneinander abwäge. Gegenstand des Bürgerbegehrens sei vielmehr ein
Konzept, mit dem städtebauliche Entwicklungen, die nicht der Förderung des
heimischen Einzelhandels innerhalb der Ortschaften dienten, ausgeschlossen
werden sollten. Der Umstand, daß das begehrte Konzept Wirkungen auch außerhalb
des Verfahrens zur Aufstellung des Bebauungsplanes für das Einkaufszentrum
entfalten könne, sei unter diesen Umständen ohne rechtliche Bedeutung.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Im übrigen sei auch die Annahme des Klägers, die Aufstellung des Konzepts
verursache keine Kosten, weil sie von der Verwaltung geleistet werden könne,
unrichtig. Zum einen arbeite die Verwaltung nicht kostenfrei, zum anderen fehle ihren
Mitarbeitern die fachliche Kompetenz, ein Konzept zu erarbeiten, wie es durch das
Bürgerbegehren gefördert werde. Außerdem sei das Bürgerbegehren nicht nur auf
die Erarbeitung eines Papiers, sondern darüber hinaus auch auf die Förderung der
dort genannten Maßnahmen zu Gunsten des heimischen Einzelhandels gerichtet
und müsse der Finanzierungsvorschlag deshalb auch diejenigen Kosten
einbeziehen, die durch die Umsetzung des Konzepts voraussichtlich entstehen
würden. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Im übrigen sei das Bürgerbegehren auch deshalb unzulässig, weil durch einen
entsprechenden Bürgerentscheid nicht eine Entscheidung des Rates getroffen,
sondern nur die noch zu treffende Entscheidung des Rates vorgeprägt werde.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug
genommen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">
Die Klage hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Klage des Klägers zu 2) (Bürgerbegehren "Aktionsgemeinschaft für Läden in
den Orten") ist bereits deshalb unzulässig, weil das Bürgerbegehren als solches nicht
klagebefugt ist. Dies ergibt sich aus § 26 Abs. 6 Satz 2 GO NW, wonach nur die
Vertreter des Bürgerbegehrens gegen die Entscheidung des Rates, ein
Bürgerbegehren nicht zuzulassen, Widerspruch einlegen können. Diese
Beschränkung gilt entsprechend auch für das weitere Rechtsmittelverfahren.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Vl. Rehn/Cronauge, Anm. VII Nr. 1 zu § 26 GO.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist auch insoweit aus formalen Gründen unzulässig, als sie gegen den
Beklagten zu 2) (Rat der Gemeinde Wachtberg) gerichtet ist. In Klagen der hier
vorliegenden Art, in denen es ausschließlich um die vom Rat verneinte Zulässigkeit
eines Bürgerbegehrens geht, handelt es sich nicht um einen innerorganschaftlichen
oder organinternen Streit innerhalb der Gemeinde, da jedenfalls in diesem Stadium
weder das Bürgerbegehren, noch seine Unterzeichner oder die Stellvertreter als
Organ der Gemeinde oder Teil eines Gemeindeorgans angesehen werden können.
Vielmehr sind insoweit die Außenrechtsbeziehungen der Gemeinde betroffen, so daß
die Klage ungeachtet der gemeindeinternen materiellen Entscheidungszuständigkeit
des Rates gegen die Gemeinde zu richten ist. Da es sich ferner nicht um eine
Entscheidung des Gemeindedirektors als Behörde handelt, sondern der
Gemeindedirektor lediglich eine vom Rat getroffene Entscheidung nach außen hin
umsetzt, ist richtiger Beklagter die Gemeinde Wachtberg, vertreten durch den
Gemeindedirektor.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Klage des Klägers zu 1) gegen die Beklagte ist zulässig, aber unbegründet.
Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in
seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist zu Recht von der Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens
ausgegangen. Dies folgt bereits daraus, daß mit dem Bürgerbegehren gar keine
Frage aufgeworfen wird, die einer Entscheidung durch Bürgerentscheid zugänglich
wäre. Nach § 26 Abs. 1 GO NW ist ein Bürgerbegehren der Antrag auf einen
Bürgerentscheid, nicht auf eine Entscheidung des Rates. Die Bürger können nach
dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift nur beantragen, „daß sie an Stelle des
Rates über eine Angelegenheit der Gemeinde selbst entscheiden". Dies ist
vorliegend nicht der Fall. Vielmehr soll der Gemeinde durch den Bürgerentscheid
lediglich die Erstellung eines Konzepts aufgegeben werden, über das der Rat
abschließend beraten und entscheiden müßte. Mit dem angestrebten
Bürgerentscheid soll mithin keine Entscheidung des Rates ersetzt, sondern lediglich
eine solche Entscheidung herbeigeführt werden. Dies ist indes nicht der Sinn eines
Bürgerentscheids.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Vgl. insoweit zu der vergleichbaren Rechtslage nach der
hessischen Gemeindeordnung Hess. VGH, B. v. 3.1.1994, 6 TG
3023/93.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Daß dem Rat nach der Formulierung des Bürgerbegehrens durch einen positiven
Bürgerentscheid bestimmte Bindungen für die von ihm zu treffende Entscheidung
auferlegt würden, führt zu keiner anderen Beurteilung. Mit einem Bürgerentscheid
wird nicht bezweckt, daß die Bürger „dem Rat Vorgaben für eine von ihm noch zu
treffende Entscheidung machen, sondern allein, daß die Bürger die eigentlich vom
Rat zu treffende, abschließende Entscheidung an dessen Stelle selbst treffen",</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">so OVG NW, Urteil vom 9. Dezember 1997 - 15 A 974/97 - NVWBl.
1998, 273 (275).</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">
Folgt man dieser Auffassung der Kammer und des OVG NW nicht und geht davon
aus, daß nicht nur die abschließende Entscheidung des Rates - hier die
Verabschiedung des angestrebten Konzepts selbst -, sondern auch wesentliche
Teilentscheidungen im Vorfeld dieser Entscheidung einem Bürgerentscheid
zugänglich sind und unterstellt man ferner, daß das Bürgerbegehren auf derartige
abschließende (Teil)Entscheidungen gerichtet ist, so verstößt es jedenfalls gegen §
26 Abs. 5 Ziff.6 GONW.
Nach § 26 Abs. 5 Ziffer 6 GO NW ist ein Bürgerbegehren unzulässig über "die
Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen". Hiergegen
verstößt das Bürgerbegehren, obwohl es weder den Aufstellungsbeschluß des Rates
vom 19. April 1996 noch das im „Bebauungsplanentwurf Nr. 02 -10
„Einkaufszentrum", Berkum" vorgesehene Einkaufszentrum in Wachtberg-Berkum
erwähnt. Die Kammer hat jedoch keinen Zweifel daran, daß es sich - wie die
Beklagte zu Recht angenommen hat - dennoch primär gegen diesen
Aufstellungsbeschluß und das in ihm zum Ausdruck kommende Konzept einer
zentralisierten Versorgung des Gemeindegebiets durch das geplante
Einzelhandelszentrum wendet, indem es diesem Konzept das vollkommen
entgegengesetzte Konzept einer dezentralisierten Versorgung durch "heimische"
Einzelhandelsbetriebe entgegensetzt. So heißt es etwa in dem vorgeschlagenen
Beschluß, es solle ein Konzept zur "ausschließlichen Förderung des heimischen
Einzelhandels innerhalb der Ortschaften" erstellt werden, in dem die Gemeinde "nur
Maßnahmen, die den heimischen, innerörtlichen Einzelhandel unterstützen und zu
einer Verbesserung der derzeitigen dezentralen Einkaufs- und
Dienstleistungsstandorte führen", fördert. Noch deutlicher wird das Ziel der
Verhinderung des Einkaufszentrums in dem Satz der Begründung: "Die Gemeinde
wirkt dabei ausdrücklich allen Bestrebungen entgegen, die diesem Konzept
widersprechen". Zu diesen, dem angestrebten Konzept eindeutig widersprechenden
Bestrebungen zählt aber auch - und im hier gegebenen, auch zeitlichen Kontext
vorrangig - die von der Ratsmehrheit beschlossene Ausweisung eines speziellen
Sondergebietes für das Einkaufszentrum.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Daß das Bürgerbegehren nicht isoliert ("abstrakt"), sondern nur vor dem
Hintergrund der konkreten politischen Situation in Wachtberg und hier insbesondere
der Auseinandersetzung um das vorgesehene Einkaufszentrum in Wachtberg-
Berkum gesehen werden kann, machen neben dem zeitlichen Zusammenhang nicht
nur die Äußerungen des Verfahrensbevollmächtigten des Klägers im Eilverfahren 4 L
2818/96, sondern auch die Ausführungen im "Entwurf eines Einzelhandelskonzepts
für die Gemeinde Wachtberg" - "Konzept" -, den der Kläger im Eilverfahren vorgelegt
hat, deutlich. So heißt es in der Antragsschrift im Verfahren 4 L 2818/96 wörtlich:</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">"Ist dieses Einkaufszentrum erst einmal errichtet, ist das Ziel des
Bürgerbegehrens, nämlich die Einzelhandelsbetriebe in den einzelnen
Ortschaften zu erhalten, praktisch nicht mehr realisierbar, weil die
entsprechende Kaufkraft durch das Einkaufszentrum abgesogen wird. Durch
konkret drohende Realisierungsmaßnahmen seitens des Antragsgegners ist
daher das Ziel des Bürgerbegehrens ernsthaft gefährdet. </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Würde man die üblichen Zeiten des Widerspruchverfahrens und des
anschließenden Klageverfahrens berücksichtigen, spricht viel dafür, daß zum
fraglichen Zeitpunkt nicht nur gültiges Baurecht geschaffen, sondern auch das
Einkaufszentrum auch schon realisiert sein wird. Im übrigen wäre auch gültiges
Baurecht ohne erhebliche Kostenfolgen durch den Antragsgegner nicht mehr zu
beseitigen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Es ist daher notwendig, im Rahmen des einstweiligen
Anordnungsverfahrens dafür zu sorgen, daß der Antragsgegner nicht allein den
Zeitablauf nach seiner rechtswidrigen Unzulässigkeitserklärung des
Bürgerbegehrens dazu nutzt, das Ziel des Bürgerbegehrens zu verhindern, und
auf diesem Wege einen an sich durchzuführenden Bürgerentscheid obsolet
macht. ..."</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Dies kann nicht anders verstanden werden, als daß zumindest ein wesentliches
Ziel des Bürgerbegehrens die Verhinderung des Einkaufszentrums ist, dessen
Errichtung wiederum den Regelungsgegenstand des Bebauungsplanes darstellt,
dessen Aufstellung der Rat am 19. April 1996 - also weniger als drei Monate zuvor -
beschlossen hatte. Auch der vorgelegte Entwurf eines "Konzepts" läßt diese
Zielrichtung erkennen, etwa wenn es dort (S. 2) heißt, die Errichtung des
Einkaufszentrums mache "eine gleichzeitige Entwicklung innerhalb der Ortschaften
unmöglich" und führe "mittelfristig zu einer völligen Vernichtung der gesamten
Einzelhandels- und Dienstleistungseinrichtungen in den einzelnen Orten der
Gemeinde Wachtberg", weshalb "der Förderung der ortsnahen Versorgung der
Vorrang vor der Zentralisierung aller Versorgungseinrichtungen und aller
Dienstleistungen an einem Ort" zu geben sei.
Das Ziel der Verhinderung des Einkaufszentrums kommt auch in dem im Amtsblatt
der Gemeinde Wachtberg vom 27. Juli 1996 auf den S. 10 und 11 abgedruckten
Schreiben der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Gemeinde Wachtberg
zum Ausdruck, in dem es u. a. heißt, es sei das Ziel der Aktionsgemeinschaft "ein
Einkaufszentrum überflüssig zu machen". Auch die weiteren Ausführungen in diesem
Schreiben der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, deren Ortsverein neben der
Bürgerinitiative "Einkaufszentrum: Nein !" dem "Förderverein Frieden und
Umweltschutz, Wachtberg e.V.", der SPD-Wachtberg und der UWG-Wachtberg zu
den Initiatoren des Bürgerbegehrens gehören, lassen keinen Zweifel daran, daß das
Bürgerbegehren vorliegend als ein Instrument verstanden wird, um "Großprojekte der
Ratsmehrheit" wie das Einkaufszentrum zu Fall zu bringen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Ist ein wesentliches Ziel des Bürgerbegehrens danach aber die Verhinderung
des Einkaufszentrums, dessen Errichtung der Aufstellungsbeschluß des Rates vom
19. April 1996 gerade ermöglichen soll, so ist es nach § 26 Abs. 5 Ziffer 6 GO NW
unzulässig. Hierfür ist ebensowenig wie für die Anwendung des
§ 26 Abs. 3 GO NW</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks"> vgl. hierzu Urteil der Kammer vom 31. Mai 1999
- 4 K 7677/96 - und VGH Mannheim, Urteil vom 18. Juni 1990 - 1 S
657/90 - VBlBW 1990, 460; Ritgen, Bürgerbegehren und
Bürgerentscheid, 1997, 158 ff. </p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">erforderlich, daß das Bürgerbegehren unmittelbar oder ausschließlich auf die
Änderung des einschlägigen Ratsbeschlusses, hier also auf die Aufstellung,
Änderung, Ergänzung oder Aufhebung des in Rede stehenden Bebauungsplans
gerichtet ist. Vielmehr reicht es auch hier aus, daß es sich inhaltlich auf einen
bestimmten Ratsbeschluß bzw. Bauleitplan bezieht und dessen Korrektur bzw. eine
wesentlich andere Lösung eines Problems als vom Rat vorgezeichnet anstrebt,
wobei auch hier nicht erforderlich ist, daß der Text des Bürgerbegehrens den in
Frage stehenden Ratsbeschluß (Bauleitplan) erwähnt oder gar genau bezeichnet.
</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks"> Vgl. auch insoweit Urteil der Kammer vom 31. Mai 1999 a.a.O.
m.w.N..</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Nur durch eine solche Beschränkung der Zulässigkeit von Bürgerbegehren kann
gewährleistet werden, daß die Festlegung insbesondere der bauplanerischen
Vorstellungen der Gemeinde entsprechend dem in § 26 Abs.5 Ziffer 6 GO NW zum
Ausdruck gekommenen Willen des Landesgesetzgebers ausschließlich in dem im
Baugesetzbuch vorgesehenen Verfahren erfolgt und divergierende Entscheidungen -
hier des Rates, dort eines Bürgerentscheids - vermieden werden. Dies macht auch
der vorliegende Fall deutlich. Würde nämlich der Bebauungsplan in der Fassung des
Aufstellungsbeschlusses beschlossen und hätte andererseits auch das
Bürgerbegehren Erfolg, so müßte die gleiche Gemeinde, die die Zulässigkeit des
Einkaufszentrums in rechtlich-verbindlicher Weise festgelegt hat, aufgrund eines
erfolgreichen Bürgerbescheides allen Bestrebungen entgegenwirken, die der
Realisierung dieses Einkaufszentrums dienen, da diese Realisierung den Vorgaben
des Bürgerentscheids zuwiderläuft. Ist der Bebauungsplan hingegen noch nicht
beschlossen, führt ein Bürgerentscheid entsprechend dem vorgelegten
Bürgerbegehren zu einem offenen Widerspruch zwischen dem im
Aufstellungsbeschluß zum Ausdruck gekommenen Willen der Ratsmehrheit, das
Einkaufszentrum zu verwirklichen und den bindenden Vorgaben für das angestrebte
Konzept, mit denen die gegenteilige Zielrichtung verfolgt wird. </p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Ob das Bürgerbegehren darüber hinaus auch deshalb unzulässig ist, weil es sich
nach dem vorstehend Ausgeführten gegen den Aufstellungsbeschluß des Rates vom
19.04.1996 richtet und nicht innerhalb von 6 Wochen nach der Bekanntmachung
dieses Beschlusses am 18. Mai 1996 eingereicht worden ist (§ 26 Abs. 3 Satz 1 GO
NW) und weil es - jedenfalls in Teilen - zu unbestimmt ist und - wie der Beklagte
meint - keinen ausreichenden Kostendeckungsvorschlag enthält (vgl. § 26 Abs. 2
Satz 1 GO NW), kann danach offen bleiben. </p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO, 709 ZPO. </p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,362 | ovgnrw-1999-09-03-10-a-369197 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 10 A 3691/97 | 1999-09-03T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:36 | 2019-02-12T13:54:20 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0903.10A3691.97.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks G. straße 18 in D. -B. .
Das Grundstück liegt am Rand der bebauten Ortslage. Es ist mit den Gebäuden
einer landwirtschaftlichen Hofstelle bebaut. Nach Aufgabe der Tierhaltung hat der
Kläger einen Teil der Gebäude zu Wohnungen umgebaut, die er vermietet hat. Der
Kläger ist Eigentümer von rund 18 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche. Von ihnen
nutzt er derzeit nur etwa 4 ha selbst. Die anderen Flächen hat er kurzfristig
verpachtet. In seinem Eigentum steht das Grundstück Gemarkung B. , Flur 3,
Flurstück 85. Es grenzt unmittelbar an die Hofstelle und erstreckt sich von dort rund
270 m nach Süden. Das Grundstück wird als Acker zum Anbau von Mais genutzt. Es
liegt inmitten landwirtschaftlich genutzter Flächen. Südwestlich des Flurstücks 85
liegt eine andere Hofstelle. Zu ihr gehört ein Reitplatz mit einer Pferdeführanlage. Sie
liegt unmittelbar gegenüber der südwestlichen Ecke des Flurstücks 85. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Flurstück 85 liegt im Geltungsbereich der Verordnung zum Schutze von
Landschaftsteilen im Kreis B. vom 1. November 1974. Südlich grenzt an dieses
Landschaftsschutzgebiet das Naturschutzgebiet "G. II" an. Der
Flächennutzungsplan der Stadt D. stellt den Bereich als Fläche für die
Landwirtschaft dar.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beabsichtigt, auf dem Flurstück 85 in dessen südwestlicher Ecke
unmittelbar gegenüber dem angrenzenden Reitplatz mit Pferdeführanlage eine
landwirtschaftliche Halle mit einer Grundfläche von 875 qm zu errichten. Die Halle
soll als Pferdestall sowie der Lagerung von Stroh und Heu dienen. Geplant sind 16
Pferdeboxen. Der Kläger will dort Pensionspferde halten. Aufgrund einer
Vereinbarung mit seinem Nachbarn kann er dessen Reitplatz und Pferdeführanlage
mit benutzen. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Unter dem 16. März 1994 stellte der Kläger beim Beklagten eine Bauvoranfrage
für sein Vorhaben. Der Beklagte beschied sie durch Bescheid vom 17. Mai 1996
ablehnend: Das (privilegierte) Vorhaben beeinträchtige öffentliche Belange. Es sei
mit den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege nicht vereinbar, weil
es im Landschaftsschutzgebiet in unmittelbarer Nachbarschaft zum
Naturschutzgebiet verwirklicht werden solle.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Beigeladene wies den Widerspruch des Klägers durch Bescheid vom 13.
August 1996 zurück. Er nahm an, das Vorhaben des Klägers diene keinem
landwirtschaftlichen Betrieb, weil es den sonstigen Betriebsgebäuden nicht räumlich
zugeordnet sei. Als sonstiges Vorhaben sei die Halle im Außenbereich und im
Landschaftsschutzgebiet unzulässig. Eine Befreiung von dem Bauverbot der
Landschaftsschutzverordnung komme nicht in Betracht. Das Vorhaben schaffe den
Ansatz für einen neuen Hof. Es sei damit zu rechnen, daß künftig weitere Gebäude
für die Pferdehaltung, aber auch ein Wohnhaus hier errichtet würden. Dies trüge
dazu bei, die Landschaft weiter zu zersiedeln. Der jetzt relativ abgerundete Ortsteil
B. werde weiter aufgesplittet. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Mit seiner daraufhin erhobenen Klage hat der Kläger insbesondere geltend
gemacht, sein Vorhaben diene einem landwirtschaftlichen Betrieb. Er habe den
Standort für die Halle deshalb gewählt, weil er den benachbarten Reitplatz mit
Pferdeführanlage mitbenutzen dürfe. Auf seiner jetzigen Hofstelle könne er das
Vorhaben nicht verwirklichen. Von der Pferdehaltung gingen Immissionen aus,
welche die Nachbarschaft störten.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 17. Mai 1996 in der
Form des Widerspruchsbescheides des Beigeladenen vom 13. August 1996 zu
verpflichten, ihm gemäß seinem Antrag vom 16. März 1994 die
Bebauungsgenehmigung zur Errichtung einer landwirtschaftlichen Halle zur Nutzung
als Pferdestall und Scheune auf dem Grundstück Gemarkung B. , Flur 3,
Flurstück 85 zu erteilen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Er hat sich die Auffassung des Beigeladenen zu eigen gemacht, das Vorhaben
des Klägers diene keinem landwirtschaftlichen Betrieb.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Nach einer Ortsbesichtigung hat das Verwaltungsgericht die Klage durch das
angefochtene Urteil abgewiesen. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Mit seiner zugelassenen Berufung macht der Kläger im wesentlichen geltend:
Seinem Vorhaben stünden Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege
nicht entgegen. Auf einen anderen Standort für seine Halle brauche er sich nicht
verweisen zu lassen. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt sinngemäß,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern und nach seinem Klageantrag erster Instanz
zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hebt ergänzend hervor, der Kläger könne die Erteilung einer
Befreiung von dem Bauverbot der Landschaftsschutzverordnung mit Blick auf das
nahegelegene Naturschutzgebiet einerseits, das hohe Störpotential einer
Pensionstierhaltung andererseits nicht erwarten. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er legt ausführlich die Bedeutung des
angrenzenden Naturschutzgebietes "G. " dar und hebt hervor, das
Landschaftsschutzgebiet diene diesem Naturschutzgebiet als notwendige
Pufferzone. Für eine Bebauung in diesem Bereich könne von vornherein keine
Befreiung nach der Landschaftsschutzverordnung erteilt werden.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Berichterstatter hat die Örtlichkeit in Augenschein genommen. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug
genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des
Beklagten (zwei Hefte).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Senat entscheidet gemäß § 130a Satz 1 VwGO über die Berufung ohne
mündliche Verhandlung durch Beschluß, weil er sie einstimmig für begründet und
eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind gemäß
§ 130a Abs. 2, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO gehört worden.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist begründet. Die Klage des Klägers ist zulässig und
begründet.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist zulässig. Dem Kläger fehlt nicht das erforderliche
Rechtsschutzinteresse. Er kann sein geplantes Vorhaben allerdings nicht schon
dann verwirklichen, wenn ihm der jetzt streitige Bauvorbescheid zu erteilen ist.
Neben der bauaufsichtlichen Zulassung des Vorhabens ist für dessen Verwirklichung
eine Befreiung oder eine Ausnahme von dem Bauverbot der
Landschaftsschutzverordnung erforderlich. Der Kläger will sein Vorhaben im
Geltungsbereich der Verordnung zum Schutze von Landschaftsteilen im Kreis B.
vom 1. November 1974 verwirklichen. </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Ob der Beklagte dem Kläger den begehrten Bauvorbescheid zu erteilen hat, ist
zwar unabhängig davon zu beurteilen, ob die erforderliche landschaftsrechtliche
Befreiung erteilt oder eine Ausnahme zugelassen werden kann. Das nordrhein-
westfälische Landesrecht trennt verfahrensrechtlich zwischen der Erteilung des
Bauvorbescheides einerseits, der Erteilung einer landschaftsrechtlichen Befreiung
oder der Zulassung einer Ausnahme andererseits. Über den Vorbescheid ist
unabhängig von einer erforderlichen landschaftsrechtlichen Befreiung oder
Ausnahme zu entscheiden,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">vgl. z.B. OVG NRW, Urteil vom 16. November 1989 - 7 A 503/88 -;
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. August 1977 - IV C 48 und 49.75 - BRS 32
Nr. 90; Urteil vom 19. April 1985 - 4 C 25.84 - BRS 44 Nr. 80.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Wegen dieser verfahrensrechtlichen Trennung ist bei der Entscheidung über eine
Bauvoranfrage zwar nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Ausnahme
oder eine Befreiung von dem Bauverbot der Landschaftsschutzverordnung vorliegen.
Dem Kläger würde allerdings das Sachbescheidungsinteresse für die Bescheidung
seiner Bauvoranfrage mit der Folge der Unzulässigkeit der Klage dann fehlen, wenn
offensichtlich wäre, daß für das Vorhaben eine erforderliche
landschaftsschutzrechtliche Ausnahme oder Befreiung schlechthin nicht erteilt
werden kann,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">vgl. auch insoweit OVG NRW, Urteil vom 16. November 1989 - 7 A 503/88 -.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Daß eine Ausnahme oder Befreiung schlechthin nicht erteilt werden kann, ist hier
nicht in diesem Sinne offensichtlich, sondern bedarf vielmehr näherer Prüfung in dem
dafür vorgesehenen Verfahren. </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Dabei ist zunächst zu prüfen, ob neben einer Befreiung nach § 69 Abs. 1 LG NW
auch die Zulassung einer Ausnahme in Betracht kommt, wie sie in § 3 der gemäß
§ 73 LG NW übergeleiteten Landschaftsschutzverordnung vorgesehen ist,</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">offengelassen von OVG NRW, Urteil vom 19. Dezember 1990 - 10 A 2077/87 -;
OVG NRW, Urteil vom 30. Juni 1989 - 11 A 1452/88 -; wegen des notwendigen
Zusammenhangs zwischen flächendeckendem Schutz und Ausnahmen in der
Abwägung geht OVG NRW, Urteil vom 5. Dezember 1994 - 7 A 2824/92 -; OVG
NRW, Urteil vom 12. Dezember 1994 - 12. Dezember 1994 - 7 A 504/92 - von einer
Überleitung auch der Ausnahmevorschriften in einer Landschaftsschutzverordnung
aus.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der einschlägigen Landschaftsschutzverordnung ist
eine Ausnahme zuzulassen für das Errichten von baulichen Anlagen, die unmittelbar
dem landwirtschaftlichen Betriebe dienen und das Landschaftsbild möglichst
schonen. Daß - wie das Verwaltungsgericht meint - eine Ausnahme nach dieser
Vorschrift nur erteilt werden könnte, wenn die Anlage aus objektiv zwingenden
Gründen nur im Geltungsbereich der Landschaftsschutzverordnung errichtet werden
muß, liegt nicht im Sinne einer Offensichtlichkeit auf der Hand.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Wäre die Ausnahmevorschrift des § 3 der Landschaftsschutzverordnung nicht
mehr anwendbar, käme es darauf an, ob die Voraussetzungen einer Befreiung nach
§ 69 Abs. 1 LG NW vorliegen. Ob das Bauverbot für den Kläger zu einer nicht
beabsichtigten Härte im Sinne des § 69 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe a) aa) LG NW
führen würde, kann beispielsweise davon abhängen, inwieweit der Kläger für seinen
Betrieb auf eine Nutzung gerade dieses Standortes für die geplante Halle
angewiesen ist. Ob eine Befreiung mit den Belangen des Naturschutzes und der
Landschaftspflege im Sinne von § 69 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe a) aa) LG NW zu
vereinbaren ist, hängt davon ab, welchen Schutzzweck die Unterschutzstellung
verfolgt, inwieweit das Vorhaben des Klägers auf diese Schutzgründe einwirkt und
mit welchem Gewicht das angrenzende Naturschutzgebiet eine Freihaltung der hier
streitigen Fläche von (weiterer) Bebauung erfordert. Ohne weitere Feststellungen
und Ermittlungen hierzu lassen sich keine verläßlichen Aussagen dazu treffen, ob
eine erforderliche landschaftsschutzrechtliche Befreiung erteilt werden kann oder
nicht. </p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, daß der Beklagte
ihm den begehrten Bauvorbescheid erteilt. Der ablehnende Bescheid des Beklagten
vom 17. Mai 1996 und der Widerspruchsbescheid des Beigeladenen vom
13. August 1996 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten
(§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Dem Vorhaben des Klägers stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht
entgegen (§ 71 Abs. 2, § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NW).</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Zu den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die dem Vorhaben entgegenstehen
könnten, gehören nicht die Vorschriften der Verordnung zum Schutze von
Landschaftsteilen im Kreis B. . Ob der Kläger von dem Bauverbot der
Landschaftsschutzverordnung befreit werden kann oder ob insoweit eine Ausnahme
zuzulassen ist, ist - wie bereits erwähnt - in einem getrennten Verfahren zu
entscheiden.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Öffentlich-rechtliche Vorschriften des Bauplanungsrechts stehen dem Vorhaben
des Klägers nicht entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich nach § 35
Abs. 1 BauGB. Das Vorhaben des Klägers soll außerhalb des Geltungsbereichs
eines Bebauungsplans und außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils,
mithin im Außenbereich verwirklicht werden. Der geplante Standort der Halle liegt im
Außenbereich, nämlich inmitten landwirtschaftlich genutzter Flächen. Die Lage des
Standorts im Außenbereich ergibt sich aus dem vorliegenden Karten- und
Bildmaterial eindeutig, hat sich bei der Ortsbesichtigung des Berichterstatters
bestätigt und ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Das Vorhaben des Klägers ist im Außenbereich gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1
BauGB zulässig. Das Vorhaben dient einem landwirtschaftlichen Betrieb. </p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Landwirtschaft im Sinne von § 201 BauGB ist auch die Pensionstierhaltung auf
überwiegend eigener Futtergrundlage. Der Kläger verfügt über rund 18 ha
landwirtschaftlicher Fläche. Sie können als Grünland und für den Anbau von
Körnerfutter verwendet werden. Soweit sie derzeit verpachtet sind, steht dies einer
künftigen Nutzung durch den Kläger nicht entgegen. Der Kläger hat nur kurzfristige
Pachtverträge geschlossen. Eine Fläche dieser Größe reicht aus, die eigene
Futtergrundlage für einen Pferdebestand der hier in Rede stehenden Größenordnung
sicherzustellen. Der Kläger plant 16 Einstellboxen für Pensionspferde. </p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Es ist nichts Durchgreifendes dafür hervorgetreten, dem Betrieb des Klägers
könne die erforderliche Nachhaltigkeit im Sinne eines auf Dauer gedachten
lebensfähigen Unternehmens fehlen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Das konkrete Vorhaben, die landwirtschaftliche Halle, dient dem Betrieb. Anlaß
für das Vorhaben des Klägers ist der betriebliche Zweck, nicht aber der Wunsch, im
Außenbereich zu wohnen und in erster Linie deshalb dort ein Gebäude errichten zu
wollen. Das Gebäude wird nach seiner Gestaltung und Ausstattung durch den
Verwendungszweck als Pferdestall und Scheune geprägt. Damit ist die funktionelle
Zuordnung des Vorhabens zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gegeben,</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 2.89 - BRS 52 Nr. 70.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Für den Begriff des Dienens reicht zwar die bloße Förderlichkeit des Vorhabens
für den Betrieb nicht aus, andererseits kann aber eine Notwendigkeit oder gar eine
Unentbehrlichkeit nicht verlangt werden. Bei dieser Sachlage dient das Vorhaben
dem Betrieb auch dann, wenn sich der Betrieb auch ohne das streitige Vorhaben an
seiner konkreten Stelle sachgemäß bewirtschaften ließe. Der Landwirt braucht sich
für ein dem Betrieb funktional zugeordnetes und durch den Betrieb geprägtes
Vorhaben grundsätzlich nicht in den Innenbereich verweisen zu lassen, </p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">vgl. auch insoweit BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 2.89 - BRS 52
Nr. 70.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Dem Vorhaben des Klägers stehen öffentliche Belange nicht entgegen. Als
öffentlicher Belang, der dem Vorhaben entgegenstehen könnte, kommen nur die
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege in Betracht (§ 35 Abs. 3
Satz 1 Nr. 5 BauGB). Der Gesetzgeber verweist landwirtschaftliche Betriebe in den
Außenbereich. Der Errichtung von Gebäuden, die einem landwirtschaftlichen Betrieb
dienen, kann deshalb regelmäßig nicht entgegengehalten werden, derartige
Gebäude beeinträchtigten die natürliche Eigenart der Landschaft oder führten zu
einer Zersiedelung des Außenbereichs. Bebauungsrechtlich können dem Vorhaben
des Klägers unter dem Gesichtspunkt des Landschaftsschutzes nur Gesichtspunkte
entgegengehalten werden, die über die förmliche Unterschutzstellung hinausgehen.
Das läuft letztlich auf die Frage hinaus, ob durch das Vorhaben des Klägers das
Landschaftsbild verunstaltet wird,</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1983 - 4 C 19.81 - BRS 40 Nr. 84.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Dafür ist indes auch in der Ortsbesichtigung nichts Durchgreifendes
hervorgetreten. Die Halle soll in einer Umgebung errichtet werden, die durch eine
landwirtschaftliche Nutzung, nämlich durch Ackerbau und Weidewirtschaft, ferner
durch eine in der Nähe gelegene Hofstelle geprägt ist. In dieser Umgebung
verunstaltet ein Gebäude, das ebenfalls der landwirtschaftlichen Nutzung dient, nicht
das Landschaftsbild. </p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Dem Vorhaben des Klägers kann schließlich nicht entgegengehalten werden, er
habe die landwirtschaftlichen Gebäude auf seiner bisherigen Hofstelle teilweise unter
Inanspruchnahme der Erleichterungen nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB zu
Wohnungen umgebaut und könne deshalb nicht jetzt an anderer Stelle im
Außenbereich die aufgegebenen Betriebsgebäude neu errichten. Der Kläger hat
keine Verpflichtung im Sinne von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe g) BauGB
übernommen. Deshalb bedarf keiner Entscheidung, ob die beabsichtigte Errichtung
einer neuen landwirtschaftlichen Halle im Interesse der Entwicklung des Betriebes
erforderlich ist, weil sie dazu dient, eine immissionsträchtige Tierhaltung aus einer
störanfälligen Umgebung herauszunehmen.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, der
Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, §
711, § 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen
Voraussetzungen hierfür (§ 130a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 3, § 132 Abs. 2 VwGO)
nicht vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,363 | ovgnrw-1999-09-03-10-b-128399 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 10 B 1283/99 | 1999-09-03T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:36 | 2019-02-12T13:54:20 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:1999:0903.10B1283.99.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks Im
E. 62 in W. . Das Grundstück ist an seiner
südöstlichen Grenze mit einem Wohnhaus bebaut. Die
Antragstellerin und der Antragsteller, ihr Sohn, bewohnen je
eine Wohnung in dem Haus. Eine Einliegerwohnung ist vermietet.
Die Wohnzimmer und vorgelagerte Terrassen liegen an der
Ostseite des Hauses. Auf dem Grundstück ist nordwestlich des
Wohnhauses ein großes, verpachtetes Gewächshaus errichtet.
</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks In der
L. 5. Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut.
Die Antragstellerin hat ein Nießbrauchsrecht an dem Haus. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Beigeladene ist Inhaber einer landwirtschaftlichen
Hofstelle auf dem Grundstück Im E. 78 in W. . Er
errichtete in der Nähe seiner Hofstelle eine Windenergieanlage
mit einer Nabenhöhe von 65 m, einem Rotordurchmesser von gut
40 m und einer Nennleistung von 500 kW. Die Windenergieanlage
ist in einer Entfernung von rund 225 m nordöstlich des
Wohnhauses der Antragstellerin und rund 310 m südöstlich des
Hauses In der L. 5 errichtet. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Beigeladene legte ein schalltechnisches Gutachten vor.
Es beruht auf Messungen beim Betrieb der bereits errichteten
Anlage. Die Messungen sind unter anderem am Wohnhaus Im
E. 62 der Antragstellerin vorgenommen worden. Die
schalltechnische Untersuchung kommt bei einer Leistung der
Anlage von 400 kW zu einem Beurteilungspegel von 45 db (A)
bezogen auf das Wohnhaus Im E. 62. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Das Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen gab eine
Stellungnahme zur Einwirkung von Schlagschatten unter anderem
auf das Wohnhaus Im E. 62 ab. Das Landesumweltamt
errechnete insoweit eine maximal mögliche jährliche
Beschattungsdauer von etwas mehr als 33 Stunden innerhalb des
Zeitraumes zwischen dem 22. Mai und dem 20. Juli. Die maximal
mögliche Beschattungsdauer je Tag beträgt nach dieser
Berechnung 41 Minuten. Sie liegt in den frühen Morgenstunden.
Unter Berücksichtigung erfahrungsgemäß auftretender Bewölkung
kommt das Landesumweltamt zu einer effektiven jährlichen
Beschattungsdauer von über 13 Stunden. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner erteilte dem Beigeladenen unter dem
2. November 1998 eine nachträgliche Baugenehmigung für die
bereits errichtete Windenergieanlage. Die Baugenehmigung ist
mit Auflagen versehen. Unter anderem hat der Beigeladene
parallel zur östlichen Grenze des Grundstücks der
Antragstellerin auf dem Nachbargrundstück in einem Abstand von
4 m zum Grundstück der Antragstellerin als Sichtschutz eine
Reihe serbischer Fichten mit einer Höhe von etwa 4,50 m und
eine Reihe Koreatannen mit einer Höhe von 2,50 m bis 3,00 m
anzupflanzen. Die Anpflanzung muß auf Dauer eine Höhe von
mindestens 9,14 m über Grund erreichen. Um die Einwirkung von
Schlagschatten unter anderem auf die Häuser Im E. 62 und
In der L. 5 zu verhindern, ist der Rotor der
Windenergieanlage zu den Zeiten automatisch geregelt
stillzulegen, zu denen solche Einwirkungen auf die Häuser und
die zu ihnen gehörenden intensiv genutzten Außenbereiche
(Terrassen, Sitzecken)zu erwarten sind. Um
Immissionsrichtwerte von nachts 45 db (A) zu gewährleisten,
ist die Windenergieanlage nachts so zu betreiben, daß die
Nennleistung maximal 400 kW beträgt und die Rotordrehzahl 35
Umdrehungen in der Minute nicht überschreitet. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin legte am 5. November 1998, der
Antragsteller legte mit Schriftsatz vom 24. Februar 1999
Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Anträge der Antragsteller, </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die aufschiebende Wirkung ihrer
Widersprüche gegen die dem Beigeladenen
erteilte Baugenehmigung des
Antragsgegners vom 2. November 1998
anzuordnen, </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">hat das Verwaltungsgericht durch den angefochtenen Beschluß
abgelehnt. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Mit ihren vom Senat zugelassenen Beschwerden verfolgen die
Antragsteller ihre Begehren erster Instanz weiter. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Berichterstatter hat die Örtlichkeit in Augenschein
genommen. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes
wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte (3 Bände),
der Verfahrensakte 10 L 3205/97 - VG Gelsenkirchen - sowie der
Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners (2 Ordner und
8 Hefte).</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">
II.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerden sind unbegründet. Das Verwaltungsgericht
hat die Anträge der Antragsteller zu Recht abgelehnt. Die
Anträge sind unbegründet. Das Interesse des Beigeladenen
daran, die ihm erteilte Baugenehmigung sofort ausnutzen zu
dürfen, überwiegt das Interesse der Antragsteller, das
Vorhaben des Beigeladenen bis zum Abschluß des
Hauptsacheverfahrens vorerst zu verhindern.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des Senats verstößt
die streitige Baugenehmigung nicht offensichtlich gegen solche
öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die dem Schutze der
Antragsteller als Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Danach
spricht derzeit mehr dafür, daß die Widersprüche der
Antragsteller gegen die streitige Baugenehmigung erfolglos
bleiben werden. Ihnen ist deshalb der weitere Betrieb der
Anlage vorerst zuzumuten. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die erteilte Baugenehmigung verstößt nicht gegen
öffentlich-rechtliche Vorschriften des Bauordnungsrechts mit
nachbarschützendem Charakter. Namentlich wahrt die genehmigte
Anlage die gemäß § 6 Abs. 10 BauO NW erforderliche
Abstandfläche in Richtung auf die Grundstücke der
Antragsteller. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Bauplanungsrechtlich richtet sich das Vorhaben des
Beigeladenen nach § 35 Abs. 1 BauGB. Das Vorhaben des
Beigeladenen soll außerhalb des Geltungsbereichs eines
Bebauungsplans und außerhalb eines im Zusammenhang bebauten
Ortsteils verwirklicht werden. An den Straßen Im E. und
In der L. sind lediglich verstreut einzelne (Wohn-
)Gebäude vorhanden. Diese Streubebauung bildet allenfalls eine
Splittersiedlung. Die Baulichkeiten lassen nach ihrer Zahl und
Anordnung keine organische Siedlungsstruktur erkennen und
haben nicht das nötige Gewicht, um bereits als Ortsteil im
Sinne des § 34 BauGB angesehen werden zu können. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Wird das Vorhaben des Beigeladenen danach im Außenbereich
verwirklicht, verletzte die angefochtene Baugenehmigung
Nachbarrechte der Antragsteller, wenn sie gegen § 35 Abs. 3
Satz 1 Nr. 3 BauGB und das darin enthaltene Gebot der
Rücksichtnahme verstieße. Nach dieser Vorschrift
beeinträchtigt ein Vorhaben im Außenbereich öffentliche
Belange insbesondere dann, wenn das Vorhaben schädliche
Umwelteinwirkungen hervorrufen kann. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Zu solchen schädlichen Umwelteinwirkungen können
insbesondere Lärmimmissionen gehören, die von der
Windenergieanlage auf benachbarte Wohnhäuser einwirken. Der
Betrieb der genehmigten Anlage wird indes auf den Grundstücken
der Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht
zu unzumutbaren Lärmbelästigungen führen. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Auch die Grundstücke der Antragsteller liegen im
Außenbereich, nämlich innerhalb der beschriebenen
Streubebauung. Die Antragsteller können zwar damit rechnen,
daß in der Umgebung ihrer Grundstücke keine Nutzung zugelassen
wird, die ihre Wohnnutzung unzumutbar beeinträchtigt. Die
Schwelle zur Unzumutbarkeit ist aber noch nicht dann
überschritten, wenn die Richtwerte nicht eingehalten werden,
die nach den einschlägigen technischen Regelwerten für reine
Wohngebiete gelten. Können Geräusche - wie diejenigen einer
Windenergieanlage - nach den Richtwerten der VDI-Richtlinie
2058 oder nach der TA-Lärm beurteilt werden, so sind Geräusche
mit einem Beurteilungspegel von 55 db (A) tagsüber und
40 db (A) nachts für ein Wohnhaus zuzumuten, das in einem
reinen Wohngebiet, jedoch in Randlage zum Außenbereich liegt.
Der Schutzmaßstab ist noch weiter herabzusetzen, wenn das
Wohnhaus - wie hier diejenigen der Antragsteller - im
Außenbereich liegt. Wer im Außenbereich wohnt, hat keinen
Anspruch darauf, daß seine Umgebung von weiterer Bebauung
freibleibt. Wie sich aus § 35 Abs. 1 BauGB ergibt, muß er
unter Umständen mit belastenden Anlagen rechnen. Wer im
Außenbereich wohnt, kann deshalb allenfalls die Einhaltung der
Grenzwerte verlangen, die nach den einschlägigen technischen
Regelwerken für Mischgebiete erarbeitet sind, also
Beurteilungspegel von 60 db (A) tagsüber sowie
45 db (A) nachts,</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">OVG NRW, Beschluß vom 9. September
1998 - 7 B 1591/98 -.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Einhaltung dieser Werte ist für die Wohnhäuser der
Antragsteller in der Baugenehmigung festgeschrieben. Die Werte
können voraussichtlich eingehalten werden. Hierzu liegt die
schalltechnische Untersuchung vor. Sie beruht nicht auf einer
Prognose, sondern auf Messungen aus dem Betrieb der Anlage.
Danach wird ein Beurteilungspegel von 45 db (A) an den
Wohnhäusern der Antragsteller jedenfalls dann eingehalten,
wenn die Nennleistung der Windenergieanlage bei maximal 400 kW
liegt und die Rotordrehzahl 35 Umdrehungen in der Minute nicht
überschreitet. Der Antragsgegner hat dem Beigeladenen in der
Baugenehmigung zur Auflage gemacht,während der Nachtzeit diese
Kennzahlen für den Betrieb der Anlage einzuhalten. </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Antragsteller greifen die schalltechnische Untersuchung
deshalb an, weil der Sachverständige von dem gemessenen
Wirkpegel einen Abzug von 3 db (A) für Meßunsicherheiten
vorgenommen hat. Dieser Abzug dürfte indes nicht zu
beanstanden sein. Der Sachverständige hat für seine
schalltechnische Untersuchung noch die TA-Lärm (1968)
zugrundegelegt. Sie sah in Nr. 2.422.5 Satz 1 Buchst. c einen
Abzug von 3 db (A) für Meßunsicherheit vor. Dieser Abschlag
trug dem Umstand Rechnung, daß in die Berechnungen Meßwerte
einfließen, die wegen geräte- und umweltbedingter Toleranzen
Wahrscheinlichkeitsgrößen sind, mit der Folge, daß auch das
Berechnungsergebnis selbst eine gewisse Unsicherheit aufweist.
Diese mit 3 db (A) bewertete Toleranz war untrennbar
Bestandteil des Meß- und Berechnungsverfahrens nach der TA-
Lärm. Wurden schädliche Umwelteinwirkungen nach Maßgabe der
TA-Lärm ermittelt, durfte der Bewertungsmaßstab dieses
Regelwerks nicht dadurch verschoben werden, daß der
vorgeschriebene Meßunsicherheitsabschlag unberücksichtigt
blieb,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Beschluß vom 22. Oktober
1996 - 7 B 132.96 -, NVwZ-RR 1997,
279.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Mit Blick auf die bevorstehende Einführung der TA-Lärm 1998
zum 1. November 1998 hat der Sachverständige sich auch zu der
Frage geäußert, ob sich aus der TA-Lärm 1998 für das Ergebnis
bedeutsame Änderungen ergeben. Er hat diese Frage verneint.
Der Senat hat keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine
abweichende Einschätzung. Die TA-Lärm 1998 sieht in ihrer
Nr. 6.9 einen Abschlag um 3 db (A) vor, wenn bei der
Überwachung einer Anlage die Geräuschimmissionen durch Messung
ermittelt werden. Mit diesem Abzug dürfte der frühere Abschlag
für Meßunsicherheiten fortgeschrieben sein. Der Abschlag
dürfte somit auch heute noch untrennbarer Bestandteil des in
der TA-Lärm vorgeschriebenen Meß- und Berechnungsverfahrens
sein und deshalb weiterhin vorzunehmen sein, </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">vgl. Kutscheidt, Die Neufassung der
TA-Lärm, NVwZ 1999, 577, 583.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Wohnnutzung der Grundstücke der Antragsteller könnte
ferner durch Lichteffekte nachteilig betroffen werden, welche
die Windkraftanlage verursacht. Steht die Sonne hinter dem
Rotor, können bewegte Schatten über die Grundstücke laufen.
Sie verursachen dadurch dort, je nach Umlaufgeschwindigkeit
des Rotors, einen verschieden schnellen Wechsel von Schatten
und Licht. Dadurch können sie das Wohnen erheblich stören.
Durch die Fenster sind diese Effekte auch in allen Wohnräumen
wahrnehmbar, die der Windkraftanlage zugewandt sind, und zwar
derart, daß diese Schatten durch den ganzen Raum wandern und
von Wänden, Fenstern und anderen Flächen widergespiegelt
werden. Indes hat der Antragsgegner eine Auflage in die
Baugenehmigung aufgenommen, die nicht ungeeignet erscheint,
derartige belastende Auswirkungen der genehmigten Anlage auf
die Wohngrundstücke der Antragsteller zu unterbinden. Nach
dieser Auflage ist die Anlage automatisch geregelt
stillzulegen, wenn Schlagschatten auf die Wohnhäuser unter
anderem der Antragsteller und die von ihnen intensiv genutzten
Außenbereiche einwirken würden. Die Auflage gibt selbst nicht
die Daten vor, die in die automatische Schattenabschaltung
einzugeben sind. Sie sind vielmehr erst in Umsetzung der
Baugenehmigung und der Auflage zu ihr vom Landesumweltamt
errechnet und dem Staatlichen Umweltamt Herten übermittelt
worden. Der Senat geht derzeit - auch nach der Erörterung
dieser Frage im Ortstermin - davon aus, daß die automatische
Abschaltung entsprechend der vom Landesumweltamt ermittelten
Zeiten so programmiert ist, daß die Ostseite des Wohnhauses,
die der Anlage zugewandt ist, vor einer Einwirkung von
Schlagschatten wirksam geschützt ist. Im übrigen gibt die
Auflage zu der Baugenehmigung - zulässigerweise - insoweit nur
das Ziel und das dafür einzusetzende Mittel vor. Die
Abschaltautomatik ist in Umsetzung der Auflage so zu
programmieren, daß mit ihr das vorgegebene Ziel erreicht wird.
Erweisen sich Nachbesserungen als erforderlich, weil die
eingegebenen Zeiten die Zeiten einer Einwirkung von
Schlagschatten nicht oder nicht vollständig erfassen, ist der
Beigeladene verpflichtet, zur Erfüllung der Auflage die
eingegebenen Zeiten entsprechend zu ändern. Die Antragsteller
haben hierauf einen durchsetzbaren Anspruch, weil die Auflage
zu der Baugenehmigung auch ihrem Schutz zu dienen bestimmt
ist. </p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Aus diesem Grund geht der Senat derzeit davon aus, daß die
genannte Auflage zu der Baugenehmigung auch geeignet ist, die
Antragsteller vor der von ihnen beklagten Einwirkung von
Lichteffekten auf die vorderen, der Anlage abgewandten Räume
des Hauses zu schützen. Wie die Antragsteller vorgetragen und
im Ortstermin durch Vorführung einer Videoaufzeichnung
nachvollziehbar dargelegt haben, spiegelt das Gewächshaus im
nordwestlichen Winkel ihres Grundstücks in seinen Seitenwänden
den drehenden Rotor der Anlage einerseits wider und wirft
andererseits dieses Spiegelbild auf das Wohnhaus der
Antragsteller zurück, wo es sich in Form sich ständig
bewegender Lichteffekte in den Glasflächen der Eingangstür,
den Fenstern der Küche und den glatten Oberflächen der
Küchenmöbel niederschlägt. Dieser Effekt tritt dann ein, wenn
die Sonne hinter der Windenergieanlage steht, also
Schlagschatten auf dem Gewächshaus erzeugt. Zwischen den
Beteiligten blieb im Ortstermin streitig, ob die für die
automatische Abschaltung vorgegebenen Zeiten auch die Zeiten
erfaßt, in denen der beschriebene Effekt auftritt. Die
nachgereichten Unterlagen sprechen dafür, daß die bisher für
die automatische Abschaltung vorgegebenen Zeiten nur die
Zeiten erfassen, zu denen der rückwärtige Bereich des
Wohnhauses selbst von Schlagschatten erfaßt wird. Das Wohnhaus
und das Gewächshaus stehen versetzt zueinander. </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Wie das Verwaltungsgericht legt auch der Senat die Auflage
zu der Baugenehmigung so aus, daß mit ihr dem Beigeladenen
aufgegeben ist, die Anlage automatisch geregelt auch zu
solchen Zeiten stillzulegen, zu denen Schlagschatten auf die
Wohnbereiche nicht nur unmittelbar, sondern auch durch
Spiegelung mittelbar einwirken. </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Das Vorhaben des Beigeladenen könnte darüberhinaus durch
die Eigenart der Anlage als solcher rücksichtslos auf die
Wohnnutzung der nahegelegenen Grundstücke einwirken. Selbst
wenn in Bodennähe nahezu Windstille herrscht, drehen die
Rotorflügel leicht. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß
eine derartige stete Bewegung im oder am Rande des Blickfeldes
schon nach kurzer Zeit, erst recht auf Dauer, unerträglich
werden kann. Ein sich drehendes Moment zieht den Blick des
Menschen nahezu zwanghaft auf sich. Dies kann Irritationen
hervorrufen. Eine Konzentration auf andere Tätigkeiten kann
wegen der steten, kaum vermeidbaren Ablenkung erschwert
werden. Die Anlage kann sich dabei in den Fenstern des Hauses
oder an den Inneneinrichtungen der Wohnungen spiegeln, soweit
diese reflektierende Oberflächen haben. </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Solche Wirkungen einer Windenergieanlage können auch dann
eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens gegenüber benachbarter
Wohnbebauung begründen, wenn - wie hier - die Abstände nach
§ 6 Abs. 10 BauO NW zu den benachbarten Grundstücken
eingehalten sind. § 6 BauO NW regelt seinen Sachbereich zwar
abschließend. Er legt insoweit fest, welches Maß an
Rücksichtnahme der Bauherr seinem Nachbarn schuldet und was
diesem zugemutet werden kann. Ein Gebäude kann einem
benachbarten Grundstück Licht, Sonne und Luft nehmen, ferner
einen Einblick in das Nachbargrundstück ermöglichen. Diese
Belange werden regelmäßig durch das bauordnungsrechtliche
Abstandflächenrecht aufgefangen. Windenergieanlagen sind keine
Gebäude. Von ihnen können aber gebäudegleiche Wirkungen
ausgehen, mit der Folge, daß gemäß § 6 Abs. 10 BauO NW auf sie
die für Gebäude geltenden Vorschriften über Abstandflächen
anzuwenden sind. Die einem Gebäude gleiche Wirkung folgt
insbesondere aus dem Rotor und seiner Drehbewegung. Diese
vergrößern die Windenergieanlage in ihren optischen
Dimensionen deutlich und bestimmen sie. Allein der Rotorkreis
hat gebäudegleiche Abmessungen, die angesichts der sich über
ihren gesamten Bereich bewegenden Rotorflügel insgesamt, nicht
aber nur in dem jeweils von den Flügeln überdeckten Teilen in
Erscheinung tritt. Hinzu kommt die Rotorbewegung, denn diese
verstärkt die belastende Wirkung der Anlage auf die
Nachbarschaft, </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. August
1997 - 7 A 629/95 -.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Wird danach die bedrängende Wirkung, welche eine
Windenergieanlage auf die Nachbarschaft ausübt, auch vom
Schutzbereich des § 6 BauO NW erfaßt, so nimmt diese
Vorschrift insoweit dennoch keine abschließende Bewertung vor.
Die optisch bedrängende Wirkung, die von einer
Windenergieanlage wegen der Drehbewegung als solcher ausgeht,
ist in ihrer rechtlichen Bewertung vergleichbar der
erdrückenden Wirkung, die von einem Gebäude wegen seiner Masse
auf die unmittelbare Umgebung ausgeübt werden kann. Die
erdrückende Wirkung eines Baukörpers kann selbst dann als
planungsrechtlich rücksichtslos beurteilt werden, wenn der
Baukörper die Abstandfläche nach dem Bauordnungsrecht einhält.
Unter diesem Gesichtspunkt enthält das Abstandflächenrecht
keine abschließende Regelung. Ähnlich ist zu urteilen für die
optisch bedrängende Wirkung, die von dem sich drehenden Rotor
einer Windenergieanlage ausgeht. </p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Allerdings ist diese Wirkung einer Windenergieanlage nicht
stets rücksichtslos, wenn sie auf angrenzenden
Wohngrundstücken wahrgenommen wird. Wohnhäuser sind gegen sie
nicht unterschiedslos geschützt. Der Schutz richtet sich
vielmehr auch insoweit nach der planungsrechtlichen Lage des
Wohnhauses. Liegt das Wohngrundstück in einem reinen oder
allgemeinen Wohngebiet, das durch Bebauungsplan festgesetzt
ist, genießt es erhöhten Schutz gegen Einwirkungen durch eine
gebietsfremde Windenergieanlage, die durch ihre Eigenart als
solche den Wohnfrieden stört. Anders verhält es sich hingegen
bei einem Wohnhaus im Außenbereich. Im Außenbereich sind
Windenergieanlagen gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegiert
zulässig. Sie sind nicht gebietsfremd. Wer im Außenbereich
wohnt, muß mit den auch optisch bedrängenden Wirkungen einer
solchen Anlage rechnen. </p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Der geminderte Schutzanspruch wirkt sich insbesondere auch
insoweit aus, als dem Betroffenen eher Maßnahmen zumutbar
sind, durch die er den Wirkungen der Windenergieanlage
ausweicht oder sich selbst vor ihnen schützt. Ihm ist eher
zuzumuten, Gewohnheiten zu ändern und der veränderten
Nachbarschaft anzupassen, während dies einem Betroffenen
schwerlich angesonnen werden könnte, der sich gegen die
Auswirkungen einer gebietsfremden Anlage wehrt. </p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Von diesem Ansatz ist zu Recht auch das Verwaltungsgericht
ausgegangen. Von ihm ausgehend wirkt die streitige Anlage
nicht unzumutbar auf die Wohnnutzung des Hauses Im E. 62
ein. Der Rotor mit seinen Blättern ist nicht von jeder Stelle
des Wohnhauses aus zu erblicken. Eine nahezu überall
sichtbare, unerträgliche stete Bewegung der Rotorblätter, der
man sich nicht entziehen könnte, ist nicht festzustellen.
Diese Bewertung des Sachverhalts teilt der Senat aufgrund der
Ortsbesichtigung zweiter Instanz. Eine Nutzung der Terrasse
ist beispielsweise möglich, ohne daß die Windenergieanlage in
den Blick gerät. In bestimmten Bereichen wird sie durch die
Bäume an der Grundstücksgrenze verdeckt. Ähnliches gilt für
das Wohnzimmer. Von Sitzplätzen nahe dem Fenster kann die
Anlage gesehen werden, von anderen Plätzen aus hingegen nicht.
Spiegelungen der Anlage waren ohne weiteres in der Glasplatte
des Tisches zu erkennen, ohne daß indes im übrigen der
Eindruck entstand, einem Phänomen ausgesetzt zu sein, dem man
sich nicht entziehen könnte. Daß die Antragstellerin
beispielsweise das Fernsehgerät an anderer Stelle als bisher
aufgestellt hat, um eine Spiegelung der Windenergieanlage in
dem Fernsehgerät auszuschließen, gehört zu den Maßnahmen, die
nach dem rechtlichen Ausgangspunkt zumutbar sind.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Antragsteller sind der Auffassung des
Verwaltungsgerichts nicht entgegengetreten, für das Wohnhaus
In der L. 5 seien unzumutbare Einwirkungen der
Windenergieanlage nicht festzustellen. Der Senat sieht deshalb
insoweit keinen Anlaß zu weiteren Ausführungen. </p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Soweit in diesem Verfahren nicht abschließend geklärt
werden kann, ob die streitige Baugenehmigung mit den
nachbarschützenden Bestimmungen des Bauplanungsrechts
vereinbar ist, hält der Senat nach alledem den Betrieb der
Anlage für die Antragsteller bis zum Abschluß des
Hauptsacheverfahrens für zumutbar.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159
Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 4 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO, die
Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1
Satz 1 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluß ist unanfechtbar.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
114,364 | olgham-1999-09-03-9-u-14498 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 9 U 144/98 | 1999-09-03T00:00:00 | 2018-11-28T11:28:37 | 2019-02-14T10:23:24 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1999:0903.9U144.98.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>T a t b e s t a n d</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der am 00.00.1946 geborene Kläger nimmt die Beklagte wegen eines Verkehrsunfalls, der sich am 15.05.1990 gegen 16.50 Uhr in N ereignete, auf Schadensersatz in Anspruch. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten darüber, ob er einen unfallbedingten körperlichen Schaden erlitten hat.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger befuhr mit seinem Fahrzeug, einem Audi 90 Quattro, amtliches Kennzeichen XX-XX XXX, den H. In Höhe des Hauses Nr. 11/13 fuhr ein in einer Haltebucht stehender Omnibus plötzlich an. Der Kläger mußte, ebenso wie der Kraftfahrer eines hinter ihm fahrenden VW Golf, sein Fahrzeug abbremsen. Der Fahrer eines weiteren bei der Beklagten haftpflichtversicherten VW Golf erfaßte die Verkehrssituation zu spät. Er fuhr auf das hinter dem Kläger befindliche Fahrzeug, dessen Fahrer die Bremse betätigte, auf und schob es auf den klägerischen Wagen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Fahrzeuge wurden beschädigt. Wegen des am Fahrzeug des Klägers entstandenen Schadens wird auf das Gutachten der DEKRA N2 vom 17.05.1990 Bezug genommen (Bl. 173 – 183 GA), bezüglich des Schadens an dem auf das Fahrzeug des Klägers aufgeschobenen Wagen auf das Gutachten des Ingenieurbüro T4 vom 17.05.1990 (Bl. 193 – 199 GA). </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger suchte noch am Unfalltag seinen Hausarzt, Herrn Dr. T3 in N2, auf. Er klagte über Schwindel, einen steifen Nacken, Kopfschmerzen und eine eingeschränkte Beweglichkeit des Kopfes. Der behandelnde Arzt stellte grob neurologisch keine Ausfälle, mäßigen Klopfschmerz am Hinterhaupt, an den Dornfortsätzen der HWS, der Nacken- und paravertebralen Muskulatur sowie eine starke Verspannung der Nackenmuskulatur fest und attestierte ein HWSSchleudertrauma; später durch ihn gefertigte Röntgenaufnahmen waren ohne pathologischen Befund. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den ärztlichen Bericht von Dr. T3 vom 02.07.1990 Bezug genommen (Bl. 20,21 GA). </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Kläger war bis zum 10.06.1990 arbeitsunfähig krank geschrieben. In der Folgezeit klagte er über eine eingeschränkte Beweglichkeit des Kopfes, anhaltende Nacken- und Schulterschmerzen, ständige Kribbelgefühle in den Fingern, migräneartige Kopfschmerzen, Seh- und Schlafstörungen und durch die Beschwerden verursachte Einschränkungen seines Sexuallebens. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Kläger litt bereits seit 15 Jahren an Lendenwirbelbeschwerden; er war ferner bereits vor dem Unfall wegen Beschwerden an der Halswirbelsäule in ärztlicher Behandlung. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Er unterzog sich nach dem Unfall einer Reihe von Untersuchungen und Begutachtungen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten wird auf die folgenden Bescheinigungen, Arztbericht bzw. Gutachten und Stellungnahmen Bezug genommen:</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Dr. C, Arzt für Chirurgie und Chirotherapie, vom 10.09.1990 (Bl. 24 – 27 GA), ergänzt durch die Stellungnahme vom 01.08.1991 zum Gutachten von Dr. E2 (Bl. 50 - 51 GA),</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Dr. D, Arzt für Orthopädie, F – Hospital N2, vom 23.02.1991 (Bl. 54 - 71 GA), Gesellschaft für Diagnose und Forschung, Gemeinnütziges Gemeinschaftskrankenhaus I, Kernspintomographie, vom 14.02.1992 (Bl. 46 – 47 GA),</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Gemeinnütziges Gemeinschaftskrankenhaus I, Neurochirurgie, vom 24.07.1992 und vom 13.10.1992 (Bl. 22 – 23, 48 GA),</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Prof. Dr. med. W, Arzt für Orthopädie, Universitätsklinik N2, vom 05.01.1993 (Bl. 72 – 96 GA), vom 22.02.1994 (Bl. 97 – 103 GA), ergänzt durch gutachterliche Stellungnahme vom 07.05.1997 (Bl. 414 – 422 GA) zum Gutachten von Dr. Q, Dr. med. T, Orthopäde, vom 28.07.1993 (Bl. 49 GA), Dr. med. T3, Internist und Sportmedizin, vom 25.08.1993 und 06.09.1994 (Bl. 43, 44, 53 GA),Prof. Dr. F und Dipl. T, Institut für Rechtsmedizin, Universität N2, vom 28.09.1995 (Bl. 225 – 228 GA und Ergänzungsgutachten vom 05.05.1997 (Bl. 412, 413 GA).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">In einem aufgrund krankheitsbedingter massiver dienstlicher Fehlzeiten eingeholten Gutachten über die Dienst- und Polizeidienstfähigkeit des Klägers stellte der Polizeiärztliche Dienst des Regierungspräsidenten E die Polizeidienstunfähigkeit des Klägers fest. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten des Polizeiärztlichen Dienstes vom 14.08.1990 (Bl. 325 – 335 GA) sowie auf das von dort eingeholte orthopädische Gutachten von Prof. Dr. O vom 26.07.1991 (Bl. 336 – 339 GA) Bezug genommen. Durch Bescheid vom 02.10.1991 stellte der OKD N die Polizeidienstunfähigkeit des Klägers fest (Bl. 28 ff GA). Auf den Widerspruch des Klägers veranlaßte der Regierungspräsident in E die Einholung eines Gutachtens über die allgemeine Dienstfähigkeit des Klägers durch Prof. Dr. W von der Universität N2. Auf das neurochirurgische Gutachten vom 18.03.1993 wird Bezug genommen (Bl. 33 – 42 GA). Mit Bescheid vom 20.07.1990 wies der Regierungspräsidenten E den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück (Bl. 28 – 30 GA). Mit Ablauf des 30.09.1995 wurde der Kläger in den Ruhestand versetzt. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Im Jahre 1996 wurde dem Kläger wegen einer Oberschenkelkopfnekrose ein neues Hüftgelenk implantiert. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat den Sachschaden ausgeglichen und auf den immateriellen Schaden vorprozessual 2.000,00 DM gezahlt.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat zum Unfallhergang behauptet, wegen des ersten Aufprallgeräuschs habe er sich nach hinten rechts umgedreht. Durch den weiteren Aufprall sei sein Kopf nach links, dann </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">über die Schulter und den Nacken nach rechts geflogen. Die Kopfstützen seines Fahrzeugs hätten keine Wirkung entfaltet. Die Differenzgeschwindigkeit habe mindestens 10 km/h betragen. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die nach dem Unfall aufgetretenen Beschwerden seien unfallbedingte Folge eines Halswirbelschleudertraumas. Aufgrund seiner vorgeschädigten Halswirbelsäule habe auch ein Anstoß mit geringer Differenzgeschwindigkeit zu einem HWS-Trauma führen können. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die durch den Unfall verursachten Beeinträchtigungen hätten seine Polizeidienst- und allgemeine Dienstunfähigkeit herbeigeführt. Die vor dem Unfall bestehende Beschwerdesymptomatik sei mit den nach dem Unfall aufgetretenen Beschwerden nicht identisch, da vor dem Unfall eine kopfgelenknahe biomechanische Störung im Vordergrund gestanden hätte, während nach dem Unfall eine Überlastungssymptomatik des interspinalen Bandapparates der mittleren HWS überwiege. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Das Hüftleiden hätte nach Einsetzen des neuen Hüftgelenks nicht zu einer Dienstunfähigkeit geführt. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Ihm sei aufgrund seiner unfallbedingt verminderten Bezüge ein Verdienstausfallschaden entstanden, der auch in Zukunft weiter entstehe. Aufgrund der durch die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand verringerten Beihilfeleistung sei ihm ein weiterer Schaden wegen nicht erstatteter Heilbehandlungskosten entstanden. Er habe deshalb auch eine Krankenzusatzversicherung abschließen müssen, deren monatliche Kosten er ebenfalls ersetzt verlangt.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Beklagte zu verurteilen,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">1.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">an ihn verurteilen, an in angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 01.02.1994 zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">2.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">an ihn für die Zeit vom 01.01.1991 bis 30.09.1995 27.923,61 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks"> 3.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks"> an ihn ab dem 01.10.1995 eine vierteljährlich </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks"> vorauszahlbare monatliche Rente in Höhe von 1.710,51 DM, </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks"> ab dem 01.01.1996 eine vierteljährlich vorauszahlbare </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks"> monatliche Rente in Höhe von 1.579,84 DM, </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks"> ab dem 01.01.1998 eine vierteljährlich vorauszahlbare </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks"> monatliche Rente in Höhe von 2.004,84 DM, </p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks"> ab dem 01.01.2000 eine vierteljährlich vorauszahlbare </p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks"> monatliche Rente in Höhe von 2.495,18 DM </p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks"> und ab dem 01.07.2006 eine vierteljährlich vorauszahlbare </p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks"> monatliche Rente in Höhe von 1.498,15 DM bis an sein </p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks"> Lebensende, jeweils im voraus zum 01.01., 01.04., 01.07. </p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks"> und 01.10., einschließlich 4 % Zinsen seit </p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks"> Rechtshängigkeit zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks"> 4. </p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks"> an ihn 15.938,17 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit </p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks"> sowie ab dem 01.03.1998 einen monatlich vorauszahlbaren </p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks"> Betrag in Höhe von 286,05 DM zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks"> die Klage abzuweisen. </p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Sie hat behauptet, die auf das Fahrzeug des Klägers einwirken-</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">de Differenzgeschwindigkeit habe weniger als 5 km/h betragen. Sie hat in Frage gestellt, ob die Halswirbelsäule des Klägers überhaupt eine traumatische Beschleunigung erfahren habe und eine unfallbedingte Verletzung des Klägers bestritten.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Sie hat weiterhin bestritten, daß der Kläger aufgrund unfall-</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">bedingter gesundheitlicher Beeinträchtigungen habe pensioniert werden müssen, und hat behauptet, seine Beeinträchtigungen </p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">seien auf degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule zurückzuführen. Aufgrund seines Hüftleidens hätte der Kläger sowieso pensioniert werden müssen. </p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat nach Einholung von schriftlichen Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. K.-F. T2 (Bl. 266 – 281 GA) und Prof. Dr. Q, H, (Bl. 352 a – 353 GA) sowie eines interdisziplinäres Gutachten der Sachverständigen Dipl. Ing. u (Bl. 449 – 485 GA) und Dr. med. M2 (Bl. 499 – 515 GA) die Klage abgewiesen. Es hat sich aufgrund der eingeholten Gutachten nicht davon überzeugen können, daß der Kläger ein Halswirbelschleudertrauma erlitten habe und daß die Beschwerden, unter denen er heute leide, auf eine derartige Verletzung zurückzuführen seien. Es ist den Darlegungen des Sachverständigen Dr. med. M2 gefolgt, daß aus keinem der überreichten Privatgutachten oder seitens des Gerichtes eingeholter Gutachten sich ein gesicherter unfallbedingter Körperschaden ergebe. Auch weitere Indizien führten nicht dazu, daß das vom Kläger angegebene Beschwerdebild unfallmechanisch plausibel zu erklären sei. Sowohl die von dem Sachverständigen Dipl. Ing. u ermittelte geringe kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung des klägerischen PKW von 5 – 9 km/h als auch das Verhalten des Klägers nach dem Unfall und der anfängliche Verlauf seiner Beschwerden würden gegen einen unfallbedingten Körperschaden sprechen. Die Verursachung der nunmehr behaupteten Beschwerden durch den Unfall sei jedenfalls nicht wahrscheinlicher als eine unfallunabhängige Entwicklung, insbesondere aufgrund psychischer und degenerativer Prozesse.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seines früheren Vorbringens die früheren Klageanträge weiterverfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Er rügt die Beweiswürdigung des Landgerichts, das sich zu Unrecht auf das nach seiner Meinung widersprüchliche Gutachten des Sachverständigen Dr. med. M2 gestützt habe. Der Kläger behauptet, die Kollisionsgeschwindigkeit habe über 20 km/h betragen, auf seinen Körper hätte eine kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung von mindestens 15 km/h eingewirkt. Dies stehe nicht im Widerspruch zu den von dem Sachverständigen Dipl. Ing. u herangezogenen Versuchsfahrzeugen, die deutlich geringere Beschädigungen aufwiesen, als die verunfallten Fahrzeuge. Er beantragt insoweit die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Das Gutachten des Sachverständigen Dr. M2 überzeuge nicht. Der Schluß des Sachverständigen, die Kopfdrehung vor dem Unfall habe sich gefährdungsmindernd ausgewirkt, sei falsch. Der Sachverständige habe die erhebliche Vorschädigung der Halswirbelsäule übersehen. Es sei längst anerkannt, daß die HWS – Gefahr bei degenerativen Vorschäden größer sei und eine geringere biomechanische Einwirkung ausreiche, um den Vorgeschädigten zu verletzen. </p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Auch die übrigen Verletzungen würden eine Verletzung im Bereich der Halswirbelsäule belegen. Der vorliegende Beschwerdeverlauf sei typisch für Zerrungen und Stauchungen im Halswirbelbereich. Es sei im Anschluß an den Verkehrsunfall zu einem richtungsändernden Verlauf des bisherigen Krankheitsbildes gekommen.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Er beantragt die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die Körperverletzung habe im Rahmen eines kontinuierlich verlaufenden Prozesses letztlich zur Dienstunfähigkeit des Klägers geführt. Die Halswirbelsäulen-Distorsion sei dabei mindestens mitursächlich gewesen. </p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, </p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">1. </p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 01.02.1994 zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">2.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">an ihn für die Zeit vom 01.01.1991 bis 30.09.1995 27.923,61 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px"> </p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">3.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">an ihn ab dem 01.10.1995 eine vierteljährlich vorauszahlbare monatliche Rente in Höhe von 1.710,51 DM, </p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">ab dem 01.01.1996 eine vierteljährlich vorauszahlbare monatliche Rente in Höhe von 1.579,84 DM, </p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">ab dem 01.01.1998 eine vierteljährlich vorauszahlbare monatliche Rente in Höhe von 2.004,84 DM, </p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">ab dem 01.01.2000 eine vierteljährlich vorauszahlbare monatliche Rente in Höhe von 2.495,18 DM </p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">und ab dem 01.07.2006 eine vierteljährlich vorauszahlbare monatliche Rente in Höhe von 1.498,15 DM bis an sein Lebensende, jeweils im voraus zum 01.01., 01.04., 01.07. und 01.10. einschließlich 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">4. </p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">an ihn 15.938,17 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit sowie ab dem 01.03.1998 einen monatlich vorauszahlbaren Betrag in Höhe von 286,05 DM zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks"> 1. </p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks"> die Berufung zurückzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks"> 2.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">ihr gegebenenfalls zu gestatten, Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres frühe-</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">ren Vorbringens das angefochtene Urteil. Sie bestreitet wei-</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">ter, daß der Kläger bei dem Verkehrsunfall eine Körperverletzung erlitten hat. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, daß die von dem Sachverständigen Dipl. Ing. u ermittelte Geschwindigkeitsänderung des Klägerfahrzeugs unzutreffend sei. Der Sachverständige Dr. med. M2 habe die Vorschädigung der Halswirbelsäule keinesfalls übersehen. Er habe eindeutig verneint, daß der Kläger bei dem Unfall eine Körperverletzung erlitten habe. Es sei auch indiziell zu berücksichtigen, daß der Kläger erst mehrere Stunden nach dem Unfall einen Arzt aufgesucht habe, da Körperverletzungen der behaupteten Art mit sofortigen Beschwerden und Funktionseinbußen auftreten würden.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte bestreitet eine richtungsändernde Verschlimmerung der vorbestehenden Gesundheitsschäden des Klägers durch den Unfall und dessen Ursächlichkeit für eine Dienstunfähigkeit.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat die Sachverständigen Dipl.-Ing. u, Prof. Dr. med. W, Dr. med. M2 und Dr. med. P zur Erläuterung ihrer Gutachten vernommen. </p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Vermerk der Berichterstatterin zur Senatssitzung vom 03. September 1999 Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks"><b><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</u></b></p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. </p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger steht gegen die Beklagte aufgrund des Verkehrsunfalls vom 15.05.1990 weder ein Anspruch auf Schmerzensgeld gemäß §§ 847 Abs. 1 BGB, 3 Nr. 1 PflVG zu noch kann er von ihr gemäß §§ 823 BGB, 7 Abs. 1 StVG Ersatz für Verdienstausfall und Krankenversicherungsaufwendungen verlangen.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche aus §§ 823, 847 BGB, 7 StVG setzen voraus, daß der Kläger durch den Verkehrsunfall eine Körperverletzung erlitten hat.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Es obliegt nach den allgemeinen Beweisregeln dem Kläger als Anspruchsteller, diesen Nachweis zu erbringen. Da es sich hierbei um eine Voraussetzung des <i>Haftungsgrundes</i> handelt, muß der Kläger den Vollbeweis im Sinne von § 286 ZPO führen, daß er bei dem Verkehrsunfall überhaupt körperlich verletzt worden ist (vgl. Zöller/Greger, § 287, Rz. 3 m.w.N; Baumbach-Lauterbach/Hartmann § 287 Rz 11; vgl. auch Lemcke, NZV 1996, 337, 338).</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Diesen Beweis hat der Kläger nicht erbracht.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat nach umfassender Würdigung der in beiden Rechtszügen erstatteten und erläuterten Sachverständigengutachten keine hinreichend sicheren Feststellungen zu einer durch den Unfall vom 15.05.1990 verursachten Körperverletzung des Klägers treffen können. </p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">1. </p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Die Sachverständigen sind in ihren Gutachten zu folgenden Ergebnissen gelangt:</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">a.</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Der Sachverständige Dipl.-Ing. u hat zur Ermittlung der </p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">bei dem Unfall auf den Körper des Klägers einwirkenden kolli-</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">sionsbedingten Geschwindigkeitsänderung einen Versuch mit bauartgleichen Fahrzeugen durchgeführt und die Beschleunigungsdaten am Körper des Versuchsfahrers gemessen. Der im Versuch eingesetzte Audi 90 sei korrosionsfrei gewesen. Der VW Golf I sei mit 17,5 km/h auf den stehenden Audi 90 aufgefahren. Bei dem im Versuch benutzten Audi 90 habe sich das gleiche Beschädigungsbild ergeben wie bei dem Unfallfahrzeug. Die Spuren beim Versuchsfahrzeug seien allerdings deutlich stärker gewesen. Die Stoßfängerspur am klägerischen Fahrzeug habe rechts unten abrupt geendet, demgegenüber sei die Eindringtiefe beim Versuchsfahrzeug deutlich ausgeprägter gewesen. Daraus folge, daß auf das klägerische Fahrzeug mit einer geringeren Geschwindigkeit, maximal 12 – 14 km/h, eingewirkt worden sei. Auch der beim Versuch benutzte VW Golf habe ein ähnliches Beschädigungsbild aufgewiesen wie der verunfallte Wagen. Ob der Scheinwerfer – wie beim Unfall – beschädigt werde oder – wie beim Versuch – nicht, sei Zufall und lasse keine weiteren Rückschlüsse zu. Die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung habe beim Versuch 8,2 km/h betragen. Dies sei eine relativ harmlose Geschwindigkeitsänderung. Die Kopfschleuderung sei beim Versuch mit bis zu 6 g erfolgt. Ein solcher Wert werde bei Belastungen im Alltag durchaus überschritten. Wenn sich beispielsweise eine Person aus dem Sitzen heraus auf eine Matratze fallen lasse, wirkten 8 – 9 g auf den Kopf ein. Ähnliche Werte würden erzielt, wenn man sich rückwärts in einen Stuhl fallen lasse oder einen Rempler in der Fußgängerzone erleide. Da die Kollisionsgeschwindigkeit beim Unfall einen niedrigeren Wert aufgewiesen habe, sei auch die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung geringer gewesen. Sie habe um 6 km/h gelegen.</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">b. </p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Der Sachverständige Dr. med. P ist zusammen mit dem Sachverständigen Prof. Dr. Q in seinem schriftlichen Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger durch den Unfall ein HWS - Schleudertrauma erlitten hat. Es habe ein Accelerationstrauma sowie eine seitliche Distorsion bei zum Zeitpunkt des Unfallereignisses nach rechts gedrehtem Kopf vorgelegen. Hierdurch sei es zu einer traumatischen Gefügestörung im Bewegungssegment C5/C6 mit entsprechendem posttraumatischen radiologisch nachweisbarem osteochondrotischen Umbau im Bewegungssegment C5/C6 sowie zu einer klinischen traumatisch bedingten C6- und C7-Symptomatik rechts mit entsprechenden radikulären Schmerzen und neurologischen Ausfällen gekommen. Zwar habe vermutlich nur eine geringe Aufprallgeschwindigkeit vorgelegen. Der Verletzungsmechanismus sei aber aufgrund der zusätzlichen seitlichen Distorsion schwerer zu beurteilen als bei einem reinen Accelerationstrauma. Aus der Beurteilung der radiologischen Zusatzdiagnostik ergebe sich, daß auf den Röntgenbildern aus den Jahren 1979/1986 nur relativ geringfügige Veränderungen im Segment C5/6 vorhanden gewesen seien. Der nach dem Unfall ausschließlich im Segment C5/C6 erfolgte osteochondrotische Umbau spreche dafür, daß es im Rahmen des Unfalls zu einer posttraumatischen Gefügestörung des Bewegungssegments C5/C6 im Sinne einer traumatischen HWS-Schädigung gekommen sein.</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Zwar hätten auch vor dem Unfall HWS-Beschwerden bestanden. Es habe aber eine vorwiegend cerviko-occipitale Symptomatik mit biomechanischer Störung im Bereich der Kopfgelenke vorgelegen. Eine radikuläre Symptomatik aufgrund degenerativer Veränderungen im Bereich der mittleren und unteren HWS habe nicht bestanden.</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Bei der klinischen Untersuchung seien auch neurologische Ausfälle, eine Parese der Fingerbeugungsmuskulatur und der Handgelenksmuskulatur sowie Sensibilitätsstörungen im Bereich C6/C7, festgestellt worden.</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">Der Sachverständige Dr. med. P hat eingeräumt, daß die durch die kernspintomographischen Untersuchungen festgestellten Veränderungen des Bandscheibensegments C5/C6 keine eindeutige Ursache erkennen lassen. Es könne sich um degenerative oder unfallabhängige Veränderungen handeln.</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">Das klinische Beschwerdebild habe sich aber durch den Unfall geändert. Es liege nach dem Unfall das klinische Bild einer Nervenwurzelschädigung vor.</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">c. </p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">Der Sachverständige Prof. Dr. med. W ist in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger habe eine nunmehr folgenlos ausgeheilte Distorsion der Halswirbelsäule erlitten bei Zustand nach leichtgradigem Schleudertrauma. Noch bestehende Beschwerden seien auf anlagebedingte Veränderungen zurückzuführen. Im Hinblick auf den unmittelbaren Verlauf nach dem Unfall, die Diagnostik der behandelnden Ärzte und die Feststellungen des Sachverständigen u zur kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung würden nur die Nackenschmerzen am Unfalltag für eine Verletzung des Klägers sprechen. Der behandelnde Arzt habe eine Muskelverspannung festgestellt. Der Umstand, daß er keine Röntgenbilder gefertigt habe, sei ein Indiz dafür, daß es sich um leichtgradige Beschwerden gehandelt habe. Diese Verhärtung entspreche einer leichtgradigen Distorsion. Ein Nachweis sei nicht möglich. Es gebe nur eine verletzungstypische Symptomatik. </p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">Die röntgenologische Untersuchung der HWS vor dem Unfall habe deutliche degenerative Veränderungen gezeigt, die auch nach dem Unfall nachweisbar seien. Es hätten sich auf sämtlichen röntgenologischen Untersuchungen nach dem Unfall keine deutlichen Anzeichen von traumatischen Veränderungen gefunden. Wie vom Kläger selbst angegeben, habe er bei dem Unfall ein Schleudertrauma erlitten. Die Begutachtung gestalte sich bei Verletzungen der Halswirbelsäule dadurch schwierig, daß wenigen objektiven Befunden häufig multiple subjektive Beschwerden gegenüberstünden. Bei leichten Distorsionen der Halswirbelsäule fehlten objektive Kriterien. </p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">Im Hinblick auf die Vorschädigung der Halswirbelsäule des Klägers habe die Schleuderverletzung eine vorübergehende, nicht richtunggebende, zeitlich abgrenzbare Verschlimmerung des unfallunabhängigen Leidens hervorgerufen. Die Vorschädigung habe sich nicht dahingehend ausgewirkt, daß das zu einer (weiteren) Schädigung erforderliche Maß der Einwirkung sich verringere. Eine vorgeschädigte Wirbelsäule brauche nicht weniger Einwirkung als eine gesunde.</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">Beim Kläger seien lediglich verschleißbedingte und nicht posttraumatische Veränderungen im Segment C4/5 und C5/6 vorhanden. Eine unfallbedingte Veränderung hätte in beiden Etagen stattfinden müssen.</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Es gebe keine wissenschaftlichen Untersuchungen, ob die Kopfhaltung Einfluß auf mögliche Verletzungen habe. Nach seiner Ansicht müsse die Wirbelsäule durch ein Drehen des Kopfes nicht unbedingt verletzungsanfälliger werden, da sie sich verblocke. </p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">d. </p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">Der Sachverständige Dr. med. M2 ist zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger bei dem Verkehrsunfall keine behandlungsbedürftige Verletzung erlitten habe.</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">Er begründet dies damit, daß es kein gesichertes unfallbedingtes morphologisches Substrat gebe. Die von Dr. T3 festgestellte wirbelsäulenbegleitete Verspannung der Nackenmuskulatur könne viele Ursachen haben. Sie sei weder verletzungstypisch noch -spezifisch. Im gesamten Bevölkerungsquerschnitt gebe es Muskelverspannungen, die haltungsbedingt oder psychisch bedingt sein könnten.</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">Bei der Heckkollision werde die Hals- und nicht die Nackenmuskulatur beansprucht. Da von einer unfallbedingten direkten Verletzung der Nackenmuskulatur nicht auszugehen sei, könne die Muskelanspannung hier nur Folge eines Primärschadens gewesen sein, aufgrund dessen die Muskeln durch Anspannung versuchten, einen verletzten Bereich still und damit möglichst schmerzfrei zu halten. Eine solche unfallbedingte Primärverletzung lasse sich aber nicht feststellen. Auch die durch Dr. med. P dargestellten Befunde ließen keine objektiven Anhaltspunkte für unfallbedingte Beschwerden erkennen. Ein Nervenschaden sei nicht objektiv festgestellt worden. Kraftentfaltung und Gefühlsstörung seien subjektiv bestimmt. Elektrophysische Untersuchungen seien ohne Befund geblieben. Die kernspintomographischen Untersuchungen würden keinen Schaden des Rückenmarks oder der Nerven dokumentieren, sondern lediglich feststellen, ob das Rückenmark oder die Nerven durch umgebende Strukturen bedrängt werden.</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">Das vom Kläger angegebene Beschwerdebild sei auch unter Berücksichtigung gesicherter traumatologischer Erfahrung aufgrund weiterer Indizien unfallmechanisch plausibel nicht zu erklären. </p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">Die Halswirbelsäule sei bei der geringen Kollisionsdifferenzgeschwindigkeit nicht nennenswert gefährdet gewesen. Bei dieser sehr sehr geringen Gefährdung sei die Gefahr einer morphologischen Verletzung praktisch null gewesen. Eine Segmentlockerung an der Halswirbelsäule sei eine schwere Verletzung, die im Regelverlauf sofortige Beschwerden verursache. Das Verhalten des Klägers nach dem Unfall spreche ebenso wie die Diagnostik und Behandlung von Dr. T3 aber für eine allenfalls harmlose Verletzung. </p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">Die peripheren Nervenversorgungsstörungen seien nach den vorliegenden Attesten weder gegenüber Dr. T3 noch gegenüber Dr. C geklagt worden. </p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">Die Kopfhaltung während des Unfalls spiele aus unfallmechanischer Sicht keine Rolle. Die Verletzungsgefahr sei, ob der Kopf gedreht werde oder nicht, gleich groß.</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">Bei einer Vorschädigung könne das Beschwerdebild anders ablaufen, als bei einer altersgerechten Bandscheibe, verletzungsanfälliger sei eine vorgeschädigte Halswirbelsäule nicht. </p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">2. </p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">Die medizinischen Sachverständigen sind damit zu konträren Ergebnissen gekommen.</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. P sind ebensowenig wie die diesbezüglichen Erläuterungen des Sachverständigen Prof. Dr. med. W geeignet, dem Senat eine sichere Überzeugung dahingehend zu vermitteln, daß der Kläger eine unfallbedingte Verletzung erlitten hat. Durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. med. M2 werden ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen der Sachverständigen Dr. med. P und Prof. Dr. med. W begründet.</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">a.</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">Sowohl der Sachverständige Prof. Dr. med. W als auch der Sachverständige Dr. med. P haben in ihren einige Jahre nach dem Unfall erstellten Gutachten die vom Kläger geklagten und mit dem Unfall begründeten Beschwerden als zutreffend unterstellt. Der Sachverständige Prof. Dr. med. W stützt hierauf im wesentlichen seine Diagnose. Auch der Sachverständige Dr. med. T2 geht in seinem Gutachten wie auch die übrigen, den Kläger behandelnden, Mediziner offenbar von den Angaben und Schlußfolgerungen des Klägers aus, die als feststehend zu Grunde gelegt werden. </p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">Damit werden die Sachverständigen ihrer Aufgabe als Gutachter nicht gerecht. Die vom Kläger auf den Unfall zurückgeführten Beschwerden lassen - gerade im Hinblick auf seine Vorschädigung nicht den zwingenden Schluß zu, daß eine unfallbedingte Körperverletzung vorliegt. Es wäre vielmehr erforderlich, objektive Umstände oder Indizien festzustellen, die eine durch den Unfall erlittene Verletzung plausibel und nachvollziehbar erscheinen lassen.</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">b.</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">Der Sachverständige Dr. med. M2 hat überzeugend dargelegt, daß keine gesicherten medizinischen Befunde für eine unfallbedingte Verletzung des Klägers vorliegen. </p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">aa.</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">Soweit durch den erstbehandelnden Arzt, Dr. T3, eine starke Verspannung der Nacken- und paravertebralen Muskulatur diagnostiziert wurde und der Sachverständige Prof. Dr. med. W deshalb eine leichtgradige Schädigung für möglich gehalten hat, beweist dies keine unfallbedingte Körperverletzung. Der Sachverständige Dr. med. M2 hat nachvollziehbar ausgeführt, daß im gesamten Bevölkerungsquerschnitt Nacken- und Schulterverspannungen feststellbar sind, die unterschiedliche, nicht nur unfallbedingte Ursachen haben können. Da es bei der hier vorliegenden Heckkollision eher zu einer Verspannung der Hals- als der Nackenmuskulatur kommt und auf die Nackenmuskulatur auch nicht in sonstiger Weise eingewirkt wurde, ist sie als direkte Unfallfolge unwahrscheinlich. Eine Verspannung des Nackens wäre daher allenfalls als Reaktion auf eine Primärverletzung erklärbar. Es ist jedoch keine Verletzung festgestellt worden. Daher ist davon auszugehen, daß die Nackenverspannung nicht aufgrund des Unfalls, sondern durch eine falsche Haltung oder psychisch bedingt verursacht wurde.</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">bb.</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">Weitere gesicherte Befunde sind nicht vorhanden. </p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">Es läßt sich nicht feststellen, daß die diagnostizierten Veränderungen des Bandscheibensegments C5/C6 Folge des Verkehrsunfalls vom 15.05.1990 sind.</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">Der Sachverständige Dr. med. P hat im Senatstermin selbst eingeräumt, daß die durch die kernspintomographischen Untersuchungen vom 11.02.1992 und 07.05.1992 festgestellten Veränderungen keinerlei Ursächlichkeit erkennen lassen. Es kann sich um degenerative oder unfallbedingte Veränderungen handeln. </p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks">Zwar stützt der Sachverständige seine These einer durch den </p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">Unfall verursachten Veränderung im wesentlichen darauf, daß vor dem 15.05.1990 keine Veränderungen des Segments C5/C6 vorhanden gewesen seien, der Kläger nach dem Unfall über radiku-</p>
<span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">läre Schmerzen mit Ausstrahlung von der Halswirbelsäule in den rechten Arm und einige Finger geklagt habe und sich nunmehr das klinische Bild einer Nervenwurzelschädigung finde. </p>
<span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">Diese Argumentation überzeugt den Senat jedoch nicht. </p>
<span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks">Sowohl der Sachverständige Dr. med. M2 als l. auch der Sachverständige Prof. Dr. med. W haben erklärt, daß die Segmentveränderung nicht unfallbedingt ist. </p>
<span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks">Der Sachverständige Prof. Dr. med. W stützt seine Meinung darauf, daß der Schaden schon 1990 vor dem Unfall vorhanden war und im weiteren Verlauf zugenommen hat. Es gab keinen Knick im Verlauf und keine drastische Zunahme. Ausweislich des Röntgenbildes vom 29.12.1992 wurden in den Segmenten C4/C5 und C5/C6 degenerative Veränderungen unterschiedlichen Grades festgestellt (Bl. 417 f. d.A.). Wenn es sich um eine unfallbedingte Folge gehandelt hätte, hätten sich beide Segmente in gleichem Maße verändert haben müssen. </p>
<span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks">Die von Dr. med. P gestellte Diagnose wird von ihm mit klinischen Untersuchungen begründet. Diese gründen sich jedoch worauf der Sachverständige Dr. med. M2 zu Recht hingewiesen hat allein auf subjektive Faktoren. Soweit der Sachverständige Dr. med. P eine Parese der Fingerbeugungsmuskulatur und der Handgelenksmuskulatur festgestellt hat, beruht dies auf den Empfindungen des Untersuchten. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß der Kläger periphere Nervenversorgungsstörungen ausweislich der ausgestellten Atteste weder gegenüber dem erstbehandelnden Arzt, Herrn Dr. T3 (Bl. 20 f GA) noch gegenüber Herrn Dr. C (Bl. 24 ff GA), der den Kläger am 27.07.1990, 09.08.1990 und 06.09.1990 behandelt hat, geklagt hat. Die Ärzte haben offensichtlich auch keine Veranlassung gesehen, eine elektrophysiologische Untersuchung, mit deren Hilfe eine derartige Störung zu objektivieren gewesen wäre, durchzuführen. Eine später im Jahre 1992 in der Neurochirurgie des Gemeinnützigen Gemeinschaftskrankenhauses I durchgeführte elektrophysiologische Untersuchung war ohne Befund (Bl. 22, 23 GA). Objektive Feststellungen, die die Diagnose von Dr. med. P stützen würden, liegen daher nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks">c. </p>
<span class="absatzRechts">148</span><p class="absatzLinks">Die von dem Kläger nach dem Unfall eklagten Beschwerden lassen sich plausibel durch seine Vorschädigungen und den weiteren Verlauf eines degenerativen Prozesses erklären.</p>
<span class="absatzRechts">149</span><p class="absatzLinks">aa.</p>
<span class="absatzRechts">150</span><p class="absatzLinks">Er wurde seit 15 Jahren wegen Problemen an der Lendenwirbelsäule behandelt. Die Halswirbelsäule ist nach Angaben der Sachverständigen Dr. med. P und Dr. med. M2 in den Jahren 1979/1986 röntgenologisch festgehalten worden. Da ein Anlaß für eine derartige Untersuchung bestanden haben muß, legt dies zumindest den Schluß nahe, daß in diesem Bereich bereits zu diesem Zeitpunkt Beschwerden aufgetreten sind. </p>
<span class="absatzRechts">151</span><p class="absatzLinks">Der Kläger war wegen eines Wirbelsäulenleidens, auch der HWS, das seit Jahren bestand, bei Herrn Dr. T3 in Behandlung (Bl. 21 GA). Durch Dr. C wurde der Kläger mehrmals wegen Nackenschmerzen, zuletzt im Februar 1990, behandelt (Bl. 26 GA). Am 17. Januar 1990 wurde eine weitere Aufnahme der Halswirbelsäule angefertigt.</p>
<span class="absatzRechts">152</span><p class="absatzLinks">bb.</p>
<span class="absatzRechts">153</span><p class="absatzLinks">Auch stellen alle Sachverständigen im Ergebnis fest, daß vor dem Unfall bereits Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule aufgetreten sind.</p>
<span class="absatzRechts">154</span><p class="absatzLinks">(1)</p>
<span class="absatzRechts">155</span><p class="absatzLinks">Zwar geht der Sachverständige Dr. med. P davon aus, daß erst nach dem Unfall erstmals über Beschwerden im Arm geklagt wurde. Wie bereits oben ausgeführt, sind diese Beschwerden aber weder von Herrn Dr. T3 noch von Herrn Dr. C attestiert. Es läßt sich daher nicht feststellen, daß die vorgetragenen Beschwerden im Arm bereits in zeitlichem Zusammenhang zum Unfall geäußert wurden.</p>
<span class="absatzRechts">156</span><p class="absatzLinks">(2)</p>
<span class="absatzRechts">157</span><p class="absatzLinks">Daß der Sachverständige Dr. med. P in den röntgenologischen Untersuchungen vor dem Unfall keine deutlich degenerativen Veränderungen festgestellt hat, schließt einen solchen Verlauf nicht aus.</p>
<span class="absatzRechts">158</span><p class="absatzLinks">Der Sachverständige stützt sich hierbei auf die Röntgenaufnahmen aus den Jahren 1979/1986, die also 11 bzw. 4 Jahre vor dem Unfall gefertigt worden sind. Auf dem Röntgenbild vom 28.08.1990 stellt er selbst leichte degenerative Veränderungen fest.</p>
<span class="absatzRechts">159</span><p class="absatzLinks">Das Röntgenbild vom 17.01.1990, das nach Angaben des Sachverständigen Dr. med. M2 Verknöcherungen des vorderen Längsbandes in Höhe des Segments C4/C5 sowie eine leichte Höhenminderung des Segments C5/C6 mit vorderen knöchernen Kantenausziehungen und nach den Angaben von Prof. Dr. med. W degenerative Veränderungen erkennen läßt, wurde von dem Sachverständigen Dr. med. P nicht in die Begutachtung einbezogen. </p>
<span class="absatzRechts">160</span><p class="absatzLinks">Prof. Dr. med. W stellt darüber hinaus im Hinblick auf die Röntgenbilder der HWS vom 27.07.1990, 04.05.1992 und 29.12.1992 nach wie vor degenerative Veränderungen fest. Es finden sich nach seiner Beurteilung keine deutlichen Zeichen von traumatischen Schäden, vielmehr liegt eine ganz normale Weiterentwicklung eines Verschleißprozesses vor. </p>
<span class="absatzRechts">161</span><p class="absatzLinks">d. </p>
<span class="absatzRechts">162</span><p class="absatzLinks">Auch alle weiteren Indizien sprechen gegen eine durch den Unfall verursachte Verletzung des Klägers.</p>
<span class="absatzRechts">163</span><p class="absatzLinks">aa. </p>
<span class="absatzRechts">164</span><p class="absatzLinks">Die auf den Körper des Klägers einwirkende kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung war äußerst gering.</p>
<span class="absatzRechts">165</span><p class="absatzLinks">(1)</p>
<span class="absatzRechts">166</span><p class="absatzLinks">Der Senat geht aufgrund der überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. U von einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung von 6 km/h aus. Der Sachverständige hat den Aufprall des VW Golf auf das klägerische Fahrzeug mit bauartgleichen Fahrzeugen nachgestellt und die sich für den Fahrer des Audi ergebenden Beschleunigungsdaten gemessen. Daß die im Versuch gefahrene Kollisionsgeschwindigkeit von 17,5 km/h höher lag, als die bei dem Unfall gegebene, ergibt sich aus dem Vergleich der Schäden am klägerischen und an dem beim Versuch benutzten Fahrzeug. Die vorgefundenen Beschädigungen im Heckbereich des Versuchsfahrzeugs sind deutlich stärker als die des klägerischen Fahrzeugs. Daraus folgt nach den Darlegungen des Sachverständigen u, daß der Golf mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von 12 – 14 km/h auf das klägerische Fahrzeug aufgefahren ist. Bei dem Versuch wurde die auf den Fahrer des Audi einwirkende kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung mit 8,2 km/h ermittelt. Unter Berücksichtigung der geringeren Kollisionsgeschwindigkeit beim Unfall ist diese niedriger anzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">167</span><p class="absatzLinks">(2) </p>
<span class="absatzRechts">168</span><p class="absatzLinks">Alle Sachverständigen sind sich dahingehend einig, daß die auf den Körper des Klägers einwirkende Geschwindigkeitsänderung allenfalls als relativ gering anzusetzen ist.</p>
<span class="absatzRechts">169</span><p class="absatzLinks">Der Sachverständige Dr. med. P hat eingeräumt, daß die Belastung der Wirbelsäule äußerst gering war. Für Prof. Dr. med. W stellt die festgestellte Geschwindigkeitsänderung kein Indiz für einen Unfall dar. Dr. med. M2 geht aufgrund einer sehr geringen Gefährdung davon aus, daß die Gefahr einer morphologischen Verletzung praktisch nicht bestehe.</p>
<span class="absatzRechts">170</span><p class="absatzLinks">Der Sachverständige u hat darüber hinaus darauf hingewiesen, daß es im Alltag zu erheblich höheren Belastungen kommt, wenn man sich beispielsweise rückwärts in einen Stuhl fallen läßt.</p>
<span class="absatzRechts">171</span><p class="absatzLinks">(3) </p>
<span class="absatzRechts">172</span><p class="absatzLinks">Es läßt sich auch nicht feststellen, daß aufgrund einer Kopfdrehung des Klägers bereits eine geringe kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung ausgereicht hätte, um eine Verletzung zu verursachen.</p>
<span class="absatzRechts">173</span><p class="absatzLinks">Zwar geht der Sachverständige Dr. med. P davon aus, daß es bei dem Unfall aufgrund des nach rechts gedrehten Kopfes neben einem reinen Accelerationstrauma auch zusätzlich zu einer seitlichen Distorsion gekommen ist. Deshalb sei der Verletzungsmechanismus schwerer zu beurteilen. Warum sich die Kopfhaltung ausgewirkt haben soll und wodurch eine seitliche Distorsion belegt wird, hat er nicht dargelegt.</p>
<span class="absatzRechts">174</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber hat Prof. Dr. med. W darauf hingewiesen, daß ihm keine wissenschaftlichen Untersuchungen im Hinblick auf den Einfluß der Kopfhaltung bekannt sind. Er geht davon aus, daß sich die durch das Drehen des Kopfes verursachte Anspannung eher positiv als negativ auswirkt. Der Sachverständige Dr. med. M2 hat ausgeführt, daß die Kopfhaltung aus unfallmechanischer Sicht unerheblich ist. Die Verletzungsgefahr ist demnach bei gedrehtem Kopf genauso groß wie bei nicht gedrehtem Kopf. Diese Ansicht wird durch die Ergebnisse der vom Sachverständigen u in Zusammenarbeit mit der Universität N2 durchgeführten Versuche mit gedrehter Kopfhaltung gestützt. Danach sind für den hier in Betracht kommenden Geschwindigkeitsbereich keine Veränderungen feststellbar. </p>
<span class="absatzRechts">175</span><p class="absatzLinks">(4)</p>
<span class="absatzRechts">176</span><p class="absatzLinks">Es ergeben sich auch im Hinblick auf die Vorschädigung der Halswirbelsäule des Klägers keine geringeren Anforderungen an die Belastungen, die auf sie eingewirkt haben müßten, um eine unfallbedingte Verletzung zu erreichen.</p>
<span class="absatzRechts">177</span><p class="absatzLinks">Prof. Dr. med. W und Dr. med. M2 haben übereinstimmend und überzeugend erklärt, daß eine vorgeschädigte Wirbelsäule nicht verletzungsanfälliger ist. Zu einer Schädigung ist dieselbe Einwirkung erforderlich, wie bei einer gesunden Wirbelsäule. Die Vorverletzung spielt lediglich eine Rolle für die Intensität und Dauer der Beschwerden. Zudem ist nach den Ausführungen des Sachverständigen M2 davon auszugehen, daß die Muskulatur des Klägers gefährdungsmindernd dadurch, daß er vor dem Anstoß an seinem Fahrzeug bereits den ersten Anstoß gehört hatte, reflektorisch gespannt war. </p>
<span class="absatzRechts">178</span><p class="absatzLinks">bb.</p>
<span class="absatzRechts">179</span><p class="absatzLinks">Gegen einen unfallbedingten Körperschaden sprechen weiterhin das Verhalten des Klägers nach dem Unfall und der anfängliche Verlauf. Der Kläger hat nach eigenen Angaben sein Fahrzeug eigentätig verlassen und sich am Unfallort zielgerichtet verhalten. Er hat die Unfallstelle mit seinem eigenen Fahrzeug verlassen und fuhr selbst zu seinem Arzt. Ausweislich des Attestes kam er erst einige Stunden nach dem Vorfall in die Praxis. Die Sachverständigen Prof. Dr. med. W und Dr. med. M2 gehen übereinstimmend davon aus, daß diese Umstände zumindest den Rückschluß zulassen, daß keine schwerwiegende Verletzung vorgelegen haben kann. Der Sachverständige Dr. med. M2 hat - weitergehend - überzeugend dargelegt, daß es gesicherter traumatischer Erfahrung entspricht, daß ein unfallbedingter Körperschaden sofort mit Beschwerden und Funktionseinbußen einhergeht. Hier ist auch zu berücksichtigen, daß der erstbehandelnde Arzt zunächst keinen Anlaß gesehen hat, ein Röntgenbild zu fertigen.</p>
<span class="absatzRechts">180</span><p class="absatzLinks">Auch der weitere Krankheitsverlauf spricht gegen eine unfallbedingte Verletzung. Der Sachverständige Dr. med. M2 hat dargelegt, daß es gesicherter traumatologischer Erfahrung und gesicherter Lebenserfahrung entspricht, daß ein unfallbedingter Körperschaden mit einem Decrescendo einhergeht und nicht mit einem über Jahre bestehenden gleichbleibenden bzw. sich ausweitenden Beschwerdebild.</p>
<span class="absatzRechts">181</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">182</span><p class="absatzLinks">Der Senat hatte weder von Amts wegen noch aufgrund der Anträge des Klägers Anlaß, weitere Sachverständigengutachten einzuholen.</p>
<span class="absatzRechts">183</span><p class="absatzLinks">Der Sachverständige u hat überzeugend und widerspruchsfrei dargelegt, wie er die Aufprallgeschwindigkeit und die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung ermittelt hat. </p>
<span class="absatzRechts">184</span><p class="absatzLinks">Auch im Hinblick auf die sich zum Teil widersprechenden medizinischen Gutachten war die Einholung eines weiteren (Ober)Gut-achtens nicht erforderlich, da keine erfolgversprechende weitere Aufklärungsmöglichkeit bestand (vgl. BGH Vers R 1980, 533).</p>
<span class="absatzRechts">185</span><p class="absatzLinks">Die Berufung war daher zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">186</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">187</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
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